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Beiträge verschlagwortet als “Tierversuche”

[Ticker 02/21] AKTION & KRITIK

CBG Redaktion

CBG beim Klima-Streik
Der BAYER-Konzern stößt Jahr für Jahr Millionen Tonnen Kohlendioxid aus und trägt so zum Klima-Wandel bei. Darum nahm die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) wieder am Klima-Streik teil. Sie beteiligte sich am 19. März 2021 aus gegebenem Anlass dort an den Protesten, wo der Agro-Riese seinen Stammsitz hat: in Leverkusen. Zu einer Mahnwache vor dem Rathaus der Stadt hatte die Ortsgruppe von FRIDAYS FOR FUTURE aufgerufen. Insgesamt gab es an diesem Tag rund 1.000 Aktionen in insgesamt 68 Ländern.

CBG hat Agro-Industrie satt
Jedes Jahr im Januar ist Berlin der Schauplatz der „Wir haben Agro-Industrie satt“-Proteste. Dieses Mal fanden sie in hybrider Form statt. Es gab sowohl eine kleinere Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt als auch die „Aktion Fußabdruck“, die eine „Anwesenheit in Abwesenheit“ ermöglichte. Rund 10.000 Menschen stimmten mit ihren Füßen ab gegen Pestizide, Gentechnik, Monokulturen und Tier-Fabriken, um „die Agrar-Wende loszutreten“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) beteiligte sich mit einem „Glyphosat-Stopp jetzt!“-Fußabdruck daran. Überdies schickte die Coordination eine vor dem Dormagener BAYER-Werk aufgezeichnete Rede zum Thema „Glyphosat“ in die Hauptstadt. Und trotz alledem ließ sie es sich nicht nehmen, am 16. Januar vor Ort präsent zu sein, wenn auch in reduzierter Mannschaftsstärke. Geschäftsführer Marius Stelzmann vertrat sie dort.

Machtlose Vereinsmitglieder
Der jüngste Beschluss der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zur Verteilung der Gelder aus der TV-Vermarktung benachteiligt die kleinen Vereine aus der 2. Liga gegenüber den Top-Teams aus der 1. Liga. Der Fußball-Funktionär Andreas Rettig sieht darin ein erneutes Zeichen dafür, wie sehr sich der Fußball kommerzialisiert und von seinen Fans entfremdet hat. Eine wichtige Rolle dabei spielte seiner Meinung nach die ehemalige „Werkself“ BAYER Leverkusen. Der Club war nämlich der erste, der die Rechte seiner Mitglieder beschnitt. „Besonders die 1999 erteilte Ausnahmegenehmigung für BAYER 04 Leverkusen von der sogenannten 50-plus-1-Regel (der Verein behält die Stimmrechtsmehrheit in der Gesellschafter-Versammlung einer neu gegründeten Tochter-Gesellschaft) war eine erste Abkehr vom Vereinsleben“, schreibt er in der Rheinischen Post. „Der Verein gehörte nun nicht mehr den Mitgliedern“, so Rettig.

Petition in Sachen „Patente“
BAYER & Co. melden immer mehr Patente auch auf solche Pflanzen an, die nicht mit Hilfe gentechnischer Methoden, sondern mittels konventioneller Verfahren entstanden sind, obwohl die Gesetze das eigentlich verbieten (siehe PFLANZEN & SAATEN). Dadurch droht die Kontrolle über die gesamte Lebensmittel-Produktion in die Hand der großen Konzerne zu fallen. Das Netzwerk KEINE PATENTE AUF SAATGUT fordert das Europäische Patentamt deshalb in einer Petition dazu auf, keine solchen Schutzrechte mehr zu erteilen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zählt zu den Unterstützern dieser Kampagne.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER CROPSCIENCE schrumpft
Ende September 2020 hatte der Leverkusener Multi ein 1,5 Milliarden Euro schweres Spar-Paket angekündigt – noch nicht einmal zwei Jahre nach dem letzten – und dabei auch Verkäufe von Unternehmensteilen nicht ausgeschlossen. „Zudem prüfen wir die Möglichkeit, uns von nicht strategischen Geschäften oder Marken unterhalb der Divisionsebene zu trennen“, verlautete aus der Konzern-Zentrale. Im Februar 2021 wurde aus der Möglichkeit dann Realität: Der Agro-Riese gab bekannt, die Sparte „Environmental Science“ mit den Pestiziden für nicht-landwirtschaftliche Bereiche wie Forstwirtschaft, öffentliche Grünanlagen, Golfplätze und Gleis-Anlagen veräußern zu wollen. Im Rahmen einer Auktion gedenkt er die Einheit zu verscherbeln. Das Mindestgebot steht auch schon fest: Zwei Milliarden Euro. Wie viele Arbeitsplätze innerhalb des Unternehmens durch die Entscheidung verloren gehen, teilte das Management nicht mit.

ERSTE & DRITTE WELT

385 Millionen Pestizid-Vergiftungen
Die letzte Studie über akute Pestizid-Vergiftungen stammt aus dem Jahr 1990. Damals ermittelte die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Million Fälle pro Jahr. Im Herbst letzten Jahres erschien nun eine neue Forschungsarbeit, die mit einem noch einmal drastischeren Befund aufwartet. Die Untersuchung „The global distribution of acute unintentional pesticide poisoning“ verzeichnet 385 Millionen Pestizid-Vergiftungen per anno. Am stärksten betroffen sind Entwicklungs- und Schwellenländer. Prozentual die meisten Fälle unter LandwirtInnen und LandarbeiterInnen gibt es in Süd- und Südost-Asien sowie in Ostafrika. Auch südamerikanische Staaten wie Kolumbien, Venezuela und Argentinien kommen auf beunruhigend hohe Raten. Die ForscherInnen führen mehrere Gründe für den steilen Anstieg der Zahlen an. Die WHO hat damals nur die schwereren Krankheitsverläufe registriert und konnte sich zudem nicht auf eine so breite Daten-Basis stützen wie die neue Studie. Vor allem aber nahm die Ackergift-Produktion zu. Um rund 80 Prozent erhöhte sich die Menge der von BAYER & Co. in Umlauf gebrachten Substanzen von 1990 bis 2017. Darunter litten ebenfalls wieder vor allem die Länder des globalen Südens. In Südamerika legte die Pestizid-Nutzung um 484 Prozent zu und in Asien um 97 Prozent, während sie in Europa um drei Prozent schrumpfte. Von einem „Problem, das nach einem sofortigen Handeln verlangt“, sprechen die AutorInnen angesichts der vielen Vergiftungen. Die tödlich verlaufenden Intoxikationen haben dagegen abgenommen. Sie reduzierten sich von jährlich 20.000 im Jahr 1990 auf nunmehr 10.000. Als Grund vermuten die WissenschaftlerInnen das Verschwinden einiger besonders gefährlicher Mittel vom Markt. Dies bedürfe allerdings noch einer genaueren Überprüfung, hielten sie fest.

POLITIK & EINFLUSS

Plausch mit der EU-Kommission
Im Dezember 2019 trafen sich VertreterInnen verschiedener EU-Generaldirektionen mit VertreterInnen des europäischen Pharma-Verbandes EFPIA sowie mit LobbyistInnen von BAYER, PFIZER, BOEHRINGER & Co. Die Mitglieder der Generaldirektionen „Steuern und Zoll“, „Industrie und Handel“ und „Gesundheit“ hielten die Konzern-EmissärInnen dabei nicht nur über laufende politische Projekte wie etwa die Verhandlungen zu der pan-afrikanischen Freihandelszone AfCFTA auf dem Laufenden, sondern warben auch proaktiv um Mitarbeit. So ermunterten die GeneraldirektorInnen die EFPIA, der Kommission doch bitte ihre Prioritäten in Sachen „AfCFTA“ zu übermitteln.

Die EU-Chemikalienstrategie
Mit immer mehr Chemikalien suchen BAYER & Co. die Welt heim. Zwischen 2000 und 2017 steigerten die Konzerne ihre Produktionskapazitäten von 1,2 auf 2,3 Milliarden Tonnen. Und für den Zeitraum bis 2030 sagt die UN noch einmal fast eine Verdoppelung des Verkaufs chemischer Substanzen voraus. Dabei hat der Output der Branche schon jetzt massive Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Die Weltgesundheitsorganisation beziffert die Zahl der von Kunststoffen, Pestiziden und anderen Stoffen verursachten Todesfälle auf 1,6 Millionen jährlich. Aus diesen Gründen entschloss sich die Europäische Union zu handeln. „Wenn wir nichts unternehmen, wird sich die Gesamtzahl der Krebsfälle in der EU bis 2035 voraussichtlich verdoppeln“,mahnte die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Darum brachte Brüssel im Oktober 2020 eine Chemikalien-Strategie auf den Weg. Diese versteht sich als Teil des „Green Deals“ und beabsichtigt, „den Schutz von Mensch und Umwelt vor gefährlichen Chemikalien zu erhöhen“. Im Rahmen dieser Strategie will die Europäische Union beispielsweise Maßnahmen zur Eindämmung von Gefahren ergreifen, die hormon-ähnlich wirkende Erzeugnisse – sogenannte endokrine Disruptoren – hervorrufen, zu denen unter anderem Pestizide wie BAYERs Glyphosat gehören. Bei schwer abbaubaren Stoffen sieht sie ebenfalls Handlungsbedarf. Zudem plant die EU, die Gefährdungen, die von den Kombinationswirkungen der Produkte ausgehen, zu minimieren und alle Waren zu verbieten, die krebserregende, erbgut- oder fortpflanzungsschädigende Substanzen enthalten. BAYER & Co. liefen Sturm gegen das Vorhaben und versuchen nun, Obstruktionspolitik gegen die Umsetzung zu betreiben (s. u.).

VCI will andere Chemie-Strategie
Die Ankündigungen der EU, eine Chemikalien-Strategie auf den Weg zu bringen, ließ bei BAYER & Co. die Alarm-Glocken läuten. Ihre LobbyistInnen in Brüssel arbeiteten rund um die Uhr, um das Schlimmste zu verhindern und konnten auch einige Erfolge verbuchen. So intervenierten die EU-Generaldirektionen „Industrie“ und „Gesundheit“ zugunsten der Konzerne und machten sich für schwächere Bestimmungen stark. Nach der Verabschiedung der Strategie im Oktober 2020 konzentrieren sich die Multis darauf, ihre Vorstellungen bei der konkreten Realisierung der Maßnahmen durchzusetzen. Mitte März 2021 etwa forderte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) „mehr Augenmaß für die kommenden Reformen“. „Für die Chemie- und Pharmabranche und ihre Kunden in nachgeschalteten industriellen Wertschöpfungsketten wird die EU-Chemikalienstrategie massive Auswirkungen haben, wenn sie unverändert umgesetzt werden sollte“, warnte die Lobby-Organisation. Wieder einmal stieß sie sich an dem Gefahren-Ansatz der EU, der sich dem Vorsorge-Prinzip verpflichtet fühlt. Nach diesem Ansatz sind einige Stoffe an sich schädlich und nicht bloß ab einer bestimmten Schwelle, weshalb schon kleinste Mengen Krankheiten auslösen können. Im Gegensatz dazu kennt der Risiko-Ansatz keine absoluten Gefahren, sondern nur relative, von der Wirkstärke abhängige und deshalb durch Grenzwerte einhegbare. Darum bevorzugt die Industrie eine solche Regulierungsvariante. Dementsprechend behauptet der VCI in seiner Veröffentlichung, „dass auch Stoffe mit gefährlichen Eigenschaften sicher gehandhabt werden können“ und wendet sich vehement gegen Verbote. Seine Hoffnungen setzt der Verband auf die Gespräche am Runden Tisch, die im Rahmen der Implementierung der neuen Chemie-Politik vorgesehen sind. „Die Einrichtung eines Runden Tisches aller Interessensgruppen begrüßen wir außerordentlich – vorausgesetzt, es kommt zu unvoreingenommenen Diskussionen, so VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup, der im Jahr 2019 von BAYER zum „Verband der Chemischen Industrie“ gewechselt war.

Ein bisschen weniger Glyphosat
Gegen einen Glyphosat-Stopp vor dem Auslaufen der EU-Zulassung Ende 2023 hatte die Große Koalition sich schon im September 2019 ausgesprochen. Sie gab sich mit einer Minderungsstrategie zufrieden. Für diese ließen sich die PolitikerInnen dann zu allem Übel auch noch Zeit bis kurz vor Toresschluss der Legislatur-Periode. Überdies fielen die Regelungen äußerst bescheiden aus. SPD und CDU verabschiedeten diese im Rahmen des Insektenschutz-Gesetzes, welches das Bundeskabinett im Februar 2021 auf den Weg brachte. Für Glyphosat sehen die Bestimmungen ein Verbot nur für Anwendungen im Privatbereich und auf öffentlichen Grünflächen vor, die mengenmäßig kaum ins Gewicht fallen. Für das Ausbringen auf Äckern lassen Merkel & Co. hingegen zahlreiche Ausnahmen zu. So darf das Mittel gegen nicht wenige Wildkräuter nach wie vor zum Einsatz kommen. Auch wenn das Pflügen, die Wahl einer geeigneten Fruchtfolge oder eines geeigneten Aussaat-Zeitpunkts nicht möglich ist, bleibt das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid erlaubt. Und die Länder dürften im Bundesrat noch zusätzliche Aufweichungen durchsetzen. Die anderen Vorgaben zur Handhabung der Ackergifte weisen ebenfalls starke Mängel auf. Sie beschränken sich auf Maßnahmen zur Eindämmung des Insektensterbens in bestimmten Schutzgebieten. Überdies gibt es viele Ausnahme-Tatbestände. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte das Paragrafen-Werk deshalb scharf. „Dieser Beschluss reicht nicht aus. Wir fordern einen sofortigen Glyphosat-Stopp, denn das Pestizid stellt eine immense Gesundheitsgefahr dar“, hieß es in ihrer Presseerklärung.

Druck auf Mexiko wg. Glyphosat
Wenn Länder ein Glyphosat-Verbot ankündigen, nutzt der BAYER-Konzern sofort seine politischen Kanäle, um solche Pläne zu verhindern. Das bekam nicht nur Thailand (Ticker 4/20), sondern auch Mexiko zu spüren, wie Recherchen des US-amerikanischen CENTER FOR BIOLOGICAL DIVERSITY (CBD) ergaben. So setzte die BAYER-Lobbyistin Stephanie Murphy in Washington alle Hebel in Bewegung, um die Verantwortlichen von der Notwendigkeit eines „politischen Engagements auf hoher Ebene“ zu überzeugen. Murphy, einst selbst in der US-Administration beschäftigt – sie arbeitete unter dem US-Handelsbeauftragten als „Director for Agricultural Affairs“ – kontaktierte dabei unter anderem Leslie Yang, die Direktorin für internationale Handels- und Umweltpolitik. Dieser schlug sie unter anderem vor, im Rahmen der Verhandlungen über das USMCA – den Nachfolger des Handelsabkommens NAFTA – Druck auf Mexiko auszuüben. Und die PolitikerInnen taten wie geheißen. Trumps Handelsbeauftragter Robert Lighthizer etwa warnte die damalige Wirtschaftsministerin des lateinamerikanischen Landes, Graciela Márquez Colín, vor der Gefährdung der „Stärke unserer bilateralen Beziehungen“ durch den Glyphosat-Bann und andere neue Agrar-Gesetze. Glücklicherweise blieb Mexiko im Gegensatz zu Thailand schlussendlich bei seiner Position. „Wenn man sich den Email-Austausch zwischen der US-Regierung und BAYER anschaut, sieht man, dass die US-Regierung mehr oder weniger alles tut, worum sie von BAYER gebeten wird. Das ist extrem beunruhigend“, resümiert Nathan Donley vom CBD. Der Leverkusener Multi ist sich hingegen keiner Schuld bewusst. „Wie viele Unternehmen und Organisationen, die in stark regulierten Bereichen tätig sind, stellen auch wir Informationen zur Verfügung und tragen zu wissenschaftlich fundierten Entscheidungsfindungen und regulatorischen Prozessen bei“, verlautete aus der Unternehmenszentrale.

BAYER-Gelder für Kapitol-Sturm
Der Leverkusener Multi und die TELEKOM-Gesellschaft T-MOBILE USA haben den Sturm auf das Washingtoner Kapitol, der am 6. Januar 2021 stattfand, durch Spenden an den „Verband der republikanischen Generalstaatsanwälte“ (RAGA) mitfinanziert, wie Recherchen der taz ergaben. 50.000 Dollar zahlte die BAYER-Tochter MONSANTO dem RAGA, dessen Unterorganisation „Rule of Law Defense Fund“ massiv zu Aktionen an dem Tag mobilisierte, im letzten Jahr. „Um 13 Uhr werden wir zum Kapitol ziehen (...) Wir hoffen, dass Patrioten wie Sie gemeinsam mit uns weiter kämpfen werden, um die Integrität unserer Wahlen zu schützen“, so lautete der Text ihrer Telefon-Kampagne. Schon im Wahlkampf hatte das „Political Action Comitee“ (PAC) des Leverkusener Multis mehrheitlich republikanische KandidatInnen gesponsert. Rund 186.000 Dollar ließ ihnen das „BAYERPAC“ zukommen. 24 der vom Konzern unterstützten PolitikerInnen der republikanischen Partei gehörten dann zu denjenigen 147 Abgeordneten, die am Tag der Belagerung des Parlamentsgebäudes durch den von Donald Trump aufgehetzten rechten Mob gegen die Anerkennung des Wahl-Sieges von Joe Biden votierten. „Nicht genug damit, dass BAYER seit Dekaden Unsummen in die Pflege der politischen Landschaft der USA investiert. Jetzt tragen die Schecks des Agro-Riesen auch noch mit dazu bei, Trumps Angriff auf demokratische Institutionen zu alimentieren, der bereits fünf Menschenleben gekostet hat. Partei-Spenden von Unternehmen müssen endlich verboten werden“, hieß es in der Presseerklärung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN dazu. Gegenüber der taz erklärte der Agro-Riese, nicht nur den „Verband der republikanischen Generalstaatsanwälte“, sondern auch sein demokratisches Pendant mit Geldern zu bedenken. Er wolle jetzt zunächst einmal die RAGA-interne Untersuchung zu den Vorgängen abwarten, um dann über eine weitere Förderung zu entscheiden. Und Spenden an diejenigen RepublikanerInnen, „die gegen die Zertifizierung der US-Präsidentschaftswahl gestimmt haben“, setze BAYER vorerst aus, verlautete aus der Unternehmenszentrale. Katja Kipping von der Partei „Die Linke“ kritisierte die Sponsoring-Praktiken: „Die Spenden von BAYER und TELEKOM an Trump-Unterstützer zeigen vor allem eins: Spenden aus der Wirtschaft haben keinen moralischen, sondern einen profit-orientierten Kompass. Sie dienen der Beeinflussung politischer Entscheidungen im Unternehmensinteresse. Dieses Erkaufen von Wohlwollen widerspricht grundsätzlich dem demokratischen Gedanken und ist abzulehnen.“ Auch der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, verurteilte das Vorgehen der beiden Konzerne. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), der Bundesvorstand der SPD und die Co-Vorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, wollten sich gegenüber der taz hingegen nicht zu dem Fall äußern.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi für seinen Grundbesitz und seine Pestizidsversuchsfelder seit geraumer Zeit mit Agrar-Subventionen. Im Jahr 2019 strich der Konzern stolze 144.585,27 Euro aus Brüssel ein.

Neue Spenden-Kriterien
Der BAYER-Konzern sponsert PolitikerInnen nur in den USA direkt, weil dort angeblich „Spenden an Kandidaten und Politiker Teil der politischen Kultur sind“. Wie die taz herausfand, erhalten sogar veritable Klima-LeugnerInnen wie die Republikaner Blaine Luetkemeyer, Kevin McCarthy und Joni Ernst Schecks vom Leverkusener Multi. Nach dieser image-schädigenden Enthüllung sah der Global Player Handlungsbedarf und formulierte neue Richtlinien, die nun „auch gesellschaftliche Herausforderungen reflektieren“. Bei den jetzigen Vergabe-Kriterien „spielen zum Beispiel die Haltung zum Klimawandel und der Schutz der Biodiversität eine wichtige Rolle“, wie es im Nachhaltigkeitsbericht heißt.

16 Millionen für Verbindungsbüros
In den Hauptstädten der Welt pflegt der BAYER-Konzern die jeweiligen politischen Landschaften von sogenannten Verbindungsbüros aus. 16 Millionen Euro investierte er 2020 in diese. Am meisten Geld verschlang mit 8,5 Millionen Euro die Operationsbasis in Washington, es folgten Brüssel mit 2,4 Millionen, Berlin mit zwei Millionen, Peking mit 1,6 Millionen, Brasilia mit einer Million und Moskau mit 300.000 Euro.

Lückenhaftes Lobbyregister
Im März 2020 hat die Bundesregierung die Einführung eines Lobbyregisters beschlossen. Die Transparenz-Regelungen lassen allerdings zu wünschen übrig. So fehlt etwa ein „legislativer Fußabdruck“. Die BAYER-LobbyistInnen vom Berliner Verbindungsbüro des Konzerns müssen deshalb nicht offenlegen, ob sie den PolitikerInnen beim Schreiben von Gesetzen unter die Arme gegriffen haben. Was die Einfluss-ArbeiterInnen in den Fachreferaten so treiben, wo die meisten Paragrafen-Werke entstehen, erfährt die Öffentlichkeit nämlich auch weiterhin nicht. Zudem können die Konzern-EmissärInnen Angaben zu ihrem finanziellen Aufwand verweigern. Informationen zu den konkreten Zielen ihres Antichambrierens brauchen sie ebenfalls nicht zu geben. Überdies verlangt die Große Koalition von ihnen nicht, alle ihre Treffen in das Register einzutragen. „Die Lobby-Netzwerke, die zentralen Elemente der Einflussnahme, bleiben so verborgen“, kritisierten die Wissenschaftler Ulrich Battis und Andreas Polk deshalb in der FAZ.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYERS Glyphosat-TV
Der BAYER-Konzern wollte nicht auf sich sitzen lassen, was das TV-Magazin W wie Wissen in einer Sendung so alles an Kritik zu Glyphosat zusammengetragen hatte, und betrieb Gegen-Aufklärung. Er produzierte ein „Faktencheck“-Video und lud es auf seinen You Tube-Kanal hoch. Sogar einen echten Landwirt bot der Leverkusener Multi auf, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Aus dessen Munde waren dann aber auch wieder nur die alten Gassenhauer wie „Die Dosis macht das Gift“ zu hören, die der Global Player schon oft zur Aufführung gebracht hatte. Zum Thema „Artensterben“ beließ BAYER es bei einem Achselzucken. So ein Acker ist halt kein Pony-Hof, befand das Unternehmen bzw.: „Eine Fläche, die zur Erzeugung von Lebensmitteln genutzt wird, kann nicht zugleich als Biotop dienen.“ Glyphosat-Verwehungen? Die kommen nicht vor und überhaupt: „Die Wissenschaft ist sich einig, dass Glyphosat bei sachgerechter Anwendung eines der sichersten Pflanzenschutzmittel ist, die es weltweit gibt.“ Noch Fragen?

Konzern-Vehikel swiss-food
BAYER und SYNGENTA betreiben in der Schweiz gemeinsam die Website swiss-food, die sich der Propaganda in Sachen „Glyphosat & Co.“ verschrieben hat bzw. „einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion rund um die Produktion unserer Nahrungsmittel und um Pestizide leisten“ will. Zu diesem Behufe arbeitet sich die Gegenaufklärung gleich an zwölf Mythen parallel ab. „Natürlich ist gesund – Chemie ist Gift“, „Pestizide sind schuld am Insektensterben“, „Dem Schweizer Wasser geht es schlecht“ – gegen das alles und noch viel mehr zieht swiss-food zu Felde.

TIERE & VERSUCHE

95.010 Tierversuche
Der BAYER-Konzern selbst oder von ihm beauftragte Unternehmen führten im Jahr 2020 95.010 Tierversuche durch und damit 22.985 weniger als 2019. 83,8 Prozent der „Test-Objekte“ waren Ratten und Mäuse, 3,3 Prozent Vögel, 1,6 Prozent Fische und 1,5 Prozent Frösche.

DRUGS & PILLS

Kein Zusatznutzen für VITRAKVI
BAYERs Arznei VITRAKVI kommt bei Krebs-Arten zum Einsatz, die durch ein Zusammenwachsen bestimmter Gene entstehen. Solche Tumor-Bildungen treten sehr selten auf. Darum reklamierte der Leverkusener Multi für das Mittel mit dem Wirkstoff Larotrectinib erfolgreich einen „Orphan Drug“-Status und erreichte eine Zulassung, obwohl nur 102 Personen an der Klinischen Prüfung teilgenommen hatten. Das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) zeigte sich von dem Medikament indes nicht überzeugt. Es vermochte keinen Zusatznutzen auszumachen. Die – noch laufenden – Studien könnten einen solchen Nachweis theoretisch erbringen. Diese vergleichen das Mittel jedoch nicht mit anderen, wie das IQWiG kritisierte. Der Pharma-Riese versucht das zu kompensieren, indem er Effekte von VITRAKVI auf das Gesamtüberleben der PatientInnen und die Tumor-Progression beschrieb, die er als „dramatisch“ bezeichnet. Dies ließ das Institut jedoch nicht gelten. Es stellte selbst Vergleichsstudien an und resümierte: „Im Endpunkt Gesamtüberleben sind die bisher beobachteten Unterschiede zwischen Larotrectinib und anderen Therapien bei keiner der Krebs-Erkrankungen so groß, dass sie nicht auch auf systematischer Verzerrung beruhen könnten.“ Zudem übte das IQWiG Kritik an BAYERs Auswertung der Untersuchungsdaten. „Ergebnisse wurden selektiv dargestellt“, befand das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“.

Beschleunigtes Finerenone-Verfahren
Die BAYER-Arznei Finerenone hemmt die übermäßige Ausschüttung von Mineralocorticoid-Hormonen, die zu Nieren- und Herz/Kreislauf-Problemen führen kann. In der Klinischen Prüfung sank dem Konzern zufolge das Risiko eines Nierenversagens bei PatientInnen, die Finerenone erhielten, um 18 Prozent im Vergleich zu denjenigen, die ein Placebo bekamen. Das Risiko für Herzinfarkte und andere kardiovaskuläre Ereignisse reduzierte sich um 14 Prozent. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA sicherte dem Leverkusener Multi deshalb ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für das Medikament zu.

Beobachtungsstudien: Keine Bedenken
Erkenntnisse werfen die sogenannten Anwendungsbeobachtungen (AWB), die MedizinerInnen mit ihren PatientInnen zur Wirkung bestimmter Arzneien durchführen, kaum ab. Das ist auch gar nicht Sinn der Übung. Die Prozeduren – wie sie der BAYER-Konzern etwa jüngst zu seinen Blutprodukten KOVALTRY und JIVI in Auftrag gegeben hat – verfolgen nur den Zweck, die Kranken auf die getesteten Präparate umzustellen. Und dafür zahlen die Pharma-Riesen den ÄrztInnen viel Geld. „Fangprämien“ nannte ein ehemaliger Vorsitzender der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ diese Zuwendungen einst. Die Bundesregierung aber sieht das ganz anders – mit den Augen der Pillen-Produzenten nämlich – und will die Praxis deshalb auch nicht unterbinden. „Die AWB sind dazu bestimmt, Erkenntnisse bei der routinemäßigen Anwendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel durch Ärztinnen und Ärzte bei Patientinnen und Patienten zu sammeln. Mit ihrer Hilfe können Erkenntnisse über zugelassene oder registrierte Arzneimittel gewonnen werden“, hieß es in der Antwort von Merkel & Co. auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen.

Schnellere Zulassungen in China
Im Rahmen des „Healthy China 2030“-Programms will die Pekinger Regierung die Entwicklung innovativer Medikamente fördern und schuf dafür auch Anreize. So verkürzt sich für neue Arzneien das Zulassungsprozedere. Auch Pharmazeutika zur Behandlung seltener Krankheiten erhalten Sonderkonditionen.

Preis-Druck in China
Die chinesische Regierung überprüft alljährlich die Arznei-Ausgaben und stellt im Zuge dessen auch die Liste mit denjenigen Medikamenten neu zusammen, für welche die staatliche Krankenkasse die Kosten übernimmt. Dabei führt sie harte Verhandlungen mit den Pillen-Riesen. Von einer „Rabatt-Schlacht“ spricht die Neue Zürcher Zeitung und der BAYER-Lobbyist Matthias Berninger etwas gefasster von „Preisdruck auf die Pharma-Industrie“.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat schädigt das Herz
Nach einer Studie von WissenschaftlerInnen der „Icahn School of Medicine“ und des „Ramazzini Instituts“ kann Glyphosat das Herz schädigen. Den ForscherInnen zufolge löste das Herbizid im Organismus von Ratten eine gesteigerte Produktion der Aminosäure Homocystein aus, die als Risiko-Faktor für Herz/Kreislauf-Erkrankungen gilt. Die Veröffentlichungen zu den Gesundheitsstörungen, die das Herbizid hervorruft, füllen inzwischen Bibliotheken. Eigentlich müsste es – schon um Tierversuche zu vermeiden, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ablehnt – gar keine neuen Untersuchungen (s. u.) mehr geben.

Glyphosat schädigt den Darm
Das Pestizid Glyphosat schädigt die Mikroorganismen-Kulturen im Darm. Das fand ein internationales WissenschaftlerInnen-Team um Dr. Michael Antoniou vom Londoner „King’s College“ heraus und bestätigte damit frühere Studien (siehe Ticker 1/21). Nach Einschätzung Antonious ist das ein alarmierender Befund. „Wir wissen, dass unser Darm von tausenden verschiedenen Bakterien-Stämmen bewohnt wird und ein Gleichgewicht in ihrer Zusammensetzung (...) entscheidend für unsere Gesundheit ist. Also hat alles, was das Darm-Mikrobiom stört (...), das Potenzial, sich negativ auf unsere Gesundheit auszuwirken“, so der Forscher.

Glyphosat schädigt Bienen
Nach einer Untersuchung chinesischer WissenschaftlerInnen greift Glyphosat die Gesundheit von Bienen an. Wie das Team von der „Chinesischen Akademie für Agrar-Wissenschaften“ herausfand, beeinträchtigt das Herbizid die Gedächtnis-Leistung der Insekten. Auch leiden deren körperliche Fähigkeiten. Daher traten die ForscherInnen dafür ein, ein Frühwarnsystem einzurichten, das die ImkerInnen rechtzeitig vor dem Versprühen des Mittels informiert, damit diese ihre Bienenstöcke schützen können.

Glyphosat: Ungeprüft zugelassen
Ende 2017 verlängerte die EU die Glyphosat-Zulassung um fünf Jahre. Den Ausschlag dafür gab die Stimme des damaligen deutschen Landwirtschaftsministers Christian Schmidt (CSU). Nach dieser Entscheidung stellten BAYER und die anderen Hersteller 30 Anträge auf neue Genehmigungen, da die alten nur bis zum 15. Dezember 2020 Gültigkeit besaßen. Die Behörden der einzelnen EU-Länder schafften es jedoch nur, vierzehn von ihnen rechtzeitig vor dem Verfall der Vermarktungslizenz zu bearbeiten. Damit war das Schicksal der anderen Glyphosat-Erzeugnisse aber keinesfalls besiegelt. „In diesen Fällen müssen die bestehenden Zulassungen gemäß Artikel 43 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 formal um ein weiteres Jahr bis zum 15. Dezember 2021 verlängert werden“, teilte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ mit.

Weniger Glyphosat auf den Schienen
Die DEUTSCHE BAHN zählt zu den Großverbrauchern von Glyphosat. Nach Angaben des Unternehmens gehen rund 0,4 Prozent der jährlich in Deutschland insgesamt ausgebrachten Mengen auf die Gleisanlagen nieder. 2019 verkündete die Bahn allerdings einen Ausstiegsplan. Der Konzern erklärte, bis 2023 ganz auf das Mittel verzichten zu wollen. Und wirklich macht er Fortschritte. 2020 sank der Verbrauch im Vergleich zu 2018, wo er bei 57 Tonnen lag, schon um rund die Hälfte. Unter anderem ersetzt das Mähen den Einsatz der Chemikalie.

Glyphosat in Spaghetti
Die Zeitschrift Ökotest wies bei einer Untersuchung Glyphosat-Rückstände in Spaghetti nach. In 12 von 20 Sorten fanden sich Spuren des Herbizids.

„Glyphosate-residue-free“
In den USA findet das Lebensmittel-Label „ohne Glyphosat-Rückstände“, das die Organisation „Detox Project“ schuf, eine immer stärkere Verbreitung. Die Zahl der Produkte, die dieses Siegel tragen, beläuft sich mittlerweile auf 70, und deren Absatz nahm 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent zu.

PFLANZEN & SAATEN

Patente auf konventionelle Pflanzen
„Pflanzensorten oder Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren“ schließt das „Europäische Patent-Abkommen“ von der Patentierbarkeit aus. Trotzdem reklamieren die Konzerne immer wieder Schutzrechte für Gewächse, die mittels althergebrachter Methoden entstanden. Fünf solcher Anträge stellte der Leverkusener Multi allein im Jahr 2020. Das förderte eine Untersuchung des Netzwerkes KEINE PATENTE AUF SAATGUT zutage. „Es gibt bereits zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie rechtliche Schlupflöcher dazu benutzt wurden, um Patente auf Gerste und Bier, auf Melonen oder auch auf Salat aus konventioneller Züchtung zu erteilen“, konstatiert die Organisation. Sie wirft den Unternehmen vor, zufällige genetische Veränderungen als patentierbare Erfindungen auszugeben und die Grenze zwischen konventionellen und gentechnischen Verfahren systematisch zu verwischen. Die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO tat das etwa bei einer Paprika-Sorte, die bestimmten Krankheiten trotzt – ein Ergebnis von Kreuzung und Selektion, basierend auf der Analyse von DNA-Sequenzen. Die Initiative warnt vor den Konsequenzen dieser Entwicklung: „Im Ergebnis erlangen eine Handvoll internationaler Konzerne immer mehr Kontrolle über die Produktion unserer Lebensmittel.“ Darum fordert KEIN PATENTE AUF SAATGUT die Politik auf, das Treiben von BAYER & Co. zu unterbinden. „Die Bundesregierung hat nur noch wenige Monate Zeit, um hier im Sinne des Koalitionsvertrages für mehr rechtliche Klarheit zu sorgen“, erklärte das Netzwerk-Mitglied Georg Janßen von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT bei der Übergabe der Patent-Studie an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) am 11. März 2021 in Berlin.

EPA widerruft Melonen-Patent
Im Jahr 2011 erteilte das Europäische Patentamt (EPA) der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO ein Patent auf eine Melone, obwohl bei der Züchtung keine gentechnischen Methoden zum Einsatz kamen. Die „neue“ Eigenschaft, eine Resistenz gegen bestimmte Krankheitserreger, war eine alte: indische Sorten verfügten über sie. Das Unternehmen hatte sie nur mittels Selektion und Kreuzungen marktreif gemacht. Darum erhob damals ein breites Bündnis aus solchen Initiativen wie KEIN PATENT AUF LEBEN und GREENPEACE und Aktivistinnen wie Vandana Shiva Einspruch gegen die Entscheidung. Die EPA gab diesem statt, aber MONSANTO ging dagegen vor. Im März 2021 bestätigte nun aber die Beschwerdekammer des Patentamtes den Widerruf des Patents endgültig. Allerdings macht es für den Entzug der Schutzrechte nur formale Gründe geltend. Das US-Unternehmen hätte „das relevante biologische Material“ bei der Antragstellung der Öffentlichkeit zugänglich machen oder eine Probe bei einer anerkannten Institution hinterlegen müssen, so die JuristInnen. Darum fällte die EPA kein Grundsatz-Urteil. Entsprechend skeptisch bleiben die Patent-GegnerInnen. „Das Patent basiert auf konventioneller Züchtung und beansprucht Pflanzen-Sorten. Beides darf laut europäischer Patent-Gesetze nicht patentiert werden. Die Erteilung des Patents war ein klarer Rechtsbruch, doch das spielte bei der Entscheidung des EPA keine Rolle“, kritisiert Ruth Tippe vom Netzwerk KEINE PATENTE AUF SAATGUT.

Kooperation mit ABACUSBIO
Der BAYER-Konzern hat mit dem Unternehmen ABUCUSBIO eine Kooperation auf dem Gebiet der Pflanzenzucht vereinbart. Die neuseeländische Firma will mit den von ihr zusammengetragenden Daten nicht nur „zur genetischen Verbesserung“ der Produkte des Leverkusener Multis beitragen, sondern auch deren „wirtschaftliches Potenzial beeinflussen“.

GENE & KLONE

Neue Import-Zulassung
Die EU-Kommission hat im Januar 2021 acht Import-Genehmigungen für Genpflanzen erteilt. Sechs davon galten BAYER-Produkten. Drei Mais-Sorten und ein Soja-Konstrukt des Leverkusener Multis erhielten erstmals Zulassungen. Die Mais-Arten MON 88017 und MON 89034 durften in die Verlängerung gehen. Die Initiative TESTBIOTECH kritisierte die Entscheidungen scharf. Nach Ansicht des „Instituts für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie“ nahm es die EU nämlich mit der Begutachtung nicht allzu genau. Als Beispiel nannte es das Verfahren zum Mais MON 87427 x MON 87460 x MON 89034 x MIR 162 x NK 603. Diese Laborfrucht kann laut Konzern dank der Gentechnik auch Trockenheitsperioden gut überstehen, was TESTBIOTEST zufolge aber erst noch zu beweisen wäre. „Wie eine detaillierte Prüfung der Antragsunterlagen zeigt, wurde der Mais nie unter den entsprechenden Bedingungen getestet. In den Freisetzungsversuchen wurden die Felder stattdessen bei Bedarf bewässert. Zudem wurden beim Anbau der Pflanzen nur rund 900 Gramm Glyphosat pro Hektar eingesetzt und nicht über drei Kilogramm, wie es in der Praxis die Regel ist“, konstatiert die Organisation.

EU-Parlament sagt „Nein“
Im Dezember 2020 weigerte sich das EU-Parlament mit großer Mehrheit, Einfuhr-Genehmigungen für fünf Genpflanzen zu erteilen. Vier Anträge hatte BAYER eingereicht, einer stammte von SYNGENTA. Bei den Laborfrüchten des Leverkusener Multis handelte es sich um eine Soja-Art und drei Mais-Sorten, die mit bis zu vier Giften des Boden-Bakteriums „Bacillus thuringiensis“ bestückt sind, um Schadinsekten abzuwehren. Und diese haben es in sich. Die Bt-Toxine interagieren nämlich mit den Enzymen der Gewächse, in welche die GenwerkerInnen sie eingebaut haben, und potenzieren so ihre Giftigkeit. Bis zu 20 Mal höher als im natürlichen Zustand kann diese sein. Das belegen alte Dokumente des jetzt zu BAYER gehörenden Unternehmens MONSANTO, welche die Initiative TESTBIOTECH aufgespürt hat (siehe Ticker 1/21).

WASSER, BODEN & LUFT

3,58 Millionen Tonnen CO2
Im Geschäftsjahr 2020 stieß der BAYER-Konzern 3,58 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus. Gegenüber 2019 sank der Wert um 180.000 Tonnen, was jedoch mitnichten auf erste Erfolge einer etwaigen Minderungsstrategie verweist. „Dieser Rückgang ist überwiegend auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen“, hält das Unternehmen in seinem Nachhaltigkeitsbericht fest. Für den größten Teil der Emissionen sorgt nach wie vor die Agrar-Sparte. Dabei ist Glyphosat der größte Klima-Killer, denn die Gewinnung seines Vorproduktes Phosphor aus Phosphorit am US-Standort Soda Springs frisst enorm viel Energie. So deutlich drückt der Agro-Riese das allerdings nicht aus. Im neuen Nachhaltigkeitsbericht heißt es lediglich verklausuliert: „Besonders energieintensiv ist unsere Rohstoffgewinnung einschließlich Aufbereitung und Weiterverarbeitung für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel-Vorprodukten von Crop Science – daher entfällt der größte Anteil unserer Treibhausgas-Emissionen auf diese Division.“

Schlechter Energie-Mix
17.836 Terrajoule Strom erzeugte der BAYER-Konzern im Geschäftsjahr 2020 selbst. Dabei setzt er zum überwiegenden Teil auf fossile Energieträger. Von den im Geschäftsjahr 2020 produzierten 17.836 Terrajoule entfielen 10.911 Terrajoule auf Erdgas und 566 Terrajoule auf Kohle, wobei der Kohle-Anteil gegenüber 2019 immerhin von 13,5 Prozent auf rund drei Prozent sank. Von den 18.022 Terrajoule zugekauften Stroms entstammten nur sechs Prozent aus erneuerbaren Energie-Quellen. Den Rest des Bedarfs deckten Gas, Kohle oder Kernkraft. Der Leverkusener Multi gelobt aber Besserung. „U. a. in den USA, in Mexiko und Spanien haben wir im Berichtsjahr Lieferverträge für Strom aus erneuerbaren Energien abgeschlossen“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht. Bis 2030 will der Global Player hier auf eine Quote von 100 Prozent kommen.

Ein bisschen Emissionshandel
„Ein wirtschaftliches Instrument, mit dem man Umweltziele erreichen will“ – so beschrieb die FAZ einmal den 2005 EU-weit eingeführten Handel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten. Nach dessen Bestimmungen dürfen die Multis nur bis zu einer bestimmten Obergrenze Kohlendioxid ausstoßen, für darüber hinausgehende Kontingente müssen sie Verschmutzungsrechte hinzukaufen. Das sollte sie dazu animieren, sauberere Modelle der Energie-Versorgung zu etablieren. Die Lenkungswirkung hält sich dank des Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. aber arg in Grenzen. So bekamen die Konzerne jahrelang viel zu viele Zertifikate umsonst zugeteilt. Überdies fallen nur Kraft- und Heizwerke unter die Regelung, Fertigungsstätten bleiben indessen verschont. Darum braucht der Leverkusener Agro-Riese kaum Emssionshandel zu betreiben. Mit lediglich fünf Anlagen, die für noch nicht einmal zehn Prozent seines jährlichen CO2-Ausstoßes von 3, 58 Millionen Tonnen sorgen, war er im Geschäftsjahr 2020 dabei.

CO2-Kompensation statt -Reduktion
Eigentlich gibt es nur einen Weg, den Klimawandel einzudämmen: die Reduktion des Stromverbrauchs und den Umstieg auf erneuerbare Energie-Träger. BAYER & Co. ist aber noch etwas anderes eingefallen. Sie wollen ihre CO2-Emissionen nicht nur reduzieren, sondern auch kompensieren, also das, was ihre Produktionsanlagen so absondern, an anderer Stelle wieder ausgleichen, sprich: neutralisieren. Der Leverkusener Multi hat sich vorgenommen, diese Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 zu erreichen, und zwar nur zu 42 Prozent durch eine Senkung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase. Den Rest sollen andere Maßnahmen erbringen wie z. B. Investitionen in Projekte zur Wiederaufforstung. Um 200.000 Tonnen CO2 hat der Global Player seine Klima-Bilanz auf diese Weise im Geschäftsjahr 2020 schon aufhübschen können. Bis der Effekt sich allerdings auch anderswo als nur auf dem Papier einstellt und die Bäumchen, die BAYER pflanzt, sich wirklich positiv auf das Klima auswirken, dürften jedoch noch so einige Jahrzehnte ins Land ziehen. Und Menschen, die in der Nähe der Dreckschleudern leben müssen und dadurch ihre Gesundheit ruinieren, nützen Wälder in Uruguay, Brasilien oder China herzlich wenig. Zu allem Übel plant der Agro-Riese auch noch, sein berühmt-berüchtigtes Glyphosat mit in die Rechnung einzubeziehen. Er verkauft das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid nämlich als klimaschonend, weil es den LandwirtInnen das – angeblich Kohlendioxid freisetzende – Pflügen erspart.

Weniger ODS und VOC
Im Geschäftsjahr 2020 haben die BAYER-Werke weniger ozon-abbauende Stoffe (ODS) und flüchtige organische Substanzen (VOC) ausgestoßen als 2019. Der Wert für die ODS sank von 12,3 auf 4,3 Tonnen und derjenige für die VOC von 1.410 auf 690 Tonnen. Bisher sorgten immer die Uralt-Dreckschleudern des Konzerns im indischen Vapi für den Großteil des Ausstoßes. Der Leverkusener Multi doktert zwar schon seit über 15 Jahren an den Anlagen herum, aber neuerliche Sanierungsmaßnahmen scheinen jetzt endlich zu greifen. „Maßgeblich für die Reduktion beider Kennzahlen ist der Anschluss der Lagertanks für Lösemittel an die Abluft-Reinigungsanlage am Standort Vapi, Indien“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht des Konzerns.

Weniger Emissionen in die Luft
Nach BAYER-Angaben führte die COVID-19-Pandemie an einigen Standorten zur Drosselung der Produktion. Infolgedessen reduzierten sich auch die Schadstoff-Mengen, die der Konzern in die Luft emittierte. Der Ausstoß von Kohlenmonoxid ging 2020 gegenüber dem Vorjahr von 2.070 Tonnen auf 1.160 Tonnen zurück und derjenige von Stickoxiden von 4.250 auf 4.160 Tonnen. Auch die Schwefeloxid-Mengen verringerten sich. Sie sanken von 2.430 auf 1.320 Tonnen. Nur mehr Feinstaub fiel im Geschäftsjahr 2020 trotz Corona an. Von 1.960 auf 2.290 Tonnen stieg der Wert.

Enormer Wasser-Verbrauch
Obwohl die Industrie-Produktion in Folge der Corona-Pandemie sank und auch die Fertigungsstätten des BAYER-Konzerns weniger ausgelastet waren, ging sein Wasser-Einsatz im Geschäftsjahr 2020 kaum zurück. Er belief sich auf 57 Millionen Kubikmeter (2019: 59 Millionen Kubikmeter). Zu allem Übel erstreckt sich der enorme Durst des Agro-Riesen auch auf Gebiete, die unter Wasser-Knappheit leiden. Drei Millionen Kubikmeter verbrauchte er in diesen Regionen.

25 Millionen Liter Abwässer
Analog zum etwas gesunkenen Wasser-Bedarf gingen auch BAYERs Abwasser-Einleitungen im Geschäftsjahr 2020 etwas zurück. Sie reduzierten sich von 26 auf 25 Millionen Kubikmeter.

Mehr Schadstoff-Einleitungen
Wegen der Corona-Pandemie liefen viele Produktionsstätten BAYERs nicht auf Hochtouren. Trotzdem gingen die Schadstoff-Einleitungen in die Gewässer 2020 nicht generell zurück, was dem Konzern zufolge spezielle Gründe hatte. Die von 420 auf 480 Tonnen gestiegenen Werte für Stickstoff erklärt er mit einem Störfall auf dem Gelände des Werkes in Kansas City und die größere Menge an organisch gebundenem Kohlenstoff, die in den Flüssen landete, führt er auf die Einführung einer verbesserten Abwasser-Analytik am brasilianischen Standort Camaçari zurück. Nur die Zahlen für Phosphor und Anorganische Salze sanken, von 510 auf 380 Tonnen bzw. 167.000 auf 151.000 Tonnen, während diejenigen für Schwermetalle mit 2,6 Tonnen gleich blieben.

Mehr Abfall
Im Geschäftsjahr 2020 produzierte BAYER mehr Abfall als 2019. Von 872.000 auf 943.000 Tonnen stieg die Menge. „Das ist im Wesentlichen auf den Saatgut-Produktionsstandort Maria Eugenia Rojas, Argentinien, zurückzuführen, an dem große Mengen an pflanzlichen Nebenprodukten als nicht gefährlicher Abfall zur landwirtschaftlichen Nutzung und Kompostierung entsorgt wurden“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht zur Erklärung. Das Aufkommen an gefährlichem Abfall reduzierte sich dagegen „durch den Abschluss von Bau- und Sanierungstätigkeiten am Standort Vapi, Indien“.

Schmutzige Glyphosat-Produktion
Im US-Bundesstaat Louisiana stößt keine Produktionsstätte mehr chemische Stoffe aus als BAYERs Glyphosat-Fabrik in Luling. Schon seit Jahren behauptet sie diesen Spitzenplatz. 2019 setzte sie nach Angaben der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA rund 8.300 Tonnen an Kobalt, Kupfer, Nickel, Ammonium, Methanol, Formaldehyd, Phosphor und anderen Substanzen frei. Aber auch die Anlage in Soda Springs, wo der Leverkusener Multi das Glyphosat-Vorprodukt Phosphor herstellt, ist eine veritable Dreckschleuder. Auf 2.670 Tonnen Cobalt & Co. kommt der Standort.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER-Gefahren
Der BAYER-Konzern geht mit zahlreichen gefährlichen Stoffen um. Den Standort Leverkusen betreffend führt der Chemie„park“-Betreiber CURRENTA in einer Broschüre einige Beispiele für risiko-reiche Substanzen auf, die der Agro-Riese einsetzt. Ammoniak, Chlor und Methanol etwa können laut CURRENTA schon „in sehr geringer Menge beim Einatmen, Verschlucken oder Aufnahme über die Haut zum Tode führen“. Das Ammoniak ist überdies in der Lage, mit Luft explosive Gemische zu bilden und das Chlor, Brände zu verursachen oder zu verstärken. Das Methanol findet sich – gemeinsam mit Aceton – darüber hinaus noch in der Rubrik „leicht bzw. extrem entzündbar“ wieder.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

92 Anlagensicherheitsereignisse
Unter „Anlagensicherheitsereignissen“ versteht der BAYER-Konzern „den Austritt von chemischen Substanzen oder Energien oberhalb definierter Schwellenwerte aus ihrer ersten Umhüllung wie Rohr-Leitungen, Pumpen, Tanks oder Fässern“. 92 solcher noch nicht als Störfälle zu bezeichnenden Stoff-Freisetzungen registrierte der Leverkusener Multi im Geschäftsjahr 2020.

Phosphor-Austritt in Soda Springs
Am 28.11.2020 kam es bei der Herstellung des Glyphosat-Vorproduktes Phosphor zu einem Störfall. Ein Lagertank-Ventil öffnete sich wegen eines Defektes in der Automatik, wodurch phosphor-haltiger Schlamm austrat und sich an der Luft entzündete.

Natriumhydroxid-Austritt in Luling
Am 17. Oktober 2020 ereignete sich bei der Glyphosat-Produktion am US-Standort Luling ein Störfall. Durch ein defektes Ventil an einer Rohrleitung kam es zu einem Austritt von Natriumhydroxid.

ÖKONOMIE & PROFIT

Desaströse Geschäftszahlen
Auf der Bilanz-Pressekonferenz am 25. Februar 2021 legte der BAYER-Konzern desaströse Zahlen für das Geschäftsjahr 2020 vor. Er verbuchte einen Verlust von rund 10,5 Milliarden Euro. Der Umsatz bewegte sich mit 41 Milliarden Euro zwar ungefähr auf dem Niveau von 2019, aber das Unternehmen musste wegen der vielen Schadensersatz-Prozesse „Sonderaufwendungen“ verbuchen. „Diese standen insbesondere in Verbindung mit Rückstellungen für die getroffenen Vereinbarungen in Bezug auf die Rechtskomplexe Glyphosat, Dicamba, PCB und ESSURE“. „Lange Zeit haben die Nebenwirkungen der BAYER-Erzeugnisse keinen Einfluss auf die Geschäftsbilanz gehabt. Das ist jetzt anders“, konstatierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in ihrer Presseerklärung.

ASKBIO: Die zweitgrößte Übernahme
Im Oktober 2020 hatte BAYER die US-amerikanische Gentherapie-Firma ASKLEPIOS BIOPHARMACEUTICAL (ASKBIO) erworben. Zwei Milliarden Euro zahlte der Konzern sofort, weitere zwei Milliarden stellte er bei erfolgreichen Arznei-Kreationen in Aussicht. In der Rangliste der größten Akquisitionen von deutschen Unternehmen belegte der Leverkusener Multi damit den zweiten Platz. Nur SIEMENS kaufte im vorigen Jahr für noch mehr Geld ein.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Pillen aus Peking
Der BAYER-Konzern baut seine Anlagen zur Herstellung von Arzneien am chinesischen Standort Peking aus. Mit einer Investition in Höhe von 50 Millionen Euro will er die jährliche Produktionskapazität um 40 Prozent erhöhen.

RECHT & UNBILLIG

Erster Glyphosat-Kläger gewinnt
Der erste Entschädigungsprozess in Sachen „Glyphosat“ hat sein offizielles Ende gefunden. Der Leverkusener Multi erklärte, das Urteil des Berufungsgerichts in San Francisco nicht anzufechten, das der BAYER-Tochter MONSANTO eine erhebliche Schuld an der Krebserkrankung des Klägers Dewayne Johnson zugesprochen hatte. Aber einsichtig zeigt sich der Global Player trotzdem nicht. „BAYER hat großes Mitgefühl mit Herrn Johnson und allen Menschen, die an Krebs leiden, ist aber weiterhin der Meinung, dass das Urteil nicht durch wissenschaftliche Beweise oder das Gesetz gestützt ist.“ Der Rückzug hat lediglich strategische Gründe. Das Unternehmen rechnet sich nämlich in dem zweiten Glyphosat-Verfahren, das Edwin Hardeman angestrengt hatte, mehr Chancen aus. Hier hatte nämlich die von Donald Trump auf Linie gebrachte US-amerikanische Umweltbehörde EPA zu Gunsten BAYERs interveniert und das Herbizid vom Krebsverdacht freigesprochen. Gemeinsam mit dem Justizministerium machte es vom Rechtsinstitut des „Amicus Curiae“ Gebrauch, das es Unbeteiligten erlaubt, Stellungnahmen zu laufenden Rechtsstreitigkeiten abzugeben und plädierte auf Freispruch. „Der Kläger ist im Unrecht“, hieß es in dem Schreiben.

Glyphosat-Kläger versterben
Im Jahr 2015 hatten die ersten Glyphosat-Geschädigten Schadensersatz-Klagen eingereicht. Aber ein abschließendes Urteil liegt erst zu einer vor (s. o.). Unterdessen sterben immer mehr Betroffene an Krebs, ohne von BAYER Zahlungen erhalten zu haben. So erlag Carolina Garces am 8. März 2021 ihrer Krankheit.

Einigung im Fall „Calderon“
Bereits im Juni 2020 wollte BAYER eine Vergleichslösung für die rund 125.000 Glyphosat-Geschädigten präsentieren, die gegen den Konzern Klage eingereicht hatten. Aber der Agro-Riese konnte bisher nichts vorlegen, was den zuständigen Richter Vince Chhabria überzeugt hätte. Darum drohte dieser im November 2020 an, die von ihm für die Zeit der Mediationsgespräche gestoppten Prozesse wieder anlaufen zu lassen: „Ich bin nicht daran interessiert, den Zeitplan für die Entscheidung dieser Fälle so lang zu strecken“, bekundete er. Und Chhabria hielt Wort. Er lehnte das Begehr des Leverkusener Multis ab, die Streitsache „Jaime Alvarez Calderon“ zusammen mit all den anderen auf die lange Bank zu schieben und ließ die Justiz-Maschine wieder anlaufen. Calderon hatte 33 Jahre auf Weingütern arbeitet und dabei immer wieder Umgang mit Glyphosat. 2014 bekam er Lymphdrüsen-Krebs, dem er im Dezember 2019 erlag. Seine Hinterbliebenen führten die juristische Auseinandersetzung jedoch weiter. Ihnen machte BAYER jetzt ein Vergleichsangebot, um es nicht zu einem schlagzeilen-trächtigen Prozess kommen zu lassen.

Immer noch kein Vergleich
Die juristischen Auseinandersetzung um Schadensersatz in Sachen „Glyphosat“ gegen die BAYER-Tochter MONSANTO ziehen sich nun bereits seit sechs Jahren hin. Nach den ersten drei Verfahren schlug der zuständige Richter Vince Chhabria Vergleichsverhandlungen vor und verhängte gleichzeitig ein Prozess-Moratorium. Im Juni 2020 präsentierte der Leverkusener Multi dann seinen Vorschlag für den Umgang mit den rund 125.000 Klagen. Er bot Zahlungen von bis zu acht Milliarden Euro für die Erkrankten an. Für zukünftige Fälle – mit denen zu rechnen ist, da der Konzern aus Profit-Gründen partout nicht auf den Verkauf von Glyphosat-Vermarktung verzichten mag – reservierte er eine Milliarde Dollar. Über die Rechtmäßigkeit dieser Ansprüche sollte nach seinen Vorstellungen allerdings kein Gericht befinden, sondern ein „unabhängiges Wissenschaftsgremium (Class Science Panel)“. Diesem wollte das Unternehmen die Entscheidung darüber überlassen, ob das von der Aktien-Gesellschaft unter dem Namen ROUNDUP vermarktete Pestizid wirklich Lymphdrüsen-Krebs verursachen kann. „Dadurch wird diese Entscheidung anstelle von Jury-Verfahren wieder in die Hände sachkundiger Wissenschaftler gegeben“, so der Global Player. In den rund vier Jahren, die das mindestens dauert, hätten sich die Betroffenen in Geduld zu üben: „Mitglieder der Gruppe möglicher künftiger Kläger dürfen ihre Ansprüche bis zur Entscheidung des Wissenschaftsgremiums nicht weiter geltend machen und keinen Schadensersatz fordern.“ Chhabria lehnte eine solche Lösung jedoch ab. Vor allem akzeptierte er nicht, zukünftigen Glyphosat-Geschädigten den Rechtsweg zu verbauen. Der Jurist stellte infrage, „ob es verfassungsgemäß (oder generell gesetzmäßig) wäre, die Entscheidung der Kausalitätsfrage (d. h. ob – und wenn ja, ab welcher Dosis – ROUNDUP in der Lage ist, Krebs zu verursachen) über Richter und Jurys hinweg an ein Gremium von Wissenschaftlern zu delegieren“. Also musste BAYER wieder in Klausur. Den zweiten Anlauf unternahm der Agro-Riese dann Anfang Februar 2021. Darin stockte er den Fonds für die noch zu erwartenden Glyphosat-Klagen um eine Milliarde Dollar auf und schränkte gleichzeitig die Kompetenzen des Class Science Panel etwas ein. Aber auf Zustimmung traf der Konzern damit trotzdem nicht. Er hatte die Vereinbarung nämlich nur mit ein paar Großkanzleien getroffen, die nicht ganz aus freien Stücken handelten – 170 Millionen Dollar hatten sie vom Konzern als Entscheidungshilfe erhalten. Zahlreiche andere Anwaltsbüros und JuristInnen-Vereinigungen erhoben hingegen Einspruch gegen den neuen Vorschlag. Nach Meinung der „National Trial Lawyers“ erschwert er unzähligen Menschen den Zugang zur Justiz und schafft überdies einen unheilvollen Präzedenz-Fall für künftige Prozesse: „Diese Art von Vergleich würde anderen Unternehmen, die sich der Haftung und den Konsequenzen für ihr Verhalten entziehen wollen, eine unhaltbare Vorlage liefern.“ BAYER lässt den Geschädigten nun zwar die Wahl, ob sie die vorgeschlagenen Summen akzeptieren oder aber ihre Klage aufrechterhalten, aber in den zukünftigen Prozessen sind statt Strafzahlungen nur noch Entschädigungen vorgesehen, was viele RechtsanwältInnen kritisieren. Zudem stießen sich viele JuristInnen an dem Plan des Leverkusener Multis, durch die Etablierung des Class Science Panel neue Verfahren erst einmal für vier Jahre zu blocken. Wegen all dieser Kritik verzögert sich die Causa weiter. Die AnwältInnen des Global Players baten sich mehr Zeit aus, um alles nochmals zu überarbeiten. Vince Chhabria gab dem auch statt und setzte den 12. Mai als neuen Termin an.

NBFA-Klage geht zu Gericht
Nicht alle in den USA anhängigen Glyphosat-Verfahren haben eine Schadensersatz-Forderung zum Inhalt. So will die NATIONAL BLACK FARMERS ASSOCIATION (NBFA) ein Urteil erzwingen, dass den BAYER-Konzern daran hindert, „seine glyphosat-haltigen Produkte in einer Weise zu vermarkten, welche die Mitglieder der NBFA in unzumutbarer Weise gefährdet“. Aber die Klage hängt. Der für alle juristischen Vorgänge in Sachen „Glyphosat“ zuständige Richter Vince Chhabria hat nämlich im Sommer 2019 Vergleichsverhandlungen angeregt und bis zum Finden einer Lösung ein Prozess-Moratorium verhängt. Der NBFA dauerte das alles jedoch zu lange. Darum erbat sie von den BAYER-AnwältInnen die Zustimmung dafür, ihre Klage aus dem Paket zu lösen und vor Gericht zu bringen. Das lehnten diese jedoch ab. Darum wandte die Organisation sich an den „U.S. District Court for the Northern District of California“, der dann auch erste Termine festsetzte.

Glyphosat-Klage in Australien
Auch in Australien beschäftigen die Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat nun die Gerichte. Eine Gruppe um den Landwirt John Fenton, der das Herbizid für seine Lymphdrüsenkrebs-Erkrankung verantwortlich macht, reichte im Februar 2021 eine Sammelklage ein.

Umweltstrafe wg. Glyphosat
„Von der Wiege bis zur Bahre ist Glyphosat ein hochproblematischer Stoff“, sagt die Umwelt-Aktivistin Hannah Connor von der US-amerikanischen Organisation „Center for Biological Diversity“. Und tatsächlich sorgt das Herbizid sogar schon vor seinen eigentlichen Geburt für so einige Verwerfungen. Der Abbau des Sediment-Gesteins Phosphorit, das BAYER zur Herstellung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor benötigt, belastet Mensch, Tier und Umwelt nämlich massiv. Unter anderem setzt die Förderung der Mineral-Gemenge in den Tagebau-Minen vor den Toren der Phosphor-Fertigungsstätte am US-amerikanischen Standort Soda Springs giftige Stoffe wie Selen, Arsen, Uran, Radium und Radom frei. Besonders die Indigenen, die in der Nähe der Minen leben, leiden stark unter den gesundheitsschädlichen Wirkungen der Substanzen. Darum haben sie gemeinsam mit der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA gegen BAYERs Minen-Gesellschaft P4 PRODUCTIONS geklagt und einen Erfolg erzielen können. Das Unternehmen verpflichtete sich, rund um die Ballard-Mine eine Fläche von über 200 Hektar zu sanieren. Unter anderem muss es Trinkwasser-Barrieren bauen und Feuchtgebiete zur Wasser-Reinigung anlegen. Zudem erklärte sich P4 PRODUCTIONS bereit, mehrere hunderttausend Dollar an Entschädigungen zu zahlen und mit einer Bürgschaft über 89 Millionen Dollar dafür zu garantieren, dass das Geld für die Maßnahmen auch ausreicht. Bereits in den Jahren 2011 und 2015 hatte die Minen-Gesellschaft Umweltverbrechen begangen, die hohe Strafen nach sich zogen.

Viele Klagen zum MONSANTO-Deal
Zahlreiche GroßaktionärInnen gehen gegen BAYER juristisch vor, weil der Konzern ihrer Meinung nach bei der Prüfung der MONSANTO-Übernahme möglichen Prozessen von GLYPHOSAT-Geschädigten nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt hatte, was in der Folge für einen Kurs-Absturz sorgte. In Deutschland zogen die beiden Kanzleien Tilp und Hausfeld für ihre MandantInnen vor Gericht. „MONSANTO hat immer so getan, als gäbe es kein Prozess-Risiko, weil die Behauptungen, Glyphosat sei krebserregend, haltlos seien“, so der Hausfeld-Jurist Wolf von Bernuth: „Tatsächlich gab es sehr wohl erhebliche Prozess-Risiken. Das durfte BAYER bei Bekanntgabe der Übernahme-Absicht nicht verschweigen“. In den USA haben die Investment-Gesellschaft HAUSSMANN TRUST sowie die beiden Pensionsfonds „City of Grand Rapids Police & Fire Retirement System“ und „City of Grand Rapids General Retirement System“ Klagen eingereicht. Und Anwaltsbüros suchen per Annonce nach AktienhalterInnen, die Ansprüche geltend machen wollen.

Laues Lieferketten-Gesetz
Die Lieferketten BAYERS erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi seine Arznei-Grundstoffe zu einem guten Teil aus Indien und China, wo hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt fertigen, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In anderen Branchen kommt es im Zuge der Globalisierung zu ähnlichen Phänomenen. Darum erkannten die Vereinten Nationen bereits im Jahr 2011 Handlungsbedarf und hielten ihre Mitgliedsländer dazu an, Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesregierung sah dabei zunächst davon ab, übermäßigen Druck auf die Konzerne ausüben und setzte auf Freiwilligkeit. Sie hob den Nationalen Aktionsplan (NAP) aus der Taufe und machte sich daran, erst einmal ein Lagebild zu erstellen. Dazu startete die Große Koalition eine Umfrage unter den Betrieben und bat um Informationen darüber, ob – und wenn ja – in welcher Form sie entlang ihrer weltumspannenden Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten. Von den Antworten wollte sie dann ihr weiteres Vorgehen abhängig machen. Der Befund fiel ernüchternd aus. Nur ein Bruchteil der angeschriebenen Firmen antwortete überhaupt, und von diesen genügte bei den globalen Einkaufstouren kaum eines den sozialen und ökologischen Anforderungen. „Das Ergebnis zeigt eindeutig: Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel“, resümierte Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) und konstatierte: „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen“. Und den bereitete die Politik dann auch vor, was die Industrie-VertreterInnen in Panik versetzte. „Hier wird eine faktische Unmöglichkeit von den Unternehmen verlangt: Sie sollen persönlich für etwas haften, was sie persönlich in unserer globalisierten Welt gar nicht beeinflussen können“, echauffierte sich etwa der damalige Präsident der „Bundesvereinigung der Arbeitgeber-Verbände“ (BDA), Ingo Kramer. In der Folge taten die LobbyistInnen alles, um das Schlimmste zu verhindern. Sie mahnten eine Beschränkung des Paragrafen-Werks auf direkte Zulieferer an und lehnten eine Haftungsregelung vehement ab. Schlussendlich konnten sie sich damit durchsetzen. Im jetzigen Gesetzes-Entwurf fehlt beides. Dem Leverkusener Multi dürfte es daher erspart bleiben, mit einer Klage von solchen InderInnen oder ChinesInnen konfrontiert zu werden, die in den Hot Spots der globalen Pharma-Produktion leben und unter den gesundheitlichen Folgen leiden. Dazu liegen nämlich zu viele Zwischenhändler zwischen BAYER und den Arznei-Produzenten vor Ort. Zudem müssten die Betroffenen in Deutschland noch eine Nichtregierungsorganisation finden, die in ihrem Namen vor Gericht zieht und so eine „Prozess-Standschaft“ wahrnimmt. Das ist BAYER & Co. aber noch zu viel. Die Konzerne sehen in dieser „Prozess-Standschaft“ ein Instrument dafür, eine zivilrechtliche Haftung „durch die Hintertür“ einzuführen. „Hier muss der Text geschärft werden. Juristische Winkelzüge dürfen nicht dazu genutzt werden, um die Unternehmen doch einer weltweiten Klage-Industrie auszusetzen“, verlangt der „Verband der Chemischen Industrie“.

EU-Lieferkettengesetz
Auch die EU plant ein Lieferketten-Gesetz (s. o.). Ihre Vorstellungen gehen dabei weit über das deutsche Paragrafen-Werk hinaus. So will die Europäische Union den Anwendungsbereich nicht nur auf die direkten Zulieferer beschränken, Haftungsregelungen einführen und auch kleinere Firmen in die Regelung einbeziehen. „Wir denken nicht nur über Geldbußen für Verstöße gegen die Auflagen nach, sondern auch über strafrechtliche Konsequenzen“, so EU-Justizkommissar Didier Reynders. BAYER & Co. scheint er mit diesen Vorschlägen allerdings nicht überzeugt zu haben. „Die Industrie bleibe zurückhaltend, räumt er ein“, konstatiert die FAZ. Für den Sommer kündigt die EU-Kommission einen Gesetzes-Entwurf an. Das dürfte die Konzerne zu einigen Lobby-Aktivitäten animieren.

Simpson lässt nicht locker
In ihrer Zeit als BAYER-Beschäftigte bekam Laurie Simpson einen umfassenden Einblick in die Praxis des Leverkusener Multis, die Risiken seiner Arzneien zu verschweigen und die Mittel ohne Rücksicht auf Verluste mit Hilfe zum Teil illegaler Marketing-Methoden zu vertreiben. Sie kritisierte dieses Vorgehen intern und musste dafür berufliche Nachteile in Kauf nehmen. Darum machte sie die Fälle öffentlich und begann im Jahr 2008 drei Prozesse gegen den Pharma-Riesen zu führen, die bis heute andauern. In dem Verfahren um das bei OPs zum Einsatz kommende Blutstill-Präparat TRASYLOL lastet Simpson dem Konzern an, der medizinischen Öffentlichkeit und den PatientInnen das gesundheitsgefährdende Potenzial des Medikaments verheimlicht zu haben, das er zwischenzeitlich vom Markt zurückziehen musste. Zudem beschuldigt sie das Unternehmen, den Verkauf des Pharmazeutikums mit illegalen Methoden wie dem Einräumen von Rabatten und der Gewährung anderer Vergünstigungen befeuert zu haben. Darüber hinaus bezichtigt die Frau den Global Player, den Gebrauch von TRASYLOL auch bei Operationen wie beispielsweise Leber-Transplantationen empfohlen zu haben, obwohl für die Indikationen gar keine Zulassungen vorlagen. Ähnliche Praktiken wirft Laurie Simpson dem Leverkusener Multi im Umgang mit dem Cholesterin-Senker LIPOBAY vor, das er nach über 100 Todesfällen im Zusammenhang mit der Arznei nicht mehr vertreiben durfte. Zudem brachte sie die Strategie der Aktiengesellschaft, den Absatz seines Antibiotikums AVELOX durch Geldzahlungen und andere Zuwendungen an MedizinerInnen zu fördern, vor Gericht.

FORSCHUNG & LEHRE

Viele Forschungssubventionen
Im Geschäftsjahr 2020 erhielt BAYER vom bundesdeutschen Staat dreizehn Millionen Euro an Forschungssubventionen und damit eine Million mehr als 2019.

Kritik an Nanotubes-Produktion

CBG Redaktion

Die Bayer AG hat im Januar 2010 in Leverkusen die weltgrößte Produktionsanlage für sogenannte Carbon Nanotubes (CNT) eröffnet. Nanotubes sind winzige Röhrchen aus Kohlenstoff, die u.a. in Lacken, beim Bau von Rotorblättern und in Sportartikeln eingesetzt werden sollen. Tierversuche zeigen, dass bestimmte CNT die Entstehung von Krebs ähnlich wie Asbestfasern begünstigen können.

Die Coordination fordert, dass potentiell risikoreiche Produkte wie Nanotubes nur auf den Markt gebracht werden dürfen, wenn deren Ungefährlichkeit zweifelsfrei bewiesen ist. Wir protestieren zudem dagegen, dass die Anlage ohne reguläres Genehmigungsverfahren genehmigt wurde. Die Anlage wurde als Versuchsanlage eingestuft und deshalb von einem öffentlichen Genehmigungsverfahren nach den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes befreit. Bitte unterstützen Sie hierzu unsere Unterschriftensammlung.

[BAYER allein zu Haus] Die BAYER-Hauptversammlung 2020

CBG Redaktion

Der BAYER-Konzern hat immer schon nichts unversucht gelassen, um sich auf seinen Hauptversammlungen Protest vom Hals halten zu können. Dieses Mal instrumentalisierte er die Corona-Pandemie und verlegte sein AktionärInnen-Treffen kurzerhand ins Internet. Konzern-KritikerInnen mussten so draußen bleiben. Nur ihre Fragen an den Vorstand erhielten Einlass.

Von Jan Pehrke

Im Jahr 2017 hielt der BAYER-Konzern HauptversammlungsprotestlerInnen auf Abstand, indem er ihnen ein Riesen-Zelt vor die Nase setzte. „Terror-Gefahr“ lautete die Begründung, welche die Polizei einfach übernahm. 2020 schließlich nutzte der Global Player Corona für seine Zwecke aus. Statt das AktionärInnen-Treffen zu verlegen, wie es andere Unternehmen vorgemacht hatten, berief er eine Online-HV ein, ohne kritische AktionärInnen und ohne Reden. Nur Fragen, die zwei Tage vorher eingereicht werden mussten, ließ der Pillen-Riese zu.
Er war am 28. April 2020 also ganz allein zu Haus. Eine 5-köpfige Rumpfbelegschaft, bestehend aus dem Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann, Finanzvorstand Wolfgang Nickl, dem Aufsichtsratschef Werner Wenning, seinem designierten Nachfolger Norbert Winkeljohann und Aufsichtsratsvize Oliver Zühlke, bestritt die ganze Hauptversammlung. Nur einen Notar hatte die Riege noch an ihrer Seite.

Baumann sah BAYER deshalb ganz weit vorne. In seiner obligatorischen Eröffnungsrede nahm er für den Agro-Giganten angesichts der „ersten virtuellen Hauptversammlung eines DAX-Unternehmens“ in Anspruch, ein „digitaler Pionier zu sein“ – „Baumann ist gerne der Erste und Schnellste“, bemerkte die Süddeutsche Zeitung dazu süffisant. Der Manager vergoss aber pflichtgemäß auch ein paar Krokodilstränen. „Sehr gerne hätte ich Sie heute persönlich vor Ort in Bonn begrüßt. Aber die Corona-Krise lässt das leider nicht zu“, gab er zu Protokoll. Und die Pandemie beschäftigte ihn an diesem Tag auch weiterhin. Seiner Ansicht nach zeigt diese nämlich, dass BAYER in den richtigen Geschäften aktiv sei. „Gesundheit und Ernährung – diese Branchen sind systemrelevant“, so der Vorstandschef.

Systemrelevantes hat der Konzern da allerdings nicht zu bieten. In Sachen „SARS-CoV-2“ blieb es bei Geld- und Sachspenden, der Bereitstellung von Desinfektionsmitteln, Beatmungsgeräten, Apparaturen zur Virus-Diagnostik und der Abstellung von 140 Beschäftigten zur Arbeit in COVID-19-Testlaboren. Medizinisch steht die größte deutsche Pillen-Schmiede mit leeren Händen da. Baumann vermeinte zwar „erste Hinweise“ auf eine Wirksamkeit der Uralt-Arznei Chloroquin bei der Behandlung der Infektion zu haben, diese verdichteten sich in den bisherigen Studien jedoch nicht.

Trotzdem hat Corona sogar zu einem Umsatz-Wachstum im ersten Quartal 2020 geführt. Neben „Vorratskäufen“ nannte das Unternehmen hierfür die „stark gestiegene Nachfrage durch COVID-19, z. B. nach Nahrungsergänzungsmitteln“, als Grund. BAYER rechnet jedoch ebenfalls mit einer Rezession in Folge der Pandemie und brachte die ökonomische Krise gleich schon mal auf der Großbaustelle des Konzerns in Anschlag: den Glyphosat-Verfahren. Bei den laufenden Mediationsgesprächen haben nämlich nicht nur Termin-Absagen wegen Corona „den Verhandlungsfortschritt erheblich verlangsamt“, wie der Vorstandsvorsitzende kundtat, sondern nicht zuletzt auch das Bestreben BAYERs, die Ungunst der Stunde zu nutzen, um mit den RechtsanwältInnen bereits vereinbarte Entschädigungslösungen wieder in Frage zu stellen.

Die juristischen Auseinandersetzungen hielten Baumann allerdings nicht davon ab, weiter in Treue fest zu Glyphosat zu stehen. Auch auf Dicamba, das zweite gerichtsnotorische Pestizid des Leverkusener Multis, ließ er nichts kommen. Schließlich vermeldete der Große Vorsitzende noch einige Erfolge bei den Arbeitsplatz-Vernichtungen, bzw. „Portfolio-, Effizienz- und Strukturmaßnahmen“ und gab einige Lippenbekenntnisse zur Nachhaltigkeit ab, bevor er zum Schluss kam.

So weit, so ungut und altbekannt. Im Anschluss begann auch wie üblich die „Aussprache“. Aber da wurde dann alles anders, weil die Fragen kein Gesicht mehr hatten. Eine Rede ging ihnen ebenfalls nicht mehr voraus. Noch nicht einmal namentlich zuordnen mochte das Unternehmen sie. Und damit fehlte das Wesentliche. Er macht eben einen fundamentalen Unterschied, ob etwa eine Medikamenten-Geschädigte vor das Mikrofon tritt, ihre Leidensgeschichte erzählt und am Schluss fragt, wann BAYER die betreffene Arznei endlich vom Markt zu nehmen gedenkt, oder ob es einfach heißt: „Eine Aktionärin fragte nach dem Produkt DUOGYNON.“ Zudem ist es nichts weniger als das pure Informationsbedürfnis, das die Menschen an das Rede-Pult treibt. Überdies sprechen sie nicht ins Nichts hinein. Sie haben vielmehr Adressaten: die ManagerInnen des Konzerns und die AktionärInnen, die sie am Schluss ihrer Ausführungen stets auffordern, Aufsichtsrat und Vorstand nicht zu entlasten und stattdessen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre Stimme zu übertragen. Tatsächlich passiert das auch nicht zu knapp. Und nicht zuletzt kommt es bei den AktionärInnen-Treffen immer wieder zu Begegnungen, beispielsweise zwischen ImkerInnen und InvestmentbankerInnen, die ebenfalls ihre Spuren hinterlassen.

Guck & Horch

Dies alles fiel am 28. April weg, als es an die Beantwortung der Fragen – allein 115 von insgesamt 19 Personen hatte die CBG eingereicht – ging. Nur eines blieb beim Alten: die Art und Weise, wie der Konzern sich um korrekte Antworten herummogelte. So geriet Werner Baumann das Schmieren einer US-amerikanischen JournalistInnen-Vereinigung zum Zweck der Pflege der publizistischen Landschaft unter der Hand zu einem zivilgesellschaftlichen Engagement: „BAYER unterstützt seit Langem auch gemeinnützige Organisationen, die den Journalisten-Beruf fördern.“ Auch Maßnahmen gegen unliebsame Presse-VertreterInnen hatten ihm zufolge weder der Konzern selbst noch seine Tochter-Gesellschaften je getroffen. Der ehemaligen Reuters-Journalistin Carey Gillham, derem Arbeitgeber MONSANTO laut internen Firmen-Dokumenten „weiter Druck bei jeder Gelegenheit, die sich uns bietet“ machen wollte, weil sie kritisch über Glyphosat & Co. berichtete, beschied der BAYER-Chef: „Wir respektieren die Unabhängigkeit von Journalisten und Medien-Vertretern und engagieren uns für einen transparenten und fakten-basierten Austausch.“ Und Spionage-Methoden hat der Konzern laut Werner Baumann weder in ihrem Fall angewandt noch bei ihren KollegInnen oder AktivistInnen, PolitikerInnen und anderen „Stakeholdern“, die in den berühmt-berüchtigten MONSANTO-Listen auftauchten. Über Karl Bär vom UMWELTINSTITUT hatten BAYER und/oder MONSANTO nicht weniger als 1.049 Datensätze zusammengetragen. Sogar dessen Besuch der Jahreshauptversammlung des Gartenbau-Vereins Oberleiterbach war in den Dossiers verzeichnet. Trotzdem behauptete der Agro-Riese an dem Tag steif und fest, Bär sei nicht Opfer einer gezielten Personen-Fahndung geworden, das Unternehmen wäre vielmehr nur seinem berechtigten Interesse nachgegangen, mittels bestimmter Suchbegriffe Meinungen und Trends zu erfassen.

Auch um die Frage nach den Lobby-Aktivitäten des Pillen-Riesen im Allgemeinen und nach der Anzahl der Treffen mit Bundestagsabgeordneten wand Werner Baumann sich herum. Dennoch erlaubt seine Antwort einen Einblick in den Umfang des Antichambrierens, das der Leverkusener Multi betreibt: „Im Rahmen der politischen Arbeit in Berlin unterhält BAYER Kontakte zu den Ministerien, deren Zuständigkeiten in Politik-Feldern liegen, die für das Unternehmen hohe Relevanz haben (...) Dazu zählen unter anderem die Ressorts Wirtschaft und Finanzen, Arbeit und Soziales, Forschung, Gesundheit, Ernährung und Landwirtschaft sowie Entwicklungszusammenarbeit.“ Und diese Kontakte nutzte der Global Player auch, um vor der zu erwartenden gesammelten Konzern-Kritik ins World Wide Web flüchten zu können. Lobbyismus wollte Finanz-Vorstand Wolfgang Nickl das allerdings nicht nennen. Er drückte es vornehmer aus: „Gemeinsam mit einer Vielzahl anderer Emittenten (Aktien-Gesellschaften, Anm. SWB) haben auch wir uns vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und der behördlichen Versammlungsverbote in die Diskussion um die Ermöglichung von virtuellen Hauptversammlungen durch den Gesetzgeber eingebracht.“

Glyphosat & Co.

In die Diskussion um die Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden hat sich der Agro-Riese auf diese Weise ebenfalls schon häufig eingebracht. Und Werner Baumann ließ sich von den Unbedenklichkeitsbescheinigigungen, die er Glyphosat & Co. in seiner Rede ausgestellt hatte, auch von den FragestellerInnen aus den Reihen MISEREORs, der ImkerInnen, der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKES, des INSTITUTES FOR RESPONSIBLE TECHNOLOGY, des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE und von BEYOND PESTICIDES, COLABORA TOGETHER oder INKOTA nicht abbringen. „Glyphosat ist bei sachgerechter Anwendung sicher“, konstatierte der Ober-BAYER. Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide schadeten Bienen nicht, wiegelte er weiter ab, und mitnichten hätte Dicamba in den USA durch Abdrift Ernten vernichtet. Die Existenz von doppelten Standards bei der Vermarktung der BAYER-Ackergifte in den Staaten des globalen Südens stellte Baumann schlicht in Abrede. Er sprach stattdessen von „spezifischen agronomischen Bedingungen der jeweiligen Länder“, denen es gerecht zu werden gelte. Wenn ein Produkt in der Europäischen Union nicht zugelassen sei, sage das noch nichts über seine Sicherheit aus, meinte der Vorstandschef zudem. Dementsprechend wenig hielt er von der Maßnahme Frankreichs, ein Export-Verbot für Ackergifte ohne EU-Genehmigung zu verhängen: „Wir bedauern diese Entscheidung, denn sie schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Produktionsstätten.“

Alternativ-Modelle zur Agrarchemie, wie sie der indische Bundesstaat Sikkim praktiziert, verwirft der Manager. Einer radikalen Landwende, die Bernward Geier von COLABORA TOGETHER mit Verweis auf diese Region einforderte, setzte er das Konzept „nachhaltige Intensivierung“ entgegen. Dieses baut unter anderem auf die „Präzisionslandwirtschaft“ der BAYER-Tochter CLIMATE CORPORATION mit ihrer digitalen Plattform FIELDVIEW. Drohnen, Sensoren und Satelliten sammeln da Informationen über das Wetter, die Bodenbeschaffenheit, Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten. 39 Millionen Hektar haben diese Tools schon erfasst. „Mehrere zehntausend Landwirte in mehr als 20 Ländern“ zählt der Vorstandsvorsitzende zu den KundInnen. Damit beherrscht der Konzern den Markt.

Aber die Befürchtungen der OXFAM-Aktivistin Marita Wiggerthale, das Unternehmen würde diese Monopol-Stellung ausnutzen, versuchte Baumann zu zerstreuen. Der Algorithmus von FIELDVIEW & Co. wäre nicht auf BAYER-Produkte geeicht, versicherte er. Und auch Datenschutz-Bedenken wies der Manager zurück, obwohl diese jüngst durch einen Vorfall in den USA Nahrung erhalten hatten. Dort war die CLIMATE CORPORATION eine Partnerschaft mit der Firma TILLABLE eingegangen, die eine Handelsplattform für Ackergrund betreibt. Bereits unmittelbar nach der Vereinbarung der Kooperation erhielten FarmerInnen dann unmoralische Angebote für ihr Farmland, was einen massiven Shitstorm nach sich zog. Werner Baumann aber stellte das einfach in Abrede: entsprechende Berichte wären „unzutreffend“.

Chloroquin & Co.

Mit den Fragen zu den gesundheitsschädlichen Effekten von Medikamenten hielt der Unternehmensleiter es ähnlich. Zum Schwangerschaftstest DUOGYNON, den die heute zum Leverkusener Multi gehörende Firma SCHERING bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre verkaufen konnte, eröffnete er dem Mediziner Gottfried Arnold kurz und knapp: „BAYER schließt DUOGYNON als Ursache für embryonale Missbildungen nach wie vor aus.“ Und von tausenden Totgeburten wollte Baumann erst recht nichts wissen. Das Langzeit-Kontrazeptivum JADELLE war ihm ebenfalls über jeden Zweifel erhaben. Der Konzern vertreibt das Präparat in Tateinheit mit der „Bill & Melinda Gates Foundation“, die es als ein Instrument zur Entwicklungshilfe auffasst. „Verhütungsmittel können mit am besten zur Armutsbekämpfung beitragen“, sagt Melinda Gates nach der Devise „Keine Armen, keine Armut“ und nimmt dabei zu allem Übel auch noch Risiken und Nebenwirkungen in Kauf. Bei JADELLE zählen Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme, Sehstörungen und Migräne dazu. Aber das hindert den BAYER-Chef nicht daran festzustellen, „dass das Nutzen/Risiko-Profil von JADELLE positiv ist“ und die Kritik, die Josephine Brämer und Anthea Kyere an dem Mittel übten, auch sonst zurückzuweisen.

Die System-Relevanz BAYERs im Angesicht von Corona wollte der Vorstand ebenfalls nicht in Frage gestellt wissen, wenngleich die Einlassungen zum von Donald Trump einst als „Geschenk Gottes“ gepriesenen Chloroquin nurmehr recht distanziert daherkamen. So hielt Baumann fest: „Das Malaria-Medikament Chloroquin wird weiterhin als eine der möglichen Behandlungsoptionen bei Covid-19-Erkrankungen diskutiert. Bisher lässt sich ein entsprechendes Nutzen/Risiko-Verhältnis allerdings noch nicht belegen.“ Und das wird es auch wohl nicht mehr: Bei mehreren Tests mit dem Präparat starben nämlich ProbantInnen. Auskünfte dazu wollte der Vorstandsvorsitzende lieber nicht geben: „Diese Studien werden von dritter Seite aus federführend durchgeführt. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir über derartige, außerhalb unseres Geschäfts liegende Aktivitäten keine Stellungnahme abgeben können.“ Damit nicht genug, geriet das Chloroquin-Werk in Pakistan wegen Unregelmäßigkeiten im Produktionsablauf, inkorrekten Wirkstoff-Konzentrationen und fehlerhafter Lagerhaltung schon öfters in den Fokus der Aufsichtsbehörden. Darum steht jetzt die Produktsicherheit auf dem Prüfstand. Hier sieht der Konzern jedoch nicht sich selbst, sondern die Regierungen in der Pflicht: „Diese sind für die Überprüfung der jeweiligen Qualität zuständig.“
Aber es ist nicht nur das Chloroquin. BAYER verfügt nicht einmal mehr über die pharmazeutischen Voraussetzungen, um SARS-CoV-2 Paroli bieten zu können. Nicht nur hat die Aktien-Gesellschaft bereits vor langer Zeit die tropenmedizinische Forschung eingestellt, auch der Bereich „Infektionskrankheiten“ existiert nicht mehr. Mit den Worten „Wir müssen Geld verdienen mit unseren Produkten. Das führt dazu, dass nicht alle Medikamente entwickelt werden, die wir brauchen“, hat der ehemalige BAYER-Chef Marijn Dekkers die Konzentration auf nur noch wenige, besonders lukrative Anwendungsfelder einmal gerechtfertigt. Und Baumann hält an dieser Politik fest: „Wir werden und müssen auch weiterhin mit unseren Produkten Geld verdienen, ja. Auch wenn wir weiter steigende Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen planen, werden auch in der Zukunft nicht alle Bedarfe auf allen Indikationsgebieten gedeckt werden können, denn auch hier müssen wir mit begrenzten Mitteln priorisieren.“

CO2 & Co.

Ganz und gar nicht sparsam zeigt sich der Leverkusener Multi dagegen beim Kohlendioxid-Ausstoß. Im Geschäftsjahr 2019 stiegen die Emissionen massiv an. Von 2,88 Millionen Tonnen auf 3,71 Millionen erhöhten sich die Werte. Zur Erklärung verweist der Vorstandsvorsitzende auf die BAYER-Tochter MONSANTO, deren schlechte Zahlen erstmals ganz in die Klima-Bilanz eingingen. Konkrete Pläne, diesen „Konsolidierungseffekt“ einzudämmen – etwa durch Maßnahmen gegen die extrem klimaschädliche Glyphosat-Produktion am US-amerikanischen Standort Soda Springs – hat das Unternehmen nicht. Baumann verwies lieber auf ferne Zeiten und schwadronierte vom Ziel der Klimaneutralität bis 2030, obwohl der Konzern da fast bei Null anfangen muss. „Zwei Prozent der 2019 bezogenen Strom-Menge stammen aus erneuerbaren Energie-Quellen“, antwortete Baumann auf eine Frage der CBG-Aktivistin Lars-Ulla Krajewski. Und beim nicht zugekauften, sondern selbst erzeugten Stom sieht es nicht viel besser aus. Damit nicht genug, versucht der Konzern darüber hinaus noch, die staatliche Umweltpolitik zu hintertreiben. So steht er in Verdacht, Umlagen, die das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den Unternehmen auferlegt, nicht ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Netzbetreiber wie AMPRION werfen BAYER und anderen Unternehmen vor, mit dem windigen Trick des „Scheibenpacht-Modells“ den Besitz eigener Kraftwerke vorgetäuscht zu haben, um in den Genuss des Eigenstrom-Privilegs zu kommen und so Abgaben in Millionen-Höhe zu sparen. Derzeit beschäftigen sich die Gerichte mit dem Fall. Baumann aber rechtfertigte die Praxis trotzdem und wies Betrugsvorwürfe „entschieden“ zurück.

Kurz & schlecht

Auch Vorwürfe, das Management habe bei der Prüfung des MONSANTO-Deals Fehler gemacht und die Prozess-Risiken in Sachen „Glyphosat“ nicht erkannt, mochte der Konzern-Chef nicht gelten lassen: Weder BAYER noch MONSANTO hätten damit rechnen können, Schadensersatz-Prozesse um ein zugelassenes Produkt zu verlieren. Trotz alledem bewertet er die Übernahme nach wie vor positiv. Im besten ManagerInnen-Sprech befand der Vorstandsvorsitzende: „Vor dem Hintergrund der beschleunigten Synergie-Realisierung und der starken Position des kombinierten Geschäfts gilt die strategische Rationale der Akquisition ungebrochen.“

Mit Fragen nach alten BAYER-Kampfstoffen in Ost- und Nordsee, neuen Gentechniken, Gentech-Pestiziden und Tierversuchen hielt Werner Baumann sich ebenfalls nicht allzu lange auf. Darum traf ein, was die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) prophezeit hatte: Es wurde die kürzeste HV der jüngeren Konzern-Geschichte. „So turbulent BAYERs Hauptversammlung im vergangenen Jahr war, so harmonisch ist sie am Dienstag abgelaufen“, konstatierte der Kölner Stadtanzeiger.

Auch die Schmach von 2019, als die AnteilseignerInnen Werner Baumann die Entlastung verweigerten, wiederholte sich nicht. Der BAYER-Vorstand ist nach dem Debakel Klinken putzen gegangen und hat mit rund 500 AktionärInnen persönliche Gespräche geführt. So erhielt der Konzern-Chef diesmal die Absolution. 581 Millionen Aktien (92,57 Prozent) stellten sich hinter ihn, 43 Millionen taten das nicht, und noch einmal 48 Millionen enthielten sich. Immer noch ein wenig schmeichelhaftes Ergebnis, verglichen mit denjenigen der Prä-MONSANTO-Ära.
Die Coordination vermochte bei der Abstimmung auch einiges in die Waagschale zu werfen. Von mehr als hundert AktionärInnen erhielt sie rund 26.000 Stimmrechte übertragen, die natürlich jeweils in den Nein-Topf gingen. Und beim nächsten Mal, unter normalen Bedingungen, wenn BAYER nicht wieder kurzen Prozess machen darf und sich der direkten Konfrontation mit der Konzern-Kritik stellen muss, dürften es noch ein wenig mehr werden.

Tickermeldungen

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG im Hambacher Forst
Der BAYER-Konzern zählt mit seinen Kohlendioxid-Emissionen zu den großen Klima-Sündern. Darum beteiligte sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) im letzten Herbst auch an den Protesten rund um die Klima-Konferenz der Vereinten Nationen (COP 23) in Bonn. Und in diesem Jahr nahm sie an den Demonstrationen im Rheinischen Braunkohle-Revier teil. Zudem bot die Coordination im Klima-Camp einen Workshop zum klima-schädlichen Wirken der nordrhein-westfälischen Chemie-Industrie im Allgemeinen und BAYER im Besonderen an. Dieses hat nämlich maßgeblichen Anteil daran, das Bundesland zum deutschland-weiten Spitzenreiter in Sachen CO2-Emissionen zu machen: Zu den insgesamt rund 900 Millionen Tonnen steuert NRW ca. ein Drittel bei.

Apotheken boykottieren BAYER
„Wegen Glyphosat gestrichen – Wir empfehlen gerne eine Alternative“, dieses Schild hat der Pharmazeut Thomas Riedrich genau dort auf das Regal gestellt, wo seine KundInnen sonst BAYERs ASPIRIN finden. Medizin von einem Konzern, der die Menschen mit anderen Produkten krank macht, wollte Riedrich nicht mehr verkaufen. Eine „zu 100 Prozent positive Resonanz“ erhielt er nach eigenen Angaben auf die Aktion. Inzwischen haben sich auch weitere Apotheken dem BAYER-Boykott angeschlossen.

Brief-Aktion von PETA
Der Leverkusener Multi führt nicht nur Tierversuche in eigenen Labors durch, er vergibt darüber hinaus Aufträge an Fremdfirmen wie LIBERTY (siehe auch TIERE & VERSUCHE). Nach Recherchen der Tierrechtsorganisation PETA herrschen bei diesem US-Unternehmen unhaltbare Zustände. Die Firma bohrt Hunden die Schädeldecke auf, um ihnen Viren direkt ins Gehirn zu injizieren, hält Katzen in völlig überfüllten Gehegen und versorgt sie bei Krankheiten nicht angemessen. PETA hat deshalb einen Offenen Brief an BAYER und andere LIBERTY-Auftraggeber aufgesetzt, der die Konzerne auffordert, zu „hinterfragen, mit wem Sie Geschäfte eingehen“. Bis zum 5. Oktober 2018 hatten 69.786 Menschen das Schreiben unterzeichnet.

Forderung nach unabhängigen Studien
Der Pharmazeut Yoon Loke von der britischen Universität East Anglia hat publizierte und unpublizierte Arznei-Tests, die den gleichen Wirkstoff erprobten, genauer analysiert und dabei eklatante Unterschiede festgestellt. So verschwanden auf dem Weg in die Öffentlichkeit viele Angaben über Nebenwirkungen. „Wir haben seit Langem vermutet, dass das ein großes Problem ist. Deshalb haben wir uns die Ergebnisse klinischer Studien besorgt, die nicht veröffentlicht wurden und haben sie mit publizierten Untersuchungen verglichen. Dabei kam heraus, dass nur ein Teil der auftretenden Nebenwirkungen tatsächlich veröffentlicht wird“, berichtet der Forscher. Karsten Juhl-Jörgensen vom unabhängigen Medizin-Institut Cochrane nahm das zum Anlass, unabhängige Arznei-Studien zu fordern: „Wenn wir ein Produkt getestet haben wollen, möchten wir eine unabhängige Untersuchung. Wenn SAMSUNG zum Beispiel die Qualität seiner eigenen Smart-phones testet, würden wir dieser Untersuchung nicht trauen. Aber wenn es um Medikamente geht, bei denen kleine Fehler über Leben oder Tod vieler Patienten entscheiden können, akzeptieren wir, dass die Hersteller selbst die Sicherheit ihrer Produkte testen dürfen. Das ist paradox!“
KAPITAL & ARBEIT

3,6 Prozent mehr Entgelt
Bei der diesjährigen Tarif-Runde leitete der BAYER-Manager Georg Müller für den „Bundesarbeitgeber-Verband Chemie“ (BAVC) die Verhandlungen mit der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Er einigte sich mit der Gewerkschaft auf eine Entgelt-Erhöhung von 3,6 Prozent, wovon bei einer Inflationsrate von derzeit rund zwei Prozent nicht viel übrig bleibt. Zudem erhalten die Beschäftigten eine Einmal-Zahlung von 280 Euro und 600 Euro mehr Urlaubsgeld. Die Forderung der IG BCE, den Chemie-WerkerInnen die Möglichkeit zu eröffnen, auf die 600 Euro zugunsten von mehr Freizeit zu verzichten, lehnte der BAVC ab.

BAYER streicht in Berkeley 227 Jobs
Der Leverkusener Multi hat sein gentechnisch hergestelltes Blut-Präparat KOGENATE weiterentwickelt. Die Innovation beschränkt sich allerdings darauf, den Patienten die Möglichkeit zu verschaffen, die Dosis dem individuellen Bedarf anzupassen. Zur Fertigung des Mittels namens JIVI, dessen Zulassung der Pharma-Riese nach positiven Entscheidungen in den USA und Japan bald auch in der EU erwartet, hat der Konzern schon neue Produktionskapazitäten aufgebaut. Er tat dies allerdings nicht im US-amerikanischen Berkeley, wo eigentlich das Herzstück seiner Blutprodukte-Fertigung liegt, sondern in Wuppertal und Leverkusen. Dass es sich bei Berkeley um einen der wenigen US-Standorte des Unternehmens mit einer gewerkschaftlich organisierten Belegschaft handelt, dürfte dabei eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Und Anfang Oktober 2018 bekam die Niederlassung schließlich die Folgen der Investitionsentscheidung zu spüren: Der Global Player kündigte die Vernichtung von 227 Arbeitsplätzen in Berkeley an.

Tod eines Angestellten
Im letzten Jahr nahm sich ein BAYER-Angestellter das Leben, weil er seine Entlassung nicht verkraftete. Der Pharma-Manager sprang aus dem Fenster seines Büros in Leverkusen. Zuvor hatte er sich erfolglos um andere Posten beim Konzern beworben. Vorgesetzten und KollegInnen gegenüber kündigte der Mann die Tat mehrfach an, diese Signale wurden allerdings nicht ernst genommen. In seiner Heimat England kam es deshalb zu einer gerichtsmedizinischen Untersuchung des Todes. Dabei sparte der Sachverständige Grahame Short nicht mit Kritik am Leverkusener Multi: „Arbeitgeber haben eine Fürsorge-Pflicht ihren Angestellten gegenüber (...) Wenn ein Beschäftigter wie (Name ist der Redaktion bekannt) Zeichen von Stress zeigt, sollte das bemerkt werden und Handlungen zur Folge haben.“ Der Global Player ist sich jedoch keiner Schuld bewusst. „BAYER hat klar dokumentierte Richtlinien zur Unterstützung seiner Angestellten, die im Fall von (Name ist der Redaktion bekannt) auch befolgt wurden, inklusive der Unterstützung beim Umgang mit seiner Entlassung“, erklärte ein Unternehmenssprecher.

ERSTE & DRITTE WELT

Armen-Bekämpfung mit Bill Gates
„Verhütungsmittel können mit am besten zur Armutsbekämpfung beitragen“ konstatiert Melinda Gates in einem Beitrag für Die Welt. Weniger Menschen = weniger Armut, lautet die Rechnung ganz nach der Devise des früheren US-Präsidenten Lyndon B. Johnson: „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar.“ Dementsprechend ignorant zeigt sich die „Bill & Melinda Gates Foundation“ den ökonomischen Ursachen von Hunger und Mangelernährung gegenüber. Stattdessen sieht sie es als Entwicklungshilfe an, Millionen Einheiten von BAYERs Langzeit-Kontrazeptivum JADELLE aufzukaufen und an die afrikanische Frau zu bringen. Dabei hat das Medizin-Produkt mit dem Wirkstoff Levonorgestrel nicht nur zahlreiche Nebenwirkungen wie etwa Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme, Sehstörungen und Migräne, es kommt auch immer wieder zu Komplikationen beim Einsetzen und Herausnehmen der Präparate.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Das Sunshine Mining Desaster 1972
Am 2. Mai 1972 ereignete sich das Sunshine Mine Desaster, eines der größten Unglücke in der Geschichte des US-amerikanischen Bergbaus. Nach dem Ausbruch eines Feuers starben 91 Bergleute an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung. Nicht zuletzt setzten die in Brand geratenen Kunststoff-Materialien, die unter Tage beispielsweise in Leitungsumhüllungen, Sieb-Maschinen und Druckschläuchen Verwendung finden, die giftigen Dämpfe frei. Darum sahen sich neben anderen Firmen auch Kunststoff-Hersteller wie DOW CHEMICAL und die BAYER-Tochter MOBAY, die der Leverkusener Multi im Jahr 1967 ganz von MONSANTO übernommen hatte, Entschädigungsklagen gegenüber. Gemeinsam mussten sie 6,5 Millionen Dollar zahlen. Einen zweiten Prozess allerdings gewannen die Konzerne. Die Anwaltskanzlei „Wheeler Trigg O’Donnell“ rühmt sich noch heute, den Unternehmen damals immense Zahlungen erspart zu haben.

POLITIK & EINFLUSS

NRW bremst beim Kohle-Ausstieg
Die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen tut alles dafür, um BAYER & Co. auch langfristig den Zugang zu den ebenso billigen wie klima-schädlichen Energieträgern zu sichern. So betätigen sich Laschet & Co. in der Kohle-Kommission als Bremser und sprechen sich vehement dagegen aus, den Kohle-Ausstieg „schon“ auf das Jahr 2030 zu terminieren. „Nordrhein-Westfalen ist der bundesweit bedeutendste Standort energie-intensiver Industrien wie Chemie, Stahl, Aluminium und Papier, die auf eine sichere und bezahlbare Stromversorgung angewiesen sind“, hält Landeswirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) fest. Deshalb will Ministerpräsident Armin Laschet den Unternehmen die Braunkohle möglichst lange erhalten. „Aktuelle Studien bestätigen die Erreichbarkeit der Klima-Ziele ohne beschleunigten Ausstieg aus der Braunkohle“, schrieb er gemeinsam mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer in einem Beitrag für das Handelsblatt. Entsprechend zufrieden zeigte sich der nordrhein-westfälische Verband der chemischen Industrie mit der bisherigen Arbeit von CDU und FDP. Es sind „viele Weichen aus Sicht des Chemie-Verbandes richtig gestellt worden“, heißt es in einer Presseerklärung. Und die Schlussfolgerung lautete: „Berlin braucht mehr Düsseldorf.“

Industrie kippt schärferes Klima-Ziel
Die Europäische Union hatte geplant, ihr Klima-Ziel zu verschärfen. Eine Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen von 45 Prozent im Vergleich zu 1990 bis zum Jahr 2030 schwebte der EU vor. Aber der Extrem-Lobbyismus von „Business Europe“ und anderer Einfluss-Organe von BAYER & Co. wusste das zu verhindern. Wie überlegt die Konzerne dabei vorgingen, offenbaren geleakte Unterlagen von „Business Europe“. Der Verband arbeitete vier unterschiedliche Strategien aus, um das Projekt zu Fall zu bringen, und legte diese anschließend seinen Mitgliedern zur Entscheidung vor. Die erste bestand darin, dem Vorhaben grundsätzlich positiv gegenüberzustehen, so lange es unverbindlich bleibt und keinen Eingang in die Gesetz-Bücher zu finden sucht. Die zweite optierte dafür, „die üblichen Argumente zu gebrauchen“ und vor den Wettbewerbsnachteilen für europäische Unternehmen gegenüber der globalen Konkurrenz zu warnen, die eine auf die EU beschränkte Klima-Kleinstaaterei mit sich brächte. Der dritte Vorschlag beabsichtigte, den ganzen Prozess in Frage zu stellen, die Belastbarkeit der Zahlen zu bestreiten und vor allem anderen erst einmal eine ökonomische Folgen-Abschätzung auf den Weg zu bringen. Als viertes Mittel, die 45 Prozent zu kippen, stand zur Auswahl, Brüssel dahinzubringen, nicht bei sich selbst, sondern bei den anderen anzufangen. „Der Schlüssel ist, andere große Volkswirtschaften davon zu überzeugen, zur EU aufzuschließen und den Umbau in Europa zum Erfolg zu machen. Dafür brauchen wir Stabilität, um Investitionen zu mobilisieren“, hieß es in dem Papier. Und eine dieser Strategien muss in den Hinterzimmern der Macht schließlich aufgegangen sein. Nach der Schlappe tat ein EU-Sprecher dann kund, der Klimaschutz- und Energie-Kommissar Miguel Arias Cañete habe nie einen offiziellen Vorschlag zur Einführung strengerer Klima-Ziele angekündigt.

BAYERs ehemaliger Chef-Jurist AfDler
BAYERs langjähriger Chef-Jurist Roland Hartwig sitzt heute für die AfD im Bundestag und gehört zu den vier stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion. 2013, noch zu seinen Zeiten beim Leverkusener Multi, war er zu der Partei gestoßen. „Wir müssen Recht und Ordnung in unserem Land wiederherstellen“, meint Hartwig und zeigt sich davon, dass der Klimawandel eine Folge menschlichen Handels und Wandels ist, „nicht überzeugt“. In seinen Vorträgen gelingt es ihm zuweilen sogar, alte und neue Aufgabe zu verbinden, etwa wenn er zum Thema „Deutsche Unternehmen im Fadenkreuz der US-Justiz“ Vorträge hält. Der 64-Jährige kam 1984 zum bundesdeutschen Global Player und stand von 1999 bis zu seiner Demission 2016 der Rechtsabteilung des Agro-Riesen vor. Zudem bekleidete er über einen längeren Zeitraum hinweg den Posten des Vorsitzenden des Rechtsausschusses des „Verbandes der Chemischen Industrie“. Noch heute betrachtet Roland Hartwig es als seine größte Leistung, „einen internationalen Groß-Konzern juristisch durch alle Untiefen geführt zu haben“.

Baumann VCI-Vize
Die Mitglieder-Versammlung des „Verbandes der Chemischen Industrie“ wählte im September 2018 den BAYER-Chef Werner Baumann zu ihrem Vize-Vorsitzenden.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi für seinen Grundbesitz und seine Pestizid-Versuchsfelder seit geraumer Zeit mit Agrar-Subventionen. Im Jahr 2017 strich die BAYER REAL ESTATE GmbH 109.206 Euro aus Brüssel ein, die BAYER CROPSCIENCE AG 31.000 Euro und die BAYER CROPSCIENCE GmbH 11.133 Euro.

In diplomatischen BAYER-Diensten
Dr. Gabriele Ney arbeitet bei BAYER in der Krebsforschung und ist mit Dr. Martin Ney verheiratet, dem deutschen Botschafter in Indien. Deshalb ergriff sie die günstige Gelegenheit, für den Leverkusener Multi diplomatisch tätig zu werden und fädelte eine Kooperation des Konzerns mit einer indischen Organisation ein, die Krebs-PatientInnen betreut. Das Unternehmen sponserte ein Projekt, das kranke Kinder mit nährstoff-reichen Lebensmitteln versorgt.

PROPAGANDA & MEDIEN

Millionen für das Gesundheitswesen
Die 55 Unternehmen, die im von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ organisiert sind, pflegten die bundesdeutsche medizinische Landschaft im Jahr 2017 mit 605 Millionen Euro (2016: 562 Millionen). Keinen kleinen Teil davon brachte der Leverkusener Multi auf. Er erhöhte seinen Etat noch einmal kräftig um fast 16 Millionen Euro und investierte 56,8 Millionen Euro in MedizinerInnen, ärztliche Standesorganisationen, Selbsthilfegruppen, Institute, medizinische Fachgesellschaften und in von Krankenhäusern betriebene Pharma-Forschung.

Neun Millionen für ÄrztInnen
Von den 56,8 Millionen Euro, die der BAYER-Konzern 2017 ins Gesundheitswesen pumpte (s. o.), erhielten ÄrztInnen ca. 9,3 Millionen. Eine detaillierte Aufschlüsselung des Verwendungszwecks der Gelder gibt das Unternehmen nur für diejenigen MedizinerInnen an, die lieber inkognito bleiben wollen. Mit acht Millionen Euro floss ein Großteil der Summe in diesen Bereich. 3,3 Millionen davon gingen für Vortrags- oder Beratungshonorare drauf; 1.344 Doctores standen dem Leverkusener Multi hier zu Diensten. Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von 3,1 Millionen Euro, die bei Kongressen und ähnlichen Veranstaltungen anzufallen pflegen, übernahm der Pharma-Riese für 4.923 Weißkittel.

BAYER bedenkt Fachgesellschaften
Zu den Akteuren des Gesundheitswesens, die BAYER mit hohen Summen bedenkt (s. o.), gehören auch die medizinischen Fachgesellschaften nebst den von ihnen veranstalteten Kongressen und Weiterbildungen. Und wenn sich die Tätigkeiten der Organisationen auf ein Gebiet erstrecken, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ im Jahr 2017 über 135.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese sicherlich bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate. Die „Deutsche Gesellschaft für Frauengesundheit“ sponserte er mit 34.000 Euro, um seine Verhütungsmittel-Verkäufe anzukurbeln. Die „Frauenärztliche Bundesakademie GmbH“, die Fortbildungsveranstaltungen anbietet, erhielt zu diesem Behufe 124.000 Euro. Das Marktumfeld für seine nebenwirkungsreichen Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST, PRIMOVIST und MAGNEVIST gestaltete der Pillen-Riese durch Zuwendungen an die „Deutsche Röntgen-Gesellschaft“ (37.000 Euro) und ihren Kongress (101.000 Euro) freundlicher. Der Absatz-Förderung des gentechnisch hergestellten Augen-Präparats EYLEA dienten Überweisungen an den „Bundesverband der Augenärzte“ (15.000 Euro), die „Augenärztliche Akademie“ (57.000 Euro) und die „Deutsche Gesellschaft für Ophthalmo-Chirugie“ (70.000 Euro). Das meiste Geld aber gab der Leverkusener Multi für die Promotion seines umstrittenen G

[Die Pestizid-Lüge] Eine Rezension des Buches von Andre Leu

CBG Redaktion

Zum richtigen Zeitpunkt, mitten in einer Phase, da BAYER und die anderen großen Konzerne den weltweiten Agro-Markt neu unter sich aufteilen, veröffentlicht der australische Agrarexperte Andre Leu seine breit aufgestellte Arbeit über den Stellenwert der Pestizide in unserem täglichen Leben: „Poisoning Our Children“ – so der englische Titel.

Von Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt

In dem Buch von Andre Leu nehmen die vielfältigen Gesundheitsgefahren, die von Pestiziden für alle Menschen – besonders aber für die Kleinsten und Kinder im Mutterleib ausgehen – einen angemessen umfangreichen Raum ein. Die enorme Menge an Fakten, die der Autor akribisch zusammengetragen hat und hier vorstellt, gibt eine hervorragende Einführung in die weitläufigen Folgen der globalen Verteilung der Agro-Chemikalien, die nicht nur in Deutschland „Pflanzenschutzmittel“, sondern z. B. auch in Indien verharmlosend „Pflanzenheilmittel“ genannt werden.
Leu erweist sich als guter Kenner der in großem Umfang rasch anwachsenden Literatur und greift dabei auch immer wieder auf Standardwerke namhafter WissenschaftlerInnen zurück, wie z. B. auf „Reducing Environmental Cancer Risk - What We Can Do Now“, den Jahresbericht der Krebs-ExpertInnen von 2008/9, dessen Adressat der US-amerikanische Präsident war.
In dem fesselnd geschriebenen Buch führt der Australier aus, welche gesundheitlichen Auswirkungen die Pestizid-Anwendung in Tierversuchen zeigt, sowohl in der Schwangerschaft als auch im späteren Leben. Von Fehlbildungen und Stoffwechselerkrankungen wie Übergewicht und Zuckerkrankheit über Leber- und Nieren-Schädigigungen bis hin zum Ausbruch von Krebs reichen die Risiken und Nebenwirkungen. Die in der Schwangerschaft gezeigten Effekte auf den sich entwickelnden Organismus sind die weitaus schlimmsten, weil sie unumkehrbar sind, so Leu.
Er erklärt ebenfalls, wie die Übertragung schädlicher Chemikalien-Wirkungen auf nachfolgende Generationen (epigenetische und transgenerationale Effekte) zustande kommt und klagt an, dass weder Hersteller noch Zulassungsbehörden diesem bedeutungsvollen Phänomen Rechnung tragen. Anschließend zieht er eine Verbindung zwischen den Ackergiften und der ungeklärten Zunahme vieler dieser Krankheiten beim Menschen und belegt das u. a. mit vielen angefügten Diagrammen über die Zunahme eben dieser Erkrankungen in den letzten 30 - 40 Jahren, die eine deutliche Parallele zu der zunehmenden Anwendung z. B. von Glyphosat aufweist.
Schonunglos beobachtet er dabei, wie die Zulassungsbehörden in aller Welt (Australien, USA, EU) wissenschaftliche Erkenntnisse ignorieren und so ihren Auftrag, einen Schutz vor den allgegenwärtigen und oft hormon-schädlichen Pestiziden zu bieten, verfehlen. Dabei erfährt mensch auch, wie die Grenzwert-Ermittlung von noch erlaubten Pestizid-Rückständen in Lebensmitteln zustande kommt: Ausgehend von der Menge, die man zur Beseitigung eines Unkrautes benötigt, wird die Rückstandsmenge in einer Feldfrucht bestimmt. Dann schätzt die Behörde, wie viel von dieser Feldfrucht pro Tag gegessen wird. Liegt das Produkt der Multiplikation unter der erlaubten Tagesdosis, ist das die Rückstandshöchstmenge. Nach Rückständen der am häufigsten angewendeten Substanz, dem Glyphosat, werde in den USA jedoch nicht systematisch gesucht, kritisiert der Biobauer.
Den verbreiteten Irrglauben (Mythos 2), sehr kleine Mengen von Pestiziden könnten doch vernachlässigt werden, widerlegt er in klaren und verständlichen Worten. Die fehlende Beachtung der vielen Kombinationswirkungen der Pestizide mit anderen Mitteln oder chemischen Stoffen geißelt er ebenso als unwissenschaftlich wie das Vorgehen von Herstellern und Behörden, nur die „Wirkstoffe“ und nicht die z. T. sogar noch giftigeren „Hilfsstoffe“ zu untersuchen und zu bewerten.
Besonders fesselnd und entlarvend sind bei der Auseinandersetzung mit den Aufsichtsbehörden die aktuellen Auswertungen der sog. „Monsanto-Papiere“, die im Zusammenhang mit der Klage eines nach der Anwendung von Glyphosat an Krebs erkrankten Landwirtes in den USA bekannt geworden sind. Auch hier finden interessierte LeserInnen Literaturhinweise bzw. die Angabe der Internetseite der klageführenden AnwältInnen.
So bedrückend die Situation auch ist, es gelingt dem Autor, wie einleitend bereits angekündigt, einen Ausblick und einen Ausweg aufzuzeigen. Dabei vergleicht Leu als Agrarexperte und langjähriger Präsident der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen IFOAM uneingeschränkt kritisch und differenziert die konventionelle und biologisch orientierte Landwirtschaft. Überzeugend räumt er mit dem Irrglauben (Mythos 5) bzw. der Pestizid-Lüge auf, ohne Ackergifte würde die Menschheit verhungern. Die klaren Vorteile von Bio-Lebensmitteln belegt er z. B. mit einer großen norwegischen Untersuchung, bei der Mütter, die sich in der Schwangerschaft mit überwiegend biologischen Lebensmitteln ernährten, signifikant seltener Jungen mit Penis-Fehlbildungen (Fehlmündung der Harnröhrenöffnung) oder Hodenhochstand zur Welt brachten. Als Agrarexperte ist er auch in der Lage, den Erfolg von Bio-Landwirtschaft bei Kleinbauern und -bäuerinnen in Entwicklungsländern darzustellen. Nachhaltigkeit, bessere Bodenfruchtbarkeit und -widerstandsfähigkeit gegen extreme Wetter-Ereignisse bilden einen globalen Vorteil, resümiert er.
Leu legt ein umfassendes und spannend geschriebenes Buch über Pestizide vor, welche die Biodiversität und die Gesundheit der Menschen beeinträchtigen und schließt mit Vorschlägen, wie wir uns und unsere Kinder schützen können: Ein gelungenes Werk mit vielen Literaturangaben und bedenkenswerten Diagrammen, dem man gerne weite Verbreitung wünscht. ⎜

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt Tierversuche ab. Ihrer Ansicht nach braucht es sie nicht, um die Gefährlichkeit eines Stoffes zu prüfen. Darum setzt sich die Coordination bereits seit Langem dafür ein, dass bei BAYER und anderswo mehr Alternativ-Verfahren zum Einsatz kommen.

[Gen-Soja] EU genehmigt BAYER-Gensoja mit dreifacher Herbizid-Resistenz

CBG Redaktion

Gentech-Gefahr hoch 3

Die EU-Kommission hat Ende 2017 Import-Zulassungen für neue Gentechnik-Sojabohnen der Firma BAYER erteilt. Dabei handelt es sich um die Ernte von gentechnisch veränderten Soja-Pflanzen, die erstmals nicht nur gegen ein oder zwei Herbizide resistent sind, sondern jeweils gleich eine dreifache Resistenz aufweisen. Die „Balance Bean“-Soja von BAYER ist immun gegenüber Glyphosat, Glufosinat und Isoxaflutol. Bei dem Genehmigungsverfahren ließ die Europäische Union allerdings viele Risiken und Nebenwirkungen, die von diesen neuen Ackerfrüchten ausgehen können, außer Acht.

Von Christoph Then, TESTBIOTECH

Die Gentech-Geschäftsidee

BAYER setzt ähnlich wie Monsanto auf den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen, die gegen Herbizide resistent gemacht sind. Die Geschäftsidee ist einfach: So können patentiertes Saatgut und Unkrautvernichtungsmittel im Doppelpack verkauft werden.

Die speziellen Herbizide (wie z. B. Glyphosat), gegen die die Pflanzen resistent sind und die dann beim Anbau zur Anwendung kommen, werden auch komplementäre Herbizide genannt. Die Gentechnik macht es möglich, dass die Pflanzen diese „Giftdusche“ überleben. Gleichzeitig entstehen in den Pflanzen aber neue Stoffwechselprodukte und Herbizidrückstände, die Risiken für die VerbraucherInnen mit sich bringen.

Hauptanbauländer dieser Pflanzen sind Argentinien, Brasilien und die USA. Seit über 20 Jahren wird dort insbesondere Gentechnik-Soja angebaut, die gegen Glyphosat resistent gemacht wurde. Dieses Spritzmittel ist seit geraumer Zeit in die Kritik geraten. Zum einen, weil es von einem internationalen Expertengremium der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wird. Zum anderen wird die biologische Vielfalt durch den weitverbreiteten Einsatz des Mittels geschädigt.

Mittlerweile haben sich mehrere Unkrautarten an den massenhaften Einsatz von Glyphosat angepasst und sind jetzt ihrerseits resistent. Diese resistenten Unkräuter sind ein zunehmendes Problem in den Anbauländern der Gentechnik-Pflanzen. Sie führen unter anderem zu steigenden Pestizidmengen und zu einer weiteren „Aufrüstung“ der Gentechnik-Pflanzen: In Pflanzen wie Soja und Mais werden zunehmend Gen-Konstrukte eingebaut, die diese gleich gegen mehrere Herbizide immun machen sollen, um Resistenz-Bildungen durch mehr Variabilität beim Einsatz der Mittel vorbeugen zu können.

BAYERs neue Gensoja
Der BAYER-Konzern hat in diesem Zusammenhang die Gentechnik-Soja FG72 entwickelt („Balance Bean“). Diese Soja ist nicht nur resistent gegenüber dem Einsatz von Glyphosat. Auch Herbizide wie Isoxaflutol, welche die Wild-Pflanzen ausbleichen und absterben lassen (sogenannte HPPD-Hemmer), können ein-ge-setzt werden. In einer Erweiterung dieses Geschäftsmodells hat BAYER die Sojabohnen jetzt mit anderen Gentechnik-Varianten gekreuzt, um sie zusätzlich gegenüber Glufosinat resistent zu machen. Glufosinat ist unter Markennamen wie Liberty oder Basta bekannt geworden. Im Resultat ist diese Soja (Kürzel: FG72 x A5547-127) jetzt mit einer Dreifachresistenz gegenüber Herbiziden ausgestattet. Die genannten Herbizide sind als gesundheitsschädlich klassifiziert oder stehen diesbezüglich unter Verdacht:

– die gesundheitsschädliche Wirkung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ ist strittig
– Glufosinat ist von der EFSA offiziell als reproduktionstoxisch eingestuft und in der EU ab August 2019 verboten
– Isoxaflutol ist offiziell als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft

Ihre Ernte soll zum Zweck der Verarbeitung in Lebens- und Futtermitteln ebenfalls in die EU importiert werden. Die Soja wurde Ende 2017 von der EU-Kommission für den Import zugelassen. Zusammen mit einer ähnlichen Gentechnik-Soja der Firma DOW war dies die erste EU-Genehmigung für gentechnisch veränderte Sojabohnen mit einer dreifachen Resistenz gegenüber Herbiziden.

Die für die Importzulassung notwendigen Antragsdokumente hat Testbiotech im Detail geprüft und dabei festgestellt, dass es erhebliche Mängel bei der Risikobewertung der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA gibt.

Kein Praxis-Test
Ein wichtiger Aspekt bei der Risikobewertung von Gentechnik-Pflanzen, die gegen bestimmte Herbizide resistent gemacht worden sind, ist die Dosierung der Herbizide und die Anzahl der in den Feldversuchen durchgeführten Spritzungen. Davon hängt nicht nur die Rückstandsbelastung der Ernte und deren mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit ab, auch die Zusammensetzung der Pflanzeninhaltsstoffe kann dadurch beeinflusst werden.
Aus den Antragsdokumenten geht aber hervor, dass die von BAYER angewandten Dosierungen im Versuchsanbau erheblich geringer waren, als dies unter Praxisbedingungen zu erwarten ist: In Feldversuchen verwendete BAYER nur etwa ein Kilogramm Glyphosat pro Hektar oder weniger.
In der landwirtschaftlichen Praxis dagegen werden zwei, drei oder sogar acht Kilogramm pro Hektar empfohlen. Auch die Dosierung eines anderen Komplementärherbizids (Glufosinat) lag wesentlich niedriger als in der landwirtschaftlichen Praxis üblich.

Nach Ansicht der EU-Kommission sind die Risiken der Gentechnik-Pflanzen unabhängig von der Anwendung der Herbizide zu bewerten, gegen die sie resistent gemacht sind. Testbiotech weist diese Darstellung als unangemessen und irreführend zurück. Auch die Prüfvorschriften der EU schreiben vor, dass die Pflanzen für die Risikoprüfung mit den entsprechenden Herbiziden behandelt werden müssen. Werden diese Tests aber nicht unter realistischen Bedingungen durchgeführt, ist die Risikoprüfung wertlos.

Werden bei Versuchen wesentlich weniger Herbizide eingesetzt, als dies in der Praxis üblich ist, beeinflusst dies nicht nur die Menge der jeweiligen Rückstände. In Abhängigkeit von der Menge der Spritzmittel können sich auch die Inhaltsstoffe der Pflanzen verändern und so beispielsweise Allergien oder die Wirkung pflanzlicher Östrogene verstärkt werden. Diese Risiken wurden weder nach dem Gentechnikrecht noch nach dem Pestizidrecht geprüft. BAYER führte auch keine Fütterungsstudien durch, um die gesundheitlichen Risiken der Soja zu untersuchen.

Fehlende Daten
Grundsätzlich ist zu erwarten, dass die komplementären Herbizide auch Rückstände in den Pflanzen bzw. der Ernte zurücklassen. Die Art der Rückstände und Abbaustoffe ist dabei abhängig von der Pflanzensorte, dem eingebauten Gen-Konstrukt sowie der Menge und der Häufigkeit der Anwendungen.
Am besten erforscht sind die Rückstände von Glyphosat. Hier entsteht insbesondere der Abbaustoff AMPA (Aminomethylphosphonsäure). Dieser wird als ähnlich giftig wie Glyphosat eingeschätzt. Die Menge an AMPA (und anderen Abbaustoffen), die in den Pflanzen gebildet wird, kann je nach Gentechnik-Konstrukt unterschiedlich sein. Zudem können auch andere Abbauprodukte entstehen. Für die Risikoabschätzung von FG72 wäre es notwendig zu wissen, wie hoch die Konzentration der jeweiligen Glyphosat-Rückstände bei verschiedenen Anwendungen (einfache oder mehrfache Anwendung, niedrige oder hohe Dosierung) tatsächlich ist. Entsprechende Daten wurden aber nicht vorgelegt.
Bei der Anwendung von Isoxaflutol, das als „möglicherweise krebserregend“ klassifiziert ist, entstehen neue Abbaustoffe, die bisher in den Sojabohnen nicht vorhanden waren. Nach Ansicht der EFSA können die gesundheitlichen Risiken dieser Stoffe nicht bewertet werden, da die notwendigen Daten fehlen. Die EU-Behörde sieht sich deswegen außerstande, Grenzwerte für Höchstmengen festzulegen, wie dies gesetzlich vorgeschrieben ist (Verordnung 396/2005).
Keine Daten scheint es auch darüber zu geben, welche Abbaustoffe in welcher Konzentration bei der Anwendung von Glufosinat an herbizidresistenten Sojabohnen zu erwarten sind. Soweit Testbiotech bekannt ist, liegen dazu keine Publikationen und keine offiziellen Bewertungen vor. Glufosinat wird offiziell als reproduktionstoxisch eingestuft.

Kombinationswirkungen?
Schließlich müssen mögliche kombinatorische Effekte bewertet werden. Die kombinatorischen Wirkungen von Rückständen können die Toxizität der einzelnen Substanzen bei weitem übersteigen. Da jedoch eine spezifische Kombination von komplementären Herbiziden auf die Pflanzen angewendet werden kann, wäre es relativ einfach, kombinatorische Effekte zu bestimmen. Bislang wurden solche Untersuchungen aber nicht durchgeführt. Die EU-Kommission hat lediglich eingeräumt, dass kombinatorische Effekte untersucht werden müssten.
Neben den Wirkstoffen enthalten kommerzielle Herbizidmischungen wie Roundup (Glyphosat) weitere Zusätze sowie als Wirkungsverstärker zum Einsatz kommende Netzmittel. Diese Substanzen können dazu führen, dass eine Herbizidmischung wesentlich giftiger ist als der eigentliche Wirkstoff. In mehreren Ländern der EU wurde deswegen bereits der Einsatz von besonders problematischen Zusatzstoffen wie Tallowaminen eingeschränkt oder verboten, in den Anbauländern der Gentechnik-Pflanzen dagegen nicht. Diese Stoffe werden aber bei der Zulassungsprüfung gentechnisch veränderter Pflanzen für den Import bisher außer Acht gelassen. Entsprechende Lücken in der Risikobewertung werden sogar von der EU-Kommission zugegeben.

Auch die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) stellt fest, dass hier weitere Untersuchungen nötig sind und es derzeit nicht möglich ist, die gesundheitlichen Risiken der Rückstände der Spritzmittelmischungen, die in den Anbauländern eingesetzt werden, zu bewerten. Wie aktuelle Dokumente zeigen, die von Monsanto in den USA veröffentlicht werden mussten, wissen auch dort die Behörden nicht im Detail, was den Spritzmitteln jeweils zugesetzt wird bzw. welche Rückstände in der Ernte zu erwarten sind.

Weitere Gesundheitsrisiken
Durch den veränderten Stoffwechsel in den Gentechnik-Pflanzen kommt es zu weiteren spezifischen Risiken:

– Durch die neu eingeführten Stoffwechselwege können die Inhaltsstoffe der Pflanzen ungewollt verändert werden. Gerade bei Soja ist dies relevant, weil es in den Bohnen natürlicherweise eine hohe Konzentration an pflanzlichen Östrogenen und Allergenen gibt, deren Konzentration steigen kann. Die jeweiligen Veränderungen können davon abhängen, welche Herbizide in welcher Dosierung eingesetzt werden. Tatsächlich zeigen verschiedene Untersuchungen, dass die Anwendung des Herbizids in Abhängigkeit von der Dosis signifikante Veränderungen in den Inhaltsstoffen der Sojabohnen verursachen kann. Diesen Fragen geht die EFSA bisher nicht nach.

– Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass auch spezielle Wechselwirkungen zwischen den Rückständen der Herbizide und pflanzlichen Inhaltsstoffen möglich sind. Dabei ist insbesondere an die natürlicherweise in den Pflanzen vorkommenden Allergene und Östrogene zu denken. Deren gesundheitliche Risiken können durch Interaktion mit diversen Wirkstoffen, Zusatzstoffen oder Abbaustoffen der Herbizide verstärkt werden. So zeigten sich beispielsweise Störungen des Hormonsystems, wenn an junge Ratten Sojamilch in Kombination mit Glyphosat verfüttert wurde. Entsprechende Publikationen wurden von der EFSA ignoriert.

– Es muss zudem berücksichtigt werden, dass sich die ständige Belastung mit diesen Rückständen über Umwege auch auf die Gesundheit auswirken kann: Die Rückstände können beispielsweise zu Veränderungen in der Darmflora von Mensch und Tier führen, wodurch möglicherweise die Entstehung von Krankheiten begünstigt wird. Es ist bekannt, dass die Anwendung von Glyphosat zu einer veränderten Zusammensetzung der mikrobiellen Bodenflora führen kann. Zudem hat Glyphosat auch eine antibiotische Wirkung gegenüber bestimmten Bakterien wie E. coli. Dass es bei einer permanenten Zufuhr von Glyphosat auch zu Veränderungen der Darmflora bei Menschen kommen kann, erscheint daher naheliegend. Diese Risiken werden im Rahmen der EU-Zulassung nicht berücksichtigt.

Schlussfolgerungen
Wie die Analyse von Testbiotech zeigt, werden die speziellen Risiken der Anwendung von Herbiziden bei Gentechnik-Pflanzen derzeit weder von der Gentechnik-Zulassungsprüfung noch von der Pestizid-Gesetzgebung abgedeckt. Diese Regelungslücke betrifft die Mehrzahl der bisherigen Zulassungen: Über 50 der bis August 2017 in der EU für den Import zugelassenen rund 60 Gentechnik-Pflanzen sind gegenüber mindestens einem Herbizid resistent gemacht.
Entscheidende Daten über die Veränderung der Inhaltsstoffe der Pflanzen fehlen ebenso wie die zu Rückständen der Herbizide. Zudem werden zentrale Fragen der Risikoabschätzung, wie die nach möglichen Wechselwirkungen und kombinatorischen Effekten, völlig außer Acht gelassen. Die für den Import zugelassenen Pflanzen können deswegen nicht als sicher angesehen werden. Es besteht vielmehr das Risiko, dass der Verzehr der Sojabohnen negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat.

Die aktuelle Zulassungspraxis steht im Widerspruch zur Gentechnik-Gesetzgebung der EU. Die Verordnung 1829/2003 sieht vor, dass gentechnisch veränderte Pflanzen nur dann für den Import zugelassen werden dürfen, wenn sie insgesamt als sicher bewertet worden sind. Wenn diese Pflanzen mit einer Kombination möglicherweise gesundheitsgefährdender Rückstände belastet sind, weil sie per Gentechnik gegen Herbizide resistent gemacht wurden, muss dies vor einer Zulassung selbstverständlich untersucht werden.
Vor diesem Hintergrund sollten keine weiteren Gentechnik-Pflanzen mehr für den Import zugelassen werden, die gegen Glyphosat oder andere Herbizide resistent gemacht wurden, bis umfassende Untersuchungen der gesundheitlichen Risiken der entsprechenden Rückstände vorliegen. Dabei müssen Gentechnik-Zulassungsprüfung und Pestizid-Recht verknüpft werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass keine Risiken übersehen werden. Dazu gehören insbesondere folgende Voraussetzungen:

– Bewertung aller Wirkstoffrückstände unter Berücksichtigung der verschiedenen relevanten Praxisbedingungen (z. B. Dosierung und Häufigkeit der Herbizidanwendung)
– Bewertung aller relevanten Wirkstoffe, Zusatzstoffe und deren Rückstände
– Untersuchung kombinatorischer Effekte der eingesetzten Herbizide
– Untersuchung der Veränderungen der Pflanzeninhaltsstoffe unter Berücksichtigung verschiedener Dosierungen der Herbizide
– Untersuchung von möglichen Wechselwirkungen zwischen den Herbiziden und den Pflanzeninhaltsstoffen
– Untersuchung der Langzeiteffekte des Verzehrs der Gentechnik-Sojabohnen unter Berücksichtigung von möglichen Wirkungen auf das Hormonsystem, die Reproduktion und das Mikrobiom (Darmflora) von Mensch und Tier ⎜

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt Tierversuche ab. Ihrer Ansicht nach braucht es sie nicht, um die Gefährlichkeit eines Stoffes zu prüfen. Darum setzt sich die Coordination bereits seit Langem dafür ein, dass bei BAYER und anderswo mehr Alternativ-Verfahren zum Einsatz kommen.

Die Akte „Glyphosat“

CBG Redaktion

Am 27. November 2017 verlängerte die EU die Zulassung des gesundheitsgefährdenden Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat um weitere fünf Jahre. Den Ausschlag dafür gab das positive Votum Deutschlands. Die Absprachen der Großen Koalition brechend, räumte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) MONSANTO und BAYER den Weg für weitere Geschäfte mit dem umstrittenen Produkt frei. Im Vorfeld hatten unzählige Initiativen die PolitikerInnen davon zu überzeugen versucht, das Mittel aus dem Verkehr zu ziehen. Dazu zählte auch der Offene Brief, den Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt im Ruhestand, geschrieben hatte. Stichwort BAYER dokumentiert das Schriftstück, das wichtige Argumente gegen das Herbizid zusammenträgt, denn geschlossen ist die Akte „Glyphosat“ noch nicht. Vorerst gilt es jetzt, für Verbote auf nationaler Ebene zu streiten.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Frau Umweltministerin Hendricks,
sehr geehrter Herr Agrarminister Schmidt,
sehr geehrter Herr Schulz, sehr geehrter Herr Lindner,
sehr geehrte Frau Göring-Eckart, sehr geehrter Herr Özdemir,
sehr geehrte Frau Kipping, sehr geehrter Herr Riexinger,

als mitdenkende und um Demokratie bemühte Bürger und Fachleute wenden wir uns an Sie mit der entschieden vorgetragenen Bitte, die anstehende Entscheidung über die Fortsetzung der Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat unter besonderer Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung zu treffen. Glyphosat ist nach unserer wissenschaftlich begründeten Meinung gesundheitsschädlich und umweltgiftig.
Die chemische Industrie der Pestizid-Hersteller hat – sicher nicht ohne Grund - das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das dem deutschen Landwirtschaftsminister untersteht, als Berichterstatter für die Glyphosat-Bewertung ausgewählt. Die dahinter zu vermutende Nähe der Agrarchemie-Produzenten zum BfR (1) hat offenbar die Glyphosat-Bewertung (2) beeinflusst. Anders können wir uns nicht erklären, wie ein so großer Unterschied zwischen der Beurteilung der Wissenschaft mit ihren Gift-, Hormon-, Umweltforschern und den Behörden zustande kommen kann.
Insbesondere ist für uns nicht nachvollziehbar, wieso die folgenden Fakten von der Behörde, die für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor industriell produzierten Chemikalien federführend zuständig ist, nicht anerkannt werden:
1. die wissenschaftliche Betrachtung aller Komponenten des jeweiligen Glyphosat-Produktes
2. die Anreicherung von Glyphosat oder Resten von Glyphosat-Produkten im Menschen und in der Umwelt (Akkumulation)
3. die Hormon-Schädigung durch den Unkraut-Vernichter
4. die erbgut-schädigende Wirkung von Glyphosat (Mutagenität)
5. die mögliche Krebserzeugung (Kanzerogenität).

1. Die Inhaltsstoffe
Im wissenschaftlichen Bereich gibt es nicht den geringsten Zweifel daran, dass man bei der Beurteilung der Giftigkeit, der gesundheitlichen oder Umwelt-Risiken alle Komponenten eines Gemisches oder Produktes betrachten muss. Dass bei glyphosat-basierten Herbiziden (GBH) anders verfahren werden soll, ist eine absolute Ausnahme und mit wissenschaftlichen Kriterien nicht vereinbar. Insofern muss man die Beschränkung der Überprüfung bei der Zulassung von glyphosat-haltigen Pestiziden auf die „aktive“ Substanz (Glyphosat) und die Nichtberücksichtigung der z. T. giftigeren Zusatzstoffe (3) Netzmittel als Entgegenkommen von Politikern und Behörden an die Pestizid-Hersteller werten. Eine Fülle von Arbeiten hat nachgewiesen, dass viele GBH giftiger sind als Glyphosat allein, das als Bewertungsgrundlage ausgewählt wurde. Schließlich können Hersteller so zu sehr viel geringeren Kosten verschiedene Produkte auf den Markt bringen. Mit Gesundheitsschutz für die Bevölkerung hat das allerdings nichts zu tun. In diesem Sinne werden alle glyphosat-basierten Herbizide von den beurteilenden Behörden BfR, EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) und ECHA (Europäische Chemikalien-Agentur) ... wissenschaftlich nicht korrekt beurteilt, wenn sie sich auf Glyphosat allein beziehen.

2. Die GBH-Anreicherung
In den letzten 20 – 30 Jahren hat sich Glyphosat zu dem am häufigsten angewendeten Pestizid weltweit entwickelt. Es ist global verteilt worden in der Umwelt, angekommen in Luft und Regen, in den Böden, auf dem Getreide, im Oberflächenwasser (in der Ostsee oberhalb des Grenzwertes) und im Grundwasser. Dadurch ist der Unkrautvernichter über unsere Nahrung in kleinen, aber gesundheitlich bedeutungsvollen Mengen in den menschlichen Körper gelangt und hat sich dort in fast allen Organen verteilt. Daten über die Verteilung und Anreicherung im menschlichen Organismus und seinen Organen haben weder die Glyphosat-Hersteller vorgelegt, (...) noch der Berichterstatter BfR – das ist eine nicht hinnehmbare Wissenslücke für die Bewertung des Pestizids!
Dies ist jedoch auch ein schwerwiegendes Versäumnis, da auf diese Weise keine Beobachtung stattfinden konnte, ob und wie sich der Anstieg in verschiedenen Körper-Bestandteilen entwickelt hat. Die Behörden, insbesondere das Agrarministerium und das BfR, hätten mit einer frühzeitigen Erhebung eine mögliche Anreicherung in der Anfangsphase kontrollieren müssen, um zu überprüfen, ob die Aussage der Hersteller, es gäbe bei Glyphosat und AMPA (das Abbauprodukt Aminomethylphosphonsäure) keine Akkumulation, korrekt ist. Nach 15 Jahren Zulassung in Deutschland ist Glyphosat in Lebensmitteln, Futtermitteln, Tieren und Menschen so weit verteilt, dass man bei keiner Kontrollgruppe für statistische Vergleiche eine Nullbelastung (kein Glyphosat) voraussetzen darf. Dieses Problem wurde bei Tier-Fütterversuchen erstmals von der französischen Arbeitsgruppe von Prof. Seralini dargelegt, die nachwies, dass bei Untersuchungen von Umweltchemikalien wie z. B. Glyphosat systematische Fehler dann auftreten können, wenn Futter und Trinkwasser der Tiere nicht auch auf solche „versteckten“ Produkte untersucht werden.
Bei neugeborenen Schweinen, die im Alter von einem Tag wegen Fehlbildungen verstarben oder getötet werden mussten, wurde Glyphosat in praktisch allen Organen gefunden. Diese und andere Untersuchungen an verschiedenen Tierarten zeigen, dass Glyphosat die bedeutungsvolle Blut-Hirn-Schranke passiert. Beim Menschen gibt es hierzu keine Untersuchungen, obwohl bei Ratten Hirnschädigungen durch Pestizid-Gemische mit u. a. Glyphosat nachgewiesen wurden – ebenfalls eine bedenkliche Wissenslücke.
Als Hinweis auf eine unkritische Einstellung des Agrarministeriums und des BfR gegenüber den Pestizid-Herstellern kann man bei wohlwollender Interpretation die Tatsache werten, dass alle der nachfolgend zusammengefassten Untersuchungen zu Glyphosat-Vorkommen im menschlichen Körper nicht von der zuständigen Behörde (Ausnahme: Umweltbundesamt) veranlasst wurden, sondern von Bürgern, Umweltorganisationen oder Bundestagsabgeordneten der Grünen. Eher handelt es sich aber doch um eine juristisch zu bewertende Vernachlässigung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung (...)
2015 entdeckte Frau Prof. Krüger (Auftrag: Grüne) erstmals in Deutschland in allen 16 Muttermilch-Proben Glyphosat, während das BfR 2016 in keiner von 114 Frauenmilch-Proben Glyphosat fand. Allerdings belegen die glyphosat-freien Ergebnisse der Muttermilch-Untersuchungen des BfR und der USA (MONSANTO) keineswegs, dass in diesen Proben kein Glyphosat enthalten war, sondern lediglich, dass die Untersuchungsmethode ungenauer war als die mit positiven Ergebnissen. Statt also aus Vorsorge-Gründen im genaueren Bereich der Mess-Ergebnisse von Frau Prof. Krüger zu suchen, gab das BfR Gelder für eine Untersuchung mit einer ungenaueren Methode aus, nur um vorzugeben, es sei „kein Glyphosat in der Muttermilch“ zu finden. Unten wird ausgeführt, warum dieser niedrige, vom BfR nicht erfasste Mess-Bereich aus medizinischen Gründen wichtig ist (→ 3. Hormonschädigung).
Dass Glyphosat die Plazenta (Mutterkuchen) passieren kann, ist lange bekannt. Warum bisher das Nabelschnur-Blut von Neugeborenen nur in einer kleinen kanadischen Studie untersucht wurde, scheint wie ein Akt des bewussten Wegguckens. Wenn man als Behörde eine Beurteilung über ein global verteiltes, erbgut-schädigendes und wahrscheinlich krebs-erzeugendes Produkt/Gemisch abgeben soll, ist die Prüfung der Frage nach der Wirkung auf ungeborene Kinder zwingend erforderlich. Diese schwerwiegende Wissenslücke ist erstmals seit April 2017 durch eine thailändische Studie teilweise reduziert worden. Erstaunlicherweise sind die Glyphosat-Werte in der deutschen Muttermilch ähnlich hoch wie die Blutwerte der thailändischen Neugeborenen. Völlig unbekannt ist aber, welche Auswirkungen diese auf die Gehirn- (fehlende Blut-Hirn-Schranke!) und Gesamt-Entwicklung des Kindes in der Schwangerschaft und damit auf das spätere Erwachsenenalter haben.
Ein Vergleich von Glyphosat-Werten bei Neugeborenen mit angeborenen Fehlbildungen ist nirgendwo zu finden, obwohl in Südamerika in den GBH-Anwendungsgebieten eine Zunahme von Wirbelsäulen-Fehlbildungen mit „offenem Rücken“ (meist mit angeborener Querschnittslähmung) und vermehrtes Auftreten von Krebs bei Kindern berichtet wurde.
Die wichtigen Auswertungen von Frau Prof. Krüger einer von Bürgern initiierten und bezahlten Urin-Untersuchung („Urinale 2015“) ergaben nicht nur, dass 99,6 % der Urin-Proben Glyphosat enthielten, sondern auch, dass die höchsten Glyphosat-Belastungen in der jüngsten Altersgruppe (0 - 9 Jahre) 4 vorkamen! Das BfR bleibt – bei aller berechtigten Kritik an der Studie – die Antwort auf dieses wichtige Problem schuldig. Stattdessen versucht das BfR, mit einer scheinbar wissenschaftlichen Berechnung anhand der selbst erstellten ADI-Werte (Acceptable Daily Intake = erlaubte tägliche Aufnahme) die Tatsachen zu verniedlichen (s. u.). Ungleich bedeutungsvoller ist doch die damit abgeblockte Frage, ob die aufgenommene Glyphosat-Menge im Urin einen negativen Effekt auf die Gesundheit hat und welche Ursache und welche Auswirkungen diese Höchstwerte bei den Kindern (5) für ihre Nierenfunktion (6) langfristig haben. Hier treten Wissenslücken bei den Abbau-Wegen von Glyphosat zutage: Eine einzige Untersuchung legt die Vermutung nahe, die Halbwertszeit könnte im Gegensatz zur Ratte mit 33 Std. beim Menschen 3 - 4 Std. dauern; über Verteilung oder Anreicherung in bestimmten Organen gibt es keine Informationen. Außerdem wurde das von Prof. Krüger angesprochene Problem auch in einer kürzlich erschienenen dänischen Studie mit verblüffend ähnlichen Messwerten beobachtet, die ebenfalls belegen, dass der Urin von Schulkindern im Alter von 6 -11 Jahren signifikant stärker mit Glyphosat belastet ist als der ihrer Mütter.
Die fehlende Erklärung für dieses mehrfach beobachtete und für die Entwicklung der Kinder möglicherweise bedeutungsvolle Phänomen wiegt schwer. Denn bisher ist in mindestens 8 Staaten (7) bevorzugt bei jungen Agrar-Arbeitern ein unerklärtes Nierenversagen (CKDu = chronische Nierenerkrankung unbekannter Ursache) aufgetreten, wahrscheinlich durch das Zusammenwirken von Glyphosat und Schwermetallen (8). In Sri Lanka sind ca. 20.000 Menschen daran verstorben, so dass Sri Lanka und El Salvador glyphosat-basierte Herbizide verboten haben.

3. Die Hormonschädigung
Studien an Zellkulturen zeigen, wie wenig Roundup (GBH von MONSANTO) in wie kurzer Zeit ausreicht, um eine hormonelle Wirkung zu erzielen. Beachtenswert ist auch, dass die geringen Glyphosat-Mengen in deutscher Muttermilch (Krüger, 2015) und im Blut thailändischer Neugeborener in einem Größenordnungsbereich liegen, der Studien zufolge genügt, um ein Wachstum hormon-abhängiger Brustkrebszellen auszulösen.
Bei Tier-Studien überrascht, dass so viele Arbeiten im Bereich oder sogar unterhalb des „No Observed Adverse Effect Levels“ (NOAEL) – unter dem angeblich keine schädlichen Nebenwirkungen gefunden werden – gesundheitsschädigende Auswirkungen auf das Zwischenhirn, die Hirnanhang-Drüse und sehr viele Hormon-Drüsen der getesteten Ratten hatten! Der Widerspruch löst sich für die Verbraucher auch nicht auf durch den Hinweis, dass sich der NOAEL-Wert auf reines Glyphosat bezieht, denn Verbraucher sind den Produkten ausgesetzt. Reines Glyphosat gibt es nur im Labor.
Diese Beispiele sind aber auch ein Beleg für die wissenschaftliche Unvollkommenheit der Grenzwert-Erstellung von ADI- und NOAEL-Werten, die aus wenigen Mess-Werten auf einen „Null-Wirkungs-Bereich“ zurückschließt, dabei aber wesentliche Wirkungen im Niedrigdosis-Bereich und die oft U- oder V-förmigen, nicht-monotonen Dosis-Antwort-Kurven hormonell wirksamer Substanzen nicht berücksichtigt (d. h. hier stimmt der Grundsatz „Die Dosis macht das Gift“ nicht, Anm. SWB).
Außerdem wird in diesen Beispielen nur die Wirkung einer einzelnen Substanz (Glyphosat) oder eines Gemisches (GBH) in diesen unvollkommenen wissenschaftlichen Blick genommen. Es gibt fast keine exakten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Kombinationswirkung etwa aller hormon-artig, z. B. östrogen-artig wirkenden Chemikalien in unserer Lebenswelt: Persistente, also schwer abbaubare Fremd-Östrogene aus PCB-, Dioxin-, DDT- und Flammschutzmittel-Rückständen sowie weniger persistente hormonschädigende Substanzen aus Plastik-Weichmachern, Kosmetika und Pestiziden wie Glyphosat.
Besonders zu beachten ist bei den Tierversuchen, zu welchem Zeitpunkt die GBH-Einwirkung erfolgte (Schwangerschaft, um die Geburt herum, im Erwachsenenalter) und in welchem Alter die Ergebnisse festgestellt wurden: So zeigen Dallegrave (9), Romano (10) und de Souza (11) dauerhafte Auswirkungen von GBH, das in der Schwangerschaft und um die Geburt herum verabreicht wurde, auf das gesamte Erwachsenenalter!
Auch beim Menschen gibt es deutliche Hinweise darauf, dass östrogen-artige Fremdhormone in der Schwangerschaft bei Jungen Hodenhochstand, Fehlmündung der Harnröhrenöffnung (Hypospadie), bei erwachsenen Männern zu beeinträchtigter Fruchtbarkeit und evtl. Hodenkrebs führen können. Ob das ebenfalls östrogen-artig wirkende Glyphosat bzw. GBH eine solche Wirkung hat oder unterstützt, ist bisher nicht untersucht worden, obwohl es naheliegend ist. Entsprechend muss bei Mädchen/Frauen darüber nachgedacht werden, ob eine erhöhte Menge von Östrogenen in der Frühschwangerschaft eine Ursache für die bisher ungeklärte erhebliche Zunahme (12) von Brustkrebs in Deutschland/weltweit ist. Zwar gibt es nach mehr als 30 Jahren wissenschaftlicher Beobachtung jetzt den Nachweis, dass DDT in der Schwangerschaft Brustkrebs bei erwachsenen Frauen fördert, für Glyphosat oder GBH gibt es keine Untersuchungen, sondern nur drängende offene Fragen.

4. Die Erbgut-Schädigung
Ein möglicher Mechanismus der Krebs-Entstehung durch Glyphosat ist die (...) Erbgutschädigung, die an Zellkulturen im „Reagenzglas“ (in vitro) oder an lebenden menschlichen Zellen (in vivo: weiße Blutkörperchen, Wangenschleimhaut) untersucht wurde. Obwohl fast alle unabhängigen Wissenschaftler, incl. der Krebsforscher der WHO (IARC), die gentoxische Wirkung von Glyphosat/GBH für eindeutig nachgewiesen halten an Pflanzen, Tieren und Menschen, bewerten das BfR und die ECHA in ihrer abschließenden Beurteilung Glyphosat als „nicht mutagen“. Dabei wurde u. a. von Clausing (13) darauf hingewiesen, dass die mit dem Ames-Test gelieferten Gegenbeweise deshalb nicht zählen, weil Glyphosat ein Breitband-Antibiotikum (S.18ff von 70) ist und dadurch Bakterien abgetötet werden können, an denen die Erbgut-Schädigung geprüft werden sollte. Auch diese Fakten streitet das BfR immer noch ab, um gegen die Mutagenität von Glyphosat argumentieren zu können.

5. Die Kanzerogenität

Die Krebsforscher der WHO (IARC) haben in ihrer zusammenfassenden Beurteilung von Glyphosat hervorgehoben ((http:monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/mono112-10.pdf), dass:
1. Glyphosat erbgutschädigend (mutagen, gentoxisch: S.78) ist
2. Glyphosat bei Tieren eindeutig krebserzeugend (kanzerogen: S.78) ist
3. Glyphosat nach den WHO-Kriterien wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen (S.78) ist.

Der IARC zählt als mögliche Mechanismen, wie Glyphosat krebsauslösend wirkt, die Erbgutschädigung und den oxidativen Stress auf ((Stoffwechsel-Schädigungen z. B. durch freie Radikale, Anm. SWB).
Der unabhängige Toxikologe Dr. Peter Clausing hat seit Jahren die Diskussion über Glyphosat kritisch verfolgt, war u. a. als Experte beim MONSANTO-Tribunal (2016) und als Beobachter anwesend bei der Verhandlung der Europäischen Chemikalien-Agentur (ECHA), die die letzte Beurteilung zu Glyphosat (14) abgeben musste vor der jetzt anstehenden Entscheidung über eine weitere Zulassung. In seinem detaillierten und präzise begründeten Artikel führt Clausing aus, warum er – wie auch der ehemalige Direktor des „US National Center for Environmental Health“ und der „US Agency for Toxic Substances and Disease Registry“, Prof. Christopher Portier (15) – Glyphosat als krebserzeugend ansehen im Sinne der 1 B-Klassifikation der EU (...): Nach der EU-Verordnung EG 1272/2008 genügen 2 voneinander unabhängige Tier-Studien mit Krebs-Befunden, um eine Substanz als krebserzeugend einzuordnen, für Glyphosat liegen aber bereits (...) 7 Studien mit positiven Krebsbefunden vor.
Ferner ist nach der Pestizid-Verordnung der EU von 2009 die Zulassung nicht gesetzes-konform wegen seiner „schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen“, auf die hier in ausreichendem Maße hingewiesen wurde.
Eine Zunahme von Krebs-Erkrankungen hat sich in den letzten 20 – 30 Jahren deutlich gezeigt u. a. bei:

a) Brustkrebs bei Frauen um 13 % in Deutschland zwischen 2003 u. 2013 (16). Ursachen für den Anstieg von ca. 1 % pro Jahr werden mehr in Umweltfaktoren gesehen, zumal Migrantinnen aus Japan mit seltenerem Brustkrebs-Vorkommen nach Umsiedlung in die USA sich innerhalb von wenigen Generationen angleichen.
b) Prostatakrebs: rückläufig in Deutschland um 14 % zwischen 2003 u. 2013 (siehe Anm. 16, Bericht zum Krebsgeschehen, S. 40); in Großbritannien seit den frühen 1990ern: + 44%, zwischen 2003 und 2014: + 6 %
c) Hodenkrebs: siehe dort Diagramm Fig. 2.2, S. 59 (=87/289) Nord-EU und weltweit: siehe dort Fig. 4
d) „Lymphdrüsenkrebs“ (18)
bei Frauen: + 7 % in Deutschland zwischen 2003 u. 2013 (dort S. 44);
bei Männern: +10 %
Werte zum Non-Hodgkin-Lymphom in Großbritannien liefern genaue Zahlen zu dem in epidemiologischen Studien bei Menschen (19) im Zusammenhang mit Glyphosat aufgetretenem „Lymphdrüsenkrebs“: + 39% seit den frühen 1990er Jahren.

6. Abschließende Überlegung und Forderungen

Entgegen den Ankündigungen der Hersteller bzw. Anbieter wie BASF, MONSANTO und BAYER haben sich Glyphosat bzw. GBH in der unbelebten Natur, in Tieren und Menschen in erheblichen Mengen angesammelt infolge eines ungebremsten weltweiten Einsatzes zur scheinbar kostengünstigen (20) Arbeitserleichterung in der Agrarwirtschaft. Die in Abhängigkeit geratene Landwirtschaft nimmt weiter die Pflanzen-Fruchtbarkeit negativ beeinflussende Unkrautvernichter hin und muss für steigende Pestizid-Mengen zahlen, denn eine Resistenz-Entwicklung ist längst eingetreten.
Der Gesellschaft sind dadurch aber nicht nur scheinbar kostengünstige Nahrungsmittel angeboten worden, sondern es sind bisher nicht komplett erfasste Kosten entstanden durch den erheblichen Rückgang der Artenvielfalt (Nahrungskette Insekten-Vögel), die Pestizid-Beseitigung aus unserer Umwelt (Bsp. Wasser) und eine nicht hinreichend zugeordnete Zunahme von Krankheitskosten (...)
Die Zunahme von Erkrankungen in den letzten 20 – 30 Jahren ist lautlos erfolgt. Politiker und Behörden haben versäumt, Forschungsgelder bereitzustellen, um den Zusammenhang zwischen der erbgutschädigenden, hormon-artigen Wirkung der am häufigsten angewendeten Pestizide (GBH) und der Zunahme von Erkrankungen hersteller-unabhängig wissenschaftlich zu überprüfen.

Dabei liegen für diesen Zeitraum z. T. Zahlen vor für einen Anstieg von

1. Krebserkrankungen: s. o.

2. chronischem Nierenversagen mit Dialyse-Pflichtigkeit um ca. 50 % zwischen 1996 und 2006
(s. o. Glyphosat-Verbot Sri Lanka u. El Salvador)

3. Angeborenen Fehlbildungen (mindestens über die hormon-artige Wirkung):
a) Hodenhochstand: S. 61 (=89/289) in der EU und weltweit (21)
b) Hypospadie (Fehlmündung der männl. Harnröhrenöffnung): S. 29 (=37/93) ff (22)
c) Beeinträchtigungen von Fruchtbarkeit/Samenqualität: Fig. 1 u. 2. (23)

Auch wenn eine genaue mengenmäßige Zuordnung nicht bis ins Detail geklärt ist, kann ein genereller ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und Glyphosat nicht abgestritten werden aufgrund folgender Hinweise:

1. der Nachweis aus Zellkulturen und Tierversuchen von vielfältigen Auswirkungen von Glyphosat/GBH auf unterschiedliche Hormonsysteme:

a) Nebennieren-Hypophysen-Achse mit Cortisol und ACTH
b) Geschlechtshormone Östrogen, Progesteron, Testosteron und deren übergeordnete Regulatoren (Gonadotropine)
c) Schilddrüsenhormone und TSH (übergeordnetes Schilddrüsen-Hormon)

2. diese glyphosat-bedingten Hormon-Störungen haben bei Tieren, obwohl nur zeitweise in der Schwangerschaft, um die Geburt herum oder in der Stillzeit angewendet, zu lebenslangen, irreversiblen gesundheitlichen Problemen oder Erkrankungen im späteren bzw. Erwachsenenalter geführt:

a) vorzeitiger Pubertätsbeginn im Jugendalter der Tiere
b) verändertes Sexualverhalten bei erwachsenen Tieren
c) verminderte Spermien-Zahl und vermehrt fehlgebildete Spermien
d) Störung der Schilddrüsen-Regulation

3. zusätzlich zu gutartigen Tumoren wurde durch Glyphosat/GBH eine Förderung folgender Krebsarten bei Mäusen und/oder Ratten nachgewiesen:

a) „Lymphdrüsen-Krebs“ (maligne Lymphome) – mehrere Studien (24), (25), (26), (27)
b) Blutgefäß-Krebs (Hämangiosarkom) – mehrere Studien( 28), ( 29)
c) Bauchspeicheldrüsen-Krebs (30)
d) Nieren-Krebs (31)

4.Wissenschaftler aus dem medizinischen und naturwissenschaftlichen Bereich haben wiederholt auf den Zusammenhang hingewiesen zwischen Krankheiten

a) und Glyphosat/GBH: Portier (32), Benbrook (s. a. Projekt) (33), Myers (34)
b) und hormonschädigende Substanzen:

Endocrine Society (35): weltweite Vereinigung der Hormonwissenschaftler
Figo: Weltverband der Gynäkologen u. Geburtshelfer (36)
TENDR 2016 (37), 2017 (38): Projekt von Kinderärzten u. Toxikologen zum Schutz der körperlichen und geistigen Entwicklung von Kindern (USA) vor Umweltchemikalien.

FORDERUNGEN:
1. Anwendung des geltenden EU-Rechtes, das den Gefährdungsgedanken (globales Glyphosat-Vorkommen, Gefährlichkeit der Substanz) und das Vorsorgeprinzip ausdrücklich hervorhebt:

a) nach der Chemikalien-Verordnung von 2008 und der Pestizid-Verordnung von 2009 muss Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen, basierend auf Tierversuchen (Kategorie 1B der Krebsgefährdung) eingeordnet werden und wegen genügender Evidenz (bösartige Tumore „in mindestens 2 voneinander unabhängigen validen Tier-Studien“ Article 3.6.2.2.3.b eingeordnet und dementsprechend verboten werden. Entsprechendes gilt wegen der Giftigkeit (Toxizität) auch nach Anhang II der Pestizid-Verordnung, 3.7.2.3. (S.43/50)
b) für die Erbgutschädigung (Mutagenität) und die
c) Fortpflanzungsschädlichkeit (Reproduktionstoxizität)

2. Umstrukturierung oder Abschaffung einer Behörde (BfR), die wie im Falle von Glyphosat jahrelang im Einvernehmen mit den Pestizidherstellern (u. a. BAYER, MONSANTO), aber im Widerspruch zu unabhängigen Wissenschaftlern und entgegen ihrem Auftrag die Menschen in der EU den Gesundheitsgefahren durch eine erbgut-schädigende, hormon-schädigende, krebs-erregende Substanz aussetzt. Dabei ist sie nicht in der Lage, einen Interessenkonflikt zu erkennen und zu kontrollieren.

3. Die Einführung einer standardmäßigen Nach-Beobachtung
a) zur Frage der Verteilung in der Umwelt
b) zur Giftigkeit, incl. Krebs-Erzeugung zu bestimmten Zeiten nach der ersten Zulassung durch unabhängige Wissenschaftler zu Lasten der Hersteller, die bis dahin eine Menge Gewinne erzielt haben.

4. Wie in unserer Gesellschaft bei jeder wissenschaftlichen Arbeit üblich, muss es auch in Zukunft für Firmen- oder Behördenmitarbeiter verbindlich sein, Pressemitteilungen, Anordnungen oder sonstige Schriftsätze als Einzelperson oder als Team mit den Unterschriften aller Verantwortlichen zu versehen.

5. Geheime oder unveröffentlichte Zulassungsstudien (siehe Fußnoten 24-31) darf es in Zukunft nicht mehr geben.

Aus den genannten Gründen muss die Zulassung für glyphosat-basierte Herbizide mit sofortiger Wirkung beendet werden.

Mit freundlichem Gruß
Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt Es besteht kein Interessenkonflikt.

ANMERKUNGEN

(1) Ein kleiner Ausschnitt mit wortwörtlichem Vergleich ist veröffentlicht beim Umwelt-Institut München.
(2) Burtscher-Schaden, H., Die Akte Glyphosat - Wie Konzerne die Schwächen des Systems nutzen und damit unsere Gesundheit gefährden. Kremayr & Scheriau, Wien, 2017. http:
www.kremayr-scheriau.at/bucher-e-books/die-akte-glyphosat-918
(3) Mit dem Hinweis auf das „Betriebsgeheimnis“ dürfen Pestizid-Produzenten nach deutschem und EU-Recht bestimmte Zusatzstoffe aus der Deklarationspflicht herausnehmen.
(4) 1.58 ng/mL = Mittelwert von Glyphosat im Urin der Kinder unter 9 Jahre = ca. 16 x höher als oberer Grenzwert für Glyphosat im Trinkwasser
(5) Besonders drängend erscheint diese Frage innerhalb der EU für portugiesische Kinder zu sein, wenn man die Spitzenwerte im Urin in Portugal betrachtet
(6) In Deutschland ist chronisches Nierenversagen (Nieren-Insuffizienz) zwischen 1996 und 2006 um ca. 50 % gestiegen.
(7) Sri Lanka, Indien, El Salvador, Costa Rica, Nicaragua, Ägypten, Tunesien, Bulgarien
(8) Über die Chelat-Bildung, wodurch auch die Halbwertszeit stark verlängert werden kann, haben sowohl Krüger:
Einfluss von Glyphosat und AMPA auf Boden, Pflanzen, Tiere
(https:www.naturland.de/images/Erzeuger/Fachthemen/Fachveranstaltungen/Pflanzenbau/2015/Sigoelveranstaltung/EinflussvonGlyphosatundAMPAaufBodenPflanzenTiereProfemDrMonikaKrueger.pdf) 14ff und Samsel und Seneff: Gyphosate, pathways to modern diseases IV: cancer and related pathologies (www.researchgate.net) als auch Burtscher-Schaden (Die Akte Glyphosat, S.26) sich geäußert
(9) Pre- and postnatal toxicity of the commerical glyphosate formulation in Wistar rats, Dallegrave, Eliane et. al.; Archives of Toxicology. Archiv für Toxikologie; Heidelberg Vol. 81, Iss. 9, (Sep. 2007: 665-73)
(10) Glyphosate impairs male offspring reproductive development by disrupting gonadotropin expression, Romano MA et. al.; Archives of Toxicology, 2012 April; 86 (4): 663-73
(11) Perinatal exposure to glyphosate-based herbicide alters the thyrotrophic axis and causes thyroid hormone homeostasis imbalance in male rats, de Souza JS et. al.; Toxicology; 2017 Feb 15; 377: 25-37
(12) Anstieg von Brustkrebs bei Frauen zwischen 2003 und 2013 um 13 %: Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016 (S. 36 =38 von 274: „aktueller Trend“ 1,3 %/Jahr)
http:
edoc.rki.de/documents/rki_fv/renGkGzAqwKc2/PDF/28oaKVmif0wDk.pdf
(13) Glyphosat und Krebs: Systematischer Regelbruch durch die Behörden, Peter Clausing; www.pan-germany.org
(14) ECHA, Rapporteur appointed by RAC: Christine Bjørge, Opinion of the Committee for Risk Assessment on a Dossier proposing harmonised Classification and Labelling at EU Level/glyphosate (ISO), 15 March 2017. https:echa.europa.eu/documents/10162/2d3a87cc-5ca1-31d6-8967-9f124f1ab7ae
(15) Portier, C. J., Letter to Jean Claude Juncker, President of the European Commission
28 May 2017. http:
www.gmwatch.org/files/Letter_Juncker_28_May_2017.pdf
(16) Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016; S.36, Tabelle links oben, aktueller Trend
http:edoc.rki.de/documents/rki_fv/renGkGzAqwKc2/PDF/28oaKVmif0wDk.pdf
(17) State of the science of endocrine disrupting chemicals – 2012, www.who.int
(18) Ein genauer Vergleich zu dem von der WHO in Zusammenhang mit Glyphosat als Ursache gebrachten Non-Hodgkin-Lymphom ist leider für Deutschland nicht möglich
(19) Non-Hodgkin lymphoma and occupational exposure to agricultural pestizide chemical groups and active ingredients, Shinasi L.; Leon ME; International Journal of Environmental Research and Public Health; 2014 Apr. 23; 11 (4): 4449-527. Siehe dort u. a. Table 5: der Wert von 0 % belegt eine hohe Konsistenz für einen Zusammenhang zwischen NHL-Subtyp B-Zell-Lymphom und Glyphosat.
(20) Die tatsächlichen Kosten müssten mindestens die Beseitigung von Glyphosat/GBH aus der Umwelt, die beeinträchtigte Bodenfruchtbarkeit, die ökologischen Schäden und Krankheitskosten durch die Gesundheitsschädigung berücksichtigen. Für hormonschädigende Substanzen in der EU hat Trasande eine Berechnung vorgelegt: Estimating Burden and Disease Costs of Exposure to Endocrine-Disrupting Chemicals in the European Union; The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism; 2015 April; 100 (4): 1245-1255
(21) State of the science of endocrine disrupting chemicals – 2012, S. 61(=89/289); www.who.int
(22)Endocrine disrupters and child health;
http:
apps.who.int/iris/bitstream/10665/75342/1/9789241503761_eng.pdf
(23)Male Reproductive Disorders and Fertility Trends: Influence of Environment and Genetic Susceptibility, Niels E. Skakkebaek et. al.; Physiological Reviews; Jan 2016; S. 55-97
(24) Atkinson, D., Unpublished Study, 1983
(25) Sugimoto, Unpublished Study, 1997
(26) Carcinogenicity Study with Glyphosate Technical in Swiss Albino Mice, Kumar, D.; Toxicology Department Rallis Research Centre, Rallis India Limited, Unpublished, 2001
(27) Wood, B., Unpublished, 2009
(28) Atkinson, D., 1983
(29) Sugimoto, Y., 1997
(30) A lifetime feeding study of glyphosate (Roundup technical) in rats, Lankas, G., Unpublished report, Bio/Dynamics, Inc., East Millstone, 1981
(31) A chronic feeding study of glyphosate (Roundup technical) in mice, Knezevich AL et al.; Unpublished Report, Bio/Dynamics, Inc., East Millstone, 1983
(32) Differences in the carcinogenic evaluation of glyphosate between the International Agency for Research on Cancer (IARC) and the European Food Safety Authority (EFSA), Christopher J Portier et. al.; Journal of Epidemiology and Community Health; 2016 Aug; 70 (8): 741-745
(33) Trends in glyphosate herbicide use in the United States and globally, Charles M. Benbrook; Environment Science Europe; (2016) 28:3
(34) Concerns over use of glyphosate-based herbicides and risks associated with exposures: a consensus statement, John Peterson Myers et. al.; Environmental Health (2016) 15: 19
(35) EDC-2: The Endocrine Society’s Second Scientific Statement on Endocrine-Disrupting Chemicals, A. C. Gore et. al.; Endocrine Reviews; (2015) Dec 36 (6)
(36) International Federation of Gynecology and Obstetrics opinon on reproductive health impacts of exposure to toxic environmental chemicals, Gian Carlo Di Renzo et. al.; International Journal of Gynecology & Obstetrics; Volume 131, Issue 3 (2015) Dec 219-225
(37) Project TENDR: Targeting Environmental Neuro-Developmental Risk. The TENDR Consensus Statement; Environ Health Perspect; DOI: 10.1289/EHP358
(38) Targeting Environmental Neurodevelopmental Risks to Protect Children, Deborah Hirtz et. al.; Pediatrics; Feb 2017, Volume 139/Issue 2

KASTEN

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt Tierversuche ab. Auch im Fall von Glyphosat haben diese sich als unzuverlässig erwiesen. Hätten die verantwortlichen Fachgremien sich bei der Beurteilung des Antiunkraut-Mittels auf epidemologische Studien gestützt, so wäre der Beweis für die Gefährlichkeit des Stoffes eindeutig ausgefallen. Nicht zuletzt wegen ihrer zweifelhaften Aussagekraft stellt sich die CBG gegen Experimente am „Tier-Modell“und setzt sich stattdessen für Alternativen wie etwa Tests mit menschlichen Zell-Kulturen ein.

[Ticker] Ticker 04/17

CBG Redaktion

ERSTE & DRITTE WELT

Mehr Freihandel mit Mexiko
1997 schloss die Europäische Union mit Mexiko ein Freihandelsabkommen ab, das ab dem Jahr 2000 sukzessive in Kraft trat. Seit Juni 2016 nun verhandeln beide Seiten über eine Aktualisierung der Vereinbarung. Die EU verfolgt dabei das Ziel, BAYER & Co. noch bessere Kapitalverwertungsmöglichkeiten in dem Land zu verschaffen. So drängen die Brüsseler UnterhändlerInnen den lateinamerikanischen Staat, das „Übereinkommen zum Schutz von Pflanzen-Züchtungen“ (UVOP) in der 1991er-Fassung anzuerkennen. Das hätte drastische Folgen für die dortigen LandwirtInnen. „Lässt sich Mexiko auf die EU-Forderung zur Umsetzung der UVOP-Version von 1991 ein, schränkt dies den freien Saatgut-Tausch noch mehr ein und bedroht die Vielfalt der mexikanischen Land-Sorten. Zugleich würden die Gewinn-Möglichkeiten für BAYER und MONSANTO steigen, wenn die Konkurrenz durch bäuerliche Züchtungen sinkt“, warnt Thomas Fritz in seiner vom FORSCHUNGS- UND DOKUMENTATIONSZENTRUM CHILE-LATEINAMERIKA gemeinsam mit MISEREOR und anderen Organisationen herausgegebenen Studie „Menschenrechte auf dem Abstellgleis“. Kritik an den UVOP-Bestimmungen hatten ihm zufolge auch die „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) und der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, geübt. Zudem will Brüssel den Konzernen die Gelegenheit bieten, Mexiko vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen, sollte es die Geschäftskreise der Unternehmen zu sehr stören. Während sich EU-Mitglieder wie Ungarn gegen die Aufnahme eines entsprechenden Passus in den Handelsvertrag aussprachen, hielt Deutschland ihn für absolut notwendig. „DEU hingegen betonte, dass es wichtig sei, den Investitionsschutz auf der Linie, wie er für TTIP und CETA erarbeitet wurde, auch für MEX zu verankern“, zitiert Fritz aus Unterlagen des Auswärtigen Amtes. Und damit nicht genug, arbeitet die Europäische Union auch daran, den Firmen den Zugriff auf die Bodenschätze des lateinamerikanischen Landes zu erleichtern.

POLITIK & EINFLUSS

EDC-Kriterien unzulänglich
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie FOLICUR (Wirkstoff: Tebuconazole), BETANAL (Lenacil), FENOMENAL (Fenamidon) oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassungsgesetze verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Charakterisierung der Pseudo-Hormone – sogenannter endokriner Disruptoren (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung, die nicht zuletzt dem Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. geschuldet waren, legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Nach weiteren Beratungen über die Vorlage stimmte der Pestizid-Ausschuss den Bestimmungen zur Identifizierung der EDCs zu. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gruppen kritisierten diese Entscheidung in einer gemeinsamen Stellungnahme scharf. Nach Meinung der Organisationen ist die Definition der Stoffe zu eng gefasst, was zu viele gefährliche Chemikalien aus dem Raster fallen lässt. Und schließlich verstößt der Pestizid-Ausschuss mit seinem Beschluss in den Augen des Bündnisses gegen das 7. Umweltprogramm der Europäischen Union, das eine Reduktion der Belastung von Mensch und Umwelt mit hormonellen Schadstoffen vorsieht. Aus all diesen Gründen richtete es einen Appell an die Brüsseler PolitikerInnen: „Jetzt liegt es am EU-Parlament, diese Krititerien abzulehnen.“

Billiger Strom für BAYER & Co.
Seit Jahren klagen die Konzerne über die Strom-Preise in der Bundesrepublik. „Die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohen Energie-Kosten gefährden Deutschlands Zukunft als Industrie-Standort“, warnt etwa der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup. Dabei zahlen die Unternehmen viel weniger als die Privat-Haushalte. Während diese im Jahr 2016 für die Kilowatt-Stunde durchschnittlich 6,71 Cent aufbringen mussten, schlug sie für BAYER & Co. nur mit 2,06 Cent zu Buche. Die Industrie profitiert nämlich von vielen Sonderregelungen. So gewährt ihnen der Staat einen Erlass bei der EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien. Auch werden sie bei den Netzentgelten sowie den Steuern für Energie und Strom bevorzugt. Zusätzlich profitieren besonders energie-intensive Betriebe wie BAYER von einem Spitzenausgleich. Belief sich der Geldwert der Vergünstigungen im Jahr 2005 noch auf „bloß“ 10,7 Milliarden Euro, so stieg er bis 2016 auf rund 17 Milliarden Euro, wie das FORUM ÖKOLOGISCH-SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT errechnete. 11,5 Milliarden davon finanzierten die NormalverbraucherInnen.

Betriebsrenten ohne Haftung
Das „Betriebsrenten-Stärkungsgesetz“ der Großen Koalition stärkt vor allem BAYER & Co. Fortan müssen die Unternehmen ihren Beschäftigten nämlich keine Garantie über die Mindesthöhe dieses Ruhegeldes mehr geben. Das Paragraphen-Werk spricht nur noch von einer „Ziel-Rente“ und nimmt den Firmen so das Haftungsrisiko. Zudem erhalten die Konzerne Zuschüsse aus Steuermitteln, wenn sie GeringverdienerInnen Betriebsrenten anbieten.

Wanka für Gen-Scheren
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka stimmt in den Chor all jener mit ein, die meinen, nur mit Hilfe von noch mehr Gentechnik seien alle Menschen auf dem Globus satt zu bekommen. So singt sie das Hohelied auf das wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen umstrittene Verfahren, mittels Gen-Scheren DNA-Stränge in das Erbgut von Pflanzen einzubauen. „Ein großer Fortschritt, um den Wettlauf mit dem Hunger, der noch immer die Menschheit in vielen Teilen der Welt bedroht, zu gewinnen“, urteilt die CDU-Politikerin über die Gentechnik 2.0. Dementsprechend spricht sie sich gegen allzu strenge Auflagen für die Methode aus, auf die auch BAYER stark setzt. Regeln für die neuen Züchtungstechniken müsse es zwar geben, so die Ministerin, „aber wir haben auch eine Verantwortung, Wissen weiterzuentwickeln. Dafür braucht es auf jeden Fall Experimentier-Räume, die wir uns nicht vorschnell verbauen sollten“.

Schulz bei BAYER
Selbst im Wahlkampf kommen die PolitikerInnen nicht am Leverkusener Multi vorbei. So machte der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dem Dormagener Chemie-„Park“, den die 60-prozentige BAYER-Tochter CURRENTA betreibt, seine Aufwartung. Dabei pries er – mit 30 JournalistInnen im Schlepptau – die „hervorragende Kooperation der Stadt mit der Industrie“. Auch bei der CURRENTA eckte der Sozialdemokrat nicht an. Es gab einen „guten Austausch über „Energie-Politik, Nachhaltigkeit und Industrie-Akzeptanz“, bekundete deren Chef Günter Hilken. Künftige Unbill versprach Schulz, so gut es geht von dem Standort fernzuhalten. Als Beispiel nannte er die Seveso-Richtlinie, die als Lehre aus der Chemie-Katastrophe von 1976 einen ausreichenden Abstand zwischen Industrie-Anlagen und anderen Gebäuden vorschreibt. Sie dürfe bei der Umsetzung in bundesdeutsches Recht nicht noch mit zusätzlichen Auflagen beschwert werden, forderte der Politiker mit Blick auf die Probleme, welche die EU-Richtlinie Dormagen bei der Stadtentwicklungspolitik im Allgemeinen und bei der Planung eines Fachmarkt-Zentrums im Besonderen bereitet.

BAYERs EU-Lobbying
1,95 Millionen Euro lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der Europäischen Union jährlich kosten. Das geht aus dem entsprechenden Eintrag im EU-Lobbyregister hervor. 15 Personen arbeiten im Brüsseler Verbindungsbüro des Konzerns. Neun von ihnen haben Zugangsberechtigungen zu den Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments. Schwerpunkte der Einfluss-Arbeit bildeten im Berichtszeitraum die Regulierung von Pestiziden und Pharma-Produkten sowie Themen, welche die Gesundheit von Menschen und Tieren betrafen. Darüber hinaus sitzen BAYER-VertreterInnen gemeinsam mit EU-ParlamentarierInnen in der „Land Use and Food Policy Intergroup“ und im „Knowledge for Innovation Forum“. Aber darauf beschränkt sich das Antichambrieren des Global Players bei der EU nicht. Er gehört nämlich den europäischen Industrie-Verbänden „Business Europe“, „European Chemical Industry Council“ (CEFIC), „European Federation of Pharmaceutical Industries Association“ (EFPIA) und „European Association for Biotechnologies“ (EuropaBio) an, die wiederum zahlreiche LobbyistInnen beschäftigen. Allein die CEFIC verfügt laut Register über einen Etat von 10,2 Millionen Euro. Die Initiative CORPORATE EUROPE OBSERVATORY schätzt den Betrag angesichts von 150 Beschäftigten sogar noch als weit höher ein und fordert generell eine Überprüfung der von den Unternehmen und Verbänden gemachten Angaben.

Neues Arzneimittel-Gesetz
Das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 schreibt für neue Medikamente eine Kosten/Nutzen-Prüfung vor. Wenn die Arzneien den Prozess erfolgreich durchlaufen, können die Hersteller mit den Krankenkassen einen Preis aushandeln. Dieser gilt allerdings nicht ab sofort, sondern erst nach zwölf Monaten. In der Zwischenzeit dürfen BAYER & Co. beliebig viel für die Pharmazeutika verlangen. Dies wollte jetzt das „Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz“ unterbinden. Nach dem Willen von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sollten für Präparate, die im ersten Jahr nach der Zulassung einen Umsatz von mehr als 250 Millionen Euro erzielen, die mit den Kassen vereinbarten Preise rückwirkend in Anschlag gebracht werden. „Mit der Einführung einer Umsatz-Schwelle sorgen wir dafür, dass die Patienten möglichst schnell mit neuen Arzneimitteln versorgt werden, die Preise für besonders hochpreisige neue Arzneimittel aber begrenzt sind“, sagte Gröhe bei der Präsentation des Gesetzes-Entwurfs. Im fertigen Paragrafen-Werk fehlte der entsprechende Passus dann allerdings. „Einen Kniefall vor der Pharma-Lobby“ nannte das der „Sozialverband Deutschland“ (SoVD). In einem anderen Punkt gelang es der Industrie allerdings nicht, sich durchzusetzen. Die Unternehmen hätten über die mit den VertreterInnen von DAK & Co. ausgemachte Erstattungshöhe für die Medikamente gerne den Mantel des Schweigens gelegt, damit Informationen über im Inland eventuell gewährten Rabatte geheim bleiben und im Ausland nicht die Preise verderben. Dies scheiterte jedoch am Widerstand der SPD.

PROPAGANDA & MEDIEN

Millionen für das Gesundheitswesen
Die 54 Unternehmen, die im von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ organisiert sind, pflegten die bundesdeutsche medizinische Landschaft im Jahr 2016 mit 562 Millionen Euro (2015: 575 Millionen). Keinen kleinen Teil davon brachte der Leverkusener Multi auf. Er investierte rund 41 Millionen Euro in MedizinerInnen, ärztliche Standesorganisationen, Selbsthilfegruppen, Institute, medizinische Fachgesellschaften und von Krankenhäusern betriebene Pharma-Forschung.

Neun Millionen für ÄrztInnen
Von den 41 Millionen Euro, die der BAYER-Konzern 2016 ins Gesundheitswesen pumpte (s. o.), erhielten ÄrztInnen rund 7,5 Millionen. Dabei zahlte er 1.424 von ihnen 3,23 Millionen an Honoraren z. B. für Vorträge und spendierte 4.699 Doctores Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von 2,8 Millionen Euro. Des Weiteren übernahm der Global Player für 2.135 von ihnen Kongress-Gebühren, was sich auf 800.000 Euro summierte, und erstattete 936 der Weißkittel sonstige Auslagen von ca. 600.000 Euro.

BAYER bedenkt Fachgesellschaften
Zu den Akteuren des Gesundheitswesens, die BAYER mit hohen Summen bedenkt (s. o.), gehören auch die medizinischen Fachgesellschaften. Und wenn sich die Tätigkeiten der Organisationen auf ein Gebiet erstrecken, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ im Jahr 2016 über 147.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese sicherlich bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate. Die „Deutsche Gesellschaft für Frauengesundheit“ sponserte er mit 34.000 Euro, um das Marktumfeld für seine Verhütungsmittel zu verbessern. Zur Umsatz-Steigerung seines risiko-reichen Gerinnungshemmers XARELTO indessen investierte der Pharma-Riese unter anderem 65.000 Euro in die „Deutsche Gesellschaft für Angiologie“, die sich Gefäß-Krankheiten widmet. Hinzu kamen 30.000 Euro für die „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“. Und den Absatz seiner Lungen-Arznei ADEMPAS förderte der Leverkusener Multi mit einem Scheck in Höhe von 52.900 Euro an die „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie“.

BAYER sponsert Kongresse
Die von den medizinischen Fachgesellschaften veranstalteten Kongresse und Tagungen bieten dem BAYER-Konzern ein wichtiges Forum, um für seine Pharmazeutika zu werben. Darum sponsert er die Meetings mit hohen Summen. So steuerte der Pillen-Riese zur jährlichen Zusammenkunft der „Deutschen Gesellschaft für Neurologie“ 219.000 Euro bei, braucht er doch dem Unternehmen gewogene NervenärztInnen, um mit BETAFERON, seinem Präparat zur Behandlung der Multiplen Sklerose, auch weiterhin gute Geschäfte machen zu können. Die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung“, die sich der Leverkusener Multi wegen seines Blutverdünners XARELTO warmhalten muss, erhielt für ihren Kongress 84.000 Euro. Und die „Deutsche Gesellschaft für Urologie“ strich für ihr Jahrestreffen 107.000 Euro ein, was dem Beliebtheitsgrad von XOFIGO, BAYERs Medikament zur Behandlung der Prostatakrebs-Art CRPC, nicht abträglich sein dürfte.

Schulfach „MIRENA“
Die „Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung“ (ÄGGF) betreibt laut Selbstauskunft „Gesundheitsförderung durch aufsuchende Prävention“. Auf der Website heißt es weiter: „Die ÄrztInnen der ÄGGF gehen in die Schulen, beantworten die Fragen der jungen Menschen und geben wichtige Informationen zu den Themen „Gesundheit“, „Sexualität“ und „Fruchtbarkeit“. An der Neutralität dieser Informationen bestehen jedoch gehörige Zweifel. Die Gesellschaft erhielt von BAYER nämlich für eine „pädagogische“ Maßnahme, die sich MIRENA und anderen Hormon-Spiralen des Konzerns mit dem Wirkstoff Levonorgestrel widmet, Geld. Der Transparenz-Bericht des Unternehmens führt eine entsprechende Zahlung zur Promotion der auch Intrauterin-Systeme genannten Medizin-Produkte auf. Demnach überwies der Leverkusener Multi der Einrichtung zum Verwendungszweck „Verhütung und LNG-IUS (Levonorgestrel Intrauterine System, Anm. Ticker) im Unterrichtsprogramm“ 93.000 Euro.

BAYER kooperiert mit Uni-Liga
Auch in den USA versucht der Leverkusener Multi, die naturwissenschaftlichen Fächer stärker im Bildungssystem zu verankern. Er braucht nämlich qualifizierten Nachwuchs für seine Labore. So vereinbarte BAYER eine Werbe-Kooperation mit der „Big Ten Conference“, der Universitätssport-Liga von zehn Hochschulen, um SportlerInnen und Fans mehr für die Wissensgebiete „Landwirtschaft“, „Medizin“ und „Pharmazie“ zu erwärmen.

Eisstockschießen mit JournalistInnen
Zur Pflege der Presse-Landschaft lädt das Wuppertaler BAYER-Werk JournalistInnen traditionell zu einem Neujahrsempfang ein. Diesmal arrangierte der Konzern ein Eisstockschießen mit anschließendem Hüttenabend, das der Zielgruppe offenbar gefallen hat. „Alles in allem ein spannender, kurzweiliger Abend in der Hako-Eishalle“, resümierte Die Stadtzeitung Wuppertal.

TIERE & VERSUCHE

125.585 Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2016 fanden bei BAYER 125.585 Tierversuche statt, 92 Prozent davon mit Ratten und Mäusen. Die Zahlen gehen damit etwas zurück. Im Jahr 2015 hatte der Leverkusener Multi noch 133.666 Experimente am „Tier-Modell“ unternommen.

TIERE & ARZNEIEN

Eier-Rückruf wg. Fipronil
Im Sommer 2017 machte ein neuer Lebensmittel-Skandal Schlagzeilen. Eier aus belgischen und niederländischen Lege-Batterien wiesen Spuren eines Wirkstoffs gegen Parasiten-Befall auf. Ein Desinfektionsmittel, das in Hühnerställen zum Einsatz kommt, war verbotenerweise mit der Substanz versetzt und löste so die Kontamination aus. In 45 Ländern kamen die verseuchten Eier in den Handel, allein in der Bundesrepublik belief sich die Zahl auf 10,7 Millionen Stück. Das machte gigantische Rückruf-Aktionen nötig. Das in Rede stehende Produkt – Fipronil – geriet 2002 durch den Erwerb von AVENTIS in den Besitz von BAYER. Die Wettbewerbsbehörden machten dem Leverkusener Multi jedoch zur Auflage, sich von der Chemikalie aus der Gruppe der Phenylpyrazole und anderen Stoffen zu trennen. So verkaufte der Konzern sie im Jahr 2003 an die BASF. Heutzutage vermarktet der Global Player das in der Europäischen Union nur noch für einige Anwendungen zugelassene Fipronil unter dem Namen REGENT hauptsächlich in Indien und China. Zudem bietet er den Stoff in der Veterinärmedizin als Mittel gegen Hunde und Katzen malträtierende Parasiten an. „Mit dem bewährten und gut verträglichen Wirkstoff Fipronil ist BOLFO® SPOT-ON sowohl für Kunden geeignet, deren Haustier unter einem Befall mit Flöhen oder Zecken leidet, als auch für Tierhalter, die ihren Vierbeiner künftig vorbeugend und effektiv vor den kleinen Blutsaugern schützen möchten“, textet BAYERs Werbeabteilung. Und noch ein zweites Pestizid fand sich in der DEGA-Desinfektionslösung: Amitraz. Auch diese befand sich einmal in der Produkt-Palette des Pillen-Riesen. 2005 veräußerte er die Agro-Chemikalie aber an die japanische ARYSTA LIFESCIENCE CORPORATION.

DRUGS & PILLS

Gefährliches Triclosan
Triclosan ist ein antibakteriell wirkender Stoff aus der Gruppe der polychlorierten Phenoxyphenole, der unter anderem in BAYERs FUNSOL-Spray gegen Fußpilz und -geruch enthalten ist. Er steht seit Längerem wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik. So kann die Substanz etwa die Muskeln schädigen. Nach den Forschungen von Isaac Pessah schränkt sie die Funktion zweier Proteine ein, die für die Kalzium-Versorgung der Muskelzellen sorgen (Ticker 4/12). Auch steht die Chemikalie in Verdacht, hormon-ähnliche Effekte hervorzurufen und so imstande zu sein, den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderzuwirbeln. Zudem besteht dem „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) zufolge die Möglichkeit, dass niedrig dosierte Triclosan-Produkte die Abwehrkraft von Krankheitserregern stärken und so die Wirksamkeit von Antibiotika mindern. Dieses Gefahren-Potenzial hat bereits zu einigen Reaktionen geführt. Nach einer Anordnung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA musste das Phenoxyphenol aus Seifen-Rezepturen verschwinden. Die EU indes verbot es bisher nur in Kosmetik-Artikeln wie Cremes und Lotionen, die länger mit der Haut in Kontakt kommen.

Endometriose-Fortschritte bei EVOTEC
Im Jahr 2010 brachte der Leverkusener Multi zur Behandlung der Endometriose, einer gutartigen Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut, VISANNE heraus – und stellte deshalb die Produktion der ebenfalls zur Therapie dieser Gesundheitsstörung geeigneten, aber viel preiswerteren Verhütungsmittel VALETTE und CHLORMADINON kurzerhand ein (Ticker 4/14). Daneben unterhält der Konzern noch mehrere Endometriose-Forschungskooperationen. So arbeitet er auf diesem Gebiet mit der Universität Oxford und mit dem Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC zusammen. Dieses entwickelte einen Wirkstoff-Kandidaten nun so weit, dass eine Klinische Prüfung der Phase 1 beginnen kann. Dafür zahlte BAYER der Firma fünf Millionen Euro.

Nierenschäden-Therapien mit EVOTEC
Nicht nur bei der Suche nach Endometriose-Therapien arbeitet BAYER mit dem Biotech-Unternehmen EVOTEC zusammen (s. o.). Der Pharma-Riese hat auch in Sachen „Nierenerkrankungen“ eine Kooperation mit der Hamburger Firma vereinbart. EVOTEC will für den Leverkusener Multi Pharmazeutika zur Behandlung chronischer Nierenschäden entwickeln und hofft, dafür auf Forschungserträge aus einem gemeinsamen Projekt mit der Harvard-Universität zurückgreifen zu können. Das Unternehmen, das zu mehreren Hochschulen solche Partnerschaften unterhält, bekommt vom Global Player 14 Millionen Euro für den Auftrag und hat darüber hinaus Aussicht auf erfolgsabhängige Zahlungen bis zu einer Höhe von 300 Millionen Euro.

AGRO & CHEMIE

Immer mehr Pestizide
Die bundesdeutschen LandwirtInnen bringen immer mehr Pestizide aus. Im Jahr 2015 landeten 123.203 Tonnen auf ihren Äckern – 5.460 Tonnen mehr als 2014. Zu den beliebtesten Mitteln gehörten dabei das von der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Glyphosat, das in BAYER-Produkten wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, sowie das erbgut-schädigende Mancozeb. Bis Ende 2016 hat auch der Leverkusener Multi diesen Wirkstoff vermarktet. Er verkaufte ihn in Kombination mit Propamocarb unter dem Namen TATTOO.

Kein Chlorpyrifos-Bann in den USA
Organophosphate entwickelten BAYER-Forscher im Zweiten Weltkrieg als chemische Kampfstoffe. Nach 1945 kamen die Nervengifte dann als Inhaltsstoffe von Pestiziden zum Einsatz – mit den entsprechenden Risiken und Nebenwirkungen. Chlorpyrifos zum Beispiel kann Schädigungen des Nervensystems, Atemwegsbeschwerden, Übelkeit, Schwindel, Krämpfe und Kopfschmerzen auslösen sowie zu Fehlbildungen bei Neugeborenen und Entwicklungsstörungen bei Kindern führen. Darum haben die Vereinigten Staaten im Jahr 2000 die Anwendung der Chemikalie im Haus- und Gartenbereich untersagt. AktivistInnen fordern jedoch bereits seit Langem ein Komplett-Verbot. Dieses hat Skott Pruitt, der seit dem Wahlsieg von Donald Trump die US-Umweltbehörde EPA leitet, jedoch vorerst abgelehnt. Einen endgültigen Beschluss über das Schicksal der Substanz, die der Leverkusener Multi unter den Produktnamen BLATTANEX, PROFICID und RIDDER vermarktet, kündigte er für 2022 an. Entscheidungshilfe dürfte dabei Andrew Liveris von DOW geleistet haben. Pruitt hatte sich nämlich vor der Verkündung des Votums mit dem Boss der Firma, die Chlorpyrifos entwickelt hat, getroffen.

Pestizide fördern Autismus
Agro-Chemikalien können das Entstehen von Autismus fördern. Das hat eine Studie des „UC Davis MIND Institute“ unter Leitung von Janie Shelton ergeben. Der Untersuchung zufolge steigt das Risiko von Frauen, die in der Nähe von Landwirtschaftsbetrieben leben, ein autistisches oder mit Entwicklungsstörungen belastetes Kind zu gebären, um zwei Drittel. Ein besonderes Gefährdungspotenzial geht nach Ansicht der WissenschaftlerInnen dabei von dem Organophosphat Chlorpyrifos (s. o.) aus, das auch BAYER im Angebot hat.

Viele Auslaufmodelle
Anfang 2015 hat die Europäische Union eine Liste mit 77 Pestiziden veröffentlicht, die wegen ihrer fatalen Effekte auf Mensch, Tier und Umwelt möglichst schnell durch weniger gefährliche ersetzt werden sollten. Unter den Substanzen, für welche die Hersteller wegen ihres besonderen Gefährdungspotenzials alle sieben und nicht wie sonst üblich alle zehn Jahre eine Neuzulassung beantragen müssen, befinden sich 13 Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich um Bifenthrin (Produktname: ALLECTUS), Carbendazim (DEROSAL), Cyproconazol (ALLO), Fenamiphos (NEMACUR), Fluopicolid (VOLARE), Glufosinat (LIBERTY), Mecoprop (LOREDO), Metsulfuronmethyl (STREAMLINE, ESCORT), Oxadiargyl (RAFT), Propoxycarbazone (ATTRIBUT), Tebuconazole (FOLICUR, NATIVO, PROVOST OPTI) und Thiacloprid (ALANTO, BARIARD, CALYPSO).

Unzulängliche Test-Verfahren
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben. Darum hat die EU diese beiden Produkte auch gemeinsam mit SYNGENTAs CRUISER vorläufig aus dem Verkehr gezogen. Eigentlich hätten die fatalen Effekte von GAUCHO & Co. schon während des Zulassungsverfahrens auffallen müssen, denn die Bienenverträglichkeit gehört zum Anforderungskatalog. Allerdings dauern die betreffenden Tests höchstens zehn Tage. Darum können sie keine Auskunft über die Langzeit-Wirkungen dieser Pestizide auf die Insekten geben. Bündnis 90/Die Grünen wollten in einer Kleinen Anfrage deshalb von der Bundesregierung wissen, ob sie hier auf Änderungen dränge. Aber Merkel & Co. antworteten ausweichend: „Die Entwicklung und Weiterentwicklung von Methoden und Verfahren zur Prüfung und Bewertung von Pflanzenschutzmitteln und ihrer Wirkstoffe erfolgt im internationalen Rahmen konsensual auf der Basis anerkannter Forschungsergebnisse. Hieran sind Wissenschaftler und Vertreter der zuständigen Behörden aus Deutschland intensiv beteiligt.“

GAUCHO & Co. wirken repro-toxisch
Näheren Aufschluss darüber, in welcher Weise BAYERs Pestizid PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin für eine Dezimierung der Bienenvölker sorgt (s. o.), erbrachte eine neue Studie, welche die Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte. Der Untersuchung von Lars Straub und anderen WissenschaftlerInnen zufolge verkürzen Clothianidin und das SYNGENTA-Neonicotinoid Thiamethoxam die Lebensdauer männlicher Bienen und beeinträchtigen Quantität und Qualität ihres Spermas.

Vertriebsdeal mit WEST CENTRAL
Der Leverkusener Multi hat in den USA einen Deal mit WEST CENTRAL DISTRIBUTION vereinbart. Das in Minnesota ansässige Unternehmen vertreibt künftig exklusiv eine Kombination aus BAYERs Saatgutbehandlungsmittel REDIGO 480 mit dem Wirkstoff Prothioconazol und TRILEX (Trifloxystrobin). Die Mittel sind für den Soja-Anbau bestimmt und sollen die Pflanzen mit vereinten Kräften vor Pilzen bewahren. Diese haben sich offenbar mittlerweile zu gut an die Einzel-Applikationen von REDIGO oder TRILEX gewöhnt.

GENE & KLONE

EU berät über Genmais-Anbau
Die EU berät zurzeit darüber, erstmals seit 1998 wieder Anbau-Genehmigungen für Gen-Pflanzen zu erteilen. Es stehen Entscheidungen über die Mais-Sorten „Bt11“ von SYNGENTA sowie „1507“ von PIONEER und DOW AGROSCIENCES an. Zudem befindet Brüssel über die Wiederzulassung von MONSANTOs MON810. „Bt11“ und „1507“ sind mit dem „Bacillus thuringiensis“ (Bt) bestückt, der Schadinsekten töten soll. Darüber hinaus hat sie ein gentechnischer Eingriff immun gegen Sprüh-Einsätze mit dem BAYER-Herbizid Glufosinat gemacht. Dieses Ackergift wirkt repro-toxisch, kann also die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und die Leibesfrucht schädigen. Überdies erweist es sich als chemisch sehr stabil, weshalb es lange im Boden verbleibt. Aus diesen Gründen will die Europäische Union das Mittel auch bis 2018 aus dem Verkehr ziehen, wogegen der Leverkusener Multi sich allerdings sträubt. „BAYER CROPSCIENCE ist davon überzeugt, dass es stichhaltige Argumente für die Erneuerung der Zulassung von Glufosinat-Ammonium gibt“, bekundet der Konzern und teilt mit, an einem Nachweis dafür zu arbeiten. Aber nicht nur wegen des Glufosinats, sondern auch wegen des Bts erweisen sich die Labor-Kreationen als problematisch. Der Bazillus steht nämlich in dringendem Verdacht, Allergien auszulösen und das Immunsystem zu schädigen. Darüber hinaus trotzen immer mehr Baumwollkapselbohrer, Baumwollkapseleulen, Kohlschaben, Aschgraue Höckereulen und „Busseola fusca“-Raupen der Substanz. All dies spricht eindeutig dagegen, europäischen LandwirtInnen die Erlaubnis zu erteilen, diese Pflanzen zu kultivieren.

Erfolgloser Anetumab-Test
BAYER setzt große Hoffnungen auf den Wirkstoff Anetumab Ravtansine. Investoren gegenüber, denen der Konzern nach XARELTO den nächsten Topseller aus der Entwicklungspipeline liefern muss, nennt er neben Finerenone stets Anetumab. Auf zwei Milliarden Euro Jahres-Umsatz beziffert das Unternehmen die möglichen Erträge. Die Arbeit an der Entwicklung der Substanz zur Serienreife begann vor fast zehn Jahren. 2008 erwarb der Konzern von IMMOGEN das Recht, eine spezielle Technologie zur Herstellung von Antikörpern nutzen zu können. MORPHOSYS bestimmte dann für den Leverkusener Multi den speziellen Antikörper zur Behandlung des Tumors Mesotheliom, der zumeist durch den Kontakt mit Asbest entsteht – und schon bei so einigen BAYER-Beschäftigten diagnostiziert wurde (Ticker 2/14). Das in Planegg ansässige Biotech-Unternehmen führte auch die klinischen Prüfungen mit dem Präparat durch. Ende Juli 2017 musste es allerdings das Versagen des Wirkstoffes in der Phase 2 der Tests bekanntgeben: Anetumab schaffte es nicht, das Krebs-Wachstum einzudämmen. Damit scheint sich die Skepsis einiger BeobachterInnen zu bestätigen, die den vollmundigen Versprechungen des Pharma-Riesen über die Wunder-Wirkungen des Pharmazeutikums nie so recht Glauben schenken mochten. „BAYER verbreitet eine gewisse Euphorie bezüglich (...) Anetumab, die ich im Moment nicht verstehen kann“, hatte etwa Markus Manns von UNION INVESTMENT GmbH mit Verweis auf die spärlichen Studien-Daten schon früh bemerkt. Der Global Player aber hält an dem Medikament fest. „Auf Basis der verfügbaren Daten planen wir weiterhin, die Wirksamkeit und Sicherheit von Anetumab Ravtansine in einer Reihe von Tumor-Arten mit hohem medizinischen Bedarf zu untersuchen“, erklärte er.

WASSER, BODEN & LUFT

NRW-Flüsse in schlechtem Zustand
Der BAYER-Konzern trägt wesentlich zum schlechten ökologischen Zustand der Gewässer in Nordrhein-Westfalen bei. So stammt dem „Bewirtschaftungsplan Nordrhein-Westfalen 2016-2021“ zufolge ein Großteil der Einträge von organischem Kohlenstoff aus Betrieben der chemischen Industrie. Mit 1.140 Tonnen war der Leverkusener Multi hier im letzten Jahr dabei. Auch den Temperatur-Haushalt der Flüsse bestimmt er wesentlich mit. Auf den haben Kühlwasser-Einleitungen – 300 Millionen Kubikmeter steuerte der Global Player dazu anno 2016 bei – nämlich den größten Einfluss. Diese heizen die Ströme auf und machen damit den Fischen das Leben schwer. Forellen beispielsweise gibt es im Rhein kaum noch. Schon bei einer Temperatur von über 11 Grad nämlich entschlüpft aus den Eiern der Weibchen kein Nachwuchs mehr. Mit seinen Agro-Chemikalien gefährdet der Leverkusener Multi die aquatischen Lebensräume ebenfalls. Der 2015 erstellte Bewirtschaftungsplan zählt die Pestizide von den Feldern der LandwirtInnen gemeinsam mit den Düngemitteln zu den bedeutendsten chemischen Belastungsquellen des Grundwassers im Gebiet des Rheins. Auch die extrem gesundheitsschädlichen Polychlorierte Biphenyle (PCB), zu deren Hauptanbietern BAYER bis zu ihrem vollständigen Verbot im Jahr 1989 gehörte, finden sich noch im Wasser. In der Sieg, der Niers, der Emscher und der Wupper überschritten die Konzentrationen im Zeitraum von 2009 bis 2011 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – an einigen Mess-Stellen sogar die Grenzwerte. Die Sieg hatte zudem (wie auch die Dhünn und die Emscher) mancherorts mit über den Limits liegenden Werten von Bisphenol A zu kämpfen, einer vom Konzern in rauhen Mengen produzierten Industrie-Chemikalie. Zusammengefasst weisen nur sechs Prozent der Fließ-Gewässer einen guten ökologischen Zustand auf. Einen guten chemischen Zustand haben laut Bewirtschaftungsplan 79 Prozent der Flüsse, aber nur 54 Prozent der Grundwasser-Körper Nordrhein-Westfalens.

Verletzung der Luft-Richtlinie
Die EU-Richtlinie 2001/81/EG verpflichtet die Mitgliedsländer, Maßnahmen zur Verbesserung der Luft-Qualität zu ergreifen. Nach einer Untersuchung der Europäischen Umwelt-Agentur EEA verfehlte die Bundesrepublik dabei als einziger Staat die Vorgaben gleich bei drei Stoffen: den flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs), den Stickstoffdioxiden und dem Ammoniak. So ersparte die Große Koalition der Industrie, ihre Emissionen senken zu müssen. Obwohl dies bitter nötig wäre: Allein die BAYER-Werke stießen im Jahr 2016 weltweit 1.120 Tonnen VOCs und 2.360 Tonnen Stickstoffdioxide (NOX) aus. In Tateinheit mit Frankreich, Spanien und anderen Nationen, die höhere Stickstoffdioxid-Werte als erlaubt nach Brüssel gemeldet hatten, bat die Bundesregierung die EU-Kommission deshalb in einem Schreiben um eine nachträgliche Genehmigung der Überschreitungen. Die Absender begründeten dies mit dem unerwartet hohen NOX-Ausstoß von Diesel-Autos, ohne näher auf die kriminellen Machenschaften von VW & Co. einzugehen. Das EUROPÄISCHE UMWELTBÜRO, CLIENTEARTH und andere Initiativen kritisierten die Regierungen dann auch scharf für ihren Versuch, sich die Luftverschmutzungen rückwirkend absegnen zu lassen.

PRODUKTION & SICHERHEIT

ADALAT-Rückruf
Die Pharma-Riesen verdienen das meiste Geld mit ihren neuen Präparaten, da sie für diese dank des Patentschutzes hohe Preise verlangen können. Das Geschäft mit den alten Pillen haben BAYER & Co. dagegen streng durchrationalisiert. Oftmals stellten die Multis die Wirkstoffe für die Allerweltsmedikamente gar nicht mehr selber her, sondern beauftragen dafür andere Firmen. Diese haben ihren Sitz oftmals in Indien oder China und fertigen die Substanzen, ohne Schutzmaßnahmen zu treffen, was massiven Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat (siehe SWB 4/17). Manche der Unternehmen versorgen die halbe Welt mit Arznei-Stoffen. Kommt es in ihren Werken einmal zu Zwischenfällen, hat das deshalb gleich für die Arzneien mehrerer Pillen-Anbieter Folgen. So musste im Februar 2017 der BAYER-Konzern einen Rückruf seiner ADALAT-Tabletten und HEXAL einen seiner NIFEHEXAL-Produkte starten, weil der Hersteller des Wirkstoffes Nifedipin beiden Kunden verunreinigte Chargen geliefert hatte.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Faulgase in Bergkamen
Im Bergkamener BAYER-Werk kam es am 15. Juli 2017 zur Bildung von Faulgasen. Die Kläranlage der Niederlassung war den vielen Niederschlägen nicht gewachsen, die sich im Rückhalte-Becken mit Hefe-Bakterien und anderen Produktionsrückständen aus der mikrobiologischen Abteilung vermischt hatten. Deshalb mussten die Beschäftigten und AnwohnerInnen über Tage hinweg verpestete, in der Nase stechende Luft einatmen. Immer wieder ereignen sich an dem Standort solche Störfälle. Die 2008 eingeleitete Sanierung hat bislang keine Abhilfe schaffen können. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für mächtigen Gestank. 2012 dann traten an einigen Leitungen Risse auf, durch die Abwässer sickerten und Duftmarken setzten. Deshalb entschloss sich der Global Player erneut zu Reparatur-Arbeiten. Aber auch das brachte nichts. Im Juni 2013 klagten die BergkamerInnen wieder über Geruchsbelästigungen, die überdies zu Gesundheitsstörungen wie Übelkeit und Kopfschmerzen führten. Knapp anderthalb Jahre später fiel schließlich die letzte Stufe der Abwasser-Reinigung aus. Und so dürften die Attacken auf die Riech-Nerven auch nach dem jüngsten Geschehnis ihre Fortsetzung finden.

Ammoniak-Austritt in Berkeley
Am 22.12.2016 ereignete sich am US-amerikanischen BAYER-Standort Berkeley ein Störfall, bei dem Ammoniak austrat. Es kam jedoch kein Belegschaftsmitglied mit dem giftigen Gas in Berührung, das der Leverkusener Multi in dem Werk als Kühlmittel einsetzt. Auch gelangte das Stickstoff/Wasserstoff-Gemisch angeblich nicht in die Umwelt.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER verkauft SERDEX
Der Leverkusener Multi hat seine Tochter-Firma SERDEX an die französische Aktien-Gesellschaft AIR LIQUIDE verkauft und vernichtete damit 40 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns. SERDEX hatte sich zum Ziel gesetzt, „weltweit als Spezialist für natürliche Inhaltsstoffe aus tropischen Pflanzen zu gelten, die in Arzneien, Kosmetika und Beauty-Produkten Anwendung finden“. Um das zu erreichen, schreckte das Unternehmen auch nicht davor zurück, sich in Afrika und anderswo als Biopirat zu betätigen (siehe SWB 2/11).

ÖKONOMIE & PROFIT

EZB kauft BAYER-Anleihen
Seit Juni 2016 erwirbt die von dem Italiener Mario Draghi geleitete Europäische Zentralbank (EZB) nicht nur Staats-, sondern auch Unternehmensanleihen. Bis Juni 2017 hat sie 92 Milliarden Euro in diese Anlage-Form investiert und sich dafür mit rund 950 Papieren von BAYER und anderen Konzernen eingedeckt. Damit trägt die EZB nicht nur gehörig zur Finanzierung der Multis bei, sie verändert zugleich auch noch die Konditionen auf den Finanzmärkten zugunsten der großen Firmen. Die immense Nachfrage aus Frankfurt senkt nämlich die Zinsen, welche die Global Player den KäuferInnen der Anleihen zahlen müssen. Manche Industrie-Betriebe können sogar schon Negativ-Zinsen berechnen. Zudem übt die Zentralbank mit ihren Ankäufen Druck auf die Banken aus, BAYER & Co. Kredite zu günstigeren Bedingungen zu gewähren. Als „Draghis Milliardenspritze für die Mächtigen“ beschrieb Der Spiegel das EZB-Programm deshalb. Mittelständische Unternehmen, die sich durch das Ankauf-Programm benachteiligt fühlen, zogen bereits vor das Bundesverfassungsgericht.

Wem gehört BAYER?
Aktuell besitzt der Finanz-Investor BLACKROCK mit rund 6,8 Prozent die meisten BAYER-Anteile. Es folgen die COMMERZBANK mit 3,4 Prozent, die Investment-Gesellschaft CAPITAL GROUP mit rund 2,9 Prozent und die Schweizer UBS-Bank mit 2,65 Prozent.

RECHT & UNBILLIG

BAYER gewinnt Patent-Prozess
In Australien hatte BAYER das Unternehmen GENERIC HEALTH verklagt. Der Pharma-Riese warf der Firma vor, mit ihrem Verhütungsmittel ISABELLE das Patent des konzern-eigenen Präparats YASMIN verletzt zu haben, das seit einiger Zeit wegen seiner gefährlichen Nebenwirkungen in der Kritik steht. Ende März 2017 bekam der Leverkusener Multi Recht zugesprochen. Die RichterInnen verurteilten GENERIC HEALTH zu einer Straf-Zahlung in Höhe von 30 Millionen Dollar.

Strafe wg. irreführender Werbung
„BAYER duldet keine Gesetzes-Verstöße bei der Vermarktung seiner Produkte. Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“, heißt es in einem Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Dennoch überschreitet er immer wieder die Grenzen des Erlaubten. So verurteilte der Bundesstaat Massachusetts den Konzern wegen unzulässiger Aussagen in der Werbung für seine Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie PONCHO und GAUCHO (siehe auch AGRO & CHEMIE) zu einer Zahlung von 75.000 Dollar. „BAYER machte den Konsumenten gegenüber zahlreiche irreführende Angaben über die Sicherheit seiner Pestizide, inklusive der Behauptung, dass sie in den Pflanzen wie Vitamine wirken würden, während sie realiter hochgradig giftig für Honigbienen, weitere Befruchter und andere Tiere sind sowie die Umwelt schädigen“, sagte die Staatsanwaltin Maura Healey zur Begründung. Der Global Player hingegen war sich keiner Schuld bewusst und bezeichnete seine Reklame als „angemessen und transparent“.

FORSCHUNG & LEHRE

Kooperation mit „Cancer Research UK“
Der Leverkusener Multi unterhält über 800 Kooperationen mit Hochschulen und außer-universitären Einrichtungen zur Entwicklung neuer Produkte. Ca. 20 Prozent seines Forschungsetats investiert er in solche Projekte. So arbeitet der Pharma-Riese in Großbritannien mit dem „Cancer Research UK“ zusammen. Gemeinsam mit der staatlichen Einrichtung will der Konzern unter anderem neue Pharmazeutika auf den Gebieten der Stammzellen- und der Immun-Therapie entwickeln. Rund 200.000 Pfund investiert er dafür.

Zugriff auf PatientInnen-Daten
Gemeinsam mit der „American Heart Association“ (AHA) schreibt der Leverkusener Multi jeweils mit 150.000 Dollar dotierte Forschungsprojekte zu Durchblutungsstörungen im Gehirn, chronischem Nierenleiden und Herz-Erkrankungen aus. Von den ausgewählten WissenschaftlerInnen erwartet der Konzern, individualisierte Therapie-Formen zu entwickeln. Dafür erhalten sie Zugriff auf den riesigen Fundus an PatientInnen-Daten, über den die „American Heart Association“ verfügt. Fragen nach dem Datenschutz stellten sich BAYER und dem AHA dabei offensichtlich nicht.

[Editorial] STICHWORT BAYER 01/2017

CBG Redaktion

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Die von BAYER avisierte MONSANTO-Übernahme, zu der die AktionärInnen des US-Unternehmens am 13. Dezember kurz vor dem Redaktionsschluss von Stichwort BAYER ihren Segen gegeben haben, hält uns immer noch in Atem. Aber es gibt dazu auch Erfreuliches zu vermelden. Bei dem „Betriebsausflug“ der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nach Den Haag zum MONSANTO-Tribunal und zur angegliederten People’s Assembly gelang es uns, viele Initiativen und Einzelpersonen als Mitstreiter gegen den Mega-Deal zu finden. Das SWB war natürlich mit vor Ort und berichtet gleich in doppelter Ausführung aus Holland.
Und während unser Karikaturist Berndt Skott sich in diesem Heft noch zeichnerisch von unserem alten Geschäftsführer Philipp Mimkes verabschiedet, kann die Redaktion zum ersten Mal seinen Nachfolger Toni Michelmann als Autoren präsentieren. Aus gegebenem Anlass widmet sich der Chemiker dem neuen US-Präsidenten Donald Trump. Der Leverkusener Multi hatte nämlich bei seiner Wahlkampf-Unterstützung ganz auf die Republikaner gesetzt und aus dem dafür bereitgestellten und mit 555.500 Dollar gefüllten Topf zu 80 Prozent KandidatInnen dieser Partei bedacht.
Auch auf anderen Kontinenten verfolgt der Konzern seine Geschäftsinteressen gnadenlos. In Afrika und Asien versteht er es dabei sogar noch, das als Entwicklungshilfe auszugeben. Gemeinsam mit dem „Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung“ betreibt er dort Landwirtschaftsprojekte, die ihm lediglich als Türöffner dazu dienen, seinen Pestiziden neue Märkte zu erschließen. Oxfam hat sich einige dieser Vorhaben für diese Ausgabe einmal etwas genauer angeschaut.
Im Gegensatz zu Oxfam hält der Agro-Riese seine Pestizide für unbedenklich. Sachgemäß angewandt, könnten sie der Gesundheit nicht schaden, betont er bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. Das entsprechende Sicherheitsprofil erstellt BAYER auf der Basis von Tierversuchen. Wie viele Unsicherheitsfaktoren das birgt, erläutert für das SWB Lars Neumeister, der unter anderem GREENPEACE, den BUND und den WWF wissenschaftlich berät.
Aber der Global Player unternimmt nicht nur Tier-, sondern auch Menschenversuche. Und bis in die 1970er Jahre hinein fanden in bundesdeutschen Kinderheimen und Jugend-Psychiatrien Tests mit Psychopharmaka des Unternehmens statt. Wir schlagen in dieser Nummer die Akten des Landeskrankenhauses Schleswig auf. Schließlich wäre da noch die unendliche Dhünnaue-Geschichte. Die Bezirksregierung Köln fügte der Auseinandersetzung um BAYERs Giftmüll-Deponie im November 2016 ein weiteres Kapitel zu. Sie gab grünes Licht für den Ausbau der Autobahn A1 nebst neuer Brücke, obwohl der „Landesbetrieb Straßenbau NRW“ dafür das Chemie-Grab öffnen muss.
Also wieder viel Lesestoff bis zur letzten Seite – buchstäblich. Diese möchte ich Ihnen besonders ans Herz legen. Dort setzt sich nämlich der bekannte Liedermacher Konstantin Wecker für die CBG ein und bittet darum, unser Netzwerk finanziell zu unterstützen, denn es warten im Jahr 2017 so einige große Aufgaben auf uns. So planen wir etwa, die nächsten BAYER-Hauptversammlung am 28. April zu einem Forum für die internationalen Proteste gegen die MONSANTO-Übernahme zu machen und dazu auch die nächste People’s Assembly nach Köln zu holen. Dazu demnächst mehr, jetzt aber erst einmal eine anregende Lektüre wünscht

[Tierversuche] STICHWORT BAYER 01/2017

CBG Redaktion

Tiere & Versuche

Unsicherheitsfaktor Tierversuche

Von Menschen und Mäusen

In der Diskussion um Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln wird oft angeführt, dass die Rückstandshöchstgehalte (RHG) „extra sicher“ wären. Eine beliebte Begründung: hohe „Sicherheitsfaktoren“ bei der Ableitung der aus Tierversuchen gewonnenen toxikologischen Grenzwerte. Diese Argumentation zeugt von einer Verkennung der Sachlage.

Von Lars Neumeister

Um die Giftigkeit eines Pestizids oder anderer Schadstoffe für den Menschen zu beurteilen, werden in der Regel immer noch viele Tierversuche gemacht. Dabei werden gesunde Labortiere einem einzelnen Stoff unter kontrollierten Bedingungen ausgesetzt und bestimmte Effekte und die Effektschwellen1 beobachtet. Aus diesen Beobachtungen2 werden dann toxikologische Grenzwerte, wie ADI/TDI oder ARfD abgeleitet.
Die Übertragung von Ergebnissen von Experimenten mit gesunden Labortieren zum Menschen in all seiner Vielfalt (Gesunde, Kranke, Gestresste, Alte, Junge, Föten usw.) ist aber sehr schwierig. Deswegen hat man in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts pauschal Faktoren3 eingeführt, die Unterschiede und Unwissen irgendwie berücksichtigen sollen:

1. Da man nicht sicher weiß, wie empfindlich ein Mensch im Vergleich zum Versuchstier ist, hat man einen Sicherheitsfaktor von 10 eingeführt.
2. Man geht pauschal davon aus, dass es innerhalb der menschlichen Bevölkerung Unterschiede in der Empfindlichkeit von maximal 10 geben kann – daraus leitet sich ein nochmaliger Faktor von 10 ab.
3. Ein zusätzlicher Faktor in beliebiger Höhe kann angewendet werden, wenn die Behörden wegen ungenügender Datenlage (z. B. fehlende Tests) zu wenig über die Giftigkeit eines Stoffes wissen.

Diese Unsicherheitsfaktoren wurden erfunden, weil man es in den 1950er Jahren nicht besser wusste. Sie sind also eher Unwissenheitsfaktoren. In der wissenschaftlichen Literatur werden sie dementsprechend häufig und richtig „uncertainty factors (UF)“ genannt4,5,6, und auch die US-amerikanische Umweltbehörde EPA verwendet fast ausschließlich diesen Begriff. Deshalb heißt es z. B in der IRIS Datenbank konsequent „UF“. Würden gesunde, standardisierte Labortiere die gleiche Empfindlichkeit gegenüber einem Stoff haben, wie z. B. ein unter Medikamenten stehender Kranker, ein sich entwickelnder Fötus usw., dann könnte man von „Sicherheitsfaktoren“ reden. Die gegenwärtigen Unsicherheitsfaktoren decken aber nicht einmal die spezielle Empfindlichkeit von Neugeborenen, Alten und Kinder ab (Dorne 20077; Dorne 20108). Sie spiegeln auch nicht ausreichend die Unterschiede zwischen den Arten wieder (Bokkers & Slob 20079).

Nicht alle Ratten sind gleich
Nicht einmal innerhalb einer Art kann man die Variabilität der Empfindlichkeit auf einen Faktor von 10 beschränken. Hier einige Beispiele:

1. Bei Fütterungsversuchen mit zwei verschiedenen Rattentypen (Fischer-Ratten10 und Sprague-Dawley-Ratten) wurde der gleiche Effekt einmal bei 20mg/kg pro Tag und einmal bei etwa 1600 mg/kg pro Tag beobachtet. Die Empfindlichkeit der Fischer-Ratten war in diesem Fall 800-mal höher als die der Sprague-Dawley-Ratten. Die gleichen Autoren führten ebenfalls Versuche mit Frauen durch und leiteten daraus einen weiteren „uncertainty factor“ von 200 für die Empfindlichkeit des Menschen ab (Boogaard et al 2012)11.
2. Wie unterschiedlich empfindlich verschiedene Rattentypen sein können, zeigt auch ein Infektionsversuch an fünf Rattentypen. Einer der Rattentypen hatte nach dem Versuch über 1000 Zysten im Gehirn, die anderen vier hatten gar keine (Gao et al. 2015)12.
3. Hermsen et al. (2015)13 untersuchten die genetische Struktur von 40 unterschiedlichen Laborratten-Typen und fanden allein zwischen den verschiedenen Varianten der Laborratten eine starke Variabilität. Wie stark die Variabilität ist, lässt sich aus dem Artikel allein allerdings nicht ableiten.

Selbst zwischen nah verwandten Arten kann es erhebliche Unterschiede geben, die Unsicherheitsfaktoren von 10 nicht berücksichtigen können. Bei Studien zur möglichen Schädigung des Immunsystems durch Pestizide hat die EPA z. B. festgestellt, dass ein Fungizid (Cyflufenamide) zwar das Immunsystem von Ratten, nicht aber das von Mäusen unterdrückt. Bei einem anderen Fungizid (Penthiopyrad) war es genau umgekehrt (US EPA 201314). Die gleiche Untersuchung zeigte für einige Pestizide auch erhebliche Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Tieren. Die Effektschwellen waren je nach Geschlecht 4-6 Mal höher bzw. niedriger (ebenda).

Menschen reagieren anders
Insgesamt ist die Übertragung der Ergebnisse von Tierversuchen auf den Menschen mit vielen Unsicherheiten behaftet. Eine vergleichende Studie der Pharmaindustrie zeigte, dass bei 30 Prozent der Untersuchungen (verglichen wurden Experimente mit 150 Medikamenten) zwar Symptome beim Menschen festgestellt wurden, aber keine bei Tieren (Olson et al. 200015). Am schlechtesten stimmten die Ergebnisse zwischen Tier- und Menschenversuchen bei Effekten an der Haut, dem Hormonsystem und dem Leber-Galle-Trakt überein (Dourson et al. 200116).
Unsicherheitsfaktoren, die berücksichtigen, dass der moderne Mensch täglich unzähligen Chemikalien gleichzeitig ausgesetzt ist, fehlen ganz und gar. Sehr viele Stoffe, denen wir ausgesetzt sind, wirken sehr ähnlich (siehe u. a. EFSA 201317), und diese Realität wird in der heutigen Risikobewertung komplett ausgeblendet. Bei der Bewertung der Pestizid-Rückstände für die Smartphone-App „Essen ohne Chemie“ wird dies aber berücksichtigt.
In meinem Artikel „Warum nicht gleich würfeln? – Über die Festlegung von Höchstgehalten von Pestiziden im Essen“ beschreibe ich, dass Rückstandshöchstgehalte (RHG) für Pestizide keiner Sicherheitsbewertung unterliegen. Die Risiko-Bewertung betrachtet einen willkürlich gewählten Rückstand, der im Schnitt 7-mal unter der gesetzlich erlaubten Menge im Essen liegt. Das ist so, als wenn man ein Fahrzeug für eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h zuließe, den Crash-Test aber mit 10 km/h machen würde. Für Pestizid-Rückstandshöchstgehalte bedeutet das mathematisch nichts weiter, als dass sich einer der vermeintlichen Sicherheitsfaktoren fast wieder aufhebt.
Zusammenfassend kann man sagen: Der gegenwärtige angewandte Unsicherheitsfaktor von 100 (10 x 10) wurde schon vor über 60 Jahren entwickelt (Dorne & Renwick 2005)18 und seitdem nicht mehr verändert. Er stellt eine politische Vereinbarung dar. Keine Sicherheit.

Zum Autor: Lars Neumeister betreibt den Blog „Essen ohne Chemie“, hat die Ratgeber-App „Essen ohne Chemie“ entwickelt und arbeitet selbstständig für Organisationen wie GREENPEACE, BUND, WWF und andere.

Fußnoten und Quellen
1 z. B. der „no observed adverse effect level“ (NOAEL) und der „lowest observed adverse effect level“ (LOAEL)
2 In den USA oder auf internationaler Ebene (z. B. Codex Alimentarius Commission) werden auch Daten aus Versuchen mit Menschen verwendet. Die EU akzeptiert solche Daten nicht.
3 Mathematisch gesehen handelt es sich nicht um einen Faktor, sondern um einen Divisor: der „no observed adverse effect level“ (NOAEL) wird durch 10 geteilt.
4 z. B. Gürtler R (2010): Safety of food additives from a German and European point of view. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 53(6):554-60. doi: 10.1007/s00103-010-1073-4.
5 Dorne JL (2010): Metabolism, variability and risk assessment. Toxicology 268(3):156-64. doi: 10.1016/j.tox.2009.11.004.
6 Raffaele KC & Rees C (1990): Neurotoxicology dose/response assessment for several cholinesterase inhibitors: use of uncertainty factors. Neurotoxicology 11(2):237-56
7 Dorne JL (2007): Human variability in hepatic and renal elimination: implications for risk assessment. Journal of Applied Toxicology (2007): 27(5):411-20
8 Dorne JL (2010): Metabolism, variability and risk assessment. Toxicology 268(3):156-64. doi: 10.1016/j.tox.2009.11.004.
9 Bokkers BG & Slob W (2007): Deriving a data-based interspecies assessment factor using the NOAEL and the benchmark dose approach. Critical Review of Toxicology 37(5):355-73.
10 Der volle Name ist „Fischer 344 Ratten“.
11 Boogaard PJ, Goyak KO, Biles RW, van Stee LL, Miller MS, & Miller MJ (2012): Comparative toxicokinetics of low-viscosity mineral oil in Fischer 344 rats, Sprague-Dawley rats, and humans–implications for an Acceptable Daily Intake (ADI). Regulatory Toxicology and Pharmacology, 63(1), 69-77.
12 Gao JM, Yi S, Wu MS, Geng GQ, Shen JL, Lu FL, Hide G, Lai DH, Lun ZR (2015): Investigation of infectivity of neonates and adults from different rat strains to Toxoplasma gondii Prugniaud shows both variation which correlates with iNOS and Arginase-1 activity and increased susceptibility of neonates to infection. Experimental Parasitology 149:47-53. doi: 10.1016/j.exppara.2014.12.008.
13 Hermsen R, de Ligt J. Spee W, Blokzijl F, Schäfer S, Adami E, Cuppen E (2015): Genomic landscape of rat strain and substrain variation. BMC Genomics, 16(1), 357. doi:10.1186/s12864-015-1594-1 Open Access Artikel
14 US EPA (2013): A Retrospective analysis of immunotoxicity studies (870.7800). Office of Pesticide Programs, U.S. Environmental Protection Agency (US EPA).
15 Olson H, Betton G, Robinson D, Thomas K, Monro A, Kolaja G, Lilly P, Sanders J, Sipes G, Bracken W, Dorato M, Van Deun K, Smith P, Berger B & Heller A (2000): Concordance of the toxicity of pharmaceuticals in humans and in animals. Regul. Toxicol. Pharmacol. 32, 56–67.
16 Dourson ML, Andersen ME, Erdreich LS & MacGregor JA (2001): Using human data to protect the public’s health. Regul Toxicol Pharmacol. 33(2):234-56.
17 EFSA (2014b): Scientific Opinion on the identification of pesticides to be included in cumulative assessment groups on the basis of their toxicological profile (2014 update). EFSA Journal 11(7):3293, 131 pp. doi:10.2903/j.efsa.2013.3293
18 Dorne JL & Renwick AG (2005): The refinement of uncertainty/safety factors in risk assessment by the incorporation of data on toxicokinetic variability in humans. Toxicololgical Science 86(1):20-6. Open Access Artikel

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2017

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG-Jahrestagung 2016
Aus gegebenem Anlass widmete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre diesjährige Jahrestagung dem Thema: „BAYER/MONSANTO – Tod auf den Äckern, Gifte im Essen“. Zu Beginn referierte Uli Müller von LobbyControl über die vielfältigen Möglichkeiten der Agro-Riesen., Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP, das die EU und die USA zurzeit verhandeln, hatten die Konzerne Müller zufolge „auf beiden Seiten die Finger im Spiel“. Über ihre Lobby-Organisationen wie die „European Crop Protection Association“ oder „Croplife America“ versuchten die Multis beiderseits des Atlantiks, niedrigere Auflagen für Pestizide und Gen-Pflanzen durchzudrücken. Und Brüssel diente sich ihnen dabei zu allem Übel auch noch als williger Helfer an. Dies belegte der Politikwissenschaftler mit Zitaten aus Briefwechseln. So erbat die Europäische Kommission von BAYER & Co. etwa Informationen darüber, „wie wir die Rahmenbedingungen für die Industrie verbessern können“. Der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold widmete sich anschließend dem Agrar-Markt der EU. Am Beispiel einer Studie über Saatgut zeichnete er die Entwicklung zu einer immer größeren Konzentration der Anbieter nach, die mit den angekündigten Zusammenschlüssen von BAYER/MONSANTO, DOW/DUPONT und SYNGENTA/CHEMCHINA einem vorläufigen Höhepunkt zustrebt. Die bei der Europäischen Kommission für die Prüfung der Deals verantwortliche Wettbewerbskommissarin Margrethe Verstager versicherte dem einstigen ATTAC-Aktivisten, die Untersuchung werde bei dem Verfahren eine Rolle spielen. Giegold setzt auf solche Einflussmöglichkeiten und plädierte im Übrigen für eine Arbeitsteilung zwischen parlamentarischen und außerparlamentarischen Initiativen: „Den Lärm müsst ihr machen.“ Dazu erklärte sich der neue CBG-Geschäftsführer Toni Michelmann zu Beginn seines Vortrags auch gerne bereit. Mit dem Bekenntnis: „Ich bin zum Krawall machen hier“ begann er seinen Vortrag. Dann skizzierte er die ungeheure Macht des Leverkusener Unternehmens und gab ein Bild davon, was der Menschheit blüht, wenn es dem Global Player gelingen sollte, sich MONSANTO einzuverleiben: Eine durch Glyphosat & Co. vergiftete Welt mit grünen Wüsten, auf denen nichts mehr kreucht und fleucht. Der Chemiker zeigte sich jedoch guter Hoffnung, dass es nicht so weit kommt. Er berichtete vom Den Haager MONSANTO-Tribunal und der angegliederten People’s Assembly, wo die CBG viele Kontakte knüpfte und zur nächsten BAYER-Hauptversammlung bereits konkrete Aktionen gegen die „Hochzeit des Todes“ verabredete. Und so traten die rund 60 BesucherInnen der CBG-Jahrestagung ihre Heimreise am Abend dann in dem Bewusstsein an, dem Monopoly-Spiel der Agro-Riesen nicht hilflos ausgeliefert zu sein.

ForscherInnen für GAUCHO-Stopp
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben. Die EU hat einige dieser Agrochemikalien deshalb schon mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Vielen WissenschaftlerInnen reicht dies jedoch nicht aus. In einer „Resolution zum Schutz der mitteleuropäischen Insektenfauna, insbesondere der Wildbienen“ fordern 77 BiologInnen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) deshalb auf, „ein vollständiges Verbot von Neonicotinoiden, mindestens aber ein vollständiges, ausnahmsloses Moratorium für ihren Einsatz bis zum wissenschaftlich sauberen Nachweis ihrer Umweltverträglichkeit“ zu erlassen. Zudem verlangen die ForscherInnen in dem Schriftstück Maßnahmen zur Erhöhung der Strukturvielfalt von Kulturlandschaften und ein Insekten-Langzeitmonitoring.

Aktion bei BAYER in Belgien
Am 4. November 2016 schlug am BAYER-Sitz im belgischen Diegem die Natur zurück. Verkleidet in Tier-Kostüme, statteten AktivistInnen der Initiative EZLN der Niederlassung des Leverkusener Multis einen Besuch ab und gestalteten die Eingangshalle mit etwas Laub, Erde und Geäst um. Zudem brachten die EZLNlerInnen ein Transparent mit der Aufschrift „BAYER-MONSANTO – TTIP kills life“ an. Damit protestierten sie gegen das zwischen der EU und den USA geplante Freihandelsabkommen, das niedrigere Standards bei der Regulierung von Pestiziden, hormon-wirksamen Substanzen und anderen Stoffen vorsieht und aus eben diesen Gründen von den Konzernen mit aller Lobby-Macht vorangetrieben wird. „Es ist dringend nötig, die Einflussnahme des Privatsektors auf die Politik zu stoppen“, erklärte die Organisation, dabei nicht nur auf TTIP, sondern auch auf die Obstruktion des Klimaschutzes verweisend.

Petition gegen Hormon-Gifte
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinander wirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie RUNNER, PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassung verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Definition der Pseudo-Hormone – sogenannter „endokriner Disruptoren“ (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Die Bestimmungen kehren jedoch die Beweislast um und fordern eindeutige Belege für die gesundheitsschädliche Wirkung der EDCs; ein plausibler Verdacht reicht Juncker & Co. nicht aus. Da dies nicht dem Vorsorge-Prinzip entspricht, hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK die Online-Petition „Gesundheit geht vor – Hormon-Gifte stoppen“ initiiert, welche der BUND, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und zahlreiche andere Initiativen mittragen. So konnte das Bündnis der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am 30.11.2016 rund 100.000 Unterschriften übergeben.

Petition gegen CIPROBAY & Co.
BAYERs CIPROBAY hat ebenso wie andere Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Am häufigsten treten Gesundheitsstörungen im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen oder des Nervensystems auf. Aber auch Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten und Leber- oder Nierenversagen zählen zu den Risiken. Bundesdeutsche Geschädigte haben nun auf der „We act“-Plattform des Aktionsnetzwerks CAMPACT eine Petition veröffentlicht. Darin fordern sie das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) und die europäische Arzneimittel-Behörde EMA auf, mehr Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Sie verlangen von den Institutionen, den Einsatz der zu den Reserve-Antibiotika zählenden Mittel auf lebensbedrohliche Situationen zu beschränken. BAYER & Co. müssten zudem zum Anbringen eines Warn-Symbols auf den Packungen und zu Unverträglichkeitstests vor dem Verschreiben der Arzneien gezwungen werden, so die AktivistInnen. Anfang Oktober 2016 hatten schon über 2.000 Personen die Petition unterschrieben.

KAPITAL & ARBEIT

Entlassungen in Mission Bay
BAYER stellt am Standort Mission Bay nahe San Francisco die Forschungen zu Blut- und Augenkrankheiten ein und streicht die Stellen der WissenschaftlerInnen, die auf diesen Gebieten gearbeitet haben.

Werksfeuerwehr-Leute bessergestellt
Seit Jahren kämpft die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE um eine Besserstellung der Beschäftigten bei den Werksfeuerwehren. Schon im Jahr 2014 kam es in der Sache zu einer Protest-Veranstaltung vor dem BAYER-Casino. Aber die Chemie-Industrie schaltete immer auf stur. Darum musste sich eine höhere Instanz damit befassen: Zum ersten Mal seit 20 Jahren traten die „Tarifpartner“ der Branche in ein Schlichtungsverfahren ein. Und erst im Zuge dieses Prozederes zeigten sich BAYER & Co. zu Zugeständnissen bereit. Sie garantieren nun den Feuerwehr-Leuten – allein bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA arbeiten rund 360 – Ersatz-Arbeitsplätze, wenn diese aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein sollten, die anspruchsvolle Tätigkeit auszuüben. Auch Zuschläge für Nacht-Einsätze und sonntägliche Dienste zahlen die Unternehmen jetzt.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Arzneitests in Kinderheimen
Ausgehend von den Recherchen der Pharmazeutin Sylvia Wagner machen seit einiger Zeit Meldungen über Arznei-Tests in Kinderheimen und Jugend-Psychiatrien Schlagzeilen, die zwischen den 1950er und 1970er Jahren stattfanden. Ende November 2016 stießen ReporterInnen des NDR auf Unterlagen des Landeskrankenhauses Schleswig, die Versuche auch mit BAYER-Medikamenten dokumentieren (siehe auch SWB 1/17). So erprobten MedizinerInnen der jugendpsychiatrischen Abteilung zwei Pharmazeutika des Pillen-Riesen, ohne dafür eine Einwilligung der ProbandInnen oder ihrer Erziehungsberechtigten eingeholt zu haben. Das Neuroleptikum MEGAPHEN mit dem Wirkstoff Chlorpromazin testeten die ÄrztInnen als Therapeutikum gegen zu „zappelige“ SchülerInnen. 23 „anstaltsgebundenen Sonderschul-Kindern“ verabreichten sie es. Das Neuroleptikum AOLEPT mussten sogar 141 Kinder und Jugendliche schlucken. Dabei zeigten sich gravierende Nebenwirkungen wie etwa „Muskelverkrampfungen an den Augen, des Rückens und der mimischen Muskulatur“. Die Kieler Medizin-Ethikerin Alena Buyx hält die Praxis sogar nach damaligen Maßstäben für höchst problematisch. „Das ist ethisch unzulässige Forschung“, urteilte sie in dem NDR-Bericht.

IG FARBEN & HEUTE

IG-Manager bleibt KIT-Ehrensenator
Über ihren Nachruhm können sich viele Manager des von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzerns IG FARBEN nicht beklagen. So lebt etwa Carl Wurster nicht nur im Straßenbild von Ludwigshafen weiter, wo ein Platz nach dem ehemaligen Wehrwirtschaftsführer benannt ist. Beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat es der Chemiker, der für die IG im Aufsichtsrat des Zyklon B-Produzenten DEGESCH saß, sogar zum Ehrensenator gebracht. Davon ließ sich das KIT nicht einmal durch massive Proteste abbringen. Es bedauert zwar, „dass es Ehrungen von Personen gab, die in Aktivitäten des nationalsozialistischen Unrechtsstaats verstrickt waren“, ist aber dennoch „der vorherrschenden Rechtsauffassung gefolgt, dass die Ehrung als höchstpersönliches Recht mit den Tod des/der Geehrten erlischt und damit eine nachträgliche Aberkennung faktisch nicht mehr möglich ist“.

POLITIK & EINFLUSS

Hannelore Kraft bei BAYER
Am 7. Dezember 2016 feierte der BAYER-Konzern das 125-jähriges Bestehen am Standort Leverkusen. Zu den GratulantInnen in seinem Erholungshaus konnte das Unternehmen auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begrüßen. Wie bereits 2013 zum 150-jährigen Firmen-Jubiläum hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Ministerpräsidentin aufgefordert, in ihrem Geburtstagsständchen das lange Sündenregister des Global Players nicht auszuklammern. „Obwohl die Stadt Leverkusen Stammsitz eines der größten Konzerne der Welt ist, erlebt sie eine Rekord-Finanznot. Bei Schulen, Kinderbetreuung, Gesundheit und Freizeit – überall ist der Mangel spürbar. Die Kommune ist sogar auf die Unterstützung des Landes aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen angewiesen. Und das alles, weil BAYER sich durch „tausend legale Steuertricks“ um Abgaben in Millionen-Höhe drückt. Statt Lobreden erwarten wir deshalb Kritik von Hannelore Kraft“, hieß es in der Presseerklärung der CBG. Auch zu anderen dunklen Kapiteln aus der Firmen-Geschichte wie etwa der Rolle im Nationalsozialismus dürfe Kraft nicht schweigen, mahnte die Coordination. Aber die Sozialdemokratin entpuppte sich als Wiederholungstäterin und sprach die heiklen Themen wie schon 2013 nicht an. Stattdessen stand sie in Treue fest zu BAYER. „Wir sind ein Industrieland. Und wir wollen es bleiben“, konstatierte Hannelore Kraft. Die Ministerpräsidentin versprach, den Leverkusener Multi auch in Zukunft vor allem Unbill zu schützen. Vor allem dasjenige, das aus Richtung der EU droht, wie etwa der Plan, den Ausstoß des klima-schädlichen Kohlendioxids durch eine Verteuerung der Verschmutzungsrechte stärker zu sanktionieren, hatte sie dabei im Blick. „Wir kämpfen weiter für den Industrie-Standort, auch in Brüssel“, erklärte Kraft.

EU fördert Geheimniskrämerei
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat schon so einige leidige Erfahrungen mit BAYERs Geschäftsgeheimnissen machen müssen. So weigerte sich der Leverkusener Multi unter Berufung auf ebendiese erfolgreich, Einblick in den mit der Universität Köln geschlossenen Forschungskooperationsvertrag zu gewähren. Auch auf den Hauptversammlungen nutzt er gern diese Ausrede, um Fragen zu den Verkaufszahlen umstrittener Produkte unbeantwortet zu lassen. Nichtsdestotrotz will die EU diese Geheimniskrämerei der Konzerne künftig noch weiter fördern. In einer neuen Richtlinie „über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb und rechtswidriger Nutzung und Offenlegung“ erklärt sie jede Information für sakrosankt, deren Veröffentlichung den Unternehmen zu ökonomischem Schaden gereichen könnte. Vergeblich hatte der Whistleblower Antoine Deltour, der den LuxLeaks-Steuerskandal aufgedeckt hatte, an die Europäische Union appelliert, das Vorhaben fallenzulassen. Auch die Kritik von JournalistInnen-Verbänden und Gewerkschaften, die durch das Paragrafen-Werk „in erheblichen Umfang die Meinungs- und Pressefreiheit“ beschränkt sahen, fand kein Gehör.

Wenning im FDP-Wirtschaftsforum
„Fast 70 Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft unterstützen das Comeback der Freien Demokraten. Sie haben sich dazu im FDP-Wirtschaftsforum organisiert, um die Parteiführung zu beraten“, vermeldet die FDP. Zu diesen ManagerInnen, deren Zahl mittlerweile auf 77 angestiegen ist, gehört auch BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning. Er und seine KollegInnen haben der Partei bisher unter anderem „einfache Unternehmensgründungen“, „eine leistungsfähige Infrastruktur für Verkehr und Datenübertragung“ und nicht zuletzt „ein Steuerrecht, das Wachstumsbremsen löst, anstatt sie weiter anzuziehen“ auf die Agenda gesetzt.

PROPAGANDA & MEDIEN

Neues Media Center schafft Akzeptanz
„Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz wurde in einer Studie des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) als eines der Top-Hemmnisse für Innovationen benannt“, konstatiert Denise Rennmann, die bei BAYER den Bereich „Public & Governmental Affairs“ leitet. Die zunehmende Kritik an der Gentechnik und anderen neuen Hervorbringungen der Industrie bereitet dem Leverkusener Multi schon länger Sorge. Darum hat er sich Gedanken über eine „intensivere Wissenschaftskommunikation“ gemacht und die Idee ausgebrütet, ein „Science Media Center“ zu gründen. Dieses soll nach britischem Vorbild JournalistInnen mit „objektiven“ Informationen zu strittigen Themen aus dem Forschungsbereich versorgen. Im Jahr 2012 lud der Global Player zu diesem Behufe interessierte Kreise nach Berlin ein. Anschließend betraute er eine Arbeitsgruppe mit der Entwicklung eines Konzepts für eine solche Unternehmung und warb parallel dazu bei anderen Firmen, Zeitungen und Forschungseinrichtungen um Unterstützung. 2015 schließlich war es soweit. Die „Science Media Center Germany gGmbH“, getragen von der Stiftung des SAP-Mitgründers Klaus Tschira, nahm ihre Arbeit auf. „Wenn Journalisten den öffentlichen Diskurs mit verlässlichem Wissen und kompetenten Stellungnahmen bereichern wollen, dann steht ihnen das SMC Germany dabei zur Seite“, heißt es auf der Website. Einige Stichproben konnten das allerdings nicht bestätigen. Zu den Themen „Bienensterben“ oder „hormon-ähnliche Chemikalien“ findet sich beim SMC nichts. Und während der Eintrag zu Glyphosat einigermaßen ausgewogen daherkommt, lässt das Center bei den Informationen zur neuen Gentechnik CRISPR/Cas kritische Positionen unter den Tisch fallen.

14 Millionen für US-MedizinerInnen
Im Jahr 2015 standen 2.400 bundesdeutsche ÄrztInnen auf der Gehaltsliste von BAYER. Der Leverkusener Multi engagierte sie unter anderem als RednerInnen auf Kongressen, BeraterInnen oder lud sie zu Fortbildungsveranstaltungen ein. 7,5 Millionen Euro gab der Konzern dafür aus. In den USA ließ er sich das noch mehr kosten. Wie die US-Plattform ProPublica recherchierte, investierte der Pharma-Riese dort von August 2013 bis Dezember 2014 14 Millionen Dollar in die Pflege der medizinischen Landschaft.

1,3 Millionen für Fachgesellschaften
BAYER lässt sich die Pflege der medizinischen Landschaft so einiges kosten. Der Leverkusener Multi bedenkt nicht nur ÄrztInnen und Krankenhäuser mit Millionen-Beträgen (siehe oben und Ticker 4/16), sondern auch die medizinischen Fachgesellschaften. Rund 1,3 Millionen Euro erhielten diese im Jahr 2015. Und wenn sich die Tätigkeit der Organisationen auf ein Gebiet erstreckt, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ über 253.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese bestimmt bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate (siehe DRUGS & PILLS). Zur Umsatz-Steigerung seines risiko-reichen Gerinnungshemmers XARELTO investierte er indessen 189.000 Euro in die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung“ und 122.000 Euro in die „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“.

PR für NEBIDO & Co.
Eigentlich sollten die Pharma-Firmen Medikamente für bestimmte Krankheiten entwickeln. Manchmal gehen sie jedoch den umgekehrten Weg und entwickeln Krankheiten für bestimmte Medikamente. So hat BAYER die männlichen Wechseljahre erfunden, um einen größeren Markt für NEBIDO und andere Hormon-Präparate zu schaffen. Praktischerweise hat der Konzern dafür auch gleich noch einen Fachbegriff in Beschlag genommen, der eigentlich nur einen wirklich krankhaften Testosteron-Mangel beschreibt: Hypogonadismus. Allerdings stehen NEBIDO & Co. seit einiger Zeit wegen ihrer zahlreichen Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik. Deshalb geht der Leverkusener Multi nun in die Offensive. Beim europäischen Kongress für Männergesundheit, den die von ihm großzügig alimentierte „European Academy of Andrology“ in Rotterdam ausrichtete, sponserte er ein Symposion, das sich mit der Frage befasste: „Long-term treatment of hypogonadism – just a risky lifestyle intervention?“ Die vom Leverkusener Multi engagierten „Mietmäuler“ Abraham Morgentaler, Farid Saad, Kevin S. Channer und Linda Vignozzi antworteten natürlich unisono: „Nein.“

Mehr PR für DR SCHOLL’S & Co.
In den USA hat BAYER dieses Jahr größere Anstrengungen unternommen, um die Werbetrommel für seine rezeptfreien Medizin-Produkte, die so genannte „Over the Counter“-Ware (OTCs), zu rühren. Vor allem mit dem Bekanntheitsgrad der Sonnenschutzmittel aus der COPPERTONE-Reihe und der Fußpflege-Artikel der DR SCHOLL’S-Familie, die mit dem Kauf der OTC-Sparte von MERCK ins Portefeuille des Leverkusener Multis gelangten, zeigten sich die Konzern-StrategInnen unzufrieden (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). „Ich hoffe, die Leute werden in den nächsten Jahren lernen, dass BAYER mehr ist als ASPIRIN“, so Phil Blake, der US-Chef des Pharma-Riesen, zum Sinn der Übung. Der Konzern lässt dabei keinen Kanal ungenutzt. Von TV und Zeitungen über FACEBOOK und INSTAGRAM bis hin zu TWITTER erstreckt sich die Kampagne.

BAYERs Shitstormer
Rund 500 Beschäftigte arbeiten in BAYERs PR-Abteilung. Das reicht allerdings nicht, um gegen den notorisch schlechten Ruf des Unternehmens anzukämpfen. Deshalb bedient sich der Konzern zusätzlich externer Kräfte. Gilt es etwa, im Zuge eines Skandals vertrauensbildende Maßnahmen einzuleiten, so greift der Leverkusener Multi gerne auf die Dienste von Christian Schwerg zurück. Dieser hat nämlich die Krisen-Kommunikation zu seinem Spezialgebiet auserkoren – den „Shitstormer“ nennt Die Zeit ihn deshalb. „Wir können nichts ungeschehen machen. Ab einer bestimmten medialen Verbreitung kann man nur offensiv vorgehen und das Thema in die Rehabilitationsstrategie integrieren“, sagt er über seine Arbeitsweise. Schwerg bietet für BAYER & Co. sogar vorbeugende Maßnahmen an, um deren ÖffentlichkeitsarbeiterInnen zu lehren, gut mit „bad news“ umzugehen. „Wir simulieren auch gerne mal Nachrichten auf News-Portalen oder geben uns als Journalisten aus, rufen an und senden E-Mails mit Vorwürfen“, plaudert der PR-Profi aus dem Nähkästchen.

TIERE & VERSUCHE

Tierversuchs-Richtlinie verwässert
Bei der Ausarbeitung der Tierversuchs-Richtlinie der EU hatten PolitikerInnen aus Deutschland BAYER & Co. vor allzu strengen Auflagen bewahrt. Und bei der Umsetzung in bundesdeutsches Recht musste das Paragrafen-Werk noch einmal gehörig Federn lassen. So unterliegen zu Bildungszwecken vorgenommene Tier-Experimente keiner Genehmigungspflicht mehr, sondern nur noch einer Meldepflicht. Auch ein Verbot besonders leidvoller Erprobungen fehlt in der deutschen Version. Der Jurist Dr. Christoph Maisack stellte in einem Gutachten insgesamt 18 Abweichungen vom ursprünglichen Text fest, die es dem Leverkusener Multi leichter machen, seine Tierversuche – im Geschäftsjahr 2015 waren es 133.666 – nicht zu reduzieren. Der Verein ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE hat bei der EU-Kommission wegen der Aufweichung der Richtlinie eine Beschwerde eingereicht.

DRUGS & PILLS

30.000 ESSURE-Geschädigte
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. 30.000 Meldungen über solche unerwünschten Arznei-Effekte hat BAYER bereits erhalten.

NICE nicht nice zu NEXAVAR
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs NEXAVAR zu Behandlung von Leberkrebs durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. „Es bleiben signifikante Unsicherheiten“, konstatierte die Behörde. Selbst eine vom Pillen-Riesen vorgenommene Preissenkung konnte die PrüferInnen nicht erweichen, dem „National Health Service“ die Übernahme der Therapie-Kosten zu empfehlen. Aber der Leverkusener Multi gibt sich noch nicht geschlagen und hofft weiter auf ein positives NICE-Votum in Sachen „NEXAVAR“.

Alzheimer durch ANTRA
Protonenpumpen-Hemmer mit dem Wirkstoff Omeprazol wie BAYERs ANTRA steigern das Alzheimer-Risiko. Das ergab eine Studie der Universität Bonn. Der Untersuchung zufolge setzen sich ANTRA-PatientInnen einer um 44 Prozent höheren Gefährdung aus, diese Krankheit zu bekommen, als Menschen, welche die Mittel nicht einnehmen. Die Präparate, die hauptsächlich bei Sodbrennen, aber auch zum Schutz vor Blutungen der Magenschleimhaut zum Einsatz kommen, haben jedoch noch mehr Nebenwirkungen. Da die Arzneien die Magensäure-Produktion fast komplett unterbinden, verschaffen sie Bakterien ein gedeihlicheres Klima, was den Ausbruch von Infektionen fördert. Zudem stören die Medikamente die Kalzium-Gewinnung aus der Nahrung und schwächen so die Knochen. Wegen solcher Gegenanzeigen warnen bundesdeutsche MedizinerInnen bereits seit Langem vor einem zu sorglosen Umgang mit ANTRA & Co. Allerdings fruchteten ihre Warnungen nicht – seit einiger Zeit sind diese Medikamente nicht einmal mehr verschreibungspflichtig. Und nicht zuletzt deshalb verfünffachte sich ihre Einnahme in den letzten Jahren.

Blockbuster EYLEA
EYLEA, das BAYER-Präparat zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Einen Zusatznutzen mochte das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) dem Gentech-Medikament deshalb nicht zu bescheinigen. Trotzdem entwickelt sich die Arznei dank BAYERs massivem Werbeaufwand zu einem Blockbuster. Dem „Innovationsreport 2016“ der Techniker Krankenkasse zufolge verzeichnete es die größten Umsatz-Zuwächse aller hierzulande im Jahr 2012 neu zugelassenen Medikamente. 2014 kam das Präparat auf fast 18 Millionen Euro – ein Plus von 458 Prozent gegenüber 2013.

USA: mehr Auflagen für NEBIDO & Co.
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue, nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben. Studien warnen allerdings vor den Gefahren der Mittel. So können die Arzneien neuesten Untersuchungen zufolge das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen, was die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA zu einer Reaktion veranlasste. Sie zwang BAYER & Co., auf den Packungen vor diesen möglichen Nebenwirkungen zu warnen. Überdies müssen die Pharma-Firmen nun darauf hinweisen, dass die Pharmazeutika nur bei krankhaftem Testosteron-Mangel und nicht bei einem rein altersbedingten Rückgang der Hormon-Produktion Anwendung finden dürfen.

Neues Nahrungsergänzungsmittel
Menschen, die sich ausgewogen ernähren, brauchen keine zusätzliche Vitamine, Mineralien oder andere Stoffe. Deren Einnahme kann in manchen Fällen sogar schaden. Trotzdem hat BAYER eine Unmenge an Vitamin-Präparaten und Nahrungsergänzungsmitteln im Angebot. SANATOGEN, SUPRADYN, BEROCCA, CAL-D-VITA, ELEVIT, REDOXON und vieles mehr findet sich in der Produkt-Palette des Konzerns. Allein unter dem Markennamen ONE-A-DAY verkauft er Dutzende unterschiedlicher Pillen. Da die Geschäfte vor allem in den USA gut laufen, schmeißt der Pharma-Riese dort jetzt noch ein neues Mittelchen auf den Markt: TRUBIOTICS. Das mit den Mikroorganismen Lactobacillus acidophilus und Bifidobacterium animalis bestückte Probiotikum soll angeblich gute Werke im Verdauungstrakt verrichten.

ASPIRIN nur noch für vier Tage?
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) tritt bereits seit Langem dafür ein, ASPIRIN und andere Schmerzmittel in den Apotheken nur noch dann ohne Rezept abzugeben, wenn die Anwendungsdauer auf vier Tage beschränkt ist. Die Präparate haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen; ASPIRIN kann vor allem Magenbluten verursachen. „Selbst bei den niedrigen Dosierungen, die zur Prävention von Schlaganfall und Herzinfarkt dienen sollen“, besteht dem ehemaligen BfArM-Präsidenten Walter Schwerdtfeger zufolge dieses Risiko. Der „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ lehnte die Forderung nach einer Verkleinerung der Packungen zwar bereits 2012 ab, aber endgültig vom Tisch ist die Sache noch nicht. „Die Studien-Ergebnisse werden zur Zeit ausgewertet“, ließ sich das Bundesgesundheitsministerium in der TV-Dokumentation „Angst vor Schmerzen“ vernehmen.

ASPIRIN im Freizeitsport
SportlerInnen verlangen ihrem Körper viel ab und überschreiten dabei oft die Schmerzgrenze. Deshalb greifen nicht wenige von ihnen zu Schmerzmitteln wie ASPIRIN (Wirkstoff: Acetylsalicylsäure) – und das nicht nur Profis. Nach einer Untersuchung der WissenschaftlerInnen Pavel Dietz und Antje Dresen nimmt auch eine große Zahl von Freizeit-SportlerInnen die Präparate ein. Den ForscherInnen zufolge schluckt die Hälfte aller TeilnehmerInnen von Langstrecken-Rennen ASPIRIN oder andere Analgetika. „Wir waren überrascht, dass es in so einer Häufigkeit ein Thema ist“, so Antje Dresen. Die LäuferInnen setzen sich damit erheblichen Gesundheitsrisiken aus, denn durch die körperliche Belastung können die Nebenwirkungen der Mittel – im Fall von BAYERs „Tausendsassa“ ist das hauptsächlich das Magenbluten – noch mehr durchschlagen. Die Stöße, die während des Langstrecken-Laufs auf den Magen einwirken, erhöhen nämlich die Durchlässigkeit der Organ-Wände für die Acetylsalicylsäure.

YASMIN hilft nicht mehr gegen Akne
Frauen, die drospirenon-haltige Pillen wie BAYERs YASMIN zur Empfängnis-Verhütung einnehmen, tragen im Vergleich zu solchen, die levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva bevorzugen, ein bis zu dreimal so hohes Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Trotzdem bewirbt der Leverkusener Multi die Mittel als Lifestyle-Präparate, die etwa gegen Akne helfen. In der Schweiz darf er das jetzt jedoch nicht mehr tun. Mit Verweis auf das Gefährdungspotenzial der Pharmazeutika untersagte die eidgenössische Aufsichtsbehörde Swissmedic BAYER und anderen Herstellern, weiter Reklame für die angeblichen dermatologischen Qualitäten von YASMIN & Co. zu machen.

FDA zweifelt nicht an XARELTO-Tests
Bei der Klinischen Erprobung von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO erhielt die Kontrollgruppe den marktgängigen Wirkstoff Warfarin (MARCUMAR). Das Gerät, das bei diesen ProbandInnen die Blutgerinnung bestimmte, arbeitete jedoch nicht korrekt. Es zeigte geringere Werte als die wirklichen an. Deshalb bekamen die TeilnehmerInnen mehr Warfarin als nötig – und in der Folge auch mehr gesundheitliche Probleme als die PatientInnen, die das orale Antikoagulans des bundesdeutschen Pharma-Riesen schluckten. Das schmälert die Aussagekraft des zur Zulassung von XARELTO eingereichten Rocket-AF-Tests erheblich, was in der Fachwelt für einige Empörung sorgte. „Es lässt an den Ergebnissen zweifeln, die benutzt wurden, um den Gebrauch des weltweit meistverkauften neuen oralen Antikoagulans zu befördern“, sagt etwa Dr. Deborah Cohen. Gemeinsam mit den anderen Mitherausgebern des British Medical Journal kritisierte sie die Studie in einem Artikel massiv. Der Leverkusener Multi hielt jedoch an dieser fest. Schon unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Unstimmigkeiten hatte er eine Nachuntersuchung in Auftrag gegeben, die erwartungsgemäß die Rocket-Resultate bestätigte. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA gab Anfang Februar 2016 ebenfalls Entwarnung. Und die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA prüfte zwar bedeutend länger als ihr EU-Pendant, schloss sich dann aber im Oktober 2016 dem EMA-Votum an.

BAYER setzt auf Krebs-Arzneien
Krebs-Medikamente versprechen den Pharma-Riesen den größten Profit. Das „IMS Institute for Healthcare Informatics“ rechnet für das Jahr 2018 mit einem 100-Milliarden-Dollar-Markt. Schon jetzt fressen die Präparate – ohne die Lebenszeit der PatientInnen entscheidend verlängern zu können – in der Bundesrepublik rund ein Viertel des Medikamenten-Budgets der Krankenkassen. Folgerichtig setzt BAYER ganz auf dieses Segment. Mit NEXAVAR, STIVARGA und XOFIGO bietet das Unternehmen bereits drei Onkologie-Präparate an; zudem befinden sich 17 Wirkstoffe in der klinischen Erprobung. Die Konkurrenz hat jedoch noch mehr im Köcher. So testet ROCHE zurzeit 34 Arzneien. Der Schweizer Konzern lässt sich das alles auch mehr kosten als der Leverkusener Multi. Im Jahr 2014 gab er mit 8,4 Milliarden Dollar 6,4 Milliarden mehr für die Pillen-Forschung aus als der Leverkusener Multi.

Schnellere Arznei-Zulassungen?
Wie unzureichend die Genehmigungsverfahren für Arzneimittel sind, belegen die zahlreichen Todesfälle, die unter anderem BAYER-Pharmazeutika wie YASMIN und XARELTO verursacht haben. Das ficht die europäische Arzneimittel-Behörde EMA allerdings nicht an. Sie beabsichtigt, das Prozedere noch einmal zu beschleunigen und will künftig Zulassungen schon nach dem erfolgreichen Absolvieren von zwei Phasen der Klinischen Prüfungen ermöglichen. Was bisher die dritte Stufe war, sollen jetzt Praxis-Tests richten. „Real World Data“ lautet das Zauberwort. Und das alles, obwohl die Erprobungen der Kategorie 2 sich auf einen kleineren ProbandInnen-Kreis beschränken und ohne Vergleichsgruppe auskommen. Nicht umsonst bleibt gegenwärtig an der dritten Hürde noch einmal rund die Hälfte der Medikamenten-Kandidaten hängen. Die Arznei-Behörde hat jedoch nur das Wohlergehen der Pillen-Produzenten im Sinn. „Die potenziellen Vorteile für die Hersteller wären ein früherer Einkommensfluss als bei konventionellen Zulassungswegen und weniger teure und kürzere klinische Studien“, erklärt der EMA-Mann Georg Eichler frank und frei. Bei den Vorbereitungen zu den Schnelltests und den Pilotprojekten arbeiteten die willigen Helfer der Arznei-Branche dann auch an führenden Stellen mit. Trotzdem behauptet der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) steif und fest, die geplante „Reform“ sei „klar an medizinischen Zielen ausgerichtet und kein ökonomisches Entgegenkommen gegenüber den Unternehmen“. Das nimmt ihm jedoch kaum jemand ab. So kritisierte die ÄrztInnen-Organisation MEIN ESSEN ZAHL ICH SELBST (MEZIS) das Vorhaben scharf: „Klar erkennbar ist bei diesem Vorstoß der zu erwartende ökonomische Nutzen der Pharma-Industrie – auf Kosten der Sicherheit der PatientInnen.“ Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und die gesetzlichen Krankenkassen lehnen das Projekt ebenfalls ab.

Lieferengpässe bei Arzneien
In der Bundesrepublik kommt es in letzter Zeit verstärkt zu Liefer-Engpässen bei Arzneimitteln. Auf der aktuellen Fehl-Liste des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ findet sich mit dem Mittel NIMOTOP, das die Gehirn-Durchblutung fördert, auch ein BAYER-Medikament. „Probleme bei der Herstellung“ gibt der Leverkusener Multi als Grund an. Und die gab es in der Vergangenheit auch schon beim Krebsmittel XOFIGO. Schätzungen zufolge sind bis zu 60 Pharmazeutika kurz- oder längerfristig nicht erhältlich. Die „Probleme bei der Herstellung“ treten oftmals deshalb auf, weil die Pharma-Riesen die Fertigung gnadenlos rationalisiert haben. So versuchen sie etwa verstärkt, „just in time“ zu produzieren und auf diese Weise Lager-Kapazitäten abzubauen. Überdies gliedern sie gerne die Wirkstoff-Herstellung aus oder verlegen diese in Drittwelt-Länder. „In den letzten Jahren ist (...) meiner Ansicht nach etwas in der Unternehmensphilosophie einiger Pharmazeutischer Hersteller verloren gegangen: Verantwortungsbewusstsein, was zugunsten der Profit-Maximierung abgebaut wurde“, kritisiert deshalb Rudolf Bernhard, der Leiter der Krankenhausapotheke im Münchner „Klinikum rechts der Isar“. Um gegen die Missstände anzugehen, fordert der Pharmazeut unter anderem eine Meldepflicht bei Liefer-Problemen – bisher informieren BAYER & Co. nur auf freiwilliger Basis – und einen Zwang, bestimmte Arznei-Mengen immer auf Lager zu haben. Die Große Koalition sieht da jedoch keinen Handlungsbedarf, wie aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. „Es liegen der Bundesregierung keine Anzeichen vor, dass die Register nicht die wesentlichen Lieferengpässe der relevanten Arzneimittel abdecken“, heißt es in dem Schriftstück. Dass etwa BAYERs Johanniskraut-Präparat LAIF zur Behandlung von milden Depressionen dort nicht verzeichnet ist, ficht Merkel & Co. offenbar nicht an. Den Pharma-Riesen zur Auflage zu machen, einen Vorrat an Medikamenten anzulegen, lehnen CDU und SPD ebenfalls ab. Ihrer Ansicht nach reicht es, wenn die Apotheken und Pillen-Großhändler die Arzneien immer parat haben: „Eine darüber hinausgehende Bevorratung durch den Pharmazeutischen Unternehmer ist daher nicht notwendig.“

„Consumer Health“ schwächelt
Der Leverkusener Multi hat das Geschäft mit den rezeptfreien Arzneien in der letzten Zeit stark ausgebaut und ist in diesem Bereich zur Nr. 2 auf der Welt aufgestiegen. Aber nicht nur die 2014 zugekaufte MERCK-Sparte erfüllte ihre Erwartungen bisher nicht (siehe ÖKONOMIE & PROFIT), auch der Absatz der restlichen Produkte schwächelt. Im 3. Quartal 2016 machte der Leverkusener Multi gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Verlust von 20 Millionen Euro. Dazu trug vor allem die schlechtere ökonomische Lage in Russland, China und Brasilien bei – diese Schwellenländer hatten zwischen 2012 bis 2014 noch 70 Prozent zum Umsatzwachstum von BAYER in diesem Markt-Segment beigetragen.

AGRO & CHEMIE

GAUCHO & Co. gefährden Wildbienen
Immer neue Studien belegen die Bienengefährlichkeit von Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin). So hat der britische Insektenforscher Ben Woodcock vom „Zentrum für Ökologie und Hydrologie“ (NERC) die Auswirkungen dieser Wirkstoff-Gruppe, welche die EU bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt hat, auf Wildbienen untersucht. Er kam zu einem alarmierenden Befund: Waren die Tiere GAUCHO & Co. ausgesetzt, so beschleunigte sich das Schrumpfen der Populationen im Vergleich zu denjenigen, die nicht in Kontakt mit den Giften kamen, um den Faktor drei. Der Leverkusener Multi hatte bisher immer die Validität von wissenschaftlichen Arbeiten zu Neonicotinoiden angezweifelt, die unter Laborbedingungen entstanden. Von „unrealistischen Expositionsbedingungen“ sprach er stets und von Expositionsdosen, „die unter realistischen Feld-Bedingungen in dieser Form niemals auftreten würden“. Das traf zwar auf kaum eine Studie zu, verfehlte aber seine Wirkung nicht. Da Woodcock jedoch auf freier Wildbahn zu seinen Ergebnissen kam, stößt diese Verteidigungsstrategie des Konzerns nun auch an ihre Grenzen. Diese will er jedoch nicht wahrhaben. Von Mitgliedern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit den Resultaten des Wissenschaftlers konfrontiert, meinte der Global Player auf einmal darauf hinweisen zu müssen, dass „auch Feld-Untersuchungen ihre Tücken haben, da sie sehr komplex und mitunter nicht leicht zu interpretieren sind“. Und – fast unnötig zu betonen – hatte die Woodcock-Arbeit nach Ansicht des Unternehmens solche Tücken.

Top bei Grenzwert-Überschreitungen
Bei Grenzwert-Überschreitungen von Pestizid-Rückständen in Lebensmitteln toppen Ackergifte made by BAYER alles. Nach den neuesten verfügbaren Zahlen, die aus den Jahren 2012 und 2013 stammen, finden sich nach Angaben der Bundesregierung unter den sieben „am häufigsten beanstandeten Wirkstoffen“ mit Imidacloprid (s. o.), Ethephon und Carbendazim drei, die auch in Produkten des Leverkusener Multis enthalten sind.

Pestizide in Orangen
Das Delmenhorster „Labor für Chemische und Mikrobiologische Analytik“ untersuchte für die WDR-Sendung Markt Orangen auf Rückstände von Pestiziden. In allen Proben stießen die WissenschaftlerInnen auf Spuren der Ackergifte. Diese blieben zwar unter den Grenzwerten, stellen aber trotzdem eine Gefahr dar. In den Früchten fanden sich nämlich bis zu fünf Agrochemikalien gleichzeitig, was Kombinationseffekte hervorrufen kann. Auch BAYER-Pestizide wiesen die ForscherInnen nach. So enthielten die Orangen Chlorpyrifos, das der Leverkusener Multi unter den Produktnamen BLATTANEX, PROFICID und RIDDER vermarktet, Fenhexamid (TELDOR), Imazalil (BAYTAN und MANTA PLUS) sowie Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI).

Parkinson keine Berufskrankheit
Pestizide können viele Gesundheitsschädigungen auslösen. Frankreich hat deshalb Krebs und Parkinson bei LandwirtInnen als Berufskrankheiten anerkannt. In der Bundesrepublik steht das vorerst nicht an, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. Merkel & Co. stützen sich dabei auf einen Sachverständigenbeirat, der die Sachlage bei Parkinson 2011 und 2012 geprüft hat und befand: „Im Ergebnis war die Studien-Lage heterogen.“ „Erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf eine eindeutige Diagnose-Stellung“ machten die ExpertInnen fest. Im Moment werten diese allerdings neue Untersuchungen aus. In Sachen „Krebs“ haben es immerhin Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten geschafft, welche die in vielen Agro-Chemikalien enthaltenen Halogen-Kohlenwasserstoffe auslösen können. Die „Anerkennung im Einzelfall“ hängt jedoch der Großen Koalition zufolge von vielen Parametern wie der Tumor-Art, dem gebrauchten Pestizid und der Dauer der Anwendung ab.

WASSER, BODEN & LUFT

Gerupfter Klimaschutzplan
Im Übereinkommen von Paris hatten sich die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen 2015 darauf verständigt, die Erd-Erwärmung deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten. Im Vorfeld hatten sich die EU-Länder bereits geeinigt, die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu verringern. Den bundesdeutschen Beitrag zur Umsetzung dieser Ziele wollte die Große Koalition mit dem „Klimaschutzplan 2050“ festlegen. Um diesen Plan entbrannte jedoch heftiger politischer Streit. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI), der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und die industrie-freundliche nordrhein-westfälische Landesregierung taten alles dafür, BAYER & Co. vor allzu drastischen Anforderungen zu bewahren. Ein „fester Beitrag zur Erreichung eines nationalen Klimaschutz-Ziels“ sei nicht im Voraus bestimmbar, dekretierte etwa der VCI. Maßnahmen zur Verteuerung der derzeit zum Schnäppchen-Preis erhältlichen Kohlendioxid-Verschmutzungsrechte lehnte der Verband ebenfalls ab. Und so kam es, dass Umweltministerin Barbara Hendricks den schon fertiggestellten Klimaschutzplan nach einer Intervention von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wieder in die Tonne kloppen musste. In der überarbeiteten Fassung bekennt sich die Bundesregierung nun dazu, „ein zentrales Augenmerk auf den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ zu legen. Darum senkte sie die Spar-Vorgaben für die Industrie gegenüber den ursprünglichen Plänen um zehn Millionen Tonnen CO2 auf 140 bis 143 Millionen Tonnen bis 2030 ab und bürdete das Quantum kurzerhand der Wohnungswirtschaft auf. Auch setzte die Große Koalition hinter die Regelungen zur Reform des Emissionshandels – ganz wie vom VCI gefordert – den Vermerk „kann wegfallen“. Jetzt braucht der Leverkusener Multi, der 2015 fast zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstieß, seine Wirtschaftsweise nicht groß zu ändern. Für die Zukunft des Planeten bedeutet das allerdings nichts Gutes. „Die geplanten Maßnahmen sind nicht ehrgeizig genug, um die Klima-Ziele bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen“, konstatierte der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von Bündnis 90/Die Grünen besorgt.

Die Deponie unter der Deponie
Anfang November 2016 hat die Bezirksregierung Köln dem Landesbetrieb Straßenbau NRW die Genehmigung erteilt, BAYERs Dhünnaue-Deponie wieder zu öffnen, um darauf das Fundament für die Erweiterung der A1-Autobahn und des Neubaus der Rheinbrücke zu gründen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Damit beschwor sie Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt herauf. Und diese dürften nach Recherchen des WDR-Magazins Westpol sogar noch größer sein, als selbst die KritikerInnen des Projektes angenommen haben. Über einem 13 Hektar großen Teil des erst zur Landesgartenschau 2005 halbwegs abgedichteten Giftgrabs liegt nämlich die noch in Betrieb befindliche Sondermüll-Deponie Bürrig der BAYER-Tochter CURRENTA. Eine Absicherung nach unten hin existiert nicht, weshalb die Aufschüttungen auf die Altlast drücken und zu chemischen Reaktionen führen könnten. Trotzdem spielte Bürrig bei der Sicherheitsanalyse von Straßen.NRW keine Rolle und fand auch in den Antragsunterlagen zur Genehmigung keine Erwähnung. „Die aktive Deponie ist von den Planungen nicht betroffen“, antwortet die Bezirksregierung Köln auf eine Anfrage des WDR. Harald Friedrich, der ehemalige Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, teilt diese Einschätzung nicht: „Man hätte eine Gefährdungsabschätzung machen müssen.“

BAYTRIL fördert Methan-Ausstoß
Rinder, die Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL verabreicht bekommen, geben mehr klimaschädigende Methan-Gase an die Umwelt ab als solche, welche die Präparate nicht schlucken müssen. Das ergab eine Studie, welche die Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte. Den ForscherInnen um Tobin J. Hammer zufolge stieg die Methan-Freisetzung um den Faktor 1,8. Die WissenschaftlerInnen vermuten, dass BAYTRIL & Co. die Gas-Produktion fördern, indem sie Einfluss auf im Verdauungstrakt der Tiere wirkenden Mikrobakterien nehmen.

Plastik in Speisefischen
Immer mehr Plastikabfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums finden sich die Rückstände mittlerweile in 330 Tierarten wieder. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Umweltverbrechen bei. ForscherInnen des „Alfred-Wegener-Institutes“ wiesen jetzt sogar Plaste-Reste in Speisefischen aus der Nord- und Ostsee nach. Zumeist stießen die BiologInnen in den Verdauungsorganen der Tiere auf die Partikel. Obwohl die Heringe, Dorsche, Makrelen und Flundern vor der Lieferung an den Lebensmittel-Zwischenhandel ausgenommen werden, mochten die WissenschaftlerInnen Chemie-Rückstände in ihren Körpern nicht ausschließen: „Wir sind mit der Erforschung der Effekte noch ganz am Anfang.“

IMPERIUM & WELTMACHT

Abschreibungen in Venezuela
Die sinkenden Öl-Preise haben Venezuela in eine tiefe Krise gestürzt. Unter anderem leidet das Land an einer hohen Inflation, weshalb die heimische Währung gegenüber dem Dollar immer mehr an Boden verliert. Auch bei den Pharma-Firmen hat die Nation immense Schulden. Um diese wenigstens teilweise zu tilgen, hat die Regierung BAYER, SANOFI und NOVARTIS nun Anleihen der staatlichen Öl-Gesellschaft PDVSA übertragen.
Diese notieren zwar in Dollar und nicht in Bolívar, haben gegenüber ihrem Nennwert jedoch viel verloren. Die Konzerne nehmen die Verluste jedoch in Kauf und verkaufen trotzdem. NOVARTIS etwa erhielt für seine 200-Millionen-Dollar-Bonds nur 73 Millionen, und der Leverkusener Multi dürfte seine Papiere mit ähnlich hohen Abschlägen veräußert haben.

ÖKONOMIE & PROFIT

Synergie-Defekte beim MERCK-Deal
Schicken sich Unternehmen an, ihre Konkurrenten zu übernehmen oder Geschäftsteile von ihnen zu erwerben, preisen sie stets die mit den Deals angeblich verbundenen Synergie-Effekte. Im Fall des geplanten Kaufs von MONSANTO wusste BAYER diese sogar schon genau zu taxieren: 1,5 Milliarden Dollar per anno schon drei Jahre nach dem Vollzug der Transaktion. Allerdings können sich die Konzerne dabei auch verkalkulieren. Beispielsweise zahlte sich der 2014 vorgenommene Kauf einer MERCK-Sparte für den Leverkusener Multi bis jetzt nicht in dem erhofften Maß aus. So lag der Umsatz des Sortiments um 100 Millionen Dollar niedriger, als von MERCK angegeben. Auch erwies sich die Entwicklungspipeline als „nicht annähernd so gut wie präsentiert“, wie der Global Player beklagt. Zudem musste er mehr Geld als erwartet in Werbung für die Fußpflege-Artikel aus der DR SCHOLL’S-Reihe oder die COPPERTONE-Sonnenschutzmittel investieren, was sich obendrein nicht immer auszahlte: Im dritten Quartal des Jahres 2016 ging der COPPERTONE-Umsatz gegenüber dem Vergleichszeitraum um fünf Prozent zurück. Die 2001 erfolgte AVENTIS-Akquisition blieb ebenfalls lange hinter den Erwartungen zurück. Wegen falscher Angaben des AVENTIS-Managements über den Wert der Agro-Abteilung zog BAYER damals sogar vor Gericht.

Steuern sparen mit Lizenzen
Das Steuerrecht ermöglicht es den Konzernen, Geschäfte mit sich selber zu machen, um ihre Abgabenlast zu senken. So können einzelne Unternehmensteile von anderen Abteilungen Lizenzen erwerben, und die Kosten dafür senken den zu versteuernden Ertrag. Der Leverkusener Multi hat für solche Operationen die Tochter-Gesellschaft BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) ins Leben gerufen, die Standorte in Monheim, Eschborn und Schönefeld hat. Wie hoch diese steuer-mindernden Lizenz-Gebühren z. B. für Marken-Rechte ausfallen, lassen die Zahlungen erahnen, welche der Global Player für die darauf entfallenden Einnahmen allein im bundesdeutschen Steuerparadies Monheim an das Finanzamt leistet: rund 20 Millionen Euro.

Monheim – einfach paradiesisch
Die Stadt Monheim wirbt mit einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 300 Punkten – dem niedrigsten in ganz Nordrhein-Westfalen – um Industrie-Ansiedlungen. BAYER ließ sich das nicht zweimal sagen. Der Agro-Riese verlegte nicht nur einen Teil seiner Patent-Abteilung dorthin (s. o.), sondern auch die CROPSCIENCE BETEILIGUNGSGESELLSCHAFT, deren Haupttätigkeit „im Bereich Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben“ liegt.

COVESTRO spart Steuern
Letztes Jahr brachte der Leverkusener Multi seine Kunststoff-Sparte COVESTRO an die Börse. Und im Zuge des Loslösungsprozesses sucht sich das Unternehmen nach dem Vorbild der Muttergesellschaft schon einmal besonders günstige Steuerstandorte. Wie BAYER ist es dabei unter anderem in Monheim (s. o.) und in Belgien fündig geworden. Zusätzlich hat die Plaste-Gesellschaft sich jedoch noch die Schweiz auserkoren, wirbt doch das Nachbarland damit, dass es „international weiterhin auf Rang 8 der steuergünstigsten Standorte steht“. Die COVESTRO INTERNATIONAL SA mit Sitz im Kanton Fribourg hält Beteiligungen an überall auf der Welt verstreuten Niederlassungen. Ein Großteil von deren Erträgen wandert so an den eidgenössischen Steuerstandort zurück, wo die Finanzämter unschlagbare Konditionen bieten: „Holding-Gesellschaften sind von kantonalen Gewinn-Steuern ganz befreit, der Kapitalsteuersatz ist reduziert“.

BAYSANTO & MONSAYER

MONSANTO-HV stimmt Übernahme zu
Am 13. Dezember 2016 haben die MONSANTO-AktionärInnen der Übernahme des Konzerns durch BAYER zugestimmt. Die großen Anteilshalter wie BLACKROCK und andere Finanzinvestoren sorgten für das klare Ergebnis von 99 Prozent Zustimmung für das Angebot des Leverkusener Multis, pro MONSANTO-Papier 128 Dollar zu zahlen. Grünes Licht für den Deal hat der bundesdeutsche Konzern aber auch damit noch nicht. Rund 30 Kartellbehörden müssen die Transaktion noch genehmigen.

Klage gegen Übernahme scheitert
Im November 2016 hatten einige MONSANTO-AktionärInnen eine Klage gegen die Übernahme des Konzerns durch BAYER eingereicht. Sie warfen den ManagerInnen des US-Unternehmens eine Verletzung ihrer Treue-Pflichten vor, weil diese den Global Player ihrer Meinung nach zu billig hergegeben hatten. Kurz vor der entscheidenden MONSANTO-Hauptversammlung (s. o.) wies ein Richter das Begehren jedoch ab. Allerdings besteht für die Aktien-HalterInnen noch die Möglichkeit, in Delaware, dem Stammsitz des Agro-Riesen, ein Gericht anzurufen.

Grüne schreiben Offenen Brief
Die Grünen haben die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in einem Offenen Brief dazu aufgefordert, der Übernahme MONSANTOs durch BAYER die Zustimmung zu verweigern. Der Fraktionschef Anton Hofreiter und weitere Bundestagstagsabgeordnete appellierten stattdessen an die Dänin, „die Spirale der Hochfusionierung im Agrochemie-Markt zu stoppen“. Unter anderem befürchtet die Partei durch den Deal höhere Preise für LandwirtInnen und VerbraucherInnen.

RECHT & UNBILLIG

13.800 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen – im Jahr 2015 gingen allein beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 137 Meldungen über Todesfälle ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Das Aufkommen der Klagen erhöhte sich von Ende Januar 2016 bis Mitte Oktober von 4.300 auf 13.800.

Über 1.000 ESSURE-Klagen
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, beschäftigt in den USA zunehmend die Gerichte. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Über 1.000 von ihnen haben in den Vereinigten Staaten deshalb schon eine Klage gegen BAYER eingereicht.

CIPROBAY vor Gericht
Das Antibiotikum CIPROBAY, das zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen. So registrierte die US-Gesundheitsbehörde FDA zwischen 1998 und 2013 3.000 Todesfälle, die im Zusammenhang mit fluorchinolon-haltigen Medikamenten stehen. Insgesamt erhielt die Institution rund 50.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Die Pharmazeutika stören nämlich das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, weil sie die Weiterleitung des Neurotransmitters Acetylcholine behindern. Auch Störungen des zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit und anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen verantwortlich. Bei Cheryl Tigley löste CIPROBAY, das BAYER in den USA unter dem Namen AVELOX vertreibt, eine Schädigung des peripheren Nervensystems aus. Deshalb zog die US-Amerikanerin vor Gericht und verklagte den Leverkusener Multi auf Schadensersatz.

CIPROBAY nicht vor Gericht
Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 kam es in den USA durch per Post verschickte Milzbrand-Erreger zu fünf Todesfällen. Die Regierungsstellen trafen daraufhin Vorsorge-Maßnahmen und kauften große Mengen von BAYERs Antibiotikum CIPROBAY als Gegenmittel. Zudem hoben sie das Verbot auf, die Arznei Kindern zu verabreichen – der Leverkusener Multi hatte für die Gewährung des exklusiven Vermarktungsrechtes lediglich Unbedenklichkeitsstudien nachzureichen. Bei diesen Untersuchungen hat der Pharma-Riese allerdings massive Manipulationen vorgenommen. Der an den Klinischen Prüfungen beteiligte Mediziner Dr. Juan Walterspiel wirft dem Unternehmen vor, Daten gefälscht zu haben, um Nebenwirkungen wie Muskelschwäche und Knorpelschäden zu verbergen. BAYER habe lange Datenkolonnen einfach in die Berichtsbögen eingefügt, so Walterspiel: „Diese Zahlen wiederholten sich endlos.“ Zudem haben die Erprobungen in den USA Walterspiel zufolge auffallend mehr Risiken und Nebenwirkungen zu Tage gefördert als solche, die der Konzern in Mexiko und anderen ärmeren Ländern durchgeführt hat. Die Versuche des Arztes, wegen der unsauberen Tests gerichtlich gegen den Leverkusener Multi vorzugehen, gestalten sich jedoch schwierig. So hat es der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, im Juli 2016 abgelehnt, Walterspiel als Whistleblower gerichtlichen Beistand zu gewähren.

Pestizid-Klage in Indien
Das indische Agrar-Ministerium hatte 2015 ein ExpertInnen-Gremium damit beauftragt, die Risiken und Nebenwirkungen von 66 Pestiziden zu bewerten, die andere Länder längst verboten haben. Da in dem Ausschuss auch Industrie-VertreterInnen saßen, fiel die Empfehlung moderat aus. Die Kommission legte dem Staat nahe, 13 Agro-Chemikalien sofort aus dem Verkehr zu ziehen, darunter mit Fenthion und Methyl Parathion auch solche Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind. Darüber hinaus schlug sie vor, die Zulassung für sechs Ackergifte 2020 auslaufen zu lassen und 27 im Jahr 2018 noch einmal in Augenschein zu nehmen. Aber der Regierung ging selbst das zu weit. Sie machte keine Anstalten, die Ratschläge zu befolgen. Deshalb sehen sich Modi & Co. nun mit einer Klage konfrontiert.

USA verbieten primäres Mikroplastik
Immer mehr Plastik-Abfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Durch Wellenbewegungen und Sonnen-Einwirkung kleingemahlen oder gleich in winziger Form als primäres Mikro-Plastik in das Wasser geraten, nehmen Fische und andere Tier-Arten die Partikel auf und setzen sich so großen Gesundheitsgefahren aus. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Desaster bei. Die USA hat jetzt jedoch erste Schritte zum Schutz der Wasser-Lebewesen eingeleitet. Sie verbot die Herstellung von primärem Mikro-Plastik, den sogenannten Microbeads, wie sie sich unter anderem in einigen Sorten des Durethan-Kunststoffs der BAYER-Tochter COVESTRO finden.

PCB: Kein Verfahren gegen RAG
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Nicht zuletzt deshalb gelangt jetzt PCB mit dem abgepumpten Grubenwasser aus den kontaminierten Stollen in die Flüsse. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz entnahm unter anderem an den Bergwerken in Prosper-Haniel, Bergkamen und Essen Proben und wies PCB-Belastungen nach, die an manchen Stellen um das Dreifache über den Grenzwerten lagen. Der BUND reichte deshalb eine Strafanzeige gegen den Bergbau-Konzern RAG ein. Anfang September stellte die Bochumer Staatsanwaltschaft die Ermittlungen allerdings ein. Das Unternehmen hätte wasserrechtliche Genehmigungen für die Einleitungen, und die Gewässer hätten kein Schaden genommen, erklärte Oberstaatsanwalt Paul Jansen zur Begründung. Er behauptete sogar, das Unternehmen hätte immer die Grenzwerte eingehalten.

Klage wg. Diskriminierung
Anfang Dezember 2016 hat eine US-amerikanische BAYER-Angestellte den Konzern wegen Diskriminierung verklagt. Dr. Irene Laurora, welcher der Leverkusener Multi 2012 noch den Titel der „Working Mother of the Year“ verliehen hatte, wirft dem Unternehmen vor, sie wegen ihres Einsatzes für Frauenrechte entlassen zu haben. Die Pharmakologin hatte 2015 eine schwangere Frau in ihr Projekt geholt, wogegen Lauroras Vorgesetzter wegen des bevorstehenden Mutterschaftsurlaubs allerdings Einspruch erhob. Die Wissenschaftlerin protestierte gegen die Intervention ihres Chefs, was zu Zurückstufungen und schließlich zur Kündigung führte. „Anstatt Dr. Lauroras Anstrengungen zu unterstützen, gegen die Diskriminierung Schwangerer vorzugehen, versuchte BAYER sie rechtswidrig durch eine Freisetzung mundtot zu machen“, kritisiert der Rechtsanwalt der Klägerin. Beim Pharma-Riesen ist das nicht der erste Fall dieser Art: Bereits im Jahr 2011 hatten acht weibliche Angestellte rechtliche Schritte gegen den Konzern wegen frauenfeindlichen Verhaltens eingeleitet (siehe SWB 3/11).

Auch Uni Mainz darf weiter mauern
Am 18. August 2015 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Einsichtnahme in den Vertrag verwehrt, den BAYER mit der Universität Köln geschlossen hatte. Antworten auf Fragen zur finanziellen Ausgestaltung der Kooperation, zu den Verwertungsrechten, zu den Forschungsvorgaben des Leverkusener Multis und zum Umgang mit negativen Forschungsergebnissen bleiben der Öffentlichkeit damit verwehrt. Der Richter Sebastian Beimesche hatte sich bei seinem Urteil auf die Paragrafen des nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetzes und des Hochschulzukunftsgesetzes gestützt. Die entsprechenden Abschnitte entbinden Forschung & Lehre von der Transparenz-Pflicht. Und der Jurist legte diese so „weitreichend“ aus, dass sie auch die Forschungsplanung einbeziehen. Mit dem Verweis auf eine ähnliche Ausnahme-Regelung in den rheinland-pfälzischen Gesetzen bewahrte das Verwaltungsgericht Mainz Mitte September 2016 nun auch die Universität Mainz und BOEHRINGER davor, Details ihrer Zusammenarbeit offenlegen zu müssen.

Grünes Licht für Autobahn-Ausbau
Die Bezirksregierung Köln hat dem Landesbetrieb Straßen.NRW Anfang November 2016 die Genehmigung erteilt, die Autobahn A1 zwischen Köln-Niehl und dem Autobahn-Kreuz Leverkusen-West auszubauen und dafür auch eine neue Rheinbrücke zu errichten (siehe auch SWB 1/17). Dass der „Vorhaben-Träger“ dafür BAYERs erst zur Landesgartenschau 2005 in langjähriger Arbeit halbwegs gesicherte Dhünnaue-Deponie wieder öffnen muss, focht die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht an. Sie setzte sich mit ihrem Beschluss über 300 Einwendungen verschiedener Initiativen und Einzelpersonen – auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens eine Beschwerde eingereicht – und über massiven BürgerInnen-Protest hinweg.. Die GegnerInnen des Projektes verstummen dennoch nicht. So luden sich Umweltverbände, die CBG und andere Gruppen am 7. Dezember 2016 einfach selbst zur Feier von „125 Jahre BAYER in Leverkusen“ ein und vermiesten dem Global Player, seiner Gratulantin Hannelore Kraft und den anderen Gästen gehörig die Stimmung. Zudem wollen einige Organisationen gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen.

FORSCHUNG & LEHRE

Kooperation mit der Uni Hamburg
BAYER hat mit der Universität Hamburg eine Forschungskooperation auf dem Gebiet der „Digitalen Landwirtschaft“ vereinbart. GeologInnen und InformatikerInnen der Hochschule wollen für den Leverkusener Multi im Rahmen dieser Zusammenarbeit ein Modell zur Erhebung von Wetter- und Bodendaten entwickeln, um „die Nutzung bestehender landwirtschaftlicher Ressourcen weiter zu optimieren“.

Kooperation mit der Uni Göttingen
Der Leverkusener Multi lagert immer größere Bereiche seiner Forschungsarbeiten aus. Rund 20 Prozent seines über 4,3 Milliarden Euro schweren Forschungsetats steckt er mittlerweile in Kooperationen mit Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten. Der Göttinger Georg-August-Universität hat er gleich zwei Aufträge erteilt. Das dortige „Department für Nutzpflanzen-Wissenschaften“ ergründet für den Global Player zum Preis von 141.250 Euro, warum das Pestizid Flufenacet Wildgräsern nichts mehr anhaben kann. Das andere, nicht näher bezeichnete Agrochemie-Projekt läuft Ende 2016 aus und kommt BAYER mit 180.000 Euro noch teurer zu stehen.

BAYER stiftet Lehrstuhl
BAYER pflegt die akademische Landschaft nicht nur hierzulande mit Stiftungsprofessuren, sondern auch im Ausland. So hat der Leverkusener Multi der Universität Manitoba in Tateinheit mit den Nachkommen eines Arztes einen Lehrstuhl zur Erforschung von Blut-Krankheiten spendiert.

[Duogynon Mord] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

Recht & Unbillig

Hormon-Präparat mit tödlichen Nebenwirkungen

Anklage: Mord

Contagan, Teil 2 – so bezeichnen Betroffene den DUOGYNON-Skandal. Aber während der Pharma-GAU „Contagan“ zu trauriger Berühmtheit gelangte, erhielt der Fall „DUOGYNON“ nie eine vergleichbare Aufmerksamkeit. Dabei hat der hormonelle Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt und unzählige Gesundheitsstörungen hervorgerufen. Die Verantwortlichen wurden dafür nie zur Rechenschaft gezogen, aber jetzt versucht es Gisela Clerc noch einmal: Sie hat eine Strafanzeige wegen Mordes erstattet.

Von Jan Pehrke

„Meine Tochter, die ich hier vertrete, ist zu schwach, um über ihr Schicksal zu reden. Sie bat mich, es an ihrer Stelle zu tun“, mit diesen Worten wandte sich Gisela Clerc 2012 in der BAYER-Hauptversammlung an die AktionärInnen. Anschließend berichtete sie, was ihr nach der Einnahme des Schwangerschaftstests DUOGYNON widerfuhr. „Kurze Zeit später bekam ich einen Blutsturz, der zwei Tage anhielt und starke Unterleibsschmerzen. Trotzdem war ich schwanger und bekam 1969 eine schwer missgebildete Tochter. Sie hatte am und im Herzen: ductus botalli, Aorten-Stenose an der Herzscheidewand und zwei defekte Herzklappen.“ Am Schluss ihrer Rede forderte die Rentnerin den Leverkusener Multi auf, die Konzern-Unterlagen zu dem Mittel freizugeben. Gisela Clerc wollte in Erfahrung bringen, wie viel die ManagerInnen damals selber über die Risiken und Nebenwirkungen des Präparates wussten. Aber der Pharma-Riese weigerte sich, Einsicht in die Dokumente des Unternehmens SCHERING zu gewähren, das er 2006 erworben hatte. Der DUOGYNON-Geschädigte Andre Sommer reichte deshalb eine Auskunftsklage ein. Diese scheiterte jedoch ebenso wie ein Prozess um Entschädigungen. Die Ansprüche seien verjährt, entschieden die RichterInnen jeweils.

Gisela Clerc ist gerichtlich auf diesem Wege allerdings nicht zu stoppen. Sie hat nach dem Tod ihrer Tochter, die Anfang des Jahres im Alter von nur 47 Jahren an den DUOGYNON-Spätfolgen starb, nämlich eine Strafanzeige wegen eines Deliktes erstattet, für das der Gesetzgeber keine Verjährung vorgesehen hat. Mit nichts geringerem als Mord „durch Unterlassen in Verdeckungsabsicht in einer unbekannten Zahl von Fällen“ hat sich die Berliner Staatsanwaltschaft im Fall von DUOGYNON nun zu beschäftigen.

Die 74-Jährige kann sich dabei auf neues Beweis-Material stützen, denn Andre Sommer fand beim Stöbern im Berliner Landesarchiv alte SCHERING-Akten aus einem früheren Verfahren. Und diese zeigen eindeutig, wie gut der Konzern über die Risiken und Nebenwirkungen seines Medizin-Produktes informiert war. „Ein Zusammenhang zwischen den gefundenen Anomalien und der Substanz-Applikation kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden“, hielt ein Wissenschaftler beispielsweise nach desaströsen Tierversuchen fest. Ein anderer Forscher stufte DUOGYNON als „hochgradig embryo-toxisch“ ein, und ein Kollege vermochte sogar genaue Angaben über den Grad zu machen. Er meldete der Berliner Zentrale, „dass bei denen, die einen hormonellen Test gehabt hätten, ein relatives Risiko von 5:1 bestehe, ein missgebildetes Kind zu bekommen.“

Nach Meinung der Anwälte von Gisela Clerc hätten diese Befunde SCHERING veranlassen müssen, das Pharmazeutikum sofort vom Markt zu nehmen und nicht erst Anfang der 1980er Jahre. „Dies unterließen sie jedoch und nahmen den Tod der Kinder zumindest billigend in Kauf“, urteilen Detlev Stoffels und Jörg Heynemann.

Statt umgehend zu reagieren, suchte der Konzern nach Mitteln und Wegen, an dem Präparat festhalten zu können. Dafür traf er sich mit ExpertInnen und arbeitete Strategien für Schadensersatz-Prozesse aus. So plante SCHERING unter anderem, vor Gericht bei der Kausalitätsfrage anzusetzen und systematisch Zweifel an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Medikament und den unerwünschten Arznei-Effekten zu säen. Das Unternehmen erwog sogar, mit dem Rechtsanwalt einen BeraterInnen-Vertrag zu schließen, der die Firma Grünenthal in Sachen „Contergan“ vor Entschädigungszahlungen bewahrt hatte. Und es gelang dem Pillen-Produzenten Ende der 1970er Jahre dann auch wirklich, die juristische Auseinandersetzung mit der INTERESSENSGEMEINSCHAFT DUOGYNON-GESCHÄDIGTER zu gewinnen.

Vom damaligen Bundesgesundheitsamt (BGA) hatte die Aktien-Gesellschaft ebenfalls nichts zu befürchten. Sie hatte dort nämlich jemanden sitzen, der sich selbst als „Advokat der Firma SCHERING“ bezeichnete. Der Herr Professor schmuggelte entlastende Unterlagen in die Behörde und hielt den Konzern immer über die Vorgänge im BGA auf dem Laufenden. Und das gewährte dem Mittel dann auch Bestandsschutz. In England, wo er den Schwangerschaftstest unter dem Namen PRIMODOS in Umlauf brachte, hatte der Konzern auch beste Beziehungen zu den EntscheidungsträgerInnen. So traf der Pharma-Riese sich mit einem Mitarbeiter der englischen Gesundheitsbehörde zu einem netten Plausch auf den Bermudas, wo der Mann dem Berliner Unternehmen zusicherte, eine DUOGYNON-kritische Untersuchung zu vernichten. Zur Sicherheit aber eruierte SCHERING zusätzlich noch die politische Stimmung im Unterhaus und ließ PolitikerInnen-Dossiers anfertigen. Über einen Mandatsträger hieß es darin beispielsweise: „Ein führender linker Flügelspieler, unnachgiebig, sehr klug, ein gewaltiger Gegner, vollkommen unbestechlich“.

Auf diese Weise hielt der Multi das Medizin-Produkt in England bis 1978 und in Deutschland sogar bis 1981 auf dem Markt. Und nach Ansicht von BAYER könnte es sogar heute noch in den Apotheken stehen. Wie der Global Player zur Strafanzeige von Gisela Clerc erkärte, schließt er „DUOGYNON nach wie vor als Ursache für embryonale Missbildungen aus“.

Der mutige Schritt der Rentnerin ist der vorerst letzte Akt einer Auseinandersetzung, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) mit angestoßen hat. Vor acht Jahren wurde sie auf die Aktivitäten von britischen Betroffenen aufmerksam und lud zwei von ihnen zur BAYER-Hauptversammlung ein. In ihren Reden konfrontierten Karl Murphy und Valerie Williams den Vorstand zum ersten Mal direkt mit dem Schicksal der DUOGYNON-Geschädigten. Das verschaffte dem Thema in Deutschland eine breitere Öffentlichkeit und ließ auch die bundesdeutschen LeidensgenossInnen von Murphy und Williams aufhorchen. Motiviert von den beiden EngländerInnen, begannen jene sich alsbald zu vernetzen, suchten die AktionärInnen-Treffen auf und planten gemeinsam weitere Schritte. Dabei gelang es sogar, die Musikerin Nina Hagen als Fürsprecherin zu gewinnen. „Ich bin entsetzt über die Ignoranz und Dreistigkeit der verantwortlichen Konzerne gegenüber den leidgeprüften DUOGYNON-Opfern und ihren Eltern. Ich hoffe sehr, dass die deutsche Gerichtsbarkeit gerecht urteilen wird und dass die Opfer endlich eine Entschuldigung und gerechte Entschädigung bekommen“, sagte sie 2010.

Nina Hagens Hoffnungen haben sich bisher nicht erfüllt, und ob sich das im Fall der Strafanzeige von Gisela Clerc ändern wird, steht auch dahin. Aber BAYER droht noch von anderer Seite Ungemach. In England beschäftigt sich zurzeit nämlich ein parlamentarischer Gesundheitsausschuss mit dem Schwangerschaftstest. Und auf den Faktor „Zeit“ kann der Leverkusener Multi dabei nicht setzen. Auf der Insel gelten nämlich andere Verjährungsfristen.

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2015

CBG Redaktion

KritikerInnen dominieren BAYER-HV

Das Tribunal

Die „verkehrte Welt“, die sich auf der letzten BAYER-Hauptversammlung mit der großen Dominanz von Konzern-KritikerInnen auftat, kam auch am 27. Mai nicht wieder ins Lot. Erneut lasen 26 RednerInnen dem Konzern von morgens früh bis abends spät die Leviten. Sie setzten sich mit gefährlichen Medikamenten, Plastik-Abfällen, der Vergangenheitspolitik des Konzerns, der Abspaltung der Kunststoff-Sparte sowie all den vielen anderen ohne Rücksicht auf Verluste betriebenen geschäftlichen Aktivitäten zur Rendite-Steigerung auseinander.

Alle Redebeiträge finden Sie hier

Eigentlich schien das unwiederholbar: 2014 auf der BAYER-Hauptversammlung hatten 26 Konzern-KritikerInnen Einspruch gegen die gnadenlose Profit-Jagd erhoben und damit die RednerInnen-Liste ganz klar dominiert. Und jetzt das: Erneut traten 26 RednerInnen ans Pult, und konfrontierten Konzern und AktionärInnen ebenso umfangreich wie qualifiziert mit Kritik an den profitablen Geschäften. Auch vor der Kölner Messehalle braute sich wieder viel zusammen. Das Unternehmen versuchte jedoch mit allen Mitteln zu verhindern, dass Bilder davon künden und ein Firmenlogo neben den Protestaktionen auftaucht: Keine BAYER-Fahne, kein Plakat und kein sonstiger Hinweis zeigte an, dass hier einer der großen Dax-Konzerne sein jährliches AktionärInnen-Treffen abhielt.

Trotzdem war klar, dass hier gegen die Geschäftspolitik von BAYER demonstriert wurde. Dafür sorgten schon die eindeutigen Transparente und Flugblätter. Und wie in den vergangenen Jahre herrschte vor dem Eingang zur Hauptversammlung ein buntes Treiben. ImkerInnen zeigten sich in voller Montur mit ihren Arbeitsgeräten und protestierten gegen BAYERs bienenschädigende Pestizide. Unterstützung erhielten sie dabei von BUND- und SumOfUs-VertreterInnen, die in Bienen-Kostüme gehüllt Flugblätter verteilten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN war derweil in See gestochen und hatte auf dem Messe-Gelände ein Meer angelegt, in dem Spülmittel-Flaschen und andere Behältnisse schwammen, um den AktionärInnen das Plastikmüll-Problem plastisch vor Augen zu führen. Darüber hinaus machten junge Frauen mit T-Shirts, die mit Aufdrucken wie „Erfolgsbilanz ‚die Pille’: Valerie, 23, Schlaganfall“ Einblick in ihre Krankenakten gaben, auf ihr Schicksal als Verhütungsmittel-Geschädigte aufmerksam. Andere riefen mit Plakaten die Risiken und Nebenwirkungen der Medikamente des Pharma-Riesen ins Gedächtnis. Zu einem drastischeren Mittel griff das Ehepaar Zwartje: Es konfrontierte die AktionärInnen mit einem großen Foto, das ihre durch eine BAYER-Pille gestorbene Tochter Lena zeigt.

Drinnen offenbarte sich den HV-BesucherInnen dann ein Kontrastprogramm. „BAYER-Aktionäre treffen auf heile und kranke Welten“, so drückte es die Rheinische Post aus. Heil war die Welt des Profits, und zwar gerade weil sie ihre Ziele ohne Rücksicht auf Verluste für Mensch, Tier und Umwelt verfolgt: Um zwei Seiten einer Medaille handelt es sich bei den beiden auf den ersten Blick so disparaten Sphären. Und um den Aktien-HalterInnen den Übergang ein wenig zu erleichtern, zeigte BAYER-Chef Marijn Dekkers zu Anfang seiner Hauptversammlungsrede sogar Gefühle. Er erzählte davon, wie sehr ihn als gelernter Chemiker bei seinem Vorstellungsgespräch die Konzern-Maxime „Science For A Better Life“ beeindruckt habe. „Wissenschaft. Für ein besseres Leben. Das hat mich umgehauen“, schwärmte er und entschuldigte sich sogleich für seinen lockeren Umgangston, der vermutlich eher der von BAYERs Kommunikationschef Herbert Heitmann war.

Nach dieser Overtüre ging Dekkers allerdings rasch wieder zum „Business as usual“ über und widmete sich dem schnöden Zahlenwerk. Er sprach über den Rekord-Umsatz, die Kurs-Entwicklung, die Wachstumstreiber, die Profit-Aussichten im laufenden Geschäftsjahr und verkündete eine Dividenden-Erhöhung. Dafür bedankten sich die anschließend zu Wort kommenden zwei AktionärInnen-Vertreter dann auch artig und beendeten damit gleichzeitig das Kontrastprogramm. Von nun an folgten bis zum Abend nur noch Beiträge über „kranke Welten“. Dem Global Player blieb dabei nur übrig, „die schlechtesten aller Welten“, die emotional erschütternden Zeugnisse der Medikamenten-Geschädigten oder ihrer Angehörigen, ganz an den Schluss der Veranstaltung zu setzen, in der Hoffnung, die meisten AktionärInnen hätten sich da schon längst auf die Heimreise gemacht.

Als aber beispielsweise Karl Murphy zum RednerInnen-Pult schritt, war der Saal bei Weitem nicht leer. So konnten noch viele mitverfolgen, welche verheerenden Folgen der von seiner Mutter genutzte Schwangerschaftstest DUOGYNON bei ihm hatte. Der Engländer zeigte den HV-BesucherInnen die Auswirkungen des Pharmazeutikums, das der 2006 von BAYER geschluckte Konzern SCHERING bis in die 1970er Jahre hinein vermarktete, indem er seine beiden Hände mit den teilweise verstümmelten Fingern hochhielt. In seiner Rede, deren Übersetzung Anabel Schnura vortrug, trug er überzeugende Belege für das Gefährdungspotenzials des Präparates vor. „Ich bin im Besitz von 102 Studien, darunter auch Studien aus Deutschland, die über 3.500 Fälle von Missbildungen bei Babys aufzeigen, deren schwangere Mütter entweder hormonelle Schwangerschaftstests oder die Antibaby-Pille verordnet bekamen“, so Murphy. Und er warf dem Unternehmen vor, schon frühzeitig von den Risiken gewusst zu haben, ohne die ÄrztInnen darüber zu informieren.

Margret-Rose Pyka hatte wie Karl Murphys Mutter DUOGYNON nichtsahnend angewendet und wie sie ein Kind mit einer Behinderung zur Welt gebracht. „Sie müssen sich vorstellen, das sind zwei kleine Tabletten, die haben die Wirkung von zwei bis drei Packungen Antibaby-Pillen, und diese geballte Hormon-Bombe kommt auf ein paar Millimeter werdendes Leben. Und damit rechnet man als Frau nicht“, mit diesen Worten beschrieb sie die fatalen Effekte des Produktes. Pyka hatte sich später auch in einer Initiative engagiert, um andere Menschen das Schicksal ihrer Familie zu ersparen, stieß dabei allerdings rasch auf Grenzen: „Ich habe damals mit den Behörden gesprochen, und die Behörden haben mir gesagt: ‚Wir können das Produkt nicht vom Markt nehmen, weil die Markt-Macht von SCHERING zu groß ist“. Zum Schluss brachte sie das Thema „Entschädigungen“ zur Sprache. „Wir sind alle eine BAYER-Familie. Da gibt es auf der einen Seite die Mitarbeiter, die den Gewinn erwirtschaften, und dann gibt es in der Familie diejenigen, die von BAYER-Produkten negativ betroffen sind, und jetzt ist die Frage, wie geht so eine BAYER-Familie mit ihren Mitgliedern um, und zwar mit den Schwachen“, führte sie aus und schlug dem Vorstand vor, einen Runden Tisch zur Schadensregulierung einzuberufen.

Margret-Rose Pyka war offenbar der Meinung, unter vernünftigen Menschen müsste sich für solch ein Problem doch eine Lösung finden lassen. Aber die BAYER-ManagerInnen betrachten sich nicht als Personen, die frei über solche Angebote entscheiden können. Sie sehen sich an den Auftrag der Eigentümer des Konzerns, vor allem der GroßaktionärInnen und der InvestorInnen, gebunden, so viel Profit wie möglich zu erwirtschaften. Und ein Entgegenkommen in der Schadensersatz-Frage birgt in den Augen des Vorstandes das Risiko, weitere Ansprüche von Geschädigten nach sich zu ziehen und so den Gewinn zu schmälern. „Selbstverständlich stehen wir zu unseren Produkten, wir müssen aber bei der Regulierung von Ansprüchen auch juristische Aspekte mit berücksichtigen“, so drückte Marijn Dekkers diesen Sachverhalt aus und beschied Pyka: „Im von Ihnen angesprochenen Kontext sehen wir daher keine Grundlage für Entschädigungszahlungen.“

Was die verheerenden Wirkungen der Antibaby-Pillen aus der YASMIN-Produktfamilie betrifft, sahen allerdings US-amerikanische Gerichte „eine Grundlage für Entschädigungszahlungen“. 1,9 Milliarden Dollar musste der Konzern bisher dafür aufwenden. Das sei „den Besonderheiten des Rechtssystems in den USA“ geschuldet und beruhe auf den spezifischen Fakten des jeweiligen Einzelfalles, so Dekkers auf eine entsprechende Frage der YASMIN-geschädigten Kathrin Weigele. Er hob jedoch auch hier wieder den „juristischen Aspekt“ hervor, dies sei im Rahmen eines Vergleiches und ohne Anerkenntnis einer Haftung geschehen.

Für Weigele, ihre Leidensgenossin Felicitas Rohrer sowie für das Ehepaar Zwartje, das die beiden Frauen zum Rednerpult begleitet hatte, denen keine so verbraucherschutz-freundliche Gerichte wie in den Vereinigten Staaten zur Seite stehen, hatte BAYER nur formelhafte Beileidsbekundigungen übrig. Felicitas Rohrer hatte sich vorher solche Floskeln ausdrücklich verbeten, Marijn Dekkers ließ sich davon allerdings nicht abhalten. „Deshalb wiederhole ich mich zwar, wenn ich Ihnen sage, dass mich ihre persönliche Geschichte bewegte und weiter bewegt“, eröffnete der Vorstandsvorsitzende der jungen Frau, bevor er wieder zur Tagesordnung überging: „Das Sicherheitsprofil unserer oralen Kontrazeptiva entspricht dem vergleichbarer hormoneller Verhütungsmittel auf dem Markt.“

Unerbittlich zeigte sich der Leverkusener Multi auch wieder in der Sprach-Frage. Der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning als Versammlungsleiter untersagte es Valerie Williams, die wie Karl Murphy extra aus Großbritannien angereist war, um über ihre Erfahrungen mit dem Schwangerschaftstest DUOGYNON zu berichten, ihre Rede in der Muttersprache zu halten. Während Wenning als Aufsichtsratsmitglied der DEUTSCHEN BANK kein Problem damit hatte, dass sich der damalige Co-Vorsitzende Anshu Jain auf deren Hauptversammlung größtenteils des Englischen bediente, blieb der ehemalige BAYER-Chef Williams gegenüber hart: „Redebeiträge und Fragen sind auch in diesem Jahr nur in deutscher Sprache möglich“. CBG-Vorstandsmitglied Axel Köhler-Schnura kritisierte das scharf. „Wann wird dieser entwürdigende, skandalöse und arrogante großdeutsche Sprach-Zopf bei BAYER endlich abgeschnitten“, fragte er. Aber Wenning zeigte sich uneinsichtig. „Wieso Sie den Gebrauch der deutschen Sprache für arrogant halten und als skandalös empfinden, erschließt sich mir übrigens, Herr Köhler-Schnura, nicht“, so der Ober-Aufseher des Konzerns.

Das CBG-Urgestein setzte aber auch noch andere Themen auf die Agenda der Hauptversammlung. Er sprach über das, was Marijn Dekkers in seiner Eröffnungsrede als den „Wandel zu einem reinen Life-Science-Unternehmen“ und eine Konzentration „auf unsere innovationsstärksten Bereiche“ beschrieben hatte: die Trennung von der Kunststoff-Sektion BAYER MATERIAL SCIENCE. „Dieser schwerwiegende Eingriff in den Betriebsfrieden dient einzig und allein dazu, die bereits unverschämte Profit-Rate weiter zu steigern“, konstatierte Köhler-Schnura und prophezeite den dort Beschäftigten ein ähnliches Schicksal wie den KollegInnen der 2004 ausgegliederten, heute unter dem Namen LANXESS firmierenden Plaste- und Chemie-Sparte: „Lohndumping und Vernichtung von Arbeitsplätzen im großen Stil“. Darüber hinaus griff der Diplom-Kaufmann noch BAYERs windige Umtriebe im Netz auf. Der Konzern hatte eine Agentur beauftragt, um „Online-Reputationsmanagement“ zu betreiben und mittels gefaketer Postings auf Facebook und in Foren Produkte des Unternehmens anzupreisen, komplett mit kruden Rechtschreibfehlern als besonderem Authentizitätsausweis. „Ich wüsste schon gerne von Ihnen, Herr Dekkers, wie sich solche (...) Methoden ihres Konzerns mit den von Ihnen immer wieder beschworenen Verhaltensregeln vertragen, in denen so Sätze zu lesen sind wie: ‚BAYER bekennt sich ohne Einschränkung zum Wettbewerb mit fairen Mitteln?’“ Da blieb dem Niederländer kaum etwas anderes übrig, als den Vorgang zu bedauern. Als eine Unternehmensstraftat wertete er die Manipulationen allerdings nicht, für ihn handelte es dabei lediglich sich um Einzelfälle bzw. „Aktivitäten einzelner Mitarbeiter“, die dann auch als Bauernopfer herhalten und den Pharma-Riesen verlassen mussten.

CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes sprach ebenfalls ein ganzes Bündel von problematischen BAYER-Aktivitäten an. So kritisierte er die massenhafte Herstellung von biologisch nicht abbaubaren Kunststoffen, deren drastische Folgen für die Ozeane die Coordination vor den Messehallen mit dem vor Plastikmüll berstenden Miniatur-Meer illustriert hatte. Als den „Gipfel nicht-nachhaltiger Kunststoff-Produktion“ bezeichnete Mimkes dabei die Fertigung von Mikroplastik für die Kosmetik-Industrie, das Kläranlagen mühelos überwindet und ungefiltert in die Gewässer gelangt. Aber nicht nur die Chemie-Wende, auch die Energie-Wende hat der Leverkusener Multi dem CBGler zufolge verschlafen, und zwar so sehr, dass der Konzern sich im Gegensatz zu den vergangenen Jahren gar nicht mehr traut, den verschwindend geringen Prozentsatz, den der Anteil erneuerbarer Energien in seinem Strom-Mix einnimmt, im Geschäftsbericht aufzuführen. Weit entfernt davon, hier eine Umkehr einzuleiten, setzt der Global Player auch noch auf die mit vielen Umweltrisiken behaftete Fracking-Technologie. „Offenbar werden hier bei BAYER entscheidende Weichen falsch gestellt“, resümierte Mimkes. Nicht nur mit der Zukunft tut sich das Unternehmen jedoch schwer, sondern auch mit der Vergangenheit. Noch vor zwei Jahren hatte Dekkers auf der Hauptversammlung die „historischen Verdienste“ des ehemaligen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg gerühmt, der im Ersten Weltkrieg mitverantwortlich für die Entwicklung von Chemie-Waffen und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte. Anlässlich des 100. Jahrestages des ersten Giftgas-Einsatzes im belgischen Ypern wies Mimkes noch einmal auf die fatale Rolle Duisbergs bei der Entwicklung dieser Massenvernichtungswaffe hin und nannte dies als einen der Gründe dafür, warum sich immer mehr Städte und Gemeinden entscheiden, ihre Carl-Duisberg-Straßen umzubenennen.

Der große Vorsitzende wollte es allerdings nicht zulassen, am Denkmal zu rütteln. „Die historische Forschung würdigt die Leistung Carl Duisbergs als herausragende Unternehmer-Persönlichkeit“, konstatierte er und hielt fest: „Die angesprochenen historischen Themen bedürfen einer differenzierten Beurteilung durch Fach-Historiker, sie sollten daher meines Erachtens nicht Gegenstand gesellschaftspolitischer Agitation sein.“ In diesem Sinne sprach er dann auch von der Umbenennungsinitiative als „einer gesteuerten Kampagne“. Und sein Blick in die Zukunft entsprach ebenfalls nicht dem von Philipp Mimkes. Für Marijn Dekkers war bei BAYER alles im grünen Bereich. Von einer Mikroplastik-Produktion in den heimischen Werken wusste er nichts, und die Erneuerbaren Energien seien leider „im größeren Stil nicht wirtschaftlich“, aber ungeachtet dessen sah er den Multi dank angeblich hocheffizienter Kraftwerke und hochinnovativer Verfahrenstechnologien in der Kunststoff-Fertigung voll auf Nachhaltigkeitskurs.

Auf unzählige weitere Fragen musste der Vorstandsvorsitzende an diesem Tag Antworten bzw. Schein-Antworten finden. Die Konzern-KritikerInnen setzten noch das Bienensterben sowie andere Risiken und Nebenwirkungen von Ackergiften, die Gentechnik, Tierversuche, die Kohlenmonoxid-Pipeline, BAYERs Steuervermeidungsstrategien, die Rolle des Großinvestors BLACKROCK, die Datensicherheit und die JADELLE-Kontrazeptiva auf die Tagesordnung. Damit bestimmten sie den ganzen Ablauf der Hauptversammlung. In den Abstimmungsergebnissen spiegelte sich das allerdings nicht wider, aber so geht es eben zu in der markt-konformen Demokratie. Am Ende votierten 98,5 Prozent für die Entlastung des Vorstands und 96,9 Prozent, was angesichts der Kapital-Verhältnisse schon ein Erfolg ist, für die Entlastung des Aufsichtsrates. Und bei der Abstimmung über die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erreichte der Widerspruch sogar mehr als 10 Prozent. Ob das eine Folge der in der Hauptversammlung vorgetragenen massiven Kritik an dem Steuervermeidungskonzern PWC war, bleibt allerdings offen. Von Jan Pehrke

BAYER trotzt Kritik

„Wir stehen zu unseren Produkten“

Was sonst noch geschah: KritikerInnen brachten auf der Hauptversammlung zahlreiche weitere Themen zur Sprache. So setzten sie zusätzlich das Bienensterben, das Pestizid Glyphosat, die Gentechnik, die Medikamente XARELTO und JADELLE, die Tierversuche, die Datensicherheit, die Kohlenmonoxid-Pipeline, die Rolle des Großinvestors BLACKROCK und BAYERs Steuervermeidungsstrategien auf die Tagesordnung.

Auch auf der diesjährigen Hauptversammlung des Leverkusener Multis nahm das Thema „Bienensterben“ wieder breiten Raum ein. Gleich sechs KritikerInnen beschäftigten sich mit dieser Nebenwirkung der BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie GAUCHO und PONCHO. Die Imkerin Annette Seehaus-Arnold, Kreisvorsitzende der ImkerInnen der Region Rhön-Grabfeld, legte dem Global Player eine Schadensbilanz vor. „Meine Imker-Kollegen mussten in diesem Winter wieder sehr hohe Verluste an Bienenvölkern hinnehmen. Viele haben sogar alle Völker verloren“, klagte sie. Dabei hätten die BienenzüchterInnen alle Anweisungen zum Schutz der Bienen vor der Varroa-Milbe befolgt, in der BAYER die eigentliche Ursache für den Tod der Bienen sieht. Seehaus-Arnold hatte den Agro-Riesen hingegen in Verdacht, die Bedrohung durch die Varroa-Milbe künstlich aufzubauschen, um von den gefährlichen Effekten seiner Pestizide abzulenken. Und selbst wenn diese einen negativen Einfluss auf die Bienengesundheit haben sollten: „Es kommt nicht auf den Erreger an, sondern auf den Boden, auf den er fällt“, zitierte Seehaus-Arnold Louis Pasteur. Und diesen Boden haben der Imkerin zufolge GAUCHO & Co. besonders fruchtbar für den Erreger gemacht.

Flurschäden
Die Europäische Union schätzt die Mittel ebenfalls als sehr gefährlich ein. Nach Ansicht der EU-Kommission bergen sie „etliche Risiken für die Bienen“. Darum hat Brüssel einen zunächst zweijährigen Verkaufsstopp angeordnet. Der Leverkusener Multi aber geht in Tateinheit mit SYNGENTA gerichtlich gegen das Votum vor. „Warum akzeptieren Sie die Entscheidung nicht? Warum gefährden Sie wissentlich das Überleben der Honigbienen“, fragte Lea Horak von RETTET DEN REGENWALD den Vorstand deshalb. Wiebke Schröder von SumOfUs bezeichnete das als „aggressives Verhalten“ und überreichte den Konzern-ManagerInnen über eine Million Unterschriften, die ihre Organisation gegen die Klage gesammelt hatte. „Nehmen Sie die Neonicotinoid-Bedrohung ernst“, mahnte sie eindringlich angesichts der großen Bedeutung, die Bienen durch die Bestäubung von Nutz-Pflanzen für die Nahrungsmittelversorgung der Menschen haben.
Wie richtig die Entscheidung der EU war, drei Neonicotinoide von BAYER und SYNGENTA mit einem Moratorium zu belegen, bestätigte derweil der Imker Markus Bärmann mit seinen Erfahrungen aus der Praxis. „Dieses Frühjahr war bei den Bienen vieles anders. So viel anders, wie ich es seit zwanzig Jahren nicht mehr erlebt habe! Endlich wieder Insekten in der Luft und am Boden!“, schwärmte er. Auch über orientierungslos umherfliegende Bienen musste Bärmann nicht mehr klagen.
Corinna Hölzel vom BUND widmete sich derweil einem immer noch erhältlichen Neonicotinoid-Wirkstoff, der unter anderem in BAYERs CALYPSO und LIZETAN sein Unwesen treibt: Thiacloprid. „Thiacloprid ist ähnlich besorgniserregend wie die drei verbotenen Wirkstoffe, denn es gehört zur gleichen Gruppe“, stellte sie fest und führte zum Beleg eine Studie des Berliner Bienenforschers Randolf Menzel an, wonach Bienen nach dem Kontakt mit dieser Agrochemikalie nicht mehr in ihren Stock zurückfanden. Auch der Imker Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUND berichtete vom Gefährdungspotenzial dieses Produkts. Er verwies dabei auf Zahlen, die das „Deutsche Bienen-Monitoring“ ermittelt hat. Rückstände von sage und schreibe 23 verschiedenen Pestiziden wiesen die WissenschaftlerInnen in den von den Bienen gesammelten Pollen nach. Darunter befanden sich „beängstigend viele Proben mit extrem hohen Thiacloprid-Werten“, so Koch. Der Agro-Riese bestreitet den Sachverhalt jedoch und bewirbt CALYPSO und LIZETAN als „nicht bienengefährlich“. Weil der BUND das als eine Irreführung der VerbraucherInnen bezeichnete, verklagte BAYER den Umweltverband, was Christoph Koch ebenso wie Corinna Hölzel scharf kritisierte – und das Düsseldorfer Landgericht ebenfalls als nicht berechtigt ansah: Es entschied im März 2015 zu Gunsten der Initiative.
„BAYER respektiert das Urteil, da in diesem Verfahren die juristische Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz des Eigentums im Mittelpunkt stand“, erklärte Marijn Dekkers. Und weder von dieser Niederlage noch von den vielen Unterschriften, die SumOfUs sammelte, lässt der Konzern sich davon abbringen, die Auseinandersetzung über die Gefährlichkeit seiner Pestizide vornehmlich auf juristischem Wege zu führen. Er verfolgt die Klage gegen die EU weiter. Dekkers zufolge ging die Kommission gegen die Ackergifte vor, ohne neue Erkenntnisse über unerwünschte Effekte der Mittel zu haben, was seiner Ansicht nach die Rechtssicherheit gefährdet. „Deshalb legen wir weiterhin Wert auf eine gerichtliche Klärung“, so der Ober-BAYER. Immer noch hat er nicht die Spur eines Zweifels an GAUCHO und PONCHO. „Wir stehen zu unseren Produkten. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass Neonicotinoide sicher sind, wenn sie verantwortungsvoll und vorschriftsmäßig eingesetzt werden“, hielt er fest und machte für das Bienensterben neben der Varrao-Milbe nur noch extreme Umwelt- und Klima-Einflüsse sowie eine Veränderung der landwirtschaftlichen Strukturen verantwortlich.
Julia Sievers-Langer von der AGRAR KOORDINATION widmete sich zwei anderen Pestizid-Wirkstoffen, die zwar nicht zur Gruppe der Neonicotinoide gehören, es aber trotzdem in sich haben: Glyphosat und Glufosinat. Glyphosat, das BAYER etwa unter den Namen GLYPHOS, USTINEX G oder KEEPER vermarktet, hat das Krebsforschungsinstitut der Weltgesundheitsorganisation jüngst als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft, berichtete Sievers-Langer. Und von Glufosinat, das der Leverkusener Multi vor allem in Kombination mit seinen Gen-Saaten vertreibt, gehe sogar nach Meinung der Europäischen Union ein hohes Gesundheitsrisiko aus. Die globale Glufosinat-Produktion verdoppeln zu wollen, obwohl die EU-Zulassung 2017 ausläuft, bezeichnete die Aktivistin deshalb als „Skandal“. Sie forderte eine Erklärung dafür ein. „Welche Argumente können schwerer wiegen als die Verpflichtung, die Entstehung von Missbildungen bei Embryos als Folge des Glufosinat-Einsatzes zu verhindern?“, fragte sie den Vorstand. Darauf antwortete Dekkers allerdings nicht. Stattdessen stellte er Glufosinat angesichts der immer mehr Pestiziden trotzenden Wildpflanzen als wichtige Alternative für die LandwirtInnen dar und betonte die herausragenden Produkt-Eigenschaften. Und was die Risiken und Nebenwirkungen angeht, da ist es für den Konzern damit getan, sich „für den sicheren, vorschriftsmäßigen Einsatz“ einzusetzen.
Dr. Christopher Faßbender von der Tierschutz-Organisation PETA thematisiert das Leid, das Versuchstiere ertragen müssen, die mit Pestizid-Wirkstoffen imprägnierte Halsbänder gegen Zecken-Befall testen. Bis zu 400 Tage dauern die Erprobungen, bei denen Hunde und Katzen wiederholt über mehrere Stunden Parasiten in engen Transportboxen ausgesetzt sind. Dekkers äußerte sich aber nicht zu dem konkreten Fall. Er erging sich stattdessen in Ausführungen über die Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf, die BAYER angeblich übernehme.
Christoph Then vom Verein TESTBIOTECH und Sibylle Arians konfrontierten die Hauptversammlung mit einem Schadensbericht zur „grünen“ Gentechnik. „Offensichtlich hat die Firma BAYER die Kontrolle über ihre gentechnisch veränderten Pflanzen längst verloren“, konstatieren die beiden und präsentierten eine lange Liste mit „Unfällen“. Sie begann mit dem Genreis-Skandal, bei dem sich Spuren von BAYERs LL601-Laborfrucht in normalem Haushaltsreis fanden, und reichte über kontamierten Mais bis zu Auskreuzungen von Gen-Raps und Gen-Baumwolle. Zu diesen Kontrollverlusten wollte sich der BAYER-Chef allerdings nicht äußern. Er beließ es bei Allgemeinplätzen über einen verantwortungsvollen Umgang mit der Risikotechnologie und stellte deren Beitrag zur Sicherung der Nahrungsmittel-Versorgung heraus, ungeachtete der Tatsache, dass die meisten Genpflanzen als Futter in den Ställen der MassentierhalterInnen landen.

Pillenschäden
Roland Holtz wandte sich der Pillen-Sparte zu und nahm sich mit dem Blutgerinnungshemmer XARELTO BAYERs Bestseller vor. Holtz, der lange Jahre in der pharmazeutischen Industrie gearbeitet hat und die Branche aus ethischen Gründen verließ, unterzog die Zulassungstests einer genaueren Betrachtung. Er enthüllte, mit welchen Tricks der Leverkusener Multi eine Nicht-Unterlegenheit des Mittels gegenüber den herkömmlichen Präparaten demonstrieren konnte. So hat der Konzern beispielsweise den ProbantInnen der Vergleichsgruppe ihr Medikament nicht in der richtigen Dosierung verabreicht. Darauf ging Marijn Dekkers jedoch nicht näher ein. Lieber verlas er Textbausteine aus den Werbe-Broschüren zu dem Pharmazeutikum, das es allein 2014 auf fast 2.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte brachte und in Verdacht steht, für 161 Todesfälle verantwortlich zu sein.
Susanne Schultz vom GEN-ETHISCHEN NETZWERK problematisierte in ihrem Beitrag, wie BAYER mit seinem Langzeitverhütungsmittel JADELLE eine Entwicklungshilfe-Strategie stützt, die weniger gegen die Armut als vielmehr gegen die Armen gerichtet ist und deren Vermehrung eindämmen will. „JADELLE wurde vom bevölkerungspolitischen Think Tank ‚Population Council’ dafür entwickelt, Frauen in den Ländern des Globalen Südens möglichst langfristig unfruchtbar zu machen“, so Schultz – und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Nebenwirkungen wie starke oder ausbleibende Monatsblutungen, Depressionen, Migräne und abrupte Gewichtszunahmen oder –abnahmen zählte die Wissenschaftlerin von der Frankfurter Goethe-Universität auf.
Während BAYER die Ärmsten der Armen mit einem fünf Jahre wirkenden Silikonstäbchen bestückt, das in den Oberarm eingenäht wird, versucht der Pharma-Riese die reicheren Afrikanerinnen für seine teuren Kontrazeptiva zu gewinnen, kritisierte Daniel Bendix von GLOKAL e. V. Und wenn BAYER offiziell verkündet, „Kundinnen, die für ihre reproduktiven Gesundheitsdienstleistungen mehr zahlen können, dazu zu bringen, auf diese Produkte umzusteigen“, dann firmiert das Ganze auch noch unter Entwicklungshilfe und speist sich zum Teil aus staatlichen Geldern, so Bendix. Konkret nannte der Sozialwissenschaftler von der Universität Kassel Zahlungen von der US-amerikanischen Entwicklungshilfe-Einrichtung USAID. Dekkers focht das nicht an: Er gab unverdrossen den Albert Schweitzer. Der Pharma-Riese kalkuliere nur mit einer geringen Marge, und die staatliche Unterstützung würde gerade einmal ermöglichen, kostendeckend zu arbeiten, behauptete er. Und auch mit JADELLE betätigt sich der Konzern nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden nur als Samariter, reduziere das selbstverständlich sichere und gut verträgliche Mittel doch die Säuglings- und Müttersterblichkeit bei Geburten in beträchtlichem Maße. „Ohne Schwangerschaften keine Schwangerschaftskomplikationen“ – so lautete seine bestechende Logik.
Dieter Donner befasste sich hingegen mit den Risiken und Nebenwirkungen, die von BAYERs Kunststoff-Abteilung ausgehen und beschäftigte sich mit einer Sache, die für den Multi schon zu einer Altlast mutierte, ehe sie überhaupt in Betrieb ist: mit der von Dormagen nach Krefeld verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline. Auch 2014 war wieder ein schwarzes Jahr für das Projekt, wie der Presse-Koordinator der STOPP-BAYER-CO-PIPELINE-INITIATIVE resümierte. Erst legte die nordrhein-westfälische Landesregierung ein Gutachten vor, wonach es sicherere und sogar preisgünstigere Alternativen zu der Rohrleitung gibt, und dann beurteilte das Oberverwaltungsgericht Münster das Pipeline-Gesetz auch noch als verfassungswidrig. Zudem muss das Unternehmen sich weiter mit der Klage von Heinz-Josef Muhr auseinandersetzen, obwohl dieser jüngst verstarb. Donner, der zum Gedenken an Muhr einen Trauerflor trug, kündigte nämlich an, dass der Prozess trotzdem weitergeführt wird. Angesichts all dieser Unbill fragte Rainer Kalbe den Vorstand, ob er denn einen Plan B hätte. „Diese Frage stellt sich für uns nicht“, antwortete ihm Marijn Dekkers, denn die Giftgas-Leitung gewähre „ein Höchstmaß an Sicherheit“.
Sicherheitsproblemen virtueller Art nahm sich der IT-Berater Fabian Keil an. Er erbat vom Vorstand Informationen zum Datenschutz bei BAYER und erkundigte sich danach, welche Vorkehrungen der Konzern, der auch mit externen IT-Dienstleistern in den USA zusammenarbeitet, gegen Ausspäh-Versuche von NSA & Co. trifft. Eine konkrete Antwort darauf blieb der Vorstandsvorsitzende Keil schuldig, einmal mehr flüchtete Dekkers sich ins Allgemeine und versicherte dem kritischen Aktionär, beim Pharma-Riesen würden hohe Sicherheitsstandards im Computer-Bereich gelten.

Steuerschäden
Der Verfasser dieser Zeilen setzte die Steuermoral des Gen-Giganten auf die Agenda. „Aktuell ist das Unternehmen der wertvollste Konzern im Dax. Die Stadt Leverkusen aber, in der BAYER seinen Stammsitz hat, darbt“, hob er an und führte die ganz legalen Steuertricks auf, die so etwas ermöglichen. Zu den Mitteln der Wahl gehören für den Multi vor allem Niederlassungen in Holland und Belgien, die Anteile an BAYER-Gesellschaften halten und steuermindernde Zins- und Kredit-Transaktionen abwickeln. Zu den ständig sinkenden Gewerbesteuer-Zahlungen räumte der Vorstandsvorsitzende in bemerkenswerter Offenheit ein: „Die Strukturen des heutigen globalen Konzerns sind mit denen von BAYER aus den 80er und 90er Jahren nicht mehr vergleichbar.“ Er gab auch detaillierte Auskünfte zu den Struktur„reformen“. So haben holländische oder belgische Briefkasten-Firmen wie BAYER WOLRD INVESTMENTS Besitztitel an rund einem Fünftel aller 350 Gesellschaften des Konzerns. Und das Volumen ihrer Steuerspar-Geschäfte ist immens. So hat allein BAYER-Antwerpen anderen Töchtern des Global Players 2014 Kredite in einem Volumen von 13,4 Milliarden Euro gewährt.
Der Publizist Dr. Werner Rügemer stellte schließlich die für eine AktionärInnen-Versammlung zentrale Frage: Wem gehört BAYER eigentlich? Er legte die intransparenten Besitz-Verhältnisse dar, schilderte, wie die großen Finanzinvestoren beinahe täglich ihren Aktien-Anteil an dem Unternehmen verändern und forderte Aufklärung. Stellvertretend befasste Rügemer sich näher mit den Praktiken der Gesellschaft BLACKROCK, die 6,2 Prozent der BAYER-Papiere hält und wegen Verstößen gegen das Wertpapierhandelsgesetz im März 2015 eine Strafe in Höhe von 3,25 Millionen Euro zahlen musste. Unter anderem wollte Werner Rügemer von der Management-Riege wissen, wie sich die Beziehungen des Finanzinvestors zum Agro-Mogul konkret gestalten und ob BLACKROCK Einfluss auf die Einscheidung hatte, sich von der Kunststoff-Sparte zu trennen. Es gebe „einen regelmäßigen Gedankenaustausch“, antwortete Dekkers, im Geschäftsjahr 2014 hätten zwei Einzelgespräche auf Vorstandsebene in New York und Boston stattgefunden. Druck hat der Global Player dort laut Marijn Dekkers nicht bekommen: „Wir haben die Portfolio-Manager von BLACKROCK als konstruktive, interessierte und die Unternehmensstrategie unterstützende Aktionäre kennengelernt.“
Solche hat die Aktien-Gesellschaft am 27. Mai auf der Hauptversammlung hingegen kaum kennengelernt. Mit 26 kritischen AktionärInnen musste sie sich in den Kölner Messehallen auseinandersetzen. Und als reiche all dies noch nicht, wirkte das auch noch ansteckend, so dass sich auch andere zu Interventionen ermuntert fühlten. Uta Behrens vom „Deutschen Juristinnen-Bund“ mahnte mehr Frauen-Förderung an, die französische Journalistin Elise Lucet thematisierte weitere Pestizid-Probleme und Margret Seitz brachte aus gegebenem Anlass Fehler bei vergangenen Unternehmensabspaltungen auf Tapet. So musste der Leverkusener Multi seine Rekorde-Ergebnisse alleine feiern, die Hauptversammlung ist dafür seit Langem schon kein Ort mehr.

Schamlose Profite

Eine Aktie des Leverkusener Multis hat einen Wert von 2,56 Euro. Auf diesen Wert zahlte der Konzern eine Dividende von 2,25 Euro. Das entspricht einer Rendite von sage und schreibe 88 Prozent. Um der Öffentlichkeit diese Schamlosigkeit zu verschleiern, wählt der Global Player als Berechnungsgrundlage jedoch den aktuellen Kurswert des BAYER-Papiers, der gegenwärtig etwa 134 Euro beträgt. Und damit – Hokuspokus – macht der Dividenden-Ertrag nur noch 1,7 Prozent aus.

Abstimmungsergebnisse

Die Abstimmungen auf den AktionärInnen-Hauptversammlungen der Konzerne dominieren wenige GroßaktionärInnen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.) Sie sorgen für sichere Mehrheiten von 90 Prozent + x. Die vielen hunderttausend KleinaktionärInnen besitzen zusammen lediglich fünf bis zehn Prozent der Aktien. Entsprechend sind die Zahlen der Nein-Stimmen auf den Hauptversammlungen des Leverkusener Multis durchaus als Erfolg der Kritischen AktionärInnen bei BAYER zu werten. (Da das Unternehmen die Anzahl der Enthaltungen nicht nennt, ergeben sich im Verhältnis der absoluten Zahlen zu den Prozent-Angaben Schwankungen.)

Gewinn-Verwendung

Nein-Stimmen: 899.013 (0,3 Prozent)

Entlastung Vorstand

Nein-Stimmen: 505.329 (1,5 Prozent)

Entlastung Aufsichtsrat

Nein-Stimmen: 9.984.692 (3,1 Prozent)

Abschlussprüfung durch PWC (PricewaterhouseCoopers)

Nein-Stimmen: 44.346.258 (13,2 Prozent)

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

PAN für Pestizid-Abgabe
Die Ackergifte von BAYER & Co. bürden der Gesellschaft große Lasten auf. Darum fordert das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) eine Pestizid-Abgabe. „Die Umwelt-, Kontroll- und Gesundheitskosten, die durch Pestizide verursacht werden, sind weder im Preis der Pestizid-Produkte noch im Preis der Lebensmittel enthalten (...) Mit einer Abgabe könnte man diese Kosten auf die Pestizid-Produkte aufschlagen“, so die PAN-Aktivistin Susan Haffmans. Sie verweist dabei auch auf das Beispiel Dänemark, wo eine solche Regelung den Agrochemie-Verbrauch deutlich reduzieren konnte.

Weniger Kinderarbeit
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Kinderarbeit bei Zulieferern von BAYERs indischer Saatgut-Tochter PROAGRO angeprangert. Zunächst leugnete der Konzern seine Verantwortung, erst nach öffentlichkeitswirksamen Protesten kam Bewegung in die Sache. Das Unternehmen bekannte sich zu dem Problem, senkte den Anteil arbeitender Kinder unter 14 Jahren drastisch und installierte das „Child Care Program“, das neben Kontrollen auch noch ein Engagement auf dem Bildungssektor umfasst. Inzwischen hat der Global Player dieses Programm ausgeweitet. Er praktiziert es mittlerweile auch im indischen Gemüse-Anbau sowie auf den Reisfelder in Bangladesh und auf den Philippinen. Ein schöner Erfolg der CBG und ihrer MitstreiterInnen!

Kaum Frauen in Führungspositionen
Im BAYER-Vorstand sitzen keine Frauen. In der ersten Führungsebene unterhalb des Vorstands beträgt ihr Anteil fünf Prozent, in der zweiten neun Prozent. Und im Aufsichtsrat liegt die Quote bei 20 Prozent.

BETAFERON-Stellungnahme
Das „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON gehört zu den umsatzträchtigsten BAYER-Medikamenten, obwohl Studien dem Mittel größere Nebenwirkungen als Wirkungen bescheinigen. Während es bei nur 16 Prozent der frisch Erkrankten imstande ist, einen zweiten Schub zu verhindern, und bei einer schon chronifizierten, aber immer noch schubförmig verlaufenden MS bloß in vierzehn Prozent der Fälle anschlägt, produziert es unzählige unerwünschte Arznei-Effekte. Dazu gehören unter anderem Nierenleiden, Muskelschmerzen und Depressionen. Dies alles schadet dem Absatz jedoch nicht, weil der Leverkusener Multi beste Beziehungen zu Fachkreisen und Selbsthilfegruppen unterhält. Darum forderten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und die INITIATIVE SELBSTHILFE MULTIPLE SKLEROSE KRANKER den Pharma-Riesen auf, all diese Kontakte offenzulegen und auch etwaige finanzielle Zuwendungen zu dokumentieren.

BfArM für kleinere ASPIRIN-Packungen
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) warnt davor, die Risiken von ASPIRIN und anderen Schmerzmitteln zu unterschätzen. Der Gebrauch der Medikamente könne „zu Magenbluten mit unter Umständen tödlichem Ausgang, Leber- und Nierenschäden sowie allergenen Reaktionen führen“, so BfArM-Präsident Walter Schwerdtfeger. Bei dem ASPIRIN-Wirkstoff Acetylsalicylsäure bestehe das Risiko „selbst bei den niedrigen Dosierungen, die zur Prävention von Schlaganfall und Herzinfarkt dienen sollen“, konstatiert Schwerdtfeger. Darum verlangt das Bundesinstitut seit langem eine Reduzierung der Mengen, die noch ohne Rezept erhältlich sind. Im Jahr 2012 hatte der „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ eine solche Forderung nach einer Beschränkung der Packungsgrößen abgelehnt, und auch heuer stehen die Chancen für ein neues Regelwerk nicht besser. Gegenüber NOVARTIS wollte das BfArM im Frühjahr 2015 kleinere VOLTAREN-Schachteln gerichtlich durchsetzen, das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage allerdings ab.

DBU warnt vor BAYTRIL & Co.
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung führt zur massenhaften Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten, was eine massive Gesundheitsgefahr darstellt. Die DEUTSCHE BUNDESSTIFTUNG UMWELT fordert deshalb politische Schritte zur Einschränkung der Medikamenten-Gaben. Ansonsten bestehe die Gefahr, „dass es zu unkontrollierten Ausbreitungen von resistenten Keimen auch in der Bevölkerung kommt“, so DBU-Generalsekretär Heinrich Bottermann gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Grüne gegen BAYTRIL-Rabatt
An der massenhaften Verbreitung von BAYTRIL und anderen Antibiotika in den Ställen haben die VeterinärInnen keinen geringen Anteil. Sie sind nämlich Arzt und Apotheker in Personalunion und verdienen an den von ihnen ausgegebenen Medikamenten. Zudem haben sich unter den Tier-MedizinerInnen oligopol-artige Strukturen herausgebildet. So bedienen die zehn größten Praxen die Geflügel- und Kälbermastbetriebe fast im Alleingang: Ihr Marktanteil beträgt 90 Prozent. Und sie können BAYTRIL & Co. zu Konditionen veräußern, zu denen es manche TierärztInnen nicht einmal im Einkauf bekommen, weil die Pharma-Riesen ihnen Mengen-Rabatte gewähren (siehe auch Ticker 2/15). Darum haben die Grünen in den „Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft“ den Antrag eingebracht, das Einräumen solcher Sonderkonditionen zu verbieten und einheitliche Abgabe-Preise einzuführen. Das lehnten CDU und SPD jedoch ab (siehe auch TIERE & ARZNEIEN).

Arznei-Studien: ein bisschen Transparenz
Im letzten Jahr hat die EU BAYER & Co. auferlegt, ihre Arznei-Studien zu veröffentlichen. Allerdings brauchen sie nicht die Original-Untersuchungen zu präsentieren, sondern können die Daten aufbereiten. Den Persilschein für diese „Transparenz light“ liefert der Verweis auf Geschäftsgeheimnisse, mit dem der Leverkusener Multi auch die Einsichtnahme in seinen mit der Universität Köln geschlossenen Kooperationsvertrag verweigert (Ticker berichtete mehrfach). Das Europäische Parlament hatte bei seiner Entscheidung zwar deutlich gemacht, dass Unterlagen aus Klinischen Prüfungen an sich nicht unter dieses Rubrum fallen, aber die sehr industrie-freundliche Arznei-Behörde EMA respektiert bei der konkreten Ausgestaltung der Studien-Datenbank den Wunsch der Pharma-Riesen nach Diskretion. Das stößt auf scharfe Kritik. „Weder die Ergebnisse noch die Methoden klinischer Studien sind Geschäftsgeheimnisse. Partikular-Interessen müssen sich dem öffentlichen Interesse an einer zügigen und vollständigen Veröffentlichung solcher Daten und Dokumente unterordnen“, hält etwa das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) fest. Aber ob die öffentliche Empörung die Auskunftsfreudigkeit von Big Pharma zu steigern vermag, bleibt zweifelhaft, zumal die Unternehmen zusätzlich noch auf die gerade in Planung befindliche EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen hoffen dürfen, die auch Regelungen zu Studien mit Medikamenten, Chemikalien und Pestiziden umfasst.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifrunde 2014: nur 2,8 Prozent mehr
Die diesjährigen Tarif-Verhandlungen in der Chemie-Branche verliefen in einer weit weniger sozialpartnerschaftlichen Atmosphäre als frühere. „Selten war eine Tarifrunde in der chemischen Industrie derart aufgeheizt wie in diesem Jahr“, resümierte die Rheinische Post. Grund war das niedrige Angebot des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie (BAVC) von 1,6 Prozent mehr Entgelt bei einer Vertragslaufzeit von 15 Monaten. Wegen des herausfordernden wirtschaftlichen und geopolitischen Umfelds im Allgemeinen und der Lage der ertragsschwächeren kleineren Betriebe im Besonderen könne er leider nicht mehr bieten, führte der BAVC zur Begründung an. Der Vorschlag erboste die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE). „Als ich das gehört habe, ist mir die Kinnlade heruntergerutscht“, berichtete der Tarif-Vorstand der IG BCE, Peter Hausmann. Dementsprechend schwierig gestalteten sich die Gespräche, in deren Verlauf es auch zu Warnstreiks und anderen Aktionen kam. So protestierten BAYER-Beschäftigte in Berlin und Weimar vor der Konzern-Niederlassung für eine gerechtere Bezahlung. Die IG BCE zögerte am Schluss nicht einmal, offen mit einem Arbeitskampf zu drohen. Das hatte sie zuletzt vor zehn Jahren getan, und der letzte Streik liegt sogar schon 34 Jahre zurück. Letztendlich scheute die Gewerkschaft die Konfrontration dann aber doch und gab klein bei. Während die Chemie-WerkerInnen in der letzten Tarifrunde noch 3,7 Prozent mehr Entgelt erhalten hatten, akzeptierte die IG BCE dieses Mal eine Erhöhung von nur 2,8 Prozent – und das auch noch bei einer Laufzeit von 17 Monaten.

Immer weniger Beschäftigte
Im Jahr 1996 hatte BAYER 142.200 Beschäftigte. 2014 waren es gerade mal noch 119.000. Und in nächster Zeit wird diese Zahl durch den Verkauf der Kunststoff-Sparte noch einmal beträchtlich sinken. Dabei könnte sie den absoluten Tiefpunkt von 2004 erreichen, wo bloß 91.700 Menschen beim Leverkusener Multi arbeiteten.

BAYER macht depressiv
Nach einer Untersuchung der „Techniker Krankenkasse“ treten Depressionen in Leverkusen leicht häufiger auf als im NRW-Landesdurchschnitt. Während die Kasse die hohe Arbeitslosen-Quote und die große Anzahl von BerufspendlerInnen in der Stadt als mögliche Gründe anführt, lenkt der Psychologe Martin Gadatsch den Blick auf BAYER. „Es kann auch ein strukturelles Problem hinter der Häufung von depressiven Erkrankungen in Leverkusen stecken. In Leverkusen arbeiten besonders viele Leute bei BAYER. Früher war BAYER für diese Menschen eine große Familie. Mit steigendem Wirtschaftsdruck wächst der Stress aber auch für die Mitarbeiter“, so Gadatsch. Er dürfte dabei aus Erfahrung sprechen, denn er arbeitet in der nahe Leverkusen gelegenen Klinik Roderbirken, die unter anderem auf Psycho-Kardiologie spezialisiert ist, sich also den Auswirkungen seelischer Belastungen auf das Herz widmet.

Immer weniger Tarifverträge
Weltweit hat der Leverkusener Multi nur mit knapp der Hälfte seiner Beschäftigten Tarifverträge abgeschlossen, und 2014 haben sich die Zahlen noch einmal verschlechtert. Der Anteil der Belegschaften, mit denen der Konzern eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen hat, sank von 54 auf 52 Prozent. In Europa bestehen solche Regelungen mit 87 Prozent der BAYER-WerkerInnen, in Lateinamerika beträgt die Quote 45 Prozent und Schlusslicht bleiben die Vereinigten Staaten mit bloß fünf Prozent.

Ein bisschen Mitsprache
Eine formelle Mitbestimmung mit einem Aufsichtsrat, in dem Beschäftigten-VertreterInnen Stimmen haben, existiert nur in der Bundesrepublik. Im restlichen Europa gibt es in den BAYER-Werken immerhin noch Betriebsräte. Dies ist im Rest der Welt dann auch nicht mehr der Fall. Das höchste der Gefühle stellen da laut BAYER-Geschäftsbericht „gewählte Mitarbeiter-Vertreter“ dar, die „bei bestimmten personal-bezogenen Unternehmensentscheidungen ein Mitsprache-Recht“ haben.

Kein Kunststoff mehr aus Belford Roxo
Wenn BAYER ankündigt, sich von Teilgesellschaften zu trennen, entfalten diese in der Regel mannigfaltige Rationalisierungsaktivitäten, um sich so attraktiver für mögliche Investoren zu machen. Ganz nach diesem Muster handelt auch BAYER MATERIALSCIENCE. Die vom Leverkusener Multi zur Disposition gestellte „Plaste & Elaste“-Sparte hat im Juli 2015 die Kunststoff-Produktion im brasilianischen Belford Roxo gestoppt, wo sie bisher jährlich 55.000 Tonnen Diphenylmethan-Diisocyanat (MDI), 15.000 Tonnen Polyether-Polyolen sowie Lack-Vorprodukte fertigte. 320 Arbeitsplätze vernichtete BMS dadurch, und längst nicht alle Beschäftigten können zu den anderen BAYER-Gesellschaften am Platze wechseln.

Selbstbedienung im Ideen-Pool
Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit betont der Leverkusener Multi die Unverzichtbarkeit des Schutzes des geistigen Eigentums. An den Ideen seiner Belegschaftsangehörigen vergreift der Konzern sich jedoch ganz unverblümt. So erklärt der Pharma-Riese frank und frei, dank der 2014 eingereichten Verbesserungsvorschläge der Beschäftigten bereits im ersten Jahr der Umsetzung über fünf Millionen Euro eingespart zu haben. An Prämien zahlte er indessen nur rund eine Million Euro aus.

E.ON-Vorbild BAYER
Was BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning in Leverkusen gelernt hat, das praktiziert er auch an anderer Stelle, zum Beispiel bei E.ON, wo er ebenfalls dem obersten Kontrollgremium vorsitzt. KommentatorInnen schreiben ihm eine maßgebliche Rolle bei der Entscheidung des Energie-Multis zu, das Alt-Geschäft mit den Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken von dem Unternehmensteil abzuspalten, der sich dem Vertrieb, den Stromnetzen und der Erneuerbaren Energie widmet. So konstatiert das manager-magazin: „Die Lösung eines Spin-offs trägt die Handschrift des E.ON-Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning. Der frühere BAYER-Chef hat Erfahrung mit derlei Konzepten seit der Abspaltung von LANXESS (die ehemalige Chemie-Sparte des Leverkusener Multis, Anm. SWB).“

KONZERN & VERGANGENHEIT

Der PCB-Produktionsstopp von 1971
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Sie können das menschliche Hormonsystem, das Nervensystem und das Immunsystem schädigen, die Schilddrüse, Leber und Nieren angreifen und zu Unfruchtbarkeit führen. 1971 entschlossen sich MONSANTO und BAYER dazu, die Produktion der Chemikalie zu stoppen, die bis dahin vor allem in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz kam. Die treibende Kraft dabei war der US-Konzern. Er drängte auf den PCB-Ausstieg, „um nicht von einer Welle politischer Emotionen über Bord gespült zu werden“, wie es der damalige Europa-Chef Norbert Dahlström ausdrückte. Zu der Zeit waren die Wogen nämlich schon ziemlich hochgegangen. Meldungen über fünf Japaner, die nach der Zubereitung von Reis in PCB-verunreinigtem Öl gestorben waren, über Totgeborene mit deutlichen Symptomen einer PCB-Vergiftung, 146.000 durch PCB verendete Hühner und Nachrichten über hohe PCB-Rückstände im menschlichen Körper hatten die Öffentlichkeit alarmiert. Trotzdem zögerte der Leverkusener Multi lange, auf den MONSANTO-Vorschlag einzugehen. Fünf Monate lang musste Dahlström nach eigenen Worten „auf BAYER einwirken“, ehe der Pharma-Riese zustimmte. Anfang Oktober 1971 besprachen die beiden Unternehmen dann in Bad Godesberg gemeinsam mit EmissärInnen des Bundesgesundheitsamtes die Details. Dabei forderte die bundesdeutsche Aktien-Gesellschaft dann auch noch Gegenleistungen ein. Sie wollte als Belohnung für ihren Schritt laut Spiegel eine Zusicherung der amtlichen Stellen haben, dass von „eingehenderen Untersuchungen“ der Risiken und Nebenwirkungen von PCB „abgesehen werden“ soll. Zudem produzierte BAYER den Stoff zur Verwendung in vermeintlich sichereren, weil geschlossenen Systemen wie Hydraulik-Ölen und Transformatoren weiter und stellte die Fertigung erst 1983 ganz ein. Schäden richtet der chemisch nur schwer abbaubare Stoff jedoch noch immer an. Darum finden quer durch die Republik aufwendige Sanierungen von Universitäten und Schulen statt – und eine Beteiligung an den Kosten lehnt der Global Player strikt ab.

POLITIK & EINFLUSS

Dekkers will Geld für Antibiotika-Forschung
Die gängigen Antibiotika verlieren immer mehr an Wirkung und können gegen viele Krankheitskeime nichts mehr ausrichten. Die massenhafte Verwendung von Mitteln wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung hat daran einen nicht unerheblichen Anteil (siehe TIERE und ARZNEIEN), denn sie fördert die Herausbildung von antibiotika-resistenten Erregern, die auch in den menschlichen Organismus gelangen können. Der Leverkusener Multi tut jedoch nichts, um sich dem Problem zu stellen. Er forscht auch nicht nach neuen Präparaten. Antibiotika stellen für die Pillen-Riesen nämlich keine große Einnahme-Quelle dar, weil die MedizinerInnen sie nur über einen kurzen Zeitraum hinweg verordnen. „Wir müssen Geld verdienen mit unseren Produkten. Das führt dazu, dass nicht alle Medikamente entwickelt werden, die wir brauchen“, erläuterte Konzern-Chef Marijn Dekkers im Spiegel den Sachverhalt. Daraus zieht er die Konsequenz, staatliche Subventionen einzufordern: „Die Regierungen sollten die Pharma-Industrie wie in der Militär-Industrie Auftragsforschung machen lassen.“

Klimaschutz: Dekkers mauert
Im Herbst 2014 hat die EU ihre Klimaschutz-Ziele festgelegt und eine Senkung der Kohlendioxid-Emissionen von 40 Prozent bis zum Jahr 2030 beschlossen. Der Leverkusener Multi, der im letzten Jahr 8,72 Millionen Tonnen des Gases ausgestoßen hat, hält das für unerreichbar. „Wir akzeptieren diese politische Vorgabe. Und wir wollen unseren Beitrag dazu leisten. Gleichwohl sehen wir derzeit aber weder eine technische noch eine wirtschaftliche Lösung, wie die deutsche chemische Industrie dieses hochgesteckte Ziel erreichen könnte“, sagte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in seiner Funktion als Präsident des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI). Er plädierte deshalb dafür, die Bereiche „Verkehr“ und „Wohnen“ zur Entlastung von BAYER & Co. mehr in die CO2-Reduktionspläne einzubeziehen. Ansonsten müsste die Chemie-Industrie leider die Produktion drosseln, um den Anforderungen gerecht zu werden, drohte der Holländer. Einen zweiten Lösungsansatz sah er in einem internationalen Klima-Abkommen, wohl wissend, dass die Chancen für eine derartige Übereinkunft zurzeit gen Null tendieren: „Nur wenn es gelingt, auch international alle wichtigen Emittenten einzubeziehen, laufen die Belastungen nicht gegen die Wettbewerbsfähigkeit Europas.“

Kaum weniger EEG-Rabatte
BAYER & Co. klagen routinemäßig über die hohen Strom-Kosten, die ihnen das „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) durch die Förderung von Windkraft & Co. angeblich beschert. Dabei gewährt das Paragraphen-Werk energie-intensiven Betrieben großzügige Rabatte, für welche dann die Privathaushalte aufzukommen haben. Für diese stieg die Strom-Rechnung seit 2008 um 38 Prozent, während diejenige der Konzerne in der Zeit sogar um ein Prozent niedriger ausfiel. Die ungleiche Lasten-Verteilung brachte das ganze EEG in Verruf, weshalb schon Schwarz-Gelb eine „Reform“ begonnen hatte, welche die Große Koalition unter der Ägide von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dann abschloss. Der Vize-Kanzler drosselte den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Gleichzeitig schaffte er es durch zähe Überzeugungsarbeit in Brüssel, den Konzernen die von der EU eigentlich als unerlaubte Subventionen angesehenen Industrie-Privilegien weiterhin zu sichern. Er erklärte sich lediglich zu etwas mehr Enthaltsamkeit bereit und kündigte an, die Preis-Abschläge um eine Milliarde Euro zu reduzieren. BAYER & Co. wehrten sich jedoch vehement und hatten damit Erfolg. Es gelang ihnen, den Gabriel-Plan zu Fall zu bringen, auf den von den Kraftwerken der Unternehmen selber erzeugten Strom eine Öko-Abgabe zu erheben. Unter anderem deshalb musste sich der Wirtschaftsminister von seinem Milliarden-Ziel verabschieden: 2015 sanken die Subventionen für die Industrie um gerade einmal 300 Millionen Euro auf 4,8 Milliarden Euro. Trotzdem geben sich die Multis nicht zufrieden. So forderte BAYER-Chef Marijn Dekkers in seiner Funktion als Präsident des „Verbandes der Chemischen Industrie“, die Ökostrom-Förderung aus Steuer-Mitteln zu bestreiten: „Mit einer alternativen Finanzierung der Energiewende – zum Beispiel über den Bundeshaushalt – könnten die Förderzusagen des EEG eingehalten werden, ohne den Strompreis in die Höhe zu treiben.“

Klimaschutz-Programm schont BAYER & Co.
Im Jahr 2007 hat die damalige Bundesregierung das Klimaschutz-Ziel ausgegeben, die Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken, mit 1990 als Bezugsgröße. Die parallel dazu eingeleiteten Maßnahmen genügten jedoch nicht, um die Reduktion zu erreichen. Darum hat die Große Koalition Ende 2014 nachgelegt und ein „Aktionsprogramm Klimaschutz“ sowie einen „Aktionsplan Energie-Effizienz“ auf den Weg gebracht, womit sie bis zu 78 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich einsparen will. Der Leverkusener Multi braucht dazu aber kaum einen Beitrag zu leisten, obwohl sein Energie-Verbrauch ebenso wie sein CO2-Ausstoß steigt (siehe WASSER, BODEN & LUFT). „Der Fokus der beschlossenen Maßnahmen liegt auf den Bereichen ‚Gebäude’ und ‚Verkehr’“, atmet der „Verband der Chemischen Energie“ auf, also genau dort, wo er nach Meinung seines derzeitigen Präsidenten, des BAYER-Chefs Marijn Dekkers, auch liegen sollte (s. o.). Dem VCI gefällt zudem, dass die Regierungskoalition seine Signale erhört hat und Sektoren, die bereits dem Emissionshandel unterliegen, keine weiteren Auflagen gemacht hat. Auch das alleinige Setzen auf freiwillige Maßnahmen im Industrie-Bereich begrüßt die Lobby-Organisation. Darüber hinaus ließ Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zur Freude von BAYER & Co. den Plan fallen, eine Sonderabgabe auf ältere Kohlekraftwerke zu erheben – das hätte nämlich ihre Strom-Rechnung erhöhen können. Stattdessen ging der Sozialdemokrat den umgekehrten, von dem Chemiegewerkschaftsboss Michael Vassiliadis ersonnenen und von der rot-grünen NRW-Landesregierung tatkräftig unterstützten Weg: Er zahlt den Energie-Riesen Abwrack-Prämien für das Stilllegen ihrer Dreckschleudern und holt sich das Geld dafür bei den Strom-KundInnen wieder.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit mit Agrar-Subventionen. Brüssel sieht die Pestizid-Versuche, die der Konzern auf seinen Ackerflächen in Monheim und Burscheid unternimmt, nämlich als landwirtschaftliche Aktivitäten an. Allerdings nehmen die Zahlungen ab. Strich der Konzern 2013 noch fast 180.000 Euro ein, so gab es 2014 „nur“ 49.000 Euro.

VFA schreibt Merkel wg. Griechenland
BAYER und die anderen Pharma-Multis haben vor der Krise heftig von der griechischen Misswirtschaft im Gesundheitswesen profitiert, wie der Schriftsteller Petros Markaris 2011 in einem Zeit-Artikel festhielt. „In welchem Ausmaß dabei Geld verschwendet wurde, haben die Griechen erst jetzt begriffen. Der Einkauf von Arzneimitteln und medizinischem Gerät wurde bislang von den Krankenhäusern selbst vorgenommen. Jetzt hat das Gesundheitsministerium den Kauf von Arzneimitteln zentral über das Internet organisiert und gemäß den bisherigen Ausgaben dafür 9.937.480 Euro zur Verfügung gestellt. Nun stellte sich heraus: Die Medikamente kosteten nur 616.505 Euro, also bloß 6,2 Prozent der früheren Summe!“, schrieb er. Jetzt können die Pillen-Riesen in dem Staat nicht mehr so viel Geld einstreichen. Und das hat zu allem Überfluss auch noch Einfluss auf die Einnahmen hierzulande. Für neue Medikamente legen die Krankenkassen und die Hersteller die Preise nämlich fest, indem sie sich daran orientieren, was Pharmazeutika in anderen Staaten so kosten. Und in diesem sogenannten Länderkorb macht Griechenland zur Zeit alles etwas billiger. Darum forderte der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“: „Die Preis-Referenzierung auf Griechenland in Deutschland muss ausgesetzt werden. Die dortige Sondersituation darf keine europa-weite Preisspirale nach unten lostreten.“ Der Verband setzte in der Sache sogar einen Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel auf.

Duin bei „Steam Reformer“-Einweihung
Ursprünglich hatte BAYER den Bau der Kohlenmonoxid-Leitung zwischen Dormagen und Krefeld mit dem CO-Überschuss in Dormagen begründet. Davon kann allerdings schon lange nicht mehr die Rede sein. Der Bau einer neuen TDI-Anlage am Standort machte sogar die Errichtung eines Steam Reformers zur Deckung des Mehrbedarfs notwendig. Am 17. April 2015 nahm ihn der Leverkusener Multi feierlich in Betrieb. „Als „elementar für die Chemie in unserem Land“ pries der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) die Investition bei dem Festakt. Er nutzte die Gelegenheit jedoch nicht, um zu fragen, warum BAYER einen solchen Reformer als Alternative zum gefährlichen Transport des Stoffes quer durchs Land nicht auch in Krefeld plant, obwohl der Konzern damit einem von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten zufolge auch noch Geld sparen würde.

PROPAGANDA & MEDIEN

Pestizid-Propaganda

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Pestizide stehen immer stärker in der Kritik. Kaum ein Tag vergeht ohne Meldungen über ihre Risiken und Nebenwirkungen für Mensch, Tier und Umwelt. Der Leverkusener Multi geht deshalb in die Offensive und startet einen „Agrar-Dialog zum Pflanzenschutz“. Seine AußendienstlerInnen verteilen ein Kompendium, das auf Fragen wie „Warum brauchen wir überhaupt Pflanzenschutzmittel?“ oder „Wie sieht es mit den Rückständen in Lebensmitteln aus?“ einfache Antworten gibt. Als AdressatInnen hat der Konzern dabei neben LandwirtInnen „und/oder landwirtschaftlichen Öffentlichkeitsarbeitern“ auch VerbraucherInnen im Sinn. Und das Propaganda-Material steht nicht nur „als gedruckte Ausgabe in Form eines Fächers, eines Heftchens und eines Kartenspiels“ zur Verfügung, sondern auch als App.

Pestizid-Propaganda

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Die zunehmende Kritik an Pestiziden (s. o.) hat auch schon zu Konsequenzen wie der vorläufigen Aussetzung der Genehmigung für die BAYER-Ackergifte GAUCHO und PONCHO wegen ihrer Bienengefährlichkeit geführt. Das bereitet dem Leverkusener Multi Sorge. Darum unternimmt er große Anstrengungen, um der Politik und der Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass die Entscheidung der EU zu einer Rückkehr der Plagen führt. So befragte der Konzern 8.000 LandwirtInnen, die einhellig zu Protokoll gaben, welche Probleme ihnen das Fehlen von GAUCHO und PONCHO bereitet. 98 Prozent klagten über zunehmende Schäden durch den Raps-Erdfloh und 74 Prozent über solche durch die Kleine Kohlfliege verursachten.

Pestizid-Propaganda

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Um das schlechte Image von Pestiziden zu verbessern, haben BAYER & Co. die Aktion „Schau ins Feld“ gestartet. Im Rahmen dieser Initiative verschonen die teilnehmenden LandwirtInnen auf einem an öffentliche Wege grenzenden Feld einen Teil ihrer Ackerfrüchte mit den Agro-Chemikalien. „So wird sich bis zur Ernte dem Betrachter ein Bild bieten, das den Fachmann nicht überrascht, wohl aber manchen Spaziergänger oder Radfahrer: Unkräuter überwuchern die Kulturen, Pilzkrankheiten und Schädlinge verursachen sichtbare Schäden und gefährden die Erde“, hofft die Branchen-Organisation „Industrieverband Agrar“.

Pestizid-Propaganda

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Die Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden haben teilweise zu einer strengeren Zulassungspraxis geführt – und in den Augen BAYERs zu einer so strengen, dass sie Zulassungen überhaupt verhindert. So sieht der Leverkusener Multi das Inverkehrbringen neuer Insektizide durch rigidere Auflagen der „Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA) gefährdet. Diese schreibt den Konzernen unter anderem vor, die Bienengefährlichkeit ihrer Produkte auf einem Versuchsareal mit ausreichenden Abmessungen zu untersuchen. Der Konzern hat hierfür jedoch einen Flächenbedarf von 448 km2 errechnet und sieht sich außerstande, solch ein großes Gebiet aufzutreiben.

Pestizid-Propaganda

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Wegen seiner bienengefährlichen Pestizide PONCHO und GAUCHO steht der Leverkusener Multi bereits seit Langem in der Kritik von BienenzüchterInnen. BAYER hat darauf reagiert und selber einen Imker angeheuert, um den aufgebrachten BienenhalterInnen die Konzern-Version vom Bienensterben möglichst glaubwürdig vermitteln zu können. „Freier Berater für Bienengesundheit“ nennt sich Fred Klockgether. Und er, der sich laut Faz nur „sehr ungern als Lobbyist bezeichnen ließe“, meint selbstverständlich, „dass der Rückgang von Wildbienen mehr durch den Wegfall von Habitaten begründet ist als durch den Pflanzenschutzmittel-Einsatz“ und dass die Varroa-Milbe die Reduzierung der Honigbienen-Populationen verursacht habe. Klockgether zögert nicht einmal, den Agro-Riesen ob seiner Mittel gegen die Milbe als Bienenretter zu bezeichnen.

Elf Milliarden Marketing-Kosten
Seit Jahren wachsen BAYERs Marketing-Kosten. 2014 stiegen sie um rund 700 Millionen Euro auf 11 Milliarden Euro an. Damit machen sie mehr als ein Viertel des Umsatzes aus. Trotz dieses gewaltigen Volumens weigert sich der Konzern auf den Hauptversammlungen beharrlich, die Ausgaben genauer aufzuschlüsseln. Nur zu der Aussage, 40 Prozent des Etats verbrauche die Pharma-Sparte, ließ sich BAYER-Chef Marijn Dekkers 2013 hinreißen. Einen Großteil dieser 40 Prozent wiederum dürfte der Konzern aufwenden, um seinen gefährlichen Gerinnungshemmer XARELTO zu bewerben. Und diese Investition lohnt sich: Trotz vieler kritischer Stimmen aus dem Bereich des Gesundheitswesens setzte der Leverkusener Multi im letzten Jahr mit dem Mittel fast 1,7 Milliarden Euro um.

BAYERs rollendes SchülerInnen-Labor
In Kooperation mit der Berliner Humboldt-Universität betreibt der Leverkusener Multi ein rollendes Labor. Das „Humboldt-BAYER-Mobil“ fährt Schulen in der Bundesrepublik an und arbeitet mehr oder weniger spielerisch den naturwissenschaftlichen Lernplan des Konzerns ab, um bei den 11- bis 15-Jährigen „die Attraktivität des Fachgebietes zu erhöhen“.

TIERE & ARZNEIEN

Tiermast: hohe Antibiotika-Gaben in NRW
Die massenhafte Gabe von Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung befördert die Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese dann in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten, was eine massive Gesundheitsgefahr darstellt. Deshalb steht diese Praxis bereits seit Jahren in der Kritik. Geändert hat sich bislang allerdings nur wenig. Das zeigt jetzt eine Studie des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums über die Antibiotika-Applikation in der Puten-Aufzucht. 92,8 Prozent der Tiere mussten diese Medikamente während ihrer vier- bis sechsmonatigen Aufzucht schlucken. „Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Intensiv-Haltung ist weiterhin Alltag“, resümierte NRW-Umweltminister Johannes Remmel bei der Vorstellung der Untersuchung. Am häufigsten wurde in den Ställen auf Benzylpenicillin zurückgegriffen, dann folgten Colistin, Amoxicillin und Enrofloxacin, der Wirkstoff von BAYTRIL. Enrofloxacin gehört zur Gruppe der Fluorchinolone, die auch in der Humanmedizin Verwendung finden – das entsprechende BAYER-Präparat heißt CIPROBAY – und dort sogar den Status von Reserve-Antibiotika haben, weil sie gegen viele Krankheiten wirken. Die Verabreichung von Enrofloxacin in den Ställen schätzt die Untersuchung deshalb als besonders problematisch ein, zumal ihre humanmedizinischen Pendants gegen die ESBL-Keime schon ihre Wirkkraft eingebüßt haben. Deshalb forderte der NRW-Umweltminister Johannes Remmel die Bundesregierung im Frühjahr auf, den Gebrauch von Reserve-Antibiotika, zu denen neben Enrofloxacin auch Colistin gehört, in der Massentierzucht zu verbieten. Und die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen stellte im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft den Antrag, den Einsatz von Fluorochinolen und vergleichbaren Mitteln nur noch in Ausnahmefällen zu gestatten. CDU und SPD lehnten das jedoch ebenso ab wie strengere Auflagen zur Abgabe von Antibiotika an VeterinärInnen (siehe auch AKTION & KRITIK).

Mehr BAYTRIL in den Tierställen
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Das stellt auch für die Humanmedizin eine Gefahr dar, denn die Keime, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist, können in den menschlichen Organismus gelangen. Erleichtert vermeldet das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) darum für das Jahr 2014 einen Rückgang der Antibiotika-Gaben in den Ställen. Von 1.452 auf 1.238 Tonnen gingen die verabreichten Mengen zurück. Was das BVL da als Erfolgsmeldung verkauft, ist allerdings nur auf den ersten Blick eine. Da die Präparate nämlich immer effektiver wirken, sagen die nackten Zahlen nur wenig aus: Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, vermögen die LandwirtInnen mit einer Tonne von BAYERs BAYTRIL 2,2 Millionen Tiere zu versorgen. Und das Leverkusener Produkt mit dem Wirkstoff Enrofloxacin, der zur Substanz-Klasse der Fluorchinolone gehört, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. „Die Abgabe von Fluorchinolonen hat auf hohem Niveau weiter leicht zugenommen und zeigt gegenüber dem ersten Erfassungsjahr 2011 eine Steigerung von nunmehr 50 Prozent“, konstatiert das Bundesamt. Um 200 Kilogramm auf 12,3 Tonnen wuchs der Verbrauch. Das ist alarmierend, denn Fluorchinolone finden auch in der Humanmedizin Verwendung – das entsprechende BAYER-Präparat heißt CIPROBAY – und haben dort sogar den Status von Reserve-Antibiotika, weil sie gegen viele Krankheiten wirken. Darum erklärten die ÄRZTE GEGEN MASSENTIERHALTUNG: „Wir fordern das sofortige Verbot des Einsatzes dieser Antibiotika-Klassen in der Tierhaltung“. Zudem appellierten sie an die Politik, nach dem Vorbild der Niederlande das verbindliche Reduktionsziel „50 Prozent weniger Antibiotika in den Mast-Anlagen binnen dreier Jahre“ vorzugeben.

Erweitertes Anwende-Spektrum für BAYTRIL
BAYERs Veterinär-Antibiotikum BAYTRIL kann bald noch mehr Schaden anrichten (s. o.) In den USA erhielt der Leverkusener Multi für BAYTRIL 100 die Zulassung, das ein erweitertes Anwendungsspektrum hat und nun bei Schweinen auch zum Einsatz kommen kann, wenn die Tiere vom E.coli-Bakterium befallen sind. Zudem dürfen die TierärztInnen das Präparat jetzt auch intra-muskulär spritzen. Als eine gute Nachricht für Schweine-ProduzentInnen, VeterinärInnen und alle, denen eine Versorgung mit gesunden Nahrungsmitteln am Herzen liegt, feierte der Leverkusener Multi die Entscheidung der US-Gesundheitsbehörde FDA.

TIERE & VERSUCHE

144.471 Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2014 hat BAYER 144.471 Tierversuche durchgeführt, 95,8 Prozent davon mit Ratten und Mäusen. Die Zahl ist nur bedingt mit derjenigen von 2013 vergleichbar, wo es 142.084 Experimente am „Tiermodell“ gab. Die EU hat nämlich die Dokumentationsvorschriften geändert; gemäß der Richtlinie 2010/63 müssen die Unternehmen jetzt nicht mehr die Tiere selber, sondern ihre Einsätze zählen. „Ob der Anstieg um 1,7 Prozent alleine durch die neue Zählweise oder von unseren Projekten im letzten Jahr abhängig war, kann nicht eindeutig identifiziert werden“, erklärt der Konzern deshalb.

DRUGS & PILLS

Immer mehr XARELTO
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ erhielt allein 2014 161 Benachrichtigungen über Todesfälle im Zusammenhang mit dem Mittel; insgesamt erfolgten rund 2.000 Meldungen wegen unerwünschter Pharma-Effekte. Trotzdem will der Leverkusener Multi das Anwendungsspektrum des bisher unter anderem zur Behandlung von Thrombosen, Embolien und von Vorhofflimmern zugelassenen Präparates weiter vergrößern. Für sieben neue Indikationen wie z. B. zur Therapie von PatientInnen mit chronischem Herz-Versagen testet der Konzern die Arznei derzeit.

Kein Handlungsbedarf bei XARELTO
Jetzt musste sich sogar die Bundesregierung mit BAYERs umstrittenem Gerinnungshemmer XARELTO beschäftigen. Die Partei „Die Linke“ wollte in einer Kleinen Anfrage wissen, welche Konsequenzen die Große Koalition aus den zahlreichen Berichten über die Risiken und Nebenwirkungen der Arznei zu ziehen gedenkt. Die Antwort fiel ernüchternd aus. Es bestehe „kein neuer Handlungsbedarf“, verlautete aus den Reihen der Großen Koalition. Merkel & Co sprachen von einer derzeit positiven Nutzen/Risiko-Relation“ und ließen sich von dieser Meinung noch nicht einmal durch die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ (AkdÄ) abbringen, die vor dem massenhaften Verschreiben von „Neuen Oralen Anti-Koagulantien“ (NOAKs) wie XARELTO gewarnt hatte. Und an der Tatsache, dass es zu dem BAYER-Präparat im Gegensatz zur Standard-Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten wie MARCUMAR kein Gegenmittel gibt, um Blutungen zu stoppen, nimmt die Merkel-Regierung ebenfalls keinen Anstoß. Sie hält ein solches Antidot nicht für nötig, weil sich XARELTO im Organismus angeblich relativ schnell abbaue.

NOCTAMID: hohes Sucht-Potenzial
BAYERs Schlafmittel NOCTAMID mit dem Wirkstoff Lormetazepam gehört zu den Benzodiazepinen. Eine Studie der Universität Bochum unter Federführung von Dr. Knut Hoffmann bescheinigt dieser Substanz-Klasse ein hohes Sucht-Potenzial. Von 128.000 bis 1,6 Millionen Abhängigen allein in der Bundesrepublik spricht die Untersuchung. Gemäß Zulassung sollte die Anwendung benzodiazepin-haltiger Mittel zwar auf zwei bis vier Wochen beschränkt bleiben, das entspricht jedoch nicht der Praxis. Viele Menschen bekommen die Präparate doch länger verordnet oder sie besorgen sich die Mittel auf eigene Kosten über ein Privat-Rezept. Hoffmann und seine MitarbeiterInnen zitieren eine Arbeit von Dr. Rüdiger Holzbach, wonach 2,8 Prozent der PatientInnen ein sehr problematisches Einnahme-Verhalten zeigen und 17,5 Prozent ein problematisches. Bei älteren Menschen liegt diese Quote sogar bei über 20 Prozent. Die Ergebnisse der Studie alarmieren deshalb besonders, weil hierzulande jährlich rund zwei Millionen Packungen von NOCTAMID & Co. über die Ladentheken der Apotheken gehen. Hoffmann und seinem Team bleibt da nur, einmal mehr zu warnen: „Trotz initial guter Wirksamkeit sollte die Indikation streng und zeitlich befristet sein. Wenn ein kurzer Therapie-Zeitraum nicht möglich ist, sollte der Patient frühzeitig zu einem Facharzt überwiesen und gegebenenfalls das Suchthilfe-System kontaktiert werden.“

Ökotest: SUPRADYN ungenügend
Multivitamin-Präparate wie BAYERs SUPRADYN ENERGY helfen nicht nur nicht, sie können der Gesundheit sogar schaden. So erhöhen SUPRADYN & Co. das Sterblichkeitsrisiko von älteren Frauen um 2,4 Prozent, wie eine im Fachmagazin Archives of Internal Medicine veröffentlichte Studie herausgefunden hat. „Bestenfalls nutzlos“ überschrieb das Magazin Ökotest deshalb seinen Prüfbericht. „Kein Produkt ist eine Empfehlung wert“, resümierte die Zeitschrift und vergab als Bestnote ein „befriedigend“. Das vom Leverkusener Multi hergestellte SUPRADYN bekam diese nicht, sondern nur ein „ungenügend“. Die Brausetabletten enthielten nämlich deutlich mehr Anteile von Vitamin A, Niacin, Zink und anderen Inhaltsstoffen, als das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ (BfR) in seinen Höchstmengen-Empfehlungen für noch angemessen erachtet. „Den Vogel schießen die SUPRADYN ENERGY Brausetabletten mit Orangen-Geschmack mit zwölf Überschreitungen ab“, hält die Publikation fest. Damit nicht genug, tummeln sich in SUPRADYN auch noch Spurenelemente wie Eisen, Kupfer und Mangan, die nach Ansicht des BfR in Nahrungsergänzungsmitteln nichts zu suchen haben sollten.

Ökotest: BEPANTHOL ungenügend
Die Zeitschrift Ökotest stellte in ihrem Ratgeber „Kosmetik und Wellness“ Lippenpflege-Stifte mit UV-Schutz auf den Prüfstand. BAYERs BEPANTHOL LIPSTICK SPF 30 schnitt dabei schlecht ab und bekam die Note „ungenügend“. Er enthielt nämlich Lichtschutz-Filter, die hormon-ähnlich wirken und deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern können. Und zu allem Übel befanden sich mit Ethylhexyl Methooxycinnamate und Benzophenone-3 auch noch solche Stoffe in dem Produkt, die als besonders gesundheitsgefährdend gelten.

ASPIRIN: schneller und gefährlicher?
BAYERs „Tausendsassa“ ASPIRIN ist in Apotheken rezeptfrei erhältlich, aber dennoch alles andere als harmlos (siehe auch AKTION & KRITIK). Der Hamburger Mediziner Dr. Friedrich Hagenmüller von der Hamburger Asklepios-Klinik etwa schätzt die Zahl der Todesopfer durch die Nebenwirkung „Magenbluten“ allein in der Bundesrepublik auf jährlich 1.000 bis 5.000. Im letzten Jahr hat der Leverkusener Multi nun eine ASPIRIN-Formulierung auf den Markt gebracht, die schneller wirkt. „Mikronisierung“ lautet das Zauberwort: Der Pharma-Riese hat die Partikel-Größe des Wirkstoffes Acetylsalicylsäure um 90 Prozent verkleinert, weshalb ihn der Organismus flinker aufnehmen kann. Das birgt allerdings auch die Gefahr neuer Gesundheitsschädigungen. „Durch die Mikronisierung erzielt die neue ASPIRIN-Tablette eine dreimal so hohe Wirkstoff-Konzentration im Blut des Menschen als die bisherige. Die Wirkung dieses Effektes hätte man unbedingt in einer gesonderten Sicherheitsuntersuchung überprüfen müssen“, kritisiert Fritz Sörgel, der Leiter des Nürnberger „Institutes für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung“.

ASPIRIN: Weniger Infarkte, mehr Blutungen
Eine Langzeit-Untersuchung hat überprüft, ob niedrig dosiertes ASPIRIN vorbeugend gegen Herz-Infarkte und Krebs-Arten wirkt, die den Verdauungstrakt befallen. Die über 15 Jahre gehende Studie mit rund 28.000 Frauen hat zwar einen prophylaktischen Effekt festgestellt, aber bei den ProbandInnen als Begleiterscheinung auch häufig Blutungen registrieren müssen. Darum schätzten die WissenschaftlerInnen das Nutzen/Risiko-Verhältnis negativ ein und rieten von einer dauerhaften ASPIRIN-Einnahme ab.

Kontrazeptiva verursachen Hirntumore
Die Einnahme von Verhütungsmitteln steigert die Wahrscheinlichkeit, an einem Gehirntumor zu erkranken. Das ergab eine Studie der Universitätsklinik von Odense, welche David Gaist und seine MitarbeiterInnen durchgeführt haben. Das Risiko, eine solche Krankheit zu erleiden, liegt bei Frauen, welche Kontrazeptiva einnehmen, um das Anderthalb- bis Vierfache höher als bei denjenigen, welche auf die Mittel verzichten. Der Gefährdungsgrad hängt dabei davon ab, welche Hormone in den Pillen wirken und über welchen Zeitraum hinweg die Präparate genutzt wurden. Die größte Gefahr geht von Gestagenen aus, zu denen BAYERs umstrittener YASMIN-Wirkstoff Drospirenon gehört (Ticker berichtete mehrfach) und die allergrößte dabei von dem Gestagen Progesteron, das der Leverkusener Multi bei seiner Verhütungsspirale MIRENA einsetzt.

Neue Gesundheitsapps
Der Leverkusener Multi will in den lukrativen Markt mit Gesundheitsapps einsteigen. Auf seiner Internet-Plattform „Grants4Targets“ hat der Global Player deshalb Startup-Unternehmen angeworben, um für ihn spezielle Anwendungen zu programmieren. So hat PHARMAASSISTANT eine App entwickelt, die mit einer Pillen-Dose verbunden ist und die PatientInnen an die Medikamenten-Einnahme erinnert. QOMPIUM entwickelte eine Software, welche die Herz-Frequenz misst und bei Auffälligkeiten anschlägt, während CORTRIUM einen Sensor ersonnen hat, der Funktionen eines EKGs übernehmen kann. Außerdem noch im Angebot: Ein Gerät, das aus der Atemluft Daten über den Kalorien-Verbrauch gewinnt, und eine Apparatur, die für Apotheken gläserne PatientInnen schafft bzw. „die Apotheker mit Patienten-Informationen unterstützt“, wie die Berliner Morgenpost es ausdrückte.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Chlorpyrifos auf dem Prüfstand
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA hat die von dem Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos – enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER – ausgehenden Gesundheitsgefahren neu untersucht. Dabei stellte sie ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für LandarbeiterInnen fest, die mit dem Stoff umgehen. Wenn LandwirtInnen das Ackergift in großen Mengen nutzen, besteht zudem das Risiko einer Wasser-Verunreinigung, warnen die ExpertInnen. Darum prüft die Behörde derzeit, ob die Auflagen für den Gebrauch der Agro-Chemikalie noch ausreichen. Die EPA hat in der Vergangenheit bereits mehrmals strengere Regularien erlassen. Bereits im Jahr 2000 verbot sie die Verwendung von Chlorpyrifos in Haus und Garten. Zwei Jahre später untersagte die Environmental Protection Agency das Ausbringen auf Tomaten-Kulturen und schränkte den Einsatz auf Apfel-, Zitrus- und Nussplantagen ein. Und im Jahr 2012 schließlich machte sie die Einrichtung von Pufferzonen rund um Flächen zur Pflicht, die mit Chlorpyrifos traktiert wurden, und erließ Regeln für einen sparsameren Umgang mit BLATTANEX & Co.

Genehmigung für DIFLEXX
Die US-Behörden haben BAYERs neuem Herbizid DIFLEXX eine Zulassung erteilt. Als Wirkstoff enthält das Mittel Dicamba. Nach einer Studie des US-amerikanischen „National Cancer Institutes“ kann es Lymph-Krebs auslösen. FarmerInnen, die der Substanz ausgesetzt waren, trugen der Untersuchung zufolge ein doppelt so hohes Risiko, an dem Non-Hodgkin-Lymphom zu erkranken wie ProbandInnen der Vergleichsgruppe. Zusätzlich kommt in DIFLEXX noch ein „CSI Safener“ zum Einsatz, eine Substanz, welche die negativen Effekte des Pestizids auf die damit bespritzten Pflanzen abmildern soll.

Baumärkte ohne Glyphosat
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation die Substanz im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Zur Zeit berät die Europäische Union über eine Verlängerung der Zulassung für die Agro-Chemikalie. Einige Verkaufsstellen wie die TOOM-Baumärkte und die schweizer Supermarktketten COOP und MIGROS wollten die EU-Entscheidung indes nicht mehr abwarten: Sie entfernten glyphosat-haltige Mittel vorsorglich aus ihren Regalen.

Glyphosat in der Muttermilch
Eine von den Grünen in Auftrag gegebene Untersuchung der Toxikologin Irene Witte hat Spuren des umstrittenen Pestizids Glyphosat (s. o.) in der Muttermilch nachgewiesen. Die Rückstände lagen dabei über den zulässigen Grenzwerten für Trinkwasser. Angesichts des besorgniserregenden Studien-Ergebnisses forderte der Grünen-Obmann für Ernährung und Landwirtschaft, Harald Ebner: „Jetzt muss wirklich Schluss sein mit der Glyphosat-Verharmlosung.“ Die Partei drängte die Bundesregierung, das Mittel solange aus dem Verkehr zu ziehen, bis Klarheit über seine möglicherweise krebserregende Wirkung besteht. Die „Arbeitsgemeinschaft Glyphosat“, der BAYER nicht angehört, bezeichnete den Vergleich mit den Trinkwasser-Höchstgrenzen indes als irreführend und wiegelte ab: „Muttermilch ist ein sensibles und wichtiges Nahrungsmittel. Aber die darin festgestellten Mengen an Glyphosat sollten nicht zu falschen Schlüssen führen. Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen geben sie keinen Anlass zur Sorge.“

Hormonell wirksame Haushaltsgifte
Viele Biozide, also für den Haus- und Gartenbereich bestimmte Pestizide, enthalten Wirkstoffe, die in ihrem chemischen Aufbau Hormonen ähneln. Vom menschlichen Körper aufgenommen, können diese Fehlsteuerungen im Organismus auslösen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen. Auch in BAYER-Produkten finden sich solche Substanzen. So tummelt sich in BAYER GARTEN UNGEZIEFER & AMEISEN SPEZIAL SPRAY Deltamethrin, in BAYER GARTEN FLIEGENSPRAY Tetramethrin und in BAYER GARTEN SCHÄDLINGSFREI das obendrein bienenschädliche Thiacloprid. Eigentlich verbietet es das EU-Recht, solche Stoffe in den Handel zu bringen, aber in Brüssel herrscht noch Uneinigkeit darüber, welche Chemikalien wirklich unter das Hormon-Verdikt fallen. „Während die EU-Kommission infolge des massiven Lobby-Drucks durch die Industrie die notwendige Festsetzung solcher Kriterien weiter verzögert, erhalten immer mehr Biozide, die im Verdacht stehen, hormonell wirksam zu sein, eine Genehmigung“, kritisiert deshalb das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN). Und Schweden hat wegen der Hinhalte-Politik bereits eine Klage gegen die Europäische Kommission angestrengt.

PFLANZEN & SAATEN

Neue Zuckerrübe ab 2018
BAYER hat zusammen mit KWS eine Zuckerrüben-Art entwickelt, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern unbeschadet. Deshalb könnte die neue Rübe, wenn sie wie geplant 2018 gemeinsam mit dem auf die Pflanze abgestimmten Herbizid CONVISO auf den Markt kommt, schon bald ziemlich alt aussehen.

EPA: Brokkoli-Patent rechtens
Nicht nur auf gen-manipulierte Ackerfrüchte, sondern auch auf mittels konventioneller Verfahren gezüchtete Sorten erheben die Konzerne Patentansprüche. So hält der Leverkusener Multi unter anderem Schutzrechte auf eine herbizid-resistente Mais-Art, auf Pflanzen mit einer erhöhten Stress-Resistenz und auf ein Verfahren zur Erhöhung des Zucker-Gehaltes von Zuckerrohr. Ursprünglich hatte das Straßburger Patent-Übereinkommen von 1963 genauso wie das 1977 beschlossene Europäische Patent-Übereinkommen Eigentumsansprüche auf „im Wesentlichen biologische Verfahren“ ausgeschlossen. Aber die Agro-Lobby erreichte Aufweichungen, um die sich allerdings heftige Kontroversen entzündeten. Mediale Aufmerksamkeit erlangte dabei vor allem die Auseinandersetzung um das Brokkoli-Patent, welches das Europäische Patentamt (EPA) erteilte. Dieses fochten gleich zwei Firmen an. Im März 2015 verhandelte die Große Beschwerdekammer der EPA darüber – und wies den Einspruch ab. Schutzrechte auf im Wesentlichen biologische Verfahren gestatte das Europäische Patent-Übereinkommen zwar nicht, das schlösse jedoch die Gewährung von Patenten auf Pflanzen, die durch solche Techniken entständen, nicht aus, sagte EPA-Sprecher Rainer Osterwalder zur Begründung. „Das ist nirgendwo vorgesehen im Patentrecht“, so Osterwalder. Die Entscheidung löste große Empörung aus. „Die EPA hat den Weg für Konzerne wie MONSANTO und SYNGENTA geebnet, die Kontrolle über die Grundlagen unserer Ernährung zu übernehmen. Wir fordern die europäischen Regierungen auf, jetzt politisch Druck auf das Europäische Patentamt auszuüben, um diese Praxis sofort zu stoppen“, sagte etwa Christoph Then vom Bündnis KEINE PATENTE AUF SAATGUT!.

BAYER kauft SEEDWORKS
Den Pestizid-Markt haben die Agro-Multis BAYER, MONSANTO & Co. schon mehr oder weniger unter sich aufgeteilt. Wachsen können die „Big Six“ nur noch mittels milliarden-schwerer Übernahmen (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). Auf dem Saatgut-Markt sieht es ähnlich aus. Dort bieten sich jedoch in Asien und Südamerika noch Kauf-Gelegenheiten, die BAYER auch emsig nutzt. So erwarb der Konzern Anfang Juni 2015 das indische Saatgut-Unternehmen SEEDWORKS, das hybride, also nicht zur Wiederaussaat bestimmte Tomaten-, Chili-, Kürbis- und Okra-Saaten im Angebot hat. In Südamerika hatte der Global Player zuvor bereits die Saatgut-Firmen GRANAR, WEHRTEC, SEMILLAS und SOYTECH übernommen und Pflanzenzucht-Technologie von AGROPASTORIL MELHORAMENTO und CVR erworben.

WASSER, BODEN & LUFT

Höherer Kohlendioxid-Ausstoß
Der Strom-Verbrauch BAYERs stieg 2014 gegenüber dem Vorjahr um 5,5 Prozent auf 85.317 Terajoule, was rund 23,7 Millionen Megawatt-Stunden entspricht. Der Konzern macht dafür ein höheres Produktionsvolumen im Allgemeinen und eine gesteigerte Aktivität am holländischen Kunststoff-Standort Maasvlakte im Besonderen verantwortlich. Bei der direkt vom Leverkusener Multi erzeugten Energie wuchs der Erdgas-Anteil von 29.796 auf 31.580 Terajoule, während der Kohle-Anteil von 15.094 auf 12.611 Terajoule sank. Der Beitrag von Quellen wie Abfall und Wasserdampf zur Strom-Versorgung reduzierte sich ebenfalls. Und das Kontingent, das regenerative Energien dazu beisteuerten, war so niedrig, dass der Leverkusener Multi es erstmals gar nicht mehr zu nennen wagte. Auf der Hauptversammlung von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN darauf angesprochen, rückte BAYER-Chef Marijn Dekkers mit der Angabe „weniger als ein Prozent“ heraus. Den zugekauften Energie-Mix schlüsselt der Global Player nicht weiter auf; er führt in seinem Geschäftsbericht nur einen stärkeren Dampf-Anteil auf. Als Folge des expandierenden Bedarfes an Elektrizität schwoll der Kohlendioxid-Ausstoß des Unternehmens erneut an. Er betrug 8,72 Millionen Tonnen.

CO2 lässt Meere versauern
Der Leverkusener Multi schädigt die Meere nicht nur durch seine Plastik-Hinterlassenschaften, sondern auch durch das von ihm emittierte Kohlendioxid – 8,72 Millionen Tonnen betrug der Ausstoß im Jahr 2014. Die Ozeane nehmen nämlich rund ein Drittel des produzierten CO2 auf, was nicht ohne Auswirkungen bleibt. Der Säuregehalt des Wassers steigt, und infolgedessen verändern sich die Existenz-Bedingungen für die aquatischen Lebewesen. So bildet sich durch den höheren pH-Wert des Wassers weniger Kalziumkarbonat, auf das Miesmuscheln und Austern zum Aufbau ihrer Schalen, aber auch andere Meeresbewohner wie Flügelschnecken, Seesterne, Seeigel und Krebse angewiesen sind. Und wenn ihre Populationen zurückgehen, hat das wiederum Konsequenzen für Fische, Seevögel oder Wale, denen die Tiere als Nahrungsgrundlage dienen. „Die Ozean-Versauerung bedroht die Biodiversität der Meere“, warnt der Ozeanograf Ulf Riebesell von Geomar, dem Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozean-Forschung, deshalb.

BAYER schädigt Ozonschicht
Der Leverkusener Multi stieß 2014 in einem Volumen von 14,8 Tonnen Substanzen aus, welche die Ozonschicht schädigen. 2013 beliefen sich die Emissionen auf 15,7 Tonnen. Seit Jahren schon macht BAYER für diese Emissionen hauptsächlich das Pestizid-Werk im indischen Vapi verantwortlich, und ebenfalls seit Jahren schon berichtet der Konzern von Fortschritten bei den Sanierungsmaßnahmen vor Ort.

2.120 Tonnen flüchtiger Substanzen
Der Ausstoß flüchtiger organischer Stoffe, der Volatile Organic Compounds (VOC), in die Atmosphäre reduzierte sich bei BAYER 2014 gegenüber dem Vorjahr leicht von 2.270 auf 2.120 Tonnen. Als Hauptquelle dieser Emissionen gibt der Leverkusener Multi wie auch bei den ozonschicht-schädigenden Substanzen das Pestizid-Werk in Vapi an.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Kohlenmonoxid, Stickstoffoxiden und Schwefeloxiden hat sich bei BAYER 2014 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden gingen von 2.500 Kilogramm auf 2.400 Kilogramm zurück und die von Schwefeloxiden von 1.300 auf 1.200 Kilogramm. An Kohlenmonoxid gelangten wie 2013 900 Kilogramm in die Luft, und Staub wirbelte der Konzern auch genauso viel auf wie in den zwölf Monaten zuvor: 200 Kilogramm.

BAYERs großer Durst
Der Leverkusener Multi hat einen enormen Wasser-Durst. Auf 350 Millionen Kubikmeter bezifferte er seinen Verbrauch im Jahr 2014, in den zwölf Monaten zuvor waren es sogar 361 Millionen gewesen. Drei Viertel davon gehen als Kühlwasser drauf, ein Viertel verwendet der Konzern in der Produktion. Und erschwerend kommt hinzu, dass die Wiederaufbereitungsquote verschwindend gering ist, der Anteil von recyceltem Wasser an den 350 Millionen Kubikmetern betrug gerade einmal vier Prozent.

BAYER Abwasser-Frachten
Obwohl BAYERs Wasserverbrauch etwas zurückging (s. o.), kam hinten mehr heraus: Die Abwasser-Menge stieg um drei auf 66 Millionen Kubikmeter. Der Stickstoff-Eintrag erhöhte sich von 690 auf 760 Tonnen. Neben einer größeren Auslastung seiner Werke macht der Leverkusener Multi dafür eine Anlagen-Störung am Standort Baytown verantwortlich, die auch Reinigungsvorrichtungen in Mitleidenschaft gezogen hatte. Die Phosphor-Einleitungen gingen geringfügig von 110 auf 100 Tonnen zurück. Die von Schwermetallen – die der Konzern nicht mehr einzeln aufführt, um besonders gefährliche Stoffe wie Quecksilber nicht nennen zu müssen – reduzierten sich von 9,1 auf 6,3 Tonnen. Die Frachten von anorganischen Salzen in die Flüsse verringerten sich ebenfalls, sie sanken von 946.000 auf 845.000 Tonnen.

PFC beeinflusst Fruchtbarkeit
Wieviel Perfluorierte Kohlenwasserstoff-Verbindungen (PFC) der Leverkusener Multi in die Flüsse einleitet, weist der neueste Geschäftsbericht nicht aus. Nach Recherchen des BUND gelangt per annum rund eine Tonne PFC made by BAYER in den Rhein; lange Zeit belief sich die Zahl sogar auf sechs Tonnen. Dabei wäre eine genaue Dokumentation äußerst wichtig, denn bei den Stoffen handelt es sich um hochgiftige, schwer abbaubare Substanzen. So haben die Chemikalien nach einer kanadischen, in der Fachzeitschrift Human Reproduction veröffentlichten Studie Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Bei Frauen mit einer hohen PFC-Konzentration im Blut trat die Schwangerschaft später ein und häufiger als bei ProbantInnen mit niedrigeren Werten blieb sie den WissenschaftlerInnen zufolge auch ganz aus.

Mehr gefährlicher Abfall
Der Leverkusener Multi hat im letzten Jahr 3.000 Tonnen weniger Abfall fabriziert als 2013: 896.000 Tonnen. Der Anteil gefährlichen Abfalls daran stieg jedoch. Er erhöhte sich von 467.000 auf 487.000 Tonnen. Als Grund gab der Konzern ein größeres Produktionsvolumen an den Standorten Dormagen, Frankfurt und Leverkusen an.

Bergkamen: Dauerbaustelle Klärwerk
Bereits seit Jahren klagen die AnwohnerInnen des Bergkamener BAYER-Werkes über Geruchsbelästigungen, die von der Kläranlage ausgehen. Die 2008 eingeleitete Sanierung hat bislang keine Abhilfe schaffen können. Aus immer neuen Quellen dringt Mief nach außen. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für schlechte Luft. Wenige Tage später flossen unvorhergesehen saure und basische Abwässer zusammen, was übel aufstieß (Ticker 4/11). Einem erneuten Angriff auf die Riech-Organe begegnete der Konzern dann mit einer Entfernung des Klärschlamms und der Ablagerungen in den Auffangbecken. Ende Juli 2012 schließlich traten an einigen Leitungen Risse auf, durch die Abwässer sickerten und Duftmarken setzten. Deshalb entschloss sich der Global Player erneut zu Reparatur-Arbeiten. Aber auch diese brachten keine Abhilfe. Im Juni 2013 beschwerten sich die BergkamerInnen erneut und klagten über Übelkeit und Kopfschmerzen. Knapp anderthalb Jahre später fiel dann die letzte Stufe der Abwasser-Reinigung aus. Der Pharma-Riese musste das mit Mikroorganismen versetzte Wasser in einem offenen Becken zwischenspeichern, was einen erheblichen Gestank verursachte. Im Mai 2015 war die Zeit dann mal wieder reif für neue Bau-Maßnahmen. Der Puffer-Behälter erhielt eine Generalüberholung. Zudem tauschte das Unternehmen die Rohrleitungen aus, in denen sich so viele Ablagerungen gebildet hatten, dass die Pumpen nur noch mit einem Viertel ihrer Kraft arbeiten konnten.

Dauersanierungsfall Bitterfeld
Als Chemie-Standort hat Bitterfeld eine bis ins Jahr 1893 zurückreichende Geschichte, an welcher der Leverkusener Multi bis dato beteiligt ist. 1921 kaufte er sich in die AGFA-Fabriken ein, die dort eine Niederlassung hatten. Nach 1945 musste BAYER diesen Besitz abschreiben, aber die Wende brachte den Konzern wieder nach Bitterfeld, wo er heute ein Pharma-Werk betreibt. Und die lange Chemie-Geschichte hat an dem Ort seine Spuren hinterlassen, vor allem im Grundwasser. Es ist ein Dauersanierungsfall geworden. Eine besondere Gefahr droht zu den Zeiten, an denen die Elbe Hochwasser hat. Dann nämlich kommen auch die Schadstoff-Lasten nach oben. Darum unternimmt die Stadt viel, um die Gebäude vor den Chemie-Fluten zu schützen. Zudem hat sie ein komplexes Brunnen- und Drainage-System installiert, das monatlich bis zu 175.000 Kubikmeter Grundwasser reinigen kann. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Nach der Meinung von ExpertInnen müssen sie Arbeiten noch weit über 100 Jahre andauern.

CO & CO.

Erdbeben in Erkrath
Mitte Januar 2015 ereignete sich in Erkrath ein kleines Erdbeben. Das warf sofort die Frage nach der Sicherheit von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline auf, die auf ihrem Weg von Dormagen nach Krefeld auch Erkrather Gebiet passiert. „BAYER hat ja immer gesagt, dass es im Kreis Mettmann keine Erdbeben gibt“, erinnert Wolfgang Cüppers von der Initiative BAU-STOPP DER BAYER-PIPELINE an die Verharmlosungsstrategie des Konzerns. Bereits im Mai 2011 hatte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht die Genehmigung für das Röhrenwerk wegen mangelnder Erdbeben-Sicherheit aufgehoben und Nachbesserungen verlangt. Inzwischen will der Leverkusener Multi Bedenken zerstreut haben, die Leitung könnte bei Erd-Erschütterungen zerbersten, aber Cüppers überzeugen die Argumente nicht. Die Erdbeben-Sicherheit sei „letztlich nie bewiesen worden“, so der Aktivist.

Neue CO-Pipeline unter dem Rhein
Nicht nur die zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld verlegte Kohlenmonoxid-Pipeline wirft Sicherheitsfragen auf. Auch die in den 1960er Jahren zwischen Dormagen und Leverkusen gebaute Verbindung, die BAYER seit 2001 für den Transport von CO nutzt, ohne von der Bezirksregierung dafür mit einem neuen Genehmigungsverfahren oder schärferen Auflagen behelligt worden zu sein, hat gravierende Mängel. Besonders an dem Rhein-Düker, mittels dessen die Pipeline den Fluss unterquert, zeigen sich Korrosionsschäden, also Abnutzungserscheinungen an den Bau-Bestandteilen. So treten dort nach einem Bericht des TÜV Rheinland „gravierende externe Materialverluste“ auf, weswegen die Konstruktion „nicht dem Stand der Technik“ entspreche. Der Leverkusener Multi bezeichnet diese zwar als sicher, projektiert aber dennoch eine neue. Den Genehmigungsantrag für den Rohrleitungstunnel reichte er Ende 2014 ein. Mit einer Inbetriebnahme rechnet der Konzern für den Herbst 2016.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

2014: Fünf tödliche Arbeitsunfälle
Im Geschäftsjahr 2014 ereigneten sich bei BAYER fünf tödliche Arbeitsunfälle. Am brasilianischen Standort Belford Roxo wurde ein Wachmann erschossen, ein Belegschaftsangehöriger kam bei Rangier-Arbeiten ums Leben, einer weiterer bei einem Brand und zwei Beschäftigte starben bei Verkehrsunfällen.

Elf anerkannte Berufskrankheiten
Für das Geschäftsjahr 2014 vermeldet der Leverkusener Multi bei seinen Beschäftigten elf arbeitsbedingte Erkrankungen. Dabei handelt es sich allerdings nur um solche Schädigungen, welche die Berufsgenossenschaften auch als Berufskrankheiten anerkannt haben – und das sind nicht viele. 80 Prozent der Anträge lehnen die Einrichtungen, in deren Beschluss-Gremien die Unternehmen über die Hälfte der Stimmen haben, ab. Zweifel ob dieser Zahl sind zudem angebracht, da die Gesundheitsstörungen, die Belegschaftsangehörige an ihrem Arbeitsplatz erlitten hatten, bei BAYER früher ganz andere Größenordnungen erreichten. Im Jahr 2000, als der Konzern noch ausführlicher über Berufskrankheiten berichtete, führte er noch 130 Fälle auf und vermerkte dazu: „Als Krankheitsauslöser waren bei uns vor allem Expositionen gegen Asbest und Lärm relevant“.

PLASTE & ELASTE

Lackhärter aus Biomasse
Mit Pentamethylen-Diisocyanat (PDI) hat BAYER einen Kunststoff entwickelt, der zum Teil aus Biomasse besteht. Als Ausgangsstoff diente Maisstärke (siehe auch Ticker 2/15). Das PDI kommt in dem Lackhärter DESMODUR ECO N 7300 zum Einsatz, den der Leverkusener Multi bald vermarkten will. Bedenken, die Nutzung der Äcker als Rohstoff-Reservoir für die Plaste-Fertigung könnte den Anbau von Pflanzen für die Lebensmittel-Herstellung beeinträchtigen, weist der Konzern zurück. Die Biomasse-Gewinnung erfolge „ohne direkte Konkurrenz zur Nahrungsmittel-Produktion“, beteuert die Teil-Gesellschaft. Seinen KundInnen empfiehlt das Unternehmen jetzt schon einmal, auf „bio“ als Werbe-Effekt zu setzen, obwohl in dem DESMODUR-Kohlenstoff noch zu 30 Prozent Petrochemie steckt: „Anwender und Markenartikler in verschiedenen Industriebranchen können sich mit dem höheren Bio-Anteil als Pioniere für nachhaltige Materialien positionieren.“ In Zukunft will der Global Player das Segment mit Biomasse-Kunststoffen noch ausbauen. So kündigte er die Herstellung von Produkten an, deren Basis Cellulose oder Bioabfälle bilden.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Pestizide aus Dormagen
Der Leverkusener Multi reagiert auf die gestiegene Nachfrage nach Antipilzmitteln und erweitert am Standort Dormagen die Produktionskapazitäten für den Wirkstoff Prothioconazole. Zudem baut der Konzern die Flupyradifuron-Fertigung aus. Diese Substanz ist der Inhaltsstoff von BAYERs neuem Insektizid SIVANTO. Der Agro-Riese vermarktet es explizit als bienenfreundliche Alternative zu seinen umstrittenen und EU-weit einstweilen mit einem Verkaufsbann belegten Neonicotinoiden GAUCHO und PONCHO. Allerdings bestehen Zweifel daran, ob SIVANTO wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet. Flupyradifu

[BAYER HV 2015] Hauptversammlung 2015

CBG Redaktion

Am 27. Mai fand in Köln die BAYER-Hauptversammlung statt. Die HV stand im Zeichen heftiger Proteste. Zusammen mit Umweltorganisationen und Geschädigten prangerte die Coordination gegen BAYER-Gefahren die Schattenseiten der Konzern-Profite an. In 26 Redebeiträgen wurden risikoreiche Pharmaprodukte, gentechnisches Saatgut, Plastikmüll, Tierversuche und gefährliche Pestizide kritisiert.

alle Redetexte der Kritischen Aktionär/innen

=> Aktionsbericht und Artikel zu den Forderungen der Kritiker

=> Fotos von den Aktionen

taz: Coordination schaltet 4-seitige Beilage

Medienberichte
=> Lev Anzeiger: Steuerzahler Bayer unter der Lupe
=> taz: Protest wegen Bienensterben
=> Rheinische Post: Bayer-Aktionäre treffen auf heile und kranke Welten
=> junge Welt: Chemiemulti am Pranger
=> Leverkusener Anzeiger: Protest zur Bayer-Hauptversammlung
=> Rheinische Post: Pillen-Protest zur Bayer-Versammlung
=> Neuss-Grevenbroicher Zeitung: Bayer-Kritiker monieren die MaterialScience-Abspaltung
=> Apotheke Adhoc: Yasmin-Proteste vor Bayer-Hauptversammlung

Gegenanträge
=> Coordination fordert Verbot von Mikroplastik / Gegenantrag eingereicht
=> Coordination reicht Gegenantrag zur Ausgliederung von Bayer MaterialScience ein
=> Fake Werbung: CBG fordert Nicht-Entlastung des Vorstands von BAYER
=> CBG reicht Gegenantrag zu Plastikmüll von BAYER ein
=> Coordination reicht Gegenantrag zum MS-Präparat Betaferon ein
=> Gegenantrag zur CO-Pipeline Dormagen Leverkusen

Presse Infos
=> Glyphosat und Glufosinat freiwillig vom Markt nehmen
=> Kritik an Steuerflucht und intransparenter Aktionärs-Struktur
=> Verhütungsimplantat Jadelle: Protest gegen bevölkerungspolitisch motivierte Vermarktungsoffensive
=> Geschädigte fordern Verbot gefährlicher Antibaby-Pillen
=> Protest gegen Kohlenmonoxid-Pipeline in Gedenken von Kläger Heinz-Josef Muhr
=> SumOfUs protestiert in BAYER-Hauptversammlung gegen bienenschädigende Insektengifte
=> BAYER Hauptversammlung: Protest gegen Plastikmüll

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[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Erfolgreiche Jahrestagung
2014 fand die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „No Taxes – Die Steuerflucht großer Konzerne“ in einem etwas anderen Rahmen als gewohnt statt. Der Coordination war es nämlich gelungen, Sahra Wagenknecht von der Partei „Die Linke“ als Gastrednerin zu gewinnen, weshalb die CBG die Veranstaltung in den Bürgersaal der Düsseldorfer Arcaden verlegte. Und die Bundestagsabgeordnete enttäuschte die Erwartungen der 160 BesucherInnen nicht. Imposant schilderte sie die ganz legalen Steuertricks der Global Player, denen es gelingt, sich vornehmlich durch interne Geschäfte mit Waren, Krediten und Lizenzen so arm zu rechnen, dass – wie im Fall von IKEA – für den Fiskus gerade mal fünf Prozent vom Gewinn übrig bleiben. Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG skizzierte im Anschluss den größeren politischen Rahmen, der dieses Treiben überhaupt erst ermöglicht, und illustrierte schließlich am konkreten Beispiel „BAYER“ die gängigen Steuervermeidungsstrategien wie etwa diejenige, die BAYERs Finanz-Vorstand Werner Baumann „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“ nennt. Nach den Vorträgen entwickelte sich dann noch eine lebhafte Diskussion, so dass die BesucherInnen am Ende angeregt, ein bisschen klüger und hoffentlich motiviert zu einem Engagement gegen die Machenschaften von BAYER & Co. ihre Heimreise antraten.

CBG-Vortrag in Tutzing
Im August 2014 hatte die „Politische Akademie Tutzing“ die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu einem Vortrag eingeladen. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes referierte im Rahmen des Seminars „Werte-Bildung im Chemie-Unterricht“ vor größtenteils promovierten ChemikerInnen zum Thema „Bewertung der Risiken der chemischen Industrie“. Über drei Stunden berichtete Mimkes über die Gefährdungspotenziale bei BAYER & Co. Aber auch danach erlahmte das Interesse nicht, so dass sich im Anschluss an den Beitrag noch eine intensive Diskussion entspann. Die Seminar-Leitung freute sich über den ganzen Input und bot der Coordination an, sie bei passender Gelegenheit wieder nach Tutzing zu holen.

Nobelpreis für Kailash Satyarthi
In diesem Jahr erhielt Kailash Satyarthi, der langjährige Vorsitzende des GLOBAL MARCH AGAINST CHILD LABOUR, für sein Engagement gegen die Kinderarbeit den Friedensnobelpreis. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lernte den Inder 2003 durch eine Kooperation kennen. Sie gab in diesem Jahr gemeinsam mit dem GLOBAL MARCH und dem INDIA COMMITTEE OF THE NETHERLANDS eine Studie heraus, welche unter anderem das große Ausmaß von Kinderarbeit auf den Feldern eines Zulieferers von BAYER CROPSCIENCE dokumentierte. Auch den Offenen Brief an den damaligen BAYER-Chef Werner Wenning mit der Forderung, diese Praxis nicht länger zu dulden, unterschrieb die indische Initiative mit. So trug sie mit dazu bei, durch politischen Druck eine deutliche Verbesserung der Situation zu erreichen. Deshalb freute sich die CBG sehr über die Stockholmer Entscheidung und sandte Kailash Satyarthi herzliche Glückwünsche.

BUKO-Veranstaltung zu Uganda
Die BUKO Pharma Kampagne hat eine neue Studie zur Geschäftspraxis der drei Pharma-Riesen BAYER, BOEHRINGER und BAXTER in Uganda herausgegeben. Im Spätsommer 2014 kam mit Denis Kibira ein Mitwirkender an der Untersuchung aus Afrika nach Deutschland, um persönlich ein Bild von der Situation vor Ort zu geben. Am 6. September machte der Apotheker und Geschäftsführer der Initiative COALITION FOR HEALTH PROMOTION AND SOCIAL DEVELOPMENT in der Kölner Alten Feuerwache Station, und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) trat aus gegebenem Anlass als Mitveranstalter auf. Von BAYER wusste Kibira nur wenig Gutes zu berichten. Der Leverkusener Multi bietet für die in Uganda am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen kaum Arzneien an, weil er sich in Forschung & Entwicklung lieber auf die mehr Rendite versprechenden Mittel gegen westliche Zivilisationskrankheiten konzentriert. Zudem vermarktet der Konzern in dem Land viele umstrittene und deshalb als irrational eingestufte Pharmazeutika: 21 von 49 Medikamenten fallen unter diese Kategorie. Zu den als unentbehrlich erachteten Mitteln des Global Players hingegen hat die Bevölkerung wegen der hohen Preise kaum Zugang; sie finden sich zumeist nur in Privatkliniken und Privat-Apotheken.

ESSURE-Kampagne zeigt Wirkung
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich. So hat in den USA die Aktivistin Erin Brockovich, die durch einen Hollywood-Film über ihr Umwelt-Engagement zu großer Popularität gelangte, eine Kampagne gegen das Medizin-Produkt initiiert. Ihre Landsmännin Michelle Garcia setzte das Thema sogar auf die Tagesordnung der letzten Hauptversammlung des Leverkusener Multis. Auch im Internet verbreitet sich der Protest. Die FACEBOOK-Gruppe „Essure Problems“ hat aktuell über 11.000 Mitglieder. Das alles zeigt Wirkung – die Umsätze entwickeln sich nicht so wie erhofft. Die genauen Zahlen wollte der Konzern dem Internet-Portal Fierce Medical Devices wohlweislich nicht nennen. Selbst bei der Investoren-Konferenz im Juli 2014 musste das Unternehmen eingestehen: „Es gibt ein paar Klagen in den sozialen Medien, aber die Dinge bessern sich.“

Protest gegen „Food Partnership“
Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit dem Leverkusener Multi, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in zwei Projekte mit BAYER-Beteiligung, die „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und die „Competitive African Rice Initiative“ (CARE). Diese dienen dem Agro-Riesen als Vehikel, um seinen nach einer agro-industriellen Produktionsweise verlangenden, nicht zur Wiederaussaat geeigneten Hybrid-Reis zu vermarkten. Am 15. Oktober 2014, dem Welternährungstag, protestierten die Initiativen OXFAM und FIAN gegen die GFP. Um die fatalen Auswirkungen des Joint Ventures zu illustrieren, ließen die Organisationen Doubles von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller mit einer Riesen-Kugel, auf der die Namen von BAYER, BASF und MONSANTO prangten, Kleinbauern und Kleinbäuerinnen wegkegeln. „Mehr als die Hälfte aller weltweit Hungernden sind Kleinbäuerinnen und -bauern. Mit ihnen sollte die Bundesregierung gezielt zusammenarbeiten. Konzerne mit Steuergeldern zu fördern, ob direkt oder indirekt, macht niemanden satt außer die Konzerne selbst“, so David Hachfeld von OXFAM.

Mehr unabhängige Arznei-Forschung!
Der an der Universität Mainz tätige Mediziner Peter Galle hat in der Faz die zu große Abhängigkeit seiner Zunft von BAYER & Co. beklagt. So sei das Mitwirken von ÄrztInnen bei Arznei-Tests „von Abhängigkeiten und Vorbedingungen belastet, die einer objektiven Wissensvermehrung im Wege stehen können“, schreibt Galle und nennt als Beispiel die „Anpassung des Studien-Designs auf eine Effekt-Maximierung“. Zudem verhindert die Ausrichtung der Konzerne auf profitable Medikamente seiner Meinung nach die Entwicklung von Präparaten für kleinere PatientInnen-Gruppen. Angesichts der zu geringen Ausstattung der Universitätskliniken und zu kleiner Fördersummen der „Deutschen Forschungsgemeinschaft“ fordert er die Politik zu mehr Investitionen in unabhängige Pharma-Forschung auf. Und auch den Pillen-Riesen verlangt er einen Obolus zu dieser ab.

DUOGYNON: Kritik an BAYER
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Der Lehrer Andre Sommer forderte den Leverkusener Multi deshalb stellvertretend für andere Betroffene auf, ihm Einblick in die DUOGYNON-Akten zu gewähren. So wollte er feststellen, welche Kenntnis der Konzern von der verheerenden Wirkung des Mittels hatte, um dann Schadensersatz-Ansprüche prüfen zu können. Der Pharma-Riese weigerte sich allerdings, und auch per Klage erreichte Sommer keine Öffnung der Archive. Der Leiter des „Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte“, Walter Schwerdtfeger, kritisiert die Haltung des Unternehmens. Auf die Frage der WirtschaftsWoche: „Ist es nachvollziehbar, dass BAYER die Akten zu einem Hormon-Präparat nicht herausrückt, das etliche Patienten geschädigt haben soll?“, gibt der Biologe eine klare Antwort. „Es dürfte für BAYER schwer werden, die Akten dauerhaft zurückzuhalten. Grundsätzlich müssen die Unternehmen anerkennen, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch auf solche Daten hat“, so Schwerdtfeger.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER stößt Kunststoff-Sparte ab
Jahrelang hatten die Finanzmärkte den Leverkusener Multi mit der Forderung konfrontiert, sich von seiner Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) zu trennen und auch konkrete Maßnahmen ergriffen, um den Konzern zum Verkauf zu bewegen. So belegten sie Aktien von Mischkonzernen wie BAYER mit einem Konglomeratsabschlag. Aber erst jetzt, da der Einfluss von Finanzinvestoren wie BLACKROCK auf den Global Player so groß ist wie nie, gab er dem Druck nach und kündigte an, BMS an die Börse bringen zu wollen (siehe SWB 4/14). Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE versuchte, dagegen vorzugehen, musste sich aber geschlagen geben. „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen“, erklärten die GewerkschaftsvertreterInnen. Das Management hatte angekündigt, den Bereich sonst finanziell auszuhungern. Ein klarer Fall von Erpressung also. Dabei hatte die Belegschaft in der Vergangenheit viele Opfer gebracht, um das Geschäftsfeld im Unternehmensverbund halten zu können. Über 2.000 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz, der Rest musste eine untertarifliche Bezahlung, das Streichen von Bonus-Zahlungen und immer neue Rationalisierungsprogramme über sich ergehen lassen. Alles umsonst, wie sich jetzt herausstellt.

BLACKROCK schreibt BAYER & Co.
BLACKROCK ist der weltweit größte Finanzinvestor und besitzt von fast allen Global Playern Aktien (siehe SWB 4/14). An BAYER hält er rund 30 Prozent der Geschäftsanteile. Seine Einfluss macht BLACKROCK-Chef Laurence Fink unter anderem durch an die Vorstandschefs „seiner“ Unternehmen adressierte Briefe geltend. Im März 2014 erhielten der Leverkusener Multi und die anderen Konzerne ein Schreiben, in dem Fink gnädigerweise konzedierte, auf schnelles Geld durch kurzfristrige Anlage-Strategien verzichten zu wollen. Aktien-Rückkäufe und Verschuldungen zwecks Dividenden-Erhöhungen anstelle von Investitionen in die Zukunft seien deshalb nicht in seinem Sinne, bedeutete der US-Amerikaner den ManagerInnen. Im Gegenzug verlangte er von den Bossen aber, ihm für eine mehr auf längerfristiges Wachstum angelegte Firmen-Politik gut ausgearbeitete Business-Pläne mit überprüfbaren Zielvorgaben vorzulegen, „um das geduldige Kapital anzuziehen, das sie haben wollen“.

4,83 Millionen für Dekkers
Im Geschäftsjahr 2013 strich BAYER-Chef Marijn Dekkers ein Salär von 4,83 Millionen Euro ein. Dazu kommen noch Pensionszusagen in Höhe von 677.000 Euro. Seine drei Vorstandskollegen verdienten zusammen 8,7 Millionen Euro und ein „Ruhegeld“ von 594.000 Euro.

BAYER kann nicht forschen
„BAYER ist ein Innovationsunternehmen von Weltrang“ tönte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers 2013 auf der Hauptversammlung des Konzerns. Tatsächlich aber hat das Unternehmen mit der Forschung so seine liebe Mühe. „Wir sind gut in der Entwicklung, aber nicht so gut in der Forschung“, gesteht Forschungsvorstand Kemal Malik ein. Darum arbeitet der Global Player seit einigen Jahren verstärkt mit Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen. 2012 existierten allein im Pharma-Bereich 326 solcher Kooperationen.

Ein Kind der Großchemie
Seit Januar 2014 hat Frank Löllgen den Vorsitz des Nordrhein-Bezirkes der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) inne und ist damit auch für BAYER zuständig. Löllgen kennt den Leverkusener Multi sehr gut. Er hat dort eine Ausbildung zum Chemie-Laboranten gemacht und seinen Förderer, den heutigen IG-BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis, kennengelernt. Eine besonders kritische Haltung hat der 52-Jährige zum Global Player nicht. Zu seiner 2011 erfolgten Berufung zum Leverkusener Bezirksleiter der Chemie-Gewerkschaft sagt er rückblickend: „Ich bin ein Kind der Großchemie. Dieses Gebiet mit BAYER zu übernehmen, war eine Auszeichnung.“

Betriebsrat muss putzen
Zwischen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und alternativen Gewerkschaftsgruppen wie dem BELEGSCHAFTSTEAM gab es in der Vergangenheit öfters Konflikte. „Wir brauchen in der Opposition keine Opposition“, meinte etwa der heutige Betriebsratsvorsitzende des Leverkusener BAYER-Werkes, Oliver Zühlke, als das BELEGSCHAFTSTEAM und die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT bei den Betriebsratswahlen 2010 einer Personen- statt Gruppenliste nicht zustimmen mochten, weil die Organisationen befürchteten, dabei ihre Kenntlichkeit zu verlieren. Diese Animositäten könnten jetzt zu einer Auseinandersetzung beigetragen haben, die bis vor das Arbeitsgericht ging. Ein BELEGSCHAFTSTEAM-Betriebsratsmitglied hatte dort gegen BAYER und den Betriebsrat geklagt, weil er nach der Wahl seinen Status als freigestellter Beschäftigten-Vertreter verloren hatte und trotz 40-jähriger Betriebszugehörigkeit plötzlich „als bestbezahlte Putzfrau bei BAYER“ arbeiten musste. Zühlke gab zwar formale Fehler bei der Personalausschuss-Entscheidung auf Aberkennung der Freistellung zu, erklärte sie aber trotzdem für rechtmäßig. Die Richterin forderte die drei Parteien auf, eine außergerichtliche Einigung bei einem Streitschlichtungsgremium zu suchen.

IG BCE vs. VAA
In der Chemie-Industrie wächst der Anteil der Beschäftigten mit hohen Bildungsabschlüssen, während der Anteil der weniger gut qualifizierten Betriebsangehörigen sinkt. Deshalb machen sich die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und der „Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter in der chemischen Industrie“ (VAA) zunehmend Konkurrenz. Die IG BCE versucht, in die Domäne des eher rechts von ihr stehenden VAA einzudringen. So machte sich ihr Vorsitzender Michael Vassiliadis jüngst die sonst vornehmlich in bürgerlichen Kreisen kursierende Forderung nach Abschaffung der kalten Progression, also des möglichen Auffressens einer Lohn-Erhöhung durch eine steuerliche Mehrbelastung, zu Eigen, was ihm allerdings Kritik von vielen GewerkschaftskollegInnen eintrug. DGB-Chef und BAYER-Aufsichtsrat Reiner Hoffmann trägt diese Strategie jedoch mit und betont: „Wir wollen nicht mehr nur mit Mindestlohn und Prekariat identifiziert werden.“ Der VAA indes hat es auch nicht mehr nur auf Belegschaftsmitglieder aus den Top-Etagen abgesehen und sammelt eifrig Betriebsratssitze. So haben VAAlerInnen an den BAYER-Standorten Berlin, Frankfurt und Bergkamen Mandate errungen. Vasiliadis kritisierte das Vorgehen des Verbandes in einem Brief an VAA-Hauptgeschäftsführer Gerhard Kronisch scharf. „Für uns ist irritierend, in welchem Umfang der VAA mit eigenen Listen bei den zurückliegenden Betriebsratswahlen außerhalb seiner Stamm-Klientel angetreten ist“, ereiferte er sich.

ERSTE & DRITTE WELT

Bienenkiller in kleinen Dosen
BAYERs Insektizid THUNDER enthält den für das weltweite Bienensterben mitverantwortlichen Wirkstoff Imidacloprid. In Afrika will der Konzern dieses Mittel jetzt für weniger als einen Dollar auch in Mini-Packungen anbieten, um sich den Markt für Kleinbauern und -bäuerinnen besser zu erschließen. Für die bedrohte Insekten-Art bedeutet das nichts Gutes.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkort für Euthanasie-Opfer
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörder-Konzern hatte auch für die Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff im Angebot. Er stellte für die „Aktion T4“ – benannt nach der Berliner Adresse des Planungszentrums für den Massenmord, das sich in der Tiergartenstr. 4 befand – das Kohlenmonoxid zur Verfügung. Im November 2011 entschied der Bundestag, in würdigerer Form als bisher an die „Aktion T4“-Toten zu erinnern und einen Gedenk- und Informationsort an der Tiergartenstraße zu errichten. Am 2. September 2014 fand die feierliche Eröffnung im Beisein des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit und der Kulturstaatsministerin Monika Grütters statt.

Platz nach Norbert Wollheim benannt
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, den zentralen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen den Weg ebnete. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Die Studenten und Studentilannen erhielten ihre Forderung jedoch aufrecht und gaben der Alma Mater etwa 2009 im Zuge des damaligen Bildungsstreits symbolisch den Namen „Norbert Wollheim Universität“. Und ihre Beharrlichkeit zahlte sich aus. Überlebenden-Gruppen, das „Fritz-Bauer-Institut“ und die „Jewish Claim Conference schlossen sich den Studierenden an, und 2014 gab die Universitätsleitung schließlich nach: Sie entschied sich, als Adresse fortan nicht mehr „Grüneburg-Platz 1“, sondern „Norbert-Wollheim-Platz 1“ zu führen.

POLITIK & EINFLUSS

TTIP: BAYER antichambriert
Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen der EU mit den USA diktieren die Multis den PolitikerInnen die Agenda. Allein von Anfang 2012 bis April 2013 fanden 130 Treffen der VerhandlerInnen mit Konzern-VertreterInnen oder Unternehmensverbänden in Sachen „TTIP“ statt. Diejenigen Lobby-Organisationen, denen BAYER angehört, sprachen nach Recherchen des CORPORATE EUROPE OBSERVATORY besonders oft vor. „Business Europe“, der europäische Chemie-Verband CEFIC, der „US Chamber of Commerce“ und der „Bundesverband der deutschen Industrie“ – diese Lobby-Vereinigungen hatten die meisten Gesprächstermine mit der „Generaldirektion Handel“ der EU. Dabei dürften auch solche „Handelshemmnisse“ auf der Tagesordnung gestanden haben, die dem Leverkusener Multi besonders im Wege stehen wie etwa strenge Sicherheitsauflagen für Genpflanzen, Pestizide und andere Chemikalien.

BAYER sponsert RepublikanerInnen
Im Jahr der Wahlen zum US-Kongress spendete BAYER bis zum Oktober 2014 über 325.000 Dollar an PolitikerInnen. RepublikanerInnen, die für das Repräsentantenhaus kandidierten, erhielten 158.000 Dollar vom Konzern, ihre demokratischen KonkurrentInnen 55.000 Dollar. Republikanische SenatsaspirantInnen bedachte der Pharma-Riese mit 53.000 Dollar, ihre demokratischen Pendants mit 33.000 Dollar.

Auf der Bilderberg-Gästeliste
Bei der jährlich stattfindenden Bilderberg-Konferenz handelt es sich um eine Zusammenkunft hochrangiger PolitikerInnen und WirtschaftsmanagerInnen aus den Industrie-Nationen. 1980 stand der damalige BAYER-Chef Herbert Grunewald auf der Gästeliste und 2004 das ehemalige BAYER-Aufsichtsratsmitglied Jürgen Weber.

Gentech-Kampagne in Argentinien
Argentinien ist das Land mit der weltweit drittgrößten Anbaufläche für Genpflanzen. Um das Reservoir noch ein wenig besser ausschöpfen zu können, ist ein neues Gesetz in Planung, „das von der Industrie entwickelt und vom Landwirtschaftsminister akzeptiert wurde“, wie das „U.S. Department of Agriculture“ mit bemerkenswerter Offenheit festhält. BAYER und den anderen in der „Argentine Seed Association“ organisierten Unternehmen geht es dabei vordringlich darum, die Zulassungsverfahren zu beschleunigen. Umweltgruppen haben jedoch eine Kampagne gegen das Vorhaben organisiert. Darum sah sich der US-amerikanische „Foreign Agriculture Service“ (FAS), der vor Ort in Buenos Aires ein Büro unterhält, gezwungen, ebenfalls Aktivitäten zu entfalten. Unter anderem plant der FAS PR-Maßnahmen für die Risiko-Technologie wie Workshops, Konferenzen mit argentinischen MinisterInnen, WissenschaftlerInnen und Medien-VertreterInnen sowie Kooperationen mit Universitäten und VerbraucherInnen-Organisationen.

BAYER-freundliche EEG-„Reform“
Immer wieder hatten BAYER & Co. in der Vergangenheit über die hohen Strom-Kosten geklagt, die ihnen das „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) durch die Förderung von Windkraft & Co. angeblich beschert. Dabei gewährte das Paragraphen-Werk energie-intensiven Betrieben großzügige Rabatte, für welche die Privathaushalte aufzukommen hatten. Für diese stieg die Strom-Rechnung seit 2008 um 38 Prozent, während diejenige der Konzerne in dem Zeitraum sogar um ein Prozent niedriger ausfiel. Die ungleiche Lasten-Verteilung brachte das ganze EEG in Verruf, weshalb schon Schwarz-Gelb eine „Reform“ begann, welche die Große Koalition unter der Ägide von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dann abschloss. Der Vize-Kanzler drosselte den Ausbau der Erneuerbaren Energien und schaffte es gleichzeitig, die von Brüssel als unerlaubte Subventionen angesehenen Industrie-Privilegien größtenteils beizubehalten. Nur ein kleines Entgegenkommen forderte er dafür von den Unternehmen. Der Sozialdemokrat plante, ihnen auch für die Energie, die sie in ihren eigenen Kraftwerken produzieren, einen Beitrag zur Ökostrom-Förderung abzuverlangen. Aber sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. Der Leverkusener Multi, der fast 60 Prozent seines Energie-Bedarfs selber deckt, warnte: „Unsere KWK (Kraft/Wärme-Koppelung, Anm. SWB)-Anlagen würden sich, sollten diese Pläne umgesetzt werden, nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen, sowohl die bestehenden als auch die neuen.“ Pflichtschuldig machte sich Gabriel sogleich ans „Nachbessern“. Das Gesetz, das am 1. August 2014 in Kraft trat, lässt – vorerst bis 2017 – Altanlagen verschont und macht nur neu errichtete abgabepflichtig, wobei es BAYER & Co. dafür aber noch Ausgleichszahlungen gewährt. Sogar die Faz musste sich über diese Zugeständnisse wundern: „Noch vor Wochen hätte niemand damit gerechnet, dass Betriebe bei der Ökosteuer-Reform fast ungeschoren davonkommen.“

Ordnungsruf von Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hat mal wieder das angeblich innovationsfeindliche Klima in der Bundesrepublik kritisiert. „Unsere industrielle Basis beginnt zu bröckeln“, warnte er in der Faz. Zu geringe Forschungsausgaben, zu hohe Energie-Kosten, zu wenig naturwissenschaftlicher Unterricht in den Schulen und eine angeblich nicht immer sachgerechte Bewertung neuer Produkte durch die Politik – all das gefährdet seiner Meinung nach die Zukunft des Standortes Deutschland.

Ordnungsruf von Wenning
Kaum ein Monat vergeht ohne ein Lamento des Leverkusener Multis über die hohen Energie-Kosten (s. o.), obwohl die Politik dem Unternehmen viel niedrigere Tarife als den Privathaushalten beschert hat. Der BAYER-Aufsichtsratschef Werner Wenning ging jetzt sogar so weit, eine neue Hartz-Runde zu fordern, um die angeblich so horrenden Strom-Rechnungen der Konzerne volkswirtschaftlich zu kompensieren. „Ich mache mir große Sorgen, dass wir bald an einem Punkt angelangt sind, wo wir eine Agenda 2025 brauchen, also harte Einschnitte, damit wir im internationalen Wettbewerb nicht zurückfallen“, so Wenning.

Blesner weiht BAYER-Center ein
Im September 2014 reiste Peter Bleser, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, nach China, um „neue Export-Möglichkeiten für deutsche Agrar-Produkte auszuloten“. Während seines Aufenthalts weihte er gemeinsam mit dem stellvertretenden chinesischen Landwirtschaftsminister Niu Dun auch ein BAYER-Schulungscenter in der Nähe von Nanking ein, in dem der Leverkusener Multi bei den FarmerInnen künftig für sein Saatgut und seine Pestizide werben will. „Ich sehe in dem neuen Informationszentrum eine große Chance, das vorhandene Fachwissen über eine erfolgreiche und nachhaltige Erzeugung an die chinesische Landwirte weiterzugeben“, sagte Bleser zur Eröffnung.

Duin spricht Grußwort
Zu der Veranstaltung „Standpunkt am Standort: Motor und Partner für Innovation – Pharma-Industrie in NRW“, welche die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE am 31.10.2014 in Monheim mit dem von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ und der Biotech-Firma UCB co-managte, sprach der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) ein Grußwort.

Gabriel für BAYER & Co. in China
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) betätigte sich im April 2014 auf seiner China-Reise als Chef-Lobbyist von BAYER & Co. So forderte er seine Gesprächspartner in Peking auf, den Unternehmen einen besseren Rechtsrahmen im Allgemeinen und einen besseren Patentschutz im Besonderen zu gewähren. Auch bei den Ausschreibungen mahnte er Veränderungen im Sinne bundesdeutscher Firmen an. Zudem stufte er den Technologie-Transfer als Zugangsvoraussetzung für den chinesischen Markt ebenso sehr als Handelshemmnis ein wie die in manchen Branchen bestehende Auflage für ausländische Konzerne, mit einheimischen Partnern Joint Ventures eingehen zu müssen.

Neues Gesetz für IT-Sicherheit
Der Leverkusener Multi registriert des öfteren Attacken auf sein Computer-Netz. 2012 etwa gab es einen Hacker-Angriff aus China mit dem Ziel, Industrie-Spionage zu betreiben. Zuvor schon musste er sich des Computer-Virus’ Stuxnet erwehren. Auch die politische HackerInnen-Gruppe „Anonymus“ störte schon die digitalen Betriebsabläufe. Anderen Konzernen ergeht es ähnlich. Deshalb plant die Bundesregierung ein IT-Sicherheitsgesetz. Sie will eine Meldepflicht für die Opfer von Cybercrimes einführen und dem Bundeskriminalamt mehr Kompetenzen verleihen. Zudem plant die Große Koalition, die entsprechenden Abteilungen von BKA, Verfassungsschutz und „Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik“ mit mehr Personal auszustatten.

Dekkers neuer VCI-Präsident
BAYER-Chef Marijn Dekkers ist neuer Vorsitzender des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI). Im September 2014 hat er das Amt für die nächsten zwei Jahre übernommen.

Dekkers reist nach Russland
BAYER & Co. machten vor der Ukraine-Krise gute Geschäfte in Russland. Auf 750 Millionen Euro belief sich 2013 der Umsatz des Leverkusener Multis, wozu vor allem die Pharma-Sparte beitrug. Weil der Konzern auf dem Pillen-Markt mit jährlichen Steigerungsraten von acht bis neun Prozent und bis 2017 mit Gesamterträgen auf dem russischen Markt in Höhe von 1,3 Milliarden Euro rechnete, baute er seine Präsenz in dem Land stark aus. Die Diskussion um Wirtschaftssanktionen im Frühjahr 2014 alarmierte das Unternehmen deshalb. „Ich hoffe, dass die Situation diplomatisch gelöst werden kann“, ließ sich der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers damals vernehmen. Seine Hoffnung erfüllte sich nicht, die Strafmaßnahmen kamen. Ob er jetzt auch zu den Firmen-Bossen gehört, die Angela Merkel laut Spiegel mittels ständiger Anrufe drängen, für eine Lockerung der Handelsbeschränkungen einzutreten, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall gehörte Dekkers aber der Wirtschaftsdelegation an, die im Oktober 2014 auf Einladung des russischen Premierministers Dmitri Medwedew zu einer Zusammenkunft ausländischer Investoren geflogen war. Das Kanzleramt war über diese Reise-Diplomatie not amused. „Was wir am wenigsten brauchen, ist eine Nebenaußenpolitik der Konzerne“, so ein Berliner Spitzen-Beamter.

Eine neue „Lex BAYER“
Über die marode Leverkusener Autobahn-Brücke dürfen keine schweren LKWs mehr fahren. Zum BAYER-Gelände müssen sie deshalb einen Umweg von ca. 20 Kilometern in Kauf nehmen. Ernst Grigat, bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA für die Chem-„Parks“ in Leverkusen und Dormagen verantwortlich, verfällt aus diesem Grund schon in Weltuntergangsstimmung. „Wenn nicht schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wird, fürchten wir, dass die Industrie verlagert wird. Damit ist das langsame Sterben der chemischen Industrie in Deutschland vorprogrammiert.“ Und die apokalyptischen Töne zeigen Wirkung. Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD) kündigte einen Neubau an. Und damit alles ganz schnell geht, will der Sozialdemokrat sogar das Fernstraßen-Gesetz ändern und durch eine sogenannte „Lex Leverkusen“ den BürgerInnen-Willen außen vor halten. Nach den Plänen des Politikers sollen etwaige Einsprüche in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts fallen und damit nur noch über eine Instanz gehen. Einen Zeitgewinn von bis zu anderthalb Jahren verspricht sich der Minister davon. „Wir können es uns nicht leisten, durch Klagewellen das Risiko einer Vollsperrung einzugehen“, so Groschek.

Kritik an EU-Aktienrechtreform
Die EU plant in einer neuen Richtlinie umfangreiche Aktienrechtsveränderungen. Sie will künftig die AktionärInnen alle drei Jahre über die ManagerInnen-Gehälter abstimmen lassen und dabei die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die sonst in den Unternehmen gezahlten Entgelte gewahrt wissen. Zudem beabsichtigt Brüssel, den AnteilseignerInnen ein Mitsprache-Recht zu verschaffen, wenn ein Konzern mit seinen eigenen Teil-Gesellschaften oder seinen GroßaktionärInnen Geschäfte abzuschließen gedenkt. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, Pensionsfonds und anderen institutionellen Anleger ebenso zu mehr Transparenz zu verpflichten wie die manchmal von ihnen angeheuerten StimmrechtsberaterInnen. Erwartungsgemäß laufen BAYER & Co. Sturm gegen das Vorhaben.

Juncker rudert zurück
Der Leverkusener Multi betrachtet Medikamente als ganz normale Wirtschaftsgüter. Dem wollte der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker folgen. Beim Zuschnitt der neuen Kommissionen plante er, dem Gesundheitskommissar die Zuständigkeit für die Zulassung von Arzneien und Medizinprodukten zu entziehen und den Bereich unter die Verantwortung der neuen Industrie-Kommissarin Elzbieta Bienkowska zu stellen. Erst nach massiven Protesten ließ der Luxemburger von seinem Vorhaben ab. Dagegen gelang es ihm, das bisher eigenständige Klima-Ressort aufzulösen und es mit dem Energie-Ressort zu verbinden – schlechte Aussichten also für eine engagierte Politik zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes.

PROPAGANDA & MEDIEN

COLOSS betet Bienen gesund
Der Leverkusener Multi weigert sich weiterhin beharrlich, die Mitverantwortung seiner Pestizide GAUCHO und PONCHO am weltweiten Bienensterben einzuräumen. Ja, der Konzern weigert sich sogar, den Fakt als solchen anzuerkennen. „Europäische Honigbienen sind gesünder, als in vielen Medienberichten behauptet“, vermeldete das Unternehmen jüngst und berief sich dabei auf „das unabhängige Honigbienen-Forschungsnetzwerk COLOSS“. Mit der Unabhängigkeit des Forschungskolosses ist es allerdings nicht so weit her. Er zählt BAYER nämlich zu seinen „Event Partnern“ und scheint unter Wissenschaft auch primär Krisen-Kommunikation zu verstehen. So befasste sich eine „training school“, an welcher auch Manuel Trischler vom „Bee Care Center“ des Pharma-Riesen teilnahm, hauptsächlich mit der Frage, wie angeblich unangemessenen Beiträgen von ForscherInnen zum Bienensterben zu begegnen sei. Das der Universität Bern angegliederte Institut machte bei den Unternehmen Defizite im PR-Bereich aus und empfahl ihnen Nachhilfe-Stunden in Öffentlichkeitsarbeit.

Bienen-Kümmerer BAYER
Der Leverkusener Multi steht wegen seiner bienenschädigenden Pestizide GAUCHO und PONCHO, welche die EU bis vorerst 2015 aus dem Verkehr gezogen hat, in der Kritik. Darum verstärkt der Konzern seine PR-Aktivitäten (s. o.) Wo das Unternehmen nicht schlicht versucht, die Fakten abzustreiten, da inszeniert es sich als Bienenkümmerer. Der Global Player fördert nicht nur das Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen sowie von Bienenweiden und gründet „Bee Care Center“, sondern unterstützt auch Forschungsvorhaben zum Erhalt der Bienengesundheit. So spendet er der kanadischen „University of Guelph“ 750.000 Dollar für den Aufbau eines Insekten-Gesundheitszentrums.

Neue Gentech-Kampagne
Im Februar 2014 haben BAYER & Co. eine neue PR-Kampagne für die grüne Gentechnik gestartet. „Growing Voices“ lautet der Markenname der Unternehmung, denn sie will den „lauter werdenden Stimmen, die ein Umdenken der EU in puncto ‚Gen-Pflanzen’ anmahnen“, Ausdruck verleihen. Die Auftakt-Veranstaltung fand im Brüsseler Hotel „Renaissance“ statt und brachte „Gesundes Essen – die unerzählte Geschichte der Gen-Pflanzen“ zu Gehör. Den „Science Fiction“-Stoff führten sich unter anderem damalige Angehörige der Europäischen Kommission und des EU-Parlaments, EU-BeamtInnen, UmweltpolitikerInnen, EmissärInnen von Forschungseinrichtungen – und natürlich Abgesandte der Agro-Multis zu Gemüte. Allein von BAYER waren neun VertreterInnen anwesend.

Wissenschaftliche Gentech-PR
Mit vereinten Kräften wollen die „Bill & Melinda Gates Foundation“ und BAYER, MONSANTO & Co. die Gentechnik-Debatte „entpolarisieren“. Zu diesem Behufe hat die Stiftung der Cornell Universität nicht weniger als 5,6 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Als Partner der PR-Kampagne mit wissenschaftlichem Antlitz namens „Alliance for Science“ fungiert der vom Leverkusener Multi und anderen Agro-Riesen unterstützte Lobby-Verein „International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications“ (ISAAA).

Gentech-Studie: CRIIGEN steigt aus
Im Juli 2013 hat das französische Gesundheitsministerium eine Studie über Gentech-Risiken in Auftrag gegeben. Ihr ist allerdings ein „Dialog-Forum“ angeschlossen, in dem VertreterInnen von BAYER, MONSANTO und LIMAGRAIN sitzen. Darum hat die unabhängige Wissenschaftsorganisation CRIIGEN ihren Ausstieg aus dem Projekt verkündet. „Wir können nicht mit Leuten zusammenarbeiten, die Lobbying-Taktiken benutzen, um ihre Produkte zu vermarkten und deren Akzeptanz zu erhöhen, ohne jene genauer zu untersuchen und ohne Transparenz walten zu lassen“, heißt es in der Begründung.

BAYER sponsert den „Weltthrombose-Tag“
Die „International Society on Thrombosis and Haemostasis“ hat den 13. Oktober zum „Weltthrombose-Tag“ erklärt, um stärker auf die mit den Blutgefäß-Verschlüssen einhergehenden Lebensgefahren aufmerksam zu machen. Der Leverkusener Multi gehört zu den Sponsoren der Veranstaltung, womit der Bock zum Gärtner wird. Thrombo-Embolien gehören nämlich zu den häufigsten Nebenwirkungen seiner Verhütungspillen aus der YASMIN-Familie. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte bisher 190 Sterbefälle.

BAYER erklärt Nebenwirkungen
XARELTO, YASMIN, BETAFERON, MIRENA, ESSURE – die Liste der BAYER-Medikamente, die wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik stehen, wird immer länger. Das bleibt auch in der Belegschaft nicht unbemerkt, weshalb sich der Leverkusener Multi in seiner Beschäftigten-Zeitung direkt gezwungen sah, auf die Problematik einzugehen. Da der Konzern es auch als Aufgabe seiner Angestellten erachtet, „zu Themen Stellung zu nehmen, die in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden“, will direkt ihnen künftig in einer Serie Argumente für solche Gelegenheiten an die Hand geben. Nach dem Motto „Jedes Ding hat zwei Seiten“ erklärt der Leverkusener Multi Nebenwirkungen erst einmal zu einer Naturgegebenheit. Aber natürlich hat er nach eigenen Aussage im Sinne seiner Mission „Science For A Better Life“ ein Interesse daran, diese in – natürlich ganz unabhängigen – Studien aufzuspüren und setzt angeblich auch seinen halben Forschungsetat dafür ein. Fortbildungsveranstaltungen für MedizinerInnen und Hotlines dienen ebenfalls bloß diesem Zweck – die Märchenstunde will gar kein Ende nehmen.

BAYER kauft Museum
Am Standort Lubbock hat der Leverkusener Multi das „American Museum of Agriculture“ in Beschlag genommen. Es benannte sich zu Ehren des neuen Sponsors nicht nur in „BAYER Museum of Agriculture“ um, sondern veränderte auch den Charakter seiner Dauerausstellung. Die Schau widmet sich jetzt nicht mehr so stark der Geschichte der Landwirtschaft und verlagert den Schwerpunkt stattdessen auf die Zukunft. Zur Freude des Konzern-Sprechers Lee Rivenbark illustrieren viele Exponate den BAYER-Slogan „Science for A Better Life“. Und das ganze Haus gilt ihm nun als „Leuchtturm für Wissenschaft und Innovation auf dem Gebiet ‚Landwirtschaft’“, denn: „Innovation ist das, worum es BAYER geht“.

TIERE & ARZNEIEN

Mehr BAYTRIL in den Tierställen
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten. Im Fall von BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinolone an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Und die Gefährdung nimmt zu: 2013 stieg – bei insgesamt fallenden Zahlen (1.452 gegenüber 1.619 Tonnen) – die Menge der verschriebenen Fluorchinolone von zehn auf 13 Tonnen (siehe auch SWB 4/14). Und was wie eine kleine Umschichtung bei insgesamt rückläufiger Tendenz anmutet, bedeutet wegen unterschiedlicher Dosierungsvorschriften in Wirklichkeit jedoch eine Ausweitung der Antibiotika-Zone. Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, vermögen die LandwirtInnen mit einer Tonne BAYTRIL nämlich 2,2 Millionen Tiere zu versorgen! Das Verbraucherschutzministerium verschleiert diesen Tatbestand allerdings bewusst und verkauft „Gesamtmenge im Jahr 2013 weiter gesunken“ als Erfolgsmeldung.

TIERE & VERSUCHE

Zweifel an Tierversuchen
172.287 Tierversuche hat der Leverkusener Multi 2013 durchgeführt bzw. durchführen lassen – 1.690 mehr als 2012. Eine neue Studie der WissenschaftlerInnen Pandora Pound und Michael B. Bracken bewertet die Sinnhaftigkeit solcher Tests kritisch. Angesichts hunderter am „Tier-Modell“ erprobter Medikamente, die am „Mensch-Modell“ versagten, zweifelt ihre im British Medical Journal veröffentlichte Untersuchung die Übertragbarkeit der Ergebnisse an. Zudem bescheinigt die Expertise den mit Ratten, Mäusen und anderen Lebewesen unternommenen Experimenten eine mangelhafte Qualität, was die ProbandInnen der nachfolgenden klinischen Prüfungen unnötigen Risiken aussetze. „Die aktuelle Studie zeigt erneut, dass der von manchen Kreisen gebetsmühlenartig behauptete Nutzen von Tierversuchen keinerlei Fundament hat“, konstatiert Silke Bitz von ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE.

DRUGS & PILLS

USA: Alarmierende XARELTO-Zahlen
Auch in den Vereinigten Staaten wächst die Besorgnis über die Risiken und Nebenwirkungen, die von BAYERs neuem Gerinnungshemmer XARELTO ausgehen. 680 Meldungen über unerwünschte Effekte des Präparats mit dem Wirkstoff Rivaroxaban erhielt die Gesundheitsbehörde FDA allein im ersten Quartal 2013 – 152 mehr als zu dem Konkurrenz-Medikament PRADAXA.

Nierenerkrankungen durch BETAFERON
BAYERs „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON kann Nierenschädigungen hervorrufen. Eine entsprechende Warnung veröffentlichte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) im August 2014 (siehe auch SWB 4/14). Damit erschöpfen sich die Gegen-Anzeigen des Gentech-Präparats allerdings bei Weitem nicht. 186 Meldungen über „unerwünschte Arznei-Effekte“ hat das BfArM allein im Jahr 2013 erhalten. Dazu zählen unter anderem temporäre Spastiken, Schmerz-Attacken, Verstopfung und Müdigkeit. Und im Gegensatz zu den Nebenwirkungen bleiben die Wirkungen des Mittels spärlich. Dem MS-Ratgeber der „Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf“ zufolge sind BETAFERON und andere Substanzen auf Interferon-Basis nur bei 16 Prozent der frisch Erkrankten imstande, einen zweiten Schub zu verhindern, bei fünf von sechs PatientInnen hingegen zeigen sie keinen Nutzen.

ASPIRIN gegen Krebs?

Immer wieder erscheinen Studien, die BAYERs ASPIRIN eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs bescheinigen. Diese weisen jedoch meist Mängel auf. Entweder können die WissenschaftlerInnen sich nur auf äußerst beschränktes Daten-Material stützen oder sie haben Kontakte zum BAYER-Konzern. Dies ist auch bei der Arbeit von Jack Cuzick und seinem Team der Fall, die zahlreiche Untersuchungen zum Thema ausgewertet haben und dem „Tausendsassa“ einen prophylaktischen Effekt bescheinigen. Cuzick gehört nämlich zum Beraterstab des Pharma-Riesen, und auch viele seiner MitarbeiterInnen standen oder stehen noch auf der Gehaltsliste des Unternehmens.

BAYERs Endometriose-Coup
Bei der Endometriose handelt es sich um eine gutartige Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut. Besonders während des Monatszyklusses verursacht das sich außerhalb der Gebärmutter-Höhle befindliche Gewebe Schmerzen. Zu deren Behandlung haben Frauen-ÄrztInnen früher die Verhütungspillen VALETTE oder CHLORMADINON der BAYER-Tochter JENAPHARM verschrieben. 2010 aber brachte der Leverkusener Multi mit VISANNE ein speziell für diese Krankheit zugelassenes Präparat auf den Markt. Die Produktion der beiden anderen Mittel stellte er ein, damit sie der Neuheit keine Konkurrenz machen – das Unternehmen verlangt für VISANNE nämlich rund das Fünffache des Preises von CHLORMADINON. Den höheren Kosten entspricht noch nicht einmal keine höhere Wirksamkeit. Die Arznei konzentriert sich lediglich auf die Symptom-Linderung. Zudem basiert die Zulassung auf einer dünnen Daten-Lage, die Kohorte bei der Sicherheitsanalyse umfasste nur 300 Frauen. Darum betrachten das industrie-unabhängige arznei-telegramm und das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ VISANNE auch bloß als Mittel der 2. Wahl. Ähnlich wie bei VISANNE war der Pharma-Riese in Tateinheit mit SANOFI jüngst auch im Fall von Alemtuzumab vorgegangen. Als die Konzerne die Zulassung für die Indikation „Multiple Sklerose“ erhielten, zogen sie die Arznei umgehend als Mittel zur Behandlung der chronisch-lymphatischen Leukämie“ vom Markt zurück, weil das neue Anwendungsgebiet mehr Profite verspricht (SWB 1/14).

Frankreich: MELIANE-Umsatz sinkt
2006 hatte die Französin Marion Larat nach der Einnahme des BAYER-Verhütungsmittels MELIANE einen Schlaganfall erlitten. Sechs Jahre später entschloss sie sich, den Pharma-Riesen auf Schadensersatz zu verklagen. Das damit verbundene Medien-Echo machte die Öffentlichkeit erstmals auf die mit den Kontrazeptiva der dritten und vierten Generation verbundenen Risiken aufmerksam. Die damalige Gesundheitsministerin Marisol Touraine reagierte umgehend. Sie wies die Krankenkassen an, die Kosten für MELIANE & Co. nicht mehr zu übernehmen. Und das zunehmend kritische Klima hatte Folgen: Bis Ende 2013 büßten die Mittel 60 Prozent ihres Umsatzes ein.

Kein NEXAVAR bei Brustkrebs
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib hat bislang eine Zulassung bei den Indikationen „fortgeschrittener Nierenkrebs“ und „fortgeschrittener Leberkrebs“. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu erweitern. Ein Versuch, das Mittel zusammen mit Capecitabin bei solchen Patientinnen mit fortgeschrittenen Brustkrebs-Arten zur Anwendung zu bringen, bei denen andere Medikamente versagt hatten, scheiterte jetzt allerdings. „Wir sind enttäuscht, dass die Studie keine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens bei Patienten mit fortgeschrittenem Brustkrebs zeigen konnte“, sagte der BAYER-Manager Jörg Möller. Zuvor war schon ein anderer Ansatz zur Therapie von Brustkrebs ohne Erfolg geblieben. Auch bei einer bestimmten Art von Leber-, bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs hatte NEXAVAR bereits versagt.

NICE nicht nice zu XOFIGO
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Strahlentherapie-Medikament XOFIGO (siehe auch PRODUKTION & SICHERHEIT) durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. Deshalb finanziert der „National Health Service“ die Behandlung mit dem Pharmazeutikum nicht, das bei der Prostatakrebs-Art CRPC zum Einsatz kommt, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Der Leverkusener Multi habe zu dem Mittel keine Dokumente vorgelegt, die seine Überlegenheit gegenüber vergleichbaren Arznei-Therapien demonstrieren könnten, so die Behörde. „Wir müssen zuversichtlich sein, dass die Vorteile die beträchtlichen Kosten rechtfertigen“, sagte NICE-Chef Andrew Dillon angesichts des Preises von 30.000 Euro für eine einzige Anwendung des Präparats, das den PatientInnen bei den Klinischen Tests nur zu einem ca. drei Monate längeren Leben verhalf.

Weitere Zulassungen für ADEMPAS
Bei der Arznei ADEMPAS handelt es sich um ein Mittel zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge die Bildung eines Enzyms stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Nachdem BAYER in den USA bereits die Zulassung für das Medikament erhalten hat, erteilte dem Präparat nun auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA grünes Licht. Japan hat bisher nur eine Genehmigung für das Anwendungsgebiet „CTEPH“ erteilt, ein Antrag für die Indikation „PAH“ ist noch in Bearbeitung. Wie üblich, hat der Leverkusener Multi jedoch noch viele weitere Therapie-Felder wie z. B. „die Nieren-Protektion und die Herz-Insuffizienz“ im Auge und will Millionen mit ADEMPAS machen. Das industrie-unabhängige Fach-Magazin Arzneimittelbrief hingegen kann die Euphorie des Pharma-Riesen nicht ganz teilen. Obwohl es sich bei Riociguat um eine „innovative Substanz“ handle, deren therapeutischer Mechanismus „neu und interessant“ erscheine, seien die in der Literatur beschriebenen Effekte nur „marginal“, dämpft die Publikation die Erwartungen, die BAYER nicht zuletzt durch das Öffnen der „Marketing-Schleuse“ geschürt habe.

Test the East
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Tests in ärmere Länder aus. Dort winken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und eine mangelhafte Aufsicht. Die Folge: Immer wieder kommt es zu Todesfällen. So starben 2011 in Indien 20 Menschen bei Erprobungen von BAYER-Medikamenten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN machte diesen Skandal öffentlich, und der Leverkusener Multi reagierte – er schaute sich nach anderen Nationen um. Neben China hat es ihm momentan besonders Russland angetan. 90 – teils noch laufende, teils schon abgeschlossene – Medikamenten-Erprobungen des Global Players in dem Staat weist die Datenbank „ClinicalTrials“ aus. Das CLINICIAL TRIALS CENTER oder andere Auftragsfirmen prüften für den Konzern dort unter anderem die Spirale MIRENA, das Krebsmittel NEXAVAR, den Gerinnungshemmer XARELTO und das „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON. Nach einem Bericht der Zeit bietet das Land unschlagbare Standort-Vorteile. ProbandInnen bemühen sich selbstständig um eine Teilnahme an den Tests, weil ihnen die Medikamente sonst nicht zur Verfügung stehen, und bleiben auch bei der Stange. Dass ihnen das Recht zusteht, einen Medikamenten-Versuch abzubrechen, erfahren sie oft nicht, und eine Ethik-Kommission, welche über alles wacht, existiert ebenfalls nur selten. „Die besteht in Russland häufig nur auf dem Papier“, sagt Alexander Globenko vom CLINICIAL TRIALS CENTER und berichtet zudem von MedizinerInnen, die Nebenwirkungen nicht protokollieren. Sogar die Existenz von Phantom-Studien mit erfundenen TeilnehmerInnen räumt er ein. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) weiß um diese Zustände. „Auffällig glatt“ erscheinen einer BfArM-Mitarbeiterin laut Zeit die Ergebnisse bisweilen. Selbst der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ hält die russischen Verhältnisse der Zeitung zufolge für besorgniserregend. Das dürfte den Leverkusener Multi jedoch vorerst nicht von seinem Tun abhalten.

Zweifelhafte Testosteron-Studie
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben, um NEBIDO und andere Hormone an den Mann bringen zu können. Die passenden Studien liefert BAYER dazu auch. So präsentierte der Pharma-Riese in Sofia auf einem medizinischen Kongress zum Thema „Fettleibigkeit“ eine Untersuchung, wonach eine Testosteronersatz-Therapie zu Gewichtsverlusten inklusive besserer Blutzucker- und Blutdruck-Werte führt. Allerdings hält die Expertise wissenschaftlichen Kriterien kaum stand: Sie stützt sich auf gerade einmal 46 Probanden. Richtige Studien kommen zu ganz anderen Ergebnissen. So fand eine ForscherInnen-Gruppe um Jared L. Moss von der Universität Knoxville heraus, dass die Testosteron-Spritzen die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen. Zudem beobachteten die WissenschaftlerInnen Schrumpfungen des Hodengewebes und Samenzellen-Missbildungen. Damit fügten sie der langen Liste von Risiken und Nebenwirkungen der Mittel wie Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Ödeme, Blutverdickung und Leberschäden noch einige weitere Einträge hinzu.

Arznei-Ausgaben steigen um 3,2 Prozent
Im Jahr 2013 erhöhten sich die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente im Vergleich zu 2012 um 3,2 Prozent auf 32,1 Milliarden Euro. Das geht aus den Zahlen des „Arzneiverordnungsreports 2014“ hervor. Der Herausgeber, der Pharmakologe Ulrich Schwabe, macht dafür die hohen Preise für Pharmazeutika im Allgemeinen und für patentgeschützte Medikamente im Besonderen verantwortlich. Der Leverkusener Multi hat daran einen gehörigen Anteil. So verlangt er für sein nicht eben wirkungsvolles Krebsmittel NEXAVAR über 58.000 Euro im Jahr. Eigentlich sollte das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 hier Abhilfe schaffen, denn nach diesem Paragrafen-Werk müssen die Pharma-Firmen mit ihren Arzneien ein Verfahren durchlaufen, das Kosten und Nutzen der Präparate bewertet, und sich anschließend mit den Krankenkassen auf einen Erstattungsbetrag einigen. Jährliche Einsparungen in Höhe von zwei Milliarden Euro erwarteten die PolitikerInnen von der Regelung. Die Hoffnung trog jedoch; 2013 wurden es lediglich 150 Millionen Euro. Die schwarz-gelbe Koalition war nämlich von ihren Plänen abgerückt, alle Medikamente einer Revision zu unterziehen und beschränkte sich auf neue Präparate. Zudem fallen die Abschläge äußerst mager aus. Für BAYERs Gentech-Präparat EYLEA zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – betrugen sie trotz des Prüfurteils „Kein Zusatznutzen“ gerade mal 7,6 Prozent. Von 1.136 auf 1.050 Euro hatte der Pharma-Riese den Apotheken-Verkaufspreis zu senken.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

CDU und SPD verharmlosen GAUCHO
BAYERs Pestizide GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) sind mitverantwortlich für das weltweite Bienensterben. Deshalb hat die EU ihnen 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen. Die Bundesregierung jedoch verharmlost die Gefahr dieser zur Gruppe der Neonicotinoide zählenden Ackergifte. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bezweifelt sie die Aussagekraft der meisten Untersuchungen zur Gefährlichkeit dieser Mittel und beruft sich dabei auf das bundeseigene Julius-Kühn-Institut. So bezeichnen Merkel & Co. etwa das Studien-Design als mangelhaft. Zudem zweifeln sie die Übertragbarkeit der Labor-Ergebnisse auf Freiland-Bedingungen an. Darum hält die Große Koalition es im Einklang mit BAYER & Co. auch für richtig, sich bei der Suche nach den Ursachen für die Dezimierung der Bienenvölker weiter hauptsächlich auf die Varroa-Milbe zu konzentrieren.

GAUCHO-Alternative SIVANTO?
Ab 2015 will BAYER das Pestizid Flupyradifuron (Produktname: SIVANTO) als Alternative zu Imidacloprid (GAUCHO) vermarkten, dem die EU wegen seiner bienenschädigenden Wirkung 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen hat. Flupyradifuron gehört zwar nicht wie Imidacloprid zur Gruppe der Neonicotinoide, sondern zu den Butenoliden, es ähnelt den Neonicotinoiden aber in seiner Funktionsweise. Wie diese wirkt das Flupyradifuron systemisch, also gegen eine Vielzahl von Schadinsekten, und wie diese blockiert es bei den Tieren die Reiz-Weiterleitung an den Nervenbahnen. Deshalb bestehen Zweifel daran, ob der Stoff wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet.

Brasilien: Verbot von GLYPHOS?
Wie El Salvador (siehe Ticker 3/14) plant nun auch Brasilien das Verbot von besonders gesundheitsschädlichen Pestiziden. Auf der Schwarzen Liste befinden sich mit Parathion-Methyl und Glyphosat auch zwei Wirkstoffe, die BAYER im Angebot hat. Parathion-Methyl kommt in ME 605 Spritzpulver zum Einsatz, und Glyphosat in GLYPHOS und USTINEX G. Zudem verkauft der Leverkusener Multi Glyphosat noch in Kombination mit CREDENZ und anderen gegen das Ackergift immun gemachten Genpflanzen.

Protest gegen Öko-Verordnung der EU
Die EU plant, strengere Pestizid-Grenzwerte für den ökologischen Landbau zu erlassen. Die betreffenden LandwirtInnen wenden sich allerdings gegen die Regelung. Da durch angrenzende Felder von Bauern und Bäuerinnen, die mit konventionellen Methoden arbeiten, auch Chemikalien auf ihre Äcker gelangen, fürchten sie, die neuen Limits nicht einhalten zu können.

BAYER erwirbt Herbizide
Der Leverkusener Multi hat von DUPONT Herbizide erworben, die im „Land-Management“, also nicht auf Äckern, sondern in Wäldern, auf Weide-Flächen, Industrie-Arealen oder Bahn-Gleisen zum Einsatz kommen (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Rund 30 Anti-Unkrautmittel umfasst das DUPONT-Sortiment. Dazu gehören Produkte wie PERSPECTIVE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Chlorsulfuron), ESPLANADE (Wirkstoff: Indaziflam), STREAMLINE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Metsulfuronmethyl), ESCORT (Wirkstoff: Metsulfuronmethyl) und Oust (Wirkstoff: Sulfometuronmethyl).

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft GRANAR
BAYER hat das Sojasaatgut-Geschäft des paraguayischen Unternehmens GRANAR erworben (siehe auch IMPERIUM & WELTMACHT).

Feldversuche mit Zuckerrübe
Der Leverkusener Multi und KWS kündigen Feldversuche mit einer gemeinsam entwickelten Zuckerrüben-Art an, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern wie BAYERs ATTRIBUT (Wirkstoff: Propoxycarbazone) unbeschadet, weshalb die neue Rübe schon bald ziemlich alt aussehen könnte.

GENE & KLONE

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Der Leverkusener Multi setzt besonders bei SURPASS und anderen Baumwoll-Pflanzen auf den Bazillus. Die Schadinsekten können sich jedoch immer besser auf ihn einstellen. In einer von Juliano Ricardo Farias und seinem Team durchgeführten Untersuchung gelang es dem Heerwurm schon binnen dreier Jahre, eine Resistenz gegen den Bt herauszubilden. Zudem trotzen vielerorts bereits der Baumwollkapselbohrer, die Baumwollkapseleule, die Kohlschabe, die Aschgraue Höckereule, der Eulenfalter und die „Busseola fusca“-Raupe der Substanz.

Import-Zulassung für Gentech-Mais?
Die EU-Gremien befinden zur Zeit über eine Import-Zulassung für BAYERs Gentech-Mais T25. Die Lebensmittelbehörde EFSA hat der Laborfrucht bereits eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt, obwohl sie gentechnisch auf eine Behandlung mit dem gesundheitsgefährdenden Pestizid Glufosinat geeicht ist. Darum konnte sich das „Standing Committee on the Food Chain and Animal Health“ auch nicht auf ein positives Votums einigen. Zweimal kam es zum Patt, wobei die Bundesrepublik sich jeweils der Stimme enthielt. Jetzt obliegt der Europäischen Kommission die Entscheidung. Die Pflanze reiste derweil schon mal illegal ein. 2011 entdeckte das niedersächsische Umweltministerium bei einer Untersuchung Spuren von T25 in konventionellem Mais-Saatgut aus Ungarn.

Kennzeichnungspflicht in Vermont
Seit einiger Zeit gibt es in US-amerikanischen Bundesstaaten Initiativen zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel. BAYER & Co. investieren viel Geld, um diese Vorhaben zu Fall zu bringen und können leider schon Erfolge verbuchen. In Washington und Kalifornien scheiterte ein BürgerInnen-Begehren bereits. In Vermont allerdings muss die Gentech-Industrie Farbe bekennen. Der Bundesstaat erließ ein Kennzeichnungsgesetz, das jedoch einige Lücken aufweist, wie KritikerInnen monieren. Maine und Connecticut taten es Vermont gleich, wollen das Paragrafen-Werk jedoch erst in Kraft setzen, wenn mindestens vier weitere Staaten folgen.

Stammzellen: Der Hype ist vorbei
„Die Möglichkeiten sind grenzenlos“, schwärmte im Jahr 2001 BAYERs damaliger Chef-Pharmazeut Wolfgang Hartwig über die Stammzellen. Aus ihnen wollten die GenforscherInnen des Konzerns zahlreiche Zelltypen oder Gewebe-Arten entwickeln. 2008 haben sie in Japan ein Patent (siehe Ticker 3/08) für eine Technik zur Produktion von „Induzierten Pluripotenten Stammzellen“ (IPS) angemeldet, eine Stammzellen-Art, welche die ForscherInnen durch eine „Rückprogrammierung“ normaler Körperzellen erzeugen, was die Abtötung von Embryos erspart. Aber die Möglichkeiten dieser Gentechnik sind rasch an Grenzen gestoßen. Deshalb hat sich Ernüchterung eingestellt. „BAYER ist auf dem Gebiet der Stammzell-Forschung derzeit nicht aktiv“, heißt es jetzt lapidar. Thomas Eschenhagen, der Direktor des Instituts für Experimentelle Pharmakologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, bezeichnet den Wirbel um die Stammzellen im Nachhinein als Beispiel für „kurzfristige Sensationsforschung“. „Die waren vor 15 Jahren der große Hype. Alle sind auf diese Welle aufgesprungen, aber viele dieser Versprechen haben sich als falsch oder übertrieben herausgestellt. Also ist die Forscher-Karawane weitergezogen“, sagte er in einem taz-Interview. Eschenhagen hingegen forscht weiter an der Herstellung von künstlichem Herz-Gewebe aus Stammzellen.

Neue EYLEA-Zulassung
Wann immer die Aufsichtsbehörden einer Arznei des Leverkusener Multis für ein bestimmtes Anwendungsgebiet die Genehmigung erteilen, versucht dieser, grünes Licht für weitere Indikationen zu erhalten. So verfährt er auch im Falle des Gentech-Augenpräparats EYLEA. Zunächst nur zur Behandlung der altersbedingten feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassen, können es MedizinerInnen seit einiger Zeit auch zur Behandlung der Folgen eines Zentralvenen-Verschlusses der Netzhaut verschreiben. Und jetzt dürfen sie es zusätzlich zur Therapie der von der Zuckerkrankheit hervorgerufenen Makula-Degeneration einsetzen. Zudem stimmten die japanischen Aufsichtsbehörden bereits einer Verwendung bei der „choroidalen Neovaskularisation“, einer Gewebe-Wucherung am Seh-Organ, zu. Als Augen-Allheilmittel kommt der gemeinsam mit der Firma REGENERON entwickelte EYLEA-Wirkstoff Aflibercept aber nicht in Betracht. In den Tests, die zur ersten Zulassung führten, demonstrierte er nämlich lediglich seine Nicht-Unterlegenheit gegenüber Ranibizumab. Überdies traten während der Erprobungen zahlreiche Nebenwirkungen wie Bindehaut-Blutungen, grauer Star, Augenschmerzen, Glaskörper-Trübungen und Erhöhung des Augeninnendrucks auf.

EYLEA: Es geht auch billiger
Nach einer Untersuchung der Cochrane Collaboration, einem Netzwerk von ÄrztInnen, WissenschaftlerInnen und PatientInnen-VertreterInnen, wirkt das ROCHE-Krebsmedikament AVASTIN genauso gut zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – wie ROCHEs LUCENTIS und BAYERs Gentech-Präparat EYLEA. Es hat nur einen Nachteil: Es ist zu billig, weshalb der Schweizer Konzern sich nicht selbst Konkurrenz machen will. Während eine Injektion mit LUCENTIS 900 Euro kostet und eine mit BAYERs Gentech-Präparat 1.050 Euro, schlägt AVASTIN nur mit 30 Euro zu Buche.

Hämophilie-Gentherapie
Das Unternehmen DIMENSION THERAPEUTICS entwickelt für BAYER eine neue Methode zur Behandlung der Bluter-Krankheit Hämophilie A. Dabei wollen die WissenschaftlerInnen ein Gen, das den Gerinnungsfaktor VIII produziert, direkt in die Leber einführen. Bis zu 240 Millionen Dollar an Zahlungen hat die US-amerikanische Biotech-Firma zu erwarten, sollte es ihr gelingen, das Verfahren bis zur Marktreife zu entwickeln.

WASSER, BODEN & LUFT

GAUCHO & Co. belasten Gewässer
Die Bundesländer überprüfen die Belastung der Gewässer mit BAYERs bienenschädlichen (siehe PESTIZIDE und HAUSHALTSGIFTE) Pestizid-Wirkstoffen Imidacloprid (GAUCHO) und Clothianidin (PONCHO) nicht systematisch. Es liegen nur Stichproben vor. Diese geben jedoch Anlass zur Sorge, denn sowohl Clothianidin als auch Imidacloprid überschritten teilweise die Grenzwerte. Besonders Imidacloprid tat sich dabei hervor. „Das deutet darauf hin, dass Imidacloprid ein für die Erfüllung der Anforderungen der EU-Wasserrahmen-Richtlinie relevanter Schadstoff in Oberflächen-Gewässern ist“, hält die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen zu GAUCHO & Co. fest.

Lubbock: BAYER & Co. in der Kritik
Im texanischen Bezirk Lubbock befinden sich neben dem Leverkusener Multi noch viele andere Chemie-Unternehmen. 390 Tonnen teils hochgefährlicher Stoffe lagern auf den Firmen-Arealen, oft in bedenklicher Nähe zu Siedlungen. Als es im Mai vergangenen Jahres auf dem BAYER-Gelände zu einem Austritt von Chlorwasserstoff kam, mussten deshalb die EinwohnerInnen eines ganzen Stadtteils von Guadalupe ihre Häuser verlassen. Besonders der geringe Abstand der Fabriken zu Schulen beunruhigt die LubbockerInnen. So liegen nach einer Studie des „Center for Effective Government“ 27 Bildungseinrichtungen mit insgesamt 9.500 SchülerInnen im „Einzugsgebiet“ von BAYER & Co. Die BürgerInnen verlangten aus diesem Grund genauere Information über die Substanzen, aber die Verantwortlichen des Regierungsbezirkes verweigerten die Auskunft.

Das Aus für Mikroplastik?
BAYER & Co. drängen mit ihrer Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So finden sich in Zahnpasten, Dusch-Peelings und Kontaktlinsen-Reinigern viele Kunststoff-Produkte. Der Leverkusener Multi produziert beispielsweise Polyurethane zur Verstärkung der Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups. Diese Mikroplastik-Teilchen können nicht nur Gesundheitsstörungen verursachen, sondern auch die Umwelt schädigen, denn sie passieren die Kläranlagen unbehelligt. In den Gewässern bilden die Substanzen dann den besten Nährboden für andere Giftstoffe und potenzieren so ihre Gefährlichkeit noch einm

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2014

CBG Redaktion

HV: BAYER auf Rückzug

Verkehrte Welt

Schlechter hätte die diesjährige Hauptversammlung für BAYER nicht laufen können. Der Leverkusener Multi musste auf Geheiß des Kölner Verwaltungsgerichts die „Bannmeile“ um die Messehalle herum aufheben, so dass die Demonstrantinnen den AktionärInnen wieder näherkommen konnten. Damit nicht genug, sprachen dann im Saal selber mit 26 Konzern-KritikerInnen auch noch so viele Gegen-RednerInnen wie niemals zuvor und degradierten die Kapital-VertreterInnen damit zu einer kleinen radikalen Minderheit. Entsprechend missgelaunt präsentierte sich das Unternehmen. Von den ausländischen SprecherInnen erbat sich der nur Wirtschaftsenglisch verstehende Global Player Rede-Beiträge in deutscher Sprache und schaltete ihnen bei Zuwiderhandlungen einfach das Mikrofon ab.

Von Jan Pehrke

Die fleißigen Hände von BAYER hatten schon am Tag vor der Hauptversammlung damit begonnen, die Kölner Messehalle weiträumig mit einem Kordon von Schutzgittern abzuschirmen. Um sich die Konzern-KritikerInnen vom Leib zu halten, hatte der Leverkusener Multi nämlich wie im Vorjahr von der Messe-Gesellschaft den Vorplatz gleich mitgemietet, weshalb er meinte, das Hausrecht beanspruchen zu können und dabei in der Kölner Polizei einen freundlichen Helfer fand. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ging dagegen per einstweiliger Verfügung gerichtlich vor und bekam Recht zugesprochen. „Die Antragsteller können die Gewährleistung der angemeldeten Kundgebung seitens des Antraggegners beanspruchen, denn diese fällt – entgegen der vom Antragsgegner vertretenen Auffassung – unter die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Absatz 1 GG“, urteilte das Kölner Verwaltungsgericht. „Orte der allgemeinen Kommunikation“ haben politischen Aktionen zugänglich zu bleiben, urteilten die RichterInnen mit Bezug auf das so genannte FRAPORT-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das 2011 die Abschottung des Frankfurter Flughafens für unrechtmäßig erklärt hatte.
So mussten dann die fleißigen Hände ihr Tagwerk wieder abtragen und den Platz der „allgemeinen Kommunikation“ öffnen. Und die fand am 29. April reichlich statt. Eine bunte Schar von ca. 150 Personen hatte sich schon am frühen Morgen vor den Messehallen eingefunden. Geschädigte der BAYER-Spirale MIRENA zogen mit einem furchterregend großen Exemplar des Pessars vor den Eingang. Eine Gruppe von Frauen, denen die Kontrazeptiva des Konzerns zugesetzt hatten, trugen rote T-Shirts mit ihren Krankengeschichten. „Erfolgsbilanz ‚Die Pille’: Ricarda (23) Lungenembolie“, konnten die AktionärInnen darauf etwa lesen. Auch Leidtragende des Schwangerschaftstests DUOGYNON kamen wieder nach Köln. Zu ihnen gesellten sich darüber hinaus noch GREENPEACE-AnhängerInnen, GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Pipeline, ImkerInnen, die Kölner Lichtbrigade und natürlich Mitglieder der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit all ihren Transparenten und Flugblättern.
Und im Saal selber setzte sich die konzern-kritische Kommunikation beinahe übergangslos fort. „Mit Marc Tüngler und Joachim Kregel hatten nur zwei Aktionärsvertreter Gelegenheit, die Leistung des Vorstands aus Sicht der Anteilseigner zu kommentieren. Die Noten fielen hervorragend aus, aber schon nach 20 Minuten ging es nur noch um weniger angenehme Dinge als die Steigerung des Aktienkurses, eine höhere Dividende und gute Aussichten für den BAYER-Konzern“, hieß es in dem „BAYER-Kritiker geben Ton an“ überschriebenen Hauptversammlungsartikel des Leverkusener Anzeigers. Sage und schreibe 26 Gegen-RednerInnen meldeten sich nach Tüngler und Kregel zu Wort – so viel wie noch nie. Kein Weg war ihnen dafür zu beschwerlich, bis aus Australien und Indien kamen sie in die Kölner Messehalle.
Die Kontrazeptiva-Geschädigte Marion Larat reiste aus dem französischen Bordeaux an. In ihrem Heimatland just zur „Frau des Jahres“ gekürt, weil sie mit ihrer Klage gegen BAYER und der Gründung der Selbsthilfegruppe AVEP die von MELIANE (Wirkstoffe: Gestoden und Ethinylestradiol) und anderen Verhütungsmitteln ausgehende Gefahr einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht hat, konfrontierte sie den Leverkusener Multi zum ersten Mal direkt mit ihrem Schicksal. „Ich bin hier, stehe Ihnen gegenüber, halbseitig gelähmt, mit einer Sprachstörung und als Epileptikerin als Folge eines Schlaganfalls, der mich vor 8 Jahren niedergestreckt hat. Zum Glück habe ich überlebt und ich bin hierher gekommen, um Ihnen von meinem Leiden und meiner Wut zu erzählen“, so begann ihre von Ricarda Popert in Deutsch vorgetragene Rede. Dann berichtete sie von dem Vorfall, der sie – 18-jährig und frisch verliebt – aus ihrem bisherigen Leben riss und sie zu einer Schwerbehinderten machte, die keinen Beruf mehr auszuüben vermag und auf eine klägliche staatliche Unterstützung von 700 Euro im Monat angewiesen ist. „Also sagen Sie mir, Herr Dr. Dekkers, wie viel verdienen Sie im Monat? Ihre Verurteilung würde Ihren Nachfolger ermutigen, nicht mehr mit kriminellen Strategien zu arbeiten“, wandte sie sich direkt an den BAYER-Chef. Aber Marion Larat sprach auch über ihre erfolgreichen Bemühungen, dem Pharma-Riesen bei der Vermarktung der Pillen der 3. Und 4. Generation, die ein viel höheres Risiko-Profil aufweisen als ältere Verhütungsmittel, das Handwerk zu legen. Der Gang vor Gericht und die Kampagne von AVEP hat nämlich nicht nur zu vielen Publikationen über MELIANE & Co. geführt, sondern auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA auf den Plan gerufen und die französischen Krankenkassen zu einer Streichung der Kostenübernahme veranlasst – mit schmerzlichen Folgen für das Unternehmen. „Sehr geehrte Aktionäre, ich bin stolz, Ihnen sagen zu können, dass wir Leben gerettet haben und zwar auf Kosten Ihrer Profite!“ konstatierte Larat, die noch zwei Tage vor der Hauptversammlung wieder einen epileptischen Anfall bekommen hatte. Am Schluss ihres Vortrags forderte sie die Aktien-HalterInnen auf, dem Konzern für seine Politik das Vertrauen zu entziehen und stattdessen für die Gegenanträge der Coordination zu stimmen. „Während einer Sekunde, stellen Sie sich vor, dass ich Ihre Tochter bin“, mit diesem Appell versuchte die Französin sie zu „Nein“-Stimmen zu bewegen. In seiner Antwort schaffte es Marijn Dekkers dann nicht einmal, sich zu der sonst üblichen routinierten Betroffenheitsgeste durchzuringen. Er schaltete stattdessen übergangslos in den Ignoranz-Modus. „Gesundheitsbehörden, externe und unabhängige Experten und BAYER-Wissenschaftler haben die verfügbaren wissenschaftlichen Daten der Gesundheitsbehörden sorgfältig bewertet. Demnach sind Drospirinon-haltige Produkte sicher und zuverlässig. Sie haben ein positives Nutzen/Risiko-Profil bei indikationsgemäßer Verwendung“, hielt er fest.
Das neueste Produkt aus der Sparte „Frauengesundheit“, das 2013 vom US-amerikanischen Pharma-Unternehmen CONCEPTUS erworbene Sterilisationspräparat ESSURE, stand an diesem Tag dank Michelle Garcia, die mit einer weiteren Geschädigten extra aus den USA angereist war, ebenfalls auf der Tagesordnung. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen, dass es die Eileiter verschließt, kann nämlich erhebliche Gesundheitsprobleme verursachen. Und diese brachten BAYER schon im Vorfeld der Hauptversammlung in die Schlagzeilen, weil sich in den USA die Verbraucherschützerin Erin Brockovich, bekannt geworden durch den ihr gewidmeten Hollywood-Film mit Julia Roberts in der Hauptrolle, der Sache angenommen hat. Sie unterstützt die Kampagne der Geschädigten und redete der BAYER-Chefetage vorab ins Gewissen: „Meine Botschaft an den Vorstand und die Aktionäre lautet: Hören Sie den Frauen aufmerksam zu, weil Sie von ihnen erfahren können, was mit diesem Produkt schief läuft. Dies ist eine Gelegenheit für das Unternehmen, eine richtige Entscheidung zur treffen und das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen.“
Michelle Garcia hatte dann wirklich einiges zu erzählen. „Ich bin ein ESSURE-Opfer, eine ESSURE-Überlebende und spreche hier für Tausende“, erklärte sie und konfrontierte die AktionärInnen mit ihrer eigenen Krankengeschichte. Bei ihr war die Spirale abgebrochen, und ein spitzes Ende hatte eine Eileiter-Wand durchstoßen, was zu einer inneren Blutung führte. „Ich könnte tot sein, ich sollte tot sein“, konstatierte Garcia trocken. Anschließend führte sie ähnliche Fälle an und zählte eine ganze Liste von Nebenwirkungen auf, die von Beckenboden-Schmerz bis zu chronischen Entzündungen reichte. Deshalb fand Garcia klare Worte: „Ich stehe hier vor ihnen mit einer einfachen, aber starken Botschaft: ESSURE ist gefährlich, und ESSURE gehört nicht auf den Markt.“ Aber Marijn Dekkers wollte darauf nicht hören und reagierte nach Plan. Nach der Betroffenheitsgeste – „Lassen Sie mich zunächst feststellen, dass wir großes Mitgefühl für Patienten haben, die unsere Produkte anwenden und von ernstlichen gesundheitlichen Beschwerden berichten, unabhängig von der Ursache dieser Beschwerden“ – folgte die Heraushebung des positiven Nutzen/Risiko-Profils des Mittels und die schnöde Feststellung, es sei eben nicht jedes Verhütungsmittel für jede Frau geeignet.
Aber es ging noch ignoranter. Obwohl sich die BAYER-Aktien zu 72 Prozent in ausländischem Besitz befinden, und der Konzern sich nicht nur mit Leit-Maximen wie „Responsible Care“ gerne international gibt, um sich als „Global Player“ auszuweisen, wollte er auf seinem AktionärInnen-Meeting keine in englischer Sprache gehaltene Wort-Meldung dulden, weil „auf einer deutschen Hauptversammlung deutsch gesprochen wird“. So durfte die Australierin Jennifer Lloyd nicht über das BAYER-Präparat TRASYLOL sprechen. Als sie ansetzte zu schildern, wie ihr Vater 1978 durch das in einem Melbourner Krankenhaus verabreichte und damals offiziell noch gar nicht zugelassene Medikament drei Herzinfarkte erlitt und schließlich starb, schaltete der Aufsichtsratsvorsitzende ihr einfach das Mikrofon ab. Jennifer Lloyd geriet außer sich. Sie schrie in Richtung Vorstand, aber es erfolgte keine Reaktion. Deshalb stieg sie vom Rednerpult herab und rannte vor die Bühne, auf der Wenning und Dekkers umringt von ihren Vorstands- und AufsichtsratskollegInnen thronten. Jetzt konnte die junge Frau ihnen das, was sie angetrieben hatte, den strapaziösen Flug auf sich zu nehmen, direkt ins Gesicht sagen: dass TRASYLOL ihren Vater getötet hat. Lange schaute die Security sich das nicht an. Sie rückte der Frau immer näher, aber das Eingreifen der Coordination verhindert Schlimmeres. Und schließlich gelang es sogar, Lloyd doch noch zu ermöglichen, ihr Anliegen vorzutragen. Die ursprünglich als nächste Rednerin vorgesehene Anne Isakowitsch von der Initiative SOME OF US, die sich eigentlich dem Bienensterben widmen wollte, lud Lloyd zu sich auf das Redner-Pult und stellte sich als Übersetzerin in den Dienst der Australierin. „Konzern-Arroganz“ pur nannte der CBGler Axel Köhler-Schnura das Gebaren BAYERs in seinem Beitrag später, und der Spiegel befand: „Eigentlich könnte die BAYER AG, die sonst gern mit dem Motto ‚Science for a better life’ wirbt, derartiger Kritik gegenüber toleranter sein.“
Aber die RednerInnen-Liste mit denjenigen, welche die verheerenden Folgen der „Science for a better life“ am eigenen Leib erfahren haben und damit so etwas wie eine verkörperte Konzern-Kritik darstellen, war noch länger. Auch zum hormonellen Schwangerschaftstest DUOGYNON/PRIMODOS und der Spirale MIRENA musste sich der Vorstand erschütternde Krankenberichte anhören. An CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes war es dann, die ganze (Profit-)Logik darzulegen, die solche Risiken und Nebenwirkungen systematisch produziert. Er begann seine „Bittere Pillen“-Suada mit den Blutprodukten, die mit HIV-Erregern infiziert waren, weil der Konzern sich aus Kostengründen Tests und Sterilisationsverfahren ersparte. Dann rief Mimkes den Skandal um den Cholesterin-Senker LIPOBAY in Erinnerung, dessen Überlegenheit gegenüber Konkurrenz-Produkten der Multi mit einer so hohen Cerivastatin-Dosis demonstrieren wollte, dass die Nebenwirkungen die Wirkungen in den Schatten stellten – Resultat: über 100 Tote bis zum Verbot. Und schließlich kam der Diplom-Physiker auf XARELTO, den neuen Gerinnungshemmer aus dem Hause BAYER, zu sprechen. Obwohl er sich in Tests den herkömmlichen Mitteln gegenüber nicht überlegen zeigte und ÄrztInnen-Organisationen wegen seines Gefährdungspotenzials von dem Produkt abraten, presst das Unternehmen die Arznei mit einem gigantischen Marketing-Aufwand in den Markt. Zu 133 Meldungen über Todesfälle und 1.400 über schwere Nebenwirkungen beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ hat das allein im letzten Jahr geführt. „Wir befürchten, dass XARELTO (...) der nächste Pharma-GAU von BAYER wird“, schloss der CBGler deshalb seine Ausführungen.
Damit war das Kapitel „Pharma“ des „Schwarzbuchs BAYER“ aber noch nicht geschlossen. Auch zu den Arznei-Patenten, Tierversuchen und den Medikamenten-Tests in Armutsregionen gab es Reden. Und die weiteren Einträge wie „Bienensterben“, „Kohlenmonoxid-Leitung“, „Gentechnik“, „Kriegsverbrechen im Ersten Weltkrieg“ und „klimaschädliche Energie-Versorgung“ kamen den AktionärInnen ebenfalls zu Gehör. Bis zum Abend dauerte die „Vorlesung“, nicht einmal kleine Verschnaufspausen mit zahlen-bewehrten Erfolgsgeschichten aus dem „Geschäftsbericht 2013“ waren ihnen vergönnt. Während sich die „Kritischen“ in früheren Jahren wie Fremdkörper inmitten von Kapital-LaudatorInnen fühlten, hatten sie nun ein Heimspiel. Der Gen-Gigant überließ ihnen kampflos das Feld. Vor der Halle hatte er die BAYER-Fahnen eingeholt, damit sie nicht den passenden Hintergrund für Fotos von den Protestaktionen bilden können, und drinnen hatte er den Konzern-KritikerInnen einen beträchtlichen Teil des Saals freigeräumt.
Am Ende des Tages gelang es nicht einmal der Abstimmung so ganz, die verkehrte Welt wieder gerade zu rücken. Die Ergebnisse lagen zwar für die ersten drei Tagesordnungspunkte „Gewinn-Verwendung“, „Entlastung des Vorstands“ und „Entlastung des Aufsichtsrats“ immer noch bei über 96 Prozent, aber auch hier fanden Erosionsprozesse statt. So wurden bei TOP 1 rund 1,2 Millionen Stimmen für den CBG-Gegenantrag, beim TOP 2 ca. 8,9 Millionen und beim TOP 3 sogar über 10 Millionen gezählt, mehr als doppelt so viele wie bei der letzten HV. Die meiste Zustimmung erlangte dabei ein Antrag, der sich gegen die Wahl des Gentechnik-Strippenziehers Ernst-Ludwig Winnacker in den Aufsichtsrat wendete. Fast 12 Millionen oder 3,09 Prozent votierten dagegen.
Und sogar bei seiner eigenen Berichterstattung über die Hauptversammlung musste der Leverkusener Multi die Realität anerkennen und sich mit den Gegen-Reden beschäftigen – andere gab es ja schlicht kaum noch. Nur dass in dieser Version der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers dann alle Fragen der KritikerInnen zur vollsten Zufriedenheit beantworten konnte. Spannend bleibt jetzt, wie der Konzern das alles verdaut und welche Schlussfolgerungen er daraus für die nächste HV zieht.

alle Infos zur HV

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG beim „March against MONSANTO“
Auch 2014 fand in vielen Städten der Welt wieder ein „March against MONSANTO“ statt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) beteiligte sich am 24. Mai in Düsseldorf an den Protesten. Der Leverkusener Multi unterhält nämlich schon lange gute Geschäftsbeziehungen zu dem Gen-Giganten, wie CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in seiner Kundgebungsrede erläuterte. So gründeten beide Konzerne in den 1960er Jahren das Gemeinschaftsunternehmen MOBAY, das unter anderem das berühmt-berüchtigte AGENT ORANGE herstellte. Zudem gewähren sich die Global Player gegenseitig Zugriff auf die Technologien, mit denen sie Genpflanzen immun gegen bestimmte Pestizide machen, um ihre Laborfrüchte durch Mehrfach-Resistenzen besser gegen Schadinsekten wappnen zu können. „Insofern ist der heutige ‚March against MONSANTO’ ebenso ein ‚March against BAYER’“, hielt Mimkes fest und vergaß mit BASF und SYNGENTA auch die anderen Mitglieder des Agro-Oligopols nicht.

NRW-Anfrage zu PCB
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. Deshalb finden quer durch die Republik aufwendige Sanierungen von Universitäten und Schulen statt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte zur Situation im Bund gemeinsam mit der Partei „Die Linke“ eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt (Ticker 2/14). Um den Stand der Dinge in Nordrhein-Westfalen zu erfahren, kooperierte die CBG mit den „Piraten“. Aber die Landesregierung in Düsseldorf zeigte sich auch nicht auskunftsfreudiger als die Große Koalition in Berlin. Sie wollte weder die Zahl der PCB-Vergifteten angeben noch die bisherigen Kosten der Renovierungsarbeiten beziffern. Auch sehen SPD und Grüne BAYER nicht in der Pflicht: „Zum Zeitpunkt der Abnahme der Bauvorhaben entsprachen die Ausführung und die Verwendung der Baumaterialien dem damaligen gesetzlichen Rahmen sowie den seinerzeit anerkannten Regeln der Technik. Für Schritte gegen die damaligen Hersteller von PCB-Produkten gibt es deshalb keine Veranlassung.“

Protest gegen NRW-Hochschulgesetz
Das von der rot-grünen NRW-Landesregierung geplante Hochschulzukunftsgesetz hatte ursprünglich Regelungen vorgesehen, die mehr Licht ins Dunkel von solchen Kooperationsverträgen bringen sollten, wie BAYER sie mit der Kölner Universitätsklinik abgeschlossen hat. Aber Kraft & Co. gaben dem Druck der Industrie nach und schwächten den entsprechenden Passus ab. Nach dem Willen der PolitikerInnen müssen die Partner nun erst nach dem Ende der Projekte Einblick in die Verträge gewähren. Auch bleibt es ihnen überlassen, wie viel sie preisgeben wollen. Darum unterstützte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Protest-Aktion von Studierenden-Organisationen und DGB-Jugend, die am 18. Juni anlässlich einer ExpertInnen-Anhörung zur Gesetzes-Novelle vor dem Düsseldorfer Landtag stattfand. Zudem hatte die CBG in der Sache schon Mitte März 2014 gemeinsam mit ATTAC, dem FREIEN ZUSAMMENSCHLUSS VON STUDENTINNENSCHAFTEN und anderen Gruppen einen Offenen Brief an Hannelore Kraft geschrieben.

Kritik auf BAYERs FACEBOOK-Seite
Der Leverkusener Multi muss sich auf seiner FACEBOOK-Seite ziemlich viel Kritik anhören. „Schade, dass eine so traditionsreiche Firma komplett auf die Natur und Umwelt pfeift. Hauptsache Gewinn, Gewinn und ... Gewinn“ heißt es da beispielsweise oder: „Nur noch Profite ohne Rücksicht auf die Umwelt und die Menschen. Macht endlich bezahlbare Medikamente“. Auch zu dem Prozess, den der Konzern zusammen mit SYNGENTA gegen die EU wegen des vorübergehenden Verbots von bienenschädigenden Pestiziden angestrengt hat, gibt es bissige Kommentare: „BAYER verklagt Europa, weil es ausnahmsweise einmal das Richtige tut und die Bienen schützen will. Unglaublich.“

Umbenennung von Duisberg-Straßen
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in ihren Städten vor. Leverkusen und Marburg lehnten das Begehr allerdings ab, in Dortmund und Frankfurt schweben die Verfahren noch.

KAPITAL & ARBEIT

BMS wickelt Standort Darmstadt ab
Im Rahmen des neuesten Rationalisierungsprogramms, das die Vernichtung von 700 Arbeitsplätzen vorsieht, reduziert BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) die Produktion von Kunststoff-Platten aus Polycarbonat. So beendet die Konzern-Sparte die Fertigung in Darmstadt und streicht damit 90 Stellen. Sie bekundet zwar, die Belegschaftsangehörigen nach Möglichkeit anderweitig im Unternehmen beschäftigen zu wollen, aber für alle dürfte sich kaum etwas finden. Darüber hinaus macht BMS den Standort in Peking dicht und plant, die in Australien und Neuseeland gelegenen Fertigungsstätten für LASERLITE-Platten abzustoßen.

Weniger Stimmen für Durchschaubare
Bei der letzten Betriebsratswahl am BAYER-Stammsitz Leverkusen verloren zwei der drei unabhängigen Gewerkschaftsgruppen innerhalb der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE an Boden. Die KOLLEGEN UND KOLLEGINNEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT büßten zwei Mandate ein und kamen nur noch auf drei Sitze. Die BASISBETRIEBSRÄTE mussten ebenfalls zwei von fünf Sitzen abgeben, nur das BELEGSCHAFTSTEAM konnte sich um einen Sitz steigern und verfügt nun über drei. Die restlichen der 37 Sitze holte die IG BCE. Die Wahlbeteiligung betrug 55,2 Prozent und ging damit um 3,8 Prozent zurück.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe für BAYER

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Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in die Projekte „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und „Competitive African Rice Initiative“ (CARE), in deren Rahmen der Leverkusener Multi die Vermarktung von hybridem, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Reis vorantreibt. Bis zu einem Drittel der Kosten buttert das BMZ dazu: 5,27 Millionen Euro. Das teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen mit. Maßnahmen, die verhindern, dass Schulungen von FarmerInnen zu reinen Werbeveranstaltungen der Agro-Riesen gerieren, hat sie kaum getroffen. „Bei durch Firmen-Personal durchgeführten Trainings agieren die Trainer als Vertreter des Projektes und nicht unter Firmen-Branding“, erklärt die Große Koalition, wobei „firmen-spezifische ‚Solutions’ lediglich als eine mögliche Option dargestellt werden“. Auch geht aus den Angaben der Großen Koalition hervor, wie spärlich BRIA, CARE & Co. die Bevölkerung vor Ort in ihre Planungen einbeziehen.

Entwicklungshilfe für BAYER

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Parallel zur „German Food Partnership“ (s. o.) hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, anderen Unternehmen und dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) jetzt auch die „German Healthcare Partnership“ (GHP) ins Leben gerufen. „Die GHP kombiniert die Kompetenzen und Ressourcen des privaten Sektors mit denen der Entwicklungszusammenarbeit“, heißt es auf der Website frank und frei. Zum Ziel hat die „strategische Allianz“ sich gesetzt, „den Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsleistungen in Entwicklungsländern und in aufstrebenden Märkten zu verbessern“. Und besonders auf diese aufstrebenden Märkte ist passenderweise auch BAYERs Afrika-Strategie ausgerichtet (siehe DRUGS & PILLS). Im Rahmen der GHP erhofft sich der Leverkusener Multi vor allem Entwicklungshilfe für seine Kontrazeptiva zur Familienplanung bzw. Bevölkerungskontrolle. Aber auch andere Absatzgebiete hat die GHP noch im Blick. So kümmert sie sich beispielsweise um „Business Opportunities in Healthcare in China“. Zudem hielt sie gemeinsam mit dem BDI und der „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ schon Konferenzen zu Ausfuhr-Krediten und Hermes-Bürgschaften ab. Sogar Verweise auf die vom BDI zur letzten Bundestagswahl erhobenen Forderungen nach besseren Risikoabsicherungsinstrumenten „insbesondere für den Krankenhaus-Systemexport“ finden sich auf den Seiten. Da wundert es kaum noch, dass als Repräsentant der „Public Private Partnership“ der BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber fungiert.

Konzern-Verbrechen leicht gemacht
Der Leverkusener Multi hat in seiner Geschichte vielfach gegen Menschenrechte verstoßen. Er benutzte Menschen aus der „Dritten Welt“ ohne deren Wissen als Versuchskaninchen für neue Pharma-Produkte, übte Druck auf GewerkschaftlerInnen aus und bediente sich der Kinderarbeit. Um solche Rechtsverstöße der Global Player besser ahnden zu können, hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen vor einiger Zeit „Guiding Principles on Business and Human Rights“ verabschiedet. Die EU hat ihre Mitgliedsstaaten daraufhin angehalten, eigene Aktionspläne zu erstellen. Während Länder wie die Niederlande schon ihre Gesetze geändert und Beschwerdestellen eingerichtet haben, tat die Bundesrepublik bisher nichts dergleichen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bekundete die Bundesregierung nun aber ihren Willen, die Regelung umzusetzen. Viel zu befürchten haben die Konzerne indes nicht. Um etwa der Kinderarbeit bei Subunternehmern Einhalt zu gebieten, derer sich BAYER CROPSCIENCE lange bediente (Ticker berichtete mehrfach) schweben der Großen Koalition nur „Dialogformate“ und die Unterstützung von Trainingsprogrammen vor. Haftungsregelungen plant sie auch nicht, da „es sich bei Subunternehmen begrifflich um rechtlich selbstständige Unternehmen handelt, auf die ein anderes Unternehmen keinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss ausüben kann“. SPD und CDU setzen generell darauf, „dass die Unternehmen freiwillig und aus eigener Verantwortung gesellschaftliche Verantwortung übernehmen“ und lehnen es daher auch ab, die Klage-Möglichkeiten wegen Verstößen gegen die Leitlinien des Industrieländer-Zusammenschlusses OECD zu verbessern. Dabei bestände gerade hier dringender Reformbedarf, denn bei der für solche Verfahren eingerichteten „Nationalen Kontaktstelle“, die bezeichnenderweise im Referat für Außenwirtschaftsförderung angesiedelt ist, handelt es sich um ein stumpfes Instrument. Keiner der beiden Fälle, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in der Vergangenheit dort vorbrachte – Repressionen BAYERs gegen Gewerkschaftler und Kinderarbeit bei BAYER-Zulieferern – hatte für den Leverkusener Multi irgendwelche Konsequenzen.

IG FARBEN & HEUTE

Bomben auf Leuna
Ohne die IG FARBEN hätte das „Dritte Reich“ keinen Krieg führen können. Der von BAYER mitgegründete Konzern produzierte unter anderem Waffen, Bomben und Benzin. Trotzdem zögerten die Westalliierten lange, Angriffe auf die Fabriken zu fliegen. Erst im Mai 1944 bombardierten sie die Leuna-Werke. Die USA, England und Frankreich fürchteten nach Stalingrad nämlich einen Vormarsch der Sowjetunion und bauten deshalb auf nationalsozialistische Schützenhilfe. „Es war durchaus im alliierten Interesse, dass die Wehrmacht in den folgenden zwölf Monaten über genügend Kampfkraft verfügte, um die Rote Armee auf dem Weg nach Westen zu bremsen und zu verschleißen“, mit diesen Worten zitiert Otto Köhler in seinem Artikel „Die Schlacht von Leuna“ Rolf-Dieter Möller vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam. Erst im Vorfeld der – von Stalin schon viel eher geforderten – Normandie-Invasion sollte die Kriegsmaschinerie der Nazis nach dem Willen der Alliierten ins Stocken geraten. Die Landung an der Küste Frankreichs begann knapp dreieinhalb Wochen, nachdem die US-Armee mit 800 Bombern Leuna attackiert hatte.

POLITIK & EINFLUSS

Grenzwert-Lockerungen via TTIP
Durch das Freihandelsabkommen der EU mit den USA droht eine Aufweichung der Pestizid- und Gentechnik-Gesetzgebung. BAYER & Co. investieren Unsummen in entsprechende Lobby-Aktivitäten. So fordert der US-amerikanische Agrarindustrie-Verband „Croplife“ im Zuge der Verhandlungen von Brüssel etwa, das bis Ende 2015 geltende Verbot der bienenschädigenden BAYER-Ackergifte PONCHO und GAUCHO aufzuheben und generell die Grenzwert-Regelungen zu lockern. Eine „moderne Risiko-Bewertung“ soll es stattdessen richten. Zudem streiten die Agro-Riesen dafür, nach US-amerikanischen Gepflogenheiten künftig Gentech-Rückstände in Lebensmitteln zu tolerieren und Kennzeichnungspflichten abzuschaffen. „BAYER und BASF handeln auf den Märkten in den USA und wollen nun in dem geheimen Handelsabkommen zwischen den USA und der EU das erreichen, was ihre Lobbyisten in Europa nicht geschafft haben“, kritisiert Jaydee Hanson vom CENTER FOR FOOD AND SAFETY.

USA: Mehr Energiespar-Subventionen?
BAYER unterstützt gemeinsam mit anderen im US-amerikanischen BDI-Pendant „U.S. Chamber of Commerce“ organisierten Unternehmen einen Gesetzes-Vorschlag, der gleichzeitig zu mehr Energie-Ersparnis und zu mehr Wettbewerbsfähigkeit führen soll. Der „Energy Savings and Industrial Competitiveness Act“ stellt den Konzernen nämlich Millionen-Subventionen in Aussicht, wofür diese allerdings andere Worte finden. Das Vorhaben ist geeignet, „Hindernisse beim Investieren in existierende Energie-Effizienz-Technologien abzubauen“, heißt es bei der „U. S. Chamber“. Einstweilen bleiben die Hindernisse jedoch noch bestehen, denn im Senat fand sich für das Paragrafen-Werk nicht die erforderliche Mehrheit. Das endgültige Aus bedeutet das allerdings noch nicht.

BAYER erpresst Subventionen
In den USA gelang es dem Leverkusener Multi zum wiederholten Mal, Gemeinden mit Abwanderungsplänen so unter Druck zu setzen, dass diese dem Konzern Subventionen gewähren. So stellte St. Joseph dem Unternehmen Mittel für eine Betriebserweiterung zur Verfügung, um es in der Stadt zu halten. „Die Gefahr war sehr real“, sagt der Stadtverwaltungsmitarbeiter Clint Thompson zu BAYERs Umzug-Gelüsten und nennt die milde Gabe ein „Joberhaltungsprogramm“. Dabei hatte der Global Player, als er dort im Jahr 2012 die Veterinär-Sparte des israelischen Pharma-Riesen TEVA übernahm, umgehend ein Rationalisierungsprogramm beschlossen, das am Standort die Vernichtung von 60 der 180 Arbeitsplätze vorsieht.

PhRMA fordert Strafen für Indien
Im März 2012 hat das „Indian Patent Office“ BAYERs Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (Ticker 2/12). Die Behörde berief sich dabei auf einen Ausnahme-Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS und begründete ihre Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Die Entscheidung hat Big Pharma in helle Aufregung versetzt und umgehend zu politischen Interventionen bei der Obama-Administration, dem US-amerikanischen Patentamt und beim Kongress veranlasst (Ticker 4/12). Und im Mai 2014 forderte der Industrie-Verband „Pharmaceutical Research and Manufacturers of America“ (PhRMA) die US-Regierung sogar auf, Indien auf die Liste der patentrechtlichen Schurkenstaaten zu setzen und Sanktionen gegen das Land zu beschließen.

BAYER kontrolliert sich selbst
Stillen bekommt Babys generell besser als Flaschen-Nahrung. Für Säuglinge in der „Dritten Welt“ bestehen darüber hinaus besondere Risiken. Da ihre Mütter aus Kostengründen oft zu wenig Milchpulver verwenden, leiden die Babys unter Mangelerscheinungen. In den armen Ländern erhöht sich durch diese Ernährungsform zudem das Infektionsrisiko, da zum Anrühren der Mixturen oft kein sauberes Wasser zur Verfügung steht. Darum erlauben viele Länder Werbung für Baby-Nahrung gar nicht oder nur unter strengen Auflagen, was BAYER und andere Konzerne 2006 schon zu einem Prozess gegen die philippinische Regierung bewogen hatte (Ticker 3/06). In Australien begutachtete lange eine unabhängige Monitoring-Gruppe die Reklame-Aktionen der Konzerne. Im Jahr 2010 rügte sie den Leverkusener Multi, weil dieser in einer Kampagne gegen eine mit dem Staat getroffene Vereinbarung verstoßen hatte, wonach die Hersteller darauf verzichten, ihre Erzeugnisse als dem Stillen gegenüber überlegen darzustellen. „NOVALAC-Mittel können helfen, das Schreien zu reduzieren und den Schlaf zu befördern und machen die Kinder zufrieden und die Eltern entspannter“, hatte der Pharma-Riese in der Werbung behauptet. So etwas dürfte dem Global Player bald wieder etwas leichter über die Lippen kommen. Australien hat nämlich das unabhängige Kontrollgremium abgeschafft und überlässt es in Zukunft der Industrie selber, sich auf die Finger zu schauen.

Nationale Anbau-Verbote
Bislang hat die Europäische Union zentral über die Zulassung von Genpflanzen entschieden. Brüssel plant jedoch, es ihren Mitgliedsländern künftig selber zu überlassen, ob sie die Labor-Kreationen wollen oder nicht. Nach der alten Regelung hatten es wegen vieler Gegenstimmen gerade einmal vier Sorten auf die EU-Felder geschafft. In der Hoffnung, künftig mit gentech-freundlichen Staaten besser ins Geschäft zu kommen, stritten BAYER & Co. deshalb heftig für die neue Lösung. Und ihr Lobby-Verband EuropaBio konnte seinen Einfluss bei der Umorientierung, die bereits in einen Gesetzes-Entwurf mündete, nicht zu knapp geltend machen. „Wie servil diese Lobby-Wünsche des Verbandes EuropaBio umgesetzt wurden, ist erschreckend“, sagt etwa der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. So müssen die Staaten erst einmal bei den Konzernen anklopfen und anfragen, ob die Unternehmen nicht vielleicht freiwillig von einer Vermarktung ablassen wollen. Und wenn diese die Bitte abschlagen, haben die Nationen gute – und vor allem gerichtsfeste – Gründe vorzulegen. Als besonders gut erwies sich bisher der Draht der Agro-Riesen zur britischen Regierung. EuropaBio hat Cameron & Co. sogar Tipps gegeben, wie die neue Gentech-Politik am besten zu verkaufen ist. Der Lobby-Club riet dazu, „der Botschaft einen starken ökologischen (aber natürlich auch innovationsfreundlichen und ökonomischen) Dreh zu geben. Die PolitikerInnen antworteten: „Wir würden das Wort ‚Schwerpunkt’ dem ‚Dreh’ vorziehen“, hatten aber grundsätzlich keine Einwände. Es stehen also blühende Gen-Landschaften zu erwarten, womit auch die Gefahr der Kontamination herkömmlicher Ackerfrüchte steigt. Darum optiert EuropaBio in dem Konzept-Papier „A new strategy for GM issues“ für einen „package deal“ und will die Renationalisierung des Zulassungsprozesses mit einer Aufhebung des Rückstandsverbotes in Lebensmitteln und Saatgut verknüpfen. Ob das Europäische Parlament den Einflüsterungen folgt und einer solchen Paket-Lösung zustimmt, dürften die nächsten Monate zeigen.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit üppig mit Agrar-Subventionen. Fast 180.000 Euro strich der Konzern 2013 ein. Das Geld dürfte hauptsächlich BAYERs Laarcher Hof in Monheim eingestrichen haben, der als klassischer Ackerbau-Betrieb firmiert, obwohl er nur eine Versuchsküche für die Pestizide des Konzerns ist.

PROPAGANDA & MEDIEN

Presserat-Beschwerde scheitert
Im September 2013 hatte der Spiegel kritisch über BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO berichtet und dabei auch auf Material der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zurückgegriffen. Das Blatt sprach mit Geschädigten und ExpertInnen, veröffentlichte die hohen Zahlen des „Bundesinstitut für Medizinprodukte und Arzneimittel“ über Todesfälle und schwere Nebenwirkungen und informierte über die aufwendige Kampagne zur Vermarktung des Mittels. Dem Leverkusener Multi passte das natürlich gar nicht. Er schaltete den Presserat ein und reichte eine Beschwerde gegen den Spiegel-Artikel ein. Der zuständige Ausschuss lehnte diese jedoch ab. Nach Ansicht des Gremiums hatte das Magazin weder unangemessen über medizinische Sachverhalte berichtet noch die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt.

274.000 Euro für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Über 274.000 Euro verteilte der Leverkusener Multi 2013 allein an die bundesrepublikanischen Verbände. Aber natürlich nicht an alle. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter-, Augen- und Lungenkrankheiten- sowie Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Und das ist gut angelegtes Geld: „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Dr. Gerd Glaeske einmal errechnet.

BAYER: Wir wollen nur informieren
Die NDR-Sendung „Profit auf Rezept“ dokumentierte umfassend, mit welchen Methoden die Pillen-Riesen ihre Medikamente vermarkten. BAYER & Co. schenken ÄrztInnen mit Werbung angereicherte Praxis-Software, veranlassen diese durch großzügig vergütete „Anwendungsbeobachtungen“, die PatientInnen auf bestimmte Arzneien einzustellen und versorgen Krankenhäuser kostenlos mit Pharmazeutika, um die Mittel dann anschließend auf die Rezeptblöcke der nachbehandelnden ÄrztInnen zu bekommen. Der Leverkusener Multi tat sich in der Reportage besonders als Sponsor eines verlockenderweise auf Sylt stattfindenden Anästhesie-Kongresses hervor, auf dem er kräftig die Werbe-Trommel für seinen umstrittenen neuen Gerinnungshemmer XARELTO rührte. Folglich sah sich der Pharma-Gigant durch den Bericht dann auch zu einer Stellungnahme gezwungen. „Die NDR-Reportage „Profit auf Rezept“ impliziert, dass viele Ärzte bestechlich sind und die Pharma-Industrie mit unlauteren Methoden ihre neuen Arzneimittel vermarktet“, konstatiert das Unternehmen. Und das sei natürlich nicht der Fall. BAYER mache nur „lautere Werbung mit produkt-bezogenen Informationen“, damit die DoktorInnen die Pillen auch bestimmungsgemäß einsetzen könnten. Anwendungsbeobachtungen erfüllen dem Global Player zufolge ebenfalls einen wichtigen Zweck, da sie angeblich „sicherheitsrelevante Erkenntnisse“ zu Tage fördern. Darüber hinaus verwahrte er sich gegen Kritik an XARELTO, wie sie in dem Feature der Vorsitzende der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“, Wolf-Dieter Ludwig, geäußert hatte. Der Konzern verwies stattdessen auf positive Bewertungen etwa von der „Deutschen Gesellschaft für Neurologie“ (DGN). Unerwähnt ließ die Aktien-Gesellschaft dabei allerdings, dass sie zu den Sponsoren der „Deutschen Gesellschaft für Multiple Sklerose“ gehört (s. o.), die im Beirat der DGN sitzt

BAYERs Kongress-Sponsoring
Es gibt kaum einen MedizinerInnen-Kongress, den der Leverkusener Multi nicht sponsert. 2014 „unterstützte“ er nach Informationen der Initiative BIOSKOP beispielsweise die NeurologInnen-Tagung in Marburg, den Berliner Diabetes-Kongress, den Berliner Krebs-Kongress, den „Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin“ in Wiesbaden und die Jahrestagung der „Deutschen Gesellschaft für Kardiologie“. Und oftmals belässt es der Pharma-Riese zu diesen Gelegenheiten nicht bei Ausstellungsständen, sondern hält auch noch Symposien ab (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

BAYER sponsert Arzneipreis-Studie
Die „UCL School of Pharmacy“ hat festgestellt, dass die Innovationskraft der Pillen-Riesen gefährdet ist, wenn diese nicht mehr Geld für ihre Erzeugnisse bekommen. Erkenntnisfördernd hat sich dabei die Finanzierung der Studie durch BAYER und NOVARTIS ausgewirkt. ÄRZTE OHNE GRENZEN kritisierten die „Reichtum macht erfinderisch“-These der UCL hingegen scharf und werteten sie als Teil einer breiter angelegten Kampagne für höhere Arznei-Preise. Die Organisation warf den Konzernen vor, trotz immenser Profite bei der Entwicklung wichtiger Medikamente, wie z. B. neuer Antibiotika, zu versagen und forderte die Unternehmen auf, ihre Geschäftspraxis zu ändern. „Es ist dringend nötig, dass BAYER, NOVARTIS und die Industrie als Ganzes Innovationsmodelle entwickeln, die neue Pharmazeutika für alle erschwinglich hält“, so die Sprecherin Katy Athersuch.

BAYER zeichnet Bluter-Film aus
Im Rahmen seiner image-fördernden Sponsoring-Aktivitäten finanziert der Leverkusener Multi auch den „Deutschen Hörfilm-Preis“ des „Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes“. Im März 2014 hat dieser nun ausgerechnet ein Werk ausgezeichnet, in dem der Pharma-Riese selber eine nicht gerade kleine Rolle spielt. „Blutgeld“ handelt nämlich von dem AIDS-Skandal, den HIV-verseuchte Blutprodukte von BAYER und anderen Konzerne in den 1980er Jahren ausgelöst haben, weil die Unternehmen die Präparate aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierte scharf gegen das soziale Marketing des Global Players: „Wie pervers ist das denn? Das Leben Tausender Bluter hätte gerettet werden können, wenn die Verantwortlichen bei BAYER damals rechtzeitig gehandelt hätten. Und heute werden die Opfer dazu missbraucht, dem Konzern durch ‚mildtätige Gaben’ ein menschliches Antlitz zu verleihen.“

Fortbildung von JournalistInnen
Krebs-Medikamente gehören zu den lukrativsten Pharma-Präparaten BAYERs. Darum ist dem Konzern an einer guten Presse gelegen. Um eine solche zu bekommen, unterstützt er Fortbildungsmaßnahmen für JournalistInnen. So stellte er der US-amerikanischen „National Press Foundation“ Geld zur Durchführung eines Programmes zur Verfügung, das SchreiberInnen im Dezember 2014 vier Tage lang die „Cancer Issues 2014“ nahebringen will.

Keine milde Reis-Gabe
Seit einiger Zeit vermarktet BAYER seinen hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Reis massiv und erhält sogar „Entwicklungshilfe“ (siehe ERSTE & DRITTE WELT). Um seine Produkte auf die Felder zu bringen, hat er Kooperationen mit staatlichen Stellen in Indonesien, Brasilien, Burma, China, Thailand, Vietnam und auf den Philippinen vereinbart. Und auch die Schäden, die der Taifun „Yolanda“ Anfang des Jahres in Südostasien angerichtet hat, nutzte der Leverkusener Multi zu Werbe-Zwecken. So spendete er 1.000 FarmerInnen insgesamt 20 Tonnen der Sorte ARIZE. Ob diese damit glücklich werden, steht allerdings dahin. So klagten etwa indonesische LandwirtInnen über ARIZE, weil er hohe Produktionskosten verursacht, schlecht schmeckt und anfälliger gegenüber Schadinsekten ist. Zudem ist der Hybrid-Reis auf die Bedürfnisse der industriellen Landwirtschaft zugeschnitten, weshalb die Initiative ALLIANCE OF AGRARIAN REFORM MOVEMENT bereits vor einem Bauernsterben warnte.

BAYER sammelt Unterschriften
Viele chemische Substanzen ähneln in ihrem Aufbau Hormonen und wirken auch vergleichbar. Darum können sie den menschlichen Hormonhaushalt stören und so den Organismus schädigen. Die Europäische Union arbeitet gerade an einer Schwarzen Liste solcher Stoffe. Da viele von ihnen in Pestiziden zum Einsatz kommen, fürchtet der Leverkusener Multi um seine Produktpalette. Zudem beklagt er „die völlig überzogenen Registrierungsanforderungen“ der EU im Allgemeinen und das von ihr vorübergehend verhängte Verbot der bienenschädigenden BAYER-Ackergifte PONCHO und GAUCHO im Besonderen. Der Konzern hat deshalb eine Kampagne ins Leben gerufen. Er warnt bei einer Fortführung der gegenwärtigen Pestizid-Politik nicht nur vor Betriebsverlagerungen und Arbeitsplatzverlusten in der Chemie-Branche, sondern auch vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der bundesdeutschen Landwirtschaft. Viele Bauern und Bäuerinnen vermochte das Unternehmen schon zu mobilisieren; 13.000 Unterschriften sammelte der Agro-Riese unter ihnen. „Die Bauernschaft ist aufgewacht“, bekundete der Deutschland-Chef von BAYER CROPSCIENCE, der passenderweise auch dem „Industrieverband Agrar“ vorsitzt, bei der Übergabe der Unterschriften-Listen an den Bauernverbandspräsidenten Joachim Rukwied. Und der bedankte sich artig beim Global Player: „Der Einsatz von BAYER bei dieser Aktion ist in der Branche vorbildhaft (...) Gegenüber den Gremien in Brüssel können wir ein eindeutiges Signal für den Pflanzenschutz setzen.“

BAYER bei der Fußball-WM
BAYER nutzte die Fußball-WM in Brasilien als Werbe-Auftritt für „Chemie im Alltag“. „Transparente MAKROLON-Massivplatten sorgen (...) dafür, dass die 70.000 Zuschauer im künftigen Estádio Nacional in der Hauptstadt Brasilia geschützt vor Sonne und Regen verfolgen können“, vermeldete der Konzern. In der heimatlichen „Bayarena“ musste der Hausherr eine ältere Version dieser Platten jedoch wegen Brandgefahr für teures Geld auswechseln. Aber nicht nur im „Estadio Nacional“ steckt Chemie made in Leverkusen. Auch im WM-Ball, in den Fußballschuhen und in der „Wäsche mit Kompressionsfunktion, die wie eine zweite Haut am Körper sitzt“, treibt sie ihr Unwesen.

Bienenweiden made by BAYER
Obwohl die hauseigenen Pestizide nun auch schon die hauseigenen Bienen dahingerafft haben (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE), leugnet der Leverkusener Multi immer noch beharrlich den Zusammenhang zwischen der Verwendung von Agro-Giften und dem Bienensterben. Stattdessen inszeniert sich der Konzern als Bienenkümmerer. Zu seinen „Bee Care“-Aktivitäten gehört neben dem Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen in einem Feldversuch (Ticker 4/13) auch die Unterstützung von Bienenweiden. „Allein in Deutschland und Österreich stellt BAYER im Rahmen des Projektes ‚Blühende Wege’ fast 30 Gemeinden und Städten das Saatgut kostenlos zur Verfügung“, verkündet das Unternehmen.

Extrem-Lobbyismus auf Hawaii
Auf Hawaii haben einige Regierungsbezirke strenge Auflagen zum Pestizid-Gebrauch erlassen. Darüber hinaus haben sie die Aussaat von Gen-Pflanzen verboten oder planen einen entsprechenden Bann. In eine Kampagne gegen diese Regelung steckten BAYER, MONSANTO & Co. 50.000 Dollar. Dabei bedienten die Konzerne sich auch ihrer Jura-Fabrik ALEC, die PolitikerInnen Paragrafen-Werke frei Haus liefert (Ticker 4/12). Für den besonderen Zweck hatte sie ein „Modell-Gesetz“ im Angebot, das es Bundesstaaten erlaubt, auf niedrigeren Ebenen erlassene Bestimmungen wieder aufzuheben. Auch die am 9. August auf der Insel anstehende Wahl ließen sich die Unternehmen viel kosten. Ihnen wohl gesonnene Kandidaten erhielten jeweils 5-stellige Beträge. Aber nicht nur auf Hawaii steigt die Zahl der Gentechnik-GegnerInnen. Zwei Bezirke des Bundesstaates Oregon votierten ebenfalls gegen die Laborfrüchte. In Jackson County erreichte eine von FarmerInnen initiierte Petition eine Stimmen-Mehrheit, obwohl die Multis wieder ein ALEC-Gesetz gegen das Ansinnen aufgeboten und rund 450.000 Dollar in Gegenpropaganda (BAYER-Anteil: 22.000 Dollar) investiert hatten. Und im Anschluss daran gelang es auch LandwirtInnen in Josephine County, ein entsprechendes Begehr durchzusetzen.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2013 unterstützte die Stiftung unter anderem die Bergkamener Down-Syndrom-Initiative, die in Wuppertal ansässige Ökumenische Telefon-Seelsorge, den Krefelder Mitmach-Bauernhof und den Verband der Funkamateure Moers. Über die Herbert-Grünewald-Stiftung gingen zudem Gelder an eine Schwimmgruppe für Menschen mit geistiger Behinderung, an den deutschen Gehörlosen-Sportverband sowie an das Inklusion beherzigende Fußball-Team einer Essener Hilfseinrichtung. Und den ASPIRIN-Sozialpreis des Jahres erhielt das Forschungszentrum Borstel für ihr Konzept zur Tuberkulose-Aufklärung.

TIERE & ARZNEIEN

Harmloses Tierarznei-Gesetz
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massenzucht fördert die massenhafte Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen welche die human-medizinischen Pendants der Mittel dann nicht mehr wirken. 2012 lag die Gesamtmenge der verabreichten Pharmazeutika dieser Medikamenten-Gruppe bei 1.619 Tonnen. Der Anteil der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, nahm dabei gegenüber dem Vorjahr um zwei auf zehn Tonnen zu. Die Politik hatte zwar eine Gesetzes-Verschärfung angekündigt, um den Verbrauch zu verringern, es blieb jedoch bei kosmetischen Maßnahmen. So sieht die neue „Tierarzneimittel-Mitteilungsdurchführungsverordnung“ lediglich ausgeweitete Dokumentationspflichten vor. Auf diese Weise hofft das Bundeslandwirtschaftsministerium LandwirtInnen, die sich besonders freigiebig im Umgang mit BAYTRIL & Co. zeigen, herausfiltern und zur Einsicht bringen zu können. An den Strukturen der Massentierhaltung aber will die Große Koalition nichts ändern. Zudem gilt das neue Paragrafen-Werk nur für Unternehmen mit mehr als 250 Mastschweinen und mehr als 1.000 Masthühnern bzw. -puten.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2013 hat der Leverkusener Multi mehr Tierversuche durchgeführt als 2012. Während der Konzern selber seine Experimente herunterfuhr und in den Laboren „nur“ noch 142.084 Ratten, Mäuse und andere Lebewesen traktierte (2013: 147.315), vergab er mehr Tests an externe Dienstleister, und dementsprechend stieg dort die Versuchstier-Zahl von 23.282 auf 30.203.

DRUGS & PILLS

Neuer YASMIN-Beipackzettel
Von Verhütungsmitteln der dritten Generation wie BAYERs YASMIN mit dem Wirkstoff Drospirenon geht ein höheres Thromboembolie-Risiko aus als von älteren Präparaten. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte im Zusammenhang mit YASMIN bereits 190 Sterbefälle. Die Europäische Arzneimittel-Behörde EMA hat die Präparate deshalb überprüft. Trotz ihrer Gefährlichkeit sieht die Einrichtung allerdings keine Veranlassung, die Mittel zu verbieten. Sie hat bloß veranlasst, auf den Beipackzetteln deutlicher vor den möglichen Nebenwirkungen zu warnen. Zudem kündigte die EMA eine Studie zum Gefährdungspotenzial des Inhaltsstoffs Chlormadinon an, der unter anderem in BAYERs ENRIQA enthalten ist. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) beließ es jedoch nicht dabei, den Durchführungsbeschluss der EU umzusetzen: Es sprach sich ausdrücklich für die Verschreibung von älteren, risiko-ärmeren Kontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel aus.

TRASYLOL: Vor Zulassung in Gebrauch?
Im November 2007 musste der Leverkusener Multi das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Mehrere Studien hatten die Gefährlichkeit des Medikamentes belegt. So analysierte der Harvard-Professor Alexander Walker die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und konstatierte im Falle einer Behandlung mit der Arznei eine erhöhte Sterblichkeitsrate sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herz-Erkrankungen. Die EU hob das Verbot 2012 jedoch wieder auf, und der Leverkusener Multi verkaufte das Medikament an das schwedische Unternehmen NORDIC. Aber der Pharma-Riese kann die Verantwortung für die Risiken und Nebenwirkungen des Pharmazeutikums nicht so einfach abschütteln. Auf der BAYER-Hauptversammlung Ende April 2014 konfrontierte die Australierin Jennifer Lloyd den Konzern mit dem Vorwurf, den Tod ihres Vaters verschuldet zu haben. Nachdem er 1978 in einem Melbourner Hospital TRASYLOL erhalten hatte, erlitt er eine Serie von Herzinfarkten und verstarb schließlich. Noch dazu war das laut Jennifer Lloyd zu einem Zeitpunkt, da das Mittel in dem Land noch gar keine offizielle Zulassung besaß. Auf eine Erklärung zu dem frühen Gebrauch oder gar auf ein Schuldeingeständnis wartete die junge Frau in Köln jedoch vergebens.

NEXAVAR-Studie scheitert
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib hat bislang eine Zulassung bei den Indikationen „fortgeschrittener Nierenkrebs“ und „fortgeschrittener Leberkrebs“. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu verbreitern. Ein Versuch mit dem Medikament zur ergänzenden Behandlung von solchen Leberkrebs-PatientInnen, denen die MedizinerInnen alle erkennbaren Tumor-Teile herausoperiert hatten, scheiterte allerdings: Die Arznei hat die Zeit bis zum Ausbruch neuer Karzinome nicht hinauszögern können. Vorher hatte NEXAVAR schon bei Haut-, Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs versagt.

ASPIRIN verhindert keine Infarkte
Der Einsatz von ASPIRIN bei chirurgischen Eingriffen kann das Risiko von Herzinfarkten nicht vermindern. Stattdessen steigt für die PatientInnen die Gefahr, Blutungen zu erleiden. Das ergab eine Studie, die das „Population Health Research Institute“ der „McMaster University“ durchführte.

FDA: Kein ASPIRIN gegen Infarkte
Seit Jahren versucht der Leverkusener Multi nun schon, seinen „Tausendsassa“ ASPIRIN trotz eher durchwachsener Bilanz (s. o.) als Mittel zur Herzinfarkt-Prophylaxe zu etablieren. Bei Menschen, die vorbelastet sind, hat der Konzern dafür schon grünes Licht bekommen. Jetzt wollte er aber das Indikationsgebiet ausweiten und von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Genehmigung dafür erhalten, das Medikament auch Gesunden zur Vorbeugung von Infarkten andienen zu können. Das lehnte die Behörde allerdings ab. „Nach einer sorgfältigen Überprüfung klinischer Studien kam die FDA zu dem Schluss, dass aus den Daten keine Empfehlung ableitbar ist, ASPIRIN Menschen zu verabreichen, die noch keinen Herzinfarkt oder Gehirnschlag erlitten und keine Herz/Kreislauf-Probleme haben“, sagte Dr. Robert Temple. Bei dieser Gruppe übersteige das Risiko von inneren Blutungen den Nutzen, so der Forschungsdirektor der Behörde.

ASPIRIN COMPLEX hilft nicht
Der Spiegel hat Peter Sawicki, den ehemaligen Direktor des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ gebeten, verschiedene Erkältungsmittel zu bewerten. BAYERs ASPIRIN COMPLEX mit den Inhaltsstoffen Acetylsalicylsäure und Pseudoephedrin-Hydrochlorid schneidet dabei nicht gut ab. Seine schleimhaut-abschwellende Wirkung lässt laut Sawicki zu wünschen übrig. Zudem leuchtet ihm nicht ein, warum ein Beutel des Mittels neunmal teurer ist als eine ASPIRIN-Tablette. Die „Stiftung Warentest“ kommt zu einem ähnlichen Urteil: „Eine nicht sinnvolle Kombination.“ Der Leverkusener Multi widerspricht da natürlich. Vom Spiegel zu einer Stellungnahme aufgefordert, verweist er auf positive Studien-Ergebnisse und betont, die Preise von ASPIRIN pur und ASPIRIN-COMPLEX seien nicht vergleichbar.

ASPIRIN bei Darmkrebs?
Nach zwei neueren Studien kann ASPIRIN bei bestimmten Menschen das Darmkrebs-Risiko reduzieren. Bei Personen mit einer größeren Menge des Enzyms 15-PGDH im Darm vermag der „Tausendsassa“ das Gefährdungspotenzial herabzusenken. Das berichteten – allerdings anhand relativ weniger Fälle – US-WissenschaftlerInnen in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine. Zu einem ähnlichen Ergebnis waren vorher schon britische ForscherInnen gekommen (Ticker 4/09). Sie rieten aber trotzdem von einer vorbeugenden Einnahme ab, da die Wirksubstanz schwere Nebenwirkungen wie Magenbluten hat.

Leberschäden durch XARELTO
Zu den häufigsten Nebenwirkungen von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zählen Blutungen. Aber auch Leberschädigungen treten oft auf. So erhielt die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA in den ersten zehn Monaten des Jahres 2013 320 diesbezügliche Meldungen von ÄrztInnen. Sieben tödliche Verläufe waren darunter und 26 Fälle von Leberversagen. „In der entsprechenden Fachinformation (...) findet man dazu keine deutliche Warnung“, kritisiert der Arzneimittelreport der Krankenkasse Barmer GEK. Der Leverkusener Multi weist dort lediglich darauf hin, dass PatientInnen mit Leber-Erkrankungen das Medikament nicht nehmen sollten.

XARELTO macht die Kassen arm
BAYERs umstrittener Gerinnungshemmer XARELTO (s. o.) gehörte 2013 zu den umsatzträchtigsten patentgeschützten Arzneimitteln in der Bundesrepublik. Mit Erlösen von 949 Millionen Euro – fast 200 Prozent mehr als 2012 – musste das Präparat mit dem Wirkstoff Rivaroxaban nur den beiden Rheuma-Mitteln HUMIRA und ENBREL den Vortritt lassen. Das Konkurrenz-Präparat PRADAXA mit dem Wirkstoff Dabigatran kam mit 86 Millionen Euro nicht annähernd in solche Regionen. Die Krankenkasse Barmer GEK, die nur für fünf Arzneien mehr ausgab als für das BAYER-Produkt und fast ein Prozent ihres Medikamenten-Etats in das Mittel investieren musste, schreibt dies bloß dem immensem Reklame-Aufwand des Konzerns zu. „Da Dabigatran länger auf dem Markt erhältlich ist und früher eine Zulassungserweiterung als Rivaroxaban bekommen hatte und da bis heute keine pharmakologischen Vorteile oder gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Wirkstoffen belegt wurden, kann diese extreme Steigerung bei Rivaroxaban nur durch Marketing- und Werbemaßnahmen zustande gekommen sein“, heißt es im „Arzneimittelreport 2014“.

Vitamin-Pillen helfen nicht
Der Leverkusener Multi preist seine ONE-A-DAY-Vitaminpräparate als wahre Wunderpillen an. Nach Angaben des Konzerns sollen sie gleichzeitig das Herz und die Immunabwehr stärken, den Augen gut tun und dem Körper zu mehr Energie verhelfen. Dank solcher Versprechungen finden diese Produkte und andere Nahrungsergänzungsmittel aus dem Hause BAYER reißenden Absatz. Im Geschäftsjahr 2013 machte das Unternehmen damit einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Das medizinische Urteil über die zusätzlich zur Nahrung eingenommenen Substanzen fällt allerdings verheerend aus. So kam ein ForscherInnen-Team der „Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health“ um Dr. Eliseo Guallar zu dem Schluss: „Wir glauben, dass es klar ist, dass Vitamine nicht helfen.“ Da ONE-A-DAY & Co. unter Umständen sogar noch negative Wirkungen entfalten können, forderte Guallar die VerbraucherInnen unmissverständlich auf, die Stoffe nicht mehr zu kaufen.

Schwanger trotz ESSURE
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, hat unter anderem Nebenwirkungen wie Blutungen, Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und kann Allergien auslösen. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass es die Eileiter verschließt, verrichtet zudem ihren Dienst nicht zuverlässig. Die Wahrscheinlichkeit, trotz ESSURE schwanger zu werden, liegt bei 9,6 Prozent. Das ergab eine Studie der „Yale School of Medicine“ unter Leitung von Aileen Gariepy.

BAYERs Afrika-Agenda
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). Nach einer vom „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) herausgegebenen – und vom Pillen-Riesen SANOFI gesponserten – Expertise haben diese nämlich ein Volumen von bis zu 160 Milliarden Dollar. Deshalb heißt es bei BAYER: „2014 steht eine Afrika-Strategie hoch oben auf der Agenda.“ Momentan setzt die Pharma-Sparte auf dem Kontinent 650 Millionen Euro um. Der Konzern erwartet durch eine anwachsende Mittelklasse jedoch deutlich bessere Zahlen, besonders in Kenia, Tansania, Kamerun, Nigeria, der Elfenbeinküste und Südafrika. Als Türöffner für die Ausweitung des Export-Geschäfts fungieren dabei oft staatliche Hilfsorganisationen. So hat der Leverkusener Chemie-Multi in Äthiopien mit der US-amerikanischen Entwicklungshilfe-Behörde USAID ein „innovatives Geschäftsmodell“ entwickelt. Die „Contraceptive Security Initiative“ sieht vor, Frauen „mit mittlerem Einkommen in vorerst elf subsaharischen Entwicklungsländern Zugang zu bezahlbaren oralen Kontrazeptiva“ zu verschaffen. Das Unternehmen stellt dafür die Pillen bereit, und die USAID zahlt für die Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zu den Mitteln. „Einen neuen strategischen Ansatz und einen innovativen Weg zur Erschließung der Märkte in Entwicklungsländern“ nennt der Pharma-Riese das Ganze.

BAYER kauft PatientInnen-Daten
Wissen ist Macht – darum interessiert sich BAYER sehr für PatientInnen-Daten. Bei der englischen Gesundheitsbehörde NHS erwarb der Leverkusener Multi Material, „um die Größe des britischen Marktes für Gebärmutter-Wucherungen zu erkunden“ und mit diesem Wissen „den Marketingstrategie-Prozess zu füttern“. Auch andere Firmen beteiligten sich am Großeinkauf, was auf der Insel einen großen Skandal auslöste. Der Pharma-Riese hat aber noch andere Informationsquellen. So ist er in der Bundesrepublik Kunde bei der Firma PHARMAFACT, welche die Rezepte der Krankenkassen auswertet. Darum weiß der Konzern ganz genau, wie das Geschäft mit seinen Arzneien so läuft und wie er seine Pharma-DrückerInnen präparieren muss. Manchmal weiß er es sogar genauer, als die Polizei erlaubt. PHARMAFACT gab nämlich bis 2012 widerrechtlich nicht nur anonymisierte Unterlagen heraus, sondern auch solche mit Namen von MedizinerInnen, so dass BAYER & Co. ganz genaue Informationen über die Verschreibungsgepflogenheiten in den einzelnen Praxen hatten. „Die Unterlagen, die uns in Auszügen zugespielt wurden, scheinen valide zu sein. Sie könnten einen der größten Daten-Skandale der Bundesrepublik im Medizinbereich aufdecken“, so das „Unabhängige Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein“ damals.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Tod durch Endosulfan
In Argentinien starb ein Junge durch eine Vergiftung mit dem eigentlich verbotenen Pestizid Endosulfan, das auf einer nahe der Wohnung der Familie gelegenen Tomaten-Plantage zum Einsatz kam. Gegen ihren Besitzer, der den früher auch in BAYER-Produkten wie MALIX, PHASER und THIODAN enthaltenden Wirkstoff ausbringen ließ, läuft in der Sache jetzt ein Strafverfahren.

Pestizide in Pollen
Ackergifte haben einen großen Anteil am weltweiten Bienensterben. Da wundert es nicht, dass GREENPEACE die Agro-Chemikalien auch in von den Bienen gesammelten Pollen aufspüren konnte. In 72 von 107 Proben fanden sich Pestizid-Rückstände. Unter den drei am häufigsten nachgewiesenen Wirkstoffen fanden sich zwei, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind: Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER) und Thiacloprid (CALIPSO, PROTEUS). Aber es waren auch noch andere vom Leverkusener Multi verwendete Substanzen im Blütenstaub enthalten wie Fenhexamid (TELDOR), Spiroxamine (PROSPER) und Trifloxystrobin (NATIVO, CORONET).

Pestizide in Zuchtblumen
GREENPEACE hat Zierpflanzen aus Garten-Centern und Baumärkten nach Pestizid-Rückständen untersucht. In 84 der 86 Proben wurde die Organisation fündig. Und am häufigsten führte die Spur nach Leverkusen: „In Anbetracht aller nachgewiesenen Pestizide kann der größte Produzent als BAYER CROPSCIENCE identifiziert werden, der sechs von 18 nachgewiesenen Pestizide produziert“, Am häufigsten stießen die WissenschaftlerInnen dabei auf die besonders für Bienen gefährlichen Neonicotinoide GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin), deren Gebrauch die EU vorerst stark eingeschränkt hat. In 43 bzw. sieben Prozent der untersuchten Blumen trieben diese Substanzen ihr Unwesen.

Pestizide im Salat
In der NDR-Sendung markt untersuchten JournalistInnen, wie viel Pestizid-Rückstände sich auf einem Blattsalat finden lassen. Sie behandelten einen Kopf mit dem BAYER-Insektizid CALYPSO und gaben ihn anschließend in ein Labor. Die WissenschaftlerInnen wiesen sechs Milligramm des Wirkstoffes Thiacloprid pro Kilo in der Probe nach – vier Milligramm mehr, als der Gesetzgeber erlaubt. Die Redaktion konfrontierte dann den Leverkusener Multi mit dem Ergebnis. Und der konnte sich das alles nur mit einer falschen Versuchsanordnung erklären: „Wir schließen aus dem von ihnen angegebenen sehr hohen Wert von sechs Milligramm pro Kilogramm, dass entweder die empfohlende Aufwandmenge überschritten worden ist oder die Analyse unmittelbar nach der Anwendung erfolgte.“ Da schloss der Konzern aber falsch: Das Fernseh-Team hatte sich genau an die Packungsanweisung gehalten und den Salat auch erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit zur Untersuchung gebracht.

Bienensterben comes home
Nun konnte der BAYER-Konzern die Wirkung seiner Pestizide auf das Leben der Bienen einmal aus erster Hand erleben. Von dem Bienensterben mit einer Million toten Tieren, zu dem es Ende März 2014 in Leverkusen kam, waren nämlich auch eigene Bestände betroffen. Und als Ursache stellten die Behörden zweifelsfrei BAYERs Pestizid-Wirkstoff Clothianidin fest, dessen Zulassung für bestimmte Anwendungen wegen seiner bienenschädigenden Effekte eigentlich noch bis zum Dezember 2015 ruht. Von der Varroa-Milbe, welche der Agro-Riese selber immer gerne für die Dezimierung der Gattung verantwortlich macht, war dagegen weit und breit nichts zu sehen. Aus welcher Quelle das Agro-Gift stammte, vermochten die Behörden in einer nachfolgenden Untersuchung allerdings nicht mehr zu ermitteln.

Neue Bienensterben-Studien
Die beiden BAYER-Pestizide PONCHO und GAUCHO gehören zur Gruppe der Neonicotinoide. Wegen ihrer Schädlichkeit für Bienen hat die EU sie 2013 für vorerst zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen. Diverse neue Studien belegen nun, wie richtig die Entscheidung war. Ein WissenschaftlerInnen-Team der Harvard University um Chensheng Lu setzte 12 Bienenvölker Neonicotinoiden aus und ließ sechs verschont. Den Sommer über passierte nichts, aber im Winter verwaisten sechs der mit den Pestiziden traktierten Bienenstöcke – für die ForscherInnen ein klares Zeichen für die Langzeitfolgen von PONCHO & Co. Zu einem ähnlichen Befund kommt die internationale WissenschaftlerInnen-Gruppe „Task Force on Systemic Pesticides“. Sie analysierte 150 Neonicotinoid-Studien und das Fazit lautete: Die Stoffe haben verheerende Auswirkungen nicht nur auf Bienen, sondern auch auf andere Insekten, Würmer und Vögel. Da die Chemikalien also den ganzen Naturkreislauf stören, fordert die Task Force ein weltweites Verbot der Substanz-Klasse. Caspar Hallmann von der niederländischen Radboud-Universität konnte die Schäden teilweise sogar genau beziffern. Nach seiner Untersuchung geht die Vogel-Population bei einer GAUCHO-Konzentration im Oberflächen-Gewässer von mehr als 20 Billionstel Gramm pro Liter um jährlich 3,5 Prozent zurück, weil das Gift den Tieren ihre Nahrungsgrundlagen raubt.

UBA für sparsamen Glyphosat-Gebrauch
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe zum Einsatz, aber auch in BAYER-Pestiziden wie GLYPHOS oder USTINEX. Zudem will der Multi es künftig gemeinsam mit der Gensoja-Sorte „FG 72“ sowie seinen genmanipulierten Baumwoll-Arten „GHB 614“, „GHB119“ und T304-40 vermarkten. Obwohl mehrere Studien Spuren des Giftstoffes im menschlichen Organismus gefunden hatten, stellte das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) der Substanz eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Das Umweltbundesamt (UBA) plädiert hingegen für eine sparsame Verwendung des Mittels, denn es trägt nach Ansicht des UBA-Chemieexperten Klaus Günter Steinhäuser wesentlich zur Reduzierung der Artenvielfalt bei.

Glyphosat-Gebrauch eingeschränkt
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat steht im Verdacht, Fehlbildungen hervorzurufen, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Das Verbraucherschutzministerium hat deshalb eine Ausbringungsbeschränkung für den auch in BAYER-Produkten vorkommenden (s. o.) Stoff erlassen. Es erlaubt die „Spätanwendung in Getreide“ nur noch auf Teilflächen. Dem Bundesrat geht das allerdings nicht weit genug. Die Länderkammer fordert ein umfassendes Verbot des Einsatzes der Substanz bei der Reife-Beschleunigung und darüber hinaus noch einen Glyphosat-Bann für den Haus- und Gartenbereich.

El Salvador bannt BAYER-Pestizide
Von 2007 bis 2011 gingen den Behörden in El Salvador 8.159 Meldungen über Pestizid-Vergiftungen ein. Darum zog das Land die Notbremse und verbot 53 Wirkstoffe. Der Bann betrifft auch viele Substanzen, die in BAYER-Mitteln Verwendungen finden wie etwa Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN), Glyphosat (GLYPHOS, USTINEX G), Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), Parathion-Methyl (ME 605 Spritzpulver) und Methamidophos (TAMARON). Kurz darauf verweigerten die USA die Freigabe von schon bewilligten Entwicklungshilfe-Geldern, weshalb nicht wenige UmweltaktivistInnen darin eine von BAYER & Co. veranlasste Strafaktion der Obama-Administration sehen.

Teilverbot für MESUROL
Das BAYER-Pestizid MESUROL darf nicht mehr als Mittel gegen Schnecken zum Einsatz kommen. Wegen der extremen Giftigkeit des Inhaltsstoffs Methiocarb hat die EU dem Produkt für diesen Anwendungsbereich die Zulassung entzogen.

BAYER goes bio

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Der Leverkusener Multi setzt in letzter Zeit vermehrt auf „bio“, da sich Schadinsekten und Unkräuter immer besser auf die handelsüblichen Pestizide einstellen. So kaufte er jetzt das argentinische Unternehmen BIAGRO, das biologische Saatgutbehandlungsmittel auf der Basis von Mikro-Organismen und Pilzen sowie Mittel zur Stärkung des Pflanzen-Wachstums produziert.

BAYER goes bio

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Der Global Player will die Produktion von Pestiziden auf biologischer Basis erhöhen. Um mehr Chargen seines Anti-Wurmmittels BIBACT und seines Anti-Pilzmittels CONTANS herstellen zu können, baut er seine Fertigungsstätte in Wismar aus. Auch die Forschungsaktivitäten am Standort plant der Leverkusener Multi zu erweitern. Noch machen BIBACT & Co. allerdings nur einen Bruchteil der Produktpalette von BAYER AGROSCIENCE aus.

GENE & KLONE

Die Gentech-Ökonomie
In ihrer Werbung für die Gentechnologie versprechen die Agro-Riesen gerne das Grüne vom Himmel bzw. der Erde. So sollen die Laborfrüchte nicht weniger als das Welthunger-Problem lösen helfen. Im Alltagsgeschäft hört sich das alles weit profaner an. In einem Patentantrag für ein gentechnisches Verfahren redet BAYER Klartext. „Transgene Pflanzen werden vor allem eingesetzt, um das Produktionspotenzial der jeweiligen Pflanzen-Sorte bei möglichst geringem Einsatz von Produktionsmitteln möglichst günstig zu nutzen“, heißt es dort ungeschminkt.

Neues Gentech-Soja
In den USA bringt BAYER 2015 die Genlabor-Frucht CREDENZ heraus und vermeint damit laut eigener Werbeaussage, die Sojabohne neu erfunden zu haben. Der Konzern vermarktet das Produkt in zwei Variationen, einmal mit einer Resistenz gegen das Pestizid Glyphosat und einmal mit einer gegen Glufosinat. Das ursprünglich von MONSANTO entwickelte Glyphosat ist seit 30 Jahren im Einsatz und steht im Verdacht, Fehlbildungen hervorzurufen, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Da viele Wildpflanzen dem Mittel inzwischen trotzen, hofft der Leverkusener Multi mit seinem noch gefährlicheren und deshalb in der EU nur noch bis 2017 zugelassenen Glufosinat in die Lücke vorstoßen zu können. Es dürfte jedoch nur eine Frage der Zeit sein, wann sich auch hier ein Gewöhnungseffekt einstellt.

Importgenehmigung für SYNT0H2
BAYER und SYNGENTA haben für ihr Gensoja SYNT0H2, das nicht nur gegen BAYERs Ultragift Glufosinat sondern auch gegen den Pestizid-Wirkstoff Mesotrione von SYNGENTA resistent ist, von den australischen Behörden eine Importgenehmigung erhalten.

Kein geringerer Pestizid-Verbrauch
Das US-amerikanische Landwirtschaftsunternehmen hat auf der Basis von Daten aus dem Jahr 2010 untersucht, ob die Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen zu einer Reduzierung des Pestizid-Verbrauchs geführt hat, wie BAYER & Co. es in ihren Produkteinführungskampagnen versprochen hatten. Das Ergebnis fällt wenig erfreulich für die Agro-Riesen aus. Bei den Herbiziden gingen zwar am Anfang die ausgebrachten Mengen tatsächlich zurück, in den letzten Jahren stiegen sie jedoch wieder. Die Unkräuter können sich nämlich immer besser auf die Gifte einstellen, welche die Konzerne im Kombipack mit den gegen die Produkte immunen Labor-Pflanzen vermarkten. Bei den Insektiziden notierte der Report hingegen einen nachhaltigeren Rückgang, aber hier dürfte das dicke Ende, da sich Baumwoll-Kapselwurm & Co. an die Agrochemikalien gewöhnen, erst noch bevorstehen. Zudem geht die Reduzierung nicht auf die Gentechnik zurück. Auch in der konventionell betriebenen Landwirtschaft landeten weniger chemische Keulen auf den Feldern.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYERs Energie-Mix
Der Strom, den der Leverkusener Multi an seinen Standorten selbst erzeugt, speist sich zu rund zwei Dritteln aus Erdgas und zu einem Drittel aus der besonders klimaschädigenden Kohle. Wie es um die Zusammensetzung der zugekauften Energie bestellt ist, machte der Konzern bisher nie öffentlich. Deshalb fragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der letzten Hauptversammlung im April 1014 nach. Das Unternehmen gab an, das übliche Großhandelsangebot zu beziehen und nannte folgende Zahlen für den Mix: 25,6 Prozent Braunkohle, 23,9 Prozent Erneuerbare Energien, 19,6 Prozent Steinkohle, 14,4 Prozent Atomenergie und 10,5 Prozent Erdgas.

„Dream Production“ geht in Serie
Der Leverkusener Multi entwickelte gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ ein Verfahren, um Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung zu nutzen (Ticker 1/10). Nach erfolgreicher Erprobung der „Dream Production“ errichtet BAYER nun in Dormagen für 15 Millionen Euro eine kleine Fertigungsstätte. Sie soll jährlich 5.000 Tonnen Polyole für die Polyurethan-Herstellung liefern. Der Pharma-Riese feiert diese Innovation als eine Großtat zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“. Und selbst bei der günstigsten Hochrechnung fallen die Ergebnisse bescheiden aus. Sollten wirklich einmal weltweit alle Kunststoffe nach dem neuen Verfahren hergestellt werden, so wären gerade einmal 178 Millionen Tonnen Kohlendioxid gebunden – 0,6 Prozent der jährlichen Emissionen. Darüber hinaus fällt bei der „Dream Production“ selber nicht wenig CO2 ab, da energie-aufwendige Abtrennungs-, Reinigungs- und Verflüssigungsprozesse nötig sind, ehe aus den Rauchgasen der Kohlekraftwerke ein Rohstoff für die Chemie-Industrie entsteht.

Noch mehr „Dream Production“?
Ein großangelegtes Forschungsprojekt will nach Möglichkeiten suchen, um aus Kohlendioxid und anderen bei der Stahl-Produktion entstehenden Prozess-Gasen chemische Grundstoffe zu gewinnen. Neben dem Leverkusener Multi, der die Erfahrungen mit seiner „Dream Production“ (s. o.) einzubringen gedenkt, sind unter anderem THYSSENKRUPP, SIEMENS, BASF, RWE, die Universitäten Bochum und Duisburg sowie die Fraunhofer- und die Max-Planck-Gesellschaft an dem Vorhaben beteiligt.

Brückenbau auf Deponie-Gelände
Die Deponie Dhünnaue diente BAYER von 1923 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Giftmüll-Schlucker. Danach ließ der Leverkusener Multi nicht nur Gras über die Sache wachsen, sondern auch 220 Wohneinheiten sowie eine Schule, einen Kindergarten und ein Altersheim. Die Folge: Allein in der Hauptschule am Rand des Geländes traten 15 Krebserkrankungen und fünf Todesfälle auf. Die notwendigen Sanierungsmaßnahmen begannen erst in den 1990er Jahren. Der Konzern trug das verseuchte Erdreich jedoch keineswegs ab und umschloss es auch nicht vollständig. Lediglich zum Rhein hin sicherte er die Altlast mit Spundwänden ab. Deshalb ist es erforderlich, stündlich 750 Kubikmeter verseuchtes Wasser abzupumpen und zu reinigen – über Jahrhunderte hinweg. Und deshalb müssen jetzt auch die Sondierungsarbeiten zum Bau einer Autobahn-Brücke auf dem Areal äußerst vorsichtig verlaufen. Jedes Bohrloch birgt bis zu zwei Tonnen Sondermüll, was die Beschäftigten dazu nötigt, einen Ganzkörperschutz zu tragen. Auch besteht die Gefahr, dass die im Erdreich schlummernden Chemikalien die Brücken-Fundamente angreifen. „Man muss genau erkunden, welche Stoffe da vorhanden sind“, so Manfred Curbach von der Technischen Universität Dresden. Und Sven Sieberth vom Landesbetrieb Straßenbau NRW sieht ebenfalls Schwierigkeiten: „Also es könnte sein, wenn man Bereiche freilegt, dass das Material, was im Moment standfest ist, und tragfähig ist, dass es durch Witterungseinflüsse wie Regen dann aufweicht und keinen tragfähigen Untergrund hinterlässt. Also das Worst Case Scenario wäre dann, dass man (...) im schlimmsten Fall eine Betonplatte über die Deponie legen müsste, also im Prinzip wie ein Brückenbauwerk. Aber das wollen wir nicht hoffen, weil das würde zu immensen Mehrkosten (...) führen.“ Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte schon bei Beginn der Arbeiten gefordert, den Leverkusener Multi an der Finanzierung zu beteiligen. Aber das lehnt das Land Nordrhein-Westfalen ab, da es der Bauträger sei, der in die bestehende Situation eingreife. Auch an die Aufstellung eines Mahnmales denkt Rot-Grün nicht. „Ich bitte um Verständnis, dass ich hinsichtlich Ihres Wunsches nach einem Gedenkstein für mögliche Opfer der seinerzeit betriebenen Deponie zuständigkeitshalber nicht tätig werden kann“, diese Antwort erhielt ein CBG-Aktivist aus dem Verkehrsministerium auf eine entsprechende Anfrage.

NANO & CO.

BAYER verkauft auch Nano-Patente
Vollmundig hatte das „Erfinder-Unternehmen“ BAYER 2003 die Nano-Technik gepriesen. Mit einem Marktvolumen von 200 Milliarden Euro rechnete der Konzern. Zehn Jahre später verkündete er seinen Ausstieg (Ticker 3/13), da „bahnbrechende Anwendungen für den Massenmarkt“ nicht in Sicht seien. Und 2014 beendete der Leverkusener Multi das Kapitel endgültig. Der Global Player verkaufte die Patente für die ehemalige „Zukunftstechnologie“ an die Bayreuther Firma FUTURE CARBON.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosion in Kolumbien
Auf dem Gelände des BAYER-Werk nahe der kolumbischen Stadt Cali kam es am 3. Juli 2014 zu einer Explosion. Drei Menschen zogen sich dabei Verletzungen zu und mussten zur Behandlung in ein Krankenhaus.

Aus undichtem Salzstock fließt Öl
Aus Kochsalz wird Sole gewonnen, ein wichtiger Grundstoff der Kunststoff-Produktion. Darum hält der Leverkusener Multi zehn Prozent der Geschäftsanteile an dem Förder-Unternehmen SGW. Dieses hat die beim Salz-Abbau entstehenden Hohlräume an Energie-Konzerne vermietet, die dort unterirdische Öl- und Gasreservoirs unterhalten. Im Münsterland bildete sich in einer 217 Meter unter der Erdoberfläche liegenden Rohrleitung eines Stollens ein Leck. Unmengen von Öl drangen daraus an die Oberfläche und überzogen große Areale mit einem schmutzigen Film. 10 Kühe, die das Gemisch tranken, mussten TierärztInnen einschläfern. 35.000 Tonnen Öl pumpten die Hilfskräfte ab und 1.000 Tonnen verseuchtes Erdreich entsorgten sie. Die SGW hatte schon zwei Monate vor dem Austritt einen Druckabfall in den Speichern bemerkt, aber keine entscheidenden Schritte in die Wege geleitet. Claudia Baitinger vom BUND erklärte zu der Umweltkatastrophe: „Ohne die unersättliche Gier nach Sole, die von den NRW-Chemiefirmen SOLVAY, BAYER und VESTOLIT/EVONIK hauptsächlich für die Herstellung des umweltproblematischen Kunststoffes PVC seit Jahrzehnten gebraucht wird, hätte es die Begehrlichkeiten, in den entstandenen Hohlräumen unter einem der ökologisch wertvollsten Naturschutz- und FFH-Gebiete NRWs riesige Öl- und Gasspeicher anzulegen, nicht gegeben. Bereits vo

[HV Reden] STICHWORT BAYER 02/2014

CBG Redaktion

Viele Fragen und keine Antworten

Konzernkritik x 26

Die HV-Gesamtschau: 26 Gegen-RednerInnen traten am 29. April 2014 vor die AktionärInnen. Sie brachten Themen wie Pharma-Patente, Arznei-Nebenwirkungen, Medikamenten-Tests, Tierversuche, Bienensterben, gefährliche Chemikalien, Gentechnik, die Kohlenmonoxid-Pipeline, Klimasünden und die Konzern-Vergangenheit auf die Tagesordnung und setzten BAYER mit ihren Fragen gehörig unter Druck. Entsprechend schwer tat sich der Konzern mit den Antworten.

Von Jan Pehrke

Der Unternehmensteil, welcher bei BAYER am meisten zur goldenen Geschäftsbilanz beiträgt, ist gleichzeitig auch derjenige, welcher die größte Schadensbilanz aufweist: Der Pharma-Bereich. Und dass dazwischen ein Zusammenhang besteht, machten auch bei der diesjährigen Hauptversammlung wieder zahlreiche GegenrednerInnen deutlich. Zusätzlich zu den Pillen-Geschädigten, die von weither nach Köln angereist waren, kamen auch viele ihrer deutschen Leidensgenossinnen nach Köln. So traten Felicitas Rohrer und Kathrin Weigele gleich in Begleitung von sechs Mitstreiterinnen von der Initiative RISIKO-PILLE ans Rednerpult, um vor den AktionärInnen eine wahre „Chronique scandaleuse“ der Verhütungsmittel der dritten und vierten Generation auszubreiten.

Bittere Pillen
Diese begann den beiden Frauen zufolge schon mit kritischen Stimmen zur Markteinführung im Jahr 2000, setzte sich dann mit unzähligen warnenden Studien und den ersten Klagen fort und ist heute mit 28 Toten allein in der Bundesrepublik, unzähligen Prozessen und hohen Schadensersatz-Zahlungen noch längst nicht beendet. Aber all das prallte an BAYER-Chef Marijn Dekkers ab. „Ich möchte auch in diesem Jahr betonen: Wir stehen hinter unseren oralen Kontrazeptiva“, entgegnete der Vorstandsvorsitzende Rohrer und Weigele.
Aber nicht nur orale Kontrazeptiva, auch andere Verhütungsmittel des Leverkusener Multis haben es in sich. Von den Risiken und Nebenwirkungen der Hormon-Spirale MIRENA legte eine Geschädigte aus Berlin Zeugnis ab: „Die meisten klagen über Haarausfall, Akne, Zysten, Gewichtszunahme, Libido-Verlust, Depression und Panikattacken.
Gemeinsam ist vielen dieser MIRENA-Betroffenen, dass sie jahrelang unter vielen Nebenwirkungen gelitten und einen regelrechten Ärzte-Marathon hinter sich gebracht haben. Dabei hieß die Ursache ihrer Beschwerden ganz einfach: MIRENA. Herr Dr. Dekkers, was sagen Sie diesen Frauen? Dass sie einfach Pech hatten?“ Er sagte ihnen etwas anderes, aber ebenso wenig Sachdienliches. „In Zusammenarbeit mit den Behörden werden die wissenschaftlichen Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von MIRENA fortlaufend kontrolliert und bewertet. Danach gibt es keinen Zweifel am positiven Nutzen/Risiko-Profil dieses Produktes“, so der Niederländer. Und dann bemerkte er noch achselzuckend, es sei eben nicht jedes Mittel für jede Frau geeignet.
Definitiv für gar keine Frau geeignet war der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON bzw. PRIMODOS. Das Produkt der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen bis zum Vermarktungsstopp in den 1970er Jahren unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. „Können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, ihr Kind mit von PRIMODOS verursachten Schmerzen und Jahre andauernden Krankheiten aufwachsen zu sehen“, fragte deshalb die Engländerin Valerie Williams die AktionärInnen in ihrer Rede, deren Übersetzung Peter Noquet vortrug. Für das Leid, welches das Unternehmen ihrem Sohn und ihr zugefügt hat, verlangte die Rentnerin eine Entschuldigung. Zudem erhob sie Anspruch auf Schmerzensgeld.
Andre Sommer formulierte ebenfalls Forderungen. „Stellen Sie sich endlich Gesprächen. Lassen Sie uns das Thema endlich beenden!“, appellierte er an den Vorstand. Der Lehrer, der sich als PRIMODOS-Spätfolge noch im letzten Jahr einer Magen-Operation unterziehen musste, prozessierte sogar schon gegen BAYER. Aber das Landgericht Berlin hatte seine Klage auf Herausgabe von PRIMODOS-Dokumenten abgewiesen. „Verjährt“ lautete das Urteil von 2012, das Sommer nicht akzeptieren kann. „Glauben Sie, dass meine Grunderkrankung für mich jemals verjährt?“, wollte er von den Managern wissen und erinnerte diese noch einmal an die Richter-Worte: Es gibt einen Unterschied zwischen Recht und Moral. Ein Weltkonzern wie BAYER sollte den Dialog suchen, da kann ich Sie nur ermahnen!“
Für diesen Dialog setzte sich auch Peter Noquet ein, den das Schicksal von Valerie Williams dazu bewogen hatte, noch eine eigene Rede zum Thema „Schwangerschaftstests“ zu halten. Er erinnerte Marijn Dekkers an den Firmen-Slogan „Responsible Care“ und fragte Vorstand und Aufsichtsrat, ob darin nicht auch eine Verpflichtung läge, den Geschädigten zu helfen, wenn sich ein Medikament als gefährlich erwiesen hätte. Margret-Rose Pyka vermochte ebenfalls nicht mehr länger tatenlos mit ansehen, wie BAYER Valerie Williams und andere Betroffene Jahr für Jahr erneut abkanzelt und schritt deshalb zum Mikrofon. Sie bezeichnete es als verantwortungslos, trotz früher Warnhinweise lange an den gesundheitsgefährdenden Arzneien festgehalten zu haben und alle Informationen zu den Hormon-Präparaten unter Verschluss zu halten. „Wann bitten Sie um Verzeihung, dass Sie das Vertrauen, das Ihre Firma so groß gemacht hat, missbrauchen“, fragte Sie Marijn Dekkers zum Abschluss. Doch zu einer solchen Geste war der Holländer nicht bereit. Er drückte nur kurz sein Bedauern über das persönliche Schicksal der Betroffenen aus, um dann ungerührt die Textbausteine zur Entlastung des Schwangerschaftstests aneinanderzureihen.
All die auf der Hauptversammlung inkriminierten Medikamente von DUOGYNON bis YASMIN haben vor ihrer Zulassung Tierversuche durchlaufen. Für Silke Bitz von ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE ließ das nur eine Schlussfolgerung zu: „Wie ein neues Medikament beim Menschen wirkt, lässt sich also auf der Grundlage von Tierversuchen nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen.“ Als konkretes Beispiel erwähnte sie BAYERs Cholesterin-Senker LIPOBAY, auf dessen fatale Nebenwirkung „Muskelzerfall“ es am „Tiermodell“ keinerlei Hinweise gegeben hatte. Nicht nur aus moralischen, sondern auch aus wissenschaftlichen Gründen plädierte die Diplom-Biologin deshalb für Alternativen wie Forschungen mit menschlichen Zellsystemen, Biochips oder Computer-Simulationen. Davon wollte der BAYER-Chef allerdings nichts wissen. „Zum Nachweis der Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln und anderen chemischen Verbindungen sind Tierversuche nach wie vor wissenschaftlich notwendig“, meinte er, um dann zu konzedieren: „Das schließt die intensive Suche nach anderen Methoden natürlich nicht aus.“ Ergebnisse hat dieses Bemühen, das der Konzern sich seit Jahre zugutehält, allerdings noch nicht gezeitigt. Im Geschäftsjahr 2013 lag die Zahl der Tierversuche des Multis unverändert hoch bei rund 170.000.
Bei der Entwicklung von Medikamenten kommt nach den Tierversuchen die Erprobung am Menschen. Und auch hier geht das Unternehmen wenig zimperlich vor. Mit Vorliebe verlegt er die Arznei-Tests nämlich in ärmere Länder wie Indien. Dort locken ein großes Reservoir an armen und deshalb auf Geld angewiesenen ProbandInnen, unschlagbare Preise und ein löchriges Kontrollsystem. Die Folgen führte die indische Journalistin Ruhi Kandhari der Hauptversammlung vor Augen: Zwischen 2007 und 2012 starben 2.374 Menschen für die Pharma-Industrie, davon allein 146 für BAYERs neuen Gerinnungshemmer XARELTO. Das wären alles alte und kranke Hochrisiko-Patienten gewesen, gab Dekkers Kandhari wider besseren Wissens zur Antwort, ein Zusammenhang mit dem Präparat bestehe nicht, denn: „Untersuchungen am Menschen werden bei BAYER nach strengen wissenschaftlichen und ethischen Grundsätzen durchgeführt. Das gilt weltweit für alle Länder.“ Zu diesen Grundsätzen gehörte es für den Pharma-Riesen offenbar auch, ExpertInnen bei der Abfassung von XARELTO-Gutachten die Hand zu führen. Nach dem von Kandhari zitierten Bericht einer Untersuchungskommission waren es nämlich „fast identische Kopien“. Aber Dekkers stritt die „Schreibhilfe“ einfach ab: „Unser Unternehmen hat keinen Einfluss auf die Auswahl dieser Experten oder deren Einschätzungen.“
Mit BAYERs Pharmageschäftspraxis in Indien beschäftigte sich auch Philipp Frisch von ÄRZTE OHNE GRENZEN. Weil der Global Player dort für eine Therapie mit seinem Krebs-Präparat NEXAVAR monatlich 4.200 Euro berechnen wollte, hob ein indisches Gericht das Patent auf und erlaubte einer anderen Firma, eine preisgünstige Nachahmer-Version des Mittels herzustellen. Der Konzern ging juristisch gegen die Entscheidung vor, und im Rahmen dieses Rechtsstreits rechtfertigte der Ober-BAYER die Preis-Politik des Unternehmens. „Wir haben dieses Produkt nicht für den indischen Markt entwickelt (...) Wir haben es für westliche Patienten entwickelt, die es sich auch leisten können“, sagte er. Frisch kritisierte diese Äußerung scharf: „Dekkers‘ Zitat fasst alles zusammen, was heute im globalen Gesundheitsbereich falsch läuft: Medikamente nur für Reiche, Forschung soll durch Monopolversprechen und Patente angereizt werden.“ Der BAYER-Chef jedoch rechtfertigte seine Aussage. Die Entwicklung von Krebs-Medikamenten sei nun mal leider sehr teuer, führte er aus und erläuterte: „Dabei ist es offensichtlich, dass wir dieses Geld in den reicheren westlichen Ländern verdienen müssen, die gut entwickelte Krankenversicherungssysteme haben.“ Und gut entwickelte Gesetze zum „Schutz des geistigen Eigentums“, welche die Monopol-Gewinne garantieren. „Wenn aber der Patentschutz in Frage gestellt wird, kann das Geschäftsmodell nicht mehr funktionieren“, meinte Dekkers deshalb. Wenn jedoch dieses Geschäftsmodell funktioniert, dafür aber die Versorgung ärmerer Länder mit Medikamenten in Frage steht, wie es zur Zeit der Fall ist, dann helfen dem Holländer zufolge nur milde Gaben in Form von speziellen Arznei-Zugangsprogrammen.

Sterben wie die Bienen
Großen Raum auf der Hauptversammlung nahm auch das Thema „Bienensterben“ ein. Gleich vier RednerInnen widmeten sich dieser Nebenwirkung der BAYER-Pestizide PONCHO und GAUCHO aus der Gruppe der Neonicotinoide. „Es gibt keine Zukunft ohne Bienen“, hielt Anne Isakowitsch von der Initiative SumOfUs fest und erläuterte den Grund: „Jeder dritte Bissen Essen, den wir zu uns nehmen, hängt von der Arbeit von Bienen ab. Das weltweite Bienensterben gefährdet unser Überleben und das unserer Kinder.“ Eigentlich müsste ein Konzern, der sich zur Nachhaltigkeit bekennt und wirtschaftliches Wachstum mit ökologischer und gesellschaftlicher Verantwortung in Einklang bringen will, diese Entwicklung stoppen“, meinte die Aktivistin, was BAYER aber nicht tue. „Im Fall der bienentötenden Pestizide scheint Profit ganz klar wichtiger zu sein als diese Prinzipien“, konstatierte Isakowitsch, die nicht nur redete, sondern auch handelte. Sie übergab dem Vorstand eine Petition mit 600.000 Unterschriften zum Vermarktungsstopp von PONCHO & Co. GREENPEACE verband ebenfalls Wort und Tat. Hatte die Umwelt-Organisation Mitte April noch vor der Konzern-Zentrale gegen die Ackergifte des Multis protestiert und ein riesiges Transparent vom Vordach heruntergelassen, auf dem die Bienen selber fordern: „Stop killing us“, so erläuterte Dirk Zimmermann den AktionärInnen noch einmal genau die Motive für die Aktion. Die Initiative hatte nämlich jüngst eine Untersuchung über die Agro-Chemikalien durchgeführt und damit dem Belastungsmaterial noch weiteren Stoff hinzufügt. „Wir haben festgestellt, dass Pollen, der Bienen und ihrer Brut direkt als Nahrung dient, zum Teil mit bedenklichen Pestizid-Cocktails belastet war“, so Zimmermann.
BAYER hingegen gibt als Erklärung für das Massensterben stets die Varroa-Milbe und unprofessionelles Verhalten der BienenzüchterInnen an. Deshalb fragte Roger Dammé von der Europäischen ImkerInnen-Vereinigung BEE LIFE den Vorstand: „Wenn Imker und Bienenkrankheiten die Hauptschuldigen am Bienensterben sein sollen: Wie bitte erklären Sie sich dann den gleichzeitigen Rückgang von Schmetterlingen und anderen bestäubenden Insekten?“ Darüber hinaus wies Dammé auf Forschungen des „EU-Referenzlabors zur Bienengesundheit“ hin, die ebenfalls Parasiten-Befall als alleinige Ursache ausschlossen. Mit den mahnenden Worten: „Die Gesundheit der Honigbienen und anderer Insekten ist das Thermometer einer nachhaltigen Landwirtschaft. Im Moment steht das Thermometer auf Fieber.
Die aktuelle Ausrichtung des BAYER-Konzerns ist ein Teil des Problems“ beendete er seine Ausführungen.
Sogar die EU hat den Agro-Riesen als einen Teil des Problems ausgemacht und im Dezember 2013 die Ausbringung der Neonicotinoide auf bestimmten Kulturen für zunächst zwei Jahre untersagt. Aber BAYER zeigte sich weiter uneinsichtig. In Tateinheit mit SYNGENTA ging der Global Player gerichtlich gegen die Entscheidung vor. Wie Zimmermann, Isakowitsch und Dammé erboste diese Reaktion auch Christoph Koch vom deutschen „Berufs- und Erwerbsimkerbundes“ maßlos. „Was wollen Sie damit bezwecken?“ fragte er Dekkers & Co. und warnte: „Das wird ein Nachspiel geben von einer Dimension, wie es der Konzern in Fragen des Bienenschutzes noch nicht erlebt hat!“ Doch der Vorstandsvorsitzende legitimierte das Vorgehen gegenüber den kritischen AktionärInnen. Weil der Leverkusener Multi durch das vorübergehende Verbot die Rechtssicherheit von Pestizid-Zulassungen zur Disposition gestellt sah, habe er den Rechtsweg bestritten, so Dekkers. Und auch in der Sache zeigte er sich uneinsichtig. Alle möglichen Ursachen nannte der BAYER-Chef für das Bienensterben, die durch die Varroa-Milbe ausgelösten Gesundheitsstörungen, Umwelt- und Klima-Einflüsse und die Struktur-Veränderungen in der Landwirtschaft, nur eine nicht: die Neonicotinoide. „Die praktische Erfahrung sowie die wissenschaftliche Daten-Lage zeigen, dass sie keine negativen Auswirkungen auf die Entwicklung von Bienenvölkern haben, wenn die Produkte verantwortungsvoll und vorschriftsmäßig eingesetzt werden“, antwortete er den Gegen-RednerInnen.

Diese Produkte und die Genpflanzen im Angebot haben BAYER CROPSCIENCE zu einem der weltgrößten Agro-Unternehmen aufsteigen lassen. Konkurrenz herrscht in dem Segment kaum. BAYER, MONSANTO, SYNGENTA, DUPONT und DOW kommen sich nicht groß ins Gehege und verfolgen eine gemeinsame Politik, wie Olivia Tawiah darlegte. „Das Ziel dieses Oligopols ist ganz eindeutig, den Markt unter sich aufzuteilen, Preise und politische Rahmenbedingungen zu diktieren und letztlich die Ernährungsgrundlagen der Menschheit zu kontrollieren“, stellte die in der „Transition Town“-Bewegung aktive Frau fest und machte die Patente als zentrales Mittel zu diesem Zweck aus. Nicht weniger als 206 hält der Leverkusener Multi auf Mais, Weizen, Reis, Gerste, Baumwolle, Soja und sogar auf genmanipulierte Bäume, informierte die Düsseldorferin und wunderte sich: „Patente haben für mich immer etwas zu tun gehabt mit Erfindungen, die Menschen mit ihrer Phantasie und ihrem Wissen entwickelt haben und sind eng verknüpft mit dem Begriff der Originalität.
Patente auf Lebewesen jeglicher Art, die die Natur hervorbringt, gehören nach meinem Empfinden nicht dazu.
Die Natur ist lange vor BAYER und allen anderen Chemie-Konzernen entstanden.“ Noch mehr wunderte sie, dass es trotz all dieser Patente beim Global Player mit gegen Glufosinat und Glyphosat resistenten sowie mit dem Bacillus thuringiensis bestückten Pflanzen nur zwei Gentech-Varianten gibt, die noch dazu massive Risiken und Nebenwirkungen aufweisen. „Wegen der Gefahren für Mensch und Umwelt müssten Glufosinat und Glyphosat nach Ansicht von Umweltschützern sofort vom Markt genommen werden.
Darüber hinaus sind beide Techniken wegen der zunehmenden Resistenzbildung allenfalls noch ein paar Jahre wirksam und daher kaum zukunftstauglich“, ließ Tawiah wissen. Da gab sich auch Marijn Dekkers ratlos: „Schaderreger haben stets das Potenzial zu Resistenz-Bildung gegen Pflanzenschutzmittel (...) Es ist eine evolutionäre Eigenschaft der Lebewesen und dient ihrer Arterhaltung.“

CO & Co.
Unabdingbar für BAYERs Arterhaltung ist für ihn die Kohlenmonoxid-Pipeline, deren Gefahren-Potenzial gleich mehrere Redner aufbrachte. Als würden die bisher auf den Hauptversammlungen geäußerten Vorbehalte gegen die von Krefeld nach Dormagen verlaufende Giftgas-Leitung noch nicht ausreichen, trug Dieter Donner von der Initiative STOPP-CO-PIPELINE neue Argumente vor. Er setzte die Aktien-HalterInnen von dem Gutachten des „Bielefelder Instituts für Umweltanalyse“ in Kenntnis, wonach es eine - sogar um 60 Prozent kostengünstigere – technische Alternative zum Röhrenverbund gibt. Desweiteren informierte er über eklatante Mängel bei der vom Global Player schon lange betriebenen CO-Pipeline zwischen Leverkusen und Dormagen, die der Bezirksregierung 2007 bei ihrer Baugenehmigung für die neue Verbindung als „Referenz-Leitung“ diente. „Rostige Schwindsucht“ hat diese laut Donner befallen. An einigen Stellen hat die Korrosion die Rohrwände schon fast bis zur Hälfte durchdrungen, bekundete er.
Der Kinderarzt im Ruhestand Gottfried Arnold, der unter seinen KollegInnen 460 Unterschriften gegen das BAYER-Projekt gesammelt hat, problematisierte vor allem die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen. So beanstandete er die unzureichenden Vorrichtungen zur Erkennung von Lecks und wies auf die Nicht-Existenz eines mit allen AkteurInnen abgestimmten Alarm- und Gefahrenabwehrplanes hin. Zudem führte der Mediziner plastisch vor Augen, wie wenig die Feuerwehr im Falle eines GAUs ausrichten könnte, da das Kohlenmonoxid seine giftige Wirkung in Sekundenschnelle entfaltet und es überdies gar keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten gibt. Gerade einmal zwei Plätze in einer Sauerstoff-Überdruckkammer mit 24-Stunden-Dienst hält die Universität Düsseldorf laut Arnold für ganz Nordrhein-Westfalen bereit.
Rainer Kalbe von STOPP-CO-PIPELINE schließlich sah der Rohrleitung durch die neue Kunststoff-Anlage in Dormagen die Geschäftsgrundlage entzogen. Da die Produktionsstätte CO für die Fertigung benötigt, gibt es am Standort nämlich gar keinen Überschuss mehr, der nach Krefeld geleitet werden müsste, womit BAYER das Projekt einst begründet hatte. Ein Grund mehr für Kalbe, die Pipeline auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen: „Denn da gehört sie auch hin und nicht in die Vorgärten.“ Eine starre Fixierung auf Profit-Maximierung warf der Aktivist dem Unternehmen vor und prophezeite: „So wird der Konzern keine Zukunft haben.“ Er müsse vielmehr endlich einsehen, dass er mit den Menschen leben müsse und nicht gegen sie, mahnte Kalbe.
Dazu machte der Pharma-Riese allerdings keine Anstalten. Marijn Dekkers ignorierte alle Einwände gegen die Giftgas-Leitung. Auch wenn in Dormagen kein zusätzliches Kohlenmonoxid mehr anfalle und der Standort Krefeld/Uerdingen überdies selber CO erzeuge, bleibe das Röhren-Werk unverzichtbar, so der Ober-BAYER. Nur auf diese Weise könne nämlich die Niederlassung am Niederrhein in die CO-Verbundstruktur einbezogen werden, was allein die Versorgungssicherheit garantiere, erklärte der Vorstandsvorsitzende. Dieses nicht berücksichtigt zu haben, warf er auch dem von Dieter Donner zitierten Gutachten vor. Es hatte für Dekkers jedoch noch weitere Mängel; den größten Kritikpunkt stellten dabei die Umstände seines Entstehens dar. „Schon bei der Ankündigung, dass es durch das Umweltministerium in Auftrag gegeben wird, hatte BAYER deutlich gemacht, dass das Unternehmen es nicht für erforderlich hält“, ließ der Niederländer den Saal wissen. Und Risiken gingen von der Pipeline schon mal gar keine aus: „Wir haben ein Sicherheitskonzept entwickelt, das Maßstäbe setzt“. Das Rost ansetzende Sicherheitskonzept der zwischen Leverkusen und Dormagen schon betriebenen Kohlenmonoxid-Leitung verteidigte er ebenfalls. Der Korrosionsschutz sei gewährleistet, alles werde ständig kontrolliert und Leckagen oder andere Störungen wären seit der Inbetriebnahme im Jahr 2002 nicht aufgetreten, vermeldete Marijn Dekkers. Zur Beglaubigung berief er sich auf den TÜV. Dass dieser bei Untersuchungen jedoch schon auf „gravierende externe Materialverluste“ gestoßen war, verschwieg der BAYER-Boss dezent.
Einen weiteren gefährlichen Stoff setzte Helmut Röscheisen, der Generalsekretär des DEUTSCHEN NATURSCHUTZRINGS, auf die Tagesordnung: PCB. Die polychlorierten Biphenyle können das Nerven-, Immun- und Hormonsystem schädigen und Krebs erzeugen – und sie können das eine ganze Weile tun. Da PCB ein Abkömmling der Chlorchemie und entsprechend stabil sind, halten sie sich sehr lange in der Umwelt. Aus diesem Grund sorgt die Substanz trotz des bereits 1989 erfolgten Verbotes immer noch für Gesundheitsgefährdungen. BAYER hat daran nach Meinung von Helmut Röscheisen einen großen Anteil. Der Leverkusener Multi gehörte neben MONSANTO nämlich zu den Hauptproduzenten dieser Chemikalie. Allein 20.000 Tonnen PCB für Fugenverdichtungsmassen hat er nach Angabe des Naturschützers produziert, und diese gasen – verbaut in Schulen, Universitäten und Kindergärten – fleißig aus. Darum stellte er dem Vorstand nur eine einfache Frage: „Ist die BAYER AG bereit, für eine Inventarisierung und Beseitigung der PCB-Belastungen im Baubereich finanzielle Mittel bereitzustellen?“
Dazu war der Konzern nicht bereit. „Die Sanierung belasteter Gebäude liegt nicht in unserer Verantwortung“, antwortete Marijn Dekkers Helmut Röscheisen. Mit der Einstellung der Produktion schon vor dem gesetzlichen PCB-Verbot in Deutschland im Jahr 1989 sei der Multi „seiner Verantwortung für die Sicherheit von Mensch und Umwelt gerecht geworden“, vermeinte der große Vorsitzende.
Auch Verantwortung für das Klima zeigt das Unternehmen nach Ansicht des BAYER-Chefs, obwohl die nackten Zahlen dem widersprechen, wie der Verfasser dieses Textes in seiner Rede skizzierte. So hat der Agro-Riese 2013 mehr klima-schädigendes Kohlendioxid ausgestoßen als 2012. Auf sage und schreibe 8,36 Millionen Tonnen beläuft sich der Wert, was vor allem dem hohen Kohle-Anteil am Energie-Mix geschuldet ist. Während dieser sich auf fast ein Drittel beläuft, kommen die Erneuerbaren Energien nicht über 0,7 Prozent hinaus. Auf die konkrete Frage Jan Pehrkes, ob der Konzern daran denke, die Kohle-Verstromung zu reduzieren, antwortete der Vorstandsvorsitzende ausweichend: „Generell sind wir daran interessiert, den Energie-Verbrauch so gering wie möglich zu halten und idealerweise zu senken, sowohl aus ökologischen als auch aus ökonomischen Gründen.“
Und in puncto „Erneuerbaren Energien“ generalisierte er ebenfalls. „Generell ist es unser Ziel, den Anteil regenerierbarer Energie an unserer Strom-Versorgung langfristig zu erhöhen. Ob und in welchem Ausmaß uns das gelingt, ist allerdings abhängig von der Verfügbarkeit dieser Energien und der Entwicklung unseres Energiebedarfs“, so Dekkers.
Während Pehrke und die anderen Gegen-RednerInnen dem Leverkusener Multi die Schadensbilanz für 2013 vorlegten, ging CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura im Gedenkjahr 2014 weit zurück in die Vergangenheit, um am Beispiel von BAYERs Wirken im Ersten Weltkrieg die Kontinuität der Kapital-Verbrechen deutlich zu machen. So bejubelte der damalige Generaldirektor Carl Duisberg Köhler-Schnura zufolge den Waffengang, weil dieser die Geschäfte antrieb. Mit den Worten: „Sähen Sie jetzt einmal, (...) wie wir fast nichts mehr als Kriegslieferungen ausführen (...), so würden Sie Ihre helle Freude haben“, zitierte er Duisberg. Das über Deutschland verhängte Embargo verhinderte Einfuhren aus dem Ausland und verhalf dem Chemie-Multi so zu einer privilegierten Stellung. Auch zu billigen Arbeitskräfte kam der Konzern ab 1916. Er legte schon im Ersten Weltkrieg das Fundament für das erst im Zweiten Weltkrieg in aller Brutalität exekutierte ZwangsarbeiterInnen-System und ließ 60.000 BelgierInnen nach Deutschland verbringen. Wegen solcher „Standort-Vorteile“ setzte BAYER alles daran, den Krieg zu forcieren. Und er trug wesentlich mit dazu bei, ihm die bis dahin schrecklichste Waffe zu liefern: das Kampfgas. „Weshalb entzieht sich BAYER der Auseinandersetzung mit seiner Verantwortung in diesem Zusammenhang?“, fragte Kohler-Schnura deshalb. Aber er stieß beim Vorstand nur auf taube Ohren. Dekkers bekundete zunächst, BAYER habe Duisbergs Rolle im Ersten Weltkrieg umfassend aufgearbeitet, um dann übelsten Geschichtsrevisionismus zu treiben und eine Ehrenrettung des ehemaligen Generaldirektors vorzunehmen. „Die historischen Verdienste Carl Duisbergs sind weithin anerkannt. Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein und setzte sich für den Umweltschutz ein, lange bevor es gesetzliche Regelungen dazu gab“, dozierte er.

Damit erreichte die BAYER-Ignoranz an diesem Tag ihren traurigen Höhepunkt. Er werden wohl noch mehr AktivistInnen und Gegen-RednerInnen nötig sein, damit der Global Player eines Besseren belehrt wird. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN arbeitet bereits daran.

[Tierversuche] Hauptversammlung 2014

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 11. April 2014

Ärzte gegen Tierversuche e.V.
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

Pharmamulti BAYER soll auf tierversuchsfreie Forschung umsteigen

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) und die Ärzte gegen Tierversuche (ÄgT) prangern anlässlich der Hauptversammlung der BAYER AG den Chemie- und Pharmamulti für seine unethische Forschung an. Diese basiere auf großem Tierleid und setze Menschen unkalkulierbaren Risiken aus. Die Verbände organisieren am 29. April vor und in den Kölner Messehallen eine Protestaktion. Sie fordern den Konzern auf, aus dem grausamen System „Tierversuch“ auszusteigen und stattdessen seinen Einfluss für die Stärkung einer modernen, tierversuchsfreien Wissenschaft zu nutzen.

„Im Jahr 2012 mussten in den Laboren von BAYER 147.315 Mäuse, Ratten, Hunde, Katzen und andere Tiere ihr Leben für eine fragwürdige Forschung lassen. Damit werden in Deutschland rund fünf Prozent der bundesweit jährlich 3,1 Millionen Tiere in den Laboren von BAYER zu Tode geforscht“, kritisiert Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Hinzu kommen 23.282 Tiere, die für BAYER in externen Auftragslaboren sterben. Die CBG und ÄgT finden es besonders verwerflich, dass BAYER wiederholt mit umstrittenen Tierversuchslabors wie Professional Laboratory and Research Services (PLRS) und Huntingdon Life Sciences (HLS), die für tierquälerische Methoden bekannt sind, kooperiert hat.

In Redebeiträgen auf der Hauptversammlung am 29. April werden die Vereine den Konzern für sein unethisches Geschäftsgebaren kritisieren. Tierversuche dienen dem reinen Profitstreben, wofür nicht nur die Tiere, sondern häufig auch Menschen mit dem Leben bezahlen müssen, da die Experimente am „Tiermodell“ häufig nicht aussagekräftig sind. Wie in der Branche üblich, verschweigt BAYER gern schädliche Nebenwirkungen seiner Pharmaprodukte. So kam es beim als Schwangerschaftstest eingesetzten Hormonpräparat Duogynon des Berliner Unternehmens Schering, das heute zu BAYER gehört, verstärkt zu Fehlgeburten und schweren Missbildungen von Kindern. Aus internen Dokumenten geht hervor, dass dem Unternehmen die fatalen Nebenwirkungen bereits seit 1967 bekannt waren. Das Bundesgesundheitsministerium sprach erst 1978 eine offizielle Warnung aus, das Medikament wurde bis 1980 verkauft.

Beim Gerinnungshemmer Xarelto von der Firma BAYER registrierte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im vergangenen Jahr rund 1400 Meldungen über schwere Nebenwirkungen wie Blutungen oder Leberschäden sowie 133 Todesfälle. Der Pharmariese hatte in den eingereichten Dokumenten mindestens zwei Todesfälle verschwiegen. Tierversuche haben auch in diesem Fall nicht zur Sicherheit des Präparats beigetragen.

In Deutschland gehen pro Jahr mindestens 58.000 Todesfälle auf das Konto von Arzneimittel-Nebenwirkungen. Zuvor durchgeführte Tierversuche können die Gefahren für den Menschen nicht vorhersagen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren und Ärzte gegen Tierversuche fordern daher ein gesetzliches Verbot von Tierversuchen und appellieren an Konzerne wie BAYER, ihren politischen Einfluss dahingehend zu nutzen, eine moderne, tierversuchsfreie Forschung zu etablieren, um damit Menschen bestmöglich vor schädlichen Chemikalien und Medikamentenskandalen zu schützen.

Im Gegensatz zum Tierversuch liefert die Forschung mit menschlichen Zellsystemen, Biochips und Computersimulationen für den Menschen relevante Ergebnisse. „Dem Profit des Konzerns würde ein Verbot von Tierversuchen keinen Abbruch tun, da tierversuchsfreie Methoden nicht nur zuverlässiger, sondern auch schneller und kostengünstiger sind als Tierversuche“, so Silke Bitz, Sprecherin von Ärzte gegen Tierversuche. Das Problem liegt einzig in der Überwindung des veralteten, politisch festgefahrenen Systems Tierversuch zugunsten einer Forschung, die dem heutigen Zeitalter entspricht, sind sich die Vereine sicher.

Ärzte gegen Tierversuche e.V: www.aerzte-gegen-tierversuche.de