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Beiträge verschlagwortet als “Xarelto”

[Ticker] Stichwort BAYER 04/21

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Bienenschutz-Blockade
Die Kriterien der Europäischen Union zu Risiko-Prüfungen von Pestiziden berücksichtigen die Bienengefährlichkeit der Mittel nicht ausreichend. Darum hat die EU-Kommission der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA den Auftrag erteilt, die Bienenleitlinie nachzubessern. Dies ist inzwischen erfolgt, aber nun stockt der Prozess. Deutschland und einige andere Länder blocken, da ihnen die Vorschriften zu streng erscheinen. Die Initiative AURELIA hat deshalb bereits 2019 eine Bundestagspetition zur „Reformierung der Risiko-Prüfung von Pestiziden zum Schutz von Bienen und anderen Insekten“ eingereicht. Thomas Radetzki vom AURELIA-Vorstand erläuterte das Anliegen später sogar bei einer Anhörung des Petitionsausschusses. Das war es dann aber auch schon. „Zwei Jahre später müssen die BienenschützerInnen feststellen: Passiert ist nach der im Oktober 2019 erfolgten Anhörung von Thomas Radetzki im Bundestag (...) im Grunde nichts. Die Reformierung der EFSA-Leitlinien zu Bienen und Pestiziden wird auf Bundes- und EU-Ebene weiter systematisch verschleppt“, konstatiert die Organisation.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER-Vorstände verdienen 38 Mal mehr
Bei BAYER geht die Gehaltsschere weit auseinander. So streichen die Vorstände 38 Mal mehr ein, als die Beschäftigten beim Leverkusener Multi im Durchschnitt verdienen. Das geht aus einer Erhebung hervor, welche die „Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapier-Besitz“ gemeinsam mit der TU München durchführte. Auf der Hauptversammlung von 2009 hatte eine Vertreterin des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE die Vorstandsriege gefragt, ob sie bereit wäre, die eklatante Lohn-Spreizung erst einmal auf den Faktor 20 zurückzufahren. Sie erhielt jedoch eine schnöde Abfuhr. BAYERs damaliger Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Schneider sprach sich vehement gegen solche „statistischen Grenzen“ aus.

ERSTE & DRITTE WELT

202 BAYER-HHPs in Mexiko
Als „Highly Hazardous Pesticides“ (HHPs) gelten solche Agrochemikalien, die Mensch, Tier und Umwelt in besonderer Weise gefährden. In Mexiko haben 183 dieser HHP-Wirkstoffe eine Zulassung, von denen 140 in anderen Ländern verboten sind. Die 183 HHPs verteilen sich auf 3.140 Produkte. Die mit Abstand meisten dieser Supergifte bietet BAYER an: 202. Dahinter folgt SYNGENTA mit 133 Erzeugnissen.

Doppelte Standards in Mexiko
BAYER verkauft in Mexiko drei Pestizide, die in der EU wegen ihrer ruinösen Wirkung auf die menschliche Gesundheit oder auf die Umwelt keine Zulassung (mehr) haben, wie Recherchen des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKS (PAN) und der Initiative INKOTA ergaben. Konkret handelt es dabei sich um den krebserregenden Wirkstoff Spirodiclofen, das Haut, Augen und Schleimhäute angreifende (Beta-)Cyfluthrin und das erbgutschädigende Glufosinat, das im Rest der Welt die BASF vertreibt. Alle drei Substanzen gehören der Gefahrenklasse 1b der Weltgesundheitsorganisation an, in welche die hochgiftigen Agro-Chemikalien fallen. Darüber gibt es nur noch die Gefahrenklasse 1a, die den extrem giftigen Produkten vorbehalten ist.

BAYER in Mexiko
Die Initiative MÉXICO VÍA BERLIN hat im Juni 2021 die Studie „BAYER in Mexiko“ veröffentlicht. Sie widmet sich den Menschenrechtsverletzungen und Umweltschädigungen, die der Leverkusener Multi in dem Land begangen hat oder noch begeht. So beliefert der Konzern die hauptsächlich in der Gemeinde Villa Guerrero angesiedelte Blumen-Industrie mit seinen Ackergiften, ohne für eine ordnungsgemäße, die ArbeiterInnen schützende Handhabung zu sorgen. Auch verkauft das Unternehmen in dem lateinamerikanischen Staat Pestizide, die innerhalb der EU wegen ihrer Gefährlichkeit verboten sind (s. o.). Zudem leitet es die giftigen Hinterlassenschaften seiner Agrochemie-Fabrik am Standort Ixtacuixtla einfach in die öffentlichen Abwasser-Systeme. Die meisten Probleme aber hat der Global Player in Mexiko mit seiner Anlage für das besonders giftige sechswertige Chrom in der Gemeinde Lechería bereitet. 1975 starben mehrere Kinder, die eine Schule in der Nähe des Firmen-Geländes besucht hatten. Das führte zu massiven Protesten, in deren Folge BAYER das Werk 1978 schließen musste. Zum Nachlass zählten zwischen 75.000 und 120.000 Tonnen Produktionsrückstände. Noch 25 Jahre später fanden sich rund um die Fertigungsstätte hohe Chrom-Konzentrationen in Wasser, Boden und Luft.

Die „Ghana Heart Initiative“
Immer wieder gern betreibt der BAYER-Konzern Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den sogenannten „Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen“, die nicht mehr so ganz arm sind und deshalb als Absatzgebiete der Zukunft in Frage kommen. So will der Leverkusener Multi in Ghana etwa „das Gesundheitssystem im Bereich der Herz/Kreislauf-Erkrankungen“ ertüchtigen und Prävention, Diagnose und Behandlung verbessern, um geeignete Ausgangsbedingungen für Geschäfte mit seinem Gerinnungshemmer XARELTO (siehe auch DRUGS & PILLS) zu schaffen. Dazu kooperiert er mit der „Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ), der staatlichen „Durchführungsorganisation der deutschen Entwicklungszusammenarbeit“. Diese dient als Türöffner, spielt ansonsten aber eine untergeordnete Rolle. So bezeichnete der GIZler Carsten Schmitz-Hoffmann das Unterfangen in einem Interview als „unser Projekt ‚Ghana Heart Initiative’ im Auftrag der BAYER AG.“ Und er sprach auch ganz offen darüber, dass das Vorhaben dem Leverkusener Multi helfe, „diesen wachsenden Markt zu stärken“.

POLITIK & EINFLUSS

Handlungspakt mit BAYER & Co.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat einen Handlungspakt mit der Chemie-Industrie geschlossen. Zu den Bündnispartnern gehören der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), der „Bundesarbeitgeber-Verband Chemie“ (BAVC) und die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). „Eine langfristig starke, international wettbewerbsfähige Chemie- und Pharmaindustrie ist für unser Land von elementarer Bedeutung. Ziel ist es deshalb, die Weichen für eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit des Chemie- und Pharma-standorts Deutschland zu stellen“, bekunden die Paktierer. Zu diesem Behufe wollen sie die „Steuer- und Abgabenbelastung der Unternehmen auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau bringen“. Einigkeit besteht auch in der Bewertung der EU-Chemikalienstrategie, die beabsichtigt, „den Schutz von Mensch und Umwelt vor gefährlichen Chemikalien zu erhöhen“. Das Vorsorge-Prinzip bzw. der gefahren-basierte allgemeine Ansatz dürfe dabei keinesfalls die Grundlage bilden, heißt es im Handlungspakt. Zudem müsse alles „primär im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung erreicht werden“, wie es in dem Dokument heißt. „Exportbeschränkungen für in Europa hergestellte Produkte“ schließen die Partner ohne „international abgestimmte und harmonisierte Vorgaben“ aus. Klimaschutz ist für sie schön und gut, rechnet sich aber leider nicht immer. Daher braucht es flankierende Maßnahmen. „Entlastungen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit wie die besondere Ausgleichsregelung, die Eigenstrom-Entlastung, die freie Zuteilung von Emissionsrechten, die Strompreis-Kompensation, die Energie- und Stromsteuer-Entlastungen und eine Förderung der Kraft/Wärmekoppelung haben auch weiterhin eine zentrale Bedeutung für die Chemie-Branche“, hält das Papier fest. Sich gegen die Risiken und Nebenwirkungen der globalen Wertschöpfungsketten im Arznei-Bereich zu versichern, ist ebenfalls nicht umsonst zu haben: „Wir wollen marktwirtschaftliche Anreize setzen, um die Liefersicherheit im patentfreien Bereich (...) zu verbessern.“ Im Klartext: Die Rückverlagerung von Pharma-Produktionen erfordert Subventionen. Politischen Rückhalt bekommen die Konzerne schließlich auch für das im Zuge der Corona-Pandemie massiv in die Kritik geratene Patentsystem. Das Bündnis spricht sich dafür aus, den Schutz des geistigen Eigentums zu stärken.

Strom zum Schnäppchen-Preis
Seit Jahr und Tag klagen BAYER & Co. über zu hohe Strom-Kosten (s. o.). Dabei zahlen die Unternehmen viel weniger als die Privat-Haushalte. Während die Kilowattstunde für diese mit 32 Cent zu Buche schlägt, muss die energie-intensive Industrie nur rund zehn Cent aufbringen. Diverse Rabatt-Regelungen, etwa beim Strom-Bezug, bei der Strom- und Energiesteuer und der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), machen’s möglich.

BAYER im develoPPP-Programm
„Mit develoPPP fördert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) privatwirtschaftliche Vorhaben dort, wo unternehmerische Chancen und entwicklungspolitisches Potenzial zusammentreffen“, heißt es auf der Website von develoPPP in bemerkenswerter Offenheit. Ein Projekt des BAYER-Konzerns in Indien, bei dem zusätzlich die „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) und als Partner vor Ort MAVIM mit an Bord sind, erfüllte für die Organisation diese Kriterien. Deshalb machte sie Geld für die „Public Private Partnership“ locker. Der Leverkusener Multi will in dem Land solche Frauen auf dem Land beim Ackerbau unterstützen, die alleine zurückbleiben, wenn ihre Männer in den großen Städten arbeiten. Als Mittel der Wahl dazu hält der Leverkusener Multi neben einer Gesundheitsberatung das Übliche bereit, Pestizide und Saatgut aus der laufenden Produktion. Sonst wäre es ja auch nichts mit dem develoPPP-Wahlspruch: „Where business meets development“.

Sitz im GIZ-Kuratorium
Die „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) setzt die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik praktisch um. Dabei kooperiert die GIZ nicht nur mit BAYER und anderen Unternehmen (siehe ERSTE & DRITTE WELT), sie räumt ihnen auch Sitze in ihrem Kuratorium ein. Für den Leverkusener Multi hat Dr. Monika Lessl in dem Gremium Platz genommen, die Leiterin der Stiftungen „BAYER Science Foundation“ und „BAYER Cares Foundation“.

BAYER reorganisiert „Corporate Affairs“
Der BAYER-Konzern strukturiert in den USA seine Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit um. Er trennt PR-Aktivitäten und politische Einflussarbeit; sie laufen künftig nicht mehr unter dem gemeinsamen Dach „U.S. Corporate Affairs“. Der Agro-Riese will mit diesen Veränderungen beide Bereiche stärken und besser an seiner globalen Struktur ausrichten. Nicht ganz zufällig vollzieht er diesen Schritt parallel zum Machtwechsel in den Vereinigten Staaten. Nicht zuletzt ist nämlich „die Verbesserung unserer Reputation und der Aufbau von Beziehungen zu der neuen Administration“ Sinn der Übung. Just zu diesem Behufe sucht wohl auch Raymond F. Kerins, der bisher den „U.S. Corporate Affairs“ vorstand, „neue Herausforderungen“, wie es bei solchen Gelegenheiten immer unschön heißt. Er war offensichtlich ein Trump-Mann.

Extrem-Lobbying für Gentechnik 2.0
BAYER & Co. versuchen mit allen Lobby-Mitteln, die neuen Methoden zur Veränderung des Erbguts wie etwa CRISPR/Cas nicht unter das Rubrum „Gentechnik“ fallen zu lassen, um den Verfahren die entsprechenden Regulierungen durch die EU zu ersparen. Das dokumentiert das CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) in einem neuen Report. So organisierte die industrie-nahe „European Plant Science Organisation (EPSO) Zusammenkünfte mit wichtigen FunktionsträgerInnen der Mitgliedsländer wie etwa MitarbeiterInnen des Julius-Kühn-Instituts. Auch die „Bill and Melinda Gates Foundation“ (BMGF) mischt kräftig mit. Sie zählt zu den Mitgründern von „Re-Imagine Europe“. Diese Einrichtung gründet selbst auch fleißig mit, etwa die „Task Force for Sustainable Agriculture and Innovation“, in deren ExpertInnen-Gremium Bernd Halling und Annick Pleysier von BAYER sitzen. Das „Flämische Institut für Biotechnologie“ (VIP), mit dem der Leverkusener Multi kooperiert, antichambriert ebenfalls heftig gegen strenge Auflagen für die neuen Gentechniken. „Die hier beschriebene Lobby-Kampagne, die weitgehend unter dem Radar blieb, ist nichts weniger als ein Angriff auf die Umwelt- und Verbraucherschutzgesetzgebung der EU“, hält CEO zur Einflussarbeit der Konzerne in Brüssel fest.

Bloggen für BAYER
„Warum Glyphosat für mich auch gute Seiten hat“, legte der Landwirt Willy Kremer-Schillings einmal in einem Gastbeitrag für die Rheinische Post dar. Einen Hauptgrund verschwieg er dabei aber: Er bekommt von BAYER & Co. Geld dafür, solche Meinungen zu vertreten. Bauer ist Kremer-Schillings nämlich nur im Neben-Nebenerwerb. Hauptberuflich verkauft er Pestizide und Kunstdünger und betreibt unter dem Künstlernamen „Bauer Willy“ einen Blog. Darin wirbt er für Ackergift und Gentechnik, verharmlost die Gefahr von Kunstdünger-Rückständen und versucht die Landwirtschaftspolitik im Sinne der Agrar-Lobby zu beeinflussen. In seinem Buch „Sauerei“ verteidigt er laut taz „seitenweise Agrarchemie-Konzerne wie die BAYER-Tochter MONSANTO“. Dementsprechend zeigen sich die ÖffentlichkeitsarbeiterInnen des Leverkusener Multi stets begeistert darüber, „was ein gewisser Bauer Willy“ alles so lostritt. Auch NGO-Watch gehört zu dessen Arbeitsfeldern. „Ständige Analyse der Kampagnen“ verspricht er seinen Geldgebern. Und Kremer-Schillings ist nicht allein. Sein „Bauer Willy“ hat derweil viele Ableger im Netz wie z. B. den Blog „Ich liebe Landwirtschaft“, den Jutta Zeisset mit freundlicher Unterstützung von BAYER & Co. betreibt.

Auch 2022 Online-HVs
Schon lange vor Corona hatten BAYER & Co. mit der Abkehr von Präsenz-Hauptversammlungen geliebäugelt, um sich kritische AktionärInnen besser vom Leib halten zu können. Die Pandemie gab ihnen dann die passende Gelegenheit dazu, was BAYER als erster DAX-Konzern nutzte. Im September 2021 erteilte der Gesetzgeber den Unternehmen nun das Recht, auch im nächsten Jahr wieder ins Virtuelle zu flüchten. Es blieb bei einer Mahnung, dabei besonnen vorzugehen. „Auch wenn die Erleichterungen somit noch bis einschließlich 31. August zur Verfügung stehen, sollte von diesem Instrument im Einzelfall nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn dies unter Berücksichtigung des konkreten Pandemie-Geschehens und im Hinblick auf die Teilnehmer-Zahl der jeweiligen Versammlung erforderlich erscheint“, heißt es in der Beschluss-Empfehlung. Und Heribert Hirte, der zuständige Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hebt den Ausnahme-Charakter der Bestimmung hervor, die nicht so einfach auf Dauer zu stellen ist. „Dabei handelt es sich ausdrücklich um eine Übergangsregelung, die für die Zukunft der Online-Hauptversammlung nur begrenzte Vorbild-Funktion haben kann“, so Hirte.

EPA gelobt Besserung
Unabhängig war die US-amerikanische Umweltbehörde EPA nie, aber unter Donald Trump nahm der politische und wirtschaftliche Einfluss noch einmal stark zu. So diente sich die „Environment Protection Agency“ dem Leverkusener Multi in einem Glyphosat-Entschädigungsprozess sogar einmal als Entlastungszeuge an, der dem umstrittenen Herbizid einen Persilschein ausstellte. Auch erhielten die WissenschaftlerInnen die Anweisung, sich bei ihren Pestizid-Analysen ausschließlich auf Daten der Hersteller zu stützen. Damit nicht genug, bearbeiteten die Abteilungsleiter die Analysen anschließend noch. Auf diese Weise verschwanden aus einer Expertise zum BAYER-Pestizid Dicamba plötzlich Passagen über das Gefährdungspotenzial des Mittels. Der neue US-Präsident Joe Biden will diese Entwicklung aber rückgängig machen. „Heute unterschreibe ich ein präsidiales Memorandum, das klarstellt, dass wir unsere Weltklasse-Wissenschaftler vor politischer Einmischung schützen und sicherstellen werden, dass sie frei denken, forschen und sprechen können“, sagte er Ende Januar 2021. Und die Behörde selber kündigte unter ihrem neuen Direktor Michael S. Regan konkrete Maßnahmen an: „Diese Administration ist verpflichtet, mutmaßliche Verstöße gegen die wissenschaftliche Integrität zu untersuchen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Entscheidungen der EPA auf der Grundlage strenger wissenschaftlicher Informationen und Standards getroffen werden.“ Der Bericht zu den ominösen Umständen der Dicamba-Zulassung im Jahr 2018 liegt bereits vor (siehe auch Ticker 3/21).

EPA überprüft Glyphosat-Entscheidung
Im Zuge eines Klage-Verfahrens gegen die vorläufige Glyphosat-Zulassungsverlängerung räumte die US-Umweltbehörde EPA gravierende Fehler bei der Genehmigung des Pestizides ein. Darum beantragte sie vor Gericht, den von Umweltverbänden und anderen Gruppen angestrengten Prozess vorerst auszusetzen, um die Entscheidung vom Januar 2020 überprüfen zu können. Konkret hält es die „Environment Protection Agency“ für notwendig, schädigende Effekte von Glyphosat auf Monarchfalter-Populationen genauer zu untersuchen und die Gefahren detaillierter zu analysieren, die bei der Ausbringung des Herbizids durch Verwehungen auf teilweise weit entfernte Ackerflächen drohen. Den KlägerInnen – unter anderem die Organisationen „Center for Food Safety“ (CFS), „Farmworker Association of Florida“ und „Beyond Pesticides“ – geht die Umweltbehörde in ihrem Antrag nicht weit genug. Sie verlangen von der Agency, auch die von der Agro-Chemikalie ausgehenden Gefährdungen für die menschliche Gesundheit nochmals in Augenschein zu nehmen. Dazu zitierten sie aus einer im Giftschrank verschwundenen EPA-internen Untersuchung, die „überzeugende Belege“ für einen Zusammenhang zwischen einer Glyphosat-Exposition und der Entstehung des Non-Hodgkin-Lymphoms, einer speziellen Art des Lymphdrüsen-Krebses, fand. Zudem fordern CFS & Co. die „Environment Protection Agency“ auf, die Glyphosat-Zulassung für die Zeit der Neubewertung auszusetzen.

VCI kritisiert GDL
Der „Verband der Chemischen Industrie“ mischte sich in den Tarifstreit zwischen der DEUTSCHEN BAHN und der Gewerkschaft GDL ein. „Die Streiks der GDL kommen zur Unzeit. Denn sie verstärken die derzeitigen Engpässe in den Lieferketten“, erklärte die Interessensvertretung von BAYER & Co. Dem VCI zufolge verzögern die Arbeitsniederlegungen auch die Auslieferung der Produkte an die Kundschaft. Im Zuge des Streiks fand der Verband sogar einmal Gelegenheit, an den Klimaschutz zu denken und dabei dichterische Höhen zu erklimmen: „Mit dem neuen Ausstand wird der klima-politisch sinnvollen Verlagerung von der Straße auf die Schiene ein Prellbock aufs Gleis gestellt.“

DRUGS & PILLS

BAYER kauft VIVIDION
Im Pharma-Bereich setzt BAYER kaum noch auf Entwicklungen aus den eigenen Forschungsabteilungen. Der Konzern geht lieber auf Nummer sicher und kauft vielversprechende Unternehmen auf. So erwarb er im August 2021 die US-Firma VIVIDION für 1,5 Milliarden Dollar. Zusätzlich stellte der Global Player noch Erfolgsprämien bis zu einer Höhe von 500 Millionen Dollar in Aussicht. VIVIDION hat eine Technologie entwickelt, um krankheitserregende Proteine aufzuspüren, an die bisher nicht heranzukommen war. „Trotz der Fortschritte in der Genomik, der Struktur-Biologie und dem Hochdurchsatz-Screening können etwa 90 % der krankheitserregenden Proteine nicht mit den derzeitigen Therapien angesprochen werden, da es keine bekannte adressierbare Bindungsstelle gibt. Unsere firmen-eigene Chemoproteomik-Plattform überwindet die wesentlichsten Einschränkungen konventioneller Screening-Verfahren und ermöglicht uns, bisher unbekannte oder verborgene funktionelle Taschen auf der Oberfläche von Proteinen zu entdecken und niedermolekulare Wirkstoffe zu identifizieren, die sich selektiv an diese Targets binden“, so VIVIDION-Chef Jeff Hatfield. Der Leverkusener Multi erhofft sich von dieser Plattform Durchbrüche bei der Entwicklung von Pharmazeutika gegen Krebs, immunologische Erkrankungen und Reizdarm. In ihre Pillen-Sparte integrieren will die Aktien-Gesellschaft VIVIDION vorerst nicht. Sie lässt den Zukauf – wie schon ihre letzte große Akquisition ASKBIO – weiter selbstständig operieren, „um den Unternehmer-Geist als wesentliche Grundlage für erfolgreiche Innovation beizubehalten“.

China lässt VITRAKVI-Test zu
Im Jahr 2018 erwarb BAYER von LOXO die Vertriebsrechte für das Pharmazeutikum VITRAKVI (Wirkstoff: Larotrectinib). Das Mittel kommt bei einer Art von Krebs zur Anwendung, die durch ein Zusammenwachsen bestimmter Gene entsteht und äußerst selten auftritt. Allerdings ist es schwierig, diese Mutation zu erkennen. Deshalb arbeitet der Pharma-Riese mit mehreren Firmen zusammen, um Tests zu kreieren, welche die Gen-Fusionen nachweisen. ORIGIMED entwickelte ein solches Diagnose-Werkzeug, das im August 2021 seine Zulassung für den chinesischen Markt erhielt. Damit eröffnen sich dem Leverkusener Multi glänzende Profit-Aussichten. Bereits existierende Tests schlagen nämlich mit bis zu 5.000 Dollar zu Buche. Darum investierte das Unternehmen bereits vor zwei Jahren 70 Millionen Dollar in die Kampagne „Test your Cancer“ (siehe auch Ticker 4/19).

Zahlreiche XARELTO-Nebenwirkungen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO löst immer wieder schwere Gesundheitsstörungen aus. 120.694 Meldungen über gravierende Nebenwirkungen gingen bis zum 20. September 2021 bei der Europäischen Datenbank für unerwünschte Arzneimittel-Effekte ein.

Neue XARELTO-Indikation
Nach der EU erteilten nun auch die USA BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) trotz vieler Risiken und Nebenwirkungen (s. o.) die Zulassung zur Herzinfarkt- und Thrombose-Prophylaxe bei PatientInnen, die unter der arteriellen Verschluss-Krankheit leiden.

Neue MIRENA-Zulassung
BAYERs Langzeit-Verhütungsmittel MIRENA hat Nebenwirkungen wie nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen, Unruhe, Schlaflosigkeit, Bauchkrämpfe und Oberbauchschmerzen. Deshalb sah sich der Leverkusener Multi in den Vereinigten Staaten bereits mit fast 3.000 Klagen konfrontiert, die zu Entschädigungszahlungen in Millionen-Höhe führten. Trotzdem erteilte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde dem Pharma-Riesen jetzt die Genehmigung, die Hormon-Spirale in einer Variation zu vermarkten, die nicht mehr nur sechs, sondern sieben Jahre vor einer ungewollten Schwangerschaft schützt.

BAYER testet mit VERACYTE
Der BAYER-Konzern hat seltene Krebs-Arten als Geschäftsfeld entdeckt. Um die „Präzisionsonkologie“ aber erfolgreich betreiben zu können, bedarf es Diagnose-Apparaturen, die diese speziellen Tumore identifizieren (s. o.). Eine solche entwickelte das US-Unternehmen VERACYTE, mit dem der Leverkusener Multi deshalb im Dezember 2020 eine Zusammenarbeit vereinbart hat. Die Zielgruppe der Tests sind dem Leverkusener Multi zufolge PatientInnen mit einer veränderten Form von Schilddrüsen-Krebs, die nicht auf eine Bestrahlung mit radioaktivem Jod ansprechen. Und natürlich hat der Pharma-Riese für diese Personen-Gruppe dann das passende Medikament im Angebot.

Infarkt-Prophylaxe mit ASPIRIN
Unermüdlich preist der BAYER-Konzern ASPIRIN als Mittel zur Vorbeugung vor Herz/Kreislauferkrankungen an. Bei Menschen, die schon einmal einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erlitten hatten, sehen die MedizinerInnen das durchaus auch als sinnvoll an. Aber die Konzern-Propaganda verfängt nicht nur bei solchen Personen. Rund ein Drittel der Bevölkerung über 40 schluckt die Tabletten mit dem Inhaltsstoff Acetylsalicylsäure (ASS) regelmäßig und setzt sich damit gefährlichen Nebenwirkungen aus. „Was viele nicht bedenken: Auch geringe Mengen ASS wirken blutverdünnend oder können Blutungen hervorrufen“, warnt der Kardiologe Thomas Meinertz deshalb.

Viele Gadolinium-Risiken
BAYERs Röntgen-Kontrastmittel haben es in sich. Bei ihren Inhaltsstoffen handelt es sich nämlich um Abkömmlinge des Schwermetalls Gadolinium. GADOVIST enthält Gadobutrol, PRIMOVIST Gadoxet-Säure und MAGNEVIST Gadopentent-Säure. Diese Substanzen vermögen bei Nierenkranken eine Fibrose auszulösen, ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes. Zu den anderen in der Fachliteratur beschriebenen Risiken und Nebenwirkungen gehören Herzrhythmus-Störungen, Muskel-Zuckungen, Blutdruck-Schwankungen und Leberschäden. Die Darreichungsform der Mittel, bei welcher der Wirkstoff in einer leichter auflösbaren Form vorliegt, mussten die Hersteller deshalb bereits im Jahr 2018 aus dem Verkehr ziehen. Parallel dazu veranlassten die Gesundheitsbehörden BAYER & Co. damals, die MedizinerInnen in einem Rote-Hand-Brief vor einem allzu leichtfertigen Umgang mit den Pharmazeutika zu warnen. „Ärzte sollten gadolinium-haltige Kontrastmittel nur dann anwenden, wenn essenzielle diagnostische Informationen mit einer Magnetresonanz-Tomographie ohne Kontrast-Verstärkung nicht gewonnen werden können“, hieß es darin unter anderem. Aber das „Bundesinstitut für Arzneimittel-Produkte“ (BfArM) sieht noch weiteren Handlungsbedarf. So verpflichtete es BAYER & Co., künftig alle zwölf Monate einen Sicherheitsbericht zu den Präparaten vorzulegen – bisher hatten sie dazu fünf Jahre Zeit. „Das BfArM nimmt die Sorgen und Nöte der betroffenen Patienten sehr ernst“, erklärte die Einrichtung und kündigte überdies an, „auch weiterhin risiko-minimierende Maßnahmen im Sinne der Anwendungs- und Patienten-Sicherheit auf europäischer Ebene einbringen, fachlich diskutieren und ggf. auch durchsetzen“ zu wollen.

Kontrazeptiva: Appell an ÄrztInnen
Kombinierte hormonale Kontrazeptiva (KHK) der dritten und vierten Generation wie die Präparate aus BAYERs YASMIN-Produktreihe stehen seit Jahren wegen des von ihnen ausgehenden erhöhten Thrombose-Risikos in der Kritik. Während sich unter YASMIN, YAZ, YASMINELLE & Co. bei 9 bis 12 von 10.000 Frauen ein Blutgerinnsel bildet, kommt es bei älteren Arzneien mit den Wirkstoffen Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat nur bei 5 bis 7 von 10.000 Frauen dazu. Darum richteten das „Bundesinstitut für Arzneimittel-Produkte“ und das „Paul-Ehrlich-Institut“ in ihrem Bulletin zur Arzneimittel-Sicherheit jetzt noch einmal einen eindringlichen Appell an die MedizinerInnen, die Verhütungsmittel mit den am wenigsten gefährlichen Inhaltsstoffen zu verschreiben. „Wir bitten Sie, diese Informationen und Empfehlungen, insbesondere die Verordnung der KHK mit dem geringsten Risiko für venöse Thromboembolien (...), bei der Beratung und Anwendung zu berücksichtigen und uns Nebenwirkungen bei der Anwendung zu melden“, hieß es in der Publikation.

Kein TTP durch CIPROBAY
Antibiotika mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY können zahlreiche Gesundheitsschädigungen verursachen (siehe auch SWB 3/18). Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Darüber hin-aus zählen Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen zu den Risiken und Nebenwirkungen. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachteten die MedizinerInnen schon. Da sich in letzter Zeit zudem Meldungen über das Entstehen von kleinen, sich im gesamten Körper ausbreitenden Blutgerinnseln nach der Einnahme der Präparate häuften, leitete die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ (EMA) ein Prüfverfahren ein. Dieses bestätigte den Verdacht jedoch nicht. Darum müssen BAYER & Co. die Warnhinweise auf den Beipackzetteln nicht ändern.

Parkinson-Therapie im Test
In den USA haben haben mehrere klinische Prüfungen mit Parkinson-Behandlungsverfahren der BAYER-Tochter ASKBIO begonnen (siehe auch GENE & KLONE). Die Beschwerden der PatientInnen, deren Organismus der Neurotransmitter Dopamin fehlt, was zu Symptomen wie Zittern, Krämpfen und Steifheit führt, will der Leverkusener Multi unter anderem mit einer Zelltherapie lindern. So implantierten MedizinerInnen den Kranken etwa Neuronen, die aus pluripotenten Stammzellen gewonnenes Dopamin enthalten, um eine Verbesserung ihres Gesundheitszustands zu erreichen.

BITS & BYTES

Immer mehr digitale Landwirtschaft
Die Digitale Landwirtschaft sammelt mit Hilfe von Drohnen, Sensoren und Satelliten-Bildern Informationen über das Wetter, die Bodenbeschaffenheit, Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten. BAYER hat dazu das Tool „FieldView“ im Angebot und preist es den FarmerInnen mit einigem Erfolg als probates Mittel an, um „Risiken aktiv zu managen, die Produktivität zu steigern und Betriebsabläufe zu vereinfachen“. Kam die Plattform im Jahr 2018 auf einer Fläche von 24 Millionen Hektar zum Einsatz, so waren es 2020 bereits 60 Millionen Hektar. Vor allem Großbauern und -bäuerinnen in rund 20 Ländern der Erde mit entsprechend viel Kapital nutzen die Technologie. Jüngst brachte BAYERs Digital-Tochter CLIMATE CORPORATION „FieldView“ auch in Südafrika auf den Markt. Dabei versichert der Konzern seinen KundInnen stets „die volle Kontrolle über ihre Daten“. Wie wenig solche Beteuerungen wert sind, zeigte im Frühjahr 2020 ein Vorfall in den USA. Dort ging die CLIMATE CORPORATION eine Partnerschaft mit der Firma TILLABLE ein, die eine Handelsplattform für Ackergrund betreibt. Bereits unmittelbar nach der Vereinbarung der Kooperation erhielten LandwirtInnen dann unmoralische Angebote für ihr Farmland. Das warf Fragen nach der Daten-Sicherheit von FIELDVIEW auf und trug BAYER einen massiven Shitstorm ein. Schließlich war der Agro-Riese gezwungen, den Vertrag mit TILLABLE zu kündigen.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat-Studien mangelhaft
Der Wiener Toxikologe Siegfried Knasmüller hat große Mängel in den Glyphosat-Studien festgestellt, die im Jahr 2017 zur Zulassungsverlängerung des Herbizids innerhalb der EU führten. Als „ein Desaster“ bezeichnete er die von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO und anderen Herstellern eingereichten Untersuchungen gegenüber dem Spiegel. Von den 53 Arbeiten, die der Forscher analysierte, sieht er nur zwei als zuverlässig an und 17 als „teilweise zuverlässig“, 34 hingegen als „nicht zuverlässig“. So finden sich unter den Werken, welche die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA nach einer Klage der Initiative SumOfUs herausrücken musste, laut Knasmüller kaum wirkliche Krebs-Studien. Die meisten widmen sich der potenziellen Gen-Toxizität von Glyphosat, was lediglich Hinweise auf eine karzinogene Wirkung gibt. Noch dazu hat die Industrie diese Tests vornehmlich am falschen Objekt vorgenommen. Sie wählte Knochenmark-Zellen, die viel weniger Aufschluss über eine mögliche Krebs-Gefahr geben als Leberzellen. Zudem kam bei keiner einzigen der Arbeiten die „Comet Assay“-Technik zur Anwendung, die einen genaueren Aufschluss über DNA-Schädigungen gibt. Damit nicht genug, entdeckte der Wissenschaftler in den Versuchsreihen auch noch methodische Mängel wie die Verwendung einer zu geringen Zahl von Zellen oder Bakterien-Stämmen. Das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung (BfR), das während des Genehmigungsverfahrens die Federführung bei der Begutachtung innehatte, stützte sich bei seinem positiven Glyphosat-Urteil auf 45 der von Knasmüller inkriminierten Studien. „Wie derart fehlerhafte Berichte von Zulassungsbehörden wie dem BfR akzeptiert werden konnten, ist mir ein völliges Rätsel“, wundert sich der Toxikologe deshalb. Für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zeigte dessen Befund einmal mehr, dass Handlungsbedarf in Sachen „Glyphosat“ besteht. „Glyphosat muss endlich vom Markt! BAYER muss haften! Die Opfer müssen entschädigt werden! Die Verantwortlichen gehören hinter Gitter!“, hieß es in ihrer Presseerklärung.

Flächendeckender Glyphosat-Einsatz
In den USA beläuft sich der jährliche Glyphosat-Einsatz nach Angaben der Agrar-Wissenschaftlerin Maria R. Finckh auf ein Kilogramm pro Hektar.

Glyphosat macht resistent
Die Patentschrift bescheinigt Glyphosat auch eine Wirkung als Antibiotikum. Das bringt jede Menge Nebenwirkungen mit sich. So wirbelt dieser Effekt den Bakterien-Haushalt im Darm von Kühen und Bienen durcheinander, was die Tiere anfälliger für Krankheiten werden lässt. Zudem sorgt er für die Ausbreitung von Resistenzen. Die Forscherin Ariena von Bruggen fand schon Zitrusfrüchte, die nicht mehr auf Antibiotika reagieren, weil sie eine Überdosis Glyphosat intus hatten. Über die Nahrungskette kann sich diese Unempfindlichkeit auch auf den Menschen übertragen, was große Gesundheitsrisiken birgt. Die Agrar-Wissenschaftlerin Maria R. Finckh (s. o.) warnt deshalb: „Meiner Meinung nach darf man nicht allein Tierhalter und Kliniken für hohe Antibiotika-Einträge in die Umwelt und die Entstehung multiresistenter Keime verantwortlich machen. Schuld an der Resistenz-Entwicklung ist auch die Tatsache, dass mit behördlicher Genehmigung flächendeckend und in großen Mengen Glyphosat eingesetzt wird.“

Glyphosat verseucht Wälder
Die Inwertsetzung von Wäldern macht aus diesen simple Holz-Plantagen. Oftmals bestehen die Areale aus Fichten- und Tannen-Monokulturen, da diese Bäume schnell wachsen und dementsprechend schnell zu Geld zu machen sind. Damit neben diesen Pflanzungen nichts anderes aus dem Boden sprießt, kommt in der kanadischen Provinz British Columbia per Flugzeug ausgebrachtes Glyphosat zum Einsatz. Auf einer Fläche von bis zu 1,3 Millionen Hektar geht das Herbizid nieder. Mit entsprechenden Folgen, wie jetzt WissenschaftlerInnen der „University of Northern British Columbia“ zeigten. Das Team um Nicole Botten wies in Himbeeren und Heidelbeeren Glyphosat-Rückstände nach, die sich – entgegen den Behauptungen BAYERs – bis zu ein Jahr hielten. In anderen Gewächsen überdauerte das Mittel sogar bis zu zwölf Jahre. Besonders Indigene, die in den Forsten Früchte oder Heilkräuter sammeln, leiden dem Journalisten Peter Ewart zufolge unter den Kontaminationen.

Glyphosat-Teilrückzug ab 2023
Ende Mai 2021 hatte der BAYER-Konzern die Vergleichsverhandlungen in Sachen „Glyphosat“ platzen lassen (siehe SWB 3/21). Nach der Ablehnung seines Vorschlages zur Beendigung der juristischen Auseinandersetzungen durch den zuständigen Richter Vince Chhabria mochte der Agro-Riese keinen neuen – mit Nachbesserungen vor allem im Umgang mit Klagen von neuen Geschädigten – mehr vorlegen. Stattdessen präsentierte er einen „Fünf-Punkte-Plan“. Dieser sieht auch einen Vermarktungsstopp des Herbizids für den Haus- und Gartensektor in den Vereinigten Staaten vor, denn die meisten Entschädigungsansprüche stammen von Privat-KundInnen. Ein Schuldeingeständnis sieht der Leverkusener Multi damit allerdings nicht verbunden. „Dieser Schritt ist ausschließlich der Minimierung von Rechtsrisiken geschuldet und reflektiert in keinerlei Hinsicht etwaige Sicherheitsbedenken“, erklärte er. Ende Juli nannte das Unternehmen schließlich ein konkretes Datum für den Ausstieg. Ab 2023 beabsichtigt er, die Produkte durch Erzeugnisse mit anderen Wirkstoffen zu ersetzen.

Viele Ultra-Gifte im BAYER-Portfolio
In BAYERs Produkt-Palette finden sich viele besonders gefährliche Pestizide, so genannte highly hazardous pesticides (HHPs). Unter diese Kategorie fallen Ackergifte, die Krebs verursachen, die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen, das Erbgut verändern, hormon-ähnlich wirken, bienengefährlich sind und/oder die Ozonschicht schädigen. Der Anteil solcher Agro-Chemikalien im Angebot des Leverkusener Multis beträgt 36,7 Prozent (Stand: 2019).

50 Notfall-Zulassungen
„Wenn eine Gefahr anders nicht abzuwehren ist, kann das ‚Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit’ kurzfristig das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels für eine begrenzte und kontrollierte Verwendung und für maximal 120 Tage zulassen“, heißt es auf der Webpage der Behörde. Im Jahr 2019 erteilte das BMEL 50 Mal die Lizenz zur Ausbringung eines eigentlich schon verbotenen Pestizids. So durften die bundesdeutschen LandwirtInnen etwa BAYERs MOVENTO SC 100 (Wirkstoff: Spirotetramat) und CERONE (Ethephon) wieder einsetzen.

Neue HUSKIE-Formulierung
Der BAYER-Konzern bringt ein neues Herbizid aus seiner HUSKIE-Produktfamilie heraus. HUSKIE FX enthält die drei Wirkstoffe Pyrasulfotole, Bromoxynil und Fluoxypyr, ist für Getreide-Kulturen bestimmt und macht unter anderem dem Besenkraut den Garaus.

Mehr Gift trotz Gentechnik
Die Gentechnik führt zu einer Reduzierung des Pestizid-Gebrauchs – mit diesem Versprechen bewerben BAYER & Co. ihre Labor-Kreationen. Unzählige Studien haben das mittlerweile widerlegt. Eine neue Untersuchung der Universität Koblenz für Herbizide bestätigt den Befund nun noch einmal. Die WissenschaftlerInnen ermittelten für die „ausgebrachte Toxizität“ auf US-amerikanischen Gensoja- und Genmais-Feldern in den letzten Jahren stark erhöhte Werte.

Veränderungen im Insektizid-Gebrauch
Nach einer Untersuchung der Universität Koblenz (s. o.) nahm die Gesamtmenge der ausgebrachten Insektizide in den USA von 1992 bis 2016 um 40 Prozent ab. Sonderlich erfreulich ist das trotzdem nicht, denn gleichzeitig erhöhte sich die Wirkstärke der Mittel. Darunter litten vor allem wirbellose Tiere wie Insekten, während sich die Vogel- und Fisch-Populationen durch die Entwicklung etwas erholen konnten.

PFLANZEN & SAATEN

Vier neue Mais-Sorten
Das Bundessortenamt hat vier neuen Mais-Arten der BAYER-Tochter DEKALB zugelassen. Bei den Produkten DKC 3410, DKC 3414, DKC 3418 und DKC 3419 handelt sich um hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Ackerfrüchte. Der Leverkusener Multi hebt besonders das hohe Ertragspotenzial der Pflanzen hervor und empfiehlt als Verwendungszweck vornehmlich „Tierfutter“ und „Biogas-Produktion“.

GENE & KLONE

Übergriffige Bt-Baumwolle
Die Baumwolle von BAYER und anderen Herstellern, die mittels eines gentechnischen Verfahrens mit dem Bacillus thuringiensis zum Schutz vor Schadinsekten bestückt ist, kreuzt immer mehr aus. In Mexiko finden sich schon in 60 Prozent aller konventionellen Baumwoll-Pflanzen Spuren der Laborfrucht. Und das verändert den Organismus der Gewächse. So wirken sich die Fremdgene etwa auf die Menge des Nektars aus, den die wilden Arten zur Abwehr von Ameisen produzieren.

Immer mehr Bt-Resistenzen
Immer mehr Schadinsekten bilden Resistenzen gegen die mit dem Bacillus thuringiensis (Bt) bestückten Gen-Pflanzen von BAYER & Co. aus. In China kann das Bt dem Baumwollkapsel-Wurm nicht mehr trotzen und in Brasilien der Weißen Fliege, auf die das Gift des Bakteriums inzwischen sogar fruchtbarkeitsfördernd wirkt.

BAYERs RNAi-Mais
Der BAYER-Konzern setzt massiv auf die Gentechnik 2.0. Rund 100 Patent-Anträge hat er in diesem Bereich schon beim Europäischen Patentamt eingereicht und bis jetzt sieben positive Bescheide erhalten. 2022 startet der Leverkusener Multi in den USA nun mit der Vermarktung der ersten Pflanze, in der eine der neuen Prozeduren zur Anwendung kommt. Dabei handelt es sich um einen Mais der SMARTSTAX-PRO-Produktreihe (siehe auch Ticker 3/21), der die Ribonukleinsäure-Interferenz (RNAi) gegen den Maiswurzelbohrer in Anschlag bringt. Das Verfahren basiert auf der RNA des für das Schadinsekt überlebenswichtigen Gens SNF7. Das Tier nimmt es beim Knabbern an der Pflanze auf und hält es wegen seiner doppelsträngigen Struktur für einen Virus, womit der Prozess der Selbstzerstörung beginnt. Allerdings hat die RNA ein Manko, sie ist – was die Umwelt freut und den Leverkusener Multi ärgert – biologisch leicht abbaubar. Deshalb hält sich seine Wirkung in Grenzen. Die Nebenwirkungen können sich jedoch schon sehen lassen. Die Ribonukleinsäure kann mit der Darmflora von Mensch und Tier interagieren, in den Blutkreislauf gelangen und sogar in die Steuerung von Genen eingreifen. Das ficht den Agro-Riesen jedoch nicht an. Seine ForscherInnen arbeiten zurzeit daran, die RNAi-Effekte mittels Hilfsstoffen zur verstärken, aber bis es so weit ist, bestücken sie die SMARTSTAX-Ackerfrüchte noch mit den üblichen Accessoirs aus der Gentech-Küche: Dem Bacillus thuringiensis (Bt) und/oder Resistenzen gegen Glyphosat und Glufosinat.

Mehr Maiskörner dank Gentech 2.0
WissenschaftlerInnen der Universität Harvard haben vor einiger Zeit eine neue Gentechnologie entwickelt. Bei dem sogenannten Base Editing handelt es sich um eine Art Genome Editing ohne Editing. Die Ziel-DNA wird nicht mehr aufgeschnitten, sie fusioniert vielmehr mit dem Protein, das die gewünschte Gen-Veränderung bewirkt – eine angeblich präzisere Methode als das Gen-Schnippeln mit CRISPR/Cas & Co. Die US-Firma PAIRWISE hat von der Hochschule eine Lizenz zum Gebrauch des Verfahrens erworben, und auch der BAYER-Konzern hat darauf Zugriff. Er schloss mit PAIRWISE nämlich im Jahr 2018 einen millionen-schweren Kooperationsvertrag ab. Die erste Frucht dieser Zusammenarbeit hat gerade die Phase 1 des Feldversuchs erfolgreich absolviert: Ein Mais mit mehr Körnern, um die „Effizienz der Ernte zu steigern“. In diesem Ziel weiß sich der Agro-Riese immer mit der industriellen Landwirtschaft einig, denn Profit-Interesse verbindet.

Weizenzucht 2.0
Die Gentechnik führt zu einer Reduzierung des Pestizid-Gebrauchs – dieses Versprechen, das die alten Verfahren nicht halten konnten (siehe auch AGRO & CHEMIE), geben BAYER & Co. jetzt auch für die Gentechnik 2.0 ab. So will der Leverkusener Multi gemeinsam mit mehr als 50 weiteren Unternehmen im Rahmen des Forschungsprojekts PILTON einen Weizen kreieren, der dem Pilz-Befall besser trotzt und deshalb nicht so viele Fungizid-Duschen benötigt.

Gefahr durch CRISPR/Cas
BAYER setzt sowohl im Pharma- als auch im Agro-Bereich stark auf die „Gentechnik 2.0“. Einen Schwerpunkt bildet dabei die CRISPR/Cas-Technologie (s. o.). Das Verfahren bedient sich eines Abwehr-Mechanismus’ von Bakterien zum Aufspüren von Fremd-DNA, um bestimmte Gen-Abschnitte anzusteuern, und nutzt dann das Cas-Enzym zur Auftrennung der Genom-Sequenz. Anschließend setzt CRISPR/Cas entweder mitgeführte neue Erbgut-Stränge ein oder bringt die Zellen dazu, per Mutagenese selbst Veränderungsprozesse einzuleiten. So weit die Theorie: In der Praxis geht das alles längst nicht immer so glatt. So führte der Versuch, mittels CRISPR/Cas defekte Embryo-Zellen zu reparieren, zu einem Verschwinden ebendieser, wie eine im Dezember 2020 in der Zeitschrift Cell veröffentlichte Studie dokumentierte. Zudem schnippelte die Genschere nicht nur an dem eigentlich vorgesehenen Ort, sondern tat sich auch in der Umgebung um. Die ForscherInnen rieten deshalb dringend davon ab, diese Technologie weiter an Embryonen zum Einsatz kommen zu lassen. Unbeabsichtigte Gen-Veränderungen nach einer CRISPR-Behandlung fanden WissenschaftlerInnen auch in Mäusen (BMC Genomics 21, S. 856). Bei der Verwendung dieser Gen-Schere zur Krebs-Behandlung gab es ebenfalls schon Komplikationen. Während eines Klinischen Versuchs mit 86 ProbandInnen in China traten bei einigen TeilnehmerInnen plötzlich Autoimmun-Krankheiten auf.

Parkinson-Gentherapie
In den USA haben haben meherer klinische Prüfungen mit Parkinson-Behandlungsverfahren der BAYER-Tochter ASKBIO begonnen (siehe auch DRUGS & PILLS). Der Leverkusener Multi will die Beschwerden der PatientInnen, deren Organismus der Neurotransmitter Dopamin fehlt, was zu Symptomen wie Zittern, Krämpfen und Steifheit führt, nicht nur mit einer Zell-, sondern auch mit einer Gentherapie lindern. Bei dieser Behandlungsart transportieren als Fähren genutzte Viren ein Gen in das Gehirn, das eine „Regeneration von Mittelhirn-Neuronen“ anstoßen soll.

IMPERIUM & WELTMACHT

Agrar-Inkasso in Brasilien
In Brasilien haben die Agro-Riesen massive Schwierigkeiten, von den LandwirtInnen Lizenz-Gebühren für ihre gentechnisch manipulierten Pflanzen einzutreiben. Darum taten sich BAYER, BASF, SYNGENTA und CORTEVA nun zusammen. Für den Gensoja-Bereich schufen sie die gemeinsame Plattform CULTIVE BIOTEC, um die Extra-Profite besser abkassieren zu können, die ihnen das Patent-Recht gewährt. Die staatliche Monopol-Kommission CADE segnete die Gründung ab, was auf massive Kritik des SojafarmerInnen-Verbandes Aprosoja stieß. Die Organisation, die rund 240.000 Mitglieder hat, sieht durch CULTIVE den Wettbewerb gefährdet. Sie fürchtet, dass die Plattform das von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO in dem Land etablierte – und von den Bauern und Bäuerinnen sogar vor Gericht angefochtene – harsche Zahlungsmodell nun auch anderen Anbietern zugänglich macht. Als „aggressiv und eindeutig missbräuchlich“ bezeichnet die Interessensvertretung dieses System, das dem Leverkusener Multi viel mehr Geld einbringe als vergleichbare Regelungen in den Nachbarländern.

BAYER verkauft Soja-Fabrik
Der BAYER-Konzern hat sich von seiner Soja-Verarbeitungsanlage im US-amerikanischen Beaman getrennt. Er verkaufte die Produktionsstätte mit einer Jahres-Kapazität von einer Million Einheiten Soja-Saatgut, wobei eine Einheit zehntausende Körner umfasst, an die Firma BECK’S HYBRIDS. Lediglich zehn Belegschaftsangehörige konnten zum neuen Besitzer wechseln.

45 Millionen für SOUND AGRICULTURE
BAYER, SYNGENTA und andere Unternehmen investieren 45 Millionen Dollar in das US-amerikanische Start-up SOUND AGRICULTURE. Die Firma will eine Technologie entwickelt haben, die Kunstdünger ersetzt. Eine Nährstoff-Zufuhr über die Aktivierung von Mikroorganismen im Boden soll es stattdessen richten. Auch hat das Unternehmen nach eigenen Angaben ein Mittel gefunden, um die Züchtung von Pflanzen zu beschleunigen.

STANDORTE & PRODUKTION

Neues Abkommen mit Berkeley
Anfang der 1990er Jahre plante BAYER eine große Erweiterung seines Pharma-Werkes in Berkeley. Dagegen erhob sich allerdings ein breiter Protest. Die CITIZENS OPPOSING POLLUTED ENVIRONMENT fürchteten sich vor allem vor den Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnik. Aber auch die Produktion von Impfstoffen gegen die Pest und andere Erreger für das Pentagon, im Zuge dessen es einmal soger schon zu einer Infektion von mehreren Beschäftigten kam, stieß auf Kritik. Der Leverkusener Multi startete eine große Öffentlichkeitskampagne, die vor allem auf die vielen in Aussicht stehenden neuen Arbeitsplätze verwies, und hatte damit schließlich Erfolg. Allerdings musste er sich auf ein Development Agreement mit der Stadt einlassen und Geld für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung stellen. Nun will der Konzern, der sich mittlerweile zum größten Unternehmen Berkeleys entwickelt hat, weiter wachsen und Produktionsstätten bis zu einer Höhe von 24 Metern errichten. Und abermals macht sich unter den AnwohnerInnen Skepsis breit. Deshalb steht auch ein neues Development Agreement an. In den nächsten 30 Jahren beabsichtigt der Global Player dafür 30 Millionen Dollar bereitzustellen. 60 Prozent des Etats sieht er dabei für Bildungsprogramme wie „hands-on science education“ vor, bei denen als ein nicht ganz unbeabsichtigter Nebeneffekt auch wissenschaftlicher Nachwuchs für seine Labore abfällt. 20 Prozent des Geldes sollen der lokalen Wirtschaft zugutekommen, und weitere 20 Prozent fließen in ein kommunales Wohnungsprogramm. Das reicht dem Bürgermeister Jesse Arreguin allerdings nicht. „Ich glaube, sie können mehr tun“, sagt er. Konzern-Sprecherin Cathy Keck aber schaltete auf stur und brachte flugs andere Standorte für „BAYERs globale Infrastruktur-Dollars“ ins Spiel. Der Manager Drew Johnson zeigte sich ebenfalls unversöhnlich: Die von uns erwünschten Dimensionen erlauben uns, hier unser Geschäft zu betreiben, und wenn das nicht möglich ist, speziell was die Fabrikationsstätten angeht, dann erhalten eben andere BAYER-Standorte das Projekt – so einfach ist das.“

ÖKONOMIE & PROFIT

Winkeljohann: Keine Aufspaltung
Die anhaltend niedrige Notierung der BAYER-Aktie bringt die Finanz-Investoren dazu, die Aufspaltung des Konzerns zu fordern. Das Unternehmen will sich diesem Druck allerdings nicht beugen, wie Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann gegenüber dem Manager Magazin deutlich machte. „Es ist nicht überraschend, dass einige nach vermeintlich einfachen Lösungen rufen, um dem Aktien-Kurs einen schnellen, aber nicht unbedingt nachhaltigen Impuls zu geben. So einfach ist das aber nicht. Im Gegenteil: Die aktuellen Herausforderungen lassen sich vor allem durch eine konsequente Umsetzung der Strategie lösen und nicht durch strukturelle Maßnahmen“, erklärte er.

RECHT & UNBILLIG

Neuer Glyphosat-Prozess
Im Juli 2021 begann in den Vereinigten Staaten der vierte Glyphosat-Prozess. Donnetta Stephens macht das von BAYER unter dem Namen ROUNDUP vertriebene Herbizid für ihr Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) – eine spezielle Art des Lymphdrüsen-Krebses – verantwortlich. Deshalb reichte sie im August 2020 eine Klage auf Schadensersatz ein; 30.000 weitere liegen gegenwärtig noch vor. Wegen des schlechten Gesundheitszustandes der 70-Jährigen beantragten ihre RechtsvertreterInnen, den Fall schnell zu Gericht gehen zu lassen, was der kalifornische „San Bernardino County Superior Court“ auch ermöglichte. „Sie hat das ROUNDUP über 30 Jahre lang verwendet und war ihm stark ausgesetzt“, so Anwalt Fletcher V. Trammell zur Begründung der Entschädigungsansprüche. Andere mögliche Ursachen für die Erkrankung schloss er aus: „In ihrer Familie trat Non-Hodgkin sonst nicht auf.“ Bei den Verhandlungen will der Jurist sich nicht nur auf die in den früheren Verfahren vorgelegten Beweise stützen. Mit dem Onkologen Barry Boyd und der Toxikologin Luoping Zhang, deren im Jahr 2019 veröffentlichte Metastudie zu Glyphosat und NHL einen „zwingenden Zusammenhang“ zwischen der Substanz und der Entstehung des Krebes konstatiert hatte, berief er zwei neue KronzeugInnen gegen das Mittel.

BAYER ruft Supreme Court an
Ende Mai 2021 ließ der BAYER-Konzern die Glyphosat-Vergleichsverhandlungen platzen (siehe SWB 3/21). Nach der Ablehnung seines Vorschlages zur Beendigung der juristischen Auseinandersetzungen durch den zuständigen Richter Vince Chhabria mochte der Agro-Riese keinen weiteren mit Nachbesserungen – vor allem im Umgang mit Klagen von neuen Geschädigten – mehr vorlegen. Stattdessen setzt der Global Player jetzt vor allem darauf, ein Grundsatz-Urteil des Obersten Gerichtshof der USA zu seinen Gunsten in der Sache zu erzwingen, „wodurch die Rechtsstreitigkeiten zu Glyphosat in den USA weitgehend beendet würden“. Dafür sieht er gute Chancen, denn in dem Gremium sitzen keine Geschworenen, die sich seiner Meinung nach nur von ihren Gefühlen leiten ließen, sondern BerufsrichterInnen, noch dazu oft von Trumps Gnaden. Das Unternehmen hält die juristische Auseinandersetzung für eine Bundesangelegenheit, die in die Zuständigkeit des Supreme Courts fällt, weil die „Environment Protection Agency“ (EPA) als Bundesbehörde das Mittel bundesweit zugelassen und ihm Unbedenklichkeit bescheinigt habe. Mitte August 2021 rief der Konzern nun dieses Gericht an und ersuchte es, ein von der Aktien-Gesellschaft als mangelhaft empfundenes Urteil zu überprüfen, das eine untere Instanz in dem Verfahren „Hardeman vs. MONSANTO“ gegen die BAYER-Tochter gefällt hatte. „Die Fehler des Ninth Circuit bedeuten, dass ein Unternehmen für die Vermarktung eines Produkts ohne Krebs-Warnung hart bestraft werden kann, obwohl es nahezu universellen wissenschaftlichen und regulatorischen Konsens darüber gibt, dass das Produkt nicht krebserregend ist und die verantwortliche Bundesbehörde eine solche Warnung sogar verboten hat“, heißt es in dem Antrag. Darüber hinaus hat der Ninth Circuit nach Ansicht des Agro-Riesen ExpertInnen zugelassen, die dieses Etikett nicht verdienten, was „zu unfundierten Aussagen geführt hat“. Ob der Supreme Court den Antrag annimmt und sich mit der Angelegenheit befassen wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Mehr Glyphosat-Rückstellungen
Der BAYER-Konzern will den Fall „Glyphosat“ mit aller Macht vor den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten – den Supreme Court – bringen und dort ein Grundsatz-Urteil zu seinen Gunsten erzwingen (s. o.). Der Leverkusener Multi hat jedoch auch Vorkehrungen für ein Scheitern dieser Strategie und ein „Weiter so“ mit Klagen, Prozessen und Vergleichen getroffen. Allerdings rechnet der Agro-Riese dafür noch einmal mit einem erheblichen finanziellen Mehraufwand. Darum stockte er die Rückstellungen von bisher zwei Milliarden Dollar noch einmal um 4,5 Milliarden Dollar auf. „Wir wollen damit gegenüber unseren Investoren deutlich machen, dass die Risiken des Glyphosat-Rechtsstreits angemessen in der Bilanz abgebildet sind“, erklärte BAYER-Chef Werner Baumann Ende Juli 2021 wenige Tage vor der Veröffentlichung der Geschäftszahlen für das erste Halbjahr.

BAYER verliert Glyphosat-Prozess
Im Mai 2019 hatte ein Geschworenen-Gericht im US-amerikanischen Oakland den Glyphosat-Geschädigten Alberta und Alva Pilliod recht gegeben und die BAYER-Tochter MONSANTO zur Zahlung von insgesamt zwei Milliarden Dollar Strafe und Schmerzengeld verurteilt. Später reduzierte ein Richter die Summe auf 87 Millionen Dollar. Das reichte dem Leverkusener Multi allerdings nicht. Er ging in Berufung – und strich wieder eine Niederlage ein. Im August 2021 bestätigte der „Court of Appeal for California“ die Entscheidung. „MONSANTOS Verhalten zeigte eine rücksichtslose Missachtung der Gesundheit und Sicherheit der vielen ahnungslosen Verbraucher“, befand der Court. Er bescheinigte dem seit 2018 zum Leverkusener Multi gehörenden Unternehmen einen „unnachgiebigen Unwillen, die Öffentlichkeit über die Krebs-Gefahren eines Produkts zu informieren“ und bezeichnete diese Praxis des Unternehmen als notorisch. „Über einen Zeitraum von vielen Jahren hinweg bestand MONSANTOs Verhalten immer wieder aus solchen Aktionen, motiviert durch das Streben nach Verkäufen und Profit“, konstatierten die JuristInnen. Zudem warfen sie dem Konzern vor, „die wissenschaftliche Untersuchung von Glyphosat und ROUNDUP behindert oder verzerrt“ und es versäumt zu haben, „angemessene Studien zu Glyphosat und ROUNDUP durchzuführen“. Auch der neuesten Prozess-Strategie BAYERs erteilte der Richter Winifred Smith eine Abfuhr. Der Agro-Riese will die Justiz der Einzelstaaten ausmanövrieren und den Fall „Glyphosat“ vor den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten bringen (s. o.). Aber der „Court of Appeal“ ließ sich das Verfahren nicht so einfach aus der Hand nehmen und verwies auf die entsprechenden Paragrafen. Dementsprechend enttäuscht zeigte sich der Global Player. „Wir sind mit der Entscheidung des Gerichts nicht einverstanden, da das Urteil weder durch die Beweise in der Verhandlung noch durch das Gesetz gestützt wird“, erklärte er und kündigte an: „MONSANTO wird seine rechtlichen Möglichkeiten in diesem Fall prüfen.“

Neue ESSURE-Sammelklagen
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Sterilisationsmittel, beschäftigt zunehmend die Justiz. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Schmerzen im Unterleib oder anderen Körper-Regionen, Depressionen oder Angstzustände, Kopfschmerzen, Übelkeit, Allergien, Hautausschläge und Haarausfall zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Allein bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA gingen von 2002 bis 2020 fast 64.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte ein. 94 Todesfälle dokumentierten die ÄrztInnen. 39.000 Betroffene zogen in den Vereinigten Staaten vor Gericht. Mit einem Großteil von ihnen schloss der Leverkusener Multi im August 2020 einen Vergleich, der ihn zu einer Zahlung von 1,6 Milliarden Dollar verpflichtete. Damit ist die Akte „ESSURE“ allerdings noch nicht geschlossen. Im November 2020 reichten 200 englische Frauen eine Sammelklage ein und im Juli 2021 300 brasilianische. „Kein Geld der Welt wird kompensieren können, was wir durchgemacht haben und noch durchmachen. Aber wir haben das Recht auf ein bisschen Ruhe, damit wir uns um uns selbst kümmern können“, so eine der Geschädigten. Die Rechtsvertretung der Brasilianerinnen, Engländerinnen sowie der holländischen Betroffenen hat die internationale Kanzlei PGMBM übernommen. Ihr deutscher Partner MANNER SPANGENBERG hat sich direkt an die Leverkusener BAYER-Zentrale gewandt und erwägt eine Klage auf deutschem Boden, sollte es nicht zu einem Vergleich kommen. Der Pharma-Riese begann 2017, den Vertrieb der Spirale einzustellen. Inzwischen bietet er sie in keinem Land der Welt mehr an. Medizinische Bedenken spielten dabei jedoch keine Rolle. „Das Unternehmen steht weiterhin hinter der Wissenschaft, die die Sicherheit und Effizienz von ESSURETM stützt“, erklärte der Konzern. Die Entscheidung zum Vermarktungsstopp beruhte laut BAYER lediglich „auf einem Rückgang der Verkäufe in den vergangenen Jahren und der Schlussfolgerung, dass das ESSURE-Geschäft nicht mehr nachhaltig war“.

BAYER verliert PCB-Prozess
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie. Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheits- und Umweltrisiko dar. Darum ist der BAYER-Konzern mit einer Vielzahl von Schadensersatz-Ansprüchen konfrontiert. Im Juli 2021 gab ein Gericht in Seattle drei LehrerInnen recht, die ihre Gesundheitsprobleme auf ein PCB-kontaminiertes Schulgebäude zurückführten. Zur Zahlung einer Strafe und eines Schmerzensgeldes von insgesamt 185 Millionen Dollar verurteilte es den Leverkusener Multi, der gegen die Entscheidung Berufung einlegte. Mit 200 weiteren KlägerInnen allein von dieser Schule rechnet der Agro-Riese. „Wir sind davon überzeugt, auch in diesen Angelegenheiten gute Argumente zur Verteidigung gegen die erhobenen Ansprüche zu haben und beabsichtigen, uns in diesen Verfahren entschieden zur Wehr zu setzen“, kündigte er an.

Gericht lehnt PCB-Vergleich ab
Die gefährlichen Polychlorierte Biphenyle (PCB) haben auch zahlreiche Gewässer verunreinigt. Weil das die Städte zu umfangreichen und kosten-intensiven Reinigungsarbeiten nötigt, haben rund 2.500 US-amerikanische Kommunen Schadensersatz-Ansprüche gegen die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO geltend gemacht. Diese gründen sich unter anderem auf firmen-eigene Dokumente von MONSANTO, die selbst von Risiken wie „systemischen toxischen Effekten“ sprechen. Einen Produktionsstopp haben die ManagerInnen damals jedoch trotzdem abgelehnt, da es um „zu viel MONSANTO-Gewinn“ ginge. Die BAYER-AnwältInnen arbeiteten in der Sache einen Vergleich aus, der Zahlungen in Höhe von 650 Millionen Dollar vorsieht, aber im November 2020 lehnte ein Gericht den Vorschlag ab und forderte Nachbesserungen. Daneben liegen RichterInnen noch PCB-Klagen der Bundesstaaten Ohio, Pennsylvania, New Hampshire und Oregon vor. Einigungen konnte der Leverkusener Multi hingegen mit New Mexico, Washington und dem Columbia-Destrict erzielen.

Strafe wg. MONSANTO-Listen
Ende Juli 2021 hat die französische Datenschutz-Behörde CNIL die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO zu einer Zahlung von 400.000 Euro verurteilt. Die CNIL sah in der flächendeckenden Bespitzelung von über tausend AktivistInnen, PolitikerInnen, JournalistInnen und WissenschaftlerInnen, welche die PR-Agentur FLEISHMANHILLARD von 2014 bis 2017 im Auftrag des Glyphosat-Produzenten durchführte (siehe SWB 3/19), einen Verstoß gegen die Datenschutz-Bestimmungen. Das Unternehmen hätte die Personen, über die es umfangreiche Akten anlegte, um die Lobby-Arbeit effizienter zu gestalten, informieren müssen, befand die Behörde. Sie gab damit der Beschwerde der Nachrichten-Agentur Agence France-Presse sowie diverser Zeitungen, TV-Kanäle und Radio-Stationen statt. „Die Entscheidung der französischen Datenschutz-Behörde in Sachen ‚MONSANTO-Liste’ ist eine schallende Ohrfeige für die deutschen DatenschützerInnen. Sie dürfen jetzt nicht weiter untätig bleiben und müssen den Vorgang auf Wiedervorlage legen“, forderte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) daraufhin in einer Presseerklärung. Die Coordination hatte sich nach Bekanntwerden des Bespitzelungsskandals an die nordrhein-westfälische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit gewandt, war da aber auf taube Ohren gestoßen. Die NRW-DatenschützerInnen zeigten sich mit den Antworten zufrieden, die der Leverkusener Multi ihnen nach einem Auskunftsersuchen erteilte und betrachteten den Fall damit als erledigt. Nach Ansicht der Behörde handelte es sich bei den Aktivitäten von MONSANTO um ein reines „Media-Monitoring“, bei dem eine „Auswertung der Beiträge mit dem Ziel, eine Person zu bewerten und ihr künftiges Verhalten abzuschätzen“, nicht stattfinde.

Einigung mit NUZIVEEDU
Das indische Gesetz erlaubt es nicht, Saaten, Pflanzen oder Tiere zum geistigen Eigentum von Personen oder Unternehmen zu erklären. Darum erhob die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO in weiser Voraussicht nicht für seine kompletten mit Genen des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückten Laborfrüchte Schutzrechte, sondern nur für den Bacillus selber. Lizenz-Gebühren verlangte der Konzern aber trotzdem. Das indische Unternehmen NUZIVEEDU SEEDS LTD. (NSL) weigerte sich ab 2015 aber, dieses Geld zu zahlen. Es verwies dabei nicht nur auf die Rechtslage, sondern auch auf die nachlassende Wirksamkeit des Bt-Giftes. Daraufhin entspann sich ein langer Rechtsstreit. Im Frühjahr 2021 legten die Kontrahenten ihn bei, ohne dabei Details der Einigung zu offenbaren.

SPORT & MEDAILLEN

Lex Leverkusen in Gefahr
Mit der „50 + 1“-Regel räumte der „Deutsche Fußball-Bund“ (DFB) den Muttervereinen einen dominierenden Einfluss auf die Geschicke der Klubs ein. Unternehmen und InvestorInnen mussten sich hingegen auf einen Geschäftsanteil von höchstens 49 Prozent beschränken. 1999 ließ der DFB jedoch Ausnahmen zu, wenn „ein Rechtsträger seit mehr als 20 Jahren den Fußball-Sport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat“. „Lex Leverkusen“ hieß diese Sonderklausel bald, denn BAYERs Werkself nahm sie zuerst in Anspruch, damit der Chemie-Multi auch im Fußball-Geschäft das Sagen haben kann. Das ist nun allerdings in Gefahr. Das Bundeskartellamt, von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) um eine Einschätzung der „50 + 1“-Regel gebeten, meldete nämlich Bedenken an. Die Bestimmung sei nur unter der Bedingung zu halten, keine Extrawürstchen mehr für Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim bereitzuhalten, so die JuristInnen. „Wenn einigen Clubs größere Möglichkeiten zur Einwerbung von Eigenkapital zur Verfügung stehen als anderen, dürfte dies nicht zur Ausgeglichenheit des sportlichen Wettbewerbs beitragen, sondern ihn eher verzerren“, befanden sie. BAYER 04 & Co. reagierten mit dem Aufsetzen eines Brandbriefs an die DFL. Darin forderten sie „den Bestand der Regel“. Die Vereine zeigten sich zwar bereit, „diese schwierige Situation zielgerichet und mit diplomatischem Geschick zu bewältigen“, aber ihre Kompromiss-Bereitschaft bei der Umgestaltung von „50 + 1“ zeigte Grenzen. Einer Reform der Ausnahme-Regelung wollten sie nur bei einer „Beibehaltung der mit ihr verbundenen Grundideen unter Wahrung des Bestandschutzes für unsere Klubs“ zustimmen. Und ihr Geld darf das auch nicht kosten. „Dass wir finanziell verzichten sollen, kann sicher nicht die Lösung sein, das würden wir notfalls mit juristischen Mitteln sicherstellen müssen“, drohte BAYER-04-Geschäftsführer Fernando Carro. Am liebsten würde er die Regel ganz abschaffen, um mehr Kapital in die Liga zu locken. „Meine persönliche Meinung entspricht meiner liberalen Grundeinstellung: so wenig Regulation wie möglich beziehungsweise nötig“, so Carro. Das DLF-Präsidium kündigte derweil nach einer außerordentlichen Mitgliederversammlung an, bis zum Herbst „kartellrechtskonforme Lösungsansätze“ zu erarbeiten.

[Ticker 03/21] AKTION & KRITIK

CBG Redaktion
BLOCK BAYER in Aktion Der BAYER-Konzern vertreibt in den Ländern der sogenannten Dritten Welt zahlreiche Pestizide, die in der Europäischen Union wegen ihrer Gefährlichkeit keine Zulassung (mehr) haben. Aus Protest dagegen haben AktivistInnen von BLOCK BAYER am 16. April 2021 zwei Verladestationen des Dormagener Chemie-„Parks“ besetzt, wo der Agro-Riese einige dieser Mittel wie z. B. Probineb produziert. „Es ist ein Skandal, dass ein deutscher Konzern im globalen Süden hochgefährliche Pestizide verkauft, die hier verboten sind. Das wollen wir hier deutlich machen und fordern, dass BAYER die Produktion hochtoxischer Pestizide stoppt“, erklärte eine Sprecherin von BLOCK BAYER. Toxic BAYER 256 Seiten stark ist das Schwarzbuch zu BAYER, das der französische Journalist Martin Boudot verfasst hat. Die ganze Geschichte des Leverkusener Multis floss in „Toxic BAYER“ ein; von den Anfängen über die Mittäterschaft im NS-Staat bis hin zum MONSANTO-Deal reicht der Bogen, den Boudot spannt. Dabei stützte er sich nicht zuletzt auf Informationen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), deren konzern-kritische Arbeit in dem Werk dann auch nicht zu kurz kommt. Patent-Krake BAYER BAYER & Co. melden immer mehr Patente auch auf solche Pflanzen an, die nicht mit Hilfe gentechnischer Methoden, sondern mittels konventioneller Verfahren entstanden sind, obwohl die Gesetze das eigentlich verbieten. Dadurch droht die Kontrolle über die gesamte Lebensmittel-Produktion in die Hände der Agro-Riesen zu fallen. Das Netzwerk KEINE PATENTE AUF SAATGUT fordert das Europäische Patentamt deshalb in einer Petition dazu auf, keine solchen Schutzrechte mehr zu erteilen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) unterstützt dieses Anliegen und unterzeichnete den Appell. Insgesamt kamen 196.000 Unterschriften zusammen. Mercosur-Abkommen stoppen! Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt den Handelsvertrag ab, den die EU mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay abschließen will. Dieser droht nämlich das agro-industrielle Modell in diesen Ländern noch einmal voranzutreiben. Und damit steigen auch die Risiken und Nebenwirkungen dieser Wirtschaftsweise wie mehr Monokulturen, mehr Pestizide und Gentechnik, mehr Vertreibungen von Indigenen und weniger Regenwald, denn die Übereinkunft verspricht den lateinamerikanischen Nationen einen erleichterten Zugang zum EU-Markt für ihre Agrar-Güter. Das wiederum erhöht die Absatz-Chancen und damit auch die Produktion – und die Nachfrage nach Glyphosat & Co. Aber BAYER würde nicht nur davon profitieren, sondern auch von den Gegenleistungen, welche die Mercosur-Mitglieder erbringen müssen, haben diese sich doch zur Senkung der Einfuhr-Zölle für Güter aus Europa verpflichtet. Brüssel erwartet durch die Reduktion der Sätze, die bisher für Autos 35 Prozent des Warenwerts, für Chemikalien bis zu 18 Prozent und für Pharmazeutika bis zu 14 Prozent betrugen, Einsparungen von rund vier Milliarden Euro für die EU-Unternehmen. Grund genug also für den Leverkusener Multi, trotz der desaströsen Folgen des Abkommens für Mensch, Tier und Umwelt für eine Unterzeichnung zu streiten. Und Grund genug für die CBG, Mercosur abzulehnen und den entsprechenden Aufruf des SEATTLE TO BRUSSELS NETWORK zu unterzeichnen. Hormongifte stoppen! Viele Pestizide von BAYER wie z. B. ARENA C, BALET oder CONSENTO wirken hormon-ähnlich und zählen deshalb zu den sogenannten endokrinen Disruptoren (EDCs). Diese können den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln und Krankheiten wie Krebs oder Diabetes auslösen. Darum appellierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gemeinsam mit den Gruppen HEJSUPPORT, WOMEN ENGAGE FOR A COMMON FUTURE (WECF) und dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), welche die Initiative gestartet hatten, an die Bundesregierung, endlich zu handeln. „Das Fehlen dringend nötiger politischer Maßnahmen und der offensichtliche Schutz der Interessen einer starken Chemie-Industrie gefährden die Gesundheit jetziger und künftiger Generationen. Hier kann die Politik nicht tatenlos zusehen. Sie hat eine Verantwortung für die BürgerInnen, die sie erfüllen muss“, so Johanna Hausmann von WECF. Glyphosat stoppen! Die kanadische Grünen-Politikerin Jenica Atwin hat eine Initiative zum Stopp von Glyphosat ins Leben gerufen und einen Gesetzesvorschlag ins Parlament eingebracht. „Dieser Erlass ändert den Pest Control Products Act, um die Herstellung, den Besitz, die Handhabung, die Lagerung, den Transport, den Import, den Vertrieb und die Verwendung von Glyphosat zu verbieten“, heißt es in der „Bill C-285“. Dabei ist Atwin bewusst, dass sie einen langen Weg vor sich hat. „Es geht gegen die großen Industrien“, sagt sie: „Es wird eine Menge Hürden geben, aber es ist der Beginn einer Diskussion.“

KAPITAL & ARBEIT

Aufsichtsrat bekommt 19 Prozent mehr Der BAYER-Aufsichtsrat hat sich eine gewaltige Lohn-Erhöhung gegönnt. Die Bezüge steigen im Vergleich zu 2017 um rund 19 Prozent. Der oder die Vorsitzende des Gremiums erhält künftig ein Fix-Gehalt von 480.000 Euro, der oder die Vize-Vorsitzende schlappe 320.000 Euro. Das gemeine Aufsichtsratsmitglied kann auf einen Betrag von bis zu 360.000 Euro kommen, die Sitzungsgelder von 1.500 Euro pro Zusammenkunft noch nicht einmal mitgerechnet. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte die Maßlosigkeit in einem Gegenantrag, den sie zur diesjährigen Hauptversammlung einreichte. „Diese Summen sind der arbeitenden Bevölkerung im Allgemeinen und den BAYER-Beschäftigten im Besonderen nicht zu vermitteln“, hieß es darin. Ohnehin liegen beim Leverkusener Multi Welten zwischen den ManagerInnen-Gehältern und denen der ArbeiterInnen und Angestellten. Nach einer Erhebung der „Hans-Böckler-Stiftung“ lag der Verdienst des BAYER-Vorstandsvorsitzenden im Jahr 2017 um den Faktor 58 über dem Durchschnittslohn der Belegschaft. Angehörige der Leitungsebenen strichen 41 Mal so viel ein und die Vorstandsmitglieder 24 Mal so viel. Auf der Hauptversammlung von 2009 hatte eine Vertreterin des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE die Vorstandsriege auf der Hauptversammlung einmal gefragt, ob sie bereit wäre, die eklatante Lohn-Spreizung erst einmal auf den Faktor 20 zurückzuführen. Sie erhielt jedoch eine schnöde Abfuhr. BAYERs damaliger Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Schneider sprach sich vehement gegen solche „statistischen Grenzen“ aus.

POLITIK & EINFLUSS

NRW will Steuer-Wettbewerb Im Jahr 2012 zog der BAYER-Konzern seine Patent-Abteilung aus Leverkusen ab und verlegte sie nach Monheim, das sich ihm mit der niedrigsten Gewerbesteuer ganz Nordrhein-Westfalens als gute Adresse für eine Briefkasten-Firma empfohlen hatte. Damit trat er einen gnadenlosen Unterbietungswettbewerb los. 2019 gab sich dann auch Leverkusen geschlagen. Die Stadt ließ sie sich in Kamin-Gesprächen auf einen Deal mit BAYER ein. Der Pillen-Produzent sagte die Rückverlagerung von Teil-Gesellschaften zu und erhielt im Gegenzug Hebe-Sätze auf Monheim-Niveau. Mit diesen Tarifen ging die Kommune sogar auf Werbetour und versuchte, Unternehmen aus dem Umland zu akquirieren. Das wiederum nahm die Landes-SPD zum Anlass für eine Kleine Anfrage im Landtag. „Wie will die Landesregierung den Gewerbesteuer-Kannibalismus verhindern?“, wollte sie wissen. Die Antwort lautete zusammengefasst: Gar nicht. Das Land NRW sieht anders als Brandenburg, wo Gemeinden mit hohen Gewerbesteuer-Einnahmen eine Umlage zahlen müssen, keinerlei Anlass, den ruinösen Konkurrenz-Kampf der Städte und Gemeinden um Industrie-Ansiedlungen zu beenden. Es benennt den Grund für die Misere von BAYERs Stammsitz zwar eindeutig: „Der Rückgang in Leverkusen stand in Zusammenhang mit dem vollständigen Verlust der Steuer-Einnahmen von dem bis dahin größten Gewerbesteuer-Zahler infolge der gezielten Verlagerung ausgewählter Geschäftsbereiche dieses Betriebs“, will aber nicht an der Ursache ansetzen. Stattdessen unterstützen CDU und FDP Leverkusen bei der Kapitulation vor dem Kapital bzw. dabei, „den Standort auch im internationalen Vergleich wieder wettbewerbsfähig zu machen und dadurch einerseits Steuer-Erträge ihres größten Gewerbe-Betriebs zurückzuerlangen und andererseits die bereits kommunizierte Abwanderung anderer Großsteuerzahler abzuwenden.“ Für immer virtuelle HVs Schon lange vor Corona hatten BAYER & Co. mit der Abkehr von Präsenz-Hauptversammlungen geliebäugelt, um sich kritische AktionärInnen vom Leib halten zu können. Die Pandemie gab ihnen dann die passende Gelegenheit, ihre AktionärInnen-Treffen online abhalten zu können, was BAYER als erster DAX-Konzern nutzte. Nun will die Politik den Unternehmen die Flucht ins Internet dauerhaft ermöglichen. Im Juni 2021 fasste die Konferenz der JustizministerInnen der Länder einen entsprechenden Beschluss. An das Justizministerium erging der Auftrag, dafür ein Gesetz zu erarbeiten. „Unser Aktienrecht braucht mehr digitalen Schwung“, meinte der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU) und konstatierte: „Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass Hauptversammlungen auch virtuell gut abgehalten werden können.“ Ein bisschen weniger Glyphosat Gegen einen Glyphosat-Stopp vor dem Auslaufen der EU-Zulassung Ende 2023 hatte die Große Koalition sich schon im September 2019 ausgesprochen. Sie gab sich mit einer Minderungsstrategie zufrieden. Für diese ließen sich die PolitikerInnen dann zu allem Übel auch noch Zeit bis kurz vor Toresschluss der Legislatur-Periode. Überdies fielen die Regelungen äußerst bescheiden aus. SPD und CDU verabschiedeten diese im Rahmen des Insektenschutz-Gesetzes. Für Glyphosat sehen die Bestimmungen ein Verbot nur für die Anwendung im Privatbereich und auf öffentlichen Grünflächen vor, die mengenmäßig kaum ins Gewicht fällt. Für das Ausbringen auf Äckern lassen Merkel & Co. hingegen zahlreiche Ausnahmen zu. So darf das Mittel gegen nicht wenige Wildkräuter nach wie vor zum Einsatz kommen. Auch wenn das Pflügen, die Wahl einer geeigneten Fruchtfolge oder eines geeigneten Aussaat-Zeitpunkts nicht möglich ist, bleibt das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid bis 2024 erlaubt. Erst dann erfolgt das Aus – und das auch noch unter Vorbehalt. Wenn die EU Glyphosat bis dahin nämlich nicht aus dem Verkehr zieht, wackelt auch der Beschluss der Bundesregierung. „Sollten sich in diesem Zusammenhang Änderungen der Dauer der Wirkstoff-Genehmigung ergeben, ist das Datum des vollständigen Anwendungsverbots gegebenenfalls anzupassen“, hält die „Pflanzenschutzanwendungsverordnung“ fest. Die anderen Vorgaben zur Handhabung der Ackergifte weisen ebenfalls starke Mängel auf. Sie beschränken sich auf Maßnahmen zur Eindämmung des Insektensterbens in bestimmten Schutzgebieten. Überdies gibt es viele Ausnahme-Tatbestände, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch zunahmen. So sicherten sich die Länder Öffnungsklauseln. Zudem drückte die CDU einen „Erschwernisausgleich Pflanzenschutz“ durch, der den LandwirtInnen den Spritz-Entzug durch Zahlungen in Höhe von 65 Millionen Euro erleichtert.

Lieferketten-Gesetz verabschiedet

Die Lieferketten BAYERS erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi seine Arznei-Grundstoffe zu einem guten Teil aus Indien und China, wo hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt fertigen, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In anderen Branchen kommt es im Zuge der Globalisierung zu ähnlichen Phänomenen. Darum erkannten die Vereinten Nationen bereits im Jahr 2011 Handlungsbedarf und hielten ihre Mitgliedsländer dazu an, Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesregierung sah dabei zunächst davon ab, übermäßigen Druck auf die Konzerne ausüben und setzte auf Freiwilligkeit. Sie hob den Nationalen Aktionsplan (NAP) aus der Taufe und machte sich daran, erst einmal ein Lagebild zu erstellen. Dazu startete die Große Koalition eine Umfrage unter den Betrieben und bat um Informationen darüber, ob – und wenn ja – in welcher Form sie entlang ihrer weltumspannenden Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten. Von den Antworten wollte sie dann ihr weiteres Vorgehen abhängig machen. Der Befund fiel ernüchternd aus. Nur ein Bruchteil der angeschriebenen Firmen antwortete überhaupt, und von diesen genügte bei der Beschaffung kaum eines den sozialen und ökologischen Anforderungen. „Das Ergebnis zeigt eindeutig: Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel“, resümierte Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) und konstatierte: „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen“. Und den bereitete die Politik dann auch vor, was die Industrie-VertreterInnen in Panik versetzte. „Hier wird eine faktische Unmöglichkeit von den Unternehmen verlangt: Sie sollen persönlich für etwas haften, was sie persönlich in unserer globalisierten Welt gar nicht beeinflussen können“, echauffierte sich etwa der damalige Präsident der „Bundesvereinigung der Arbeitgeber-Verbände“ (BDA), Ingo Kramer. In der Folge taten die LobbyistInnen der Industrie alles, um das Schlimmste zu verhindern. Sie mahnten eine Beschränkung des Paragrafen-Werks auf direkte Zulieferer an und lehnten eine Haftungsregelung vehement ab. Schlussendlich konnten sie sich damit durchsetzen. Im jetzigen Paragrafen-Werk fehlt beides. Dem Leverkusener Multi dürfte es daher erspart bleiben, mit einer Klage von solchen InderInnen oder ChinesInnen konfrontiert zu werden, die in den Hot Spots der globalen Pharma-Produktion leben und unter den gesundheitlichen Folgen leiden. Dazu liegen nämlich zu viele Zwischenhändler zwischen BAYER und den Arznei-Produzenten vor Ort. Zudem müssten die Betroffenen in Deutschland noch eine Nichtregierungsorganisation finden, die in ihrem Namen vor Gericht zieht und so eine „Prozess-Standschaft“ wahrnimmt. Eine Möglichkeit, direkt Ansprüche anzumelden, lässt das Lieferketten-Sorgfaltspflichtgesetz den Geschädigten nämlich nicht „Eine Verletzung der Pflichten aus diesem Gesetz begründet keine zivilrechtliche Haftung“, heißt es auf Drängen der Konzerne nun im Paragraf 3, Absatz 3. Milliarden-Amnestie für BAYER & Co. Die in der Strom-Rechnung enthaltene EEG-Umlage gilt der Förderung alternativer Energien. Allerdings tragen nicht alle gleichermaßen zu der Subventionierung von Wind & Co. bei. Der Gesetzgeber hat BAYER und andere Chemie-Firmen wegen ihres hohen Energie-Bedarfs und entsprechend hoher Kosten weitgehend von der Abgabe befreit. Zudem zahlen die Konzerne für die Elektrizität, die sie in ihren eigenen Kraftwerken selbst erzeugen, nichts in den EEG-Topf ein. Das sogenannte Eigenstrom-Privileg entbindet sie davon. Aber den Multis reichte das noch nicht. Sie wollten sich auch bei dem zugekauften Strom vor den EEG-Zahlungen drücken, die sich pro Gigawatt-Stunde auf rund 64.000 Euro belaufen. Dafür bedienten sich die Gesellschaften des „Scheibenpacht-Modells“, das sich schlaue BeraterInnen ausgedacht hatten. Diese entwickelten Verträge, die BAYER, RWE, DAIMLER und andere Global Player von schnöden Strom-Kunden zu Pächtern von Kraftwerk-Anteilen machten – und damit zu Nutznießern des Eigenstrom-Privilegs. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, so der Spiegel, der den Skandal aufdeckte. Darum haben Netzbetreiber wie AMPRION die Unternehmen vor einiger Zeit verklagt. Der Leverkusener Multi, der Betrugsvorwürfe „entschieden“ zurückweist, sah sich mit immensen Nachforderungen konfrontiert und schickte ein Hilfe-Ersuchen nach Berlin. Fast 20 solcher Schreiben von Unternehmen gingen bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein. Und die Briefe zeigten Wirkung. Das Bundeswirtschaftsministerium fügte ins „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ von 2021 den Paragrafen 104 ein, der BAYER & Co. die Möglichkeit einräumt, mit den Übertragungsnetzbetreibern einen Vergleich zu schließen. „Eine Milliarden-Amnestie für Konzerne“ nannte der Spiegel das. Kein Unternehmensstrafrecht „Wir wollen sicherstellen, dass Wirtschaftskriminalität wirksam verfolgt und angemessen geahndet wird. Deshalb regeln wir das Sanktionsrecht für Unternehmen neu“, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Sogar höhere Strafen für Multis planten die Parteien: „Die geltende Bußgeld-Obergrenze von bis zu zehn Millionen Euro ist für kleinere Unternehmen zu hoch und für große Konzerne zu niedrig.“ Und wirklich nahm auch alles seinen parlamentarischen Gang. Mitte 2019 veröffentlichte das Justizministerium erste Vorschläge und im Weiteren zwei ReferentInnen-Entwürfe. Im Juni 2020 kam dann der Gesetzesentwurf der Bundesregierung – und dann nichts mehr. Der Lobby-Druck von BAYER & Co. brachte die CDU zum Umfallen. Sie trug das Vorhaben nicht mehr mit, was Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) erboste: „Das ist ein Bruch des Koalitionsvertrags, für den mir jedes Verständnis fehlt. Das zeigt, wie wenig die CDU aus Skandalen gelernt hat.“ So braucht der Leverkusener Multi auch künftig bei Abrechnungsbetrügereien mit falschen Arznei-Rechnungen (siehe RECHT & UNBILLIG), Preisabsprachen, unlauterer Werbung oder der Vermarktung gefährlicher Produkte die Macht des Gesetzes nicht allzu sehr zu fürchten. Hickhack um Hartwig BAYERs langjähriger Chef-Jurist Roland Hartwig sitzt heute für die AfD im Bundestag. Er gehört zu den vier stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion und hat keine Berühungsängste mit extrem rechten Positionen. So hielt er im Juni 2019 eine Rede beim „Staatspolitischen Kongress“, einer Veranstaltung des von Götz Kubitscheck und Karlheiz Weißmann gegründeten braunen Thinktanks „Institut für Staatspolitik“. Ende 2020 musste Hartwig den Vorsitz der „Arbeitsgruppe VS“ abgeben, welche die Aufgabe hat, die Partei aus dem Visier des Verfassungsschutzes zu bugsieren. Der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen veranlasste seine Ablösung, nachdem der EX-BAYER ihn für die Aussage kritisiert hatte, nicht alle AfDlerInnen stünden auf dem Boden der Verfassung. Auf Initiative Björn Höckes fasste der AfD-Bundesparteitag im Frühjahr 2021 allerdings den Beschluss, den Juristen wieder in Amt und Würden zu bringen. Der Bundesvorstand lehnte das – gegen die Stimmen von Alice Weidel, Tino Chrupalla, Stephan Brandner und Stephan Protschka – jedoch ab.

DRUGS & PILLS

DUOGYNON-Studie erst 2022 Ein hormoneller Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen durch das unter den Namen DUOGYNON und PRIMODOS vertriebene Medizin-Produkt bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Fehlbildungen zur Welt. Geschädigte oder deren Eltern fordern den Leverkusener Multi seit Jahren auf, die Verantwortung dafür zu übernehmen, bislang allerdings vergeblich. „BAYER schließt DUOGYNON als Ursache für Missbildungen aus“, erklärte der Global Player auf der jüngsten Hauptversammlung. Die Bundesregierungen jedweder Couleur sahen ebenfalls keinen Handlungsbedarf. In England hatten die Betroffenen mehr Erfolg. Die Politik gab einen Untersuchungsbericht in Auftrag, der den Behörden zahlreiche Versäumnisse im Umgang mit den Risiken des Medizinprodukts bescheinigte, woraufhin sich der damalige Gesundheitsminister bei den Geschädigten entschuldigte. Auch die zuständigen Stellen in der Bundesrepublik versagten. So stand der damals im Bundesgesundheitamt zuständige Referatsleiter Klaus-Wolf von Eickstedt früher selbst in Diensten SCHERINGs und tat in alter Verbundenheit alles dafür, das Mittel auf dem Markt zu halten. Genau diese Machenschaften soll jetzt eine Untersuchung aufklären. Gesundheitsminister Jens Spahn kündigte eine solche bereits im September 2020 an. Geschehen ist bisher jedoch noch nichts. Darum hakten Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage nach. Zurzeit laufe die Auftragsvergabe, antwortete die Bundesregierung. Die Veröffentlichung der Arbeit kündigte sie für das Frühjahr 2022 an. Die Betroffenen bezog das Gesundheitsministerium bei der Konzeption des Studien-Designs jedoch nicht ein. Das stieß ebenso auf die Kritik der Initiative NETZWERK DUOGYNON wie die Wahl eines geheimen Ausschreibungsverfahrens. ASTEPRO ohne Rezept Nach Meinung vieler ExpertInnen müsste die Rezeptpflicht für viel mehr Medikamente gelten. Nicht wenige der Pharmazeutika, die frei in der Apotheke erhältlich sind, haben nämlich starke Nebenwirkungen und verlangen einen sorgsamen Umgang. Dazu zählen etwa das Schmerzpräparat ASPIRIN oder die Magenarzneien ANTRA und IBEROGAST aus dem Hause BAYER. Die Pharma-Multis versuchen hingegen mit allen Mitteln, den Menschen immer mehr ihrer Produkte auch ohne eine Verschreibung zugänglich zu machen, um den Absatz zu erhöhen. So setzte der Leverkusener Multi das Thema bereits einmal auf die Agenda seiner regelmäßigen Lobby-Runden in Berlin, den „Politik-Lunches“. Mit einem natürlich eindeutigen Ergebnis: „Die Referenten sprachen sich dafür aus, dass die Rahmenbedingungen für einen OTC-Switch (Wechsel von der Verschreibungspflicht zum rezeptfreien Arzneimittel) in Deutschland optimiert werden können.“ Auch in Australien ist da dem Unternehmen zufolge noch Luft nach oben, denn die Aufsichtsbehörden des Landes lehnten einen OTC-Switch seines Potenzmittels LEVITRA ab. Aber dafür konnte der Konzern in den USA jüngst einen Erfolg verbuchen. Für sein Antihistaminikum ASTEPRO, ein Nasenspray für AllergikerInnen, ist künftig keine ärztliche Verordnung mehr nötig. CIPROBAY schädigt Herzklappen Antibiotika mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY können zahlreiche Gesundheitsschädigungen auslösen (siehe auch SWB 3/18). Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Darüber hinaus zählen Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen zu den Risiken und Nebenwirkungen. Aorten-Aneurysmen und -Dissektionen – krankhafte Ausweitungen der Hauptschlagader verbunden mit der lebensbedrohlichen Gefahr eines Risses – traten ebenfalls bereits auf. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen schon. Und jetzt muss der Leverkusener Multi auf seinen Packungsbeilagen noch einen weiteren Warnhinweis ergänzen. Fluorchinolone können nämlich die Herzklappen angreifen. Schlechte Zeiten für YASMIN & Co. Von BAYERs Verhütungsmitteln mit dem Wirkstoff Drospirenon wie YAZ, YASMIN und YASMINELLE geht ein erhöhtes Embolie-Risiko aus (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Während es bei neun bis zwölf von 10.000 Frauen, welche diese Pharmazeutika oder andere der dritten oder vierten Generation gebrauchen, zu Blutgerinnseln kommt, ist das nur bei fünf bis sieben von 10.000 derjenigen Frauen der Fall, die Pillen mit den älteren Wirkstoffen Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat nutzen. Glücklicherweise hat sich das in der Bundesrepublik inzwischen herumgesprochen. Der Versorgungsanteil der Drospirenon-Präparate sank von 2009 bis 2019 von 22 auf zwei Prozent. Auf den übrigen Märkten macht der Leverkusener Multi aber immer noch gute Geschäfte mit den Mitteln. Im Jahr 2020 betrug der weltweite Umsatz mit YAZ & Co. 670 Millionen Euro. Mehr Glaukome durch Kontrazeptiva Durch die Einnahme von Verhütungsmitteln auf Hormon-Basis steigt die Gefahr, an Grünem Star zu erkranken. Forschende der „University of British Columbia“ machten bei Frauen, welche diese Kontrazeptiva nutzten, ein mehr als doppelt so hohes Risiko aus, das Augenleiden zu bekommen, als bei solchen, die nicht zu YASMIN & Co. greifen. Lieferengpässe bei BAYER-Arzneien Der Pharma-Markt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. BAYER und andere große Unternehmen setzen mehr und mehr auf neue, patent-geschützte Pillen, da diese besonders hohe Renditen versprechen. Bei ihrem nicht so viel Geld abwerfenden Alt-Sortiment rationalisieren die Konzerne hingegen nach Kräften. So beziehen sie Vor- und Zwischenprodukte zur Wirkstoff-Herstellung und manchmal auch die komplette Substanz zunehmend aus Schwellen- oder Entwicklungsländern wie Indien und China. Dort produzieren hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. Damit nicht genug, konzentriert sich die Fabrikation auf immer weniger Anbieter. Und wenn da einmal Störungen im Betriebsablauf auftreten, leiden PatientInnen auf der ganzen Welt unter Lieferengpässen. Seit einiger Zeit passiert das immer häufiger. Im letzten Jahr konnten die Apotheken den PatientInnen 16,7 Millionen Packungen nicht aushändigen. Auch Präparate des Leverkusener Multis glänzen zunehmend durch Abwesenheit, 2021 waren es bisher ASPIRIN i. v. 500 mg, das Herzmittel NIMOTOP, der Gerinnungshemmer XARELTO und das umstrittene Verhütungsmittel YASMINELLE (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Die Produktion des Mittels BAYOTENSIN zur Akutbehandlung eines hohen Blutdrucks stellte der Konzern ganz ein. Für die Spezial-Behältnisse, in die der Wirkstoff abgefüllt war, gab es dem Unternehmen zufolge nämlich keine Lieferanten mehr. Globale Pharma-Lieferketten Die Lieferketten BAYERS im Pharma-Bereich erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi Arznei-Grundstoffe aus Indien und China (s. o.). Dort locken nämlich Standort-Vorteile wie niedrige Herstellungskosten und laxe Umweltauflagen – mit den entsprechenden Risiken und Nebenwirkungen. Bei der BAYER-Hauptversammlung im April 2021 erfragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, welche Substanzen genau der Konzern aus diesen Ländern bezieht. Antibiotika und Vorstufen für Röntgen-Kontrastmittel, lautete die Antwort.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat und kein Ende? Im Jahr 2023 läuft in der Europäischen Union die Glyphosat-Genehmigung aus. BAYER und die anderen Hersteller haben jedoch einen Antrag auf eine Zulassungsverlängerung gestellt. Und im Juni 2021 keimte bei ihnen auch Hoffnung auf. Da gab nämlich die sogenannte Bewertungsgruppe für Glyphosat (AGG) ein positives Votum ab. Durch die Behandlung von Pflanzen mit Glyphosat sei kein „chronisches oder akutes Risiko“ für die VerbraucherInnen zu erwarten, hielt die AGG fest. Das Gremium, in dem sich Prüfbehörden-VertreterInnen aus Frankreich, Ungarn, den Niederlanden und Schweden zusammenfanden, kam zu dem Schluss, dass „Glyphosat die Zulassungskriterien für die menschliche Gesundheit erfüllt“. Dementsprechend hieß es dann in der Pressemitteilung der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA: „Eine Einstufung für Keimzell-Mutagenität, Karzinogenität oder Reproduktionstoxizität war nicht gerechtfertigt. Der Vorschlag der vier Mitgliedstaaten beabsichtigt keine Änderung der bestehenden Einstufung.“ BAYER zeigte sich erfreut. Der Bericht bestätige „die Schlussfolgerungen führender Gesundheitsbehörden“, so der Konzern. Trotzdem stehen die Zukunftschancen für das Herbizid nicht eben gut. „Ich glaube nicht, dass es eine ernsthafte Chance für eine Verlängerung der Glyphosat-Lizenz gibt. Dafür ist die politische Stimmung gegen das Mittel zu aufgeheizt“, zitierte das Handelsblatt einen EU-Insider. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird alles in ihren Kräften stehende tun, um es nicht zu einem Temperatur-Abfall kommen zu lassen. Mehr Kindestode durch Glyphosat In Brasilien erhöht sich durch Glyphosat-Rückstände im Wasser die Kindersterblichkeit. Das ergab die Studie „Down the River: Glyphosate Use in Agriculture and Birth Outcomes of surrounding Populations“ von Mateus Dias, Rudi Rocha und Rodrigo R. Soares. Eine Steigerung um fünf Prozent durch das Mittel machten die drei aus, was ein Plus von 503 Sterbefällen pro Jahr ergibt. Auch die Zahl der Frühgeburten und der Babys mit einem niedrigen Geburtsgewicht steigt den ForscherInnen zufolge. Alan Tygel von der brasilianischen PERMANENTEN KAMPAGNE GEGEN AGROGIFTE UND FÜR DAS LEBEN forderte daraufhin einen sofortigen Vermarktungsstopp. Der BAYER-Konzern sah dafür keinen Grund. Er nannte die wissenschaftliche Arbeit, die im Auftrag der „Latin American and the Caribbean Economic Association“ entstand, „unsolide und schlecht durchgeführt“ und betonte, der Sicherheit bei all seinen Produkten immer die höchste Priorität einzuräumen. Glyphosat schädigt die Darmflora Glyphosat hat das Potenzial, eine Schädigung der Darmflora, eine sogenannte Dysbiose, hervorzurufen. Das ergab eine Analyse von Studien, die Jacqueline A. Barnett und Deanna L. Gibson von der kanadischen „University of British Columbia“ vornahmen. Sogar als Auslöser für Gesundheitsstörungen, die viele MedizinerInnen mit einer Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) in Verbindung bringen, kommt das BAYER-Herbizid nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen in Betracht. „Glyphosat kann eine Rolle bei vielen Krankheiten spielen, die mit der Dysbiose in Zusammenhang stehen, darunter Zöliakie, entzündliche Darm-Erkrankungen und das Reizdarm-Syndrom“, so die Forscherinnen. Damit nicht genug, vermag das Pestizid durch seine Einwirkung auf das Darm-Mikrobiom Barnett und Gibson zufolge auch die psychische Gesundheit zu beeinträchtigen und beispielsweise Depressionen auszulösen. Insektensterben durch Glyphosat BAYERs Pestizid Glyphosat trägt zum Insektensterben bei. Einen neuen Beleg dafür liefert eine Studie, die WissenschafterInnen der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität gemeinsam mit ihren KollegInnen vom „Max-Planck-Institut für chemische Ökologie“ und des japanischen „National Institute of Advanced Industrial Science and Technology“ durchführten. So greift das Herbizid ihren Angaben zufolge ein Bakterium an, das in enger Symbiose mit dem Getreideplatt-Käfer lebt und Schutzfunktionen erfüllt, ohne die das Insekt nicht existieren kann. Dabei halten die ForscherInnen ihren Befund auch übertragbar: „Da wir beobachten konnten, wie Glyphosat die symbiotische Gemeinschaft schädigt, fragten wir uns, ob Glyphosat auch für andere Insekten, die auf ihre mikrobiellen Partner angewiesen sind, eine Gefahr darstellt.“ Glyphosat gegen Koka-Pflanzen Der kolumbianische Präsident Iván Duque plant, die im Jahr 2015 von seinem Amtsvorgänger Juan Manuel Santos gestoppten Flugzeug-Sprüheinsätze mit Glyphosat zur Zerstörung von Koka-Pflanzen wieder anlaufen zu lassen (siehe auch SWB 3/21). Dabei fällt die Bilanz des Chemie-Krieges gegen die Droge verheerend aus, sowohl in gesellschaftlicher und sozialer als auch in gesundheitlicher und ökologischer Hinsicht. Entsprechend groß ist die Empörung im Land. Auch bei den aktuell stattfindenden Protesten, die sich massiver Gewalt von Polizei und Militär ausgesetzt sehen, spielt das Thema eine Rolle. So beteiligten sich indigene LandwirtInnen an einem landesweiten Streik und forderten die Regierung auf, „das Versprühen von Glyphosat aus der Luft und die Gesundheitsreform zu stoppen und die aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtungen zu erfüllen“. Der Leverkusener Multi wollte sich der Financial Times gegenüber nicht zum neuen Glyphosat-Programm Kolumbiens äußern, da er nicht direkt in die Praxis involviert sei. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) forderte das Unternehmen dagegen unmissverständlich auf, das Pestizid für solche Einsätze nicht zur Verfügung zu stellen. Dicamba: EPA übt Selbstkritik Bei einer internen Revision stellte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA schwere Mängel bei der Dicamba-Zulassung im Jahr 2018 fest. Donald Trump hatte der Behörde gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine neue Führungsspitze verpasst, die sich offenbar massiv in den Prüfungsprozess einschaltete. „In unseren Interviews nannten die Wissenschaftler der Pestizid-Abteilung Beispiele dafür, dass wissenschaftliche Analysen geändert wurden, um die politischen Entscheidungen leitender Beamter zu unterstützen“, heißt es in dem Bericht. So fehlten dann in den Abschluss-Dokumenten plötzlich Passagen über das Gefährdungspotenzial von Dicamba. Auch erhielten die ExpertInnen die Anweisung, sich bei der Sichtung der Unterlagen ausschließlich auf Daten der Hersteller zu stützen. „Die Wissenschaft selber können wir nicht ändern, aber unsere Politik basiert nicht immer auf deren Ergebnissen“, zitiert der Report einen frustrierten EPA-Beschäftigten. Der niederschmetternde Befund veranlasste die AutorInnen der Untersuchung, eine Reihe von Reformen zur Wahrung der Unabhängigkeit der Einrichtung anzumahnen. Aus deutschen Landen Der BAYER-Konzern vertreibt in den Ländern des Globalen Südens zahlreiche Pestizide, die in der Europäischen Union wegen ihrer Gefährlichkeit keine Zulassung (mehr) haben. Einige dieser Ackergifte stellt er sogar in Deutschland her und exportiert sie dann. So produziert der Global Player in Dormagen den Wirkstoff Probineb und in Frankfurt Indaziflam sowie Ethoxysulfuron.

GENE & KLONE

Schlappe für CUREVAC Der Corona-Impfstoff von BAYERs Kooperationspartner CUREVAC hat bei den klinischen Tests ein enttäuschendes Endergebnis erzielt. Das Gentech-Mittel kam nur auf eine Wirksamkeit von 48 Prozent gegen SARS-CoV-2. ExpertInnen führen das auf die im Vergleich zu anderen Präparaten niedrige Dosierung der Wirksubstanz zurück. Die ForscherInnen hatten bewusst keine höhere gewählt, um das Vakzin nicht so stark wie etwa dasjenige von BIONTECH herunterkühlen zu müssen. Der Leverkusener Multi arbeitete seit Anfang Januar 2021 mit CUREVAC zusammen. Er erklärte damals, „sein Fachwissen und seine etablierte Infrastruktur“ einbringen zu wollen, um der Firma bei der Durchführung der Klinischen Studien, dem Zulassungsprozedere, der späteren Überwachung der Sicherheit des Vakzins sowie bei der Organisation der Lieferkette für die benötigten Zusatzstoffe zur Seite zu stehen. Rund einen Monat später erweiterten die beiden Firmen ihre Verbindung noch einmal. Sie erstreckt sich nun auch auf den Produktionsprozess; BAYER baut dafür zurzeit in Wuppertal Kapazitäten auf. Nun steht allerdings in den Sternen, ob diese überhaupt einmal zum Einsatz kommen werden. Warnung vor EYLEA Das BAYER-Präparat EYLEA zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zu Blindheit führen kann – ist nicht ohne. In einer Fertigspritze verabreicht, erhöht das Gentech-Mittel das Risiko eines Anstiegs des Augeninnendrucks. Die Aufsichtsbehörden haben den Leverkusener Multi deshalb angewiesen, vor dieser Nebenwirkung zu warnen und den ÄrztInnen einen sogenannten „Rote-Hand-Brief“ zuzustellen. Viel Geld für METAGENOMI Die Gen-Scheren, die bei der Gentechnik 2.0 zum Einsatz kommen, schnippeln längst nicht so präzise, wie ihre ErfinderInnen behaupten. Allzu oft kommt es zu so genannten Off-Target-Effekten, also zu Veränderungen der DNA an Stellen, die gar nicht im Visier der ForscherInnen standen. Dem abzuhelfen, hat sich das Start-Up METAGENOMI verschrieben. Es will zielgerichtetere Methoden des Genome Editing auf Basis der CRISPR-Cas-Technik entwickeln und konnte dafür viele Unterstützer gewinnen. BAYER, der Humboldt Fund, HOF CAPITAL und andere Investoren stellten METAGENOMI rund 65 Millionen Dollar zur Verfügung. Neues Gensoja für Brasilien Der BAYER-Konzern bringt in Brasilien ein neues Gensoja auf den Markt. Das Erbgut der Pflanze der Produktlinie ROUNDUP READY 2 XTEND ist so manipuliert, dass das Gewächs sowohl Duschen mit Glyphosat als auch solche mit Dicamba übersteht, wenn diese Herbizide auf den Feldern gegen Wildwuchs zum Einsatz kommen. Und gegen Raupen hat der Konzern die Ackerfrüchte ebenfalls gentechnisch gewappnet. SMARTSTAX-Start mit Gentech 2.0 Der BAYER-Konzern setzt massiv auf die Gentechnik 2.0. Rund 100 Patent-Anträge hat er in diesem Bereich schon beim Europäischen Patentamt eingereicht und bis jetzt sieben positive Bescheide erhalten. 2022 startet der Leverkusener Multi in den USA nun mit der Vermarktung der ersten Pflanze, in der eines der neuen Verfahren zur Anwendung kommt. Der Mais der SMARTSTAX-PRO-Produktreihe wartet nämlich nicht nur mit den üblichen Resistenzen gegen die Herbizide Glyphosat und Glufosinat auf, sondern auch mit der RNAi-Technologie. Mit Hilfe dieser sogenannten Ribonukleinsäure-Interferenz blockiert das Gewächs ein Gen im Erbgut des Maiswurzelbohrers und schützt sich so vor dem Schadinsekt. Ohne Nebenwirkungen geht das allerdings nicht ab: Die Ribonukleinsäure kann mit der Darmflora von Mensch und Tier interagieren, in den Blutkreislauf gelangen und sogar in die Steuerung von Genen eingreifen. Aber BAYER ficht das an. „Uns liegen keine verlässlichen wissenschaftlichen Nachweise dafür vor, dass die sachgerechte Anwendung von Produkten mit einer Wirkungsweise auf RNAi-Basis zu negativen Effekten führt“, erklärte Agrar-Vorstand Liam Condon auf der letzten Hauptversammlung. EU-Parlament gegen Import-Zulassungen Im März 2021 sprach sich das Europäische Parlament gegen Import-Zulassungen für zwei Gen-Pflanzen von BAYER und SYNGENTA aus. Bei der Baumwolle des Leverkusener Multi aus der Produktreihe GHB 614 x T 304-40 x GHB 119 füllte die Mängel-Liste fünf Seiten. Unter anderem machten die PolitikerInnen Fehler bei der Gefahren-Analyse der Laborfrucht aus, die zur Insekten-Abwehr mit gleich zwei Sorten des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt und zudem gegen die beiden Herbizide Glufosinat und Glyphosat resistent ist. So ignorierte die „Europäische Lebensmittelbehörde“ (EFSA) bei ihren Risiko-Prüfungen den Abgeordneten zufolge die Tatsache, dass die Bt-Proteine in der Baumwolle eine viel stärkere Giftigkeit entfalten als in der freien Wildbahn. Sie interagieren nämlich mit den Enzymen der Gewächse. Trotzdem untersuchte die EFSA nur der Bacillus selber. Die Initiative TESTBIOTEST begrüßte die Entscheidung der EU-ParlamentarierInnen: „Damit wächst der Druck auf die EU-Kommission, wesentlich kritischer mit den Prüfberichten der EFSA umzugehen.“ Der Gentech-Schmetterling In Brasilien startet ein Freiluft-Versuch mit gentechnisch veränderten Eulenfaltern. Da sich Raupen dieser Schmetterlingsart zum Verdruss von BAYER & Co. an Mais schadlos halten, haben ForscherInnen der Firma OXITEC in das Erbgut des Spodoptera frugiperda eingegriffen. Um die Bestände der Spezies zu dezimieren, ist es nun so verändert, dass die weiblichen Nachkommen das Larvenstadium nicht überstehen. Der BAYER-Konzern unterstützt das Projekt finanziell, denn sein Gentech-Mais kann sich dieses Wurms nicht mehr erwehren, weil „einige der wirksameren Kontroll-Strategien resistenz-anfällig geworden sind“. Konkret versagt das in den Pflanzen eigentlich für die Schadinsekten-Abwehr zuständige Bt-Toxin zunehmend seinen Dienst. Die Risiken, die mit der Freisetzung der Labor-Schmetterlinge einhergehen, ignoriert der Global Player geflissentlich. Ihm geht es einzig und allein darum, die Profite im Geschäft mit seinen Gen-Pflanzen zu sichern.

WASSER, BODEN & LUFT

Neues Klimaschutz-Gesetz Im März 2021 hat das Bundesverfassungsgericht einer Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutz-Gesetz stattgegeben. Die Karlsruher RichterInnen teilten den Standpunkt der BeschwerdeführerInnen, wonach dieses Paragrafen-Werk die grundgesetzlich verbrieften Freiheitsrechte künftiger Generationen ungebührlich einschränke, weil die Bundesregierung diesen die Hauptlast bei der Kohlendioxid-Einsparung aufbürde. „So sind die notwendigen Freiheitsbeschränkungen der Zukunft bereits in den Großzügigkeiten des gegenwärtigen Klimaschutz-Rechts angelegt“, heißt es in der Begründung des Urteils. Darum musste die Große Koalition nachbessern und die Klimaziele verschärfen. Jetzt legte sie sich auf eine CO2-Reduktion von 65 statt wie bisher 55 Prozent bis 2030 fest, ausgehend vom Basis-Jahr 1990. Dementsprechend senkten CDU und SPD die zulässigen Jahres-Emissionsmengen für Gebäude-Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft, Energie-Branche und Industrie ab. Für BAYER & Co. reduzierten sich die Grenzen des Erlaubten gegenüber dem Klimaschutz-Gesetz von 2019 um 22 Millionen Tonnen. 2022 dürfen sie noch 177 Millionen Tonnen ausstoßen und dann sukzessive immer weniger bis 118 Millionen im Jahr 2030. Die im Vergleich zu den anderen Bereichen strengeren Vorgaben für Industrie und Energie hatten Gründe. „Dies folgt einerseits dem ökonomischen Gedanken, dort zu mindern, wo die Vermeidungskosten am geringsten sind, andererseits sind Industrie- und Energie-Sektor weiterhin die Sektoren mit den höchsten Emissionen“, heißt es im Gesetz. Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) kritisiert das Paragrafen-Werk. Er vermisste unter anderem Subventionsregelungen, „um Wettbewerbsnachteile auszugleichen“ und politische Weichenstellungen für „günstigen Strom“. Grüne wollen Kampfstoff-Bergung 1,6 Millionen Tonnen Munition, Minen und chemische Kampfstoffe aus zwei Weltkriegen lagern in den Gewässern von Nord- und Ostsee, darunter auch die einst von BAYER entwickelten Substanzen Lost, Tabun und Sarin. Da die Metall-Umhüllung der Chemie-Waffen mittlerweile durchrostet, treten die Gifte aus. Als besonders gefährlich betrachtet das Umweltbundesamt dabei neben bestimmten Arsen-Verbindungen Zäh-Lost, eine Mixtur aus Schwefel-Lost und Verdickungsmitteln. Während sich andere Kampfstoffe im Wasser allmählich zersetzen, behält diese Chemikalie nämlich eine feste Konsistenz und verliert kaum etwas von seiner Wirksamkeit. „Die meisten der bisher bekannten Unfälle mit Kampfstoffen wurden durch Zäh-Lost rund um das Versenkungsgebiet östlich der dänischen Ostsee-Insel Bornholm verursacht, wobei Klumpen von Zäh-Lost in Fischernetze gerieten“, konstatiert die Behörde. Die FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben die Bundesregierung jetzt aufgefordert, endlich etwas gegen die tickenden Zeitbomben in den Meeren zu unternehmen die schon viele Todesopfer gefordert haben. „Munitionsaltlasten in den Meeren bergen und umweltverträglich vernichten“, ist ihr gemeinsamer Antrag überschrieben, mit dem sich der Bundestag Mitte April 2021 befasste. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) begrüßte diesen Vorstoß, trat aber dafür ein, das Verursacher-Prinzip greifen zu lassen und die damaligen Hersteller der Kriegswerkzeuge wie etwa BAYER an der Finanzierung des Unterfangens zu beteiligen. „Die Räumungsarbeiten sind laut FDP und Grünen mit immensen Kosten verbunden. Darum ist es nur recht und billig, BAYER als Pionier auf dem Gebiet der chemischen Kampfstoffe mit zur Kasse zu bitten“, hieß es in der Presseerklärung der CBG. Glyphosat gefährdet Grundwasser Bis zu 50 Prozent des ausgebrachten Glyphosats kann ins Grundwasser gelangen. Das stellte ein ForscherInnen-Team um Andreas Hartmann von der Universität Freiburg und Thorsten Wagener von der Universität Potsdam fest. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass 99 Prozent des Pestizides im Boden versickert. Wie Hartmann und Wagener aber in einem Aufsatz, den die Zeitschrift Proceedings veröffentlichte, darlegen, leiten Risse und Hohlräume in der Erde große Mengen des Mittels bis ins Grundwasser weiter. Wasser-Strategie ohne Plan Der Klimawandel macht Wasser zu einer immer kostbareren Ressource. Das hat auch die Politik erkannt. Im Juni 2021 stellte Bundesumweltministerin Svenja Schulze den Entwurf zu einer nationalen Wasser-Strategie vor, um das Lebenselixier besser zu schützen. BAYER & Co. als die größten Wasserverbraucher und Wasserverschmutzer nahm das 76-seitige Papier dabei allerdings nicht in den Blick. Es führte keinerlei konkrete Vorhaben auf, um das gefährdete Gut vor dem Zugriff der Profit-Interessen zu bewahren, obwohl allein der Leverkusener Multi im Geschäftsjahr 2020 auf einen Wassereinsatz von 57 Millionen Kubikmetern kam. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte das scharf. „Zunehmende Trockenheitsperioden, eine schwindende Grundwasser-Neubildungsrate, der immense Durst der Konzerne und eine wachsende Schadstoff-Belastung der Gewässer verlangen ein sofortiges gesetzgeberisches Handeln. Dazu kann oder will sich die Umweltministerin aber offensichtlich nicht entschließen. So bleibt es bei bloßer Symbol-Politik“, hieß es in ihrer Presseerklärung. BAYERs großer Durst Der BAYER-Konzern hat einen enormen Wasser-Durst (s. o.) Bei der jüngsten Hauptversammlung erfragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, wie viel Kubikmeter der kostbaren Ressource die Standorte in Nordrhein-Westfalen verbrauchen. Auf insgesamt 4,4 Millionen Kubikmeter kommen die Niederlassungen in Leverkusen, Wuppertal, Bergkamen und Monheim, bekam die Coordination zur Antwort.

ÖKONOMIE & PROFIT

Rating-Agentur stuft BAYER herab Ende Mai 2021 ließ BAYER die Vergleichsverhandlungen mit den AnwältInnen der Glyphosat-Geschädigten platzen und legte stattdessen einen eigenen Plan zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten vor (siehe RECHT & UNBILLIG). Unmittelbar danach stufte die Rating-Agentur MOODY’S INVESTORS SERVICE die Kreditwürdigkeit des Konzerns von Baa1 auf Baa2 herab. „Die anhaltende Unsicherheit in Bezug auf die abschließende Beilegung von Rechtsfällen gegen BAYER im Zusammenhang mit Glyphosat“, führte sie als einen der Gründe für die Entscheidung an. Auch die hohen Kosten für den Rechtskomplex „Glyphosat“ stellte die Agentur in Rechnung. Zudem zeigte sie sich von den „mittelfristigen Finanzzielen“ des Leverkusener Multis enttäuscht und bewertete die Profit-Aussichten im Agrar-Geschäft wegen des verstärkten Wettbewerbs negativ. Trotz des Verkaufs von Unternehmensteilen, eines kostensparenden Arbeitsplatz-Vernichtungsprogramms und steigenden Renditen im Bereich „Consumer Health“ kam MOODY’S bei der „Betriebsprüfung“ letztlich „zu Finanzkennzahlen, die nur mit einem Baa2 bewertet werden können“. Hohe Abschreibungen In die BAYER-Bilanz fließt auch der Wert der Zukäufe ein. Dieser sogenannte Goodwill macht beim Leverkusener Multi 118 Prozent des Eigenkapitals aus. Für MONSANTO hatte er den Goodwill allerdings viel zu hoch angesetzt. Die immensen Schadensersatz-Ansprüche in Sachen „Glyphosat“ und schlechte Geschäfte im Agro-Bereich erforderten eine massive Korrektur: 9,3 Milliarden Euro musste der Global Player abschreiben.

RECHT & UNBILLIG

Immer mehr Dicamba-Klagen Neben Glyphosat entwickelt sich für den BAYER-Konzern auch das Herbizid Dicamba, das er hauptsächlich in Kombination mit gentechnisch gegen die Substanz immunisierten Gewächsen anbietet, zu einem Sorgenkind. Der Wind treibt das vom Leverkusener Multi z. B. unter dem Namen XTENDIMAX vertriebene Mittel nämlich zu Ackerfrüchten hin, die dem Stoff nichts entgegenzusetzen haben und deshalb eingehen. 57 Wein-AnbauerInnen und vier WeiterverarbeiterInnen machen wegen dieser Abdrift auf einer Fläche von 1.200 Hektar Schädigungen an Weinreben geltend und fordern eine Kompensation in Höhe von 114 Millionen Dollar plus 228 Millionen Dollar Strafe. Zudem zog ein Imker vor Gericht, weil die chemische Keule seine Bienenvölker dezimierte und der Pflanzen-Kahlschlag den Tieren Pollen und Nektar nahm, sodass die Honig-Produktion einbrach. Zwei weitere Prozesse in Sachen „Dicamba“ laufen bereits seit Längerem. Darüber hinaus schloss der Global Player im Juni 2020 mit rund 170 KlägerInnen einen Vergleich, der ihn zu einer Zahlung von 400 Millionen Dollar verpflichtete. Trotzdem lässt das Unternehmen auf das Ackergift nichts kommen. „BAYER ist von der Sicherheit und dem Nutzen des Herbizids XTENDIMAX überzeugt. Wir werden diese Technologie auch weiterhin verteidigen“, ließ der Gen-Gigant verlauten. Klage gegen Phosphorit-Abbau „Von der Wiege bis zur Bahre ist Glyphosat ein hochproblematischer Stoff“, sagt die Umwelt-Aktivistin Hannah Connor von der US-amerikanischen Organisation Center for Biological Diversity. Und tatsächlich sorgt das Herbizid sogar schon vor seiner eigentlichen Geburt für so einige Verwerfungen. Der Abbau des Sediment-Gesteins Phosphorit, das BAYER zur Herstellung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor benötigt, belastet Mensch, Tier und Umwelt nämlich massiv. So gelangen etwa Schwermetalle und radioaktive Stoffe wie Uran, Radom, Radium und Selen in die Umwelt. Darum fechten mehrere US-amerikanische Umweltverbände die Genehmigung zum Abbau des Phosphorits ein, die BAYERs Minen-Gesellschaft P4 PRODUCTIONS im Jahr 2019 erhielt. Das Center for Biological Diversity, das Western Watersheds Project und die WildEarth Guardians werfen dem „Bureau of Land Management“ vor, bei der Prüfung des Antrages Umweltrichtlinien missachtet zu haben, und reichten Klage ein. Besonders das Selen stellt den Organisationen zufolge eine Bedrohung dar. „Zwischen 1996 und 2012 starben in der Nähe der Phosphorit-Minen im Südosten von Idaho über 600 Stück Vieh an Selen-Vergiftung“, hält die Klageschrift fest. Die Gewässer verseucht das Halbmetall ebenfalls. „Die Selen-Konzentration im Blackfoot-Fluss entspricht schon jetzt nicht mehr den Wasserqualitätsstandards von Idaho. Mehr Selen in fragilen Ökosystemen ist das Letzte, was die Region braucht“, so Chris Krupp von den WILDEARTH GUARDIANS. Erst Anfang März 2021 musste der Leverkusener Multi für Schäden, welche die Phosphorit-Förderung während der 1950er und 1960er Jahre in der inzwischen stillgelegten Ballard-Mine verursachte, eine hohe Summe zahlen (siehe Ticker 2/21). Der Prozess, den die US-amerikanische Umweltbehörde EPA, der Bundesstaat Idaho und eine Gruppe von Indigenen angestrengt hatten, endete mit einem Vergleich, der den Konzern fast 2,5 Millionen Dollar kostete. Ähnliche Verfahren gegen P4 PRODUCTIONS gab es in den Jahren 2011 und 2015. Bienengift-Bann bleibt Im Jahr 1999 begann die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre Kampagne gegen BAYERs bienengefährliche Pestizide. Es sollte jedoch noch fast 20 Jahre dauern, bis sich der Erfolg einstellte: Im April 2018 verbot die Europäische Union die Wirkstoffe von BAYERs GAUCHO und PONCHO (heute BASF) sowie die SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam. Aber die Konzerne gaben sich nicht geschlagen. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGh) war nämlich noch die Klage von BAYER und SYNGENTA gegen das im Jahr 2013 von Brüssel erlassene vorläufige Verbot anhängig. 2018 verloren die Unternehmen in erster Instanz, und Anfang Mai 2021 scheiterte auch das Berufungsverfahren. Entsprechend zerknirscht reagierte der Leverkusener Multi: „BAYER ist enttäuscht darüber, dass die wesentlichen Aspekte dieses Falles vom Gericht nicht anerkannt wurden.“ Allerdings dürfen die Mittel in einigen Teilen der EU per Notfall-Zulassungen weiter ihr Unwesen treiben (s. u.) – und im Rest der Welt sowieso. Klage wg. Vogelschwund Der französische Vogelschutzbund „Ligue de protection des oiseaux“ LPO) hat BAYER und NUFARM verklagt. Der Verband macht den von beiden Unternehmen verkauften Pestizid-Wirkstoff Imidacloprid aus der Gruppe der Neonicotinoide für den Rückgang der Vogel-Populationen verantwortlich und verlangt Reparationszahlungen. Zudem fordert die LPO das Gericht auf, ein Total-Verbot der Agro-Chemikalie zu verhängen und damit die Ausnahmeregelungen des „loi du décembre 2020“ aufzuheben. „Die Neonicotinoide stehen für ein industriell geprägtes Agrarmodell, das unsere Landwirte in eine wirtschaftliche Sackgasse führt und die Vögel auf dem Land hat verschwinden lassen (...) Die Verantwortlichen für diese Katastrophe müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, erklärte LPO-Präsident Allain Bougrain Dubourg. Mexiko: Glyphosat-Bann bleibt Im Jahr 2020 hatte die mexikanische Regierung Glyphosat verboten. Der BAYER-Konzern ging gegen die Entscheidung gerichtlich vor, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Auch eine Klage des „National Farm Councils“, einer Vereinigung von GroßagrarierInnen, scheiterte. Kein Glyphosat-Vergleich Ende Mai 2021 ließ BAYER die Vergleichsverhandlungen mit den AnwältInnen der Glyphosat-Geschädigten platzen (siehe auch SWB 3/21). Der Konzern sah keine Chance mehr, den richterlichen Segen für sein Ansinnen zu bekommen, das Herbizid unbegrenzt weiter zu vermarkten, aber für weitere Gesundheitsschäden nur noch begrenzt zu haften. Stattdessen präsentierte der Leverkusener Multi einen eigenen 5-Punkte-Plan zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten. Dieser sieht vor, auf den Packungen des Pestizids statt eines Warn-Labels einen Hinweis auf wissenschaftliche Studien zu Glyphosat anzubringen. Überdies erwägt der Agro-Riese, das Mittel nicht mehr auf dem PrivatkundInnen-Markt anzubieten, da aus diesem Kreis über 90 Prozent der KlägerInnen stammten. Zum Umgang mit künftigen Schadensersatz-Ansprüchen enthält der Plan nichts Konkretes. „Das Unternehmen wird andere Lösungen für potenzielle künftige Klagen zu ROUND UP prüfen“, heißt es lediglich. Niederlage im Fall „Hardeman“ Der Leverkusener Multi hat bisher in allen drei großen Glyphosat-Prozessen Niederlagen erlitten. Den ersten, den Dewayne Johnson gegen die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO angestrengt hatte, musste das Unternehmen sogar schon endgültig verloren geben. Und im Fall „Hardeman“ unterlag der Agro-Riese Mitte Mai 2021 in zweiter Instanz. Dabei hatte sich der Global Player gerade hier Chancen ausgerechnet, denn er konnte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA als Entlastungszeugen aufbieten. Gemeinsam mit dem Justizministerium nutzte die Einrichtung das in den USA bestehende „Amicus Curiae“-Recht, das es Unbeteiligten gestattet, Stellungnahmen zu laufenden Rechtsstreitigkeiten abzugeben und plädierte auf Freispruch. „Der Kläger ist im Unrecht“, hieß es in dem „Brief of the United States as Amicus Curiae in Support of MONSANTO“, was das Wall Street Journal damals so kommentierte: „Die Trump-Administration stützt BAYER in Herbizid-Verfahren.“ FRAG DEN STAAT vs. BfR Anfang 2019 hatte das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) die Initiative „FRAG DEN STAAT“ verklagt (Ticker 3/19). Die Behörde warf der Organisation vor, mit der Veröffentlichung eines BfR-Gutachtens zu Glyphosat, das diese unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz angefordert und auf ihrer Website veröffentlicht hatte, gegen das Urheberrecht verstoßen zu haben. Das 6-seitige Dokument spielt eine Schlüsselrolle im wissenschaftlichen Streit um das Pestizid. Im Jahr 2015 bewertete die „Internationale Agentur für Krebsforschung“ (IARC) der Weltgesundheitsorganisation das Breitband-Herbizid als „wahrscheinlich krebserregend“ und setzte sich damit von dem Glyphosat-Prüfbericht des „Bundesinstituts für Risiko-Bewertung“ ab. Die Politik sah Klärungsbedarf und erbat vom BfR eine Stellungnahme. Daraufhin erstellte die Behörde eine ergänzende Expertise. Die Kurzfassung dieses „Addendum I“ ging dann als Handreichung an das Bundeslandwirtschaftsministerium und enthält offenbar so brisantes Material, dass das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ dieses lieber unter Verschluss halten möchte. Aber das gestaltet sich schwierig. Nach Ansicht des Landgerichts Köln kann das Dokument keine Schutzrechte mehr beanspruchen. FRAG DEN STAAT hatte nämlich einfach an UnterstützerInnen appelliert, ebenfalls Anträge zur Einsicht in das Schriftstück nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Das geschah 45.000 Mal, auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN beteiligte sich damals. Und damit war das Gutachten dann in der Welt. Darüber hinaus deckt die im Urheberrechtsgesetz garantierte Zitat- und Berichterstattungsfreiheit das Vorgehen der AktivistInnen, befanden die RichterInnen im November 2020. Das BfR ging gegen die Entscheidung vor, verlor im Mai 2021 jedoch auch in zweiter Instanz. Pestizid-Kritikerin verurteilt Im Herbst 2020 hatte die französische Initiative ALERTE AU TOXIQUES ein Dossier über Pestizid-Rückstände in französischen Weinen aus der Region um Bordeaux veröffentlicht. Der Befund war alarmierend: In allen der 20 untersuchten Fabrikate fanden sich Ackergift-Spuren. In manchen Flaschen stießen die WissenschaftlerInnen auf bis zu 15 unterschiedliche Wirkstoffe. Sogar das EU-weit verbotene Iprodion – enthalten unter anderem in BAYERs ROVRAL und CHIPCO GREEN – wiesen die ForscherInnen nach. Der Branchenverband CIVB sah seine Umsätze in Gefahr. Deshalb verpflichtete er einen Anwalt, der schon in Diensten von MONSANTO gestanden hatte, und ging gerichtlich gegen die Alerte-Gründerin Valérie Murat vor. In erster Instanz verurteilte das Gericht die Pestizid-Kritikerin zu einer Strafzahlung in Höhe von 125.000 Euro. Murat will den RichterInnen-Spruch jedoch anfechten. Zahlreiche Gruppen stärkten ihr bei dem Prozess mit einer Solidaritätserklärung den Rücken, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). In Sachen „Agent Orange“ Das im Vietnam-Krieg von den USA als Entlaubungsmittel eingesetzte Agent Orange hat unermessliches Leid über das Land gebracht. Dennoch hat bisher noch noch kein Vietnamese und keine Vietnamesin eine Entschädigung erhalten. Das will die in Vietnam geborene und seit Langem in Frankreich lebende Tran To Nga ändern. Sie berief sich auf ein Gesetz in ihrer Wahlheimat, das die rechtliche Verfolgung von Kriegsverbrechen gestattet, auch wenn diese außerhalb der Grenzen des Staates geschahen, und verklagte die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO sowie dreizehn weitere Unternehmen. „Ich kämpfe nicht für mich selbst, sondern für meine Kinder und die Millionen von Opfern“, sagt die 79-Jährige. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und zahlreiche andere Organisationen unterstützen sie dabei. BAYER hingegen erklärt die Schadensersatz-Ansprüche für unbegründet. Der Konzern behauptet, MONSANTO hätte lediglich als Erfüllungsgehilfe der US-Army agiert, obwohl das Unternehmen mit dem Pentagon bereits seit 1950 in einem regen Austausch über die Kriegverwendungsfähigkeit der „Agent Orange“-Chemikalie 2,4,5-T stand. BAYER-Anwalt Jean-Daniel Bretzner zog schon die Zuständigkeit des Gerichts in Zweifel. Er bestritt ihm das Recht, über die Verteidigungspolitik eines souveränen ausländischen Staates in Kriegszeiten zu richten. Die RichterInnen folgten den Argumentationen von Bretzner & Co. Sie befanden, dass die Firmen „auf Anweisung und im Namen des amerikanischen Staates“ gehandelt hätten und sprachen die Unternehmen frei. Tran To Nga akzeptiert dieses Votum jedoch nicht und kündigte an, in Berufung zu gehen.
  • YASMINELLE-Klage abgewiesen
Ende Juni 2021 hat das Oberlandesgericht Karlsruhe die Klage der Arznei-Geschädigten Felicitas Rohrer gegen den BAYER-Konzern abgewiesen. Die 37 Jahre alte Frau forderte 200.000 Euro von dem Unternehmen, weil sie nach der Einnahme des Verhütungsmittels YASMINELLE eine beidseitige Lungen-Embolie mit akutem Atem- und Herzstillstand erlitten hatte. Diese „Nebenwirkung“ des Medikaments ist seit Langem bekannt. Zudem reicht dem Arzneimittelgesetz eine bloße Kausalitätsvermutung, um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Einen exakten wissenschaftlichen Nachweis über eine Kausalbeziehung zwischen einer Arzneimittel-Einnahme und dem Auftreten von Nebenwirkungen zu erbringen, erweist sich nämlich allzu oft als eine unlösbare Aufgabe. Trotz alledem sprach die Richterin den Leverkusener Multi frei. Dessen AnwältInnen war es nämlich gelungen, die Juristin zu überzeugen, dass auch eine lange Flugreise Rohrers den Venenverschluss ausgelöst haben könnte. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte die Entscheidung scharf. „Das ist ein Skandal-Urteil. In den USA haben bisher schon 12.000 Leidensgenossinnen von Felicitas Rohrer Recht bekommen und insgesamt zwei Milliarden Dollar Schmerzensgeld von BAYER erhalten. Hierzulande aber kuscht die Justiz vor der Macht der Konzerne“, hieß es in ihrer Presseerklärung. Ähnlich reagierte die Klägerin. „Ich bin sehr enttäuscht über dieses Urteil und hätte es so nicht erwartet. Wir werden es nun genau prüfen und schauen, welche weiteren juristischen Schritte möglich sind“, erklärte sie. Da das Gericht eine Revision skandalöserweise nicht zuließ, bleibt Felicitas Rohrer nur noch der Weg, eine Nichtzulassungsbeschwerde einzureichen, um ein endgültiges Schließen der Akte „YASMINELLE“ zu verhindern. LIPOBAY-Klage stattgegeben BAYERs Cholesterinsenker LIPOBAY hat mindestens 100 PatientInnen den Tod gebracht, bis der Konzern ihn im Sommer 2001 vom Markt nehmen musste. In der Folge sah sich das Unternehmen mit einer Unmenge von Entschädigungsprozessen konfrontiert. Derjenige, den der italienische Arzt Roberto Trevisanato führte, zog sich über 20 Jahre hin, bis er im Mai 2021 nun mit einer Verurteilung des Leverkusener Multis endete. Das Gericht bezeichnete die Arznei als gefährlich und warf dem Pharma-Riesen vor, auf den Packungsbeilagen nicht ausreichend vor den Nebenwirkungen gewarnt zu haben. Im Rückblick sagte Trevisanato in einem Interview: „Mein Leben wurde zerstört: Als ich dieses Mittel für zwei Monate einnahm, landete ich für zwei Jahrzehnte in der Hölle.“ BAYER vor Gericht In Italien müssen sich BAYER, NOVARTIS und der Krankenhaus-Konzern SAN DONATO wegen Abrechnungsbetrugs zulasten der öffentlichen Gesundheitssysteme vor Gericht verantworten. Das Hospital hatte beim regionalen Gesundheitsdienst der Lombardei Arznei-Rechnungen der beiden Unternehmen eingereicht, die nicht den wahren Preisen entsprachen, da die Pharma-Riesen SAN DONATO unter der Hand Rabatte gewährten. Auf ähnliche Weise hatte der Leverkusener Multi in Tateinheit mit anderen Pillen-Produzenten, Krankenhäusern, ÄrztInnen und Apotheken Anfang der 2000er Jahre die US-amerikanischen staatlichen Gesundheitsprogramme Medicaid und Medicare geschröpft. Den Einrichtungen, die Bedürftigen Arzneien zur Verfügung stellen, entstand so Jahr für Jahr ein Schaden von rund einer Milliarde Dollar. Im Jahr 2000 zahlte der Global Player dafür 14 Millionen Dollar Strafe und 2003 sogar 250 Millionen Dollar. Ermittlungen wg. Bestechung Der BAYER-Konzern sieht sich in Griechenland mit dem Vorwurf der ÄrztInnen-Bestechung konfrontiert. Er soll von 2005 bis 2008 rund 800 MedizinerInnen mit Sachzuwendungen und Geld-Geschenken von bis zu 20.000 Euro veranlasst haben, Medikamente des Konzerns zu verschreiben. Im Jahr 2015 hat die Staatsanwaltschaft deshalb eine Anzeige erstattet. Über den aktuellen Stand der Ermittlungen liegen keine Informationen vor.

[Ticker 01/21] AKTION & KRITIK

CBG Redaktion

Jahrestagung 2020

Ende Juli 2020 startete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre Kampagne „Glyphosat-Stopp jetzt!“. Da lag es nahe, dass sie auch ihre Jahrestagung dem Total-Herbizid und den anderen Ackergiften BAYERs widmete. „Pestizide, Umwelt, Menschenleben“ lautete deshalb am 10. Oktober in Düsseldorf das Thema. Zum Auftakt sprach die Fernsehköchin und derzeit als Parteilose für die österreichischen Grünen im EU-Parlament sitzende Sarah Wiener – live per Internet zugeschaltet – ein Grußwort. „Pestizide allgemein haben in unserer Umwelt nichts verloren“, stellte sie gleich zu Beginn klar. Dann berichtete Wiener vom Stand der Dinge bei dem Versuch Österreichs, Glyphosat zu verbieten, und gab Einblick in ihre Parlamentsarbeit. Sie klagte über die Landwirtschaftspolitik, die Millionen an Subventionen in die alten agro-industriellen Strukturen pumpt, sah jedoch auch Hoffnungsschimmer wie die avisierte neue Chemikalien-Politik. Der allerdings droht Ungemach durch das Extrem-Lobbying von BAYER & Co. Umso mehr baut Sarah Wiener deshalb auf Druck von außen: „Ich finde es toll, dass ihr so engagiert seid und uns den Rücken stärkt.“ Ihr folgte der Imker Bernhard Heuvel, der über das von Pestiziden mitverursachte Insektensterben im Allgemeinen und das Bienensterben im Besonderen sprach. Dabei legte er den perfiden Wirk-Mechanismus der neueren Insektizide bloß. So bringt etwa BAYERs PREMISE mit dem zur Gruppe der Neonicotinoide zählenden Inhaltsstoff Imidacloprid Termiten nicht etwa via chemischer Keule sofort zur Strecke. Das Mittel setzt vielmehr auf Hilfskräfte. „PREMISE erlaubt es der Natur, zu übernehmen und die Termiten zu zerstören“, hält das Unternehmen fest. Das Produkt selbst führt bei den Tieren „nur“ zu Verhaltensstörungen. Auf einmal pflegen sich die Insekten nicht mehr und unterstützen sich auch nicht mehr gegenseitig, so dass sie für Mikroorganismen wie etwa Boden-Pilze ein leichtes Opfer werden. Praktischer Nebeneffekt: Der Tatbeweis ist nur schwer zu erbringen. Nach der Mittagspause nahm sich Susan Haffmans vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), per Skype aus Hamburg ins Stadtteilzentrum Bilk flimmernd, Deutschlands Exporte von besonders gefährlichen Ackergiften in Länder des globalen Südens vor. Dabei konzentrierte sie sich aus gegebenem Anlass besonders auf Kreationen des Leverkusener Multis. An Jan Pehrke von der Coordination war es dann, einen allgemeineren Blick auf die Agro-Chemikalien des Konzerns zu werfen. Nach einem Schnelldurchlauf durch die Geschichte der Sparte setzte er die drei Schwerpunkte „Doppelte Standards bei der Pestizid-Vermarktung“, „Bienensterben durch GAUCHO & Co.“ und „Glyphosat“, weil es viele Aktivitäten der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN dazu gab und gibt. Einzelheiten zur aktuellen „Glyphosat-Stopp jetzt!“-Kampagne lieferte dann gleich im Anschluss CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann. Er ging dazu noch mal an deren Ausgangspunkt zurück – BAYERs Versuch, einen juristischen Schlussstrich in Sachen „Glyphosat-Klagen“ zu ziehen – und erläuterte den Ansatz der Coordination. Dieser besteht, wie auch bei den vorausgegangenen Kampagnen, immer darin, ins Herz der Bestie vorzustoßen: dem Profit-System. Mit diesem Beitrag endete dann eine Jahrestagung, die anders verlief als alle bisherigen. Die Corona-Pandemie zwang zu Vorsichtsmaßnahmen wie dem Masken-Tragen und dem Sitzen in weiten Abständen zueinander und sorgte für zwei nur virtuell anwesende RednerInnen. Aber die rund 30 TeilnehmerInnen nahmen all das wacker auf sich, weil es mit der Konzern-Kritik ein übergeordnetes politisches Interesse gab. Und sie sollten es am Ende des Tages auch nicht bereuen.

Schild statt Straßenumbenennung

Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund und Lüdenscheid hatte das Erfolg (siehe auch SWB 1/15). In Dormagen lagen sogar zwei Anträge zur Causa „Duisberg“ vor. Einen hatten „Die Linke“ und die Piraten-Partei gemeinsam eingereicht, ein anderer kam von Bündnis 90/Die Grünen. Die Stadt ließ daraufhin vom ehemaligen Stadt-Archivar Heinz Pankalla und anderen ExpertInnen ein Gutachten erstellen. Darin hieß es unter anderem: „Duisberg engagierte sich (...) massiv für die Erfindung und Produktion von Giftgas im Ersten Weltkrieg (...) Die Quellen belegen zudem, dass Duisberg mit dem Gift-Einsatz kaum moralische Bedenken verband.“ Bei der anschließenden AnwohnerInnen-Befragung sollten diese geschichtlichen Fakten als Entscheidungshilfe dienen. Das taten sie jedoch nicht: Von 62 Haushalten lehnten 56 die Umbenennung ab. Auch gegen das Anbringen einer Tafel mit historischen Erläuterungen sprach sich eine deutliche Mehrheit aus. Für Pankalla war das absehbar, nicht aus politischen Gründen, sondern weil die Menschen den bürokratischen Aufwand fürchten würden: „Eine Befragung der betroffenen Anwohner zu einer Straßenumbenennung ist ein Witz“, mit diesen Worten zitierte ihn die Neuß-Grevenbroicher Zeitung. Zu Duisberg brachte der Ex-Archivar der Stadt eine ambivalente Haltung zum Ausdruck. „Er hat anerkanntermaßen eine große Leistung für das BAYER-Werk und Dormagen vollbracht, zudem ist unklar, ob die Giftgas-Empfehlung in damaliger Zeit als Völkerrechtsverletzung zu sehen ist. Andererseits war seine Empfehlung, Zwangsarbeiter aus Belgien zu rekrutieren, damals schon völkerrechtswidrig“, so Heinz Pankalla. Auch ließ er keinen Zweifel daran, „dass Duisbergs Handeln nach heutigem Recht ein Verbrechen“ sei. Die Entscheidung über die Umbenennung der Straße wollte er der Kommune überlassen. Diese entschloss sich dagegen und votierte – wie auch im Fall der Hindenburgstraße – dafür, es beim Anbringen eines Hinweis-Schildes zu belassen. Klartext wird darauf allerdings nicht gesprochen: Die schwarz-rote Ratsmehrheit lehnte die Titulierung Duisbergs als „Kriegsverbrecher“ ab, „umstritten“ ist stattdessen das Attribut der Wahl. So steht unter dem Straßenschild nun zu lesen: „1861 – 1935, deutscher Chemiker und Generaldirektor der Farbenfabriken vorm. Friedr. BAYER & Co., umstritten v. a. wegen seines Engagements für die Produktion von Giftgas und den Einsatz von belgischen Zwangsinternierten im Ersten Weltkrieg.“

Offener Brief zu doppelten Standards

Seit Jahrzehnten schon kämpft die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gegen doppelte Standards bei der Vermarktung von Pestiziden. Immer wieder kritisierte sie auf den BAYER-Hauptversammlungen, dass der Leverkusener Multi in den Ländern des globalen Südens Ackergifte verkauft, die in Deutschland wegen ihrer Gefährlichkeit längst verboten sind. Im Jahr 1995 rang die Coordination dem Vorstand sogar das Versprechen ab, bis zum Jahr 2000 keine Pestizide mehr in Umlauf zu bringen, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO der Gefahren-Klasse 1 zurechnet. Wort gehalten hat die ManagerInnen-Riege allerdings nicht. Erst 2012 erfolgte ein gößerer Schritt, aber auch heute noch vertreibt der Global Player Pestizide der Gefahren-Klassen 1a oder 1b wie z. B. Carbofuran, Probinep und Thiodicarb. Darum gehörte die CBG mit zu den Unterzeichnern eines von INKOTA und dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK initiierten Offenen Briefs, der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Wirtschaftsminister Peter Altmaier zur Verhängung eines Export-Verbots für hierzulande nicht zugelassene Agro-Chemikalien auffordert.

Offener Brief an Eduardo Leite

Zwölf Ackergifte, die in der EU nicht zugelassen sind, vermarktet BAYER in Brasilien. Nur der Bundesstaat Rio Grande verwehrt sich gegen diese Praxis der doppelten Standards. Er gestattet den Verkauf von importierten Produkten nur, wenn diese auch über eine Genehmigung im Herkunftsland verfügen. Doch unter dem extrem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro gerät die Bestimmung unter Druck. Der jetzige Gouverneur Eduardo Leite will sie kippen. Dagegen macht die PERMANENTE KAMPAGNE GEGEN AGRARGIFTE UND FÜR DAS LEBEN mobil und bat dafür deutsche Partner-Organisationen um Unterstützung. Darum gehörte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) mit zu den Unterzeichnern eines Offenen Briefes, der Leite aufforderte, an der bisherigen Regelung festzuhalten.

„Mercosur-Abkommen stoppen!“

Ende Juni 2019 hat die EU die Verhandlungen mit den MERCOSUR-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay über ein Handelsabkommen abgeschlossen. Es sieht vor, dass die südamerikanischen Länder Zoll-Senkungen für europäische Industrie-Produkte gewähren und im Gegenzug einen erleichterten Zugang zum EU-Markt für ihre Agrar-Güter erhalten. Brüssel erwartet bei den Sätzen, die bisher für Autos 35 Prozent des Warenwerts, für Chemikalien bis zu 18 Prozent und für Pharmazeutika bis zu 14 Prozent betrugen, eine Reduktion im Umfang von rund vier Milliarden Euro. Parallel dazu rechnet der EU-Forschungsdienst durch die dem MERCOSUR gewährten Einfuhr-Erleichterungen mit einer Steigerung von dessen Anteilen an den Lebensmittel-Importen der Europäischen Union von derzeit 17 auf 25 Prozent bis zum Jahr 2025. Träte die Vereinbarung in Kraft, säße BAYER sowohl diesseits als auch jenseits des Atlantiks auf der GewinnerInnen-Seite. Einerseits haben chemische Erzeugnisse einen großen Anteil an den Exporten in die MERCOSUR-Mitgliedsländer – sie kommen auf 26 Prozent, mit 42 Prozent erreichen nur Maschinen und Transportmittel mehr – und andererseits ist ein höherer Absatz von Glyphosat & Co. zu erwarten, wenn die brasilianische und argentinische Agrar-Industrie besseren Geschäften auf dem alten Kontinent entgegensehen kann. Und das wiederum bedeutet: mehr Gifte und Gentechnik auf den Feldern, mehr Monokulturen, mehr Vertreibungen von Indigenen – und weniger Regenwald. Diese Aussichten riefen das NETZWERK GERECHTER WELTHANDEL auf den Plan. Es initiierte den Aufruf „Zeit zum Umdenken – EU-Mercosur-Abkommen stoppen!“, zu deren Mitunterzeichnern die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gehört.

KAPITAL & ARBEIT

Trennung von der Tiermedizin

Nachdem das erste Schadensersatz-Verfahren in Sachen „Glyphosat“ am 10. August 2018 erst-instanzlich mit einem millionen-schweren Schuldspruch endete, setzte die BAYER-Aktie zu einer Talfahrt an, die bis heute anhält. Die Großinvestoren meldeten sogleich Handlungsbedarf an – und der Leverkusener Multi lieferte. Im Dezember 2018 kündigte er ein Einspar-Programm an, das unter anderem den Abbau von 12.000 Stellen vorsah. Ein Mittel dazu war die Veräußerung von Geschäftsteilen. So stieß der Global Player seine Beteiligung am Chem„park“-Dienstleister CURRENTA ab und trennte sich von den Sonnenschutz-Mitteln der COPPERTONE-Reihe sowie von den Fußpflege-Präparaten der Marke DR. SCHOLL’S. Und im August 2020 schloss das Unternehmen den Verkauf seiner Tierarznei-Sparte für 5,17 Milliarden Dollar an ELANCO ab und vernichtete auf diesem Weg 4.400 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns. Sie „werden zu vergleichbaren Konditionen weiterbeschäftigt“, versicherte die Aktien-Gesellschaft eilfertig.

Die Frauen-Quote kommt

Jahrelang hat die Politik den großen Konzernen Zeit gelassen, den Frauen-Anteil in den Vorständen und den Leitungsetagen darunter freiwillig zu erhöhen. Geschehen ist jedoch kaum etwas. Darum will die Große Koalition nun ein Gesetz zur Einführung einer Frauen-Quote auf den Weg bringen. Das Paragrafen-Werk sieht vor, die Unternehmen zu verpflichten, ab einer Vorstandsgröße von vier Personen mindestens einen Sitz einer Frau einzuräumen, wenn eine Neubesetzung ansteht. BAYER & Co. zeigten sich darüber not amused. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) spricht von einem „starken Eingriff in die unternehmerische Freiheit“ und die „Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeber“ bezeichnet das Vorhaben sogar als „verfassungsrechtlich fragwürdig“. Auch der Leverkusener Multi wird sich in Sachen „Gleichberechtigung“ nun sputen müssen. Er bekundet zwar auf seiner Website: „Das Ziel, das dem Vorstand zum Ende der für das Ziel gesetzten Frist am 30. Juni 2022 und möglichst auch früher eine Frau angehört, wird weiter intensiv verfolgt“, schaffte es jedoch bis jetzt nicht, Vollzug zu melden. Nicht besser schaut es in den beiden ersten Führungsebenen darunter aus. Hier verfehlte der Global Player die Vorgaben von 17 bzw. 21 Prozent, die aus dem Jahr 2017 stammen. Zur Entschuldigung führt er den MONSANTO-Deal und die nachfolgenden Umstrukturierungen an. „Aufgrund dieser Veränderungen konnten die ursprünglich gesetzen Ziele nicht erreicht werden.“

BAYER „militär-freundlich“

Die US-amerikanische Organisation „Military Friendly“ zeichnete den Leverkusener Multi im September 2020 als „militär-freundlichen Arbeitgeber“ aus. Damit ehrte die Vereinigung BAYERs „proaktive Anstrengungen, Veteranen und Militär-Angehörige durch betriebliche Maßnahmen zu ehren, zu integrieren und zu fördern“. Der Konzern, der mit BRAVE beispielsweise eine eigene Struktur zur Unterstützung von Veteranen unterhält, sah sich seinerseits zu Dank verpflichtet. „Diese mutigen Männer und Frauen unserer bewaffneten Truppen haben durch ihren Geist der Opferbereitschaft und den Dienst, den sie ihrem Land erweisen, den Respekt und die Bewunderung aller Amerikaner verdient“, sagte BAYER-Manager Raymond F. Kerins zur Feier des Tages und sprach von „Helden“. Philip Blake, der ehemalige US-Chef des Agro-Riesen, stand dem nicht nach: „Wir bewundern die hohen Werte und den Geist, den unsere Soldaten und Soldatinnen jeden Tag mit zur Arbeit bringen – Führungsqualitäten, Disziplin und Tatkraft.“ Kampferprobte Werte gelten in der Geschäftswelt ganz offensichtlich mehr als demokratische.

KONZERN & VERGANGENHEIT

40 Jahre Dünnsäure-Proteste

Im Jahr 1980 initiierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gemeinsam mit GREENPEACE eine Blockade des Leverkusener Rhein-Anlegers. So wollten die AktivistInnen das Auslaufen eines Tankers verhindern, der eine giftige BAYER-Fracht an Bord hatte: Dünnsäure, also verdünnte Schwefelsäure. Mit dieser Ladung nahmen die Schiffe tagein, tagaus Kurs Richtung Nordsee, wo sie das chemische Abfall-Produkt dann einfach ins Meer kippten. 280.000 Tonnen pro Jahr allein aus der Produktion des Konzerns entsorgten die Boote vor der Küste. Eine Umweltgefährdung sah der Leverkusener Multi darin nicht. Die Dünnsäure sei „für die Nordsee keine Mehrbelastung“, wiegelte der damalige BAYER-Chef Herbert Grünewald ab. Als die Proteste größer wurden, drohte das Unternehmen sogar, die Chemikalie einfach in den Rhein zu leiten und brachte in alter Manier das Arbeitsplatz-Argument ins Spiel. Wenn die Gewässer als Müllkippe ausfielen, ständen 4.000 Jobs zur Disposition, warnte die Aktien-Gesellschaft. Und so machte sich die Dünnsäure von Leverkusen aus noch lange Jahre auf die Reise gen Nordsee. Erst 1990 führte der beharrliche Kampf der UmweltschützerInnen zu einem Verbot der Dünnsäure-Verklappung. Viele Menschen politisierten sich im Zuge der Proteste wie etwa die jetzige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Als Studentin nahm sie an den Blockaden in Leverkusen teil, wie die Politikerin in einem Interview berichtete. „GREENPEACE segelte (...) mit einem alten Dreimaster von Köln nach Leverkusen und versuchte, das zu stoppen. Und das hat mich so mitgenommen, dass ich gesagt habe: ‚Wenn man durch Diskussionen gesellschaftliche Prozesse nicht ändern kann, dann muss man eine Aktion machen, die so viel Aufmerksamkeit erregt, dass auch so ein Unternehmen in Argumentationszwang kommt.’ Und das war im Grunde für mich so eine Initialzündung.“ Die war es dann auch für GREENPEACE selbst. Fünf Wochen nach den Blockaden, am 17. November 1980, gründete sich die deutsche Sektion offiziell.

POLITIK & EINFLUSS

Treffen mit EU-Kommission

Im Mai 2020 hatte die Europäische Union zwei wesentliche Elemente ihres „Green Deals“ vorgestellt: die Biodiversitätsstrategie und die Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“. Letztere gibt nach Ansicht der EU „eine umfassende Antwort auf die Herausforderungen nachhaltiger Lebensmittel-Systeme und erkennt an, dass gesunde Menschen, gesunde Gesellschaften und ein gesunder Planet untrennbar miteinander verbunden sind“. Auf der Agenda steht deshalb unter anderem eine Dezimierung des Pestizid-Einsatzes bis 2030 um 50 Prozent. Da sah der BAYER-Konzern Gesprächsbedarf: Er bat um einen Termin bei der EU-Kommission – „at the highest level“. Mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments und PolitikerInnen der Mitgliedsstaaten hatte der Global Player sich über das Thema zuvor schon ausgetauscht, wie er in seinem Gesuch mitteilte. Anfang August 2020 kam es dann zu einem Treffen mit VertreterInnen der Generaldirektion Agrar, wie Recherchen des CORPORATE EUROPE OBSERVER (CEO) zu den Lobby-Aktivitäten von BAYER & Co. im Umfeld der EU-Landwirtschaftsstrategie ergaben. Bei dem Meeting versuchte das Unternehmen für seine Vorstellungen zur Verminderung der Risiken und Nebenwirkungen zu werben, die von seinen Ackergiften ausgehen. Der Leverkusener Multi will nicht die Gesamtmenge der ausgebrachten Agro-Chemikalien verringern, sondern nur die negativen Effekte, und diese genau um 30 Prozent. „Wenn man die Umwelt-Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln reduzieren will, reicht es nicht aus, nur auf die Volumina zu schauen, meint der BAYER-CROPSCIENCE-Chef Liam Condon nämlich. Strengere Regelungen in dem Bereich hält die Aktien-Gesellschaft nicht für nötig, ließ sie die Generaldirektion Agrar wissen. Zudem plädierte der Agro-Riese noch für schnellere Zulassungen und warnte vor den ökonomischen Folgen einer nur ökologische Ziele verfolgenden Landwirtschaftspolitik.

Extrem-Lobbying der ECPA in Brüssel

Nicht nur der BAYER-Konzern selbst, sondern auch sein Brüsseler Interessenverband, die „European Crop Protection Association“ (ECPA), tat alles, um die Biodiversitäts- und Landwirtschaftsstrategie der EU zum Vorteil der Branche zu verwässern (s. o.). Das ergaben Recherchen des CORPORATE EUROPE OBSERVER (CEO). Vor allem trachtete die ECPA danach, die Kommission von dem Ziel abzubringen, den Pestizid-Einsatz bis 2030 um 50 Prozent zu senken. Als nicht realistisch bezeichnete sie diese Vorgabe in einem Gespräch mit VertreterInnen der Generaldirektion Agrar und schlug stattdessen 25 Prozent vor. Und auch nach der Verabschiedung der „Farm to Fork“-Strategie ließ die Lobby-Organisation nicht locker. So sponserte sie im Oktober 2020 eine Veranstaltung, welche sich mit den möglichen Folgen der neuen Agrar-Politik auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen LandwirtInnen beschäftigte. Schützenhilfe erhielt die ECPA überdies von seinem internationalen Pendant „Croplife International “, das in Tateinheit mit der BASF im Juni 2020 ein Roundtable-Gespräch mit dem Agrar-Kommissar Janusz Wojciechowski anberaumte. Über die TeilnehmerInnen und Themen wollte die Europäische Union CEO keine Auskünfte geben. Solche Informationen würden „den kommerziellen Interessen des Organisatoren schaden“, bekundete die EU.

BAYER sponsert ALDE

Im Europa-Parlament ist BAYERs Partei der Wahl die „Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa“ (ALDE). 2017 ließ der Konzern ihr 12.000 Euro zukommen und 2018 sogar 18.000 Euro. Auch MICROSOFT und HYUNDAI überwiesen der ALDE hohe Beträge. Nach Bekanntwerden dieser massiven Unterstützung aus Kreisen der Wirtschaft erklärte die Fraktionsspitze, auf Zuwendungen von Privat-Unternehmen künftig verzichten zu wollen.

Werbe-Plattform Botschaft

Die Deutschen Botschaften in Südamerika verstehen sich offensichtlich als Lobby-Agenturen zur Förderung des Außenhandels von BAYER & Co. So protestierte der Agrar-Attaché der Deutschen Botschaft in Mexico, Martin Nissen, nicht nur vehement gegen das von der Regierung Obrador verhängte Import-Verbot für Glyphosat und 16 weitere gefährliche Pestizide (s. o.), er verschaffte den Unternehmen auch Gelegenheiten, sich in seinem Hause zu präsentieren. So richtete die Botschaft im November 2019 eine Tagung zur nachhaltigen Nahrungsmittelsicherheit aus. Bei dieser Veranstaltung durfte sich der BASF-Manager José Eduardo Vieira Moraes über die Auswirkungen von Pestiziden auf Umwelt und Gesundheit auslassen und sein BAYER-Kollege Dr. Klaus Kunz über Versuche des Leverkusener Multis, eine Mais-Sorte zu entwickeln, die angeblich dem Klimawandel besser trotzen kann.

Amtshilfe in Sachen „Glyphosat“

Im Jahr 2017 hatten 43 Personen bei der mexikanischen Menschenrechtskommission CNDH wegen des unkontrollierten Einsatzes hochgefährlicher Pestizide in dem Land eine Beschwerde eingereicht (Ticker 3/20). Unter den inkriminierten Ackergift-Wirkstoffen finden sich zahlreiche, die auch in BAYER-Produkten enthalten sind wie z. B. Mancozeb, Glyphosat, Atrazin, Deltamethrin, Methamidophos, Imidacloprid, Carbofuran, Endosulfan, Bifenthrin und Carbendazim. Die CNDH gab den Beschwerde-TrägerInnen im Februar 2019 Recht und empfahl der Politik eine Reihe von Maßnahmen. Und diese reagierte, wie das Portal amerika21 berichtet: Die mexikanische Zentralregierung erließ für Glyphosat und 16 weitere Ackergifte einen Import-Bann. Anschließend lud sie MitarbeiterInnen ausländischer BotschafterInnen zu einem Treffen ein, um ihnen die geplanten Einschränkungen näher zu erläutern. Bei dieser Zusammenkunft zeigte sich der Agrar-Attaché der Deutschen Botschaft, Martin Nissen, „sehr verärgert“ über die drohenden Verbote. „Leider wurde der Vorschlag zum Glyphosat-Ausstieg durch einen Vertreter der Deutschen Botschaft aus der Abteilung ‚Ernährung, Landwirtschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz’ heftig gerügt“, berichteten die mexikanischen Sektionen des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKS (PAN) und von GREENPEACE ihren deutschen Partner-Organisationen. Nissen prophezeite der mexikanischen Landwirtschaft düstere Zeiten, weil den FarmerInnen Alternativen zu den Mitteln fehlen würden, und warnte vor dem Entstehen eines Schwarzmarktes für Glyphosat & Co. PAN und GREENPEACE erboste dieser Auftritt des Sozialdemokraten. Während die Europäische Union im Rahmen ihrer „Farm to Fork“-Strategie den Agrochemie-Verbrauch bis zum Jahr 2030 um die Hälfte reduzieren will, opponierten die EmissärInnen der EU-Länder in Südamerika gegen Beschränkungen, hielten die Initiativen fest und bezeichneten das als „völlig inkohärent“. Zudem klagten sie über den immensen Lobby-Druck, den Konzerne wie BAYER entfalteten, um den Pestizid-Plan der Regierung Obrador zu stoppen.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER rettet die Welt

Mit der MONSANTO-Übernahme hat der Leverkusener Multi auch das Thema „Welthunger“ entdeckt. „Gemeinsam können wir noch mehr dazu beitragen, dass im Jahr 2025 zehn Milliarden Menschen satt werden“, verkündete Konzern-Chef Werner Baumann damals. Eine solche Mission kauften ihm aber noch nicht einmal die konservativen Zeitungen ab. Als eine „stets etwas salbungsvoll klingende Kapitalmarkt-Story für den Mega-Deal“ bezeichnete etwa die FAZ solche Bekenntnisse. Das hindert den Konzern jedoch nicht daran, die Mär wieder und wieder zu erzählen. Unlängst tat dies BAYERs Agro-Chef Liam Condon, dem der Focus dafür Platz einräumte. Unter der Überschrift „Eine Welt ohne Hunger? Das schaffen wir!“ durfte er seine Ansichten verbreiten. Aller wissenschaftlichen Expertise zum Trotz führt Condon die Mangelversorgung nicht auf ein Verteilungsproblem zurück. Ihm zufolge gibt es einfach zu wenig Nahrungsmittel, um die Menschen satt zu machen. Und da Anbau-Fläche nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, braucht es eine intensive Landwirtschaft mit innovativen Produkten, wie sie nur ein Welt-Konzern mit großen Forschungskapazitäten zu entwickeln vermag. Die Entwicklungsorganisation OXFAM nennt das den Welternährungsmythos. „Er suggeriert, dass eine höhere Produktion weniger Hunger bedeutet. Menschen hungern jedoch, weil sie extrem arm sind und sich keine Lebensmittel leisten können“, konstatiert sie. Ihr schlichtes Fazit lautet: „Jenen, die den Welternährungsmythos bemühen, geht es in erster Linie um die Profite von Agrar-Konzernen und weniger um bessere Bedingungen für Hungerleidende.“

BAYER & Co. kapern FAO

Die Vereinten Nationen und ihre Unter-Organisationen geraten immer mehr unter den Einfluss der Superreichen und der Konzerne. So ging die UN im Jahr 2000 eine Kooperation mit BAYER und 43 weiteren Multis ein. Inzwischen schlossen sich über 7.000 weitere Unternehmen diesem „Global Compact“ an. Unterdessen bestimmt Bill Gates mit seinem Spenden-Geld immer mehr die Agenda der Weltgesundheitsorganisation. Und nun öffnet sich auch noch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO den Agro-Riesen. Sie vereinbarte eine Partnerschaft mit „Crop-life International“, dem weltweit agierenden Lobby-Verband von BAYER & Co. Mehr als 350 Organisationen, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, protestierten in einem Offenen Brief scharf gegen diese Allianz. „Wir brauchen eine starke und von der Pestizid-Industrie unabhängige FAO, die sich – frei von Markt-Interessen globaler Konzerne – für sichere gesunde Ernährung und nachhaltige Anbau-Systeme zum Wohl aller Menschen einsetzt“, hielt etwa Susan Haffmans vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK in dem Schreiben fest. In ihrer Antwort verteidigte die FAO ihre Entscheidung. Sie versicherte zwar, ihre Unabhängigkeit als wichtiges Gut zu betrachten, betonte aber gleichwohl die Bedeutsamkeit einer Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren. Von einem „Geist der Inklusivität“ sprach Generaldirektor Qu Dongyu in diesem Zusammenhang. „Wir sehen strategische Partnerschaften mit dem Privatsektor als wichtig an, um innovative Ansätze zur Unterstützung einer nachhaltigen Landwirtschaft zu identifizieren und umzusetzen und letztlich ein besseres und verantwortungsvolleres Engagement und Verhalten zu fördern“, erklärte der Chinese. BAYER kennt er noch aus seiner Zeit als stellvertretender Landwirtschaftsminister. So nahm er im Jahr 2019 an der feierlichen Zeremonie zur Unterzeichnung eines vage bleibenden Umwelt-Pakts zwischen der Regierung und dem Leverkusener Multi teil. Und bei diesem Anlass ließ er sich es nicht nehmen zu betonen, dass China den MONSANTO-Deal noch vor den USA und Europa abgesegnet und damit signalisiert habe, wie positiv es dem Deal gegenüber eingestellt sei. Darüber hinaus versprach Qu Dongyu eine weitere Öffnung des Landes inklusive noch besserer Bedingungen für multinationale Unternehmen.

Hardy Krüger jr. in BAYER-Mission

Der Leverkusener Multi hat einen Film drehen lassen, der ihn als großen Kümmerer in Sachen „Welternährung“ zeigt. Als Überbringer der Botschaft engagierte er den Schauspieler Hardy Krüger jr. In „Wie ernähre ich mich richtig?“ reist der gelernte Koch auf der Suche nach einer Antwort kreuz und quer durch die Lande. Er spricht unter anderem mit TierzüchterInnen, WissenschaftlerInnen und LandwirtInnen, wobei er durchaus auch mal Biobauern und -bäuerinnen sein Ohr leiht. BAYER-Labore besucht er natürlich ebenfalls. Und selbstverständlich darf BAYERs Agro-Chef Liam Condon mit seinem Mantra: „Wir werden mehr Nahrungsmittel erzeugen müssen, aber wir haben nur begrenzte natürliche Ressourcen“ (s. o.) nicht fehlen, das ihm immer zur Begründung der Unabdingbarkeit einer auf Hochtechnologie basierenden, industriell betriebenen Landwirtschaft dient. Die Lage ist ernst, lautet am Ende das Fazit von Hardy Krüger jr., es gebe jedoch noch eine Chance, eine Lösung zu finden – aber natürlich nur „zusammen mit der Wirtschaft und der Politik“.

Acht Millionen für ÄrztInnen

Von den rund 57 Millionen Euro, die der BAYER-Konzern 2019 zur Absatz-Steigerung seiner Produkte ins Gesundheitswesen pumpte, erhielten ÄrztInnen ca. acht Millionen. Eine detaillierte Aufschlüsselung des Verwendungszwecks der Gelder gibt das Unternehmen nur für diejenigen MedizinerInnen an, die lieber inkognito bleiben wollen. Mit 6,5 Millionen Euro floss ein Großteil der Summe in diesen Bereich. 3,15 Millionen davon gingen für Vortrags- oder Beratungshonorare drauf; 1.549 Doctores standen dem Leverkusener Multi hier zu Diensten. Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von 2,1 Millionen Euro, die bei Kongressen und ähnlichen Veranstaltungen anzufallen pflegen, übernahm der Pharma-Riese derweil für 4.756 Weißkittel.

BAYER bedenkt Fachgesellschaften

Zu den Akteuren des Gesundheitswesens, die BAYER mit hohen Summen beglückt (s. o.), gehören auch die medizinischen Fachgesellschaften nebst den von ihnen veranstalteten Kongressen und Weiterbildungen. Und wenn sich die Tätigkeiten der Organisationen auf ein Gebiet erstrecken, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ im Jahr 2019 über 50.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese sicherlich bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate. Die „Deutsche Gesellschaft für Urologie“ bedachte er ebenfalls. 86.000 Euro landeten bei ihr auf dem Konto. Das Marktumfeld für seine nebenwirkungsreichen Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST, PRIMOVIST und MAGNEVIST gestaltete der Pillen-Riese durch Zuwendungen an die „Deutsche Röntgen-Gesellschaft“ (16.000 Euro) und ihren Kongress (120.000 Euro) freundlicher. Der „Kongressverein für radiologische Diagnostik“ verbuchte sogar 127.000 Euro. Der Absatz-Förderung des gentechnisch hergestellten Augen-Präparats EYLEA dienten Überweisungen an den „Bundesverband der Augenärzte“ (23.000 Euro), der „Augenärztlichen Akademie“ (16.000 Euro) und der „Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft“ (95.000 Euro) nebst Kongress (86.000 Euro). Das meiste Geld aber gab der Global Player für die Promotion seines umstrittenen Gerinnungshemmers XARELTO aus. Schecks erhielten hier unter anderem das „Online Portal Kardiologie“ (250.000 Euro) und der „Bundesverband niedergelassener Kardiologen“ (54.000 Euro). Dessen Fortbildungsforum strich dann nicht weniger als 333.000 Euro ein. Die „Deutsche Gesellschaft für Angiologie“ bekam 65.000 Euro und die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie“ 226.000 Euro. Deren Kongress nebst BAYER-Symposien bezuschusste der Konzern mit 53.000 Euro. Die Jahrestagung der „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“ war ihm 106.000 Euro wert. Die GEBE GmbH, die im Bereich „Verhütung“ eine „Gesundheitsförderung durch aufsuchende Beratung“ betreibt, erhielt 70.000 Euro und erbrachte dafür die Gegenleistung „Logo/Nennung im Programm/Standgebühr“.

BAYER bedenkt Krankenhäuser

Auch in die Pflege der Krankenhaus-Landschaft investierte der Leverkusener Multi im Jahr 2019 viel Geld. So erhielten beispielsweise das Universitätsklinikum Aachen 36.000 Euro, das Dresdener Universitätsklinikum Carl Gustav Carus 25.000 Euro, die Münsteraner Klinik und Poliklinik für allgemeine Orthopädie 18.000 Euro, das Berliner Gertrauden-Krankenhaus ebenfalls 18.000 Euro, die Berliner Charité 62.000 Euro, das Krankenhaus Martha-Maria in Halle 64.000 Euro, das Institut für Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene des Universitätsklinikums Köln 30.000 Euro, die Hautklinik der Hochschule Hannover 28.000 Euro und die Hamburger Martini-Klinik 50.000 Euro an Zuwendungen.

DRUGS & PILLS

XARELTO: Mehr Todesfälle

BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zählt gemeinsam mit LIXIANA, PRADAXA und ELIQUIS zu den „Neuen Antikoagulanzien“ (NOAK), denen es – nicht zuletzt dank immenser Werbe-Etats – gelang, der bisherigen Standard-Therapie mit MARCUMAR (Wirkstoff: Phenprocoumon) Markt-Anteile wegzunehmen. Dabei spricht die Sicherheit eindeutig für MARCUMAR, wie auch eine Studie des „Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland“ wieder belegt. So kommt es unter Phenprocoumon seltener zu Schlaganfällen als unter NOAK. Um dreizehn Prozent sinkt die Wahrscheinlichkeit im Vergleich zu XARELTO, um 52 Prozent im Vergleich zu ELIQUIS und um 93 Prozent im Vergleich zu PRADAXA. Bei den Blutungen hingegen zeigen sich die NOAK überlegen. Das Risiko reduziert sich gegenüber MARCUMAR um elf Prozent; nur XARELTO tanzt hier mit einem Gefährdungspotenzial von plus drei Prozent aus der Reihe. Als Ursache für die höhere Schlaganfall-Rate vermutet das Fachblatt arznei-telegramm eine in der Regel zu niedrige Dosierung der NOAK, sieht da aber noch Klärungsbedarf.

Kein ASPIRIN in der Schwangerschaft

Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat ihre Empfehlungen bezüglich der Nutzung von ASPIRIN und anderen Schmerzmitteln in der Schwangerschaft verschärft. Bisher riet die Einrichtung dazu, die Mittel ab der 30. Woche nicht mehr zu nutzen, weil diese das Herz des Kindes schädigen können. Jetzt hält sie es für ratsam, schon ab der 20. Woche auf die Präparate zu verzichten. Sie drohen nämlich die Nierenfunktionen des Fötus zu stören und damit auch die Fruchtwasser-Produktion, was wiederum das Risiko erhöht, dass sich die Atemorgane, die Muskeln und/oder das Verdauungssystem nicht richtig entwickeln.

Kooperation mit EXSCIENTIA

Das britische Unternehmen EXSCIENTIA hat ein Verfahren entwickelt, mittels Künstlicher Intelligenz eine Vorauswahl von solchen Molekülen zu treffen, die vielleicht als Arznei-Wirkstoffe infrage kommen. BAYER will sich diese Technologie zunutze machen und hat deshalb einen Vertrag mit der Firma geschlossen. Konkret bezieht sich der Suchauftrag auf Substanzen zur Therapie von Krebs und Herz/Kreislauf-Erkrankungen. Zahlungen von bis zu 240 Millionen Euro plus Umsatz-Beteiligungen stellt der Leverkusen Multi dem Unternehmen in Aussicht, sollte es liefern können.

Neue Zulassung für LAMPIT

Die BAYER-Arznei LAMPIT (Wirkstoff: Nifurtimox) kommt schon lange zur Behandlung der Chagas-Krankheit zum Einsatz, die der Parasit „Trypanosoma cruzi“ überträgt und vor allem in Lateinamerika stark verbreitet ist. Anfang des Jahres erhielt der Leverkusener Multi in den USA nun die Zulassung für eine kinder-verträgliche Nifurtimox-Formulierung. „Kampf gegen vernachlässigte Tropen-Krankheiten Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie von BAYER“, verlautete flugs aus der Konzern-Zentrale. Dabei hat der Global Player das Forschungsfeld „Tropenkrankheiten“ schon vor langer Zeit abgewickelt und setzt nur noch auf die Alt-Medikamente, die aus dieser Abteilung einst hervorgingen.

VERICIGUAT überzeugt nicht

BAYER hat in der EU und in Japan Anträge auf Genehmigung der Arznei Vericiguat gestellt, die zur Behandlung chronischer Herz-Insuffizenz bestimmt ist. Der Leverkusener Multi hat das Mittel, das in Kombination mit den gängigen Therapien zum Einsatz kommen soll, gemeinsam mit dem Unternehmen MSD entwickelt. Bei den Klinischen Prüfungen konnte es dem Pharma-Riesen zufolge überzeugen. „In der VICTORIA-Studie sank das absolute Risiko für kardio-vaskulären Tod oder Hospital-Aufenthalte aufgrund von Herz-Insuffizienz um 4,2 Ereignisse pro 100 Patienten-Jahre“, vermeldete der Konzern. Wenn also 24 bis 28 herzkranke Personen über ein Jahr lang Vericiguat bekommen, kann das Medikament eine/n von ihnen vor einem Herzinfarkt oder dem Krankenhaus verschonen. Tieferen Einblick in die Untersuchung gab der Global Player auf einem Kongress des „American College of Cardiology“. Und dieser wirkte einigermaßen ernüchternd. Als Studien-Ziel für das Präparat die Verhinderung von Todesfällen oder Klinik-Einweisungen definiert zu haben, erwies sich nämlich im Nachhinein als geschickter Schachzug, mit dem die Aktien-Gesellschaft verbarg, dass VERICIGUAT auf den weit wichtigeren der beiden Parameter – die Sterbe-Rate – keinen statistisch signifikanten Einfluss hatte. FARXIGA von ASTRA ZENECA oder ENTRESTO von NOVARTIS zeigten da bessere Resultate. Das Pharma-Portal Evaluate räumt dem BAYER-Pharmazeutikum daher Marktchancen nur im Segment der Herz-PatientInnen mit hohem Gefährdungspotenzial ein.

Kein SATIVEX-Vertrieb mehr

Im Jahr 2010 hatte BAYER in Großbritannien die Vertriebsrechte für das Cannabis-Spray SATIVEX vom Hersteller GW PHARMAZEUTICALS erworben. Nun ließ der Leverkusener Multi den Vertrag auslaufen. Das Mittel, das zur Linderung bestimmter Begleiterscheinungen der Multiplen Sklerose wie etwa Spastiken zum Einsatz kommt, hat offenbar die Profit-Erwartungen des Konzerns nicht erfüllen können.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat schädigt Hormon-Haushalt

Glyphosat ruft zahlreiche Krankheiten hervor. So stuft die Weltgesundheitsorganisation WHO das Pestizid als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Aber auch die Nieren vermag das Mittel anzugreifen. Zunächst als Substanz zur Wasser-Enthärtung zugelassen, bindet es nämlich Kalzium, Magnesium und andere Metalle, welche die Funktion dieses Organs stören. Zudem machen zahlreiche MedizinerInnen das Total-Herbizid für Schwangerschaftskomplikationen verantwortlich, die zu Fehlgeburten führen oder Kinder mit massiven gesundheitlichen Problemen wie etwa Speiseröhren-Anomalien auf die Welt kommen lassen. Der Grund: Glyphosat wirkt auf die Retinsäure ein, die bei der Embryonal-Entwicklung eine bedeutende Rolle spielt. Und jetzt fanden die WissenschaftlerInnen Juan Monoz, Tammy Bleak und Gloria Calaf von der chilenischen Tarapacá-Universität neue Belege für hormon-ähnliche und deshalb gefährliche Effekte des Produktes. Den ForscherInnen zufolge erfüllt es acht der zehn Kriterien, die für endokrine Disruptoren (EDC) gelten. Substanzen dieser Kategorie gleichen in ihrem chemischen Aufbau Hormonen und können deshalb den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln mit Folgen wie Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit oder Unfruchtbarkeit.

Glyphosat-Restriktionen in Frankreich

Andere Staaten gehen viel rigoroser gegen Glyphosat vor als Deutschland. Luxemburg hat das Herbizid ganz verboten, und Frankreich schränkt den Gebrauch drastisch ein. So zog das Nachbarland bereits mehr als zwei Drittel der 190 glyphosat-haltigen Mittel aus dem Verkehr. Und LandwirtInnen, die partout nicht auf das Pestizid oder andere ähnlich schädliche Produkte verzichten wollen, müssen eine Umweltzulage zahlen. Zudem darf das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Ackergift nur in bestimmten Mengen ausgebracht werden. Und im Oktober 2020 reduzierte die Zulassungsbehörde ANSES die erlaubten Höchstgrenzen noch einmal um 60 Prozent für Obstgärten und Ackerflächen sowie um 80 Prozent für Wein-Kulturen.

Glyphosat in höherer Konzentration

BAYER hat ein Glyphosat-Produkt mit einer neuen Formulierung auf den Markt gebracht. Das ROUNDUP POWERMAX 3 enthält eine höhere Konzentration des Wirkstoffes und kann dementsprechend noch mehr Schaden anrichten.

Glyphosat: Klöckner spielt auf Zeit

Bereits Mitte April 2018 hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ihre Strategie zur Minimierung der Verwendung glyphosat-haltiger Pestizide vorgestellt. Dazu gehörten ein Verbot der Verwendung in Privatgärten, in der Nähe von Gewässern und auf allgemein zugänglichen Flächen rund um Kindergärten, Schulen, Sportanlagen und Altenheime. Auch beabsichtigte die CDU-Politikerin, letzte Ausnahmen hinsichtlich der Glyphosat-Nutzung in Naturschutzgebieten und dort, wo ein ausreichender Artenschutz nicht gewährleistet werden kann, zu streichen. Liefern wollte sie bis 2020, doch geschehen ist bisher noch nichts. Der Reduktionsplan werde noch „erarbeitet“ und dann sei noch eine Folgenabschätzung nötig, verlautete aus dem Ministerium. Auch bei Maßnahmen zur Eindämmung des Insektensterbens kann Klöckner noch nicht Vollzug melden. Das Umweltministerium wirft der Christdemokratin deshalb Blockade-Politik vor und beschwerte sich beim Bundeskanzleramt. Die Ministerin verhindere „jedweden Fortschritt beim Insektenschutz und bei der Beschränkung von schädlichen Pflanzenschutzmitteln“, hieß es in dem Schreiben. Zur rechtlichen Umsetzung der diesbezüglichen Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag habe das Bundeslandwirtschaftsministerium „bislang Folgendes geliefert: nichts“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte diese Obstruktionsstrategie ebenfalls scharf. „Im Koalitionsvertrag heißt es eindeutig: ‚Wir werden mit einer systematischen Minderungsstrategie den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln deutlich einschränken mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden.’ Julia Klöckner muss das jetzt endlich umsetzen“, forderte die CBG in ihrer Presseerklärung.

Glyphosat schädigt die Darmflora

Nach einer Untersuchung von ForscherInnen der finnischen Universität Turku hat Glyphosat einen negativen Einfluss auf die Darmflora. Den WissenschaftlerInnen zufolge reduziert das Herbizid die Vielfalt der Mikroorganismen und ändert deren Zusammensetzung. Das Mittel blockiert nämlich das Enzym EPSPS, das für die den Darm besiedelnden Mikroorganismen eine wichtige Funktion erfüllt. „Wir können davon ausgehen, dass eine langfristige Exposition gegenüber Glyphosat-Rückständen zur Dominanz resistenter Stämme in der Bakteriengemeinschaft führt“, konstatieren die WissenschaftlerInnen. Auch vor einer Schwächung der Immun-Abwehr und dem Auftreten anderer Gesundheitsstörungen, die mit einer geschädigten Darmflora in Verbindung stehen, warnen sie.

Aus für Chlorothalonil

BAYER darf das Fungizid AMISTAR innerhalb der EU nicht mehr vermarkten. Nach einem Gutachten der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA können die Abbau-Produkte von dessen Wirkstoff Chlorothalonil Fische und Amphibien schädigen und die Trinkwasser-Gewinnung gefährden. Darum zog Brüssel das Ackergift aus dem Verkehr.

Viele Pestizide in Obst und Gemüse

Das „Chemisches und Veterinär-Untersuchungsamt Stuttgart (CVUA) entdeckte auch 2019 wieder viele Pestizid-Rückstände in Obst und Gemüse. 95 Prozent der insgesamt 753 Obst-Proben enthielten Ackergift-Spuren. Bei den 916 Gemüse-Proben waren es 93 Prozent. 166 davon lagen sogar über dem Grenzwert. Eigentlich hätten diese Produkte in den Supermärkten überhaupt nichts mehr zu suchen. „Ein Lebensmittel mit Rückständen über dem Rückstandshöchstgehalt ist nicht verkehrsfähig, darf also nicht verkauft werden“, hält das CVUA fest. Auch Wirkstoffe, die in BAYER-Erzeugnissen enthalten sind wie Bifenthrin, Carbendazim, Chlorthalonil, Flupyram und Tebuconazol lagen über dem Limit. In der Rangliste der Ackergifte, deren Rückstände sich am häufigsten in Tomaten, Bohnen & Co. fanden, waren Agro-Chemikalien des Leverkusener Multis ebenfalls gut vertreten. Den „besten“ Platz belegte dabei Fluopyram mit 216 positiven Befunden. Propamocarb kam auf 72, Imidacloprid auf 68, Thiacloprid auf 61, Tebuconazol auf 60, Deltametrin auf 43, Spiromesifen auf 42 und Trifloxystrobin auf 33.

Neues Herbizid auf dem Markt

BAYER hat in den USA ein neues Herbizid für Weizen-Kulturen auf den Markt gebracht. Das Mittel mit dem Produkt-Namen LUXXUR (Inhaltsstoffe: Thiencarbazone-methyl und Tribenuron-methyl) wirkt hauptsächlich gegen Wildhafer, kann dem Leverkusener Multi zufolge jedoch auch anderen Wildpflanzen das Leben schwer machen.

Herbizid in der Entwicklung

BAYER-WissenschaftlerInnen entdeckten ein Molekül, das im Labor gegenüber einigen Gräser-Arten Wirkung zeigte. Aber bis zum fertigen Produkt ist es noch ein weiter Weg; zehn Jahre kalkulieren die ForscherInnen dafür ein. In einer Parallelaktion machen sie sich jedoch schon einmal daran, Pflanzen mittels gentechnischer Verfahren eine Resistenz gegen das Antiunkraut-Mittel einzubauen. Das eröffnet nämlich die lukrative Möglichkeit, den LandwirtInnen später einmal ganze Kombi-Packs zu verkaufen. Hoffnung auf einen Ersatz für das umstrittene Glyphosat macht das Molekül dem Leverkusener Multi zufolge jedoch nicht. Es zählt nämlich im Gegensatz zu der von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Substanz nicht zu den Breitband-Herbiziden, die gleich dutzende von unerwünschten Gewächsen von den Feldern fegen.

Vereinbarung mit CLAAS

BAYER hat mit dem Landmaschinen-Hersteller CLAAS eine Kooperation im Bereich der digitalen Landwirtschaft vereinbart. LandwirtInnen, die CLAAS TELEMATICS zur Erhebung von Daten nutzen, erhalten nun auch Zugriff auf die BAYER-Plattform FIELDVIEW. Das Tool des Leverkusener Multis stellt unter anderem Informationen über das Wetter, bereits bearbeitete Felder, die durchschnittliche Getreide-Feuchte sowie Ertragsberichte und Karten zur Verfügung.

PFLANZEN & SAATEN

Nährstoff-Verluste bei Tomaten

Den Markt für Gemüse-Saatgut beherrschen wenige große Konzerne. Neben BAYER gehören unter anderem LIMAGRAIN, SYNGENTA und BASF zu dem Oligopol. Bei ihren Züchtungen kommt es den Multis hauptsächlich auf hohe Erträge, längere Haltbarkeit und ein ansprechendes Äußeres an. Und genau das ist es, was ihren Erzeugnissen den Geschmack und den Nährgehalt nimmt, wie der Film „Das Saatgut-Kartell“ von Linda Bendali dokumentiert. So vermindern etwa die eingezüchteten Eigenschaften, die den Reife-Prozess von Tomaten verlangsamen, um sie auch mit langsameren und deshalb billigeren Transportmitteln zu ihrem jeweiligen Bestimmungsort bringen zu können, die Gaumenfreuden und die positiven Effekte auf die Gesundheit. Aromen sind nämlich auch Nährstoffe. So enthält etwa eine moderne Hochleistungstomate einer hybriden, also nicht für die Wiederaussaat geeigneten Art 29 Prozent weniger Magnesium als eine alte Sorte, sowie 56 Prozent weniger Polyphenole, 58 Prozent weniger Lycopin und 72 Prozent weniger Vitamin C.

GENE & KLONE

Bt-Pflanzen giftiger als erwartet

BAYER & Co. haben zahlreiche Pflanzen per Gentechnik mit Proteinen des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt, um diese gegen Schadinsekten zu wappnen. Auf diesem Wege ändert das Boden-Bakterium jedoch seine natürlichen Eigenschaften. So nimmt die Giftigkeit stark zu, bis zu 20 Mal höher kann sie sein. Das belegen alte Dokumente des jetzt zu BAYER gehörenden Unternehmens MONSANTO, welche die Initiative TESTBIOTECH aufgespürt hat. Die Bt-Proteine interagieren nämlich mit den Enzymen der Gewächse, in welche die GenwerkerInnen sie eingebaut haben. Bei den Genehmigungsverfahren spielte die stärkere Toxizität nie eine Rolle. Darum fordert die Organisation die EU auf, die derzeit anstehenden Anträge von BAYER und SYNGENTA für Importzulassungen von gentechnisch veränderten Soja- und Maispflanzen nicht weiter zu bearbeiten und die bisherige Prüf-Praxis einer kritischen Revision zu unterziehen.

Neue EYLEA-Tests

Die Augen-Arznei EYLEA ist nach dem Gerinnungshemmer XARELTO BAYERs erfolgreichstes Medikament. Auf einen Umsatz von rund 2,5 Milliarden Euro kam das Gentech-Präparat im Geschäftsjahr 2019. Ursprünglich nur zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassen, kamen bisher vier weitere Genehmigungen dazu. Trotzdem versucht der Konzern immer noch, das Anwendungsspektrum des Mittels mit dem Wirkstoff Aflibercept zu erweitern. So startete er im Juni 2019 eine Klinische Prüfung zum Einsatz bei Netzhaut-Schädigungen von Frühgeborenen. Und im Juni 2020 begann das Unternehmen gemeinsam mit REGENERON PHARMACEUTICS einen Test mit einer 8mg-Dosierung von Aflibercept zur Behandlung von Sehstörungen aufgrund eines diabetischen Makular-Ödems sowie einer altersbedingten feuchten Makula-Degeneration.

EYLEA-Fertigspritzen

Im April 2020 hatten die Bemühungen des BAYER-Konzerns um eine Ausweitung der Anwendungszone für seine Augen-Arznei EYLEA (s. o.) Erfolg. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA erteilte einer neuen Darreichungsform die Genehmigung. Der Leverkusener Multi darf das Mittel nun auch als Injektionslösung in einer Fertigspritze anbieten.

Bt-Baumwolle: fatale Bilanz

Im Jahr 2002 begann die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO in Indien mit der Vermarktung der Bt-Baumwolle. Einen höheren Ertrag bei einem sinkenden Insektizid-Verbrauch versprach das Unternehmen den LandwirtInnen damals. Damit wurde es allerdings nichts. Der mittels Gentechnik in die Pflanzen eingebaute Bacillus thuringiensis hielt nämlich längst nicht alle Schadinsekten von dem Gewächs ab. So stellte sich beispielsweise der Kapselbohrer recht bald auf das Toxin ein und entwickelte eine Resistenz. Auch fielen die Ernten nicht besser aus. Darum zog der Wissenschaftler Glenn Davis Stone nach 18 Jahren Bt-Baumwolle eine negative Bilanz: „Unsere Schlussfolgerung ist, dass die Hauptauswirkung der Bt-Baumwolle auf den Bauern darin besteht, dass sie die Landwirtschaft kapital-intensiver macht – und nicht in einem dauerhaften agronomischen Nutzen.“

WASSER, BODEN & LUFT

Neues Landeswasser-Gesetz in NRW

BAYER hat einen enormen Wasser-Bedarf. 2019 stieg der Verbrauch gegenüber dem Vorjahr um 17 Milliarden auf 59 Milliarden Liter. Allein am Standort Leverkusen kommt der Global Player auf einen Wasser-Einsatz von 700 Millionen Litern. Obwohl die im Zuge des Klimawandels immer häufiger auftretenden Trockenheitsperioden die Ressource zu einem kostbaren Gut machen, unter anderem weil die Grundwasser-Neubildung zurückgeht, gedenkt die nordrhein-westfälische Landesregierung, Industrie und Landwirtschaft den Zugang zu erleichtern. Sie plant eine Reform des Landeswasser-Gesetzes, die vorsieht, Wasserentnahme-Rechte nicht mehr wie bisher nur befristet zu erteilen. Auch die Genehmigungspflicht für das Einleiten flüssiger Stoffe beabsichtigen Laschet & Co. aufzuheben. Eine bloße „Anzeige-Pflicht“ soll künftig reichen. Und bei der Indirekt-Einleitung von wasser-schädigenden Substanzen will Schwarz-Gelb sogar die Möglichkeit, in Einzelfällen doch noch eine Genehmigungspflicht anzuordnen, streichen.

Glyphosat in der Ostsee

WissenschaftlerInnen des Warnemünder „Leibniz-Instituts für Ostsee-Forschung“ haben Glyphosat und sein Abbau-Produkt AMPA in der Ostsee nachgewiesen. Die Glyphosat-Konzentration betrug 0,42 bis 0,49 Nanogramm pro Liter – unabhängig von der Entfernung zur Küste. Darin sehen die ForscherInnen ein Zeichen für die Stabilität des Herbizids. AMPA dagegen zersetzte sich vergleichsweise schnell. Während das Team um Marisa Wirth an Fluss-Mündungen noch Stärken von bis zu 1,47 Nanogramm maß, fand es auf dem offenen Meer oftmals keine Spuren mehr. „Diese Ergebnisse können nur als erster Fingerzeig darauf betrachtet werden, wie sich Glyphosat und AMPA im Oberflächen-Wasser des Meeres verhalten und verteilen“, so das Leibniz-Institut.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER handelt mit sich selbst

Bei entsprechend optimierter Unternehmensstruktur können die Global Player sogar profitabel Handel mit sich selbst treiben. So verdiente BAYER dem neuesten Jahresabschluss zufolge 2018 durch den „konzerninternen Weiterverkauf von vier MONSANTO-Gesellschaften“ 13 Millionen Euro und 2019 durch den „innerkonzernlichen Verkauf von Anteilen an der BAYER (PROPRIETARY) LIMITED, Südafrika“ sogar 27 Millionen Euro.

Steuer-Paradies mit Außenwirkung

Auch in Deutschland gibt es Steuer-Paradiese wie z. B. Monheim. Einst warb die Stadt mit den NRW-weit niedrigsten Gewerbesteuer-Hebesätzen um Unternehmen. Sie hat damit allerdings einen Unterbietungswettbewerb losgetreten, der überall die Kassen schröpft. In diesen ist auch Leverkusen eingetreten, das einst die BAYER-Tochter BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) an Monheim verlor. Inzwischen erhebt die Kommune ebenso wie ihr Nachbar ebenfalls nur noch einen Gewerbesteuer-Satz von 250 Punkten und hat im Gegenzug Absprachen mit BAYER über Rücktransfers aus Steuer-Oasen getroffen. Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann verteidigt die Politik, BAYER & Co. zu Ansiedelungen verlockt zu haben, aber mit Verweis auf die internationale Standort-Konkurrenz weiterhin standhaft. Auf die Frage von VER.DI PUBLIK: „Profitiert Monheim davon, dass große Konzerne Einnahmen aus Lizenzen dort versteuern, wo die Gewerbesteuern besonders niedrig sind?“ antwortete Zimmermann, es sei ihm lieber, „wenn deutsche Firmen ihre Steuern in NRW zahlen als in den Niederlanden“.

STANDORTE & PRODUKTION

Neues Pestizid-Werk in Lipezk

BAYER errichtet in Russland ein neues Pestizid-Werk. Es ist Teil des Agrar-Kompetenzzentrums, welches das Saatgut-Unternehmen KWS in Lipezk aufgebaut hat. Von dieser Stadt aus, die in der für ihre ertragreichen Böden bekannten zentralen Schwarze-Erde-Region liegt, will der Leverkusener Multi vor allem den russischen Markt beliefern.

RECHT & UNBILLIG

EuGH weist Glyphosat-Klage ab

Die Hauptstadtregion Brüssel hatte im Jahr 2016 ein Glyphosat-Verbot erlassen. Durch die Ende 2017 erfolgte Zulassungsverlängerung der EU sah sie die Verordnung ausgehebelt. Deshalb focht die Gebietskörperschaft die Entscheidung gerichtlich an. Der Europäische Gerichtshof wies die Klage Anfang Dezember 2020 jedoch als unzulässig ab. Die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit sei nicht gegeben, argumentierten die RichterInnen. Die von der Hauptstadtregion geltend gemachten Zweifel am rechtlichen Bestand ihrer Glyphosat-Verordnung seien „nicht für den Nachweis geeignet, dass sie unmittelbar betroffen wäre“, so das EuGH.

Milliarden für „Essure“-Vergleich

ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommende Sterilisationsmittel, hat zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Darum sieht sich der Leverkusener Multi mit rund 39.000 Klagen konfrontiert. Mit einem Großteil der Geschädigten schloss der Konzern im August 2020 einen Vergleich, der ihn zu einer Zahlung von 1,6 Milliarden Dollar verpflichtet. „Gleichwohl stehen wir weiterhin hinter der Sicherheit und Wirksamkeit von ESSURE“, bekundete der Pharma-Riese.

ESSURE-Nebenwirkungen verschwiegen

BAYER hat die Aufsichtsbehörden jahrelang über das gesundheitsgefährdende Potenzial der Sterilisationsspirale ESSURE getäuscht. Das geht aus firmen-internen Unterlagen hervor, die den Gerichten bei den Entschädigungsprozessen vorlagen (s. o.). Bereits unmittelbar nachdem der Leverkusener Multi im Jahr 2013 die Rechte an der Vermarktung des gesundheitsschädlichen Medizinprodukts (s. o.) von CONCEPTUS erworben hatte, warnte der damals beim Konzern für die Arznei-Sicherheit zuständige Michael Reddick vor einer Unmenge von zu erwartenden Meldungen über Risiken und Nebenwirkungen. Dies „werde sicherlich die Aufmerksamkeit der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde erwecken“, schrieb er in einer E-Mail. Darum entschied der Leverkusener Multi, die Berichte nicht an die FDA weiterzuleiten. So blieb es 2016 bei einer Verschärfung der Anwendungsbestimmungen. „Weil BAYER den Berichtspflichten nicht nachkam, war es der FDA unmöglich zu wissen, dass es strengerer Warn-Hinweise bedurfte“, konstatierte die Geschädigten-Anwältin Fidelma Fitzpatrick. Der ehemalige FDA-Mediziner David Kessler bestätigte diese Einschätzung. Wären der Behörde alle Informationen zugänglich gewesen, hätte sie härtere Maßnahmen angeordnet, so Kessler.

BAYER verliert LASSO-Prozess

Der französische Landwirt Paul François hatte im Jahr 2004 durch das MONSANTO-Ackergift LASSO (Wirkstoff: Monochlorbenzol) massive gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten. „Mein Abwehrsystem ist so geschwächt, dass jede Infektion tödlich sein kann“, sagte er einmal in einem Interview. 2007 verklagte der Bauer den Konzern deshalb und geriet damit in einen langwierigen Rechtsstreit, den der Leverkusener Multi nach dem MONSANTO-Erwerb weiterführte. Darum reiste der Pestizid-Geschädigte 2019 auch zur BAYER-Hauptversammlung nach Bonn an und konfrontierte den Vorstand dort direkt mit seiner Situation. Die Management-Riege weigerte sich aber, die Verantwortung für die Risiken und Nebenwirkungen der Agro-Chemikalie zu übernehmen. Bei französischen BAYER-Beschäftigten unterhalb der Führungsebene fand Paul François mehr Verständnis, zumindest unter der Hand. Einem Journalisten der Stuttgarter Nachrichten wusste er von einem Angestellten zu berichten, den sein Fall empörte. Man könne nur den Kopf darüber schütteln, wie sich MONSANTO mit seinen Kunden auf der halben Welt anlege. Das habe BAYER bei der Übernahme zweifellos unterschätzt, so laut Paul François dessen unter dem Siegel der Verschwiegenheit geäußerten Worte. Im Oktober 2020 bekam der Agro-Riese dafür die Rechnung präsentiert. Das höchste französische Berufungsgericht gab dem Unternehmen als Rechtsnachfolger MONSANTOs die Schuld an den Krankheiten des Landwirtes, weil es auf den LASSO-Behältnissen bzw. Beipackzetteln keine genaueren Angaben zu den Gefahren gab.

FRAG DEN STAAT vs. BfR

Anfang 2019 hatte das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) die Initiative „FRAG DEN STAAT“ verklagt (Ticker 3/19). Die Behörde warf der Organisation vor, mit der Veröffentlichung eines BfR-Gutachtens zu Glyphosat, das diese unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz angefordert und auf ihrer Website veröffentlicht hatte, gegen das Urheberrecht verstoßen zu haben. Das 6-seitige Dokument spielt eine Schlüsselrolle im wissenschaftlichen Streit um das Pestizid. Im Jahr 2015 bewertete die „Internationale Agentur für Krebsforschung“ (IARC) der Weltgesundheitsorganisation das Breitband-Herbizid als „wahrscheinlich krebserregend“ und setzte sich damit von dem Glyphosat-Prüfbericht des „Bundesinstituts für Risiko-Bewertung“ ab. Die Politik sah Klärungsbedarf und erbat vom BfR eine Stellungnahme. Daraufhin erstellte die Behörde eine ergänzende Expertise. Die Kurzfassung dieses „Addendum I“ ging dann als Handreichung an das Bundeslandwirtschaftsministerium und enthält offenbar so brisantes Material, dass das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ dieses lieber unter Verschluss halten möchte. Aber das gestaltet sich schwierig. Nach Ansicht des Landgerichts Köln kann das Dokument keine Schutzrechte mehr beanspruchen. FRAG DEN STAAT hatte nämlich einfach an UnterstützerInnen appelliert, ebenfalls Anträge zur Einsicht in das Schriftstück nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Das geschah 45.000 Mal, auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN beteiligte sich damals. Und damit war das Gutachten dann in der Welt. Darüber hinaus deckt die im Urheberrechtsgesetz garantierte Zitat-Freiheit das Vorgehen der AktivistInnen, befanden die RichterInnen im November 2020. „Wir haben gemeinsam ein kleines Stück Rechtsgeschichte geschrieben“, freuten sich die StaatsfragerInnen. Ein Ende der Auseinandersetzung bedeutet das jedoch noch nicht, denn das BfR will in Berufung gehen.

Neue Dicamba-Genehmigungen

Das Pestizid Dicamba, das BAYER & Co. hauptsächlich in Kombination mit ihren gen-manipulierten Pflanzen vermarkten, hat in den USA eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Zahlreiche LandwirtInnen machen das Herbizid für Ernte-Schäden verantwortlich. Es bleibt nämlich nach dem Ausbringen nicht einfach an Ort und Stelle, sondern verflüchtigt sich und treibt zu Ackerfrüchten hin, die gegen den Stoff gentechnisch nicht gewappnet sind und deshalb eingehen. Allein bei Soja war das auf einer Fläche von mehr als zwei Millionen Hektar der Fall. Darum zog ein US-amerikanischer FarmerInnen-Verband gemeinsam mit anderen Organisationen vor Gericht und bekam Anfang Juni 2020 auch Recht zugesprochen (SWB 3/20). Die RichterInnen ordneten ein sofortiges Verbot des Mittels an. Dieses unterlief jetzt jedoch die US-amerikanische Umweltbehörde EPA. Ende Oktober 2020 ließ sie BAYERs XTENDI-MAX, BASFs ENGENIA und SYNGENTAs TAVIUM PLUS unter Auflagen wieder zu. So dürfen die FarmerInnen die Produkte nun nur noch bis zu einem bestimmten Stichtag verwenden. Zudem müssen sie Dicamba vor dem Ausbringen Substanzen beimengen, welche die Pestizide auf dem Boden halten sollen, und auf größere Abstände zu anderen Feldern achten. Das CENTER FOR FOOD SAFETY hält diese Maßnahmen für ungenügend, weil es auch in den vergangenen Jahren immer wieder strengere Vorgaben zum Umgang mit Dicamba gab, die jedoch die Abdrift nicht haben verhindern können. BAYER hingegen zeigte sich nach der EPA-Entscheidung zufrieden. „Wir begrüßen die wissenschaftsbasierte Überprüfung und Zulassung von XTENDIMAX“, verlautete aus der Konzern-Zentrale.

Freispruch für ONE-A-DAY

BAYERs Vitamin-Präparate aus der „One-A-Day“-Produktreihe, denen viele Fachleute jeglichen Nutzen absprechen, beschäftigen in den USA immer wieder die Gerichte. Wegen unwahrer Behauptungen über die heilsamen Wirkungen der bunten Pillen musste der Leverkusener Multi schon Strafen in 2-stelliger Millionen-Höhe zahlen. Im letzten Jahr erfolgte erneut ein Prozess wegen Etikettenschwindels. Eine Sammelklage machte dem Pharma-Riesen das Recht streitig, auf den ONE-A-DAY-Packungen eine Stärkung des Herzens, des Immunsystems und der physischen Energie zu versprechen. Aber die RichterInnen nahmen keinen Anstoß an den Formulierungen und sprachen den Konzern frei.

Strafe für vietnamesischen Manager

China streitet mit seinen Nachbarn Taiwan, den Philippinen, Malaysia, Brunei und Vietnam um Hoheitsrechte im Südchinesischen Meer. Peking beansprucht rund 80 Prozent des fisch- und rohstoff-reichen Gebiets, durch das überdies eine wichtige internationale Handelsroute führt, für sich und grenzt es mit der sogenannten Neun-Strich-Linie ein. Ein vietnamesischer BAYER-Manager hat nun in einer firmen-internen Mail zur chinesischen Corona-Politik eine Karte des Landes mitgeschickt, welche das umstrittene Areal dem Reich der Mitte zuschlägt. Das hatte sofort juristische Konsequenzen. Ein Gericht verurteilte den Beschäftigten zur Zahlung einer Strafe von rund 1.300 Dollar. Und der Leverkusener Multi entschuldigte sich auf seiner Website für den Vorfall.

BAYER-Widerspruch gegen Befristungen

Gegen den Widerstand von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), der auch das „Bundesamt für VerbraucherInnenschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) untersteht, setzte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) bei den Genehmigungen von Pestiziden strengere Regeln durch. Seit Januar 2020 hat der Gesetzgeber die Zulassung bestimmter Agro-Chemikalien mit Auflagen zum Schutz der Biodiversität verknüpft. Wer weiterhin die Artenvielfalt gefährdende Substanzen wie etwa Glyphosat verwendet, der muss mindestens zehn Prozent seiner Felder als giftlose Ausgleichsflächen für Insekten und Vögel bereithalten. Darum hatten 2019 zahlreiche Mittel nur noch befristete Zulassungen bis zum Ende des Jahres erhalten. Dagegen legten BAYER und andere Hersteller jedoch Widerspruch beim BVL ein. Ein Unternehmen klagte sogar und erzielte einen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg sprach den Widersprüchen der Unternehmen eine aufschiebende Wirkung zu. Darum bleibt der Gebrauch von 44 Produkten, welche das Leben von Bienen, Schmetterlingen und anderen Tieren gefährden können, vorerst erlaubt. Neben Glyphosat finden sich auf dieser Liste auch noch weitere Wirkstoffe, die in Erzeugnissen des Leverkusener Multis enthalten sind wie etwa Spirotetramat (MOVENTO OD 150) sowie Iodosulfuron, Mesosulfuron und Thiencarbazone (ATLANTIS STAR).

FORSCHUNG & LEHRE

KI-Kooperation mit ATOMWISE
Nicht nur bei der Vorauswahl von Substanzen, die vielleicht als Arznei-Wirkstoff in Frage kommen, setzt BAYER auf Künstliche Intelligenz (siehe auch DRUGS & PILLS), sondern auch bei der ersten Sichtung von Stoffen, die ein Potenzial für einen Einsatz als Agro-Chemikalien haben könnten. Bei der Suche nach Nachfolgern von Gl

Xarelto: Risiken neuer Gerinnungshemmer

CBG Redaktion

Der neue Gerinnungshemmer Xarelto kann das Risiko von Schlaganfällen und Thrombosen zwar senken - jedoch nicht zuverlässiger als die bisher verwendeten Präparate. Die Gefahr schwerer Blutungen wird nicht reduziert. Zudem liegen keine Langzeit-Studien zu den Nebenwirkungen vor. Die Kosten einer Xarelto-Therapie liegen rund 20x höher als bei etablierten Gerinnungshemmern, was jährlich zu Zusatzkosten von etwa 1.000 Euro pro Patient führt. Auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft empfiehlt, den Einsatz von Xarelto auf Patienten zu beschränken, für die die bislang verwendeten Präparate wie Marcumar nicht in Frage kommen.
Wir befürchten, dass BAYER mit zweifelhaften Marketingmethoden ein überteuertes Präparat ohne Zusatz-Nutzen in den Markt drücken will.

Ticker 3/20

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Appell zur EU-Ratspräsidentschaft

Am 1. Juli hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Das CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO), LOBBYCONTROL, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und zahlreiche andere Organisationen haben die Befürchtung, dass dabei die großen Konzerne die Marsch-Richtung vorgeben werden. Die Gründe dafür legten die Initiativen in der Studie „Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft – Industrie in der Hauptrolle“ dar. Die Untersuchung zeigt, welch großen Einfluss die Unternehmen auf die Entscheidungen in Berlin haben. Im Einzelnen beschäftigen die AutorInnen sich etwa damit, wie die Auto-Industrie, die Banken, die Pharma-Riesen und die Erdgas-Multis die politische Landschaft pflegen. Die Umtriebe der Chemie-Industrie im Allgemeinen und BAYERs im Besonderen zeichnete die CBG nach. Angesichts dieser Gemenge-Lage appellieren die Gruppen an die Große Koalition: „Die Bundesregierung muss die Vergangenheit hinter sich lassen, sich von Konzern-Interessen frei machen (trotz der massiven Lobby-Aktivitäten, die derzeit unter dem Stichwort „Coronawashing“ laufen) und das Gemeinwohl an die oberste Stelle setzen.“ In diesen Zeiten Individual-Interessen, den Interessen Superreicher oder einseitig den Unternehmen entgegenzukommen, könnte für die Europäische Union weitreichende und zutiefst destruktive Folgen haben, warnen die Initiativen.

Lieferengpässe: AOK wehrt sich

Der Pharma-Markt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. BAYER und andere große Unternehmen setzen mehr und mehr auf neue, patent-geschützte Pillen, da diese besonders hohe Renditen versprechen. Bei ihrem nicht so viel Geld abwerfenden Alt-Sortiment rationalisieren die Konzerne hingegen nach Kräften. So beziehen sie Vor- und Zwischenprodukte zur Wirkstoff-Herstellung und manchmal auch die komplette Substanz zunehmend aus Schwellen- oder Entwicklungsländern wie Indien und China. Dort konzentriert sich die Fabrikation auf immer weniger Anbieter. Und wenn da einmal Störungen im Betriebsablauf auftreten, leiden PatientInnen auf der ganzen Welt unter den Lieferengpässen. Seit einigen Jahren passiert das immer häufiger. Auch Präparate des Leverkusener Multis glänzen in den Apotheken zunehmend durch Abwesenheit. Die Schuld dafür geben die Firmen gerne den Krankenkassen. Diese zwängen die Hersteller durch den Preis-Druck ihrer Rabatt-Verträge, eigene Pharma-Produktionen aus Kosten-Gründen zu schließen und die benötigten Substanzen stattdessen auf dem Weltmarkt einzukaufen. Der AOK-Vorstandschef Johannes Bauernfeind weist die Kritik zurück: „Dieser Argumentationsgang ist ebenso eingängig wie unwahr. Bereits seit den späten siebziger Jahren wich die Wirkstoff-Produktion nach Fernost aus.“ Zudem träten Lieferengpässe auch in Ländern auf, in denen es gar keine Rabatt-Verträge gebe, so Bauernfeind.

Mexiko: Pestizid-Beschwerde

Im Jahr 2017 hatten 43 Personen bei der mexikanischen Menschenrechtskommission CNDH wegen des unkontrollierten Einsatzes hochgefährlicher Pestizide in dem Land eine Beschwerde eingereicht. Unter den inkriminierten Ackergift-Wirkstoffen finden sich zahlreiche, die auch in BAYER-Produkten enthalten sind, wie z. B. Mancozeb, Glyphosat, Atrazin, Deltamethrin, Methamidophos, Imidacloprid, Carbofuran, Endosulfan, Bifenthrin und Carbendazim. Die CNDH gab den Beschwerde-TrägerInnen im Februar 2019 Recht und empfahl der Politik eine Reihe von Maßnahmen. Diese umfassten beispielsweise Vorschläge zu einer strengeren Regulierung der Agro-Chemikalien, zu einem besserem Schutz der LandwirtInnen und LandarbeiterInnen sowie zu einer besseren Ermittlung des Risiko-Potenzials der Substanzen.

MONSANTO-Listen: Die CBG hakt nach

Die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO hat über Jahre hinweg in eigener Regie oder über externe Dienstleister hunderte von JournalistInnen, PolitikerInnen, AktivistInnen und andere Personen ausspioniert. Mit diesem Wissen wollte sie dann unter anderem die Entscheidung der EU über die Zulassungsverlängerung für das Herbizid Glyphosat, die im Herbst 2017 anstand, im Sinne des Konzerns beeinflussen. Im Frühjahr 2019 flog der Skandal dann auf. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) startete sofort eine Reihe von Initiativen, um das ganze Ausmaß der Umtriebe aufzuklären. Unter anderem forderte die Coordination die Datenschutz-Beauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen auf, aktiv zu werden. Das lehnte diese jedoch zunächst ab. Es lägen keine Anhaltspunkte für ein zielgerichtetes Auskundschaften einzelner Personen vor, MONSANTO hätte vielmehr themen-bezogen agiert, lautete die Antwort. Damit gab sich die CBG allerdings nicht zufrieden. In einem weiteren Schreiben zitierte sie aus den Unterlagen des von MONSANTO mit der Observation beauftragten Unternehmens FLEISHMANHILLARD. Diesen Dokumenten zufolge hatte die Agentur bei ihren Ziel-Objekten auch „Freizeit oder andere Interessen (Golf, Tennis, Jagd etc.)“ im Blick. Und mit der Drecksarbeit, „Auskünfte und Informationen zu sammeln, die NICHT (Hervorhebung im Original) öffentlich zugänglich sind“, beauftragte sie die Firma PUBLICIS. Diese Fakten-Lage bewog die Landesdatenschutz-Beauftragte dann, sich in der Sache doch noch mal an BAYER zu wenden. Eine Antwort steht jedoch noch aus.

CBG beim Online-Klimastreik dabei

Wegen der Corona-Pandemie konnte der Klimastreik am 24. April nicht wie gewohnt auf der Straße stattfinden. Trotzdem gab es viele Aktionen. Die Menschen stellten Plakate ins Fenster, bestückten Bäume, Briefkästen und Tor-Eingänge mit Demo-Schildern und legten Transparente vor den Ratshäusern aus. Und um zumindest digital vor Ort präsent zu sein, suchten sie auf der von FRIDAYS FOR FUTURE ins Netz gestellte Deutschland-Karte ihre Stadt und luden da Protest-Fotos hoch. Daran beteiligte sich auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) – zusammen mit 87.000 anderen virtuellen MitstreiterInnen.

Patent-Kampagne erfolgreich

Der BAYER-Konzern hält nicht nur Patente auf gen-manipulierte Pflanzen, sondern auch auf solche aus konventioneller Zucht. Das Europäische Patentamt (EPA) erteilt diese recht freigiebig, rund 200 Anträge genehmigte es. Sogar nach einem im Juni 2017 erfolgten Beschluss des Verwaltungsrates, in dem VertreterInnen aus 38 Ländern sitzen, solche Genehmigungen nicht mehr zu erteilen, wich das Amt nicht von seiner Linie ab. Seine technische Beschwerdekammer bewertete das Verwaltungsratsvotum nämlich als Verstoß gegen EU-Bestimmungen. Daraufhin gewährte das EPA Produzenten, die auf traditionellem Wege eine Tomate mit reduziertem Wassergehalt sowie einen Brokkoli mit angeblich krebs-präventiven Nebenwirkungen entwickelt hatten, Schutzrechte. Das wiederum rief das Europäische Parlament auf den Plan. Die Abgeordneten prüften die Praxis der Behörde und kamen zu einem eindeutigen Ergebnis. In einer Entschließung sprachen sie sich gegen die Verleihung solcher Patente aus. Schließlich musste sich dann die Große Beschwerdekammer des EPA mit der Sache befassen und ein Grundsatz-Urteil fällen. Im Vorfeld reichte ein breites Bündnis aus verschiedenen Organisationen – darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) – und Einzelpersonen Stellungnahmen ein, welche die Kammer bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen muss. Und das blieb offenbar nicht ohne Wirkung. Die Große Beschwerdekammer befand am 14. Mai 2020, dass Pflanzen und Tiere aus „im Wesentlichen biologischen“ Züchtungsverfahren nicht patentierbar sind. Der Beschluss gilt rückwirkend und betrifft alle Anträge, die ab Juni 2017 eingingen. Die Initiative KEINE PATENTE AUF SAATGUT und andere Gruppen begrüßten dieses Votum, allerdings machten sie noch rechtliche Grauzonen aus. „Das aktuelle Urteil kann dazu beitragen, ein Jahrzehnt voller rechtlicher Absurditäten und chaotischer Entscheidungen am EPA zu beenden. Es gibt aber immer noch ein großes Risiko, dass große Konzerne wie BAYER, ehemals MONSANTO, das Patent-Recht dazu missbrauchen, um die Kontrolle über Landwirtschaft und Lebensmittel-Produktion zu erhalten“, so Katherine Dolan von ARCHE NOAH. Beispielsweise besteht für die Unternehmen immer noch die Möglichkeit, zufällige Pflanzen-Mutationen als eigene Erfindungen auszugeben. So hat das EPA bereits kurz nach dem Spruch der Großen Beschwerdekammer einige mit einem Moratorium belegte Patent-Verfahren wieder anlaufen lassen. Darum dringen die Patent-KritikerInnen unter anderem darauf, die Unterschiede zwischen technischen Erfindungen und den Methoden konventioneller Züchtung genauer zu bestimmen. Um der Forderung nach mehr Klarheit in diesem Bereich mehr Nachdruck zu verleihen, setzte die Initiative TESTBIOTECH einen Offenen Brief an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) auf, den neben vielen anderene Organisationen auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN unterschrieben hat.

Kunst gegen Konzerne

Die US-amerikanische Künstlerin Kirsten Stolle setzt sich intensiv mit dem Treiben der Agro-Industrie auseinander. Ihre persönlichen Erfahrungen motivierten sie dazu: „Meine von Pestiziden verursachten Gesundheitsstörungen haben mich dazu gebracht, mich mit der unheilvollen Geschichte von BAYER/MONSANTO und DOW CHEMICAL zu befassen und deren Desinformationspolitik bloßzustellen.“ Im Zuge dessen nahm sich Kirsten Stolle etwa die ganzseitige Glyphosat-Anzeige vor, die BAYER am 4. Juni 2019 in der New York Times geschaltet hatte, um gut Wetter für das Mittel zu machen. Die Künstlerin „überarbeitete“ die Annonce und schwärzte den größten Teil des Textes ein, so dass nur noch Wort-Fetzen wie „likely to be carcinogenic“ übrig blieben. Umgekehrt ging sie bei „Annotated“ vor, da ließ sie den Glyphosat-Text stehen, versah ihn aber mit einer Fülle von Anmerkungen. Auch bei TV-Spots von MONSANTO legte Kirsten Stolle Hand an. Zudem entwickelte sie eine makabre BAYER/MONSANTO-Version des Spiels „Scramble“: Zu den Wörtern, die aus einem Quadrat mit 400 Buchstaben herauszuklauben waren, gehören unter anderem „Auschwitz“, „Vietnam“ und „DDT“.

Anfrage in Sachen „Glyphosat“

Im Streit um das Ackergift Glyphosat, das die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft, hat sich die Bundesregierung gegen einen sofortigen Stopp entschieden. CDU und SPD beschlossen im September 2019 lediglich eine Minderungsstrategie. Andere Länder gehen da rigoroser vor. So erließ Österreich ein Verbot. Das nahm ein Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Anlass, sich bei Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) nach den Gründen für diese zögerliche Haltung zu erkundigen. „Die Risiko-Bewertung von Glyphosat im Rahmen der Erneuerung der Genehmigung hat unter Zugrundelegung aller verfügbaren Studien ergeben, dass alle gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen für eine erneute Genehmigung gegeben sind“, anwortete das „Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft“ (BMEL). Weder eine krebserregende noch eine nervenschädigende Wirkung habe die „Europäische Chemikalien-Agentur ECHA bei ihrer Prüfung feststellen können, so das BMEL. Der Fragesteller hatte in seinem Brief auf Untersuchungen verwiesen, die zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen waren. Darauf aber ging das Ministerium nicht ein.

KAPITAL & ARBEIT

AktionärInnen-Richtlinie light

Im Jahr 2017 hat die Europäische Union als späte Reaktion auf die Finanz-Krise von 2008 eine neue Richtlinie zum AktionärInnen-Recht erlassen (Ticker 2/20). Unter anderem ermächtigt die Verordnung die AnteilseignerInnen, über die Gehälter der ManagerInnen mitzuentscheiden. „Um sicherzustellen, dass die Aktionäre auch tatsächlich Einfluss auf die Vergütungspolitik nehmen können, sollten sie das Recht erhalten, eine Abstimmung mit verbindlichem oder empfehlenden Charakter über die Vergütungspolitik (...) durchzuführen“, hält die Direktive fest. Und zu den dabei auf den Hauptversammlungen anzulegenden Maßstäben heißt es: „Die Leistung von Mitgliedern der Unternehmensleitung sollte anhand sowohl finanzieller als auch nicht-finanzieller Kriterien, gegebenenfalls einschließlich ökologischer, sozialer und Governance-Faktoren, bewertet werden.“ Also ausdrücklich nicht nur nach Profit-Kriterien. Ende 2019 hat der Bundestag die Richtlinie 2017/828 in bundesdeutsches Recht überführt. Allerdings fehlen bedeutende Teile. Von sozialen und ökologischen Messgrößen zur Ermittlung des ManagerInnen-Salärs findet sich in dem „Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechte-Richtlinie“ kein Wort mehr, stattdessen heißt es nur noch: „Die Vergütungsstruktur ist bei börsen-notierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten.“

Wenning weg

BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning gibt sein Amt vorzeitig auf. Die GroßaktionärInnen des Konzerns schassten ihn offenkundig wegen des desaströsen Krisen-Managements des Konzerns in Sachen „MONSANTO“, für das Wenning Mitverantwortung trägt. Vor seiner Zeit als Ober-Aufseher stand er dem Leverkusener Multi lange als Vorstandsvorsitzender vor. Sein Amtsantritt im Jahr 2002 markierte eine Zäsur. Mit ihm gelangte zum ersten Mal ein Finanz-Experte an die Spitze des Leverkusener Multis, und genau das strich der Global Player bei seiner Bestallung auch heraus: „Als ausgewiesener Finanzfachmann besitzt er hohe Akzeptanz auf den internationalen Kapitalmärkten.“ Die besaß Wennings Vorgänger Manfred Schneider nämlich eher nicht. Schneider war Betriebswirt und hat nicht selten sein Befremden über die Finanz-AnalystInnen geäußert. In seinen Augen waren das alles Laien, grüne Jungs, die noch nie ein Unternehmen geführt hatten. Er wusste auch gar nicht so recht, woher diese Leute sich plötzlich das Recht nahmen, ihm etwas sagen zu wollen. Wenning hingegen wusste das nur allzu gut. Schon in seiner Zeit als Finanzchef hatte er BAYER finanzmarkt-kompatibler gestaltet. So führte er beispielsweise das Wertmanagement ein, die konsequente Ausrichtung jeder Unternehmenshandlung, jedes Beschäftigen auf die Steigerung des Aktienkurses. Und Wenning richtete 1998/1999 auch eine eigene Abteilung für „Investor Relations“ ein. Als Vorstandsvorsitzender bestand dann eine seiner ersten Amtshandlungen darin, aus BAYER eine Holding zu machen, um „Werttreiber und Wertvernichter noch leichter identifizieren zu können“. Und mit der Chemie-Sparte hatte er bald auch schon einen „Minderleister“ identifiziert. Im Jahr 2003 trennte sich die Aktien-Gesellschaft von diesem Geschäft und gab damit dem Druck der Kapitalmärkte nach, dem Manfred Schneider noch widerstanden hatte. Von da an setzte sich der Umbau des Konzerns dann munter fort – bis hin zur verhängnisvollen MONSANTO-Akquisition.

Arbeitsplatz-Vernichtung in Berlin

Die Prozesse in Sachen „Glyphosat“ mit ihren millionen-schweren Schadensersatz-Urteilen haben zu einem Absturz der BAYER-Aktie geführt. Großaktionäre wie BLACKROCK mahnten Handlungsbedarf an, und der Leverkusener Multi lieferte. Im November 2018 verkündete er ein großes Rationalisierungsprogramm („Super Bowl“), das unter anderem die Streichung von 12.000 Stellen vorsieht. Dabei kommt es auch am Standort Berlin zu Einschnitten. Dort gibt der Global Player die Forschung auf dem Gebiet klein-molekularer Wirkstoffe auf. Die Firma NUVISAN übernimmt zwar den Bereich, aber längst nicht alle der rund 400 Beschäftigten.

Tarifvertragsquote: 55 Prozent

Weltweit hat BAYER im Geschäftsjahr 2019 nur mit 55 Prozent seiner Beschäftigten Tarifverträge abgeschlossen, 2014 waren es 52 Prozent. In der Region „Europa/Nahost/Afrika“ gibt es solche Vereinbarungen für 80 Prozent der Belegschaften (2014: 87 Prozent), in Lateinamerika beträgt die Quote 54 Prozent (2014: 45 Prozent) und in den USA lediglich zwei Prozent (2014: fünf Prozent).

599 Arbeitsunfälle

Für das Geschäftsjahr 2019 führt BAYER 599 „berichtspflichtige Arbeitsunfälle mit Ausfall-Tagen“ auf. In fünf Prozent der Fälle war dabei der Kontakt mit Chemikalien die Ursache.

34 Fälle von Berufskrankheiten

Im Geschäftsjahr 2019 kam es bei BAYER laut Nachhaltigkeitsbericht zu 34 „arbeitsplatz-bedingten Erkrankungen“. „Sie betrafen u. a. den Bewegungsapparat und Haut-Reaktionen, ohne dass sich klare Risiko-Bereiche abzeichnen lassen“, heißt es darin.

IG FARBEN & HEUTE

Keine Stunde Null

Am 8. Mai vor 75 Jahren befreiten die Alliierten Deutschland vom Faschismus. Das von BAYER mitgegründete Industrie-Konglomerat IG FARBEN war ein wesentlicher Bestandteil des NS-Systems. Der Mega-Konzern hatte sich schon 1932 mit Hitler verbündet und den „Benzinpakt“ geschlossen. Nach der Machtergreifung erstellte er die Blaupause für den Vierjahresplan, mit dem die Nazis die Wirtschaft wehrtüchtig machten. Als es dann 1939 so weit war, vermochte der Multi die Armee fast alleine auszustatten. An der Vernichtungspolitik wirkte die IG FARBEN ebenfalls mit. Sie errichtete in unmittelbarer Nähe von Auschwitz ein Chemie-Werk und unterhielt in der Nähe der Baustelle ein eigenes ZwangsarbeiterInnen-Lager als Arbeitskräfte-Reservoir, während ihre Tochter-Firma DEGESCH den FaschistInnen mit dem Zyklon B die Mordwaffe lieferte. Darum stand die Zerschlagung des Giganten zunächst ganz oben auf der Agenda der Kriegskoalition. „Wenn es die Politik der Alliierten ist, dass ‚Deutschland nie wieder seine Nachbarn oder den Frieden der Welt bedrohen wird’, dann müssen die IG FARBEN zusammen mit ihren kriegswichtigen Anlagen zerstört werden“, hieß es in einem Bericht des US-Finanzministeriums. Aber es sollte anders kommen. Zum einen änderten sich in den USA die politischen Kräfteverhältnisse, sodass die „Tabula Rasa“-Fraktion unter Finanzminister Henry Morgenthau in die Defensive geriet. Zum anderen unterhielt die US-Industrie umfangreiche Geschäftsbeziehungen zu deutschen Unternehmen und verlangte von der Regierung, ihre Absatzgebiete zu sichern. Und schließlich begann der Kalte Krieg, weshalb ein starkes Deutschland gefragt war, das als „Frontstaat“ agieren konnte. Die westlichen Besatzungsmächte beließen es deshalb bei einer mehr als halbherzigen Entflechtung, die BAYER, BASF und HOECHST unbeschadet überstanden. Und bereits 20 Jahre später waren die einstigen IG-Teile allein größer als das damalige Ganze.

IG FARBEN & HEUTE

Benjamin Ferencz wurde 100

Im März 2020 feierte Benjamin Ferencz seinen 100. Geburtstag. Bei den Nürnberger KriegsverbrecherInnen-Prozessen hatte er das Verfahren gegen die Einsatz-Truppen des NS-Regimesgeleitet. In den 1950er Jahren dann verhandelte der Ungar im Auftrag der „Jewish Claims Conference“ mit der Bundesregierung und denjenigen Unternehmen, die während der Nazi-Zeit ZwangsarbeiterInnen beschäftigt hatten, über Entschädigungszahlungen. Die von BAYER mitgegründete IG FARBEN musste nur 27 Millionen DM aufbringen. Da blieb für die ehemaligen SklavenarbeiterInnen nicht viel übrig. „Sogar die strengen Härtefälle unter denen, die die Arbeit für die IG FARBEN in Auschwitz überlebt haben, erhielten jeder nicht mehr als 1.700 Dollar“, klagte Ferencz.

KONZERN & VERGANGENHEIT

100 Jahre Betriebsräte-Gesetz

Die Weimarer Verfassung sah umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten für Betriebsräte vor. Sie billigte den Beschäftigten-VertreterInnen im Artikel 165 das Recht zu, „gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte mitzuwirken“. Näheres sollte das Betriebsräte-Gesetz regeln. BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg ersann darum prophylaktisch schon einmal geeignete Gegenmaßnahmen. So plante er unter anderem, die Gesamtzahl an Betriebsratssitzen zu erhöhen, um die Beschäftigten überstimmen zu können. Am Ende erwiesen sich solche Tricks jedoch als unnötig, denn es gelang der Kapital-Seite, die Regelungen massiv zu verwässern. Dementsprechend kritisch standen die KPD sowie Teile von USPD und Freien Gewerkschaften dem Gesetzes-Vorhaben gegenüber. Für den Tag der 2. Lesung des Paragrafen-Werkes riefen sie deshalb zu Protesten auf, bei denen es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam. Die Schätzungen reichen von 20 bis hin zu 42 Toten; zudem gab es über 100 Verletzte. Niemals zuvor und niemals wieder hat in der deutschen Geschichte eine Demonstration so viele Opfer gefordert. Von all dem findet sich in BAYERs Firmen-Chronik „Meilensteine“ nichts. In ihr feiert sich der Global Player unter der Überschrift „Schneller als die Gesetze: Mitbestimmung und Mitverantwortung“ hingegen als ein Unternehmen, das seinen Beschäftigten aus freien Stücken schon weit vor dem Betriebsräte-Gesetz und dem 1916 verabschiedeten „Vaterländischen Hilfsdienst-Gesetz“ eine Interessensvertretung zugestanden hatte.

Feine Füße von drüben

Der Fußball-Club BAYER Leverkusen hatte die DDR bereits in den 1980er Jahren als Spieler-Reservoir entdeckt. Wie aus Stasi-Unterlagen hervorgeht, beobachtete er mit Hilfe des in die Bundesrepublik geflohenen Trainers Jörg Berger DDR-Kicker bei Auswärtsspielen und verleitete geeignete Kandidaten wie Falko Götz oder Dirk Schlegel zur Republikflucht (Ticker 3/00). Und nach der Wende legte der Verein in Tateinheit mit anderen Bundesligisten erst so richtig los. „Am 5. Januar 1990 kam ich zum ersten Training nach der Winterpause und wusste nicht, wer überhaupt noch da war“, klagte etwa der Trainer des PSV Schwerin, Manfred Radtke, über das Ausmaß des „Schlussverkaufs“. Im Juni des Jahres bestritt er mit seiner Mannschaft das DDR-Pokalfinale gegen Dynamo Dresden. Der damalige BAYER-Manager Reiner Calmund saß damals auf der Tribüne und lockte Matthias Stammann für 350.000 DM vom PSV weg. Andreas Thom hatte Calmund da schon eingesackt. Am liebsten hätte er auch noch den zu der Zeit bei Dynamo Dresden spielenden Matthias Sammer verpflichtet, aber da war der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl vor. „Sie können die DDR nicht einfach leerkaufen“, redete dieser den Leverkusener ManagerInnen ins Gewissen. Aber BAYER ließ nicht locker und angelte sich dann noch Ulf Kirsten. Unter der Überschrift „‚Go West’– Zwischen Flucht und Mauerfall – Feine Füße von drüben“ handelt der Verein selber das Ost-Kapitel ab.

POLITIK & EINFLUSS

Online-HV nach BAYER-Gusto

Der Leverkusener Multi ergreift stets jede Gelegenheit, um sich die bei seinen Hauptversammlungen notorischen Proteste so gut es geht vom Leib zu halten. Im Jahr 2020 hieß die Gelegenheit „Corona-Pandemie“. Der Leverkusener Multi nutzte die Ungunst der Stunde und flüchtete vor den Konzern-KritikerInnen ins Virtuelle: Er berief eine Online-HV ein. Die rechtliche Handhabe dazu bot ihm das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie“. Dessen Passagen zu den AktionärInnen-Treffen erlaubten den Konzernen, statt Reden nur noch Fragen zu gestatten. Sie konnten dabei sogar noch aussieben und Groß-Investoren wie BLACKROCK den Vortritt lassen. Ein Aktivist der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) stellte dazu einige Bundestagsabgeordnete zur Rede und erhielt erhellende Antworten. So schrieb der CDUler Dr. Carsten Brodesser, in den letzten Jahren würden Hauptversammlungen „zunehmend als politisches Forum genutzt, was bei den Abläufen zu teilweise unübersichtlichen Situationen führte“. Das sei in der realen Welt noch zu managen, nicht aber in der virtuellen, und „dem will der Gesetzgeber mit seinem Vorstoß unter anderem Rechnung tragen“. Das Büro des CDU-Parlamentariers Sepp Müller hielt bei nur im Netz stattfindenden Hauptversammlungen hingegen „eine Flut von Fragen und auch – wie bei sozialen Medien nicht unüblich – inhaltlich inakzeptablen Einwürfen“ für denkbar, dem Vorschub geleistet werden müsse. Und dabei halfen BAYER & Co. kräftig mit. Stellungnahmen zum Gesetzes-Entwurf „werden vermutlich auch die Vorstände mancher AGs geschrieben haben“, hielt Brodesser-Mitarbeiter Carl Canzler fest. Sein Kollege aus dem Büro Müller verwies indessen etwas unkonkreter auf „externe Expertise aus allen Bereichen“, die es den Abgeordneten ermöglicht habe, „auch praktische Auswirkungen auf unterschiedliche Akteure abbilden zu können“. Auf der Hauptversammlung selber hat BAYER dann auch eine Einflussnahme über den „Bundesverband der deutschen Industrie“, den „Verband der Chemischen Industrie“ und das „Deutsche Aktieninstitut“ eingeräumt.

Forschungsförderung für BAYER & Co.

Seit Jahr und Tag fordert der BAYER-Konzern die staatliche Förderung von Forschungsaufwendungen. Nun hat die Bundesregierung die Signale erhört. Anfang 2020 trat das „Forschungszulagen-Gesetz“ in Kraft, das jährliche Subventionen in Höhe von 1,27 Milliarden Euro vorsieht. Bis zu 500.000 Euro kann ein einzelnes Unternehmen abgreifen – und im Zuge der Corona-Maßnahmen erhöhte die Große Koalition die Summe dann noch einmal auf vier Millionen. Ursprünglich sollten nur kleine und mittelgroße Firmen in den Genuss der Gelder kommen, aber Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) räumte den Weg für die Multis frei. Dem „Verband der chemischen Industrie“ (VCI) gelang es bei seiner Lobby-Arbeit für BAYER & Co. darüber hinaus sogar noch, finanzielle Unterstützung für Labor-Arbeiten herauszuschlagen, die gar nicht bei den Konzernen selber stattfinden: Auch für Auftragsforschung hält die Große Koalition Mittel bereit.

Verfassungsrichter nach BAYER-Gusto

Der neue Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, ist ein Mann ganz nach dem Geschmack der Leverkusener. Als Anwalt und späterer Partner der Wirtschaftskanzlei SZA hat er nämlich schon zahlreiche Unternehmen wie etwa VW vor rechtlichem Unbill geschützt. Das hat bei SZA eine Tradition, die weit zurückreicht. So tüftelten die beiden Gründer Heinrich Kronstein und Wilhelm Zutt in der Weimarer Republik die rechtliche Konstruktion für die von BAYER mitgegründete IG FARBEN aus, den späteren Mörder-Konzern mit eigenem ZwangsarbeiterInnen-Lager in Auschwitz. Auch bei von BAYER gesponserten Events trat Harbarth schon auf. So hielt der Jurist im Jahr 2018 auf der „German American Conference“, zu deren Förderern außerdem noch SIEMENS und die BOSTON CONSULTION GROUP zählten, eine Rede über den Schutz der Meinungsfreiheit.

MONSANTO verstieß gegen Lobby-Regeln

Die nunmehrige BAYER-Tochter MONSANTO investierte Unsummen, um für ihr umstrittenes Pestizid Glyphosat 2017 eine erneute EU-Zulassung zu bekommen. Die von ihr zu diesem Behufe engagierte PR-Firma FLEISHMANHILLARD scheute dabei vor keinem Mittel zurück. Sie legte umfangreiche Listen von PolitikerInnen, JournalistInnen sowie Behörden-MitarbeiterInnen an und ordnete sie in Kategorien wie „Verbündeter“, „möglicher Verbündeter“, „zu erziehen“ oder „im Auge behalten“ ein (siehe SWB 3/19). Allein in Brüssel bei der EU betrieb FLEISHMANHILLARD mit rund 60 Beschäftigten Einfluss-Arbeit. Die Kosten für die von Oktober 2016 bis Dezember 2018 dauernde „Glyphosate Renewal Campaign“ hat BAYER auf 14,5 Millionen Euro beziffert. Diese Summe findet sich im Lobby-Register der EU allerdings nicht wieder (siehe Ticker 2/20). Dort gab FLEISHMANHILLARD für 2016 lediglich 0,8 Millionen Euro an und MONSANTO für den Zeitraum von September 2016 bis August 2017 bloß 1,45 Millionen Euro. „Diese Zahlen zeigen, dass die Lobby-Macht der Pestizid-Industrie viel größer ist, als offiziell verlautbart (...) Diese Diskrepanz zwischen den angegebenen Aufwendungen und den 14,5 Millionen Euro kann als ein klarer Fall von Desinformation angesehen werden“, konstatierte das CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) und reichte eine Beschwerde ein. Daraufhin prüfte das Sekretariat des Lobby-Registers die MONSANTO-Zahlen. Dabei kam heraus, dass der Konzern nur seine Aufwendungen für das Antichambrieren in Brüssel selber aufgeführt und die Lobbying-Investitionen in den Mitgliedsländern ausgespart hatte. Damit verstieß das Unternehmen gegen die Vorschriften. Die Meldungen müssen nämlich alle Ausgaben „zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf EU-Organe, unabhängig vom Ort, an dem die Tätigkeiten ausgeführt werden“, enthalten. Eine Strafe will die Europäische Union trotzdem nicht verhängen, sie kündigte lediglich an, die Regeln klarer fassen zu wollen.

Konzerne schreiben neues EEG-Gesetz

Die in der Strom-Rechnung enthaltene EEG-Umlage ist für die Förderung alternativer Energien bestimmt. Allerdings tragen nicht alle gleichermaßen zu der Subventionierung von Wind & Co. bei. Der Gesetzgeber hat BAYER und andere Chemie-Firmen wegen ihres hohen Energie-Bedarfs und entsprechend hoher Kosten weitgehend von der Abgabe befreit. Zudem zahlen die Konzerne für die Elektrizität, die sie in ihren eigenen Kraftwerken selbst erzeugen, nichts in den EEG-Topf ein. Das sogenannte Eigenstrom-Privileg entbindet sie davon. Aber den Multis reichte das noch nicht. Sie wollten sich auch bei dem zugekauften Strom vor den EEG-Zahlungen drücken. Dafür bedienten sich die Gesellschaften des „Scheibenpacht-Modells“, das sich schlaue BeraterInnen ausgedacht hatten. Diese entwickelten Verträge, die BAYER, RWE, DAIMLER und andere Global Player von schnöden Strom-Kunden zu fiktiven Pächtern von Kraftwerk-Anteilen machten – und damit zu Nutznießern des Eigenstrom-Privilegs. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, so der Spiegel, der den Skandal aufdeckte. Darum haben Netzbetreiber wie AMPRION die Unternehmen nun verklagt. Der Leverkusener Multi hingegen ist sich keiner Schuld bewusst und beteuert, sich immer an geltendes Recht gehalten zu haben. Betrugsvorwürfe wies BAYER-Chef Werner Baumann auf der Hauptversammlung des Konzerns am 28. April 2020 „entschieden“ zurück. Damit nicht genug, gehen die Firmen in die Offensive. Wie wiederum der Spiegel berichtete, möchten sie eine Gesetzes-Änderung erreichen, die sie vor Strafzahlungen schützt. Dazu haben BAYER & Co. dem Wirtschaftsministerium schon einmal frei Haus die passende Vorlage geliefert und eine „Novellierung Paragraf 104 Absatz 4 Erneuerbare Energien Gesetz (EEG)“ verfasst. Zudem trafen sich AnwältInnen und andere VertreterInnen der Firmen sowie EmissärInnen des „Verbandes der chemischen Industrie“ und anderer Organisationen in der Causa bereits mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Und nach dem Gespräch zeigte sich ein Konzern-Jurist auch hoffnungsfroh, dass „Missverständnisse“ über das Eigenstrom-Privileg bald „zielführend ausgeräumt“ werden.

Baumann kritisiert „Green Deal“

Im Mai 2020 hat die Europäische Union zwei wesentliche Elemente ihres „Green Deals“ vorgestellt: die Biodiversitätsstrategie und die Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“. Letztere gibt nach Ansicht der EU „eine umfassende Antwort auf die Herausforderungen nachhaltiger Lebensmittel-Systeme und erkennt an, dass gesunde Menschen, gesunde Gesellschaften und ein gesunder Planet untrennbar miteinander verbunden sind“. Auf der Agenda steht unter anderem eine Verringerung des Pestizid-Einsatzes bis 2030 um 50 Prozent. Das passt BAYER-Chef Werner Baumann gar nicht. „Es wäre illusorisch zu glauben, wir könnten ohne Pflanzenschutzmittel die bald acht Milliarden Menschen auf der Erde ernähren, die Biodiversität schützen und zugleich keine weiteren Flächen für die Landwirtschaft erschließen“, sagte er in einem Interview mit der FAZ. Ähnlich argumentiert der Konzern seit Jahren. Die Initiative OXFAM spricht in diesem Zusammenhang vom „Welternährungsmythos“. Sie hält die Zahlen, mit denen BAYER & Co. die Notwendigkeit einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion (und damit des Gebrauchs der Ackergifte) begründen, für nicht belastbar. In diese fließt nämlich nicht nur der mutmaßliche Bedarf an Lebensmitteln, sondern auch derjenige an Futtermitteln und Agrar-Rohstoffen zum industriellen Gebrauch ein. Auch zweifelt OXFAM den Zusammenhang zwischen der Menge an vorhandenen Nahrungsgütern und dem Hunger an. „Er suggeriert, dass eine höhere Produktion weniger Hunger bedeutet. Menschen hungern jedoch, weil sie extrem arm sind und sich keine Lebensmittel leisten können“, konstatiert die Organisation. Ihr schlichtes Fazit lautet: „Jenen, die den Welternährungsmythos bemühen, geht es in erster Linie um die Profite von Agrar-Konzernen und weniger um bessere Bedingungen für Hungerleidende.“

„Green Deal“: Klöckner reserviert

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zeigt sich wenig begeistert von der Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“, welche die Europäische Union am 20. Mai 2020 als „Kernstück“ ihres „Green Deals“ vorstellte. Diese sieht nämlich unter anderem eine Reduzierung des Pestizid-Einsatzes um 50 Prozent bis 2030 vor. „Die Vorschläge sind sehr ambitioniert“, konstatierte die CDU-Politikerin und führte weiter – ganz im Sinne von BAYER-Chef Werner Baumann (s. o.) – aus: „Die ausreichende Verfügbarkeit unserer Grundnahrungsmittel und die Ernährungssicherung der EU und global müssen stets im Vordergrund stehen. Und das wird immer Umwelt-Einflüsse haben.“ Klöckner bezeichnete die 24 Seiten lediglich als „Diskussionsgrundlage“ und stimmte schon einmal auf Kontroversen ein. Vielsagend wies sie in ihrer Presseerklärung darauf hin, dass der EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski bei der Präsentation der „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie fehlte.

BfR unter Einfluss

Das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) fällt immer wieder durch Entscheidungen im Sinne der Konzerne auf. So stellte es dem von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften BAYER-Pestizid Glyphosat im Rahmen der EU-Entscheidung über die Zulassungsverlängerung eine aus Industrie-Unterlagen zusammengeklaubte Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Das wundert allerdings nicht weiter, denn das Bundesinstitut steht unter Einfluss. So sitzt in der „BfR-Kommission für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände“ neben VertreterInnen von BASF auch der BAYER-Manager Dr. Frank Pierre Laporte.

PROPAGANDA & MEDIEN

VCI macht Schule

BAYER & Co. drängen mit aller Macht in die Schulen, um Einfluss auf die Lehrpläne zu nehmen und ForscherInnen-Nachwuchs zu rekrutieren. Nach einer Studie der „Otto Brenner Stiftung“ haben sie bereits rund 800.000 – natürlich kostenlose – Lehrmaterialien erstellt, die noch nicht einmal die bei normalen Schulbüchern üblichen pädagogischen Eignungstests durchlaufen müssen, ehe sie in den Klassenzimmern landen. Ganz vorne mit dabei: der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Mit einem Etat von ca. zwölf Millionen Euro gedenkt er im Jahr 2020 die Schullandschaft zu pflegen. Dabei reicht das Programm von „Finanzmitteln für Experimente über kostenfreie Unterrichtsmaterialien bis hin zu Angeboten für die Lehreraus- und -fortbildung“.

EU ermöglicht Gift-Importe

Die Europäische Union hatte sich vorgenommen, konsequent zu sein und Rückstände von Pestiziden, die sie wegen ihrer gesundheitsschädlichen Wirkungen verboten hat, auch nicht mehr in Lebensmittel-Importen zu dulden (siehe auch SWB 3/20). Das wussten BAYER & Co. allerdings zu verhindern. Immer wieder trafen EmissärInnen des Leverkusener Multis mit EU-KommissarInnen und/oder deren Kabinettsmitgliedern zusammen, um die Pläne zu vereiteln. So präsentierte der Konzern der Generaldirektion Handel etwa einen Report, der vor großen finanziellen Einschnitten durch die avisierten EU-Maßnahmen warnte. Und der beharrliche Lobby-Einsatz zahlte sich am Ende aus. Die Wünsche der Unternehmen fanden Eingang in die neue EU-Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“. In dem entsprechenden Passus heißt es, Brüssel gewähre „Einfuhr-Toleranzen für Pestizid-Wirkstoffe, die in der EU nicht mehr genehmigt sind“. „Das ist ein Offenbarungseid. Die EU-Kommission räumt den Konzern-Interessen den Vorrang vor der menschlichen Gesundheit ein“, konstatierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in ihrer Presseerklärung.

DRUGS & PILLS

EMA überprüfte CIPROBAY

Antibiotika mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY können zahlreiche Gesundheitsschädigungen auslösen (siehe auch SWB 3/18). Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Darüber hinaus zählen Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen zu den Risiken und Nebenwirkungen. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen schon. Da sich in letzter Zeit zudem Meldungen über Schädigungen der Herzklappen durch die Mittel häuften, leitete die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ (EMA) ein Prüfverfahren ein. Dieses bestätigte den Verdacht jedoch nicht. Darum müssen BAYER & Co. die Warnhinweise auf den Beipackzetteln nicht ändern.

Gefährliche Hormonersatz-Therapie

BAYER & Co. ist es gelungen, die Wechseljahre zu einer Krankheit zu erklären, bei der nur eins hilft: die Hormonersatz-Therapie. Was die Konzerne „Menopausen-Management“ nennen, bezeichnen KritikerInnen als „die Medikalisierung körperlicher Umbruchphasen im Leben von Frauen“. Und diese setzt die Patientinnen erheblichen Gesundheitsgefahren aus. Da neue Studien das Brustkrebs-Risiko von Hormonersatz-Therapien zu bestätigen schienen, hatte die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ (EMA) ein Prüfverfahren eingeleitet. Erhöhten Handlungsbedarf sah die EMA nach Vorlage des Berichts jedoch nicht. „Zurzeit keine weiteren Maßnahmen“, verkündete sie.

Mehr Umsatz mit YASMIN & Co.

Verhütungsmittel der dritten und vierten Generation wie die Präparate aus BAYERs YASMIN-Produktreihe stehen seit Jahren wegen des erhöhten Thrombose-Risikos, das von ihnen ausgeht, in der Kritik. Während sich unter YASMIN, YAZ, YASMINELLE & Co. bei 9 bis 12 von 10.000 Frauen ein Blutgerinnsel bildet, kommt es bei älteren Arzneien mit den Wirkstoffen Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat nur bei 5 bis 7 von 10.000 Frauen dazu. Die Geschäfte des Pharma-Riesen beeinträchtigt das jedoch nicht. Im Geschäftsjahr 2019 stieg sein Umsatz mit diesen Medikamenten gegenüber 2018 um 42 Millionen auf 681 Millionen Euro.

Neue Arznei gegen Prostata-Krebs

BAYER hat gemeinsam mit dem finnischen Unternehmen ORION ein Medikament zur Behandlung von Prostata-Krebs entwickelt. Das Präparat NUBEQA mit dem Wirkstoff Darolutamid ist dabei auf solche Patienten zugeschnitten, die zwar noch keine Metastasen haben, aber erhöhte, nicht auf eine Therapie mit Testosteron-Blockern reagierende PSA-Werte. Bei dieser Gruppe von Kranken stört das Darolutamid angeblich die Arbeit des Androgen-Rezeptors und hemmt so die Bildung von Testosteron, welches das Tumor-Wachstum befördert.

PCOS-Kooperation mit EVOTEC

BAYER hat mit dem Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC eine Kooperation auf dem Gebiet der Frauen-Heilkunde vereinbart. Die Firma will für den Leverkusener Multi eine Arznei zur Therapie des polyzystischen Ovarial-Syndroms (PCOS) entwickeln. Bei dieser Gesundheitsstörung handelt es sich um eine Erkrankung des Eierstocks, bei der Zysten-Bildungen den Ei-Sprung und so auch mögliche Schwangerschaften verhindern. Daneben forscht EVOTEC für den Global Player noch an Präparaten gegen Gebärmutterschleimhaut-Wucherungen, Husten und Nierenschäden. Die engen Verbindungen zum Pillen-Riesen kommen dabei nicht von ungefähr. Das ehemalige BAYER-Vorstands- und jetzige Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Plischke steht nämlich dem EVOTEC-Aufsichtsrat vor.

Galileo-Studie: Keine Aufklärung

BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO hat viele Risiken und Nebenwirkungen. So kann er beispielsweise schwere Blutungen verursachen, die allzu oft tödlich enden. Trotzdem versucht der Leverkusener Multi unermüdlich, neue Anwendungsfelder für sein Präparat zu finden. Nicht einmal dramatische Zwischenfälle bei den entsprechenden klinischen Prüfungen halten ihn davon ab. So musste der Pharma-Riese im Oktober 2018 die Galileo-Studie abbrechen, weil die Erprobung des Mittels an PatientInnen, die gerade eine künstliche Herzklappe bekommen hatten, gehäuft zu Todesfällen führte (Ticker 1/19). Anfang 2020 publizierten der Konzern und sein US-amerikanischer Vertriebspartner JANSSEN einen Aufsatz über den Arznei-Test in einer Fachzeitschrift. Aber Aufschluss über die hohe Sterberate konnten die beiden Unternehmen nicht geben. „Wir verstehen die Ergebnisse nicht ganz“, gab James List von JANSSEN anlässlich der Veröffentlichung zu Protokoll, vergaß dabei aber nicht, XARELTO eine Unbedenklichkeitsbescheinigung auszustellen. „Da die TeilnehmerInnen am GALILEO-Test sich grundlegend von denen der anderen XARELTO-Tests unterscheiden, bleibt das Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil von XARELTO bei den acht von der FDA (US-amerikanische Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) genehmigten Indikationen positiv“, so der Pharma-Manager.

Zahlreiche XARELTO-Nebenwirkungen

BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO löst immer wieder schwere Gesundheitsstörungen aus. 113.707 Meldungen über gravierende Nebenwirkungen gingen bis zum 30. Mai 2020 bei der Europäischen Datenbank für unerwünschte Arzneimittel-Effekte ein.

XARELTO für junge Erwachsene

Bald läuft das Patent für BAYERs umsatzstärkstes Pharmazeutikum, dem mit vielen Risiken und Nebenwirkungen behafteten Gerinnungshemmer XARELTO, aus. Darum versucht der Konzern fieberhaft, seinem Top-Seller mit dem Wirkstoff Rivaroxaban neue Anwendungsgebiete zu erschließen. So beantragte der Pharma-Riese jetzt in Aussicht auf eine sechsmonatige Patent-Verlängerung eine EU-weite XARELTO-Zulassung zur Behandlung von jungen Thromboembolie-PatientInnen bis 17 Jahre. Dabei ist die Fakten-Lage dünn. Am entsprechenden klinischen Test nahmen nur 500 Kinder und Jugendliche teil. Zudem handelte es sich nicht um eine Doppelblind-Studie. Auch das Ergebnis spricht nicht gerade für das Präparat. Unter dem BAYER-Mittel bekamen 1,2 Prozent der TeilnehmerInnen eine Thromboembolie, unter der Standard-Medikation Heparin mit drei Prozent nicht viel mehr. Zudem traten in der XARELTO-Gruppe mehr Blutungen auf (drei Prozent gegenüber 1,9). Diese seien aber weniger schwer verlaufen, versucht der Leverkusener Multi zu relativieren.

Neue XARELTO-Zulassung

Der BAYER-Konzern hat seinem umstrittenen Gerinnungshemmer XARELTO in den Vereinigten Staaten ein neues – das bisher achte – Anwendungsgebiet erschlossen. Die US-Gesundheitsbehörde FDA erteilte dem Präparat eine Zulassung zur präventiven Behandlung von solchen PatientInnen mit Thromboembolie-Risiko, die wegen akuter internistischer Gesundheitsstörungen wie etwa Schlaganfällen, Infektionskrankheiten oder Herzinsuffienz in ein Krankenhaus eingeliefert werden müssen.

GLYPHOSAT & CO.

Größeres Krebs-Risiko durch Dicamba

Der von BAYER und anderen Agro-Konzernen vermarktete Pestizid-Wirkstoff Dicamba lässt für LandwirtInnen die Wahrscheinlichkeit steigen, an Leber- und Gallenwegkrebs zu erkranken. Bei FarmerInnen, welche die Substanz intensiv nutzen, stieg das Risiko gegenüber solchen, welche den Stoff nicht einsetzen, um den Faktor 1.8. Die Leukämie-Gefahr nahm ebenfalls zu. Das ergab eine Untersuchung der US-amerikanischen „National Institutes of Health“ (NIH) auf der Basis eines rund 50.000 Bauern und Bäuerinnen umfassenden Daten-Satzes der „Agricultural Health Study“. Auch 20 Jahre nach der Erst-Exposition blieb die erhöhte Gefährdung noch bestehen. Nach dem Fall „Glyphosat“ droht BAYER nun also auch ein Fall „Dicamba“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) forderte die Bundesregierung in einer Presseerklärung auf, die neuen Erkenntnisse bei den Entscheidungen über Zulassungsverlängerung für dicamba-haltige Produkte zu berücksichtigen. „Es besteht dringender Handlungsbedarf“, hielt die CBG fest.

Notfall-Zulassungen in Deutschland

„Wenn eine Gefahr anders nicht abzuwehren ist, kann das ‚Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit’ kurzfristig das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels für eine begrenzte und kontrollierte Verwendung und für maximal 120 Tage zulassen“, heißt es auf der Webpage der Behörde. Und das tut diese immer häufiger. Schon 60 Notfall-Zulassungen gewährte das BVL im laufenden Jahr. Zumeist handelt es sich dabei um die Erlaubnis, die Pestizide in weiteren Kulturen gegen Schadinsekten oder Wildpflanzen nutzen zu können. So verhielt es sich auch bei dem BAYER-Insektizid MOVENTO SC 100. Gleich vier Mal genehmigte das Bundesamt eine Ausweitung der Anwendungszone. So dürfen die bundesdeutschen LandwirtInnen das Mittel mit dem Wirkstoff Spirotetramat zusätzlich gegen die Maulbeer-Schildlaus, die Rote Austern-Schildlaus, den Gemeinen Birnenblatt-Sauger, die Hopfen-Blattlaus, die Apfel-Blutlaus, die Reben-Schildlaus und zahlreiche weitere Tiere einsetzen.

Notfall-Zulassungen in der EU

Nicht nur Deutschland erteilt Notfall-Genehmigungen für Pestizide (s. o.), auch andere europäische Länder tun das. Dabei schrecken einige Staaten nicht einmal davor zurück, bereits auf den Index gesetzte Agro-Chemikalien wie etwa BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO aus der Gruppe der Neonicotinoide kurzzeitig wieder zuzulassen. Finnische, belgische und spanische LandwirtInnen können das Mittel, das die Europäische Union wegen seiner Bienengefährlichkeit im Jahr 2018 aus dem Verkehr gezogen hatte, in diesem Jahr wieder nutzen. Nur in Einzelfällen interveniert die EU. So untersagte sie im Februar 2020 Rumänien und Litauen, die Neonicotinoide wieder aus dem Giftschrank zu holen. Daneben durften sich noch einige Produkte des Leverkusener Multis über eine Ausweitung der Anwendungszone auf bisher verbotene Früchte freuen, so SIVANTO mit dem Wirkstoff Flupyradifuron und RONSTAR (Oxadiazon) in Griechenland, MOVENTO 48 C (Spirotetramat) in Italien und CONVISO ONE (Foramsulfuron und Thiencarbazone-methyl) in der Slowakei. Die einzelnen EU-Mitgliedsländer nutzen das Instrument der Notfall-Zulassungen in unterschiedlichem Maß. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, strebt die Europäische Union nun eine Harmonisierung der Praxis an. Geschehen ist allerdings bisher noch nichts.

Artensterben durch PONCHO

Die EU hat Pestizid-Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide im Jahr 2018 wegen ihrer bienenschädlichen Effekte verboten. In den meisten anderen Ländern der Welt dürfen sich Produkte wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) jedoch weiterhin auf den Feldern tummeln und dort ihr Gefährdungspotenzial entfalten. Und dieses beschränkt sich bei Weitem nicht nur auf Bienen. So haben PONCHO & Co. einen fatalen Effekt auf das Ökosystem „Reisfeld“, wie eine Studie des japanischen Wissenschaftlers Masumi Yamamuro ergab. Die von den Reisbauern und -bäuerinnen eingesetzten Neonicotinoide lösen nämlich eine ganze Ketten-Reaktion aus. Die Mittel töten Libellen ab, die vielen Fischen als Nahrung dienen. Darum ging der Stint-Bestand drastisch zurück, und viele FischerInnen mussten ihren Beruf aufgeben. Der Leverkusener Multi aber bestreitet den Befund und zieht Methodik und Daten-Interpretation Yamamuros in Zweifel. „Es gibt keinen Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Rückgang von Insekten-Populationen und dem Gebrauch von Neonicotinoiden in der Landwirtschaft“, erklärte der Konzern.

PFLANZEN & SAATEN

Pilot-Projekt „Kurzhalm-Mais“

BAYER führt in Mexiko ein Pilot-Projekt mit Kurzhalm-Mais durch. Dem Konzern zufolge erweist sich die gestutzte Pflanze Wetter-Einflüssen gegenüber als stabiler. Zudem braucht die hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Sorte mit dem Produkt-Namen VITALA weniger Wasser. Auch kommt sie angeblich mit weniger Pestiziden aus, die überdies nicht mehr von der Luft aus versprüht werden müssen. Auf der letzten Hauptversammlung Ende April 2020 gab sich BAYER-Chef Werner Baumann hoffnungsvoll, „dass diese Innovation den Mais-Anbau, und damit den Anbau einer der wichtigsten Kultur-Pflanzen überhaupt, revolutionieren kann.“

GENE & KLONE

Schweine als Ersatzteillager

BAYER setzt sowohl im Pharma- als auch im Agro-Bereich stark auf die „Gentechnik 2.0“, also zum Beispiel auf Gen-Scheren wie CRISPR-Cas9, die das Erbgut angeblich genau an einer vorgegebenen Stelle auftrennen können, um es dann „umzuschreiben“ oder neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einzufügen. Diverse Kooperationsabkommen in Sachen „Genome Editing“ hat der Leverkusener Multi bereits geschlossen. Und Anfang November 2019 investierte er 50 Millionen Dollar in das Start-up eGENESIS. Dieses nimmt sich vor, Schweine als Ersatzteillager für Menschen zu nutzen und in den Tieren Organe für Transplantationen zu züchten. Bisher galten derartige Unterfangen – von moralischen Bedenken ganz abgesehen – als extrem risiko-reich. Im Organismus von Schweinen tummeln sich nämlich viele Viren, sogenannte PERVs (porcine endogenous retrovirus), die das Potenzial haben, gefährliche Krankheiten auszulösen. Die 2009 ausgebrochene Schweinegrippe etwa kostete hunderttausende Menschen das Leben. Aber die eGENESIS-FoscherInnen wollen die PERVs im Erbgut der Tiere einfach mit einer Genschere herausschneiden und damit die Gefahr bannen. „Unser Team wird den PERV-freien Schweinestamm weiterentwickeln, für eine sichere und wirksame Xeno-Transplantation“, so eGENESIS-Mitgründerin Luthan Yang über das Projekt „pig3.0“. Von einer „Sprung-Innovation“ spricht BAYERs Pharma-Chef Stefan Oelrich deshalb. Und sein Kollege Dr. Jürgen Eckhardt sekundiert: „Wir glauben, dass eGENESIS den gesamten Markt für Organ-Transplantationen revolutionieren kann.“ Frühere Versuche des Leverkusener Multis, Tiere in Wert zu setzen, erwiesen sich nicht als erfolgreich. Das Klon-Schaf „Dolly“ der schottischen Biotech-Firma PPL THERAPEUTICS, an welcher BAYER einst 8,5 Prozent der Anteile hielt, verstarb vorzeitig. Zudem verweigerten die Tiere auch dem „Gene Pharming“ den Gehorsam. Das vollmundig als „Doing drugs the milky way” angekündigte PPL-Vorhaben, in Euter ein menschliches Gen einzuschleusen und aus ihnen so Reaktoren zur Herstellung eines Wirkstoffes zur Behandlung von Lungenkrankheiten zu machen, scheiterte.

Neue Zulassung, alte Standards

Seit Ende 2013 gelten in der Europäischen Union strengere Standards bei den Import-Genehmigungen für Gen-Pflanzen. Wenn es bloß um die Verlängerungen der Einfuhr-Erlaubnisse geht, will Brüssel diese Maßstäbe jedoch nicht in Anschlag bringen. So erhielt der BAYER-Konzern im Dezember 2019 eine erneute Zulassung für zwei Soja-Arten, obwohl keine bzw. nur mangelhafte Fütterungsstudien vorlagen und die Feldversuche sich nicht an den tatsächlichen Anbau-Bedingungen orientierten. Konkret handelte es sich dabei um das glyphosat-resistente Produkt MON89788 und um die Laborfrucht A2704-12, die immun gegen das jetzt von der BASF vermarktete und in der EU wegen seiner Gesundheitsschädlichkeit nicht mehr zugelassene Pestizid Glufosinat ist. Die Initiative TESTBIOTECH kritisiert die Entscheidung. Nach Ansicht der Organisation bestehen nämlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beschlusses. Sie verweist dabei auf eine EU-Verordnung, in der heißt: „Damit sichergestellt ist, dass Anträge auf Zulassungsverlängerungen in Bezug auf die Prüfverfahren denselben Standards entsprechen, sollten diese Anforderungen auch für Anträge auf Verlängerung der Zulassung von GV-Lebens- und Futtermitteln gelten (GV = gentechnisch verändert, Anm. Ticker)“. Hätte die bisherige Praxis aber trotzdem weiter Bestand, „gäbe es in der EU doppelte Sicherheitsstandards für transgene Pflanzen“, warnt TESTBIOTECH.

WASSER, BODEN & LUFT

CO2-Ausstoß steigt

Der BAYER-Konzern hat erstmals seit vielen Jahren wieder einen separaten Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt. Er hat seine Umweltberichterstattung also nicht reduziert, wie irrtümlicherweise im Ticker 2/20 berichtet. Nur leider gibt es in der Sache selbst kaum Positiveres zu melden, was das Unternehmen hauptsächlich dem „akquirierten Agrar-Geschäft“, also dem MONSANTO-Deal, zuschreibt. So stiegen die Kohlendioxid-Emissionen im Geschäftsjahr 2019 um 830.000 Tonnen auf 3,71 Millionen Tonnen. Ein Großteil dieses Zuwachses ist auf die extrem energie-intensive Glyphosat-Produktion am Standort Soda Springs zurückzuführen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert hier bereits seit Langem Maßnahmen ein, bisher blieb der Global Player allerdings untätig.

BAYER verbraucht mehr Strom

Der im Geschäftsjahr 2019 erstmals vollständig in BAYERs Energie-Bilanz einfließende Strom-Verbrauch des zugekauften MONSANTO-Geschäfts sorgt für eine massive Erhöhung der Zahlen. Der Energie-Einsatz des Konzerns erhöhte sich von 29.903 Terrajoule auf 38.744 Terrajoule.

Mehr Kohle im Strom-Mix

Der BAYER-Konzern verbrauchte im Geschäftsjahr 2019 nicht nur mehr Energie (s. o.), diese kam, was den selbst erzeugten Strom angeht (für den zugekauften Strom macht das Unternehmen keine detaillierteren Angaben), im Vorgleich zum Vorjahr teilweise auch aus schmutzigeren Quellen. So erhöhte sich der Kohle-Anteil am Energie-Mix von 2,38 Prozent auf 13,5 Prozent. Für Flüssigbrennstoffe sanken die Werte hingegen. Sie reduzierten sich von 23,11 Prozent auf 13,44 Prozent. Hauptenergie-Lieferant für den Leverkusener Multi ist mit 66,86 Prozent Erdgas.

Mehr ozon-abbauende Substanzen

Im Geschäftsjahr 2019 haben die BAYER-Werke mehr ozon-abbauende Substanzen ausgestoßen. Der Wert für die „Ozone Depleting Substances“ (ODS) stieg von 9,3 auf 17,8 Tonnen. Und diesmal ist daran nicht MONSANTO schuld. Die Uralt-Dreckschleudern des Konzerns im indischen Vapi sorgten für den Großteil des Zuwachses. An diesem Standort hatte das Unternehmen zwar jahrelang Modernisierungsarbeiten durchgeführt, aber ausgezahlt hat sich das Ganze offenbar nicht.

Mehr flüchtige Substanzen

2019 hat BAYER mehr flüchtige Substanzen in die Luft emittiert als 2018. Von 1.360 Tonnen auf 1.610 Tonnen erhöhte sich der Wert.

Weniger Kohlenmonoxid-Emissionen

Der Kohlenmonoxid-Ausstoß von BAYER ging 2019 gegenüber dem Vorjahr von 3.990 Tonnen auf 3.300 Tonnen zurück.

Mehr Stickstoff-Emissionen

2019 hat der BAYER-Konzern mehr Stickstoff in die Luft emittiert als 2018. Der Wert erhöhte sich von 3.260 auf 4.700 Tonnen.

Mehr Schwefeloxid-Emissionen

2019 hat der BAYER-Konzern mehr Schwefeloxid in die Luft emittiert als 2018. Der Wert erhöhte sich von 730 Tonnen auf 2.310 Tonnen.

Weniger Staub-Emissionen

BAYERs Staub-Emissionen sanken im Geschäftsjahr 2019 gegenüber 2018 von 2.350 Tonnen auf 1.580 Tonnen.

Höhere Abwasser-Frachten

Im Geschäftsjahr 2019 stieg BAYERs Wasserverbrauch gegenüber 2018 von 42 Millionen Kubikmeter auf 59 Millionen Kubikmeter und dementsprechend auch das Abwasser-Aufkommen. Die Gesamtmenge wuchs um 42,1 Prozent auf 26 Millionen Kubikmeter.

Mehr Einleitungen in Gewässer

Im Geschäftsjahr 2019 leitete der BAYER-Konzern mehr schädliche Stoffe in die Gewässer ein als 2018. „2019 stiegen alle Emissionen in das Wasser. Dies ist insbesondere auf die ganzjährige Einbeziehung der Standorte des akquirierten Agrar-Geschäftes zurückzuführen“, heißt es dazu im Nachhaltigkeitsbericht. Die Phosphor-Werte stiegen von 180 auf 510 Tonnen, die Stickstoff-Werte von 390 auf 420 Tonnen, die Schwermetall-Werte von 2,4 auf 2,6 Tonnen, die für organisch gebundenen Kohlenstoff von 600 auf 980 Tonnen und diejenigen für anorganische Salze von 97.000 auf 167.000 Tonnen.

Viele Pestizide in NRW-Gewässern

Die Gewässer in Nordrhein-Westfalen sind stark mit Agro-Chemikalien belastet, wie eine Große Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen an die CDU/FDP-Landesregierung ergab. Demnach weisen von 351 untersuchten Fluss-Abschnitten des Rheins 207 Pestizid-Rückstände über dem Beurteilungswert auf, der für die WissenschaftlerInnen den Übergang von einem guten in einen mäßigen Zustand markiert. Für die Ems traf dies auf 58 von 59 Bereichen zu, für die Maas auf 47 von 68 und für die Weser auf 65 von 82.

Dormagen: Ein bisschen Umweltschutz

Der BAYER-Konzern baut seine Dormagener Fertigungsanlage zur Herstellung der beiden Fungizide ASCRA XPRO (Wirkstoffe: Bixafen, Prothioconazol, Fluopyram) und ANTRACOL (Wirkstoff: Propineb) nicht nur aus (siehe STANDORTE & PRODUKTION), sondern aus Umweltschutz-Gründen zudem ein wenig um. Das erscheint angesichts der verheerenden Öko-Bilanz des Unternehmens (s. o.) auch dringend geboten. So kündigte die Firma Investitionen in eine leistungstärkere Aufbereitung von Abgasen und Abwässern an. Unter anderem will sie das bei der Prothioconazol-Produktion anfallende Eisen(II)-Clorid zu Eisen(III)-Clorid aufbereiten und wieder in den Herstellungsprozess leiten. Nach Angaben der „Deutschen Energie-Agentur“ sorgt das für eine Reduzierung der Abfall-Ströme um 95 Prozent. Überdies kann der Leverkusener Multi auf diese Art nicht nur den Rohstoff-, sondern auch den Energie-Verbrauch drosseln, was die Kohlendioxid-Emissionen der Fertigungsstätte um rund 9.000 Tonnen pro Jahr reduziert.

PolitikerInnen wollen Geld von BAYER

Die Gewässer Deutschlands sind nicht nur stark mit Pestiziden belastet (s. o.), sondern auch mit Arznei-Rückständen. Den Wasserwerken verursacht das enorme Zusatzkosten bei der Trinkwasser-Aufbereitung. Darum fordern die verantwortlichen PolitikerInnen eine Beteiligung von BAYER & Co. an den Mehraufwendungen. „Nach Auffassung der Umweltministerinnen und -minister sowie der -senatorinnen und -senatoren der Länder gibt es klare Adressaten für eine verursacher-gerechte Kostentragung, da es nur eine geringe Anzahl von Herstellern und Inverkehrbringern von Pflanzenschutzmitteln bzw. von unter Gewässerschutz-Aspekten problematischen Medikamenten gibt“, so die nordrhein-westfälische Landesregierung in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen. Dementsprechend haben die Bundesländer die Bundesregierung gebeten, „Regelungsperspektiven aufzuzeigen und mögliche nationale und europäische Instrumente zu prüfen“.

Runder Tisch zu Röntgen-Kontrastmitteln

BAYERs Röntgen-Kontrastmittel haben es in sich. Bei deren Inhaltsstoffen handelt es sich nämlich um Abkömmlinge des Schwermetalls Gadolinium. GADOVIST enthält Gadobutrol, PRIMOVIST Gadoxet-Säure und MAGNEVIST Gadopentent-Säure. Diese Substanzen können zahllose Gesundheitsschäden verursachen wie z. B. Herzrhythmus-Störungen, Muskel-Zuckungen, Blutdruck-Schwankungen, Leber-Erkrankungen und Fibrose, ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes. Noch dazu zählen die Präparate zu den Arzneimitteln, welche die Gewässer am stärksten belasten. Und auch das liegt an den Schwermetallen, denn diese bauen sich biologisch nur sehr langsam ab. Darum gibt es bereits ein Forschungsprojekt, das bei Röntgen-PatientInnen den Einsatz von Urin-Beuteln testet, um GADOVIST & Co. in den Sondermüll statt in die Kanalisation gelangen zu lassen. Daneben hat die Bundesregierung ein ExpertInnen-Gremium ins Leben gerufen, das die Aufgabe hat, Vorschläge zur Verminderung der Stoff-Einträge von Röntgen-Kontrastmitteln, anderen Medikamenten und Pestiziden zu erarbeiten.

Pilotanlage eliminiert kaum PCB

Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl zum Schmieren brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Um das PCB nicht in das Grundwasser und die Flüsse gelangen zu lassen, muss der Bergbau-Konzern RAG das Grubenwasser über ein bestimmtes Niveau pumpen. Die kontaminierte Fracht leitet er dann in die Gewässer ein. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz entnahm unter anderem an den Bergwerken in Bottrup, Bergkamen und Essen Proben und wies PCB-Belastungen nach, die an manchen Stellen um das Dreifache über den Grenzwerten lagen. Darum hat die RAG jüngst an den Einleitungsstellen „Bergwerke Ost“ und „Ibbenbüren“ Pilotanlagen zum Herausfiltern des PCB aus dem Grubenwasser erprobt. Die Ergebnisse ließen allerdings zu wünschen übrig. Es gelang nur, 30 bis 40 Prozent der Polychlorierte Biphenyle zu eliminieren. Jetzt empfiehlt eine ExpertInnen-Gruppe unter anderem, „zu gegebener Zeit alternative Aufbereitungsverfahren an anderen Einleitungsstellen mit vorhandener Fracht zu testen“.

RAG will fluten

In Nordrhein-Westfalen muss der RAG-Konzern aus seinen stillgelegten Bergwerken das Grubenwasser vollständig abpumpen, um die darin enthaltenen Giftstoffe wie z. B. Polychlorierte Biphenyle – oftmals made by BAYER (s. o.) – nicht ins Grundwasser gelangen zu lassen. Zudem kann so Erd-Erschütterungen vorgebeugt werden. Im Saarland besteht keine Pflicht zu diesen Arbeiten, weil die geographische Lage eine andere ist. Das wollte das Unternehmen ausnutzen und viele Pumpen abstellen. Dagegen klagte jedoch die Gemeinde Nalbach, zu welcher der ehemalige Schacht Primsmulde gehört. Sie erhielt Ende 2019 auch Recht zugesprochen, aber die RAG legte Beschwerde gegen das Urteil ein. Jetzt liegt die Angelegenheit dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zur Entscheidung vor.

Das Rheinbrücken-Fiasko

Durch nichts ließen sich die nordrhein-westfälischen PolitikerIn-nen von CDU, SPD und FDP davon abhalten, Leverkusens marode Rheinbrücke durch einen Neubau zu ersetzen und im Zuge dessen auch die Autobahn A1 auf zwölf Spuren auszubauen, obwohl sie dazu Hand an BAYERs Dhünnaue-Altlast legen mussten. Vergeblich warnten UmweltschützerInnen vor Stoff-Austritten aus der stillgelegten Giftmüll-Deponie und vor Baugrund-Absenkungen durch die fortwährende Zersetzung der organischen Substanzen. Der rot-grünen NRW-Landesregierung unter Hannelore Kraft konnte es gar nicht schnell genug gehen. Der damalige Bau-Minister Michael Groschek (SPD) brachte sogar eine „Lex Leverkusen“ auf den Weg, um Klage-Möglichkeiten gegen das Vorhaben einzuschränken und so die Umsetzung zu beschleunigen. Aus dem gleichen Grund verzichtete er bei der Ausschreibung auf ein Verhandlungsverfahren. Damit vergab sich das Land die Möglichkeit, dem ausgewählten Unternehmen genauere Bedingungen, z. B. zu den Qualitätsstandards, zu stellen. Nur billig sollte alles sein. Und genau das fällt der Politik jetzt auf die Füße. Auf den Stahl, den der General-Unternehmer PORR für die Brücken-Konstruktion von einem chinesischen Subkontraktor bezog, konnte nämlich niemand bauen. 250 bis 600 Mängel pro Bauteil entdeckte der Landesbetrieb „Straßen.NRW“. Nach langem Hin und Her zog die schwarz-gelbe Landesregierung dann die Reißleine. Sie kündigte den Vertrag mit PORR und schrieb die Arbeiten neu aus. Dadurch kommt es nicht nur zu großen Verzögerungen, sondern auch zu erheblichen Kosten-Steigerungen zu Lasten der SteuerzahlerInnen. Für eine Realisierung von Alternativen beim Neustart wie etwa der Tunnel-Lösung, welche die Dhünnaue unangetastet ließe, ist es nach Meinung vieler UmweltschützerInnen allerdings zu spät.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Der Untergang der „Grande America“

Nicht weniger als 25 Transport-Unfälle mit zum Teil als Gefahrgut deklarierter Ladung verzeichnet BAYERs Nachhaltigkeitsbericht für 2019. Der fatalste ereignete sich am 12. März des Jahres. Da geriet das Container-Schiff „Grande America“ rund 330 Kilometer vor der französischen Westküste in Brand und sank. Es bildete sich ein zehn Quadratkilometer großer Ölteppich, der mehr als 250 Vögel das Leben kostete. Neben 2.100 Autos, 62 Tonnen Kunstharz, 16 Tonnen Terpentin-Ersatz und 720 Tonnen Salzsäure befanden sich auch 25 Tonnen BAYER-Fungizide an Bord. Ob die Behälter ausliefen oder mehr oder weniger friedlich auf dem Mee

[Glyphosat-Aufmacher] Klage wg. Glyphosat-Aufmacher

CBG Redaktion

BAYER vs. taz

Na, das ist doch mal ein Geschäftsmodell: gleichzeitig die Krankheit und das Heilmittel verkaufen! Der BAYER-Konzern macht’s möglich, hat er doch sogleich das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ bewertete Pestizid Glyphosat und das passende Onkologie-Präparat dazu im Angebot. Unbezahlte Werbung für das „Krebs-Rundumpaket“ machte die Berliner Tageszeitung taz auf dem Cover ihrer Ausgabe vom 24. Oktober. Aber der Leverkusener Multi zeigte sich undankbar. Er zog vor Gericht, kam mit seiner Klage allerdings nicht durch. In der Vergangenheit hatte der Global Player da mit seinen Angriffen gegen die Pressefreiheit oft mehr Glück.

Von Jan Pehrke

Am 24. Oktober 2018 hatte die taz bei BAYER einen neuen Synergie-Effekt ausgehoben. „Der Chemie-Konzern verdient an einem Pestizid, das wahrscheinlich Krebs verursacht – und er verkauft ein teures Medikament, um diesen Krebs zu heilen“, konstatierte die Zeitung. Und wirklich bietet der Global Player die Arznei ALIQOPA als Therapeutikum gegen eben jene Krebsform an, wegen der Glyphosat zurzeit vor Gericht steht: das Non-Hodgkin-Lymphom, eine die Lymphdrüsen befallende Tumor-Art. Als „Krebs-Rundumpaket“ pries das Berliner Blatt deshalb diese Kombination aus dem glyphosat-haltigen ROUNDUP und dem Pharmazeutikum mit dem Wirkstoff Copanlisib auf ihrer Titelseite an. Neben der Sprühflasche mit dem Herbizid blitzte dort der sternförmige Störer „Super: macht Krebs“ auf - und neben dem Heilmittel ein solcher mit der Aufschrift „Super: heilt Krebs“. Ein paar Tage später hatte die taz eine Abmahnung aus Leverkusen auf dem Tisch. Der Agro-Riese forderte die Zeitung auf, nicht weiter zu behaupten, dass Glyphosat Krebs auslöse. Wenn das Blatt die Ausgabe mit dem entsprechenden Titel und dem dazugehörigen Artikel weiter verbreite und im Internet zugänglich halte, sei eine Vertragsstrafe und die Übernahme von BAYERs Anwaltskosten fällig, drohte der Multi. Aber die BerlinerInnen ließen sich nicht einschüchtern und schlugen zurück. Sie reichten eine „negative Feststellungsklage“ ein, die eine Beweislast-Umkehr in Gang bringt. Dieses Rechtsmittel hält die Gerichte nämlich dazu an zu prüfen, ob Unterlassungsansprüche tatsächlich bestehen. „Wenn wir bei der taz eine Abmahnung kriegen, wo wir einerseits meinen, der Gegner ist es wert, andererseits meinen, die ist dreist, dann empfehle ich das eigentlich immer“, so der Anwalt Johannes Eisenberg.
Und die Abmahnung von BAYER empfand er sogar als „ungewöhnlich dreist“, denn die Bild-Montage auf dem Cover sei klar erkennbar eine „Meinungsäußerung in satirischer Form“ und „keine beweispflichtige Tatsachenbehauptung“. Aber nicht nur deshalb empörte sich der Jurist. BAYER müsse „sich als Markt-Teilnehmer kritisch betrachten lassen“, hält Eisenberg fest. Das meint auch taz-Redakteur Jost Maurin. Dementsprechend verurteilte er den Pillen-Riesen für das Zustellen der Abmahnung: „Sie widerspricht den Beteuerungen des Konzerns, er werde stärker auf die Öffentlichkeit zugehen als MONSANTO vor der Übernahme durch BAYER.“
Mit dem juristischen Konter der taz hatte der Leverkusener Multi offenbar nicht gerechnet. Die negative Feststellungsklage bewog ihn, von seinem Vorhaben abzulassen. „Unsere Mandantin verpflichtet sich rechtsverbindlich, gerichtlich nicht gegen die von ihrer Mandantin als Satire eingeordnete Berichterstattung auf dem Titelblatt der taz vom 24.10.2018 vorzugehen“, schrieb BAYER-Rechtsanwalt Gernot Lehr. „Die Beklagte wollte eine kritische Berichterstattung unterbinden und hat jetzt Sorge, dass die Drohung ins Leere geht. Allein deshalb will sie den Prozess nicht. Sie kneift“, erklärte Eisenberg dazu. Der Global Player will das natürlich nicht auf sich sitzen lassen. „Die taz hat uns unterstellt, es sei das Geschäftsmodell von BAYER, Krebs zu erzeugen und zugleich zu heilen. Nachdem sie nun von sich aus klargestellt hat, dass diese Aufmachung lediglich als ‚Witz’ gemeint war, ist die Sache für uns erledigt“, so Konzern-Pressesprecher Christian Maertin. Das Unternehmen sieht den Zusammenhang nämlich ein bisschen anders. Es stelle Produkte her, „die einerseits dazu beitragen, eine hochwertige Ernährung von Millionen Menschen auf nachhaltige Weise zu sichern, und andererseits schwere Krankheiten zu behandeln“.

Klagen über Klagen
Maßnahmen gegen kritischen Journalismus zu ergreifen, hat beim Leverkusener Multi Tradition. So ging er 1988 gerichtlich gegen den Südwestfunk vor. Ihm passte ein Beitrag des Magazins Report über das BAYER-Ackergift NEMACUR nicht, das die JournalistInnen Dr. Imre Kerner und Dagni Kerner-Radek für schwerwiegende Gesundheitsstörungen im Raum Tübingen verantwortlich gemacht hatten. Besonders skandalös dabei: Der in den Bodenproben nachgewiesene NEMACUR-Wirkstoff Fenamiphos besaß in der Bundesrepublik gar keine Zulassung. BAYER leitete juristische Schritte ein, und das dem Konzern immer schon recht zugeneigte Kölner Landgericht gab der Klage nach Richtigstellung und Unterlassung statt. 2011 erwischte es das schweizerische TV-Magazin 10vor10 nach Reportagen über die Risiken und Nebenwirkungen des Verhütungsmittels YASMIN. Von „manipulativen“ Berichten sprach die Aktien-Gesellschaft und sah das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt, was das Gericht jedoch anders sah.
Beim Internet-Portal Lifegen versuchte das Unternehmen es in der Sache mit einer Abmahnung und scheiterte ebenfalls. Die RedakteurInnen durften den Artikel zu der Pille, den sie von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) übernommen hatten, weiterverbreiten. Auch bei der Webseite duckhome kam BAYER mit dieser Methode nicht zum Ziel: Der Kommentar zu dem Artikel „BAYER – so richtig schmutziger Turbo-Kapitalismus“ verblieb im World Wide Web.

Selbst Buch-Veröffentlichungen hintertrieb der Pharma-Riese schon mit juristischen Mitteln. Gegen das Werk „Der Dormagener Störfall“ von Klas Ewert Everwyn zog er Anfang der 1980er Jahre vor Gericht. Der Verfasser hatte den Literatur-Preis „Dormagener Federkiel“ erhalten, der mit der Auflage verbunden war, sich der Stadt in irgendeiner Form schriftstellerisch zu widmen. Everwyn musste nicht lange nach einem Sujet suchen. Da er im Ort auf die Allgegenwart BAYERs stieß, beschloss er, sich dem Unternehmen zuzuwenden. Von einem nur durch Glück glimpflich ausgegangenen Gift-Austritt in einer Pestizid-Anlage des Unternehmens ließ er sich zu seinem Buch inspirieren. Das rief sofort den Konzern auf den Plan. „Es ist doch etwas anderes, ob man sich mit der Kritik an gegenwärtigen Zuständen auseinanderzusetzen hat oder ob ein Schriftsteller BAYER einfach diffamiert“, meinte er. Der Multi drohte mit einer Prozesslawine und erreichte in einem Vergleich die Streichung des Namens „BAYER“ aus dem Text. Jegliche Ähnlichkeit des im „Dormagener Störfall“ erwähnten Unternehmens mit einem tatsächlich existierenden hatte der Autor als zufällig darzustellen. „Da es sich um ein Auftragswerk der Stadt Dormagen handelt, war es für mich zwingend, das dort ansässige große Chemie-Werk für meine Legende heranzuholen. Ich will weder das Werk noch seine Menschen diffamieren“, lautete die am Anfang des Oeuvres abzudruckende Erklärung. Dem Druck von Seiten BAYERs geschuldet, verschwand das Buch bald in der Versenkung und gelangte nie in den offiziellen Handel – bis die Coordination es 1997 neu herausgab.

Doch die CBG kann es nicht dabei belassen, Unterstützung zu gewähren, wenn BAYER wieder einmal danach trachtet, KritikerInnen mundtot zu machen. Oft genug bot sie dem Leverkusener Multi selbst ein Angriffsziel. 1990 mahnte er ein Titelbild von Stichwort BAYER ab, und 2001 untersagte er die Nutzung eines bestimmten Domain-Namens. Die langwierigste Auseinandersetzung mit dem Konzern um die Meinungsfreiheit begann aber im Jahr 1987. Damals hatte die Coordination einen Aufruf veröffentlicht und in einer „Gefahren für die Demokratie“ überschriebenen Passage konstatiert: „In seiner grenzenlosen Sucht nach Gewinnen und Profiten verletzt BAYER demokratische Prinzipien, Menschenrechte und politische Fairness. Missliebige Kritiker werden bespitzelt und unter Druck gesetzt, rechte und willfährige Politiker werden unterstützt und finanziert“.

Der Leverkusener Multi mochte das nicht gedruckt wissen und schaltete seine RechtsanwältInnen ein. In den ersten Instanzen bekam das Unternehmen Recht; ein Richter forderte sogar eine dreijährige Haftstrafe für einen CBGler. Die Coordination entschied sich dann nach reiflicher Überlegung, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, obwohl dieser Schritt mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden war. Das erwies sich letztendlich als richtig, denn das BVG unter dem Vorsitz des späteren Bundespräsidenten Roman Herzog entschied zugunsten der CBG. Es hob die früheren RichterInnen-Sprüche auf, da diese „auf einer grundsätzlichen Verkennung der Grundrechte auf Meinungsäußerung und Pressefreiheit“ basieren würden. Was BAYER „mit Bedauern zur Kenntnis“ nahm, feierte CBG-Urgestein Axel Köhler-Schnura als „Erfolg für die gesamte Ökologie-Bewegung“. Der Spiegel maß dem Urteil damals ebenfalls eine große Bedeutung zu. „Es wird Folgen haben, weit über den BAYER-Fall hinaus“, schrieb das Blatt. Und in der Tat hat es für nachfolgende juristische Auseinandersetzungen um die Freiheit des Wortes eine große Bedeutung erlangen können.

„Die Jungs in Hamburg“
Auch unterhalb der juristischen Schwelle stehen dem Agro-Riesen viele Möglichkeiten zur Verfügung, eine missliebige Berichterstattung zu unterbinden. Ein bevorzugtes Mittel dabei ist der Anzeigen-Boykott. So mussten die Magazine Spiegel und Stern nach kritischen Artikeln immer mal wieder auf Annoncen von BAYER verzichten. „Damit die Jungs in Hamburg mal lernen, wer hier das Sagen hat“, hieß es dazu aus der Konzern-Zentrale. Manchmal zeigten diese sich dann auch lernwillig. 1983 etwa zog der Stern das Buch „Es war einmal ein Fluss“ im letzten Moment zurück, da das Magazin die Leverkusener Reaktionen fürchtete – spielte der Multi mit seinem Brunsbütteler Werk in dem Abgesang auf die Elbe doch eine prominente Rolle. Hatte die Zeitschrift die Arbeit seines Autoren Christian Jungblut zunächst als „Das Lehrstück vom Ausverkauf einer Landschaft“ beworben, so kanzelte sie Felix Schmidt von der Chef-Redaktion nun plötzlich gegenüber dem Branchen-Blatt Buchreport als „tendenziöse Auseinandersetzung“ ab und sprach von „konzeptionellen“ Differenzen. Erscheinen konnte die Arbeit von Jungblut aber dennoch: Der Kabel-Verlag sprang ein und veröffentlichte sie.
Düsseldorf musste ebenfalls bereits lernen, „wer hier das Sagen hat“. Nach einem Text über Störfall-Risiken stornierte BAYER kurzerhand die bisher regelmäßig im Stadtmagazin Überblick geschaltete ASPIRIN-Werbung. Äußerst empfindlich bei diesem Thema reagierte der Global Player auch im Jahr 2008. Nach der verheerenden Explosion in einem Werk am US-amerikanischen Standort Institute, die zwei Menschenleben kostete, arbeitete er eine Strategie aus, um nicht genehme Medien zu „marginalisieren“. Zudem kaufte das Unternehmen alle Fotos von dem Unglück auf. „Aus den Augen, aus dem Sinn“, lautete die Devise. Darum reagierte der Konzern auch äußerst misstrauisch auf einen vom ZDF geplanten TV-Film über einen vertuschten Störfall und verlangte Drehbuch-Einsicht. Die Sendeanstalt verbat sich das, woraufhin die FilmemacherInnen umgehend Schwierigkeiten bei der Motivsuche bekamen. BAYER und andere Chemie-Multis erteilten auf ihren Firmen-Arealen keine Dreh-Genehmigungen.

Selbst den Presserat bemühte der Leverkusener Multi schon. Dort reichte er 2013 eine Beschwerde gegen den Spiegel ein. Wegen eines kritischen Artikels über den Gerinnungshemmer XARELTO wollte er eine Rüge erwirken. Das gelang jedoch nicht. Nach Ansicht des zuständigen Ausschusses hatte das Nachrichtenmagazin weder unangemessen über medizinische Sachverhalte berichtet noch die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt. Erfolgreicher gestaltete sich da schon die Operation gegen den Film „Unser täglich Gift gib‘ uns heute“, der sich mit dem Pestizid-Einsatz in Brasilien beschäftigte. Der Konzern übte Druck auf die Evangelische Kirche als Verleiher aus und sorgte so für ein Verschwinden des Werkes aus dem Programm.

Über den „Heimatsender“ WDR wacht der Gen-Gigant besonders streng. Regelmäßig versucht er, kritische TV-Berichte des Senders zu verhindern, z. B. den Film „Unter tödlichem Verdacht“, der die von BAYER verschwiegenen Risiken der Arznei TRASYLOL enthüllte. Eine Dokumentation des Journalisten Frans van der Meulen über Vergiftungen durch Holzschutzmittel wollte der Multi ebenfalls kippen. Bei einem Monitor-Beitrag über die mit Hilfe eines BAYER-Patents entwickelten chemischen Kampfstoffe VX und VE gelang ihm das 1984 auch. Eine Interview-Anfrage zu dem Thema reichte, um die Rechtsabteilung ein- und den Film auszuschalten. Redakteur Gerd Ruge teilte den Autoren Peter Kleinert und Jörg Heimbrecht mit, der Beitrag könne „leider nicht gesendet werden“, weil BAYER „im Hause interveniert“ hätte, und er sich dem beugen müsse.

Außergewöhnlich großen Anstoß erregte 1990 eine „Montagsreportage“. Darin gab der damalige Werksleiter des Leverkusener BAYER-Werkes, Dietrich Rosahl, nämlich zu, von der Umweltverschmutzung durch die örtliche Altlast-Deponie Dhünnaue gewusst zu haben. Da dieses Geständnis zu einem Strafverfahren führte, intervenierte der Pharma-Riese umgehend beim damaligen WDR-Fernsehdirektor Günter Struve. Die Sendung „Vor Ort“ indessen war zum letzten Mal live vor Ort, als sie über eben den Gusathion-GAU in Dormagen berichtete, der Klas Ewert Everwyn zu seinem Buch inspiriert hatte. Die dort ausgestrahlten Orginal-Töne waren für den Konzern zu schwer zu ertragen. Seither kommen die Lokaltermine aus der Konserve. Aber das nachbarschaftliche Verhältnis blieb gespannt. Nach einem anderen unliebsamen Fernsehbeitrag ließ der Leverkusener Multi gar Tausende von Flugblättern mit der Überschrift: „WDR - Da hilft nur noch abschalten“ verteilen. Den zu der Zeit amtierenden WDR-Intendanten Friedrich Nowottny versuchte BAYER einst über den Rundfunkrat zu stürzen. Und Post aus Leverkusen trudelte bei dem Gremium auch nach einem Hörfunk-Beitrag über „50 Jahre Pille“ ein, denn der Konzern hatte ein nettes Geburtstagsständchen erwartet und störte sich dementsprechend an Auslassungen zum gesundheitsgefährdenden Potenzial seines Verhütungsmittels YASMIN. Dem Hörfunk-Direktor brachte er das ebenfalls zu Gehör.

Nicht einmal die Sport-Berichterstattung ist vor der Aktien-Gesellschaft sicher, gilt es doch, die als „Plastik-Club“ verschriene Fußball-Abteilung vor Anfeindungen zu schützen. Dem Aktuellen Sportstudio warf der Konzern dereinst in dieser Sache „unterlassene Hilfeleistung“ vor, da es den ZuschauerInnen das dem Sportclub bei einem Pokalspiel entgegenschallende Pfeifkonzert nicht erspart hatte. „Wir haben uns immer noch mit einer sehr unangebrachten öffentlich-rechtlichen Arroganz auseinanderzusetzen“, tobte der ehemalige Sportdirektor Jürgen von Einem: „So geht man nicht mit Kunden um“. Ein verräterischer Satz: Als Kunde mit Anspruch auf Dienstleistungen definiert BAYER in aller Offenheit sein Verhältnis zu den Medien.

Ausgesprochen allergisch reagiert der Global Player stets, wenn die CBG in irgendeiner Form Platz in der Berichterstattung erhält. Als 1995 die Eröffnung einer neuen Produktionsanlage in Bitterfeld einen bitteren Beigeschmack zu bekommen drohte, weil ein CBGler im Radio Mephisto über die ökologischen Nebenwirkungen des Werkes und BAYERs Einflussnahme auf die Treuhand bei Gründung der Niederlassung plauderte, rief der damalige Presse-Chef des Konzerns direkt aus London bei der Radiostation an und forderte Sendeplatz – den er natürlich auch prompt bekam. Ein im Express schon fest eingeplanter Bericht über die BAYER-Hauptversammlung und Gegen-Aktivitäten verschwand nach einem kurzen Telefonat im Orkus. Dahin gesellte sich im Jahr 2008 auch ein langer Artikel über den 30. Geburtstag der CBG, den der Journalist Caspar Dohmen für die Süddeutsche Zeitung geschrieben hatte. Selbiges wollte der Leverkusener Multi im Jahr 2010 auch beim Kölner Stadtanzeiger erreichen. Ihm passte nicht, dass es im Video-Portal des Blattes einen Beitrag über die Aktivitäten der Coordination auf der BAYER-Hauptsammlung gab. Darum schrieb das Unternehmen einen Beschwerde-Brief an die Chefredaktion. Die Zeitung ließ sich aber ebenso wenig einschüchtern wie der Filmemacher, der dem Konzern antwortete, er suche sich seine Themen immer noch selber aus.

Das Vorgehen des Agro-Riesen gegen die taz steht also in einer Kontinuität. Bereits vor zehn Jahren nahm die Fall-Sammlung, die das Stichwort BAYER aus gegebenem Anlass – BAYER hatte gerade den Artikel der Süddeutschen Zeitung über die CBG abgewürgt – präsentierte, ein beeindruckendes Ausmaß angenommen. Und inzwischen ist die Liste mit den Angriffen des Konzerns gegen die Pressefreiheit noch einmal bedeutend länger geworden. Längst nicht alle führten zum Erfolg, trotzdem hat er sich nie von seinem Weg abbringen lassen. Darum dürfte selbst die schmetternde juristische Niederlage gegen die tageszeitung kaum erzieherisch wirken.

[Nebenwirkungen] Glyphosat-Nebenwirkungen

CBG Redaktion

BAYER streicht 12.000 Jobs

BAYER hat an MONSANTO schwer zu schlucken. Der Mega-Deal scheint sich immer mehr zu einem Mega-Desaster auszuwachsen. Der Milliarden-Seller Glyphosat droht nämlich zu einem Milliarden-Grab zu werden, da fast 10.000 Klagen von Geschädigten anstehen. Nach dem ersten Urteil, das Dewayne Johnson Schadensersatz in Millionen-Höhe zusprach, setzten die Aktien des Leverkusener Multis zu einer Talfahrt an. BLACKROCK und andere Groß-Investoren schauten da nicht lange zu: Sie meldeten Handlungsbedarf an. Und der Global Player lieferte: Am 29. November 2018 gab er die Vernichtung von 12.000 Arbeitsplätzen bekannt. Jeder zehnte Job im Unternehmen fällt der Streich-Orgie zum Opfer. Kein bundesdeutscher Konzern stellte im zurückliegenden Jahr so vielen Stellen zur Disposition.

Von Jan Pehrke
Mit großen Versprechungen hatte der Leverkusener Multi die Übernahme von MONSANTO verbunden. „BAYER wird nach Abschluss der Integration mehrere Tausend Stellen in den USA schaffen und dort dann mehr Mitarbeiter haben als beide Unternehmen heute zusammen“, kündigte der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann in einem Interview mit Die Welt an. Diese frohe Botschaft hatte er dem US-Präsidenten Donald Trump am 11. Januar 2017 sogar persönlich überbracht, um dessen Ja-Wort zu dem Deal zu erheischen – die US-Behörden hatten die Transaktion damals nämlich noch nicht genehmigt. Trumps damaliger Sprecher Sean Spicer konnte sich sogar noch an Details aus dem Gespräch erinnern. Genau 3.000 neue Jobs wollte der Konzern schaffen und an den US-amerikanischen Standorten acht Milliarden Dollar in Forschung & Entwicklung investieren. Und Europas sollte darunter nicht leiden, beteuerte Baumann: „Es geht beim Erwerb von MONSANTO um die Schaffung eines Wachstumsunternehmens. Daher werden nach Abschluss der Integration unter anderem auch in Europa neue Arbeitsplätze entstehen.“

Noch nicht einmal zwei Jahre später, am 29. November 2018, gibt der Global Player die Vernichtung von 12.000 Stellen – jeder zehnten im Unternehmen – bekannt. Aus dem vermeintlichen Job-Wunder MONSANTO wurde in dieser Zeit eine Job-Wunde, die tief ins Fleisch der Belegschaft reicht und 4.100 Beschäftigten den Posten kostet. Einen „Synergie-Effekt“ in dieser Höhe hätte der Konzern von Anfang an in Rechnung gestellt, hieß es nun auf einmal. Mit 900 Beschäftigten weniger muss die Pharma-Forschung auskommen. „Eine verstärkte Ausrichtung auch auf externe Innovationen“ will der Konzern nämlich vornehmen. Und in Wuppertal wird der gerade erst in Betrieb genommene „futuristische Glasbau“ (Handelsblatt) zur Herstellung von Bluter-Medikamenten schon wieder Geschichte, respektive 350 Arbeitsstätten. Die „Consumer Health“-Abteilung mit den nicht rezeptpflichtigen Produkten verliert 1.100 Belegschaftsangehörige, unter anderem weil der Leverkusener Multi beabsichtigt, sich von den Sonnenschutz-Mitteln der COPPERTONE-Reihe und den Fußpflege-Präparaten der Marke DR. SCHOLL’S zu trennen. Ganz verkaufen will die Aktien-Gesellschaft nicht nur seinen Anteil an dem Chem„park“-Dienstleister CURRENTA, sondern auch die„Animal Health“-Sparte, obwohl Werner Baumann das vier Wochen vorher noch ausgeschlossen hatte. Rationalisierungsmaßnahmen in der Verwaltung – 5.500 bis 6.000 Beschäftigungsverhältnisse fallen hier weg – komplettieren dann die Streichliste.

Und natürlich tut BAYER das alles ganz, ganz Leid. „Schwer zu treffen“ waren die Entscheidungen, sagte Werner Baumann auf dem Wirtschaftsgipfel der Zeitung Rheinische Post am 10. Dezember in Düsseldorf, bei dem er sich auch mit den Protesten der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auseinandersetzen musste (siehe Seite 24). Der Konzern sei „mit der höchsten Verantwortung“ vorgegangen und hätte „fürsorglich“ gehandelt, bekundete der Vorstandschef, aber langfristig gesehen wäre es für alle Beschäftigten das Beste gewesen, da die Maßnahme das Unternehmen wettbewerbsfähiger und damit auch zukunftsfester mache.

Glyphosat unschuldig
Einen Zusammenhang der Arbeitsplatz-Vernichtung mit den Glyphosat-Verfahren bestritt der Ober-BAYER auf der Veranstaltung vehement: „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“ Tatsächlich hatte der Leverkusener Multi das Spar-Programm „Superbowl“ für den Pharma-Bereich schon vor längerer Zeit auf den Weg gebracht, und auch der CURRENTA-Beschluss ist älteren Datums. Dass es aber danach noch so dicke kam, liegt eindeutig an den fast 10.000 Schadensersatz-Klagen, mit denen sich der Konzern konfrontiert sieht. Der Ausgang des ersten Prozesses in den USA hatte in beeindruckender Weise gezeigt, mit welch hohen finanziellen Risiken die juristischen Aus-einandersetzungen verbunden sind. Zu einer Zahlung von 289 Millionen Dollar an den Geschädigten Dewayne Johnson verurteilte der „San Francisco County Superior Court“ den Leverkusener Multi am 10. August 2018. Sofort setzte die BAYER-Aktie zu einer Talfahrt an, die sich am 23. Oktober noch einmal beschleunigte. An diesem Tag nämlich entschied die Richterin Suzanne R. Bolanos, den Rechtstreit nicht noch einmal neu aufzurollen, wie das Unternehmen gehofft hatte. Lediglich die Entschädigungssumme setzte sie auf 78 Millionen Dollar herunter. Um zwölf Prozent rutschte der Kurs daraufhin ab. Der Fall „BAYER“ avancierte in der Folge immer mehr zum Top-Thema der Wirtschaftspresse und lenkte den Blick auch noch einmal neu auf Unternehmensteile, welche die Finanzbranche schon länger als „Minderleister“ identifiziert hatte. Das manager magazin etwa machte eine „Jagd auf BAYER“ aus, angezettelt von Glyphosat-KritikerInnen sowie AnwältInnen der US-amerikanischen „Klage-Industrie“, und wandelte für sein Titelbild das BAYER-Kreuz plakativ zu einer Zielscheibe um. Die schlechten Nachrichten ließen auch die Großinvestoren nicht unbeeindruckt. „Entsprechend ungemütlich verliefen die Gespräche von Baumann mit Anteilseignern wie dem Vermögensverwalter BLACKROCK aus New York oder dem Staatsfonds TEMASEK aus Singapur“, wusste das Handelsblatt zu berichten. Die Branche mahnte Handlungsbedarf an – und der Leverkusener Multi lieferte. Rechtzeitig zum „Capital Markets Day“ in London am 5. Dezember 2018 verkündete er die Einschnitte.

Die genauen Angaben zu den Arbeitsplatz-Vernichtungen finden sich in der entsprechenden Verlautbarung, garniert mit ein paar Krokodilstränen – „Gleichzeitig sind wir uns der Tragweite der Entscheidungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewusst“ – allerdings nur im Kleingedruckten. Die Investoren sind der eigentliche Adressat der Veröffentlichung. „BAYER will Life-Science-Kerngeschäfte weiter stärken sowie Produktivität und Ertragskraft deutlich steigern“ ist sie deshalb überschrieben. Der Leverkusener Multi stellt BLACKROCK & Co. für 2022 ein Ergebnis je Aktie von rund zehn Euro und eine Rendite von mehr als 30 Prozent in Aussicht. „Mit den notwendigen Anpassungen werden wir in Zukunft noch schlagkräftiger und agiler. Wir wollen damit die Wachstumspotenziale für unsere Geschäfte optimal nutzen“, verlautete aus der Konzern-Zentrale.

Eine Woche später in London beim Investoren-Tag ging es dann direkt zur Sache. 224 Seiten stark und mit vielen Tabellen und Zahlen-Kolonnen bestückt war der Zukunftsroman, den Baumann und seine Riege den rund 150 Fonds-ManagerInnen und Finanz-AnalystInnen dort präsentierten. Und ein bisschen neue Zeit sollte schon von jetzt auf gleich anbrechen: Das Unternehmen kündigte Aktien-Rückkäufe zur Kurs-Pflege an. „Die Richtung, die BAYER nach der größten Übernahme der Firmen-Geschichte – mit der auch ein milliarden-schweres Rechtsrisiko Hand in Hand geht – einzuschlagen gedenkt, ist klar am Shareholder Value ausgerichtet, kommentierte die Börsen-Zeitung: „Denn BAYER wirbt nicht nur mit steigenden Dividenden, sondern stellt auch die Möglichkeit eines Aktien-Rückkaufs in Aussicht. Das fällt bei Investoren immer auf fruchtbaren Boden, wie die Kurs-Reaktion vom Mittwoch belegt.“ Allerdings blieb der Boden nur kurze Zeit fruchtbar. Die Welt sah dann darin auch nur „Bilanz-Kosmetik“ und konstatierte: „Geradezu verzweifelt wirkte es, als Neu-Finanzchef Wolfgang Nickl plötzlich sogar mögliche Aktien-Rückkäufe in Aussicht stellt. Ein Instrument, das der Bilanz-Kosmetik dient, das Unternehmen aber operativ keinen Deut weiterbringt.“ Generell sah die Zeitung bei dem Auftritt nur das klassische Börsen-Einmaleins „schneller wachsen, größere Gewinne machen, konsequenter sparen“ am Werk und vermisste überzeugende Ideen. „Der Vorfall ist auch deshalb so bezeichnend, weil der Versuch, das Kurs-Desaster zu beenden und die Investoren wieder zu besänftigen, nun geradezu reflexartig auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird“, resümierte das Blatt.

Beschäftigte empört
Das realisierten die ArbeiterInnen und Angestellten dann auch sofort. „Jetzt müssen wir die Zeche für den MONSANTO-Deal zahlen“, mit diesen Worten zitierte die Rheinischer Post einen Belegschaftsangehörigen. „Wut und Angst“ machte die Zeitung unter den BAYER-WerkerInnen aus. Am Standort Wuppertal-Elberfeld fiel es den JournalistInnen jedoch schwer, Stimmen einzufangen. „Wir sollen nichts sagen“, hieß es. Der Leverkusener Multi hatte seinem Personal – wie schon unmittelbar nach Bekanntwerden des Planes, MONSANTO übernehmen zu wollen – einen Maulkorb verhängt. Dafür sprachen die Beschäftigten-VertreterInnen Klartext: „Die Betriebsräte verurteilen die Vernichtung von Know-how und hochinnovativen Arbeitsplätzen. Wir halten eine derartige Kürzung für den ungeeignetsten Weg eines ‚Forschungsunternehmens’, zu besseren Ergebnissen zu kommen.“ Und es blieb nicht bei Worten. In Wuppertal gingen rund 1.000 Belegschaftsmitglieder gegen den geplanten Kahlschlag auf die Straße, und in Berlin organisierten die BayeranerInnen einen Trauermarsch mit mehreren hundert TeilnehmerInnen.
Der Gesamtbetriebsrat jedoch verteidigte die Maßnahmen, die er mit ausverhandelt hatte. Er zeigte sich äußerst zufrieden damit, der Geschäftsleitung das Zugeständnis abgerungen zu haben, vorerst auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Als einen „Meilenstein“ feierte der Gesamtbetriebsratschef Oliver Zühlke die bis zum Jahr 2025 geltende Schutzfrist. Auf die Frage eines Journalisten des Wochenblattes Die Zeit: „Und doch soll jede zehnte Stelle wegfallen, einen Kündigungsschutz gab es bis 2020 ohnehin schon. Haben Sie in Wahrheit sehr wenig erreicht?“, antwortete der Gewerkschaftsvertreter: „Nein. Wir haben bis wenige Minuten vor der Unterzeichnung unserer gemeinsamen Erklärung mit dem Vorstand gekämpft, der erst einmal gar keinen Kündigungsschutz angeboten hatte“. Mit den gleichen Argumenten hatten bereits frühere Gesamtbetriebsratschefs stets ihr Placet zu Job-Streichungen des Pharma-Riesen gerechtfertigt. Auch sonst gab sich Zühlke ganz als Co-Manager, wenn er etwa im Jargon der Nadelstreifen-Nieten von „Veränderungen im Portfolio“ und dergleichen sprach. Und wie Baumann behauptete der Mann von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE), MONSANTO im Allgemeinen und die Glyphosat-Klagen im Besonderen hätten nichts mit dem Stellenabbau zu tun. Der Gewerkschaftler warf vielmehr den Medien vor, diesen Zusammenhang erst konstruiert zu haben, und kam dann richtig in Schwung: „Wir messen Glyphosat oder dem Hambacher Forst viel mehr Bedeutung zu, als sie eigentlich haben, und zwar eine viel zu sehr ökologisch gefärbte!“ Der Zeit-Journalist glaubte seinen Ohren nicht zu trauen: „Wie bitte, ‚ökologisch gefärbt’?“, hakte er nach, aber der IG BCEler blieb darbei.

Auf die Bosse ließ er hingegen nichts kommen. „Baumann und Aufsichtsratschef Wenning stehen dafür, dass der Abbau BAYER-like erfolgt“, so Zühlke. Da blieb Kritik aus dem Lager unabhängiger Betriebsratsgruppen nicht aus. „Es dient nicht der Glaubwürdigkeit, wenn Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat zuerst Maßnahmen zustimmen und anschließend zur Demonstation in Elberfeld aufrufen“, konstatierte das BELEGSCHAFTS-TEAM. Überdies redete es Tacheles und stellte Forderungen auf. „Auch wenn die Unternehmensleitung durch die Stärkung der Kern-Kompetenzen das Ziel der Gewinn-Maximierung verfolgt, darf die Fürsorge-Pflicht des Arbeitgebers für die Kolleginnen und Kollegen nicht auf der Strecke bleiben, verlangte die Organisation.

Politik leistet Beistand
Beistand erhielten die Beschäftigten aus den Reihen der Politik. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach, der seinen Wahlkreis in Leverkusen hat, twitterte: „Ein Klassiker. Weil Aktionäre durch verheerenden MONSANTO Glyphosat Deal nicht leiden sollen, werden Arbeitsplätze geopfert. Das ist nicht akzeptabel.“ Der Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen, Anton Hofreiter, pflichtete ihm bei. Er warf dem Management vor, den mit Glyphosat verbundenen Risiken beim Kauf des US-Unternehmens nicht genug Beachtung geschenkt zu haben: „Das ist und war nicht nur rücksichtslos gegenüber Umwelt und Natur, sondern auch fahrlässig und verantwortungslos gegenüber den Beschäftigten.“
Die LokalpolitikerInnen an den BAYER-Standorten übten ebenfalls Solidarität. So erklärte Wuppertals Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD): „Ich unterstütze den Protest der Beschäftigten, die von den Entscheidungen unmittelbar betroffen sind, obwohl sie die Ursache für den Stellenabbau nicht zu verantworten haben.“ Und die Oppositionsparteien CDU und Bündnis 90/Die Grünen brachten eine Resolution zur Unterstützung der Belegschaft in den Rat ein, die auch eine Mehrheit fand. „Der Rat der Stadt Wuppertal steht an der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Fortfall von 400 Arbeitsplätzen in der Forschung und 350 in der Produktion trifft aber nicht nur die von dieser Entscheidung unmittelbar Betroffenen hart, sondern hat zugleich auch noch nicht absehbare Konsequenzen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Stadt“, hieß es darin. Eine Passage des Textes richtete sich direkt an den Leverkusener Multi. „In dieser Situation fordert der Rat der Stadt den Vorstand und die Verantwortlichen in der Unternehmensleitung auf, mit offenen Karten zu spielen und alles für die Sicherung der Arbeitsplätze und den Ausbau des Standortes Wuppertal zu unternehmen. Der Rat der Stadt Wuppertal erwartet jetzt ein klares Bekenntnis zu einem Industrie-Standort mit langjähriger Firmen-Tradition und die notwendige Entschlossenheit, einem möglicherweise schleichenden Prozess mit aller Kraft entgegenzusteuern.“

Mit der Streichung von 12.000 Jobs setzt der Konzern sich unangefochten an die Spitze der Arbeitsplatzvernichter in Deutschland. Kein anderes Unternehmen kündigte 2018 den Abbau von so vielen Stellen an wie BAYER. Im globalen Maßstab kommt der Leverkusener Multi damit auf den sechsten Rang. Aber den GroßaktionärInnen reicht das nicht. Nach der Bekanntgabe des Kahlschlags gewann das BAYER-Papier kurzzeitig zwei Prozent, um dann prompt wieder 2,7 Prozent zu verlieren. „Im ersten Moment glaubten Anleger offenbar an das Versprechen, es werde dadurch effizienter werden. Danach schien sich die Sicht durchzusetzen, dass dies nicht ausreicht“, resümierte die Faz. Angesichts eines Börsenwert-Verlustes von fast 30 Milliarden Euro im Jahr 2018 drängt der Finanzmarkt das Management zu noch drastischeren Schritten. Immer lauter werden die Stimmen, die eine Trennung von der Pharma-Sparte verlangen. Das dürfte auch auf der Agenda des Geierfonds ELLIOT MANAGEMENT COOPERATION stehen, der im Dezember 2018 aus der Deckung kam und sein schon länger bestehendes Engagement beim deutschen Global Player öffentlich machte. Bei THYSSENKRUPP verfolgte ELLIOT seine strategischen Ziele so rücksichtslos, dass der Vorstandsvorsitzende Heinrich Hiesinger und der Aufsichtsratschef Ulrich Lehner zurücktraten.
Werner Baumann gab sich auf dem Wirtschaftsgipfel der Rheinischen Post aber cool. Der BAYER-Boss bestritt, schon Kontakt mit dem ELLIOTT-Besitzer Paul Singer gehabt zu haben, verteidigte ihn aber schon einmal prophylaktisch. Er versuchte sogar, in dem Investment der US-Gesellschaft bei BAYER ein positives Zeichen zu sehen. Singer sei nicht nur ein aktivistischer Aktionär, er steige auch bei Unternehmen ein, die er am Markt für unterbewertet erachte, behauptete der Vorstandsvorsitzende.

Neue Prozess-Strategie
Unterdessen arbeitet der Konzern fieberhaft daran, sich für die kommenden Schadensersatz-Prozesse zu rüsten, ohne jedoch von der Nibelungen-Treue zu seinem von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Pestizid zu lassen. Auch auf dem Wirtschaftsgipfel versicherte Baumann wieder, „dass ich vollumfänglich hinter Glyphosat als Produkt stehe“. Der Vorstandsvorsitzende zeigt sich jedoch unzufrieden damit, wie die MONSANTO-VerteidigerInnen den Fall angingen. Er hätte „einige Dinge anders gemacht“, gab er JournalistInnen im November 2018 zu verstehen und kündigte eine neue Strategie an. Darum engagierte das Unternehmen AnwältInnen von der Kanzlei ARNOLD & PORTER KAYE SCHOLER. Deren Verhandlungsgeschick hat den Pharma-Riesen nämlich schon mehrfach vor Schadensersatz-Zahlungen für seinen mit vielen Nebenwirkungen behafteten Blutverdünner XARELTO bewahrt. Überhaupt versucht der Global Player, seine jahrzehntelange juristische Erfahrung mit Geschädigten seiner Produkte zum Vorteil zu wenden. So verwies Werner Baumann etwa auf die in seinen Augen „billige“ 12-Millionen-Dollar-Lösung in der rechtlichen Auseinandersetzung mit den 4.000 Klägerinnen, die unter den unerwünschten Arznei-Effekten der Hormon-Spirale MIRENA litten.
Die schmerzende Niederlage im ersten Glyphosat-Prozess schreibt der Leverkusener Multi vor allem der Disposition der Geschworenen zu, Empathie für den dem Tode geweihten Kläger Dewayne Johnson zu zeigen. Darum bemüht er sich in den weiteren Verfahren, verstärkt Einfluss auf die Auswahl der JurorInnen zu gewinnen. So ersuchte das Unternehmen Anfang November 2018 den Richter Vince Chhabria, für die noch anstehenden Verfahren den Jury-Pool zu erweitern und immer nachzuprüfen, ob die in Frage kommenden Personen durch die Berichterstattung zum Fall „Dewayne Johnson“ nicht etwa voreingenommen sein könnten. Zudem fehlt es nicht an wohlmeinenden Empfehlungen von Rechts-ExpertInnen. Gary Baise beispielsweise rät BAYER dazu, auf die Schulbildung der Geschworenen zu achten, da Menschen mit höheren Abschlüssen in der Regel nicht so emotional reagierten.
Einen Erfolg hat die Aktien-Gesellschaft einstweilen bei Chhabria schon erzielt. Der Bezirksrichter gab dem Antrag statt, drei bereits angesetzte juristische Auseinandersetzungen in zwei Teile aufzuspalten. Zu Beginn geht es jetzt streng wissenschaftlich nur noch um die Erörterung der Frage, ob ein Kausalzusammenhang zwischen Glyphosat und Krebserkrankungen besteht, und erst danach kommen die schmutzigen Tricks von MONSANTO bei der Freisprechung des Pestizides von aller Schuld zur Sprache.

PR-Kampagne
Begleitend dazu investiert der Agro-Mogul Unsummen in eine PR-Kampagne. Er charterte ein Flugzeug, um JournalistInnen großer deutscher Zeitungen und Sender in die ehemalige MONSANTO-Zentrale nach St. Louis einzufliegen. Dort präsentierte er ihnen dann mit Mark Scott den Vorzeige-Bauern des Konzerns, der – was Wunder – zu Protokoll gab, Glyphosat ganz toll zu finden und gerne jedes Jahr wieder Lizenz-Gebühren für Gentech-Saatgut zu zahlen. Und viele JournalistInnen apportierten das brav. In den USA schaltete der Konzern zudem 1-seitige Anzeigen in Blättern wie der Washington Post. Um das Internet kümmerte er sich ebenfalls. Wer den Begriff „Glyphosat“ in eine Suchmaschine eingab und auf Seiten mit Artikeln zum Thema klickte, der bekam zeitweilig immer gleich eine Anzeige des Agro-Moguls mitgeliefert. „Behauptungen zu Glyphosat – was sagt BAYER dazu?“ – mit dieser Frage wollte das Unternehmen die Web-UserInnen ködern, seine Glyphosat-Propaganda aufzurufen. Auch in neue PropagandistInnen steckte es Geld. Der Leverkusener Multi verpflichtete den ehemaligen Grünen-Politiker Matthias Berninger – vor seinem Job beim Schokoriegel-Hersteller MARS unter anderem Staatssekretär im Verbraucherschutz-Ministerium – als seinen neuen Mann in Washington. Er nimmt sich in der US-amerikanischen Hauptstadt künftig der „Public and Governmental Affairs“ an. „Der richtige Mann, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort“, erklärte BAYER zu der Personalie.
Ob diese Kraftanstrengungen reichen, den Negativ-Trend zu stoppen, wird sich mit dem zweiten Glyphosat-Prozess zeigen, der am 25. Februar beginnt. Einigen dürfte der Ausgang der Sache jedoch inzwischen egal sein: den 12.000 Menschen, die beim Konzern ihren Arbeitsplatz verlieren.⎜

[Pseudo-Studien ] BAYER veröffentlicht Pseudo-Studien

CBG Redaktion

Fake Science for better profits

Mit den Weihen der Wissenschaft versehene Produkte verkaufen sich besser. Darum hat der BAYER-Konzern „Studien“ zu seinen Arzneien in Journalen platziert, die solche Ehren-Titel für viel Geld verleihen.

Von Jan Pehrke
„Fake Science – Die Lügenmacher“, „Die Ware Wahrheit“, „Nur fauler Zauber“, „Gefährliche Sumpfblasen“, „Wissenschaft auf Abwegen“ – so lauteten einige der Überschriften in der Berichterstattung über den Skandal um Pseudo-Studien. Hunderttausende ForscherInnen von Hochschulen, außeruniversitären Einrichtungen und Konzernen haben Untersuchungen in Zeitschriften veröffentlicht, die sich nur einen wissenschaftlichen Anstrich geben. Die Publikationen haben zwar fach-chinesische Titel wie Metabolomics and Cancer Research oder Journal of Integrative Oncology, werden ihren Namen aber alles andere als gerecht. Während bei seriösen Magazinen Koryphäen der jeweiligen Disziplinen die Aufsätze in so genannten „Peer Review“-Verfahren begutachten, nehmen die sogenannten Raubtier-Journale alles, was kommt. Und es kommt viel, die Nachfrage nach dem Produkt „Wissenschaftlichkeit“, das die Blätter verkaufen, ist hoch.

Rund 5.000 deutsche ForscherInnen haben sich auf den Deal „Renommee gegen Geld“ eingelassen, darunter auch solche, die bei der Industrie unter Vertrag stehen. Zwölf der 30 DAX-Konzerne gehören mit zu den Forschungssimulanten. BAYER darf da natürlich nicht fehlen. Der Leverkusener Multi bevorzugt als Verlagshaus den Branchen-König OMICS. Die aus steuerlichen Gründen in einer Sonderwirtschaftszone der indischen Stadt Hyderabad ansässige Firma bringt jährlich nicht weniger als 700 „Fachblätter“ mit rund 50.000 Artikeln heraus. Bei Preisen von 150 bis zu 1.800 Dollar pro Veröffentlichung macht das Unternehmen da einen guten Schnitt. Auf rund eine Million Dollar belief sich 2016 der Gewinn.

Der Global Player aus Deutschland trägt seinen Teil dazu bei. Er nutzt die Organe des Verlegers Srinubabu Gedela vor allem als Mittel zur Nobilitierung seiner nicht im besten Ruf stehenden Vitamin-Präparate und Nahrungsergänzungsmittel. Die meisten MedizinerInnen halten es nämlich bei normalem Ess-Verhalten nicht für notwendig, dem Körper noch zusätzliche Stoffe zuzuführen. Deshalb gilt es, Überzeugungsarbeit zu leisten, und da machen sich Verweise auf medizinische Studien immer gut. Im Falle von ELEVIT, einem Nahrungsergänzungsmittel mit der Zielgruppe „Schwangere“, heißt es aus diesem Grunde in einer BAYER-Publikation: „Ein aktuelles wissenschaftliches Review stellt (...) die bisher allgemein vorherrschende Überzeugung in Frage, dass es für Frauen in westlichen Industrie-Staaten wie Deutschland kein Problem sei, die empfohlene Menge an Mikro-Nährstoffen ausschließlich mit der Nahrung aufzunehmen.“ Eine dramatische Unterversorgung bei Folsäure, Eisen und Vitamin D haben die „ExpertInnen“ stattdessen eruiert und warnen vor einem erhöhten Risiko für Schwangerschaftskomplikationen, Totgeburten und der Geburt von Kindern mit Entwicklungsstörungen. Deshalb kommen sie zu dem Schluss, „dass die Einnahme von Multi-Mikronährstoff-Supplementen mindestens einen Monat vor der Konzeption begonnen und während der Schwangerschaft fortgeführt werden sollte, um gute Voraussetzungen zu schaffen.(1)“ Und unter der Eins findet sich dann der Rekurs auf den entsprechende Aufsatz der lieber nicht als BAYER-Beschäftigte ausgewiesenen Ella Schäfer, veröffentlicht im Journal of Nutritional Disorders & Therapy, den der Pharma-Riese nach allen Regeln der Kunst zitiert: „Schäfer E., J Nutr Disorders Ther 2016; 6: 199“. doi: 10.4172/2161-0509.1000199“.
Wie nicht anders zu erwarten, hält die Arbeit fachlichen Kriterien nicht stand. Von der Süddeutschen Zeitung um eine Einschätzung gebeten, resümiert der Heidelberger Medizin-Professor Dr. Herbert Fluhr: „Nur wenn das Produkt besser wäre als andere Produkte, wäre so eine Studie wissenschaftlich relevant.“ Das Einzige, was ELEVIT aber von den anderen Mitteln unterscheidet, ist ihm zufolge der Preis von 36 Euro. Damit kostet es 12 Mal so viel wie vergleichbare Präparate. Eine ökonomische Relevanz spricht Fluhr den Pillen jedoch nicht nur aus diesem Grund zu: „Wenn Sie etwas verkaufen wollen, sind Schwangere und junge Mütter eine super Zielgruppe. Die sorgen sich um ihr ungeborenes Kind und wollen alles richtig machen.“

Für den Pillen-Riesen geht diese Strategie auf. Bezeichnete er das Umsatz-Plus von ELEVIT vor einem Jahr schon als „besonders erfreulich“, so legte das „Pränatal-Vitamin“ im Geschäftsjahr 2017 noch mal um 3,8 Prozent zu und spülte dem Unternehmen 189 Millionen Euro in die Kasse. Ähnlich verkaufsfördernde „Fake Science“-Maßnahmen schob der Pillen-Produzent in Sachen „ASPIRIN plus C“ und „Zink“ an. Und Multivitamine erwiesen sich laut der in „Vitamins & Minerals“ publizierten „Untersuchung“ gar als Antidot gegen die gesundheitsschädlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung. „Multivitamin Supplementation Supports Immune Function and Ameliorates Conditions Triggered By Reduced Air Quality“, hat die BAYER-Wissenschaft nämlich festgestellt.

Der Leverkusener Multi behauptet gegenüber der Presse scheinheilig, er sei davon ausgegangen, ein solcher Mumpitz hätte den „üblichen Review-Prozess“ durchlaufen und den Segen von GutachterInnen erhalten. Der Konzern wüsste zwar auch von einigen schwarzen Schafen unter den Verlegern, halte sich aber an die Journale, „die bei Fachleuten anerkannt sind“.

Ganz offensichtlich tut der Konzern das nicht. Er produziert schamlos Pseudo-Studien – mit unabsehbaren Folgen. „So sickert eine Mischung aus Wissen, Halbwahrheit und Irreführung in die Welt“, fasst die Süddeutsche Zeitung den Schaden zusammen. Von einem „Desaster für die Wissenschaft“ spricht der an der Universität Heidelberg lehrende Psychologie-Professor Joachim Funke, und die Helmholtz-Gemeinschaft sieht durch die Hervorbringungen sogar „das Vertrauen in die Wissenschaft selbst“ gefährdet.

Und dieses Vertrauen erschüttert der Leverkusener Multi nicht bloß durch seine abstruse Forschung in Sachen „ELEVIT & Co.“. Er hält sich eine ganze Armada von medizinischen Mietmäulern, damit die Halbgötter in Weiß seinen Medikamenten den Segen geben, der ihnen nach dem neuesten Stand der pharmazeutischen Wis- sen-schaft allzu oft gar nicht zusteht. 1.344 Doctores standen ihm 2017 allein für Vorträge und Beratungen zu Diensten. 3,3 Millionen Euro kassierten sie dafür. Insgesamt erhielten die ÄrztInnen von den 56,8 Millionen Euro, die der Global Player ins Gesundheitswesen pumpte, 9,3 Millionen.

Schon bei der Geburt eines Pharmazeutikums steht häufig die „Fake Science“ Pate. Die Zulassungsprüfungen bieten nämlich vielfältige Manipulationsmöglichkeiten. Ausgiebig genutzt hat BAYER diese beispielsweise bei den klinischen Tests mit dem Gerinnungshemmer XARELTO. Das alles andere als glanzvolle Ergebnis der „Nicht-Unterlegenheit“ gegenüber der Standard-Therapie Warfarin erreichte der jetzige Milliarden-Seller nämlich nur, weil die ProbandInnen der Warfarin-Gruppe das Mittel nicht ordnungsgemäß verabreicht bekamen.

Zusätzlich litt die Glaubwürdigkeit der „Rocket“-Studie unter der handverlesenen Auswahl der XARELTO-TesterInnen, hat das Unternehmen doch penibel darauf geachtet, möglichst gesunde Kranke zu engagieren. Und die gegenüber der Konkurrenz-Kohorte höhere Quote derer, die wegen Blutungen oder anderer Nebenwirkungen den klinischen Test vorzeitig abbrachen (4,28 zu 3,07 Prozent), verfälschten das Ergebnis zusätzlich.

Wie BAYER konkret versucht, auf das Ergebnis von Forschungsarbeiten Einfluss zu nehmen, enthüllte jüngst die Initiative BUGLIFE, die sich über das britische Informationsfreiheitsgesetz Zugang zu internen Dokumenten über eine Studie verschafft hatte (siehe auch SWB 1/18). Diese hatte der Leverkusener Multi gemeinsam mit SYNGENTA beim „Center for Ecology and Hydrology“ (CEH) in Auftrag gegeben, um die Pestizide Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam vom Vorwurf der Bienengefährlichkeit zu entlasten. Das Resultat fiel allerdings nicht wunschgemäß aus. Darum wollten die beiden Konzerne die Untersuchung ein wenig „aufhübschen“. Als Mittel der Wahl dazu dienten die „Co-Variablen“. Diese erschienen BAYER hervorragend geeignet, um die Kausal-Beziehung zwischen den Pestiziden und dem Bienensterben zu lockern und das Augenmerk auf andere Faktoren zu lenken. „Wir vermissen einige wichtige Co-Variable“, hieß es deshalb in einer Mail von BAYER an das CEH. Als solche brachte die Aktien-Gesellschaft etwa „Wetter-Daten, die das Verhalten der Bienen beeinflusst haben könnten“ ins Spiel.

Insbesondere von der Kraft der Sonne erwartete das Unternehmen einiges, weshalb es für ein „sunshine only“-Modell plädierte. Auch agro-chemikalische Vorschädigungen der Bienen hätte BAYER gerne mit den neuen Zahlen verrechnet. Der Global Player machte sich sogar selbst ans Forschungswerk. Er rekonstruierte mit einigem Zeitaufwand die Roh-Daten der Wildbienen-Testreihen und führte zusätzliche „statistische Analysen“ durch. Und diese Mühe lohnte sich seiner Ansicht nach. Von „interessanten Funden“ kündete er dem CEH. Dieses hatte in seinem Bericht zwar schon viele Veränderungen vorgenommen, wie die deutschen ManagerInnen lobten, aber leider kein Feedback zu den Fernstudien aus Leverkusen gegeben, „was überraschend ist“. Glücklicherweise verweigerten sich die ForscherInnen den Nachbesserungen und blieben ihren wissenschaftlichen Grundsätzen treu. Aber solch ein Verhalten stellt eher eine Ausnahme dar.
Trotz alledem reklamiert der Leverkusener Multi in den Auseinandersetzungen um Gen-Manipulationen und andere Risiko-Technologien die Wissenschaft für sich. Den Konzern-KritikerInnen hingegen wirft er vor, von obskuren Ängsten geleitet zu sein und bringt gegen sie Parolen wie „Fakten statt Vorurteile“ in Anschlag. Damit nicht genug, hat das Unternehmen sich auch noch „Science for a better Life“ auf die Fahnen geschrieben. „Fake Science for better Profits“ müsste es besser heißen. ⎜

Ticker 3/18

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG-Anfrage an die Bezirksregierung
Im letzten Jahr hatte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA BAYERs Leverkusener Pharma-Anlagen inspiziert und dabei „signifikante Verstöße gegen die gute Herstellungspraxis“ festgestellt (siehe auch SWB 2/18). In ihrem „Warning Letter“ listete die „Food and Drugs Administration“ viele gravierende Mängel auf. So hat der Pharma-Riese etwa verschiedene Medikamente in einem Raum gefertigt, ohne die benutzte Ausrüstung und die Arbeitsflächen nach den jeweiligen Durchläufen gründlich zu säubern, was Verunreinigungen von Medikamenten zur Folge hatte. Überdies kontrollierte der Multi der FDA zufolge die Stabilität der Zusammensetzung seiner Pharmazeutika nicht ausreichend. Auch die Toleranz-Grenzen der Apparaturen zur automatisierten Qualitätskontrolle legte der Global Player zu großzügig fest, damit sich der Ausschuss in Grenzen hielt. Darüber hinaus hat er nicht angemessen auf Probleme mit undichten Medikamenten-Packungen reagiert. „Ihre Firma hat es nicht geschafft, eine ordentlich arbeitende Qualitätskontrolle-Abteilung aufzubauen“, resümierte die US-Einrichtung in ihrem Schreiben folglich. In der Bundesrepublik obliegt die Kontrolle der Pillen-Produktion des Konzerns der Bezirksregierung Köln. In einer Anfrage an ihre Adresse wollte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN deshalb unter anderem wissen, warum deren InspektorInnen die Missstände verborgen geblieben sind und wann überhaupt die letzte Kontrolle erfolgte.

Viele Marches
In 428 Städten rund um die Welt fanden im Mai 2018 „Marches Against MONSANTO“ statt. Und vielerorts hießen diese schon „Marches against MONSANTO and BAYER“. So auch in Düsseldorf, wo AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu den TeilnehmerInnen zählten. Und in seiner Kundgebungsrede wünschte sich Jan Pehrke vom CBG-Vorstand für das nächste Jahr eine endgültige Umbenennung: „Heute ist es der „March Against MONSANTO, BAYER und BASF“, gestern war es der „March Against MONSANTO“ und 2019 muss es der „March Against BAYER“ sein, damit das alte MONSANTO-Spiel nicht unter neuem Namen ungestört weiterlaufen kann!“

Vandana Shiva kritisiert BAYSANTO
Die bekannte indische Aktivistin Vandana Shiva hatte im Zuge der letzten Hauptversammlung des Leverkusener Multis an den BAYSANTO-Protesten teilgenommen. Am Tag vor dem Aktionär-Innen-Treffen hielt sie bei der Veranstaltung, die dem Thema „Einstieg in den Ausstieg aus der Pestizid-Falle“ gewidmet war, eine Rede und diskutierte anschließend mit dem grünen Bundestagsabgeordneten Harald Ebner, dem brasilianischen Umweltschützer Alan Tygel und Jan Pehrke von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Entsprechend erbost reagierte die Wissenschaftlerin auf die knapp zwei Wochen danach erfolgende endgültige Genehmigung des Deals. „Durch die Fusion wird BAYER den Großteil des Saatgut- und Pestizidmarktes beherrschen“, kritisierte sie. Zu den Hauptleidtragenden der letzten Konzentrationswelle im Agro-Business zählt für Shiva die Umwelt, als hätte diese unter dem Status quo ante nicht bereits genug gelitten: „Die Industrialisierung der Landwirtschaft, auch angetrieben durch BAYER und MONSANTO, hat schon 75 Prozent des Planeten zerstört: Die Verarmung von Böden, die Verschmutzung von Gewässern, der Verlust von Biodiversität – das ist die wirkliche Ernte der Chemie.“ Ihrer Ansicht nach hat die Übernahme von MONSANTO durch BAYER nicht zuletzt auch politische Auswirkungen: „Zusammen sind sie größer als irgendeine Regierungseinrichtung. Deshalb ist der Zusammenschluss auch gefährlich für unsere Demokratie, und das nicht nur in Indien.“

Aufruf gegen Saatgut-Patente
„Stoppt die Monopolisierung von Saatgut durch BAYSANTO“, ist der internationale Aufruf der Initiative NO PATENTS NO SEEDS überschrieben. Er wendet sich dagegen, BAYSANTO und anderen Agrar-Konzernen das Recht zu gewähren, Patente auf Pflanzen und Tiere geltend zu machen. „BAYSANTO & Co. beeinflussen maßgeblich, welche Pflanzen gezüchtet, angebaut und geerntet werden, was Saatgut kostet und wie unsere Lebensmittel in Zukunft produziert werden. Diese Markt-Macht basiert zu großen Teilen auf einer stark steigenden Anzahl von Patenten“, so Katherine Dolan von der den Aufruf mittragenden Organisation ARCHE NOAH. Zu den über 40 Gruppen, die den Appell unterzeichnet haben, zählt auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.

Glyphosat: Petition gegen Bahn
Die DEUTSCHE BAHN gehört zu den Großverbrauchern von Glyphosat. 65 Tonnen des von der Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Pestizids versprüht das Transport-Unternehmen Jahr für Jahr, um sein Schienennetz frei von Wild-Pflanzen zu halten. Die Initiative SumOfUs hat deshalb eine Online-Petition gegen die Bahn und ihre „33.500 Kilometer voller Glyphosat, die sich wie eine Giftspur durch die ganze Bundesrepublik ziehen“, gestartet. Über 50.000 Menschen haben den Appell bisher schon unterzeichnet (Stand: 22.06.18).

IBEROGAST: Grüne wollen BfArM stärken
Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produkt-Palette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben (siehe auch Ticker 2/18). So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Präparate mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Von den Herstellern weniger hoch dosierter Produkte verlangte es, einen entsprechenden Warnhinweis auf dem Beipackzettel anzubringen. Der Leverkusener Multi lehnte es aber ab, dieser Aufforderung nachzukommen. Stattdessen zog er vor Gericht – und bleibt damit so lange, wie Justitias Mühlen mahlen, von der Umsetzung der Auflage befreit. Die aufschiebende Wirkung solcher Klagen wollen die Grünen nun aber nicht länger hinnehmen. Sie forderten die Bundesregierung auf, die Rechte des BfArM BAYER & Co. gegenüber zu stärken.

KAPITAL & ARBEIT

Rationalisierungsprogramm „Super Bowl“
Als BAYER-Chef Werner Baumann bei den Investment-Gesellschaften um Zustimmung für den MONSANTO-Deal warb, sah er sich gezwungen, ihnen Kosteneinsparungen zu versprechen, um die mit der Transaktion verbundene Schuldenlast zu drücken. Sonst hätten die Verbindlichkeiten die Rating-Agenturen nämlich dazu bewogen, dem Unternehmen eine äußerst schlechte Note in Sachen „Kreditwürdigkeit“ zu geben. Besonders den neuen Finanzchef des Konzerns, Wolfgang Nickl, sahen die Finanzmarkt-AkteurInnen in der Pflicht. „Herr Nickl muss dafür einstehen, dass BAYER Cash aus jeder möglichen Quelle generiert“, gab etwa der Finanzanalyst Jeremy Redenius vor. Und so kam es im Pharma-Bereich dann zum Effizienz-Programm „Super Bowl“, dem Belegschaftsangehörigen zufolge allein in der Bundesrepublik 1.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen könnten. Besonders die Beschäftigten am Standort Berlin fürchten um ihre Jobs.

POLITIK & EINFLUSS

Neue Kriterien für Hormon-Gifte
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie FOLICUR (Wirkstoff: Tebuconazole), BETANAL (Lenacil), FENOMENAL (Fenamidon) oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Reform der Zulassungsvorschriften verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Charakterisierung der Pseudo-Hormone – sogenannter endokriner Disruptoren (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung, nicht zuletzt dem Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. geschuldet, legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Dieser ließ viele gefährliche Chemikalien aus dem Raster fallen und enthielt zudem zahlreiche Ausnahme-Regelungen wie z. B. für gezielt das Hormonsystem von Schadinsekten angreifende Ackergifte. Deshalb kritisierten das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gruppen die Vorlage scharf. Im Marsch durch die EU-Institutionen gab es dann auch einige Nachbesserungen. So fanden etwa die hormonell wirksamen Insektizide wieder Aufnahme in den EDC-Katalog. Aber wirklich zufriedenstellen können die Ende April endgültig angenommenen und im Oktober in Kraft tretenden Kriterien trotzdem nicht – sie erfassen immer noch nicht alle endokrinen Disruptoren. Zudem legen sie die Schwelle für ein Verbot zu hoch an.

Der Branchen-Dialog „Chemie“
In der letzten Legislatur-Periode hat die damalige Große Koalition Branchen-Dialoge in den Sektoren „Pharma“ und „Chemie“ gestartet. Die Gesprächsrunde zu letzterem bewerteten die Teilnehmer äußerst positiv. Es sei gelungen, „gemeinsam Lösungen für mehr internationale Wettbewerbsfähigkeit zu entwickeln“, hielten das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE und der „Bundesarbeitgeberverband Chemie“ fest. Und die Ergebnisse können sich für BAYER & Co. wirklich sehen lassen. „BMWi bringt verstärkt Belange der Chemie-Industrie kontinuierlich in die Enterprise Policy Group (Experten-Gruppe der EU-Kommission) ein“, konstatiert der Monitoring-Bericht trocken. Auch in der 7+7-Gruppe, die aus EmissärInnen der Chemie-Verbände und der Wirtschaftsministerien der sieben Länder Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande und Spanien besteht, ist der Einfluss des VCIs der Publikation zufolge gesichert. Zudem erreichte die Organisation in zahlreichen Bereichen Zugeständnisse der Politik. So rang der Lobby-Club dem Wirtschaftsministerium ein Bekenntnis zum Pestizid-Standort Deutschland ab, inklusive fälliger Standortsicherungsmaßnahmen wie etwa beschleunigte Zulassungsverfahren. Bei der Registrierung gefährlicher Chemikalien, welche die EU seit 2007 betreibt, sicherte das Ministerium den Unternehmen ebenfalls regierungsamtliche Hilfe zu, droht hier aus Gründen des vorsorglichen Gesundheitsschutzes doch der „Wegfall von Verwendungen“ oder schlimmer noch „Stoff-Wegfall“. Der Sorge der Konzerne um eine Energie-Wende zu Lasten ihrer ebenso billigen wie schmutzigen Strom-Quellen nimmt sich indes ein informelles Gremium an, das sich mit der „energie-politischen Strategie nach 2020“ befasst und „die aktuellen Gesetzgebungen kontinuierlich weiter beobachtet“. Auch ganz generell hat sich der Branchen-Dialog vorgenommen, eine „Gesetzesfolgen-Abschätzung“ zu initiieren, weil es bisher „keine systematische Betrachtung der Auswirkungen der Regelungsvorhaben auf die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft“ gibt. Eine Innovationsbremse hat die Chemie-Industrie bereits identifiziert: das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011, das neuen Medikamenten doch tatsächlich eine Kosten/Nutzen-Prüfung aufbürdet.

NRW: Schwarz-Gelb für BAYER & Co.
Die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen bekennt sich freimütig zur Wirtschaft im Allgemeinen und zur Chemie-Industrie im Besonderen – mit entsprechenden Nebenwirkungen für Klima und Umwelt (s. u.). „Christdemokraten und Freie Demokraten stellen sicher, dass die Interessen des Industrie- und Energiestandorts Nordrhein-Westfalen künftig wieder wahrnehmbar gegenüber dem Bund und der Europäischen Union vertreten werden“, heißt es im Koalitionsvertrag. Dabei wollen die PolitikerInnen bevorzugt für eine Branche Lobby-Arbeit betreiben: „Einen besonderen Fokus legen wir auf den Erhalt der Wertschöpfungsketten, der Wettbewerbsfähigkeit, der Arbeitsplätze und der Innovationsfähigkeit der in Nordrhein-Westfalen ansässigen chemischen Industrie.“

Prima Klima in NRW für BAYER & Co.
Das Land Nordrhein-Westfalen trägt fast ein Drittel zu den bundesdeutschen Kohlendioxid-Emissionen bei, woran BAYER alles andere als unschuldig ist. Für die schwarz-gelbe Landesregierung stellt das zur Freude des Leverkusener Multis jedoch keinen Grund zum Umsteuern dar. Sie hat andere Prioritäten: „Wir werden die Energie- und Klimapolitik danach ausrichten, Nordrhein-Westfalen als Energieland Nummer eins zu stärken, um führendes Industrieland, auch für energie-intensive Industrien, zu bleiben und Wertschöpfungsketten zu erhalten“, schreiben die Parteien in ihrem Koalitionsvertrag. Dementsprechend legen sie Hand an das Landes-Klimaschutzgesetz von Rot-Grün und kappen alle Regelungen, die über EU-Maßgaben hinausgehen. Zudem bekennen sich Laschet & Co. zum Klima-Killer Braunkohle („unser einziger heimischer Rohstoff, der wettbewerbsfähig ist und zudem einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leistet“) und drohen an, die Strom-Steuer senken zu wollen.

Klima-Politik: BAYER will mitreden
Der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup gehört dem Wirtschaftsrat der CDU an. Er leitet dort die Bundesfach-Kommission „Umwelt“ und äußert sich dementsprechend oft zu Umwelt-Themen – natürlich auch pro domo. Jüngst ergriff er dazu in einer Beilage der Faz zum Wirtschaftstag – die Zeitung nennt diese vom Wirtschaftsrat ins Leben gerufene Veranstaltung „eines der hochkarätigsten Foren für den Austausch von Wirtschaft und Politik“ – die Gelegenheit. In seinem Beitrag klagte Große Entrup einmal mehr über die angeblich mit der Energiewende einhergehenen hohen Strom-Kosten und wusste auch schon ein probates Mittel dagegen: mehr Mitsprache-Rechte für BAYER & Co. „Dabei sollte die Wirtschaft stärker in die entscheidungsrelevanten Dialog-Prozesse eingebunden werden. Denn eine marktwirtschaftliche Umsetzung der klima- und energiepolitischen Ziele kann nur gemeinsam mit der Wirtschaft erreicht werden“, meinte Große Entrup. Ansonsten trat er in Sachen „Klima“ für „einen internationalen Schulterschluss“ ein, was Leute seines Schlages gern tun, weil sie genau wissen, dass dieser nie zustande kommen wird.

Lobbying für CRISPR/Cas & Co.
Gen-Scheren, die das Erbgut an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können, arbeiten nach Ansicht von BAYER & Co. so präzise, dass die von ihnen herbeigeführten Veränderungen sich gar nicht mehr von denjenigen unterscheiden, welche die konventionelle Züchtung zu Wege bringt. Deshalb fallen CRISPR/Cas und andere Verfahren für sie nicht unter „Gentechnik“ und ergo auch nicht unter die entsprechenden Regularien. Davon wollen die Unternehmen auch die EU überzeugen und setzen dabei auf alte Bekannte. So hat Bernd Müller-Röber vom „Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland“ (VBIO) Abgeordnete des Europa-Parlaments jüngst in einem Schreiben davon zu überzeugen versucht, die „Gentechnik 2.0“ nicht als Update der „Gentechnik 1.0“ zu betrachten und sie aus diesem Grund auch vor den für diese geltenden Auflagen zu verschonen. Eigene Patent-Anträge zu DNA-Manipulationen, die sich der neuen Methoden bedienen, verschwieg er dabei allerdings ebenso wie seine Mitarbeit an einigen alten „Gentechnik 1.0“-Patenten von BAYER.

Brexit: VfA will Übergangsfrist
Rund ein Fünftel aller Zulassungsverfahren für Medikamente bearbeitet die britische Arzneimittel-Behörde. Wegen des Brexits wird sie dies allerdings nur noch bis Ende März 2019 tun, was dem von BAYER gegründeten „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VfA) Anlass zur Besorgnis gibt. „Der Brexit könnte die Zulassung von Arzneimitteln in Europa gefährden“, warnt er und fordert Übergangsfristen. Diese müssten „ganz oben auf der Agenda der konkreten Austrittsverhandlungen stehen“, erklärt die Lobby-Organisation.

Kein Glyphosat-Verbot in Frankreich
Der französische Präsident Emmanuel Macron wollte in seinem Land das BAYER-Pestizid Glyphosat verbieten, das die Krebs-Agentur der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft. Der Politiker konnte sich mit diesem Ansinnen allerdings nicht durchsetzen. Die Nationalversammlung lehnte den Antrag ab. Selbst einige Mitglieder von Macrons „En Marche!“ stimmten gegen den Bann.

Ein bisschen weniger Glyphosat
Nach dem Dafürhalten von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner darf es ein bisschen weniger Glyphosat sein – aber nur klitzekleines bisschen. Die Christdemokratin legte im Frühjahr den Entwurf einer entsprechenden Verordnung vor. Diese will den Einsatz des „wahrscheinlich krebserregenden“ BAYER-Pestizids vor allem im HobbygärtnerInnen-Sektor einschränken, obwohl der Bereich nur für zwei Prozent des Glyphosat-Verbrauchs verantwortlich ist. Die Landwirtschaft hat hingegen kaum Einschränkungen zu fürchten. „Für unser gemeinsames Ziel, den Einsatz von Glyphosat grundsätzlich zu beenden, werden weitere Schritte folgen müssen“, sagte deshalb Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), und Toni Hofreiter von BÜNDNIS 90/Die Grünen kritisierte, „kleine, kosmetische Maßnahmen“ seien nicht genug: „Stattdessen muss die Anwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft in den nächsten vier Jahren auf Null heruntergefahren werden.“

BAYER & Co. wollen Forschungsförderung
Seit Jahr und Tag fordert der BAYER-Konzern die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsaufwendungen. Jetzt hat seine Interessensvertretung, der „Bundesverband der Industrie (BDI), einen neuen Vorstoß in dieser Richtung unternommen. „Steuerliche Forschungsförderung unverzüglich einführen!“ ist das entsprechende Positionspapier überschrieben. „Im weltweiten Wettbewerb um die Forschungsstandorte in multinationalen Unternehmen und Branchen ist die staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung nicht alles, oft aber der entscheidende Grund, Forschungskapazitäten auszubauen oder neu anzusiedeln“, hält die Lobby-Organisation fest. Einen konkreten Plan für die Umsetzung hat der BDI auch schon ausgearbeitet. Ihm schwebt eine Steuer-Gutschrift pro Beschäftigtem in Höhe von bis zu 6.000 Euro vor. „Maximal 2,5 Milliarden Euro“ würde das den Staat kosten – nach Ansicht von BAYER & Co. ein Schnäppchen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Neues Corporate Design
Um das Image BAYERs steht es nicht zum Besten. Darum sah das Management Handlungsbedarf. Da aber gute Taten mit einem der Profit-Logik folgenden Konzern nur schwerlich zu bewerkstelligen sind, entschloss sich der Vorstand stattdessen, am Erscheinungsbild zu feilen. „BAYER will sympathischer werden – und hat deshalb sein Corporate Design überarbeitet“ vermeldete das PR-Fachblatt W&V. Bei diesem Unterfangen hat der Leverkusener Multi dann weder Kosten noch Mühen gescheut. Er befragte 1.500 Menschen aus sechs Ländern zu seiner Reputation und wertete weitere Umfragen zu diesem Thema aus. Die Resultate wiesen BAYERs oberstem Öffentlichkeitsarbeiter Michael Preuss zufolge höhere Kompetenz- als Sympathie-Werte aus. Und da hat die Branding-Agentur LANDOR angesetzt und rechtzeitig zur MONSANTO-Übernahme alles „wärmer und emotional ansprechender“ gestaltet. Aber ob ’s hilft, ist noch die Frage ...

Vertriebskosten: Elf Milliarden Euro
Unter Vertriebskosten verbucht der Leverkusener Multi all das, was es braucht, um seine Produkte loszuschlagen: Werbung, Marketing, KundInnen-Beratung, den Außendienst inklusive Pharma-DrückerInnen und andere Posten. Im Jahr 2017 gab der Konzern dafür rund elf Milliarden Euro aus.

Lobby-Offensive wg. MONSANTO
Der BAYER-Konzern hat 2017 in den USA viel Geld investiert, um Stimmung für die Ziele des Unternehmens zu machen. 10,5 Millionen Dollar steckte er in die Pflege der dortigen politischen Landschaft – mehr Geld für solche Aktivitäten gab in dem Land kein anderes deutsches Unternehmen aus. Unter anderem galt es, die DemokratInnen und RepublikanerInnen vom Sinn der MONSANTO-Übernahme und vom Unsinn der Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel zu überzeugen. Auch die Verbreitung der Mär, dass die Neonicotinoide GAUCHO und PONCHO keiner Biene etwas zu Leide tun können, war dem Unternehmen teuer. Etwas Schlimmes konnte der Konzern an diesem Einsatz nicht finden: „BAYER ist stolz darauf, sich aktiv am politischen Prozess in den USA zu beteiligen, damit auch unsere Stimme gehört wird.“

PR-Offensive wg. MONSANTO
BAYER begleitet die Übernahme von MONSANTO mit einer PR-Offensive. Um die journalistische Landschaft zu pflegen, ließ der Konzern die 40-seitige Broschüre „Landwirtschaft und Ernährung von morgen“ in einer Auflage von 30.000 Exemplaren erstellen und sie Fachmagazinen wie Wirtschaftsjournalist und medium beilegen. Allerdings gab es prompt Ärger mit der Publikation. Der Leverkusener Multi hatte darin nämlich den Schweizer Professor Urs Niggli mit einer positiven Aussage über die neuen Gentechniken zitiert, wogegen dieser sich verwahrte (s. u.). Darüber hinaus richtete der Agro-Riese die Dialog-Plattform „Zukunftsfelder“ ein, die sich allerdings nicht gerade großen Zuspruchs von Umweltverbänden erfreute. Zudem sponserte er die vom Berliner Tagesspiegel ausgerichtete Diskussionsveranstaltung „World Food Conference“, die mit so prominenten Gästen wie der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) aufwartete, und redete zu Themen wie „Zulassungsverfahren“ auch ein Wörtchen mit.

PR-GAU
„Für Landwirte – auch für Öko-Landwirte – eröffnet die neue Methode viele Chancen“, diese lobende Worte fand Professor Urs Niggli, Direktor des schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau, zu CRISPr-Gas und anderen neuen Gentechniken. Ein gefundenes Fressen für BAYER. Der Leverkusener Multi zitierte die Äußerung in seiner Propaganda-Broschüre „Landwirtschaft und Ernährung von morgen“, hatte dabei aber die Rechnung ohne Niggli gemacht. Dieser verwahrte sich gegen die Übernahme. Vom „Missbrauch meines Namens“ sprach der Agrar-Wissenschaftler und betonte, er habe völlig andere Positionen als der Agro-Riese. Der Konzern musste daraufhin alle noch verbliebenen Exemplare der Schrift in die Tonne klopfen und den Niggli-Satz von seiner Internet-Seite nehmen. Auch auf Beiträge des Professors zur Dialog-Plattform „Zukunftsfelder“ konnte er nicht länger zählen. Er sähe keinen Sinn in Dialogen, die auf die Strategie der Firma BAYER keine Wirkung hätten, erklärte Urs Niggli laut Informationsdienst Gentechnik.

BAYER vs. Vandana Shiva
Auch die bekannte indische Aktivistin Vandana Shiva nahm an den diesjährigen Protesten rund um die BAYER-Hauptversammlung teil (siehe AKTION & KRITIK). Dadurch sah sich der Leverkusener Multi zu einer Reaktion gezwungen. „Herzlich Willkomen, Vandana Shiva!“ begrüßte der Konzern die Wissenschaftlerin auf seiner Internet-Seite, um dann sieben Thesen von ihr einem „Faktencheck“ zu unterziehen. Selbstredend kam da keine einzige heil heraus. Stattdessen gibt es nichts Gesünderes auf der Welt als gentechnisch veränderte Lebensmittel, selbst wenn sie in ihrem Vorleben auf den Äckern ein paar Glyphosat-Duschen abbekommen haben, hat doch „dieser Wirkstoff eine äußerst geringe Giftigkeit“. Und indische LandwirtInnen, die Baumwolle mit einer eingebauten Resistenz gegen den Bacillus thuringiensis (Bt) anpflanzten und sich anschließend wegen der Missernten umbrachten, kennt der Konzern nicht. „Es besteht nachweislich kein direkter Zusammenhang zwischen der Einführung gentechnisch veränderter Baumwolle und der Selbstmord-Rate bei indischen Bauern“, hält er fest und behauptet stattdessen: „Die Einführung von Bt-Baumwolle in Indien war ein Erfolg.“ Und so geht die Märchenstunde dann munter bis zur siebten These weiter, wo BAYERs FaktencheckerInnen sich darin versuchen, dem goldenen Gen-Reis all den Glanz zurückzugeben, den Vadana Shiva ihm geraubt hatte.

BAYER darf mehr Schule machen
Ganz so, als hätten die Konzerne nicht schon genug Einfluss auf die Bildungseinrichtungen, darf es für Schwarz-Gelb in BAYERs Stammland Nordrhein-Westfalen gerne noch ein bisschen mehr sein. „Wir wollen Unternehmen und andere gesellschaftliche Gruppen ermutigen, ihr Personal und ihre besondere Expertise vor allem in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik, Anm. Ticker) stundenweise den Schülern zur Verfügung zu stellen“, drohte Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) an. Davon verspricht die Politikerin sich, „den Kindern Kenntnisse direkt aus der Praxis zu vermitteln“. Zudem kann der Leverkusener Multi sich in NRW über das neue Schulfach „Wirtschaft“ freuen.

DRUGS & PILLS

BfArM warnt vor XOFIGO
BAYERs XOFIGO hat bisher eine Zulassung für einen solchen Prostata-Krebs, der bereits die Knochen angegriffen hat und auf eine Hormon-Entzugsbehandlung – Testosteron und andere Androgene haben Einfluss auf das Wachstum der Krebs-Zellen – nicht reagiert. Nun wollte der Leverkusener Multi das strahlen-therapeutische Mittel mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid in Kombination mit Abirateronacetat und Prednison bei einer anderen Art des Prostata-Karzinoms zum Einsatz bringen. Er musste die klinischen Tests allerdings abbrechen (Ticker 1/18). Bei den XOFIGO-Probanden, die entweder noch gar keine oder nur schwache Symptome der Krankheit hatten, war nämlich laut BAYER „ein erhöhtes Auftreten von Todesfällen und Frakturen“ zu beobachten. Während die Todesrate in der Gruppe, die mit Abirateronacetat und Prednison ein Placebo einnahm, bei 20 Prozent lag, betrug diese bei den XOFIGO-Patienten 27 Prozent. Und Knochen-Brüche traten unter XOFIGO mehr als drei Mal so häufig auf (24 Prozent zu sieben Prozent). Darum hat die Klinische Prüfung ein Nachspiel. Nach Auskunft des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) untersucht jetzt die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ die Vorfälle, „um die Bedeutung für die zugelassene Anwendung von XOFIGO zu ermitteln“. Und den Pharma-Riesen zwangen die Aufsichtsbehörden, die MedizinerInnen in zwei Rote-Hand-Briefen davor zu waren, das Präparat weiter zusammen mit Abirateronacetat und Prednison zu verordnen.

ASPIRIN mit Warnhinweisen
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) tritt bereits seit Langem dafür ein, ASPIRIN und andere Schmerzmittel in den Apotheken nur noch dann ohne Rezept auszugeben, wenn die Anwendungsdauer auf vier Tage beschränkt ist. Die Präparate haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen. So kann BAYERs „Tausendsassa“ etwa Magenbluten verursachen. Mit seinem Anliegen konnte sich das BfArM zwar nicht durchsetzen, immerhin aber müssen der Leverkusener Multi und die anderen Hersteller von Schmerzmitteln auf den Schachteln künftig den Warnhinweis anbringen: „Bei Schmerzen und Fieber ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden, als in der Packungsbeilage vorgegeben!“ Leider nur ermangelt es dem Satz an Eindeutigkeit, zudem haben die Pharma-Riesen noch zwei Jahre Zeit, um die Anordnung umzusetzen.

FDA schränkt ESSURE-Vertrieb ein
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Sterilisationsmittel, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden von Organen, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. Das hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde „Food and Drug Admininstration“ (FDA) jetzt zu Maßnahmen veranlasst. „Jede Frau, die dieses Produkt erhält, sollte die damit verbundenen Risiken kennen“, so Scott Gottlieb von der FDA. Deshalb beschränkte die Institution den ESSURE-Vertrieb auf solche ÄrztInnen und Medizin-Einrichtungen, welche die Frauen anhand einer langen Check-Liste eingehend beraten. Zudem drohte die Behörde dem Leverkusener Multi für den Fall, dass er die potentiellen ESSURE-Interessentinnen nicht ausreichend über die Nebenwirkungen der Spirale informiert, rechtliche Schritte an.

BAYER schränkt ESSURE-Vertrieb ein
BAYER stellt den Vertrieb der Sterilisationsspirale ESSURE außerhalb der USA ein. Mit Sicherheits- oder Qualitätsbedenken (s. o.) habe das aber nichts zu tun, betont der Konzern.

EMA prüft CIPROBAY
Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY (Wirkstoff: Ciprofloxacin) haben viele schwerwiegende Nebenwirkungen (siehe auch SWB 3/18). Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA listet von 2002 bis 2017 allein zu Ciprofloxacin 1.116 Todesfälle und 20.353 Meldungen über unerwünschte pharmakologische Effekte auf. Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Überdies hemmen die Fluorchinolone Enzyme, welche die Verstoffwechselung von Arzneien im Körper steuern. Dadurch verbleiben unter Umständen hohe Konzentrationen von Arznei-Stoffen im Organismus, was die Gefahr von unkontrollierbaren Wechselwirkungen heraufbeschwört. Bereits mehrmals haben die Aufsichtsbehörden der verschiedenen Länder deshalb den Anwendungsbereich der Mittel beschränkt und die Hersteller gezwungen, ihre Packungsbeilagen um Warnungen vor bestimmten Gesundheitsschäden zu ergänzen. Und im Februar 2017 stieß das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) bei der EMA ein europäisches Risiko-Bewertungsverfahren für Fluorchinolone an. „Ziel ist eine umfassende Bewertung von schwerwiegenden und persistierenden (dauerhaften, Anm. Ticker) Nebenwirkungen, die überwiegend den Bereich des Bewegungsapparates und des Nervensystems betreffen“, teilt das Institut mit. Mitte Juni findet dazu eine öffentliche Anhörung statt. Einen Monat später will die Arzneimittel-Agentur dann das Ergebnis der Überprüfung verkünden.

BfArM überprüfte YASMIN & Co.
BAYERs Verhütungsmittel wie die Pille YASMIN oder die Hormon-Spirale MIRENA haben zahlreiche Nebenwirkungen. Zum Brustkrebs- und zum Selbstmord-Risiko wertete das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) jetzt neue Studien aus. Danach gab die Behörde Entwarnung. Die Befunde gaben ihrer Ansicht nach keinen Anlass dazu, Maßnahmen zu ergreifen.

Grenzwert-Bestimmung in der Kritik
Die Pharma-Konzerne arbeiten permanent an der Vergrößerung der Zielgruppe für ihre Medikamente. Ein probates Mittel dazu ist es, die Grenzen zwischen Gesundheit und Krankheit zu verschieben. So befindet sich etwa der Wert, ab dem der Blutdruck nicht mehr als normal, sondern als zu hoch und damit behandlungswürdig gilt, seit Jahren im Sinkflug (Ticker 1/18). Ähnlich erging es demjenigen zur Diabetes-Bestimmung. Lange Zeit zeigte ein Blutzucker-Spiegel von über 140 mg/dl die Notwendigkeit von medizinischen Maßnahmen an, bereits seit 1997 reichen jedoch 126 mg/dl. Und ganz im grünen Bereich ist mensch auch unterhalb dieses Limits nicht. Das Reich der „Prä-Diabetes“ beginnt nämlich schon ab 100 mg/dl, was den Absatz von BAYERs Zuckerkrankheitspräparat GLUCOBAY nicht unerheblich steigert. Das ExpertInnen-Gremium der „American Diabetes Association“ (ADA) hatte für die neuen Festlegungen plädiert – allerdings nicht aus hehren wissenschaftlichen Motiven. Ökonomische gaben vielmehr den Ausschlag. Kommissonschef James R. Gavin beispielsweise verfügte über lukrative BeraterInnen-Verträge mit BAYER und anderen Pharma-Riesen. Der Kölner Mediziner Prof. Dr. Stefan Wilm hält rein quantitative Angaben, etwa über die Höhe des Blutzucker-Spiegels, generell für keine hinreichenden Kriterien zur Definition einer Gesundheitsstörung und kritisiert die Ausweitung der Krankheitszonen durch die Zahlenspiele vehement. „Je niedriger wir die Grenzwerte ansetzen, (...) umso mehr Medikamente werden verordnet. Aber der Patient hat davon keinen Nutzen“, so der Arzt.

Deal mit LOXO ONCOLOGY
BAYER setzt immer weniger auf eigene Forschungsanstrengungen und kauft stattdessen Innovationen von außen zu. So hat der Konzern mit LOXO ONCOLOGY ein Geschäft abgeschlossen, das ihm die Vertriebsrechte an zwei neu entwickelten Krebs-Wirkstoffen sichert. Dabei handelt es sich um Loxo-195 und Larotrectinib, für den LOXO in den USA gerade einen Zulassungsantrag gestellt hat. Je nach Erfolg der beiden Stoffe hat der Pillen-Riese sich zu Zahlungen von bis zu 1,15 Milliarden Dollar verpflichtet. „Das ist ein strategisch sehr wichtiger Deal für zwei hochinnovative Substanzen“, konstatiert Arznei-Chef Dieter Weinand: „Damit sollte endlich auch die Frage beantwortet sein, ob BAYER angesichts der MONSANTO-Übernahme nicht die Pharma-Sparte vernachlässige.“

„Consumer Health“ schwächelt
Der Leverkusener Multi hat das Geschäft mit den rezeptfreien Arzneien in der letzten Zeit stark ausgebaut und ist in diesem Bereich zur Nr. 2 auf der Welt aufgestiegen. Aber nicht nur die 2014 zugekaufte MERCK-Sparte erfüllte ihre Erwartungen bisher nicht, auch der Absatz der restlichen Produkte schwächelt bereits seit Langem. Im Geschäftsjahr 2017 ging der Umsatz um 1,7 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro zurück, und der Gewinn schrumpfte sogar um 13 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Im November 2017 kostete das Sparten-Chefin Erica Mann ihren Job.

AGRO & CHEMIE

Aus für GAUCHO, PONCHO & Co.
Im Jahr 2014 hatte die Europäische Union die Pestizid-Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin von BAYER sowie die SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam wegen ihrer Bienengefährlichkeit vorläufig aus dem Verkehr gezogen. Ende April 2018 verkündete die EU-Kommission ein dauerhaftes Verbot der Mittel aus der Gruppe der Neonikotinoide. Zum Leidwesen des Leverkusener Multis, der die Entscheidung mit den Worten „ein trauriger Tag für die Landwirte und ein schlechter Deal für Europa“ kommentierte, dürfen PONCHO, GAUCHO & Co. jetzt nicht mehr auf Äckern, sondern nur noch in Gewächshäusern ihr Unwesen treiben. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) betreibt bereits seit 1999 eine Kampagne gegen diese Insektizide und kann nun endlich den Erfolg ihrer Bemühungen verzeichnen. Deshalb begrüßte sie die Entscheidung Brüssels, verlangte allerdings zugleich weitere Maßnahmen: „Dieser Schritt war überfällig. Jetzt gilt es aber auch, konsequent zu sein und die übrigen Stoffe dieser Substanz-Klasse aus dem Verkehr zu ziehen.“ Darüber hinaus forderte die CBG Brüssel auf, diejenigen Pestizide genauer unter Beobachtung nehmen, welche die Industrie als Ersatz für die Mittel vorgesehen hat. Der Leverkusener Multi zum Beispiel bemüht sich in der Bundesrepublik gerade um eine Zulassung von SIVANTO, dessen Inhaltsstoff Flupyradifuron einige WissenschaftlerInnen ebenfalls als schädlich für Bienen einstufen. So hält etwa Michele Colopy von der Organisation POLLINATOR STEWARDSHIP COUNCIL fest: „Die Forschungsergebnisse weisen vielleicht auf keine akute toxische Wirkung bei der ersten Anwendung hin, aber Zweit- und Drittanwendung zeigen eindeutige Effekte auf die Bienensterblichkeit, das Verhalten, die Brut-Entwicklung sowie Pollen und Nektar.“ Und zu ähnlichen Ergebnissen kam jüngst die Universität Würzburg.

EuGH bestätigt GAUCHO-Aus
Nach dem von der Europäischen Kommission verkündeten Aus für GAUCHO und PONCHO (s. o.) setzte BAYER noch Hoffnung auf die Justiz. Der Konzern hatte nämlich 2013 in Tateinheit mit SYNGENTA schon gegen das vorläufige Verbot der Europäischen Union geklagt und erwartete nun eine Entscheidung in seinem Sinne. Aber diese Rechtshilfe blieb aus; der Europäische Gerichtshof stellte sich auf die Seite der EU-Kommission. „Was die im Jahr 2013 beschränkten oder verbotenen Verwendungen betrifft, entscheidet das Gericht, dass die Kommission darlegen konnte, dass in Anbetracht der erheblichen Verschärfung der Anforderungen daran, dass keine unannehmbaren Auswirkungen der Wirkstoffe auf die Bienen vorhanden seien, die von der EFSA (Europäische Lebensmittelbehörde, Anm. Ticker) festgestellten Gefahren den Schluss zuließen, dass die drei fraglichen Wirkstoffe nicht mehr den Zulassungskriterien entsprächen“, lautete das Votum aus Luxemburg. Da musste der Global Player schmollen: „BAYER ist enttäuscht.“

Neue Ackergifte
2018 bringt BAYER zwei neue Agro-Chemikalien auf den Markt, wobei „neu“ relativ ist. In Ermangelung wirklicher Innovationen kombiniert der Leverkusener Multi nämlich nur altbekannte Wirkstoffe und hofft – wie bei den mit Mehrfach-Resistenzen ausgestatteten Gen-Pflanzen –, dass es die Menge macht. So besteht das Fungizid ASCRA Xpro aus den drei Substanzen Bixafen, Prothioconazol und Fluopyram. Das Herbizid LIBERATOR PRO, von dem die LandwirtInnen laut BAYER-Empfehlung ein Liter pro Hektar ausbringen sollen, wartet hingegen mit den Inhaltsstoffen Flufenacet, Diflufenicat und Metribuzin auf. Und ganz ohne sind die nicht: Metribuzin beispielsweise findet sich in der Liste der hochgefährlichen Pestizide, welche das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) im März 2018 veröffentlicht hat.

Verkauf von Bromacil-Pestiziden
Die mit der Übernahme von MONSANTO verbundenen Auflagen zwangen BAYER, einige Pestizide abzustoßen. Aber auch aus freien Stücken trennt sich der Konzern von Zeit zu Zeit von Agro-Chemikalien. So verkaufte der Global Player im Juni 2018 sein USA- und Kanada-Geschäft mit bromacil-haltigen Herbiziden. Neuer Besitzer der Ackergifte, die der Leverkusener Multi unter den Namen HYVAR und KROVAR vermarktet hatte, ist das US-amerikanische Unternehmen AMVAC.

Die „MONSANTO Papers“
Im Zuge der Klagen von US-amerikanischen Glyphosat-Geschädigten (siehe auch RECHT & BILLIG) kamen die Firmen-Unterlagen MONSANTOs zu dem Ackergift ans Licht der Öffentlichkeit. In diesen „MONSANTO Papers“ offenbaren die Konzern-WissenschaftlerInnen selber massive Zweifel an der medizinischen Unbedenklichkeit des unter dem Namen ROUNDUP vermarkteten Pestizides. „Man kann nicht sagen, dass ROUNDUP nicht krebserregend ist“, hält etwa die MONSANTO-Toxikologin Donna Farmer fest: „Wir haben nicht die nötigen Tests mit der Formulierung durchgeführt, um diese Aussage treffen zu können.“ Die Formulierung, also die mit Hilfe von Wirkungsverstärkern und anderen Substanzen erfolgte Weiterverarbeitung des Basis-Stoffes Glyphosat zum fertigen ROUNDUP, bereitete ihrem Kollegen William Heydens’ ebenfalls große Sorgen: „Glyphosat ist OK, aber das formulierte Produkt verursacht den Schaden.“ So hat es beispielsweise negative Effekte auf das Erbgut. Als eine Auftragstudie in dieser Hinsicht nicht genug Entlastungsmaterial liefern konnte, sondern den Befund sogar noch zu bestätigen drohte, schlug Heydens einfach vor, sich willigere WissenschaftlerInnen zu suchen. Wie die MONSANTO-Papers darüber hinaus belegen, griffen die Konzern-ForscherInnen zur Not auch selbst zur Feder, um ihrem Millionen-Seller einen Persilschein auszustellen, und kauften sich anschließend bekannte ExpertInnen ein, die für viel Geld ihren Namen unter den Text setzten. Zudem nutzte das Unternehmen all seinen Einfluss, um die Umweltbehörde EPA daran zu hindern, eine Untersuchung zu Glyphosat zu veranlassen.

BAYER vertreibt Bio-Stimulanzien
Der Leverkusener Multi vertreibt künftig die Bio-Stimulanzien BAYFOLAN, BAYFOLAN ACTIVATOR und COBRE des italienischen Unternehmens SICIT 2000. Eine entsprechende Vereinbarung zu den Produkten auf der Basis von Aminosäuren und Peptiden, die das Wachstum von Pflanzen anregen und ihre Widerstandskraft stärken, schlossen die beiden Unternehmen Ende 2017. Der Konzern baut damit sein Sortiment an Biologicals weiter aus. So hat er bereits die Bio-Pestizide REQUIEM, BIBACT und CONTANS sowie Saatgutbehandlungsmittel auf biologischer Basis im Angebot. Der Leverkusener Multi will wegen BAYFOLAN & Co. jedoch seinen Agrogift-Schrank nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. „Wir setzen auf integrierte Angebote für Nutzpflanzen. Also auf die Auswahl des passenden Saatguts und die beste Kombination aus chemischen und biologischen Produkten“, bekundet der Agro-Riese.

GENE & KLONE

Krebsgefahr durch „Gentechnik 2.0“?
BAYER setzt sowohl im Pharma- als auch im Agro-Bereich stark auf die „Gentechnik 2.0“, also zum Beispiel auf Gen-Scheren, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. So hat der Leverkusener Multi 2015 ein Kooperationsabkommen mit CELLECTIS PLANT SCIENCE in Sachen „Genome Editing“ geschlossen und gründete im selben Jahr ein Joint Venture mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS. 2016 schließlich traf der Konzern eine Lizenz-Vereinbarung mit der irischen Firma ERS GENOMICS. Diese sichert dem Pharma-Riesen den Zugriff auf mehrere Patente, die ERS auf die Anwendung der Schnippel-Technik CRISPR/Cas9 hält. Und genau diese Methode steht jetzt in Verdacht, Krebs-Erkrankungen zu befördern. Gleich zwei Studien warnen vor dieser „Nebenwirkung“. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht das Protein p53. Dieses flickt gebrochene DNA-Stränge und hemmt gleichzeitig das unkontrollierte, und deshalb Krebs befördernde Zell-Wachstum. Gen-Scheren meiden nach Möglichkeit Zellen mit dem p53-Protein, weil dieses sich unverzüglich daran macht, die Schnitte wieder zuzunähen, und halten lieber nach solchen ohne diesen Eiweiß-Stoff Ausschau. „Indem wir Zellen nehmen, die das beschädigte Gen erfolgreich repariert haben, nehmen wir vielleicht unbeabsichtigt immer gerade solche ohne funktionierendes p53“, erläutert die Wissenschaftlerin Dr. Emma Haapaniemi vom schwedischen Karolinska-Institut. Deshalb warnt sie: „Wenn diese Zellen einem Patienten transplantiert werden, beispielsweise zur Behandlung einer Erb-Krankheit, könnten sie die Krebsgefahr erhöhen, was Fragen zur Sicherheit der CRISPR/Cas9-Therapien aufwirft.“

BAYER will Gentech-Bakterien
Im Frühjahr 2018 hat der BAYER-Konzern seinen zahlreichen Kooperationen auf dem Gebiet der Gentechnik 2.0, dem so genannten Genome Editing (s. o.), eine neue hinzugefügt. Er gründete mit GINKGO BIOWORKS ein Joint Venture. Mit zusätzlichem Geld vom Hedgefonds VIKING GLOBAL versehen, wollen die beiden Unternehmen mit Hilfe der neuen Methoden Bakterien entwickeln, die der Landwirtschaft als Dünger dienen können.

Saatgut per Gentechnik 2.0
Zur Mitgift von MONSANTO gehörte auch eine Kooperation mit dem Startup-Unternehmen PAIRWISE PLANTS. Die Firma will mit Hilfe neuer gentechnischer Methoden, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können, Saatgut entwickeln. Auf der Wunschliste stehen unter anderem Soja, Mais, Weizen, Baumwolle, Raps, Kartoffeln und diverse Obst-Sorten.

USA: Kommt die Kennzeichnungspflicht?
Die USA wollen ab 2020 eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel einführen. Während VerbraucherschützerInnen die wenig eindeutigen Text-Vorschläge, die der Gesetzes-Entwurf enthält, kritisieren, betreiben BAYER & Co. schon einmal Extrem-Lobbying gegen die Pläne (siehe auch POLITIK & EINFLUSS).

KOGENATE unter Beobachtung
Im Jahr 2014 machten gleich zwei Studien auf eine bisher unbekannte Nebenwirkung von BAYERs Blutgerinnungspräparat KOGENATE und dem ebenfalls vom Leverkusener Multi entwickelten, jetzt aber von BEHRING vertriebenem Mittel HEXILATE NEXGEN aufmerksam. Neue, vorher nicht behandelte Bluter-Patienten reagieren auf diese beiden Gentech-Mittel der zweiten Generation öfter allergisch als auf Blutprodukte der dritten Generation, so der Befund. Für den Bluter-Weltverband „World Federation of Hemophilia“ legte dieses Ergebnis nahe, die Pharmazeutika Menschen mit frisch diagnostizierter Hämophilie lieber nicht zu verschreiben. Auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA reagierte. Sie wies BAYER und BEHRING an, in den Packungsbeilagen auf das erhöhte Risiko von Immun-Reaktionen hinzuweisen. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) beschäftigte sich im Februar 2018 mit KOGENATE & Co. Es sah einstweilen zwar keinen Handlungsbedarf, will die Mittel aber unter Beobachtung halten.

WASSER, BODEN & LUFT

Verwirr-Spiel um CO2-Emissionen
Der Leverkusener Multi treibt ein Verwirr-Spiel um seine klima-schädigende Kohlendioxid-Emissionen. Er berechnet die Menge auf zwei unterschiedliche Weisen, mit der standort-orientierten und mit der markt-orientierten Methode. Zudem gibt er diese einmal unter Einbezug des Chemie„park“-Betreibers CURRENTA an, an dem er eine 60-prozentige Beteiligung hält, und einmal nur für den Konzern selbst . Damit nicht genug, nennt das Unternehmen in seinem neuesten Geschäftsbericht für 2016 mit 4,64 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß auch andere Zahlen als im letzten Jahr, wo es noch 9,87 Millionen Tonnen waren. So ist dem für BAYER-Verhältnisse relativ niedrigen Wert für 2017 von 3,63 Millionen Tonnen kaum zu trauen.

Keine Strommix-Angaben
Wie bei den Angaben zu den Kohlendioxid-Emissionen rechnet der Leverkusener Multi auch bei den Angaben zum Energie-Einsatz seine 60-prozentige Tochter CURRENTA heraus und verschweigt darüber hinaus, in welchem Verhältnis bei dieser die relativ sauberen Strom-Quellen wie Erdgas zu schmutzigen wie Kohle stehen.

BAYER schädigt Ozonschicht
Seit Jahren schon sorgt hauptsächlich ein einziges Werk des Leverkusener Multis für den ganzen Ausstoß an ozon-abbauenden und deshalb ebenso wie Kohlendioxid klima-schädigenden Substanzen, den „Ozone Depleting Substances“ (ODS): die Niederlassung der Agro-Sparte im indischen Vapi. Und seit Jahren schon schraubt der Konzern auch ein bisschen an der Fertigungsstätte rum, so dass die Werte immer ein bisschen sinken. Aber 2017 summierten sie sich trotzdem noch auf 8.6 Tonnen (2016: 8,8).

870 Tonnen flüchtige Substanzen
Auch BAYERs flüchtige organische Substanzen entstammen hauptsächlich dem Werk im indischen Vapi. Den dortigen Sanierungsmaßnahmen sowie dem Verkauf eines Werkes in Frankreich geschuldet, ging der Ausstoß dieser gesundheitsschädlichen Gase 2017 etwas zurück. Von 920 auf 870 Tonnen sank der Wert.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Stickstoffoxiden, Schwefeldioxiden, Staub und Kohlenmonoxid hat sich bei BAYER 2017 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden stiegen von 1.500 Tonnen auf 1.520 Tonnen, während diejenigen von Schwefeldioxiden von 960 auf 920 Tonnen fielen. Bei Kohlenmonoxid reduzierten sich die Werte von 660 auf 610 Tonnen, und Staub wirbelte der Konzern genauso viel wie 2016 auf: 60 Tonnen.

BAYERs Abwasser-Frachten
Im Jahr 2017 sank BAYERs Phosphor-Eintrag in die Gewässer von 50 auf 40 Tonnen und der von organischem Kohlenstoff von 540 auf 390 Tonnen. Auch der Wert für Schwermetalle verminderte sich etwas. Er reduzierte sich von 2,1 auf 1,9 Tonnen. Dagegen legten die Einleitungen von Stickstoff und Anorganischen Salzen zu. Sie stiegen von 300 auf 400 Tonnen bzw. von 184.000 auf 188.000 Tonnen.

BAYER produziert mehr Müll
Im Jahr 2017 produzierte BAYER mehr Müll als 2016. Von 770.000 auf 846.000 Tonnen erhöhte sich die Gesamtmenge. Darunter befanden sich 485.000 Tonnen gefährlicher Abfall. Um 57.000 Tonnen stieg dessen Aufkommen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Chemikalien-Austritt in Berlin
Auf dem Gelände von BAYERs Berliner Pharma-Standort im Stadtteil Wedding kam es am 30.05.2018 zu einem Unfall. Es trat eine gefährliche Substanz aus, dessen Dämpfe zwei Personen verletzten. Der Leverkusener Multi erklärte, der Stoff hätte sich auf der Ladefläche eines LKWs befunden, der den Konzern belieferte, wäre aber nicht für ihn, sondern für einen anderen Kunden bestimmt gewesen.

IMPERIUM & WELTMACHT

Fragwürdige EU-Genehmigung
Die Europäische Union genehmigte die vom Leverkusener Multi geplante MONSANTO-Übernahme zunächst nur unter Vorbehalt. Hatte sie dem Konzern schon während des Verfahrens zur Auflage gemacht, sich von bestimmten Unternehmensteilen zu trennen, so wollte sie sich vor der endgültigen Zustimmung auch erst noch mal die potentiellen Käufer genauer anschauen. Diesen Prozess schloss Brüssel am 30. April ab. Die Generaldirektion Wettbewerb akzeptierte die BASF als neue Besitzerin von Cropscience-Produkten. Sie sieht in dem Ludwigshafener Unternehmen den geeigneten Kandidaten, um „den von BAYER ausgeübten Wettbewerbsdruck auf diesen Märkten zu ersetzen“. Der Erwerb der Geschäfte mit Gemüse-Samen, konventionellem und gentechnisch manipuliertem Saatgut, dem Pestizid Glufosinat, Saatgutbehandlungsmitteln wie PONCHO sowie mit Entwicklungen der digitalen Landwirtschaft durch die BASF reicht nach Ansicht der Kommission aus, BAYSANTO einzuhegen und für eine ausreichende Konkurrenz auf dem Agrar-Sektor zu sorgen. Dabei war am Tag der Brüsseler Entscheidung das Haltbarkeitsdatum des Veräußerungspakets schon überschritten – wofür die EU selber gesorgt hatte. Sie zog Glufosinat wegen seiner erbgut-schädigenden Wirkung und PONCHO wegen seiner Bienengefährlichkeit nämlich unlängst aus dem Verkehr. Damit fallen sie auf dem Gebiet der Europäischen Union – im Rest der Welt dürfen die Substanzen vorerst weiter ihr Unwesen treiben – als Gegengewichte zur BAYER-Dominanz aus. Eine Erklärung dazu hat die EU-Kommission der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nicht gegeben. Eine entsprechende Anfrage ließ sie unbeantwortet.

Der Grund für Dekkers’ Abgang
Im Jahr 2014 gab der BAYER-Konzern die Trennung von seiner Kunststoff-Sparte bekannt. Für die beiden verbliebenen Bereiche „Pharma“ und „Agrar“ hatte der damalige Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers eine Vision. Er plante, die beiden Abteilungen unter dem Label „Life-Science“ enger miteinander zu verknüpfen. „In allen Lebewesen, so unterschiedlich sie uns erscheinen mögen, folgen die molekularen Mechanismen gemeinsamen Regeln. Diese Gemeinsamkeiten wollen wir unter einem Dach zu unserem Vorteil nutzen“, erklärte der Holländer. Allerdings teilten viele verantwortliche ManagerInnen seine Vision nicht. Nicht einmal ein gemeinsamer Vorstandsworkshop konnte den Konflikt auflösen. Und diese Auseinandersetzung bewog Dekkers nach Informationen des manager magazins schlussendlich dazu, das Unternehmen vorzeitig zu verlassen.

Der Grund für Dietsch’ Abgang
Viele Investment-Gesellschaften beurteilten BAYERs Plan, MONSANTO übernehmen zu wollen, zunächst skeptisch. Den Fonds-ManagerInnen machte die damit verbundene hohe Schulden-Aufnahme Sorgen. Sie befürchteten eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Konzerns durch die Rating-Agenturen. Die Finanzmarkt-AkteurInnen von der Profitabilität des Coups zu überzeugen, war für den Leverkusener Multi deshalb kein leichtes Unterfangen (siehe auch KAPITAL & ARBEIT). Und den Finanz-Chef Johannes Dietsch kostete das nach Informationen des manager magazins sogar seinen Job. Weil Dietsch als Überzeugungstäter vor den GroßanlegerInnen nach Meinung des Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann keine gute Figur machte, wurde er durch Wolfgang Nickl ersetzt.

ÖKONOMIE & PROFIT

EU will Derivat-Markt beleben
Derivate – eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Schulden, Zinsen oder aber von Derivaten selber – hatten 2007 wesentlich mit zum Ausbruch der Finanzkrise beigetragen. Darum regulierte die EU diesen Markt im Jahr 2013 stärker. Sie schrieb für die Verbriefungs-deals eine Absicherung mit Eigenkapital und eine Registrierung vor. Der Leverkusener Multi, der Derivate laut Eigenauskunft „fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktionen“ nutzt, protestierte in Tateinheit mit anderen Konzernen scharf gegen die Maßnahmen. Und 2017 ruderte die Europäische Union tatsächlich wieder zurück und machte sich ans Deregulieren. Sie verkündete eine neue Verbriefungsverordnung, welche den Zweck hatte, „den EU-Verbriefungsmarkt zu beleben, um die Finanzierung der EU-Wirtschaft zu verbessern“. Im Zuge dieser Wiederbelebungsmaßnahme hat Brüssel beispielsweise für bestimmte Derivate das Unbedenklichkeitslabel STS (simple, transparent, standardised) eingeführt und für den Handel mit diesen Papieren die Eigenkapital-Anforderungen gesenkt. Der Vorschlag der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament ging genau in die gegenteilige Richtung. Die PolitikerInnen hatten für die Geschäfte mit den Derivaten eine Kapital-Unterlegung von 25 Prozent der Transaktionssumme gefordert. Zudem wollten sie Weiterverbriefungen unterbinden und es nicht mehr den Banken selber überlassen, die Risiken ihrer eigenen Finanzprodukte zu berechnen. Entsprechend vehement kritisierte Sven Giegold, der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament, den Europäischen Rat sowie die konservativen, liberalen und euroskeptischen EU-ParlamentarierInnen für die Unterstützung der Regelung. „Sie sind dabei, die Lehren aus der letzten Finanzkrise zu vergessen“, so Giegold.

BAYER verkauft COVESTRO-Aktien
Im Jahr 2015 gab der Leverkusener Multi die Trennung von seinem Kunststoff-Geschäft bekannt. Unter dem Namen COVESTRO brachte er es an die Börse. Seither verringert der Konzern seinen Aktien-Anteil an der ehemaligen Unternehmenssparte peu à peu. Der letzte Verkauf fand im Mai 2018 statt. Das Unternehmen veräußerte in diesem Monat rund 29 Millionen Papiere für 2,2 Milliarden Euro. Damit reduzierte sich die BAYER-Beteiligung an COVESTRO auf rund sieben Prozent. Der Global Player kappt die Verbindung so schnell, weil er Geld braucht, um die für die MONSANTO-Übernahme gemachten Schulden abzubauen.

RECHT & UNBILLIG

Erster Glyphosat-Prozess in den USA
Kaum hatte der Leverkusener Multi die letzten amtlichen Bestätigungen für die Genehmigung der MONSANTO-Übernahme erhalten, da musste er sich auch schon den mit diesem Deal verbundenen juristischen Risiken stellen. Mitte Juni 2018 begann in den USA das erste Schadensersatz-Verfahren in Sachen „Glyphosat“. Der 46-jährige DeWayne Johnson hatte die Klage eingereicht. Der Familien-Vater leidet am Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), einer bestimmten Form des Lymphdrüsen-Krebses, und macht das Herbizid dafür verantwortlich, das er in seinem früheren Beruf als Platzwart häufig einsetzen musste. Mit dieser rechtlichen Auseinandersetzung startet in den Vereinigten Staaten eine wahre Prozess-Lawine. Losgetreten hatte diese die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation mit ihrer Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“. Daraufhin zogen in den Vereinigten Staaten über 4.000 NHL-PatientInnen, die als LandwirtInnen, LandschaftspflegerInnen oder als Hobby-GärtnerInnen in Kontakt mit der Agro-Chemikalie gekommen waren, vor Gericht. Obwohl der „San Francisco County Superior Court“ die im Zuge anderer Verfahren ans Licht der Öffentlichkeit geratenen Firmen-Unterlagen zu dem Ackergift, die berühmt-berüchtigten MONSANTO-Papers, zur Beweisaufnahme zugelassen hat (siehe auch AGRO & CHEMIE), setzt BAYER auf Sieg. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zeigte sich „BAYER CROPSCIENCE“-Chef Liam Condon zuversichtlich, „das die Gerichte zu dem Schluss kommen werden, dass Glyphosat keine Gefährdung für die Gesundheit darstellt, wenn es vorschriftsmäßig eingesetzt wird“.

Glyphosat-Prozess in Frankreich
Französische ImkerInnen haben den BAYER-Konzern verklagt, weil ihr Honig Rückstände von dessen Pestizid Glyphosat enthielt und sie ihre Ware darum teilweise nicht mehr verkaufen konnten.

Glyphosat-Prozess in den USA
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA folgte der Einschätzung der Krebs-Agentur der Weltgesundheitsorganisation und nahm das jetzige BAYER- und frühere MONSANTO-Pestizid Glyphosat in seine Liste der wahrscheinlich krebserregenden Substanzen auf. In der Folge verfügte die „Food and Drug Administration“ das Anbringen von Warnhinweisen auf den Produkten und stellte das Einleiten von Glyphosat-Rückständen in Gewässer unter Strafe. MONSANTO klagte gegen die FDA-Entscheidung, konnte sich vor Gericht allerdings nicht durchsetzen.

Bt-Prozess in Indien
Das Oberste Gericht der indischen Hauptstadt New Dehli hat MONSANTO, dessen Rechtsnachfolger BAYER seit dem 7. Juni 2018 ist, das Recht abgesprochen, auf seine gentechnisch veränderte Bt-Baumwolle Patent-Ansprüche zu erheben. Die RichterInnen verwiesen dabei auf das indische Gesetz, das es nicht erlaubt, Saaten, Pflanzen oder Tiere zum geistigen Eigentum von Personen oder Unternehmens zu erklären. Der US-Konzern, der seine Labor-Frucht mit Genen des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt hatte, damit diese die Pflanze vor Schadinsekten schützen, reklamierte in dem Land deshalb in weiser Voraussicht nur für den Bacillus Schutzrechte. Das reichte nach Ansicht der JuristInnen aber nicht aus, um von Saatgut-Firmen Lizenz-Gebühren für die ganze Bt-Baumwolle verlangen können. Deshalb gaben sie der Klage des Unternehmens Nuziveedu statt. Die indische Aktivistin Vandana Shiva (siehe auch AKTION & KRITIK) begrüßte das Urteil als „Sieg für die Saatgut-Freiheit“. Rechtskräftig ist es allerdings noch nicht, da noch eine Berufungsverhandlung ansteht.

GroKo will Umwelt-Klagen einschränken
Mit der Aarhus-Konvention von 1998 fand der Umweltschutz Eingang in das internationale Recht. Seither können Umwelt-Organisationen vor Gericht ziehen, wenn etwa große Infrastruktur-Projekte der Natur zu schaden drohen. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeiten dafür in den zurückliegenden Jahren sogar noch erweitert. So müssen die Verbände seit 2011 nicht mehr im Namen der Interessen Einzelner klagen, sondern sind berechtigt, dies auch im Namen der Interessen der Allgemeinheit zu tun und sich damit beispielsweise zu AnwältInnen des Artenschutzes zu machen. Nun aber kündigt die Bundesregierung an, das Rad zurückzudrehen. Prozesse, wie es sie etwa gegen die Öffnung von BAYERs Dhünnaue-Deponie im Zuge der Erweiterung der Autobahn A1 oder gegen die Kohlenmonoxid-Pipeline des Leverkusener Multis gab, verzögern die Bau-Vorhaben nach Ansicht der Großen Koalition zu sehr. Die Devise von CDU und SPD lautet stattdessen „Planungsbeschleunigung“, weshalb die Parteien „das Verbandsklage-Recht in seiner Reichweite überprüfen“ wollen, wie es im Koalitionsvertrag heißt.

2.900 MIRENA-Klagen
BAYERs Hormon-Spirale MIRENA hat Nebenwirkungen wie nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen, Unruhe, Schlaflosigkeit, permanente Bauchkrämpfe und Oberbauchschmerzen. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erhielt bereits 45.000 Meldungen über unerwünschte MIRENA-Effekte. Darum reichten in den Vereinigten Staaten 2.900 Frauen Klagen gegen den Leverkusener Multi ein (Stand: 30.01. 2018).

22.000 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen. Allein bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA gingen bis zum 1.03.2018 mehr als 85.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Mit 22.000 Klagen müssen sich die RichterInnen mittlerweile beschäftigen (Stand: 30.01. 2018).

16.000 ESSURE-Klagen
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommende Sterilisationsmittel, beschäftigt in den USA zunehmend die Gerichte. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden von Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Darum nimmt die Zahl der Klagen immer mehr zu und liegt mittlerweile bei 16.000 (Stand: 30.01. 2018).

Sammelklage gegen BAYER wg. GAUCHO?
BAYERs Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie GAUCHO und PONCHO haben mit für ein massives Bienensterben gesorgt. Kanadische ImkerInnen wollen den Leverkusener Multi deshalb juristisch zur Verantwortung ziehen. In Quebec und Ontario haben sie sich deshalb vor Gericht um die Zulassung von Sammelklagen bemüht.

Asbest-Klagen
Nur in der Bau-Branche kam mehr Asbest zum Einsatz als in der Chemie-Industrie. Der hierzulande seit 1993 verbotene Stoff fand sich in Zement, Abdichtungen und Wärme-Isolierungen wieder. Desweiteren umhüllte die Substanz säure- und laugen-führende Leitungen. Filter, Lacke, Beiz-Wannen, Lager-Behälter und Reaktionsbehältnisse enthielten diese ebenfalls. Der Leverkusener Multi wusste um die Risiken und Nebenwirkungen des Silikat-Minerals, setzte seine Beschäftigten aber trotzdem weiter der Gefahr von Asbest-Vergiftungen aus. „Expositionen gegen Asbest“ zählten deshalb lange Zeit zu den häufigsten Berufskrankheiten bei dem Konzern. Darüber hinaus hat in den USA eine Beteiligungsgesellschaft von BAYER die Rechtsnachfolge von Firmen angetreten, die bis 1976 Asbest-Produkte verkauften. Deshalb sieht das Unternehmen sich dort mit mehreren Klagen konfrontiert. Allerdings mahlen Justitias Mühlen langsam. Bereits seit Jahren führt der Global Player diese gerichtlichen Auseinandersetzungen in seinen Geschäftsberichten unter der Rubrik „rechtliche Risiken“ auf.

Hawaii verbietet Sonnencremes
Durch badende StrandurlauberInnen gelangen große Mengen von Sonnencreme in die Meere. Bestimmte Mittel können dabei Korallen und anderen aquatischen Lebewesen schaden. Darum hat der US-amerikanische Bundesstaat Hawaii Produkte mit den Beistoffen Oxybenzon und Octinoxat, wie etwa BAYER sie unter dem COPPERTONE-Label vertreibt, verboten. Der Leverkusener Multi protestierte umgehend: „Die Verwendungen von Sonnencreme-Ingredienzien zu verbieten, welche die ‚Food and Drug Administration’ (die US-amerikanische Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) als effizient und sicher ansieht, schränkt nicht nur die Wahlfreiheit der Konsumenten ein, sondern unterminiert auch die Hautkrebs-Vorsorge.“

[Xarelto] BAYERs medizinische Mietmäuler pushen XARELTO

CBG Redaktion

ÄrztInnen unter Einfluss

BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO hat sich zu einem Milliarden-Seller entwickelt, obwohl die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ wegen der Risiken und Nebenwirkungen von dem Präparat abrät. Wie konnte das passieren?

Von Dr. med. Niklas Schurig

Die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ hat erneut festgestellt, dass die neuen Gerinnungshemmer bzw. Antikoagulantien (NOAK) nur Mittel der zweiten Wahl bei Vorhofflimmern sind (1). Dennoch werden immer mehr PatientInnen neu von Vitamin-K-Antagonisten (VKA) wie Phenprocoumon auf BAYERs XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) und andere Präparate dieser Medikamenten-Gruppe um- und eingestellt. Die Ursachen hierfür liegen in der minutiös geplanten Vermarktungsstrategie, die auch durch finanzielle Zuwendungen für ÄrztInnen in Deutschland erkauft wurde und wird. Die Einflussnahme durch BAYER soll an drei Beispielen verdeutlicht werden: CME-Fortbildungen (CME = Continuing Medical Education, Anm. SWB), europäische und deutsche Leitlinien.

Fortbildungen
Eines von vielen Beispielen für interessenkonflikt-behaftete Fortbildungskurse, die von den Ärztekammern unkritisch mit CME-Punkten zertifiziert werden, kann man aktuell hier bewundern und auch noch absolvieren: www.cme-kurs.de (2): „Triple-Therapie mit NOAK – Praxis und Studienlage.“ Autor ist Professor Christoph Bode aus Freiburg. Das Handout (3) endet mit dem nicht direkt verständlichen Schlusssatz: „Experten wie der Amerikaner Dr. Deepak Bhatt empfehlen, dass die Therapie mit Rivaroxaban in den klinischen Alltag integriert werden sollte.“ Auch die CME-Testat-Fragen sind dementsprechend gestrickt. Vitamin-K-Antagonisten (VKAs) werden abgewertet: „Die klassische Triple-Therapie mit Warfarin-ASS-Clopidogrel führt zu einem 3,7-fachen BlutungsRisikoanstieg.“ XAREL-TO wird dagegen auf fragwürdige Weise aufgewertet: „Im Rahmen einer Post-hoc-Analyse konnte eine verringerte Mortalitäts- oder Rehospitalisierungsrate (Mortalität = Sterblichkeit, Anm. SWB) in beiden Rivaroxaban-Studienarmen vs. VKA dargestellt werden.“
Diese Aussagen dürfen in Zweifel gezogen werden. Klarer wird der einseitig werbende Inhalt des Handouts (und des Vortrags), wenn man sich die Interessenkonflikte ansieht: Professor Bode arbeitet nämlich für BAYER und bekam für den Vortrag 12.000 Euro. Die Ärztekammer Rheinland-Pfalz hatte dagegen nichts einzuwenden und zertifizierte diese recht offensichtliche XARELTO-Werbung mit 2 CME-Punkten.

Geleitete Leitlinien
Die europäische Leitlinie zum Vorhofflimmern der „European Society of Cardiology“ (ESC), die den Einsatz von NOAKs als Mittel der ersten Wahl empfiehlt, tut dies vielleicht auch deshalb, weil 15 von 17 AutorInnen der Leitlinien-Gruppe Interessenkonflikte haben (4). Darunter befinden sich allein sechs, welche Geschäftsbeziehungen direkt zu BAYER unterhalten (5).Ob die Methoden der Studienbewertung von den Interessenkonflikten beeinträchtigt wurden oder ob es abgeleitete Konsequenzen wie z. B. Enthaltungsregeln gibt, legt die ESC nicht dar (6). Somit hat diese Leitlinie eine deutlich schlechtere Qualität als ihre deutschen Pendants, ist aber in Europa leider die Referenz-Leitlinie.

Da die ESC-Leitlinie für Deutschland diesen Maßstab-Charakter hat, wurde auch hierzulande der bislang verwendete Schlaganfall-Risiko-Score CHADS2 durch den neuen CHADS2VASC-Score ersetzt. Diese Scores geben das Schlaganfall-Risiko bei PatientInnen mit Vorhofflimmern an und werden zur Klärung der Notwendigkeit einer (oft lebenslangen) Blutverdünnung eingesetzt. Durch den Wechsel zu diesem neuen Score benötigten statt 60 Prozent nun über Nacht 85 Prozent der PatientInnen mit Vorhofflimmern eine Blutverdünnung. So wurden durch die Score-Änderung 2012 und die Indikationsausweitung Hundertausende zu potenziellen XARELTO-PatientInnen (1).

Die Deutsche Leitlinie zur Schlaganfall-Prophylaxe wurde ebenfalls von BAYER beeinflusst und unter grober Missachtung des Reglements durch bezahlte AutorInnen in Richtung XARELTO „verbogen“. Im Leitlinienreport (7) heißt es dazu: „Alle Mitglieder der Leitliniengruppe gaben an, dass keine bedeutsamen Interessenkonflikte sie an der Teilnahme an dem Leitlinienvorhaben hindern würden (…) Die Evaluation aller Erklärungen wurde abschließend auf der zweiten Konsensuskonferenz diskutiert, mit dem Ergebnis, dass keine Interessenkonflikte vorlagen, die einen Ausschluss aus der Leitlinien-Gruppe nach sich gezogen hätten. Falls ein stimmberechtigtes Mitglied aufgrund von Interessen-Konflikten bei der Konsentierung der Empfehlungen (d. h. beim Einigungsprozess über die Empfehlungen, Anm. SWB) einzelner Schlüsselfragen nicht unbefangen abstimmen konnte, bestand die Auflage, dass sich der- bzw. diejenige bei dieser Abstimmung enthalten würde.“

Am Beispiel der Empfehlung 13.10 zum Einsatz von Antikoagulantien wird aber deutlich, dass diese Abstinenz bei Befangenheit nicht konsequent eingehalten wurde. Die Empfehlung lautet: „Die neuen Antikoagulantien (d. h. Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban) stellen eine Alternative zu den Vitamin-K-Antagonisten dar und sollten aufgrund des günstigeren Nutzen-Risiko-Profils zur Anwendung kommen. (Empfehlungsgrad B).“ Laut Leitlinienreport wurde die Empfehlung mit 10 zu 9 Stimmen in der Stichwahl ausgesprochen. Von den 23 stimmberechtigten Mit-gliedern der Leitlinien-Gruppe gaben 10 an, Berater-Verträge mit den Herstellern der neuen oralen Antikoagulantien zu haben. Sechs weitere waren über Vortragshonorare mit den Produzenten dieser Medikamente verbunden. Von diesen 16 Befangenen enthielten sich jedoch bei der Abstimmung nur sechs, in der Stichwahl nur noch vier. Dabei unterhielten 19 von insgesamt 35 Leitlinien-AutorInnen Geschäftsbeziehungen zu BAYER (8).

Fazit
Diese gezielte Ausnutzung von Grauzonen bei der CME-Zertifizierung und bei den Leitlinien-Reglements gehört leider immer noch zu den Standard-Werkzeugen der Pharma-Firmen bei der Vermarktung ihrer Produkte. Dies ist lange bekannt. Wir ÄrztInnen stehen in der Verantwortung, dies zu ändern. Den Druck auf Landesärztekammern bei industrie-beeinflussten CME-Vorträgen können nur wir erhöhen. „Schlechte“ Leitlinien kommen meist von „schlechten“ Fachgesellschaften und es liegt an uns, die industrie-freundlichen Fachgesellschaften und ihre Leitlinienarbeit von innen heraus zu ändern. ⎜

Dr. med. Niklas Schurig ist Hausarzt in Rastatt, Vorstandsmitglied bei MEZIS e. V. und arbeitet bei leitlinienwatch.de sowie der AG CME mit.
Interessenkonflikte: keine weiteren
(1) AKDÄ (2016) Leitfaden „Orale Antikoagulation bei nicht valvulärem Vorhofflimmern“ https:www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/LF/OAKVHF/index.html Zugriff: 31.1.2018 https:www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/LF/index.html
(2) cme kurs (2017) Triple-Therapie mit NOAK – Praxis und Studienlage
https:www.cme-kurs.de/kurse/triple-therapie-mit-noak-praxis-und-studienlage/


(3) C Bode (2017) Triple-Therapie mit NOAKs Praxis und Studienlage
https:
www.cme-kurs.de/cdn2/pdf/Handout_Triple-Therapie-mit-NOAK.pdf Zugriff: 31.1.2018
(4) Kirchhoff P, Benussi S, Benussi D et al (2016) ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with EACTS, European Heart Journal; 37; 38, pp 2893–2962 7.10. 2016
ESC-Leitlinie zum Management des Vorhofflimmerns (ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation) https:academic.oup.com/eurheartj/article/37/38/2893/2334964 Zugriff: 31.1.2018www.escardio.org
(5) Ahlsson A, Atar D, Benussi D et al (2016) Interessenkonflikterklärungen https:
www.escardio.org/static_file/Escardio/Guidelines/DOI/DOI_Summary_2016_AFIB.pdf Zugriff: 31.1.2018
(6) Leitlinienwatch (2017) https:www.leitlinienwatch.de/esc-leitlinie-zum-management-des-vorhofflimmerns-esc-guidelines-for-the-management-of-atrial-fibrillation/ Zugriff: 31.1.2018
(7) AWMF Leitlinienreport S3-Leitlinien – Teil 1 Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke
http:
www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-133m_S3_Sekun%C3%A4rprophylaxe_isch%C3%A4mischer_Schlaganfall_2015-02.pdf Zugriff: 31.1.2018
(8) neurologyfirst.de Zugriff: 31.1.2018

Ticker 2/18

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG auf „Wir haben es satt“-Demo!
Mit über 30.000 Menschen hatte die diesjährige „Wir haben es satt“-Demonstration weit mehr Zulauf als die von 2017. Die TeilnehmerInnen, die am 20. Januar 2018 nach Berlin kamen, unterstrichen damit noch einmal die Dringlichkeit einer Landwende. Sie traten für eine Landwirtschaft ein, die ohne Glyphosat & Co., Massentierhaltung, Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL, Insektensterben, Land-Konzentration, Export-Orientierung und – last but not least – BAYSANTO auskommt. „Wir wollen, dass Demokratie sich gegen Konzern-Macht durchsetzt, weltweit“, hieß es in der Erklärung der Veranstalter. „Dämmen Sie die Markt-Konzentration von Großunternehmen ein, weil diese die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung und eine positive ländliche Entwicklung bedroht“, forderten sie deshalb von den PolitikerInnen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) setzte dieses Thema in Berlin ebenfalls auf die Tagesordnung. „Stopp BAYER/MONSANTO“ war der Aufruf überschrieben, den CBG-AktivistInnen auf der ganzen Demo-Strecke verteilten.

CBG beim Kölner Rosenmontagszug
Die alternative Kölner Karnevalstruppe „Pappnasen Rot-Schwarz“ hatte für ihren diesjährigen Rosenmontagsbeitrag das offizielle Motto „Mer Kölsche danze us der Reih“ in „Mer klääve nit am Wachstumswaahn, mer danze us der Reih“ umgestrickt. Sich traditionell als „Zoch vor dem Zoch“ an die Spitze des närrischen Treibens setzend, dichteten sie auch das jecke Liedgut ein wenig um. „D’r Kappetalismus/Dä hätt ene Voll-Schuss/Einer fängk zu wachse aan/bis jeder mitmuss“, inthronierten die rund 80 Alternativ-KarnevalistInnen unter anderem. Und da der BAYER-Konzern ebenfalls ganz dolle von dem Wachstumsvirus befallen ist, wie sein MONSANTO-Übernahmeplan zeigt, durften er und seine Auserwählte bei dem Umzug so wenig fehlen wie AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Als „Hochzeit des Todes“ hatte das Horror-Brautpaar seinen Auftritt, ihren kleinen „Glypho-Satan“ im Kinderwagen vor sich her schiebend. Hinter ihnen folgten das BAYSANTO-Monster, „Mad Scientists“ und die Bienen-Leichen, die ihren Weg pflasterten. So vor den ZuschauerInnen an der Strecke vorbeiparadierend, wurden die Pappnasen von einer Tribüne aus sogar schon als „Protest-Zug aus Leverkusen“ begrüßt, obwohl in ihren Reihen auch noch andere Konzerne wie z. B. der Klima-Killer RWE ihr Unwesen trieben.

Proteste vor BAYER-Zentrale
Am 31. Januar 2017 wollte das US-Unternehmen MONSANTO auf seiner Hauptversammlung weitere Vorbereitungen zur Elefanten-Hochzeit mit BAYER treffen. Das von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN initiierte „Stopp BAYER/MONSANTO!“-Bündnis nahm dies zum Anlass, dem Multi vor seiner Leverkusener Zentrale schon einmal die Braut zu präsentieren. Aus Sicherheitsgründen war dazu ein Feuerwehr-Einsatz nötig, denn die Auserkorene hatte gleich ihre Mit-Gift dabei: das laut WHO „wahrscheinlich krebserregende“ Glyphosat, das berühmt-berüchtigte Agent Orange und das Baumwoll-Saatgut, das in Indien so viele LandwirtInnen in den Tod treibt. Für BAYER trübt das die Anziehungskraft jedoch nicht. Im Gegenteil: Der Global Player erkennt darin eine Wahlverwandtschaft, steht es mit seinem Lebenswandel doch ebenfalls nicht zum Besten. Die rund 40 AktivistInnen – unter anderem von ATTAC, FIAN, der ÖkolandwirtInnen-Vereinigung IFOAM und von den PAPPNASEN ROTSCHWARZ – verwiesen darauf symbolisch, indem sie vor der Konzern-Zentrale die letzte Biene zu Grabe trugen, niedergestreckt durch Pestizide des deutschen Agro-Konzerns. Auch der Trauzeuge stellte sich bereits vor. Für diesen Posten hatte sich Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in Brüssel durch seine Zustimmung zur Glyphosat-Zulassungsverlängerung qualifiziert, die dem Paar in spe die Aussicht auf eine noch praller gefüllte Familien-Kasse eröffnete. Dezent im Hintergrund hielt sich hingegen der vom ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Friedrich Merz vertretene Heiratsvermittler BLACKROCK, der die Partnerschaft mit eingefädelt hatte. Der Hausbesuch, mit dem das Bündnis die diesjährigen Aktionen gegen die von BAYER geplante MONSANTO-Übernahme einleitete, fand breite Resonanz bei Medien und Beschäftigten und vermittelte Zuversicht für den weiteren Verlauf der Kampagne.

Die-In gegen Baysanto
Am 3.3.18 hat die Initiative ALTERNATIBA Rhône am französischen BAYER-Standort Lyon mit einer spektakulären Aktion gegen die von BAYER geplante MONSANTO-Übernahme protestiert. Die Organisation veranstaltete Anfang März 2018 ein Die-in, um die Gesundheitsgefahren plastisch darzustellen, die von dem agro-industriellen Komplex ausgehen, den der Konzern durch die Einverleibung seines US-Konkurrenten noch einmal ein wenig komplexer gestalten will. Und die Ackergifte der beiden Unternehmen leisteten an dem Tag ganze Arbeit: Vor einer zentralen Metro-Station der Stadt lagen nicht nur Menschen darnieder, sondern auch Tiere und Pflanzen – einige AktivistInnen hatten sich nämlich Flora und Fauna anverwandelt.

Warnung vor Bio-Kunststoffen
Die Konzerne stellen Kunststoffe zunehmend aus pflanzlichen Rohstoffen her. So entwickelt die BAYER-Tochter COVESTRO, an welcher der Konzern direkt 14,2 Prozent der Aktien hält und sein Pensionsfonds 8,9 Prozent, etwa Lackhärter mit Biomasse-Anteilen. Zudem forscht die Gesellschaft an vielen anderen Plaste-Produkten auf der Basis von Celluse, Milchsäure oder Zucker. „Die Umweltverträglichkeit wird zur Markt-Erfordernis“, so begründet das Unternehmen den Versuch, Alternativen zur Petrochemie zu finden. Mit der Umweltverträglichkeit der sogenannten Bioplastics ist es allerdings so eine Sache. Aufgrund ihrer komplexen Struktur bauen sie sich in der Natur nur äußerst langsam ab und setzen dabei zu allem Überfluss auch noch das klima-schädliche Gas Methan frei. Das Recycling bereitet wegen ihrer chemischen Zusammensetzung ebenfalls Schwierigkeiten. Da die Bio-Kunststoffe trotzdem unter dem Öko-Label firmieren und so einen Konsum ohne Reue befeuern, sehen FRIENDS OF THE EARTH EUROPE und andere Initiativen die neuen Kunststoffe eher als Teil des Problems denn als Teil der Lösung an. Priorität hat für die Gruppen nach wie vor eine Gebrauchsreduktion von Plastik. Eine solche Strategie forderten sie auch von der Europäischen Union ein. Überdies verlangten sie von Brüssel, den Umgang mit den Bioplastics zu regulieren. Konkret treten die Umweltschützer-Innen für Maßnahmen ein, welche für eine bessere Recycling-Fähigkeit der Materialen sorgen, Nachhaltigkeitskriterien für sie entwickeln und COVESTRO & Co. irreführende Öko-Werbung mit den Stoffen untersagen.

KAPITAL & ARBEIT

Neues Gesetz zur Lohn-Transparenz
Im letzten Jahr hat der deutsche Bundestag das „Gesetz zur Förderung der Entgelt-Transparenz zwischen Frauen und Männern“ verabschiedet. Es soll helfen, die bestehende Ungleichheit in der Bezahlung der beiden Geschlechter zu mildern. So verpflichtet das Paragrafen-Werk die Unternehmen, Berichte über Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen im Allgemeinen und über Maßnahmen zur Herstellung der Entgelt-Gleichheit im Besonderen zu erstellen. Beim Leverkusener Multi hatte der Betriebsrat in der Vergangenheit bei einigen Tochter-Gesellschaften des Konzerns eine Befragung durchgeführt und Gehaltsdifferenzen von 0,7 bis 1,8 Prozent festgestellt. Nach Angaben der stellvertretenden BAYER-Betriebsratsvorsitzenden Roswitha Süsselbeck hat der Konzern auf die Erhebung reagiert und die Löhne angeglichen. Wäre die überdurchschnittlich oft von Frauen ausgeübte und in der Regel schlechter bezahlte Teilzeit-Arbeit mit in die Untersuchung eingeflossen, hätten sich höchstwahrscheinlich weitaus größere Unterschiede ergeben.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). So entwickelte der Leverkusener Multi bereits 2013 eine „Afrika-Strategie“. Bei der Umsetzung geriert sich der Agro-Riese gerne als Entwicklungshelfer. „BAYER kooperiert mit der gemeinnützigen Organisation ‚Fair Planet’ und wird Teil des Projekts ‚Bridging the Seed Gap’ in Äthiopien. Ziel des Projekts ist es, neue Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern zu schaffen“, vermeldete der Konzern etwa Anfang 2016. Nur handelt es sich leider bei „Fair Planet“ um einen Verband, der sein Geld von BAYER, SYNGENTA, LIMAGRAIN & Co. erhält. Und so sehen die Programme auch aus. Die „Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern“ beschränken sich auf Tomaten, Paprika und Zwiebeln made by BAYER. Zudem handelt es sich um hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Sorten. Diese nur für den einmaligen Gebrauch bestimmten Arten, deren Preis trotzdem den von konventionellem Saatgut übersteigt, können die FarmerInnen zunächst kostenlos testen. Anschließend müssen sie für die Produkte allerdings die Werbetrommel rühren. „Sie sollen dann weiteren Landwirten in den Dörfern und Regionen die Vorteile dieses Saatguts demonstrieren“, so lautet der Business-Plan des Konzerns. Und der ging bis jetzt offenbar auf. Im Juli 2017 setzten der Global Player und „Fair Planet“ ihre Zusammenarbeit fort.

POLITIK & EINFLUSS

Mehr Innovation, weniger Vorsorge
Die Europäische Union legt bei der Beurteilung möglicher Gesundheitsgefährdungen durch chemische und andere Stoffe das Vorsorge-Prinzip zugrunde. Sie kann theoretisch also schon reagieren, wenn negative Effekte von Substanzen für Mensch, Tier und Umwelt nicht auszuschließen sind, und nicht erst bei zweifelsfreien wissenschaftlichen Belegen für eine solche Wirkung. Die Industrie opponiert schon seit Jahren gegen diese Herangehensweise. So schrieb der damalige BAYER-Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in der Angelegenheit gemeinsam mit anderen Konzern-Lenkern bereits 2013 einen Offenen Brief an die EU-Kommission. Darin traten die Bosse dafür ein, dem Vorsorge-Prinzip ein Innovationsprinzip zur Seite zu stellen. Ein Gleichgewicht zwischen Gesundheitsschutz und Innovationsförderung sollte Brüssel nach Meinung der Vorstandschefs anstreben, denn: „Innovationen sind per definitionem mit Risiken verbunden.“ Und nun wiederholte der Dekkers-Nachfolger Werner Baumann diese Forderung und verlangte, dass „alle neuen Gesetze auf ihre Folgen für die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft sinnvoll überprüft werden müssen“. Scheinheilig stellte er seinen Vorschlag als Ergänzung und nicht etwa als Unterminierung des Vorsorge-Prinzips dar.

Zahmer Aktionsplan
Der Leverkusener Multi hat in seiner Geschichte vielfach gegen Menschenrechte verstoßen. So nutzte er etwa Menschen aus der „Dritten Welt“ ohne deren Wissen als Versuchskaninchen für neue Pharma-Produkte, übte massiven Druck auf GewerkschaftlerInnen aus und griff auf Kinderarbeit zurück. Um solche Rechtsverstöße – entweder von den Global Playern selbst begangen oder aber von den Vertragsfirmen ihrer Lieferketten – besser ahnden zu können, hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen vor einiger Zeit „Guiding Principles on Business and Human Rights“ verabschiedet. Die EU hat ihre Mitgliedsstaaten daraufhin angehalten, eigene Aktionspläne zu erstellen. Die vorletzte Große Koalition tat das mit einiger Verspätung: Ihr Nationaler Aktionsplan (NAP) trat erst 2017 in Kraft. Viel zu befürchten haben die Konzerne von ihm auch nicht – ihr Extrem-Lobbyismus zeigte Wirkung. SPD und CDU blieben ihren Ankündigungen treu und setzen lediglich auf „Dialogformate“ und die Unterstützung von Trainingsprogrammen. Haftungsregeln sieht der Plan hingegen nicht vor, da „es sich bei Subunternehmen begrifflich um rechtlich selbstständige Unternehmen handelt, auf die ein anderes Unternehmen keinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss ausüben kann“. Die Parteien lehnen es zudem ab, die Klage-Möglichkeiten wegen Verstößen gegen die Leitlinien des Industrieländer-Zusammenschlusses OECD zu verbessern und möchten lieber, „dass die Unternehmen freiwillig und aus eigener Verantwortung gesellschaftliche Verantwortung übernehmen“, wie es 2014 in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von BÜNDNIS 90/Die Grünen hieß. Bis zum Jahr 2020 haben BAYER & Co. nun Zeit, um ihre Wertschöpfungsketten hinsichtlich etwaiger Menschenrechtsverletzungen zu kontrollieren und Bericht zu erstatten. Erst danach folgen – eventuell – „weitergehende Schritte“. „Falls die wirksame und umfassende Überprüfung des NAP 2020 zu dem Ergebnis kommt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen“, hält der Koalitionsvertrag fest.

BAYER droht May wg. Brexit
Großbritannien stellt für den Leverkusener Multi einen wichtigen Export-Markt dar. Darum war er über den Brexit not amused. Der Chef von BAYERs England-Geschäft, Alexander Moscho, sorgt sich hauptsächlich darum, künftig mehr Schwierigkeiten bei der Besetzung von Top-Positionen zu haben. Zudem befürchtet er, mit Arzneien und Pestiziden nicht mehr so schnell auf den britischen Markt kommen zu können, wenn London künftig EU-Genehmigungen nicht mehr anerkennt und stattdessen eigene Zulassungsbehörden aufbaut. Deshalb baut Moscho, den die mit dem Brexit verbundenen Probleme nach eigenem Bekunden 30 Prozent seiner Arbeitszeit kosten, in Gesprächen mit den politisch Verantwortlichen Druck auf. „Wir teilten der Regierung auch mit, dass unsere Diskussion mit der Konzern-Zentrale sich in letzter Zeit verändert haben. Wenn wir früher über Investitionen redeten, geht es heute eher darum, den Status Quo zu sichern“, sagte er in einem Interview mit the pharmaletter. „Eine subtile psychologische Veränderung“ nannte der Manager das und drohte eine Fortsetzung dieser Entwicklung an, „wenn es der Regierung nicht gelingt, auf einige Schlüsselfragen rund um den Brexit klärende Antworten zu geben“.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYERs „Big Data“-Marketing
Der Leverkusener Multi greift beim Marketing zunehmend auf Big Data zurück. So nutzt seine Veterinär-Sparte die Dienste der Firma CONSUMER ORBIT, um ihre Angebote passgenau auf bestimmte VerbraucherInnen-Gruppen zuzuschneiden. Zusammen mit den eigenen Informationen kommt der Konzern so auf 63 Billionen Daten. Und das versetzt ihn in die Lage, „ein Modell zu entwickeln, das uns zeigt, wie unsere Kunden aussehen, wer unsere Produkte nutzt und was für Gewohnheiten diese Personen haben“, preist Marketing-Leiter Doug Yoder die neuen Werbe-Möglichkeiten.

BAYER unterstützt ASA-Initiative
Wenn medizinische Fachgesellschaften sich Krankheiten widmen, für die BAYER vermeintlich die passenden Arzneien im Angebot hat, können sie immer mit Schecks aus Leverkusen rechnen. Schließlich gilt es für den Konzern, die pharmazeutische Landschaft zu pflegen. So unterstützt der Pillen-Riese auch die „Together to end stroke“-Initiative der „American Stroke Association“ (ASA) und der „American Heart Association“ (AHA), die über die Prävention und Behandlung von Schlag- und Herzanfällen informieren will. Allerdings setzt das Unternehmen bei solchen Kampagnen naturgemäß eigene Schwerpunkte. Nach ein paar Hinweisen über die prophylaktische Wirkung von Sport und gesundem Essen kommt schon der Rat: „Fragen Sie Ihren Doktor nach einer Behandlung mit ASPIRIN.“ Schließlich vermarktet der Global Player seinen Tausendsassa schon seit Längerem auch zur Vorbeugung von Schlag- und Herzanfällen.

DRUGS & PILLS

Liefer-Engpass bei ASPIRIN i. V.
Big Pharma unterwirft seine Produktion immer strengeren Profit-Kriterien. So stellt BAYER viele Wirkstoffe gar nicht mehr selber her, sondern gliedert die Fertigung aus, gerne auch in „Entwicklungsländer“, wo billige Arbeitskräfte und fehlende Umweltauflagen locken (SWB 4/17). Weil so oft genug nur noch ein einziges Unternehmen die Herstellung einer weltweit nachgefragten Substanz verantwortet, gefährdet dieses Produktionsregime die Versorgungssicherheit. Das zeigte sich jetzt im Fall von ASPIRIN i. V. Bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Monaten kann der Pillen-Riese dieses Pharmazeutikum, das NotärztInnen bei Herzinfarkten verwenden und ansonsten bei hohem Fieber und starken Schmerzen zum Einsatz kommt, entweder gar nicht oder nur „in einer angepassten Menge“ liefern. „Ursache des Problems sind qualitätsbedingte Ausfälle bei einem Lohn-Unternehmer in Frankreich, der ASPIRIN i. V. für BAYER herstellt“, teilte der Global Player mit. Er bekundet nun, fieberhaft an einer Lösung zu arbeiten. Schnelle Abhilfe verspricht er indessen nicht: „Das wird noch einige Monate dauern.“

Liefer-Engpass bei PHYTODOLOR
Immer wieder kommt es bei BAYER-Medikamenten zu Liefer-Engpässen (s. o.). Besonders häufig treten diese bei Heilmitteln auf pflanzlicher Basis, den sogenannten Phytopharmaka, auf. So mussten die Apotheken im letzten Jahr lange auf das Rheuma-Präparat PHYTODOLOR verzichten. Nach Angaben des Konzerns haperte es bei der Arznei, die wegen ihres Alkohol-Gehaltes in der Kritik steht, mit der Qualität des Goldruten-, Eschenrinde- und Zitterpappelrinde-Krautes. Zuvor hatten die PatientInnen bereits lange vergeblich auf das zur Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen zur Anwendung kommende Johanneskraut-Mittel LAIF warten müssen (Ticker 3/16).

Neue LAIF-Rezeptur
Das Johanneskraut-Präparat LAIF bereitete BAYER in letzter Zeit viel Kummer. So traten Liefer-Engpässe wegen mangelhafter Qualität des Rohstoffes auf (s. o.). Ob diese in Zusammenhang mit zu hohen Rückständen von gesundheitsschädlichen Pyrrolizidin-Alkaloiden standen, mochte der Leverkusener Multi damals lieber nicht sagen. Darüber hinaus quollen die feuchtigkeitsempfindlichen Tabletten oft auf. Dagegen hat der Konzern jetzt mit einer neuen Formulierung Abhilfe geschaffen, die einen Eindruck davon vermittelt, wie viel Chemie doch in einem Heilmittel auf pflanzlicher Basis so stecken kann. Der Pharma-Riese fügte der Rezeptur Hyprolose, Hypromellose, mikrokristalline Cellulose, mittelkettige Triglyceride, Sterarinsäure und vorverkleisterte Stärke zu und strich dafür Carboxyethylstärke-Natrium, Eudragit E100 und Natriumhydrogen-Carbonat.

BAYER will Phyto-Sparte ausbauen
Ungeachtet der vielen Schwierigkeiten mit Arzneimitteln auf pflanzlicher Basis (s. o.) will BAYER diese Sparte ausbauen. Zu diesem Behufe hat der Konzern in Darmstadt ein Kompetenz-Zentrum eingerichtet. Er hält die große Nachfrage nach LAIF, IBEROGAST & Co. nämlich für einen nachhaltigen Trend und hofft auf wachsende Renditen in diesem Bereich.

ALKA-SELTZER-Rückruf Nr. 2
Im August 2017 musste BAYER in den USA wegen fehlerhafter Verpackungen einen Rückruf bestimmter ALKA-SELTZER-Produkte starten. Es traten undichte Stellen auf, und die Tabletten drohten feucht zu werden. Im März 2018 erfolgte der „Volontary Recall“ von bestimmten „ALKA-SELTZER PLUS“-Chargen dann, weil die vorne auf den Packungen des Schmerz- und Erkältungsmittels aufgeführten Inhaltsstoffe nicht den auf der Rückseite angegebenen entsprachen. Dies könnte KonsumentInnen, die allergisch auf bestimmte Wirkstoffe reagieren, zur Einnahme der Präparate verleiten und deshalb „ernsthafte gesundheitliche Konsequenzen“ haben, warnte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA.

85.367 XARELTO-Nebenwirkungen
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA erreichen immer mehr Meldungen über schwerwiegende Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit der Einnahme von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO stehen. Bisher hat die Institution bis zum 1.3.18 insgesamt 85.367 Kranken-Akten erhalten. Allein im Februar 2018 gingen bei der Agentur über 1.500 Berichte über unerwünschte Pharma-Effekte ein.

XARELTO: schwankende Gerinnungswerte
In den Klinischen Prüfungen zeigte sich BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO dem altgedienten Marcumar nicht überlegen. Deshalb wirbt der Leverkusener Multi mit den praktischen Vorteilen der Arznei aus der Gruppe der Antikoagulantien wie dem Wegfall der regelmäßigen Blutgerinnungsmessung. Aber selbst damit ist es bei dem Medikament nicht weit her. „Wir sehen häufig bei Patienten, die neue Antikoagulantien einnehmen, dass sie trotzdem derangierte Blutwerte haben“, sagt etwa die Berliner Unfall-Chirugin Hanna Neumann. Ein Wissenschaftler des Pharma-Riesen selber räumte gegenüber dem Handelsblatt ein, dass die Gerinnungswerte unter XARELTO eine erhebliche Schwankungsbreite aufweisen – dementierte diese Aussage jedoch gleich wieder (siehe SWB 2/16). Durch diese Eigenschaft des Mittels steigt die Gefahr plötzlich auftretender, lebensgefährlicher Blutungen enorm – zumal für das Präparat bisher kein blutstillendes Gegenmittel existiert, obwohl der Konzern ein solches Antidot immer wieder ankündigt. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde will nun im Mai 2018 über die Zulassung eines entsprechenden Produkts entscheiden, die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA erst im nächsten Jahr.

Haarausfall unter XARELTO
Die Liste der unerwünschten Arznei-Effekte von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO wird immer länger. Zu den gefährlichsten zählen Blutungen, die allzu oft einen tödlichen Ausgang nehmen. Aber auch Leber-Schädigungen, Haut- und Blutkrankheiten kann der Milliarden-Seller auslösen. Und unlängst kam noch eine neue Nebenwirkung hinzu, die nicht auf dem Beipackzettel vermerkt ist: Haarausfall. Entsprechende Verdachtsmeldungen dazu gingen bei der Weltgesundheitsorganisation WHO ein.

Neue XARELTO-Studie
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat das Sicherheitsprofil von BAYERs gefährlichem Gerinnungshemmer XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) mit dem von Marcumar (Warfarin) bei PatientInnen mit Vorhof-Flimmern miteinander verglichen. Nach dieser Studie, die auf Daten von 115.000 PatientInnen basierte, besteht unter XARELTO ein höheres Risiko, Blutungen im Magen/Darm-Trakt zu erleiden, während das Risiko, Blutungen im Gehirn oder sogar einen Hirnschlag zu erleiden, unter Warfarin größer ist.

Patent-Verlängerung für XARELTO
Erhalten die Konzerne für neue Entwicklungen ein Patent, so gewährt ihnen das eine Monopol-Stellung in dem betreffenden Markt. Das garantiert den Unternehmen Extra-Profite über viele Jahre hinweg. Und wenn es sich bei den Innovationen um Arzneien oder Pestizide handelt, sieht es sogar noch ein bisschen besser aus. Mit Pharmazeutika und Ackergiften können die Multis nämlich noch mal in die Verlängerung gehen. Sie brauchen für sie lediglich „ergänzende Schutz-Zertifikate“ zu beantragen. Und genau das hat BAYER im Fall von XARELTO getan. So gelang es dem Leverkusener Multi dann, die Schutzfrist für den gefährlichen Gerinnungshemmer (s. o.), die eigentlich im Dezember 2020 ausgelaufen wäre, bis auf den 28. August 2024 auszuweiten.

Wieder Test mit ADEMPAS
Wenn eine von BAYER entwickelte Arznei für eine bestimmte Indikation eine Genehmigung erhalten hat, versucht sich der Konzern umgehend an einer Erweiterung der Anwendungszone. So ging er auch beim zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH zugelassenen Pharmazeutikum ADEMPAS (Wirkstoff: Riociguat) vor, obwohl das Fach-Magazin Arzneimittelbrief die therapeutischen Effekte des Mittels schon bei diesen Gesundheitsstörungen als nur „marginal“ bewertet. Momentan führt der Pharma-Riese gemeinsam mit dem Unternehmen MERCK eine klinische Erprobung bei solchen PAH-PatientInnen durch, die nicht auf die Arznei-Stoffe Sildenafil und Tadalafil ansprechen. Kindern mit Lungenhochdruck will er das Produkt ebenfalls angedeihen lassen. Zudem testet der Global Player ADEMPAS gerade als Medikament gegen die Autoimmun-Krankheit „Systemische Sklerose“. Und damit nicht genug, beabsichtigt er, das Präparat bei Herz-Insuffizienz und Schädigungen der Niere in Anschlag zu bringen.

May zieht DUOGYNON-Bericht zurück
Ein hormoneller Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen durch das unter den Namen DUOGYNON und PRIMODOS vertriebene Medizinprodukt bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Geschädigte oder deren Eltern fordern den Leverkusener Multi auf seinen AktionärInnen-Versammlungen seit Jahren dazu auf, die Verantwortung dafür zu übernehmen, bislang allerdings vergeblich. In England konnten sie jedoch die Politik mobilisieren. Das britische Parlament gab im Oktober 2015 eine Untersuchung zum Fall „Primodos“ in Auftrag. Der Abschluss-Bericht bestritt aber einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Test und den Gesundheitsschädigungen. Allerdings weist die Expertise zahlreiche Unstimmigkeiten auf. So berücksichtigt sie beispielsweise nicht alle bisher zugänglichen Dokumente zu dem Medizin-Skandal. Aus diesen Gründen zog die britische Premierministerin Theresa May den Report vorerst zurück und ordnete eine Überprüfung seines Befundes an.

EU will Kosten/Nutzen-Prüfung ändern
Das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 schreibt für neue Medikamente eine Kosten/Nutzen-Prüfung vor. Diese führt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von MedizinerInnen, Krankenhäusern und Krankenkassen durch. Bescheinigt dieses Gremium dem zu begutachtenden Pharmazeutikum dann eine Überlegenheit gegenüber den bisherigen Mitteln, so können die Hersteller anschließend mit DAK & Co. einen Preis aushandeln. Fällt das G-BA-Votum dagegen negativ aus, müssen die Pillen-Produzenten Preisabschläge in Kauf nehmen. Zu solch einem Urteil kamen die ExpertInnen z. B. bei BAYERs Krebs-Präparat STIVARGA, woraufhin der Leverkusener Multi auf die Vermarktung des Produktes in der Bundesrepublik verzichtete. Dementsprechend kritisch steht nicht nur der Leverkusener Multi, sondern die gesamte Branche diesem Instrument zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen gegenüber. Und entsprechend positiv beurteilen die Pharma-Riesen die Pläne der EU, Brüssel die Zuständigkeit für den Arznei-Check zu übertragen. Johann-Magnus von Stackelberg vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) reagiert dagegen alarmiert: „Wir befürchten die Absenkung der hohen Standards, die wir in Deutschland für die Bewertung von neuen Medikamenten haben.“ Die PolitikerInnen teilen diese Sorgen und weisen das Ansinnen der Europäischen Union, sich zum Wohl von BAYER & Co. in die Gesundheitspolitik der einzelnen Mitgliedsländer einzumischen, zurück: Am 22.3.18 erteilte der Bundestag der EU-Kommission einstimmig eine sogenannte Subsidiaritätsrüge.

Kooperation mit DELSITECH
Medikamente für Augen-Krankheiten zählen zum Kerngeschäft von BAYERs Pharma-Sparte. Darum bemüht sich der Konzern stets, das Segment auszuweiten. Zu diesem Behufe hat er jetzt einen Kooperationsvertrag mit dem Unternehmen DELSITECH geschlossen. Die finnische Firma forscht an medizinisch unproblematischen Träger-Stoffen für die eigentlichen Wirk-Substanzen. Nach der nun getroffenen Vereinbarung übernimmt der Leverkusener Multi die Entwicklungskosten für ein entsprechendes Projekt. Zudem verpflichtet er sich, abhängig von DELSITECHs Fortschritten bei dem Vorhaben, zu weiteren Zahlungen.

Kooperation mit T2
BAYER hat einen Kooperationsvertrag mit der Firma T2 BIOSYSTEMS geschlossen. Die Vereinbarung gewährt dem Leverkusener Multi Zugang zu einer Magnetresonanz-Technologie zur Bestimmung der Blut-Gerinnung.

Kooperation mit LEICA
Die personalisierte Medizin, also die Entwicklung einer passgenauen, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichteten Therapie-Form, erfüllt die in sie gesteckten Erwartungen bisher nicht. „Die Sache ist komplizierter als gedacht“, räumte BAYERs Pharma-Forscher Jörg Müller einmal ein. Insbesondere fehlen Kenntnisse darüber, was sich in den Körpern der einzelnen Kranken auf molekularer Ebene konkret abspielt. Aufschluss darüber versprechen bestimmte Tests zu geben. Darum hat BAYER das Unternehmen LEICA beauftragt, einen solchen auf Basis von Gewebe-Proben zu entwickeln. „Die personalisierte Medizin hat dann Aussicht auf Erfolg, wenn wir mit hochwertigen diagnostischen Tests genau die Patienten-Populationen bestimmen können, die mit größter Wahrscheinlichkeit von der Therapie profitieren werden“, so Jonathan Roy von LEICA. Auch das Hildener Unternehmen Qiagen entwickelt solche Analyse-Verfahren für den Leverkusener Multi.

AGRO & CHEMIE

Aus für Glufosinat
Jahrzehntelang hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN für ein Verbot des erbgut-schädigenden BAYER-Pestizides Glufosinat gestritten. Jetzt kann sie endlich den Erfolg verbuchen: Die EU lässt den Wirkstoff, den der Leverkusener Multi unter anderem unter den Produkt-Namen LIBERTY und BASTA vermarktet, auf ihrem Territorium nicht länger zu. Der Agro-Riese zog seinen Antrag auf Verlängerung der Genehmigung Ende 2017 zurück und begründete dies mit „anhaltenden regulatorischen Unwägbarkeiten innerhalb der EU“. Noch bis zum 1. August 2019 dürfen die LandwirtInnen das Mittel verwenden, dann ist Schluss. Frankreich hatte das Ackergift zuvor schon mit einem Bann belegt und ihm eine Gnadenfrist bis zum 24.10.18 eingeräumt.

Kommt das GAUCHO-Verbot?
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben, weshalb die EU einige dieser Agrochemikalien schon mit einem vorläufigen Verkaufsbann für wichtige Kulturen belegt hat. Jetzt rückt die Entscheidung über ein endgültiges Verbot näher. Ende Februar 2018 nämlich legte die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) ihre Risiko-Bewertung der Mittel vor und hielt fest: „Die meisten Anwendungen neonicotinoider Pestizide stellen ein Risiko für Wild- und Honigbienen dar.“ Die Stellungnahme des Leverkusener Multis dazu kam postwendend und fiel erwartungsgemäß aus: „BAYER ist mit den Ergebnissen der Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) für die Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin grundsätzlich nicht einverstanden.“ Aber die EU-Kommission ließ sich davon nicht beirren und präsentierte dem Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel am 22.3.18 einen Vorschlag zum Stopp von GAUCHO & Co. Zu einer Abstimmung kam es jedoch nicht. Einige Länder sahen noch Diskussionsbedarf, darunter wohl auch Deutschland. Die Bundesregierung hat nämlich in dieser Sache keine eindeutige Position – trotz ihres Bekenntnisses aus dem Koalitionsvertrag: „Dabei liegt uns der Schutz der Bienen besonders am Herzen“. Wie schon im Fall von Glyphosat gehen zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsressort die Meinungen auseinander. Dabei hat nach Informationen des Web-Portals EURACTIV im Klöckner-Ministerium nicht zuletzt das Extrem-Lobbying der Zuckerrüben-Industrie meinungsbildend gewirkt, die auf Ausnahme-Regelungen für ihre Ackerfrucht pocht.

GAUCHO & Co.: Teilverbot greift nicht
Seit 2014 gilt innerhalb der Europäischen Union ein Teilverbot für bestimmte Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide. Brüssel hat den LandwirtInnen die Ausbringung der BAYER-Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin sowie der SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam auf bestimmten Kulturen untersagt. Das hatte jedoch kaum Auswirkungen auf die Neonicotinoid-Verkäufe insgesamt. Beliefen sich diese im Jahr vor der EU-Entscheidung auf 200 Tonnen, so stiegen die Zahlen zwölf Monate später auf 207 Tonnen an und erreichten 2015 noch 203 Tonnen. Die großzügigen Ausnahme-Regeln und ein ausreichendes Angebot an legalen Neonicotinoiden machen das möglich. Darum fordert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ein Komplett-Verbot dieser Substanzen für alle Anwendungen.

Kein Mittel gegen Citrus Greening
Gegen immer mehr Pflanzen-Krankheiten können die Pestizide von BAYER & Co. nichts mehr ausrichten. Und bei dem Versuch, Abhilfe zu schaffen, können und wollen die Konzerne sich auch nicht mehr allein auf die eigenen Forschungsabteilungen verlassen. Nicht zuletzt aus Kosten-Gründen kooperieren sie lieber mit öffentlichen Einrichtungen. So sucht BAYER etwa zusammen mit dem „Internationalen Forschungs- und Entwicklungsfonds“ (INREF) nach Mitteln gegen den aggressiven Pilz „Tropical Race 4“ (TH4), der Bananen befällt (Ticker 2/17). In Sachen „Citrus Greening“, eine vom Bakterium Candidatus liberibacter bei Zitronen und Orangen ausgelöste Grün-Färbung, arbeitet der Leverkusener Multi ebenfalls mit anderen Institutionen zusammen. Gemeinsam mit der „Citrus Research and Development Foundation“, die unter anderem von PEPSICO und COCA COLA Geld erhält, forscht er hier nach Lösungen.

Tröpfchenweise weniger Pestizide?
Mittlerweile räumt der Leverkusener Multi selber ein, dass die industriell betriebene Landwirtschaft der Umwelt schadet und obendrein enorme Mengen Wasser verbraucht. Der Konzern versucht sogar, Lösungen zu finden, „mit denen wir die Umwelt-Auswirkungen der Landwirtschaft weiter reduzieren und natürliche Ressourcen einsparen“. Und er glaubt auch schon, eine solche gefunden zu haben. Darum kooperiert der Global Player mit dem israelischen Unternehmen NETAFILM, das die „DripByDrip“-Technologie entwickelt hat. Mittels dieser gelangen die Pestizide Tropfen für Tropfen direkt zu den Pflanzen-Wurzeln, was BAYER zufolge die Ausbring-Mengen und den Wasser-Einsatz reduziert. Über das Versuchsstadium ist dieser Ansatz bisher allerdings nicht hinausgekommen.

Fungizid-Kooperation mit SUMITOMO
Der Leverkusener Multi will seine eigenen Mittel gegen Pilz-Krankheiten von Pflanzen mit einem neuen Produkt des japanischen Chemie-Unternehmens SUMITOMO CHEMICAL mischen und daraus ein Ackergift für Soja-Kulturen entwickeln. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten die beiden Konzerne im Sommer 2017.

Neues Insektizid für Grünflächen
Seit einiger Zeit nimmt BAYERs Sparte für Agro-Chemie in den USA den „ornamentals market“ stärker in den Blick und bietet gezielt Pestizide für den Einsatz in Gewächshäusern, Gartencentern und auf großen Grünflächen wie etwa Golf-Plätzen an. Nun hat der Leverkusener Multi mit ALTUS auch ein neues Insektizid für diese Anwendungen herausgebracht. Der Konzern selber bezeichnet den Wirkstoff Flupyradifuron als nicht bienen-gefährdend. Daran bestehen jedoch erhebliche Zweifel. Die Chemikalie gehört zwar nicht wie die wegen ihrer Bienenschädlichkeit von der EU mit einem vorläufigen Bann belegten BAYER-Substanzen Imidacloprid und Clothianidin zur Gruppe der Neonicotinoide, sie ähnelt diesen jedoch in ihrer Funktionsweise.

PFLANZEN & SAATEN

Zuckerrüben-Lizenz vergeben
BAYER hat im Jahr 2015 zusammen mit KWS eine Zuckerrüben-Art entwickelt, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern unbeschadet. Deshalb könnte die neue Rübe, wenn sie 2019 gemeinsam mit dem auf die Pflanze abgestimmten Herbizid CONVISO (Wirkstoffe: Foramsulfuron und Thiencarbazone-methyl) auf den Markt kommt, schon bald ziemlich alt aussehen. Nichtsdestotrotz gelang es BAYER und KWS, mit der belgischen Firma SESVANDERHAVE ins Geschäft zu kommen. Die beiden Unternehmen verkauften dem auf Zuckerrüben-Saatgut spezialisierten Betrieb eine Lizenz für das „CONVISO SMART“-Anbausystem. „Wir möchten so viele Züchter wie möglich für diese Technologie gewinnen. Wenn große Saatgut-Anbieter zusammenarbeiten, um diese Technologie voranzubringen, werden viele Landwirte von ihren Vorteilen profitieren können“, meint der Leverkusener Multi.

GENE & KLONE

Fragwürdige Soja-Zulassung
Ende 2017 hat die EU BAYERs Gen-Soja der Marke BALANCE eine Import-Genehmigung erteilt. Bei der Prüfung des Antrags hat Brüssel es allerdings nicht allzu genau genommen, wie Recherchen der Initiative TESTBIOTEST ergaben. Die Europäische Union erteilte der Labor-Frucht nämlich eine Einfuhr-Erlaubnis, obwohl der Leverkusener Multi die dafür erforderlichen Tests nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat. So setzte der Konzern bei den Versuchen mit der Soja, die gegen die Ackergifte Glyphosat, Glufosinat und Isoxaflutol resistent ist, nur ein Kilogramm Glyphosat pro Hektar statt der sonst in der Praxis üblichen vier bis acht Kilogramm ein. Zudem fand bloß eine einmalige Spritzung statt. In den KundInnen-Empfehlungen von BAYER und MONSANTO werden dagegen zwei bis drei Durchgänge vorgeschlagen. Überdies hat der Leverkusener Multi – angeachtet der vielen Hinweise auf Erkrankungen von Tieren nach dem Verzehr von Soja mit Glyphosat-Rückständen – keine Fütterungsstudien unternommen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte die Entscheidung der Europäischen Union deshalb scharf. „In der Öffentlichkeit betont BAYER immer wieder die Ungefährlichkeit von Glyphosat, das die Krebsagentur der WHO als ‚wahrscheinlich krebserregend’ eingestuft hat. Bei seinen Testreihen traute das Unternehmen aber offenbar seinen eigenen Worten nicht und ging auf Nummer Sicher“, hieß es in ihrer Presseerklärung.

Moratorium für BAYERs Gen-Senf
2002 hatte BAYER erstmals versucht, in Indien die Genehmigung zum Anbau des gen-manipulierten Senfs DMH 11 zu erhalten. Aber die zuständige Behörde lehnte den Antrag ab. Die Feldversuche hätten, anders als vom Leverkusener Multi behauptet, keinen Nachweis über Ertragssteigerungen durch die Erbgut-Veränderung erbracht, lautete die Begründung. Mehr als zehn Jahre später starteten der Professor Deepak Pental und sein Team von der „University of Delhi“ einen erneuten Anlauf zur Zulassung der Pflanze, die gegen das vom Leverkusener Multi hergestellte, erbgut-schädigende Pestizid Glufosinat resistent ist. Als „BAYERs Trojanisches Pferd“ bezeichneten Zeitungen Pental daraufhin. Und die Gentechnik-Kritikerin Vandana Shiva verlangte vom indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi in einem Offenen Brief, auf eine Offenlegung aller Vereinbarungen des Genforschers mit BAYER und anderen Konzernen zu dringen. Auch andere AktivistInnen und Gruppen opponierten gegen DMH 11. Nicht zuletzt dieser öffentliche Druck hat das „Genetic Engineering Appraisal Committee“ (GEAC) schließlich dazu bewogen, vorerst kein grünes Licht für den Senf zu geben und stattdessen weitere Forschungsarbeiten anzumahnen.

WASSER, BODEN & LUFT

Spatenstich zur Dhünnaue-Öffnung
Am 11. Oktober 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zwei Klagen gegen die Erweiterung der Autobahn A1 und den Bau einer neuen Rhein-Brücke abgewiesen (Ticker 1/18). Damit machte es dem „Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen“ den Weg frei, im Rahmen der Bau-Maßnahmen BAYERs ehemalige Dhünnaue-Giftmülldeponie wieder zu öffnen. Der Spatenstich zu dem risiko-reichen Manöver erfolgte am 14.12.17 im Beisein des nordrhein-westfälischen Verkehrsministers Hendrik Wüst (CDU). An Ort und Stelle konnte der symbolische Akt allerdings nicht stattfinden, denn da standen schon DemonstrantInnen. Gezwungenermaßen erfolgte er deshalb in einem Zelt. Dieses war allerdings nicht schall-isoliert, weshalb ein Trillerpfeifen-Konzert und ein lauthals skandiertes „Kein Eingriff in die Deponie“ in die Ohren der geladenen Gäste drang und die feierlichen Reden draußen bleiben mussten.

BAYER entsorgt sich selbst
Dem Leverkusener Multi ist das Kunststück gelungen, mit seinem eigenen Müll ein Geschäft zu machen. Seine Tochter-Gesellschaft CURRENTA, an welcher der Konzern 60 Prozent der Anteile hält, sicherte sich nämlich den Auftrag, all das kontaminierte Erdreich zu entsorgen, das seit dem 14.12.17 bei der Öffnung seiner alten Dhünnaue-Deponie anfällt. An diesem Tag nämlich hat der „Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen“ trotz massiver Proteste der LeverkusenerInnen damit begonnen, im Zuge des Baus der neuen Rhein-Brücke und der Erweiterung der Autobahn A1 BAYERs Gift-Grab teilweise wieder auszuheben.

Dhünnaue-Experte warnt
Der Ingenieur, der jahrelang als Projekt-Leiter für die Abdichtung von BAYERs alter Dhünnaue-Deponie verantwortlich war, hat im Leverkusener Anzeiger eindringlich vor den Gefahren der Öffnung des Gift-Grabes im Zuge der Brücken- und Autobahnausbau-Arbeiten (s. o.) gewarnt. „Wenn Sie mich fragen: Sie sollen die Finger davon lassen“, rät der lieber anonym bleiben wollende Mann dem „Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen“. Er fürchtet, der Eingriff könne die hochkomplexe unterirdische Sicherheitsarchitektur aus Trenn- und Drainage-Schichten, Erde und Folien zerstören und die bösen Geister der toxischen Abfälle von Quecksilber über Arsen und Chrom bis hin zu Blei wieder zum Leben erwecken. Schon die Probe-Bohrungen zur Erkundung des Bodens hält der ehemalige Projekt-Leiter der Sanierung für ein riskantes Unternehmen. „Haben sie den Bohrer etwa einfach mit Gewalt durch die Folie hindurchgestoßen?“, fragt er alarmiert. Auch den Plan, die Bohrlöcher lediglich mit Ton-Granulat wieder zu verschließen, lehnt der Experte ab: „Aber einfach nur Ton genügte uns damals nicht als Dicht-Material.“ Aus all diesen Gründen schließt er sich der „Tunnel statt Stelze“-Fraktion an und meint: „Ein langer Tunnel unter dem Rhein wäre ein schönes Leuchtturm-Projekt für die Bau-Branche geworden.“

Kein Notfall-Plan
Die Öffnung von BAYERs alter Dhünnaue-Deponie im Zuge der Arbeiten an der neuen Rheinbrücke und an der Autobahn A1 ist mit vielen Risiken verbunden. Deshalb hat die im Leverkusener Rat vertretene Bürgerliste die Erstellung eines Notfall-Plans eingefordert. Das Stadt-Parlament lehnte dies aber ebenso ab wie die Bezirksregierung Köln. Das Gift-Grab falle nicht unter die Störfall-Verordnung, dekretierte letztere. „Somit ist aus Sicht der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr kein externer Notfallplan erforderlich“, antwortete die Behörde der Bürgerliste. Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung, dass ein solches „Worst Case Scenario“ über den Gerichtsweg kommt, denn die Wählergemeinschaft hat in der Sache Klage bei der Staatsanwaltschaft Köln eingereicht.

RAG untersucht Bergleute auf PCB
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Der Bergbau-Konzern RAG hat jetzt angekündigt, 200 Kumpel der Jahrgänge 1947 bis 1968 auf PCB-induzierte Krankheiten hin untersuchen zu lassen, wiegelte aber im gleichen Atemzug schon ab. Anlass zur Besorgnis wegen aufgetretener Erkrankungen gebe es bisher nicht, erklärte das Unternehmen wider besseren Wissens.

Neue Trinkwasser-Richtlinie der EU
Der Leverkusener Chemie-Multi trägt durch seine Herstellungsprozesse und viele seiner Produkte massiv zur Verschmutzung der Gewässer bei (siehe auch SWB 1/18). Einigen Substanzen droht jetzt die neue Trinkwasser-Richtlinie der Europäischen Union das Leben schwerer zu machen. So sieht der im Winter 2018 vorgelegte Entwurf schärfere Grenzwerte für Blei und Chrom vor. Zudem will Brüssel erstmals Kontrollen für Plastik-Teilchen und hormonell wirksame Stoffe wie BAYERs Industrie-Chemikalie Bisphenol A und den Arznei-Wirkstoff Beta-Estradiol (enthalten in ANGELIQ, einem Mittel gegen Wechseljahres-Beschwerden) vorschreiben. Da kommt also viel Lobby-Arbeit auf den Global Player zu.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Kein Bisphenol-Verbot in der EU
Viele Chemikalien enthalten Wirkstoffe, die in ihrem chemischen Aufbau Hormonen ähneln. Zu diesen endokrinen Disruptoren zählt im BAYER-Sortiment unter anderem Bisphenol A (BPA). Rund eine Millionen Tonnen dieses Stoffes, der z. B. in Lebensmittel-Verpackungen Verwendung findet, stellt der Leverkusener Multi jährlich her. Vom menschlichen Körper aufgenommen, kann das Bisphenol Fehlsteuerungen im Organismus auslösen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen. Die EU hat deshalb bereits die Verwendung in Babyflaschen untersagt. Zudem verkündete Brüssel für 2019 das BPA-Aus in Thermo-Papieren wie etwa Kassenzetteln und erließ schärfere Grenzwerte. Aber nach einer Expertise der Europäischen Chemikalien-Agentur gab es zusätzlichen Handlungsbedarf. Die ECHA stufte das Bisphenol A nämlich als „besonders besorgniserregende Substanz“ ein, die „ernsthafte Gesundheitsauswirkungen“ habe, wobei die Effekt „dauerhaft und irreversibel“ seien. Einige EU-ParlamentarierInnen wie der Grünen-Politiker Martin Häusling forderten deshalb ein Total-Verbot für Anwendungen im Nahrungsmittel-Bereich. Dazu kam es allerdings nicht. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte im Januar 2018 einem Vorschlag der EU-Kommission zu, die eine nochmalige Absenkung der Grenzwerte für Rückstände in Lebensmitteln um den Faktor 12 (von 0,6 Milligramm pro Kilogramm auf 0,05 Milligramm) vorsieht und den BPA-Bann auf Schnabel-Tassen für Kinder erweitert. Dem Extrem-Lobbying von BAYER & Co. in Brüssel ist es offenbar gelungen, das Schlimmste zu verhindern.

Bisphenol-Kombinationswirkungen
Die Gefährlichkeit der Chemikalie Bisphenol A (s. o.) kann sich potenzieren, wenn die Substanz in Kontakt mit anderen Stoffen kommt. Das ergab eine Studie von Pierre Gaudriault und anderen WissenschaftlerInnen, die in der Fach-Zeitschrift Environ Health Perspect erschienen ist. Demnach stört das Bisphenol den Testosteron-Stoffwechsel 10 Mal so stark, wenn es nicht allein, sondern in Kombination mit weiteren Substanzen wie etwa Pharma-Wirkstoffen oder Acker-Giften auftritt.

Neue EU-Richtlinie zum Arbeitsschutz
Die Europäische Union hat ihre „Richtlinie 2004/37/EG“ verändert, die den Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch krebserregende und erbgut-schädigende Stoffe regelt. Elf Substanzen bezog Brüssel zusätzlich in die Direktive ein und legte Belastungslimits für sie fest. Unter anderem handelt es sich dabei um Acrylamid, Hydrazin, Bromethylen und 1,3-Butadien. Für Vinylchlorid-Monomer und Hartholz-Stäube verschärfte die EU überdies die Grenzwerte. Neun Jahre hat es bis zur Verabschiedung der Regelung durch das Europäische Parlament gedauert – nicht zuletzt „dank“ der Interventionen von BAYER und anderen Unternehmen. Aber den LobbyistInnen der Konzerne gelang es nicht nur, den legislativen Prozess immer wieder zu verzögern, sie erreichten auch bedeutende Änderungen. So gelang es ihnen beispielsweise, die Neuaufnahmen zu begrenzen. Ursprünglich standen neben Acrylamid bis zu 49 weitere Stoffe auf der Liste. Die Strategie der Multis: Das Anzweifeln von Studien und der Verweis auf die EU-Maxime der „Better regulation“, die vorsieht, bei allen neuen Initiativen die Auswirkungen auf die Wirtschaft mit zu berücksichtigen. Allerdings könnte sich die Regelungszone der Richtlinie doch noch ausweiten. Es steht nämlich ein EU-Vorschlag zur Aufnahme von sieben weiteren Substanzen zur Diskussion.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Mängel in der Pillen-Produktion
Bei einer Betriebsinspektion von BAYERs Leverkusener Pharma-Anlagen hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA gravierende Mängel festgestellt (siehe auch SWB 2/18), die ein Gesundheitsrisiko für die PatientInnen darstellen. Sowohl die Produktion von ADALAT als auch die von ASPIRIN CARDIO, AVELOX und LEVITRA beanstandeten die PrüferInnen. Von „signifikanten Verstößen gegen die gute Herstellungspraxis (CGMP)“ spricht die „Food and Drug Administration“. Unter anderem hat der Pillen-Riese verschiedene Medikamente in einem Raum gefertigt, ohne die benutzte Ausrüstung und die Arbeitsflächen nach den jeweiligen Durchläufen gründlich zu säubern, was zu Verunreinigungen von Medikamenten führte. Überdies kontrollierte der Multi der FDA zufolge die Stabilität der Zusammensetzung seiner Pharmazeutika nicht ausreichend. Die Mess-Geräte ließen ihrer Ansicht nach viel zu große Schwankungsbreiten zu. Die Apparaturen zur automatisierten Qualitätskontrolle stellte der Global Player ebenfalls so ein, dass sich der Ausschuss in Grenzen hielt. Zudem hat er nicht angemessen auf Probleme mit undichten Medikamenten-Packungen reagiert. „Ihre Firma hat es nicht geschafft, eine ordentlich arbeitende Qualitätskontrolle-Abteilung aufzubauen“, resümiert die FDA in ihrem „Warning Letter“. Nun muss der Pharma-Gigant die Fertigung umfassend neu organisieren, will er den Zugang zum US-Markt nicht verlieren. Ein normaler Betrieb ist in dieser Zeit nicht möglich, weshalb BAYER große finanzielle Einbußen erleidet. Die „Liefer-Ausfälle durch Korrektur-Maßnahmen in der Produktion“, wie der der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann das auf der Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2018 ausdrückte, kosten das Unternehmen rund 300 Millionen Euro.

STANDORT & PRODUKTION

BAYER baut Standort Basel aus
Der Leverkusener Multi baut den Baseler Hauptsitz seiner Sparte „Consumer Health“ aus, in der er die Geschäfte mit den in den Apotheken ohne Rezept erhältlichen Pharmazeutika wie ASPIRIN, BEPANTHEN und ALKA-SELTZER bündelt, aus. 20 Millionen Franken investiert der Konzern am Standort. Zudem kündigte er die Schaffung von 100 Arbeitsplätzen an.

IMPERIUM & WELTMARKT

EU genehmigt MONSANTO-Deal
Am 21. März 2018 hat die Europäische Union BAYERs Antrag auf Übernahme von MONSANTO genehmigt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verurteilte diese Entscheidung auf Schärfste. „Mit ihrem Genehmigungsbescheid hat die EU ohne Not einem Oligopol im Landwirtschaftssektor mit BAYER an der Spitze ihren amtlichen Segen erteilt. Fortan trägt sie Mitverantwortung für die von dem Quartett verantworteten Geschäftspraktiken“, hieß es in ihrer Presseerklärung. Die von Brüssel gemachten Auflagen ändern an der neuen Markt-Macht des Leverkusener Multis kaum etwas. Auch mit den von der Generaldirektion Wettbewerb verlangten Verkäufen von Unternehmensteilen erreicht der Konzern im Pestizid-Bereich noch einen Markt-Anteil von mehr als 20 Prozent und beim konventionellen Saatgut einen Markt-Anteil von ca. 30 Prozent. Beim gen-manipulierten Saatgut beträgt dieser sogar 90 Prozent. Diese dominierende Stellung bedroht die Landwirtschaft, da die LandwirtInnen mit höheren Preisen rechnen müssen und überdies weniger Auswahl haben. Auch die VerbraucherInnen können beim Einkauf nicht mehr zwischen so vielen Sorten wählen, wenn der Leverkusener Multi mit seinem Vorhaben wirklich zum Ziel kommen sollte. Und der Mega-Deal hätte noch weitere Folgen. So sehen sich die Beschäftigten mit Arbeitsplatz-Vernichtungen durch die bei solchen Gelegenheiten immer viel beschworenen Synergie-Effekte konfrontiert. Und schließlich stehen den Standort-Städten im Fall des Falles finanzielle Einbußen ins Haus, denn BAYER pflegt seine Shopping-Touren immer von der Unternehmenssteuer abzusetzen. Bisher haben allerdings noch längst nicht alle Kartell-Behörden ihr Prüf-Ergebnis bekannt gegeben. Nicht zuletzt darum wird die CBG ihre Kampagne gegen das Milliarden-Geschäft mit unverminderter Kraft fortsetzen.

Pharma-Standort Russland
Im Jahr 2011 hat die russische Regierung eine „Pharma 2020“-Strategie entwickelt. Ziel des Programmes ist es, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu verbessern und die Entwicklung einer heimischen Pharma-Industrie voranzubringen. Von diesem Zeitpunkt an konnten die Global Player der Branche ihre Medikamente nur noch in dem Staat vertreiben, wenn sie dort auch selber produzierten und/oder sich vor Ort Partner suchten. Und das machte der Leverkusener Multi dann auch. „Lokale Fertigung ist ein strategischer Schritt vorwärts in der Entwicklung des Unternehmens, der BAYERs Unterstützung der ‚Pharma 2020’-Strategie bekräftigt“, verkündete der Russland-Chef des Konzerns, Niels Hessmann. So ging der Pillen-Riese etwa eine Partnerschaft mit MEDSINTEZ zur Fertigung des Antibiotikums AVELOX ein. Den umstrittenen Gerinnungshemmer XARELTO und seine Röntgenkontrast-Mittel GADOVIST, MAGNEVIST und ULTRAVIST stellt er mittlerweile in Kooperation mit POLYSAN her. Und Krebs-Mittel will die Aktien-Gesellschaft bald ebenfalls in dem Land selber zusammenbrauen.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER verkauft COVESTRO-Aktien
Im Jahr 2015 gab BAYER die Trennung von seinem Kunststoff-Geschäft bekannt. Unter dem Namen COVESTRO brachte er es an die Börse. Seither reduzierte der Konzern seine Anteile an der ehemaligen Unternehmenssparte peu à peu. Der letzte Verkauf fand im Januar 2018 statt. Der Konzern veräußerte in jenem Monat weitere 10,4 Prozent der Papiere und strich dafür 1,8 Milliarden Euro ein. Momentan hält der Agro-Riese selbst noch 14,2 Prozent des COVESTRO-Kapitals und sein Pensionsfonds weitere 8,9 Prozent. Der Global Player will seine Aktien möglichst schnell losschlagen, weil er für die MONSANTO-Übernahme Geld braucht. Täte der Konzern dies nicht, könnte er nur schwer die Kreditwürdigkeit erhalten, weil die Rating-Agenturen seine Bonität herabstufen würden.

BAYSANTO & MONBAYER

Ernte-Ausfälle durch Dicamba
Das Ackergift Dicamba findet in den USA hauptsächlich in Kombination mit Genpflanzen von MONSANTO, BASF und DUPONT Verwendung, die gegen das Mittel resistent sind. Aber auch der Leverkusener Multi setzt auf die Agro-Chemikalie, die in den Vereinigten Staaten jetzt massive Ernte-Schäden verursacht hat. Sie bleibt nämlich nach dem Ausbringen nicht einfach an Ort und Stelle, sondern verflüchtigt sich. Und vom Winde verweht machte die Substanz sich auf die Reise von den gegen das Mittel resistenten Genpflanzen hin zu den konventionellen Ackerfrüchten, die nicht gegen den Stoff gewappnet waren und deshalb eingingen. Auf einer Fläche von 1,25 Millionen Hektar starben Pflanzen durch das Pestizid ab, das die Konzerne in Ermangelung neuer Herbizid-Wirkstoffe in ihren Labors wieder aus der Mottenkiste geholt hatten. Die Bundesstaaten Arkansas und Missouri verhängten deshalb Sprüh-Verbote. MONSANTO zog dagegen sofort – allerdings vergeblich – vor Gericht und landete in der Sache selber auf der Anklagebank: Geschädigte FarmerInnen reichten nämlich eine Sammelklage gegen das Unternehmen ein. Auch gegen BASF und DUPONT leiteten die Bauern und Bäuerinnen juristische Schritte ein.

RECHT & UNBILLIG

IBEROGAST: BAYER verklagt BfArM
Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produkt-Palette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben. So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Arzneien mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Vom Leverkusener Multi verlangte es, diese Nebenwirkung auf dem Beipackzettel zu vermerken. Der Konzern lehnte es aber ab, dieser Aufforderung nachzukommen. Für ihn ist die „hohe Sicherheit“ des Präparates „durch eigene Daten vollständig belegt“. Darum zeigt er sich auch nicht bereit, den Widerspruch zurückzunehmen, den STEIGERWALD vor zehn Jahren gegen die Anordnung eingelegt hatte. Und selbst nach dem Scheitern dieses Widerspruchs zeigt das Unternehmen keine Einsicht. „Das Nutzen/Risiko-Profil zu IBEROGAST bleibt unverändert positiv“, behauptet der Global Player in schon aus unzähligen Hauptversammlungen bekannten Worten – und ließ Taten folgen. Er klagte gegen den Stufenplan-Bescheid des BfArMs zur Änderung der Packungsbeilage. Dabei käme das Präparat auch ohne Schöllkraut aus, worauf unlängst der Pharmakologe Gerd Glaeske mit Verweis zwei Studien (Rösch et al. 2002; Madisch et al. 2004) hinwies. Die Weigerung des Pillen-Riesen, vor den möglichen Leberschäden zu warnen, stieß auf massive Kritik. „Dass der Hersteller BAYER das nicht in seine Packungsbeilage aufnimmt und auf seinem Internet-Auftritt im Zusammenhang mit der Einnahme von IBEROGAST während der Schwangerschaft die angeblich ‚gute Verträglichkeit’ des ‚rein pflanzlichen’ Arzneimittels betont, ist ein Skandal!“, meinte etwa die Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche von Bündnis 90/Die Grünen.

XARELTO-Urteil aufgehoben
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen – im Jahr 2016 gingen allein beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 117 Meldungen über Todesfälle ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Mittlerweile liegen dort 20.500 Klagen vor (Stand: Oktober 2017), und auch in Kanada bahnen sich juristische Auseinandersetzungen an. Nachdem der Leverkusener Multi die ersten vier Prozesse für sich entscheiden konnte, verlor er im Dezember 2017 den fünften. Der „Philadelphia State Court“ gab einer Frau recht, die reklamierte, durch XARELTO schwerwiegende Blutungen erlitten zu haben, und verurteilte den Pharma-Riesen zu einer Strafzahlung in Höhe von 28 Millionen Dollar. Der Konzern ging allerdings in Berufung und konnte sich durchsetzen: Im Januar 2018 hob ein Richter das Urteil wieder auf.

Patent-Streit mit DOW
Bereits seit Langem tobt zwischen dem Leverkusener Multi und DOW CHEMICAL ein Rechtsstreit um bestimmte Gentechnik-Patente. Im Jahr 1992 hatte eine inzwischen vom US-Unternehmen geschluckte Firma vom bundesdeutschen Konzern das Recht erworben, Pflanzen mit Resistenz-Genen gegen das BAYER-Pestizid Glufosinat bestücken zu dürfen. 2007 dann stellte DOW der Firma MS Technologies Sublizenzen zur Nutzung der fünf Patente aus. 2012 ging BAYER dagegen gerichtlich vor und kündigte die Vereinbarung mit der US-amerikanischen Aktien-Gesellschaft. Der bundesdeutsche Agro-Riese brachte den Fall vor das Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer (ICC) und bekam 455 Millionen Dollar zugesprochen. DOW CHEMICAL focht das Urteil vor heimischen Gerichten an, scheiterte aber bisher schon dreimal. Zuletzt lehnte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, der U.S. Supreme Court, die Klage des Agro-Riesen ab.

Patent-Streit mit TEVA
Der Leverkusener Multi gehen routinemäßig gegen Pharma-Hersteller vor, die nach Ablauf der Patent-Frist von BAYER-Pillen erschwinglichere Nachahmer-Produkte auf den Markt bringen wollen. So hofft der Konzern sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe halten zu können. Deshalb leitete er auch gegen das Unternehmen TEVA, das eine Generika-Version von STAXYN – der Schmelztabletten-Form der Potenz-Pille LEVITRA – vorbereitet, juristische Schritte wegen Verletzung des geistigen Eigentums ein. Der TEVA-Anwalt William Jay bezeichnete dieses Vorgehen als den „Standard-Versuch eines Pharmazeutika-Herstellers, um die Patentlaufzeit eines profitablen Marken-Produkts zu verlängern“. Die RichterInnen sahen das offenbar ähnlich: Sie wiesen die Klage des bundesdeutschen Global Players ab.

Kritik an STIVARGA-Patent
Erhalten die Konzerne für neue Pharmazeutika ein Patent, so garantiert ihnen das eine Monopol-Stellung und entsprechende Extra-Profite. Andere Firmen dürfen so lange nicht mit dem entsprechenden Wirkstoff experimentieren, bis die Schutzrechte abgelaufen sind. Das behindert den wissenschaftlichen Fortschritt immens. Genau das kritisierte jetzt Dr. David Tran von dem Biotech-Startup FUSTIBAL. Die Firma arbeitet an der Weiterentwicklung gängiger Krebs-Mittel etwa durch die Nano-Technologie und hätte das gerne auch mit BAYERs STIVARGA getan. Aber zu diesem Präparat bleibt der Firma der Zugang versperrt. BAYER kann auf dessen Wirk-Substanz Regorafenib nämlich noch geistiges Eigentum reklamieren, obwohl diese nur ein einziges kleines Fluor-Atom von dem Inhaltsstoff NEXAVARs – dem anderen Tumor-Therapeutikum des Leverkusener Multis – unterscheidet. „Wir glauben, dass das in Rede stehende Patent ungültig ist und den Forschungsgeist behindert“, sagt Tran. Deshalb beantragte er beim „Patent Trial and Appeal Board“ (PTAB) eine Überprüfung des Anspruchs. Dieses Begehr hat das Gremium jedoch abgelehnt.

[Schmutzige Pillen] BAYERs dunkle Wirkstoff-Quellen

CBG Redaktion

Was der Bekleidungsindustrie Bangladesh ist, verkörpert das indische Hyderabad für die Pillen-Riesen. Hunderte Fabriken produzieren dort Wirkstoffe für BAYER & Co. Die Stadt im Bundesstaat Telangana nimmt einen bedeutenden Platz in der globalen Lieferkette der Konzerne ein. Zu ihren vielen Standort-Vorteilen zählen niedrige Kosten und geringe Umweltschutz-Auflagen, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. Aber auch andere Regionen in Asien bieten „Big Pharma“ solche attraktiven Kapitalverwertungsmöglichkeiten – mit ähnlichen Risiken und Nebenwirkungen.

Von Jan Pehrke

„Maximale Förderung – minimale Kontrolle“ – mit diesem Slogan wirbt die indische Stadt Hyderabad um Industrie-Ansiedlungen. Besonders Pharma-Betrieben erscheint das attraktiv. Mehr als 500 Unternehmen zählt das Branchen-Verzeichnis der Millionen-Metropole. Von dem „am schnellsten wachsenden Gesundheitssektor in ganz Indien“ spricht das von der deutschen Bundesregierung finanzierte Web-Portal Kooperation international begeistert.(1) Ein Drittel der Medikamenten-Produktion des Staates stammt aus Hyderabad. Bei den Arznei-Exporten beträgt der Anteil rund 20 Prozent. Im Jahr 2014 machten die Firmen allein damit einen Umsatz von 15 Milliarden Dollar. Ein zweites Zentrum der indischen Wirkstoff-Fertigung befindet sich in Visakhapatnam, das direkt am Golf von Bengalen liegt.

Wie alles anfing

Der Boom setzte mit dem vorerst letzten Globalisierungsschub ein, den 1994 die Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) einläutete. Wer dem Club angehören wollte, musste vorher das internationale Patentschutz-Abkommen TRIPS anerkennen – dafür hatten vor allem die Lobby-Aktivitäten des US-amerikanischen Pillen-Riesen PFIZER gesorgt. Indien wollte, und so hatte die stärkere Integration des südasiatischen Landes in den Weltmarkt dann auch gleich massive Auswirkungen auf die heimische Arznei-Industrie. Die Unternehmen konnten fortan nicht mehr einfach den Schutz des geistigen Eigentums umgehen, indem sie Pharmazeutika aus den Industrieländern kopierten und billiger weiterverkauften. Deshalb blieb der Pillen-Industrie des Landes nichts anderes übrig, als ihr Geschäftsmodell zu ändern.
Und dabei spielte BAYER eine bedeutende Rolle. Als erster großer Pharmazeutika-Produzent schloss der Konzern 1999 mit einem indischen Unternehmen einen Vertrag ab. RANBAXY schaffte es, das Interesse des Leverkusener Multis für dessen eigenen – und wegen seiner zahlreichen Nebenwirkungen alles andere als unumstrittenen – Antibiotikum-Inhaltsstoff Ciprofloxacin in einer neuen Formulierung zu wecken. Ein Ciprofloxacin, von dem die PatientInnen nur einmal täglich eine Tablette zu nehmen brauchten – das war dem bundesdeutschen Konzern viel Geld wert. Für die weltweiten Vermarktungsrechte über einen Zeitraum von 20 Jahren zahlte er RANBAXY 65 Millionen Dollar. Und im selben Jahr kaufte das indische Unternehmen seinem neuen Partner auch die BASICS GmbH, eine Tochter-Gesellschaft für Nachahmer-Produkte, sogenannte Generika, ab, um einen Brückenkopf nach Europa zu haben.
Allerdings gelang der inzwischen von SUN PHARMACEUTICAL geschluckten Firma ein solcher Coup wie mit Ciprofloxacin seither nicht mehr. Darum muss sie sich weitgehend auf die Funktion des Zulieferers für Pharma-Unternehmen aus den Industrie-Ländern beschränken. Unter anderem stellt RANBAXY/SUN Wirkstoffe für Anbieter von Nachahmer-Präparaten wie HEXAL und RATIOPHARM her. Und diesen „bulk drugs“-Markt bedienen auch AUROBINDO, LUPIN, CIPLA und weitere indische Konzerne, wobei sie die Basis-Substanzen für ihre Produkte zumeist aus China beziehen. Mittlerweile ist ein Fünftel der Generika-Weltproduktion „Made in India“ mit Hyderabad – dem „bulk drugs capital“ – als Zentrum. Zusammen mit dem Reich der Mitte nimmt das Land nunmehr eine bedeutende Position in der globalen Lieferkette von BAYER & Co. ein. Die beiden Staaten verkörpern für die Pharma-Industrie das, was Bangladesh für die Kleider-Branche ist.
Diese Entwicklung ist Teil eines umfassenden Umstruktierungsprozesses der Pillen-Branche. Den Konzernen gelingt es seit einiger Zeit immer weniger, wirklich neue Arzneien zu entwickeln, die qua Patentschutz Extra-Profite generieren. Sie reagieren darauf mit Rationalisierungsmaßnahmen. So verkleinerten BAYER und die anderen Firmen etwa ihre Forschungsabteilungen. Sie suchen stattdessen mehr die Zusammenarbeit mit Universitäten und/oder kaufen Lizenzen für aussichtsreiche Medikamenten-Kandidaten von außen zu. Eigene Labor-Aktivitäten betreiben die Unternehmen oft nur noch auf Gebieten wie der Onkologie, die große Gewinne versprechen. Zugleich zentralisieren sie die Herstellungsprozesse für ihre Allerweltsmittel stärker oder geben die Fertigung gleich ganz auf und beziehen die Wirksubstanzen sowie Hilfs- und Trägerstoffe aus Staaten, die mit günstigen Konditionen locken wie Indien und China.

Risiken & Nebenwirkungen

Der Preis für die geringen Arbeits- und Produktionskosten ist allerdings hoch. Ihn müssen Mensch, Tier und Umwelt gleichermaßen zahlen. Die Fabriken stoßen nämlich ohne Rücksicht auf Verluste belastende Stoffe aus. Auf manchen Flüssen türmen sich weiße Schäume bis zu einer Höhe von neun Metern auf. Manchmal verschwinden ganze Brücken in ihnen. Das nimmt den AutofahrerInnen die Orientierung und hat schon zu fatalen Unfällen geführt. Die Behörden mussten deshalb bereits Neubauten in Auftrag geben, welche die alten Konstruktionen um mehr als zehn Meter überragen. Andere Emissionen aus den Fabriken verfärben das Wasser gelb, rot oder braun. Und am Grund mancher Seen setzt sich tiefschwarzes, teeriges Sediment ab, das über 60 Meter tief reicht. Aber nicht nur fürs Auge bietet Hyderabad etwas, auch die Nase bekommt viele Sinnes-Eindrücke: ein bestialischer Gestank breitet sich rund um die Hot Spots der Pharma-Produktion aus.
Eine Abwasser-Aufbereitung kennen die meisten Firmen in Hyderabad oder Visakhapatnam nicht. Sie leiten die Fertigungsrückstände direkt in die Gullys, Flüsse, Seen oder Meere ein. In Visakhapatnam, das im Bundesstaat Andhra Pradesh liegt, verlaufen underirdische Pipelines direkt von der „Jawaharlal Nehru Pharma City“ zum Golf von Bengalen. Zudem verklappen die Unternehmen ganze Tankladungen ihrer Hinterlassenschaften in einem nahegelegenen See. Im Hyderabader Industrie-Destrikt Patancheru-Bollaram dagegen haben die Betriebe auf ihrem Areal oft Löcher von bis zu 30 Meter Tiefe gebohrt, um dort ihren Produktionsabfall zu entsorgen. Und wenn die Unternehmen die Herstellungsreste tatsächlich zur Behandlung und Entsorgung außer Haus geben, dann erweisen sich die Betriebe, die solche Dienstleistungen anbieten, oft selber nicht etwa als Teil der Lösung, sondern des Problems, weil sie dem Sondermüll mit unzureichenden Verfahren zu Leibe rücken.
Schwedische WissenschaftlerInnen, welche Untersuchungen in Patancheru-Bollaram vornahmen, stellten schon 2007 fest: „Die Abwässer der Arznei-Produzenten enthalten einen extrem hohen Level an Pharma-Rückständen.“(2) Als besonders gesundheitsgefährdend erweisen sich dabei die Antibiotika-Reste. Durch die hohen Dosen von Ciprofloxacin & Co. gewöhnen sich die Krankheitserreger nämlich an die Substanzen und bilden Resistenzen heraus. Und dazu kam es an diesem Standort häufig, wie das ForscherInnen-Team 2014 nachwies. In einem See unweit des Pillen-Clusters stieß es auf 81 Gen-Typen von Bakterien, gegen die kein einziges Antibiotikum-Kraut mehr gewachsen war. Sie tummelten sich dort in einer Konzentration, welche diejenige in einem schwedischen See, der als Vergleichsmaßstab diente, um das 7.000-Fache überstieg.
2013 starben in Indien 58.000 Babys, weil sie mit solchen unbehandelbaren Krankheitserregern infiziert waren. Die übrigen Frachten mit Arzneien oder anderen Stoffen haben ebenfalls massive gesundheitliche Folgen. Sie schädigen das Kind im Mutterleib, führen zu Todgeburten und Entwicklungsstörungen, lösen Herz- und Blut-Krankheiten aus, verursachen Augen- und Haut-Probleme und schädigen den Magen.
Tiere leiden nicht minder unter den Abwasser-Einleitungen. Fische finden sich in den Gewässern kaum noch, und den LandwirtInnen stirbt das Vieh weg. Ein Farmer, dessen Büffel in der Nähe von Patancheru grasen und den Isnapur-See als Tränke nutzen, klagte gegenüber dem ForscherInnen-Team von „Changing Markets and Ecostorm“, jedes Jahr die Hälfte seiner Herde zu verlieren (3). Und an einem See bei Kazipally stießen Beobachter auf Büffel, denen die Haut in Fetzen vom Leib hing. Zudem produzieren die Rinder viel weniger und obendrein schlechtere Milch als ihre Artgenossen fernab des Medikamenten-Mülls. Auch Kühe bekommen die Emissionen der Fabriken zu spüren. „Wenn unsere Kühe diese Chemikalien aufnehmen, die über das Wasser auf unsere Weiden gelangen, geben sie statt zehn Litern Milch nur noch zwei. Und das schon nach 15 bis 30 Tagen“, so der Umweltschützer Anil Dayakar.(4) Die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen die Substanzen ebenfalls. So erleiden Ziegen, die in der Nähe der Fertigungsstätten weiden und die Produktionsrückstände über das Gras aufnehmen, häufig Fehlgeburten. Überdies nimmt die Ertragskraft der Böden ab, was die Existenzgrundlage der Bauern und Bäuerinnen bedroht. Der Reis der Region nimmt beispielsweise oft eine dunklere Farbe an und verdirbt schneller; darüber hinaus sind die einzelnen Körner nur sehr klein.

Viele Qualitätsmängel

Aber nicht nur das, was von den Fabriken nach außen dringt, stellt eine Bedrohung dar, auch das, was innen drin geschieht, gibt Anlass zur Besorgnis. Immer wieder nämlich fallen die indischen und chinesischen Fertigungsstätten durch fehlerhafte Produkte sowie die Verletzung von staatlichen Vorschriften auf. Während jedoch sowohl den Pharma-Riesen als auch den Gesundheitseinrichtungen ihrer Heimatländer völlig egal ist, was bei den ausländischen Zuliefer-Betrieben alles an Unschönen hinten rauskommt, interessiert sie schon mehr, was vorne passiert. Die Folgen irregulärer Produktionsabläufe bekommen nämlich hauptsächlich die PatientInnen in den westlichen Staaten zu spüren. Deshalb nehmen KontrolleurInnen dieser Nationen das Innenleben der Pillen-Schmieden regelmäßig unter die Lupe. Und dabei decken sie nur allzuoft Missstände auf. So hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA allein im zweiten Halbjahr 2015 bei Inspektionen in den Werken von DR. REDDY’S, SUN PHARMA, ZYDUS CADILA, WOCKHARDT und IPCA LAB gravierende Mängel festgestellt. Der Ernst der Lage hat die „Food and Drug Administration“ 2008 sogar dazu bewogen, eine eigene Zweigstelle in New Delhi aufzumachen, um die Unternehmen, von denen die Pillen-Riesen der Vereinigten Staaten zahlreiche Wirkstoffe oder Arznei-Zwischenprodukte beziehen, besser im Blick zu haben. Das indische FDA-Pendant CDSCO wartete im März 2017 mit einem noch alarmierenderen Befund auf: 60 Medikamenten attestierte sie in diesem Monat einen „Substandard“.
Der Griff zu pharmakologischen Alternativen ist dabei oft nicht mehr möglich. Die neuen Entwicklungen haben nämlich nicht nur zu einer Verlagerung der Fertigung von pharmazeutischer Massenware nach Asien geführt, sondern gleichzeitig auch noch für eine neue Übersichtlichkeit unter den Herstellern gesorgt. Für das Segment der Antibiotika belegt dies eine Studie des Instituts IGES. (5) Es hat die Entwicklung in dem Zeitraum von 2005 bis 2015 untersucht und gravierende Veränderungen festgestellt. „Auf Einzelwirkstoff-Ebene hat die Anbieter-Konzentration deutlich zugenommen, die Anbieter-Zahlen sind rückläufig. Auch für die fünf verbrauchsstärksten Antibiotika zeigt sich eine hohe Anbieter-Konzentration“, schreiben die WissenschaftlerInnen. Besonders beängstigend: Im Jahr 2015 gab es schon 23 Antibiotika-Wirkstoffe, die nur noch ein einziger Konzern produziert oder produzieren lässt. Und wenn da mal die Räder stillstehen, weil Anlagen ausfallen oder die Behörden die Unternehmen zu einem Rückruf von „Substandard“-Präparaten veranlassen, droht den Gesundheitssystemen der halben Welt Ungemach. Diese Gefahr steigt gleichfalls bei den Medikamenten, die BAYER & Co noch selber fertigen, haben die Multis im Zuge von Effizienz-Maßnahmen doch oft die Fertigungsstätten drastisch reduziert.
So hat sich in den USA dann auch die Zahl der zeitweise nicht erhältlichen Medikamente bereits von 2006 bis 2010 auf über 200 verdreifacht. Mittlerweile ist die Situation noch bedrohlicher geworden. Nach Angaben des „Bundesverbandes deutscher Krankenhaus-Apotheker“ fehlten allein im Februar 2017 280 Wirkstoffe, darunter 30 für die Therapie schwerwiegender Krankheiten eigentlich unverzichtbare Mittel. Zwar haben die Engpässe manchmal durchaus andere Gründe – nicht wenige Hersteller oder Großhändler bedienen beispielsweise gerne nur die Länder, in denen hohe Pillen-Preise locken –, aber die Veränderungsprozesse innerhalb der Pharma-Industrie haben doch einen Hauptanteil an diesem Dilemma. „Es handelt sich um ein grundsätzliches Problem eines globalisierten Rohstoff-Marktes, in dem Hersteller ihre Produktionskosten zu optimieren versuchen“, konstatiert Matthias Mohrmann von der AOK Rheinland.(6)

BAYER immer mit dabei

Die Veränderungsprozesse bei den Rohstoffen und anderen Bestandteilen des Pharma-Geschäftes hat der Leverkusener Multi alle mitvollzogen – ohne Rücksicht auf Verluste. So reduzierte er wie die Konkurrenz sein Arznei-Angebot und seine eigenen Forschungsaktivitäten. Stattdessen setzte der Konzern verstärkt auf Kooperationen mit Universitäten und kaufte verheißungsvoll erscheinende Medikamenten-Entwicklungen von außen zu. Auch suchte das Unternehmen – nicht zuletzt als Reaktion auf stärkere Bestrebungen vieler Aufsichtsbehörden, die Pharma-Preise zu regulieren – nach Rationalisierungsmöglichkeiten im Bereich der Fertigung. Es konzentrierte die Herstellung einzelner Wirkstoffe stärker auf bestimmte Standorte und stieß die Produktion vieler Substanzen ab.
Umso wichtiger wurde das „Supply Chain Management“. Das Aufgabenfeld in diesem Bereich beschreibt BAYER seinen künftigen Angestellten so: „Sie steuern unter anderem Logistik-Prozesse an einem Standort, sind verantwortlich für eine komplette Lieferkette und koordinieren global die Bedarfs- und Produktionsplanung eines Wirkstoffs oder Produkts. Auf diese Weise arbeiten Sie an der kontinuierlichen Verbesserung von Kosten, Flexibilität und Liefer-Zuverlässigkeit“.(7)
In Indien und China haben die „Supply Chain“-ManagerInnen da viel zu tun. 3.785 bzw. 3.432 Lieferanten aus diesen Ländern zählt der neueste Geschäftsbericht auf. Einen Wert von 2,4 Milliarden Euro hatten die Einkäufe insgesamt. Und der Anteil der Pharma-Sektion daran dürfte kein ganz geringer sein. Ganz genau lässt sich das nicht bestimmen, denn die Konzerne halten sich da bedeckt. Sie sehen ein „Made in India“ oder „Made in China“ nämlich nicht so gern auf ihren Medikamenten-Packungen. Umgekehrt werben die Firmen aus diesen Staaten hingegen gern mit ihren „Big Pharma“-Kunden, weshalb doch so einige einige Informationen nach außen dringen. So wertet der jetzige RANBAXY-Besitzer SUN den Ciprofloxacin-Deal mit BAYER immer noch als „Meilenstein“ der Unternehmensgeschichte.
Die profane Produktion des Wirkstoffes lastet aber wie ein Mühlstein auf Mensch, Tier und Umwelt in Indien. Heute, lange Jahre nach dem Auslaufen des BAYER-Patents, stellt längst nicht mehr nur RANBAXY/SUN die Substanz her. Sie findet sich dank der hohen Nachfrage vieler westlicher Konzerne im Angebot zahlreicher Firmen aus Hyderabad – und dementsprechend häufig in den Flüssen und Seen. Schwedische WissenschaftlerInnen stießen in den Abwässern des Entsorgungsunternehmens in Patancheru, das die Pharma-Rückstände der Firmen eigentlich so gut es geht neutralisieren sollte, auf eine Ciprofloxacin-Konzentration von bis zu 31.000 Mikrogramm pro Liter. Diesen Wert erreichten die anderen Antibiotika nicht einmal annähernd. Losartan kam „nur“ auf 2.400 bis 2.500 Mikrogramm und Enrofloxacin, unter anderem Wirkstoff von BAYERs Veterinär-Antibiotikum BAYTRIL, „bloß“ auf 780 bis 900 Mikrogramm. 45 Kilogramm Ciprofloxacin emittiert die „Patancheru Commun Effluent Treatment Plant“ binnen 24 Stunden. Das würde reichen, um ganz Schweden mit seinen neun Millionen EinwohnerInnen über fünf Tag hinweg mit dem Pharmazeutikum zu versorgen, rechneten die ForscherInnen vor.(8) Sie kritisieren deshalb die unzureichenden Verfahren zur Behandlung des pharmazeutischen Sondermülls und warnen: „Die hohen Konzentrationen einiger Breitband-Antibiotika lassen Resistenz-Bildungen befürchten. Die Konzentration der am häufigsten nachgewiesenen Substanz, Ciprofloxacin (...), überschreitet die für einige Bakterien letale Dosis um das 1000-Fache.“
Aber die „Supply Chain“-ManagerInnen des Leverkusener Multis können bei ihrer „Bedarfs- und Produktionsplanung“ nicht nur in Sachen „Ciprofloxacin“ und Enrofloxacin auf Lieferanten aus Hyderabad und anderen Regionen Indiens zurückgreifen. Andere Wirkstoffe von BAYER-Medikamenten wie zum Beispiel Aspirin, Moxifloxacin, Nifedipin, Vardenafil und Naproxen bieten die dortigen Unternehmen ebenfalls an.
Darüber hinaus ist der bundesdeutsche Pharma-Riese in dem südasiatischen Staat auch selbst vor Ort. Im Jahr 2011 gründete er mit dem indischen Unternehmen ZYDUS CADILA ein Joint Venture, um „die Präsenz in Schwellenländern weiter auszubauen“. Nicht zuletzt hatte ZYDUS’ „herausragendes Netzwerk von Distributoren und anderen Branchen-Partnern“ es dem Konzern angetan.(9) Und auf das dürfte BAYER ZYDUS PHARMA bei der Organisation der Lieferkette für die Fertigung seiner Medikamente, deren Spektrum von ALASPAN, ANGIOGRAFIN und BAYCIP über GLUCOBAY und NEXAVAR bis hin zu XARELTO, YASMIN und YAZ reicht, bevorzugt zurückgreifen. Dementsprechend sieht es mit der Qualität aus. Sowohl die FDA als auch die in New Delhi ansässige Medikamenten-Aufsicht CDSCO beanstandeten schon Produktionsprozesse bei ZYDUS CADILA.
In China unterhält der Leverkusener Multi ebenfalls Pharma-Fabriken. Seit der Übernahme von DIHON tummelt er sich sogar auf dem Markt der traditionellen chinesischen Medizin. Und die einzelnen Glieder seiner Lieferkette fädelt er wohl auch kaum woanders auf, denn: „Um adäquat auf die Anforderungen unserer Standorte reagieren zu können und die regionale Wirtschaft zu stärken, kauft BAYER nach Möglichkeit lokal ein.“(10)
Unter anderem tut der Konzern das bei SINOPHARM, dem größten Arzneistoff-Produzenten im Reich der Mitte. Das staatlich kontrollierte Unternehmen hält sich viel darauf zugute, BAYER nach der Firmen-Gründung 2006 als einen seiner ersten Kunden gewonnen zu haben und rühmt sich einer „umfangreichen und tiefen Kooperation mit dem Unternehmen“. Im Jahr 2013 statteten „Supply Chain“-ManagerInnen des Leverkusener Multis dem Geschäftspartner sogar einen Hausbesuch ab. Laut SINOPHARM stand dabei unter anderem ein Gespräch über „die Funktion der Lieferketten in der Entwicklung der Pillen-Industrie und darüber, wie jene zu optimieren sind“ auf dem Programm.(11)
Über Optimierungsbedarf ganz anderer Art redeten die Firmen-VertreterInnen bei ihrem Treffen sicherlich nicht. Der chinesische Multi hat nämlich mit seinen zwei Produktionsanlagen in Datong nicht unwesentlich dazu beigetragen, die Stadt in Sachen „Umweltverschmutzung“ führend im ganzen Land zu machen. So leitete er 30.000 Tonnen mit Pharma-Rückständen belasteten Schwarzschlamm und antibiotika-haltige Abwässer in Flüsse der Umgebung ein. Unter anderem deshalb forderten die lokalen Behörden 2010 von SINOPHARM, den Standort aufzugeben und sich woanders anzusiedeln – geschehen ist bisher jedoch nichts.
Und schließlich haben die ganzen Umstrukturierungen in der Branche mit den neu aufgefädelten Gliedern der Lieferketten und den Konzentrationsprozessen in der Produktion auch bei BAYER-Medikamenten immer häufiger zu Versorgungsengpässen geführt. Lieferschwierigkeiten gab es in letzter Zeit bei ADALAT, ADVATAN, ALKA-SELTZER, ASPIRIN i. V. 500 mg, BEPANTHEN, LAIF, RESOCHIN und XOFIGO. Auf der Suche nach den Gründen dafür weist die Spur allerdings nur bei ADALAT und RESOCHIN nach Indien. Den ADALAT-Wirkstoff Nifedipin bezog der Pillen-Riese nämlich von dem isländischen Unternehmen ALVOGEN, das über beste Geschäftsbeziehungen zu Zulieferern aus diesem Land verfügt. Darum spricht einiges dafür, dass es in einer der dortigen Pharma-Küchen zu einer Verwechslung der Zutaten für die Zubereitung von Medikamenten des Leverkusener Multis kam und versehentlich etwas Sorafenib (der Wirkstoff von BAYERs NEXAVAR) in den Nifedipin-Topf geriet, was schließlich einen Rückruf unausweichlich machte.
Bei RESOCHIN könnte es ebenfalls ein indisches Glied in der Lieferkette gegeben haben, das sich verhakt hat. Die Malaria-Arznei mit dem Wirkstoff Chloroquin-Phospat findet sich nämlich in der Produkt-Palette von BAYER ZYDUS PHARMA. Zudem beklagte mit RISING PHARMACEUTICAL auch ein Konzern in den fernen USA Probleme bei der Bereitstellung von Chloroquin-Phosphat, was auf spärliche Quellen für den Stoff und damit auf Hyderabad oder andere „bulk drugs capitals“ in Asien verweist.
Die Menschen in diesen „bulk drugs capitals“ leiden immens unter den Folgen der Globalisierung des Arznei-Marktes und kritisieren das Treiben von BAYER & Co. deshalb massiv. „Ausländische Unternehmen beuten clever indische Ressourcen aus und verschmutzen Wasser und Böden, während sie ihre eigenen Länder sauber und sicher halten“, konstatiert etwa der Richter M. C. Mehta.(12) Der Sozialwissenschaftler Vijay Gudavarthy pflichtet ihm bei. Nach Meinung des Forschers hat die Integration des Staates in die Lieferketten von Big Pharma „signifikante Kosten für die Bevölkerung verursacht, sowohl in Hinsicht auf ihren Besitz und ihre Gesundheit als auch in Hinsicht auf die natürlichen Ressourcen und die Umwelt“.(13) Und es bleibt nicht bei Worten: Die InderInnen gehen mehr und mehr auf die Straße. In Hyderabad etwa zogen sie vor das Gebäude der lokalen Umweltbehörde und hielten dabei Flaschen mit dem kontaminierten braunen Wasser hoch, das bei ihnen zuhause aus den Leitungen kommt. „Die Menschen hier demonstrieren gegen die lokale Pharma-Industrie. Sie verschmutzt das Wasser und die Luft. Wir Anwohner fordern, dass die Regierung etwas gegen die Chemie-Industrie unternimmt“, sagte ein Protestler dem Reporter von Deutschlandfunk Kultur.(14) Zudem haben AktivistInnen bereits zahllose Prozesse angestrengt, aber das Gesetz stand bislang immer auf Seiten der Konzerne.
Die Risiken und Nebenwirkungen des neuen Akkumulationsregimes der Pharma-Industrie bleiben dabei nicht auf Indien und China beschränkt. Zumindest die Gefahren der ohne Rücksicht auf Verluste vorangetriebenen Produktion von Antibiotika-Wirkstoffen für den Weltmarkt machen auch vor den westlichen Industrie-Ländern nicht Halt. Unter anderem durch TouristInnen finden die Keime ihren Weg in die Erste Welt. Von einer „Globalisierung der Erreger“ spricht der Leipziger Infektionsforscher Christoph Lübbert in diesem Zusammenhang.(15)
Tim Eckmanns vom Berliner Robert-Koch-Institut macht den Konzernen deshalb schwere Vorwürfe. Sie torpedierten die Bemühungen der MedizinerInnen, den zunehmenden Resistenz-Bildungen gegen Antibiotika Herr zu werden, weil sie „möglichst billig produzieren“ wollten, so Eckmanns: „Es ist schockierend, dass die Pharma-Industrie diese lebensrettenden Anstrengungen unterläuft.“(16)

Lippenbekenntnisse

Natasha Hurley von „Changing Markets“ fordert Maßnahmen von BAYER & Co. Die Pharma-Riesen „sollten Firmen, die die Umwelt verschmutzen, auf die schwarze Liste setzen“, meint die Aktivistin.(17) Eigentlich sind die Konzerne sogar dazu gezwungen, entsprechende Aktivitäten zu entfalten, denn die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen verpflichten sie eindeutig dazu. Dem Kodex der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“, der 35 große Industrie-Staaten angehören, unterliegen nämlich nicht nur für die eigenen Produktionsstätten der Firmen, sondern auch ihre Zulieferer. So heißt es im 17. Leitsatz: „Die Aktivitäten der Unternehmen, bei denen es zu verhindern gilt, dass sie in Angelegenheiten, die unter die Leitsätze fallen, negative Auswirkungen verursachen oder verstärken, umfassen auch ihre Aktivitäten im Rahmen der Zuliefer-Kette.“(18) Und explizit müssen die Gesellschaften den OECD-Richtlinien zufolge „auf der Ebene des jeweiligen Unternehmens und gegebenenfalls seiner Zuliefer-Kette ständig um eine Verbesserung ihrer Umwelt-Ergebnisse bemüht sein“.
Pro forma bekennt sich der Leverkusener Multi auch dazu. „Für BAYER ist die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards in der Lieferkette ein elementarer Wertschöpfungsfaktor und wichtiger Hebel zur Risiko-Minimierung“, heißt es im Geschäftsbericht für das Jahr 2016. Allerdings sprechen die vom Konzern in anderen Zusammenhängen immer wieder gern beschworenen Fakten eine andere Sprache.
Da gibt sich der vom Pillen-Riesen selbst gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) schon ein wenig selbstkritischer. „Defizite seien möglich“, räumt Rolf Hömke aus der VFA-Pressestelle im Hinblick auf die Situation in Indien und China ein.(19) Er gelobt aber Besserung und verweist dabei auf eine Reihe von Initiativen, welche die Industrie gestartet hat. Auf ihrer Homepage nennt die Lobby-Organisation dabei namentlich die „Industry Roadmap for Progress on Combating Antimicrobial Resistance“. Darin geloben die Unternehmen dem VFA zufolge, ihre Lieferketten zu kontrollieren und gegebenenfalls „das Abfall- und Abwasser-Management zu verbessern“.(20) NOVARTIS, SANOFI, PFIZER, ASTRAZENECA und neun andere Firmen haben die entsprechende Erklärung im September 2016 unterschrieben – der Name BAYERs fehlt allerdings auf der Liste. Lediglich der „Pharmaceutical Supply Chain Initiative“ gehört der Leverkusener Multi an.
Allerdings wäre es mehr als naiv, in dieser Sache auf die Problemlösungskompetenz der Pharma-Riesen zu vertrauen. Ihre Selbstverpflichtungserklärungen dienen in der Regel nur dazu, verbindlichen Auflagen vorzubeugen. Aber genau dazu muss es kommen. Es gilt, BAYER & Co. zu einer rückhaltlosen Aufklärung über ihre Lieferketten zu zwingen. Zudem sollten die Unternehmen nach Ansicht der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Pflicht haben, die Herkunft der Wirkstoffe auf den Medikamenten-Packungen zu vermerken, ganz so wie es H&M und die anderen Bekleidungsfirmen auf den Etiketten ihrer Ware auch tun. Darüber hinaus hält es die CBG für unabdingbar, die international geltenden Qualitätsnormen, die Hersteller bei der Fertigung von Medikamenten zu beachten haben, zu erweitern und um Regeln für eine umweltgerechte Produktionspraxis zu erweitern. Schließlich ist eine bessere Kontrolle der Vorschriften nötig. Und nicht zuletzt darf ein Verstoß gegen die Richtlinien nicht ohne ernsthafte Konsequenzen bleiben. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ muss den Konzernen die Lizenz für die Vermarktung bestimmter Arzneien entziehen, wenn die Fabrikation von deren Wirkstoffen Mensch, Tier und Umwelt gefährdet. Für solche Maßnahmen treten nicht zuletzt die BewohnerInnen von Hyderabad an. So appellierte etwa der Arzt Kishan Rao an den Westen: „Lassen Sie uns nicht im Stich. Stoppen Sie den Bezug von Medikamenten aus dieser Gegend. Sie kaufen hier, um Ihr Leben zu retten, auf Kosten anderer. Ist es denn ein Verbrechen, Bewohner dieser Gegend zu sein?“(21)
Seine Worte verdienen umso mehr Beachtung, als sich die Zustände noch zu verschlimmern drohen. Der indische Staat will nämlich unabhängiger von den Importen pharmazeutischer Vorprodukte aus China werden und mehr Glieder der globalen Wertschöpfungskette im Land selber ansiedeln. Deshalb schiebt er neue Projekte für Industrie-„Parks“ an. So pant der Bundesstaat Telangana auf einem Areal von fast 4.500 Hektar eine „Hyderabad Pharma City“ im Stadtteil Rangareddy und scheut dabei nicht einmal davor zurück, 2.400 Hektar Wald plattzumachen. Und im August 2017 kündigte der Ministerpräsident von Andhra Pradesh, N Chandrababu Naidu, neue Pillen-Cluster in den Distrikten Visakhapatnam, Kadapa, Nellore und East Godavari an. Verschärfte Auflagen haben die Betriebe dort nicht zu befürchten. Die Regierung von Premier Narendra Modi beabsichtigt im Gegenteil, Vorschriften für Unternehmen aller Industrie-Bereiche zu lockern, um dem Staat ungeachtet der vielen Risiken und Nebenwirkungen eine bessere Position im globalen Wettbewerb zu verschaffen.

(1) www.kooperation-international.de
(2) Joakim Larsson et. al.: Effluent from drugs manufactures contains extremely high levels of pharmaceuticals; Journal of Hazardous Materials (148)
(3) Changing Markets and Ecostorm: Impacts of pharmaceutical pollution on communities and environments in india
(4) Peter Podjavorsek: Schmutzige Medikamente; www.deutschlandfunkkultur.de
(5) Martin Albrecht et. al.: Versorgungsrelevanz generischer Antibiotika – Marktentwicklung, Regulierung und Versorgungssicherheit
(6) Mehrere Antibiotika werden knapp; Rheinische Post 14.02.17
(7) Globales Trainee-Programm für Supply Chain Management; https:career.bayer.com/de.
(8) Joakim Larsson et. al.: Effluent from drugs manufactures contains extremely high levels of pharmaceuticals; Journal of Hazardous Materials (148)
(9) BAYER stärkt Pharma-Geschäft in Indien durch Joint Venture mit ZYDUS CADILA; https:
www.pressebox.de
(10) BAYER-Geschäftsbericht 2016
(11) BAYER HEALTHCARE COMPANY visited SINOPHARM Beijing Logistic Centre; www.sinopharmholding.com
(12) Changing Markets and Ecostorm: Impacts of pharmaceutical pollution on communities and environments in india
(13) Changing Markets and Ecostorm: Impacts of pharmaceutical pollution on communities and environments in india
(14) Peter Podjavorsek: Schmutzige Medikamente; www.deutschlandfunkkultur.de
(15) Tödliche Erreger im Pharma-Abwasser; taz 05.05.17
(16) Superkeime im Pharma-Abwasser; Süddeutsche Zeitung 19.10.16
(17) Superkeime im Pharma-Abwasser; Süddeutsche Zeitung 19.10.16
(18) OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen; Ausgabe 2011
(19) Resistente Keime in Pharma-Abwässern entdeckt; Spiegel online 04.05.17
(20) Wege zu verbindlichen Umweltstandards in der Antibiotika-Produktion in Asien; www.vfa.de
(21) Peter Podjavorsek: Schmutzige Medikamente; www.deutschlandfunkkultur.de

[Ticker] Ticker 04/17

CBG Redaktion

ERSTE & DRITTE WELT

Mehr Freihandel mit Mexiko
1997 schloss die Europäische Union mit Mexiko ein Freihandelsabkommen ab, das ab dem Jahr 2000 sukzessive in Kraft trat. Seit Juni 2016 nun verhandeln beide Seiten über eine Aktualisierung der Vereinbarung. Die EU verfolgt dabei das Ziel, BAYER & Co. noch bessere Kapitalverwertungsmöglichkeiten in dem Land zu verschaffen. So drängen die Brüsseler UnterhändlerInnen den lateinamerikanischen Staat, das „Übereinkommen zum Schutz von Pflanzen-Züchtungen“ (UVOP) in der 1991er-Fassung anzuerkennen. Das hätte drastische Folgen für die dortigen LandwirtInnen. „Lässt sich Mexiko auf die EU-Forderung zur Umsetzung der UVOP-Version von 1991 ein, schränkt dies den freien Saatgut-Tausch noch mehr ein und bedroht die Vielfalt der mexikanischen Land-Sorten. Zugleich würden die Gewinn-Möglichkeiten für BAYER und MONSANTO steigen, wenn die Konkurrenz durch bäuerliche Züchtungen sinkt“, warnt Thomas Fritz in seiner vom FORSCHUNGS- UND DOKUMENTATIONSZENTRUM CHILE-LATEINAMERIKA gemeinsam mit MISEREOR und anderen Organisationen herausgegebenen Studie „Menschenrechte auf dem Abstellgleis“. Kritik an den UVOP-Bestimmungen hatten ihm zufolge auch die „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) und der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, geübt. Zudem will Brüssel den Konzernen die Gelegenheit bieten, Mexiko vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen, sollte es die Geschäftskreise der Unternehmen zu sehr stören. Während sich EU-Mitglieder wie Ungarn gegen die Aufnahme eines entsprechenden Passus in den Handelsvertrag aussprachen, hielt Deutschland ihn für absolut notwendig. „DEU hingegen betonte, dass es wichtig sei, den Investitionsschutz auf der Linie, wie er für TTIP und CETA erarbeitet wurde, auch für MEX zu verankern“, zitiert Fritz aus Unterlagen des Auswärtigen Amtes. Und damit nicht genug, arbeitet die Europäische Union auch daran, den Firmen den Zugriff auf die Bodenschätze des lateinamerikanischen Landes zu erleichtern.

POLITIK & EINFLUSS

EDC-Kriterien unzulänglich
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie FOLICUR (Wirkstoff: Tebuconazole), BETANAL (Lenacil), FENOMENAL (Fenamidon) oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassungsgesetze verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Charakterisierung der Pseudo-Hormone – sogenannter endokriner Disruptoren (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung, die nicht zuletzt dem Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. geschuldet waren, legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Nach weiteren Beratungen über die Vorlage stimmte der Pestizid-Ausschuss den Bestimmungen zur Identifizierung der EDCs zu. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gruppen kritisierten diese Entscheidung in einer gemeinsamen Stellungnahme scharf. Nach Meinung der Organisationen ist die Definition der Stoffe zu eng gefasst, was zu viele gefährliche Chemikalien aus dem Raster fallen lässt. Und schließlich verstößt der Pestizid-Ausschuss mit seinem Beschluss in den Augen des Bündnisses gegen das 7. Umweltprogramm der Europäischen Union, das eine Reduktion der Belastung von Mensch und Umwelt mit hormonellen Schadstoffen vorsieht. Aus all diesen Gründen richtete es einen Appell an die Brüsseler PolitikerInnen: „Jetzt liegt es am EU-Parlament, diese Krititerien abzulehnen.“

Billiger Strom für BAYER & Co.
Seit Jahren klagen die Konzerne über die Strom-Preise in der Bundesrepublik. „Die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohen Energie-Kosten gefährden Deutschlands Zukunft als Industrie-Standort“, warnt etwa der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup. Dabei zahlen die Unternehmen viel weniger als die Privat-Haushalte. Während diese im Jahr 2016 für die Kilowatt-Stunde durchschnittlich 6,71 Cent aufbringen mussten, schlug sie für BAYER & Co. nur mit 2,06 Cent zu Buche. Die Industrie profitiert nämlich von vielen Sonderregelungen. So gewährt ihnen der Staat einen Erlass bei der EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien. Auch werden sie bei den Netzentgelten sowie den Steuern für Energie und Strom bevorzugt. Zusätzlich profitieren besonders energie-intensive Betriebe wie BAYER von einem Spitzenausgleich. Belief sich der Geldwert der Vergünstigungen im Jahr 2005 noch auf „bloß“ 10,7 Milliarden Euro, so stieg er bis 2016 auf rund 17 Milliarden Euro, wie das FORUM ÖKOLOGISCH-SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT errechnete. 11,5 Milliarden davon finanzierten die NormalverbraucherInnen.

Betriebsrenten ohne Haftung
Das „Betriebsrenten-Stärkungsgesetz“ der Großen Koalition stärkt vor allem BAYER & Co. Fortan müssen die Unternehmen ihren Beschäftigten nämlich keine Garantie über die Mindesthöhe dieses Ruhegeldes mehr geben. Das Paragraphen-Werk spricht nur noch von einer „Ziel-Rente“ und nimmt den Firmen so das Haftungsrisiko. Zudem erhalten die Konzerne Zuschüsse aus Steuermitteln, wenn sie GeringverdienerInnen Betriebsrenten anbieten.

Wanka für Gen-Scheren
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka stimmt in den Chor all jener mit ein, die meinen, nur mit Hilfe von noch mehr Gentechnik seien alle Menschen auf dem Globus satt zu bekommen. So singt sie das Hohelied auf das wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen umstrittene Verfahren, mittels Gen-Scheren DNA-Stränge in das Erbgut von Pflanzen einzubauen. „Ein großer Fortschritt, um den Wettlauf mit dem Hunger, der noch immer die Menschheit in vielen Teilen der Welt bedroht, zu gewinnen“, urteilt die CDU-Politikerin über die Gentechnik 2.0. Dementsprechend spricht sie sich gegen allzu strenge Auflagen für die Methode aus, auf die auch BAYER stark setzt. Regeln für die neuen Züchtungstechniken müsse es zwar geben, so die Ministerin, „aber wir haben auch eine Verantwortung, Wissen weiterzuentwickeln. Dafür braucht es auf jeden Fall Experimentier-Räume, die wir uns nicht vorschnell verbauen sollten“.

Schulz bei BAYER
Selbst im Wahlkampf kommen die PolitikerInnen nicht am Leverkusener Multi vorbei. So machte der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dem Dormagener Chemie-„Park“, den die 60-prozentige BAYER-Tochter CURRENTA betreibt, seine Aufwartung. Dabei pries er – mit 30 JournalistInnen im Schlepptau – die „hervorragende Kooperation der Stadt mit der Industrie“. Auch bei der CURRENTA eckte der Sozialdemokrat nicht an. Es gab einen „guten Austausch über „Energie-Politik, Nachhaltigkeit und Industrie-Akzeptanz“, bekundete deren Chef Günter Hilken. Künftige Unbill versprach Schulz, so gut es geht von dem Standort fernzuhalten. Als Beispiel nannte er die Seveso-Richtlinie, die als Lehre aus der Chemie-Katastrophe von 1976 einen ausreichenden Abstand zwischen Industrie-Anlagen und anderen Gebäuden vorschreibt. Sie dürfe bei der Umsetzung in bundesdeutsches Recht nicht noch mit zusätzlichen Auflagen beschwert werden, forderte der Politiker mit Blick auf die Probleme, welche die EU-Richtlinie Dormagen bei der Stadtentwicklungspolitik im Allgemeinen und bei der Planung eines Fachmarkt-Zentrums im Besonderen bereitet.

BAYERs EU-Lobbying
1,95 Millionen Euro lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der Europäischen Union jährlich kosten. Das geht aus dem entsprechenden Eintrag im EU-Lobbyregister hervor. 15 Personen arbeiten im Brüsseler Verbindungsbüro des Konzerns. Neun von ihnen haben Zugangsberechtigungen zu den Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments. Schwerpunkte der Einfluss-Arbeit bildeten im Berichtszeitraum die Regulierung von Pestiziden und Pharma-Produkten sowie Themen, welche die Gesundheit von Menschen und Tieren betrafen. Darüber hinaus sitzen BAYER-VertreterInnen gemeinsam mit EU-ParlamentarierInnen in der „Land Use and Food Policy Intergroup“ und im „Knowledge for Innovation Forum“. Aber darauf beschränkt sich das Antichambrieren des Global Players bei der EU nicht. Er gehört nämlich den europäischen Industrie-Verbänden „Business Europe“, „European Chemical Industry Council“ (CEFIC), „European Federation of Pharmaceutical Industries Association“ (EFPIA) und „European Association for Biotechnologies“ (EuropaBio) an, die wiederum zahlreiche LobbyistInnen beschäftigen. Allein die CEFIC verfügt laut Register über einen Etat von 10,2 Millionen Euro. Die Initiative CORPORATE EUROPE OBSERVATORY schätzt den Betrag angesichts von 150 Beschäftigten sogar noch als weit höher ein und fordert generell eine Überprüfung der von den Unternehmen und Verbänden gemachten Angaben.

Neues Arzneimittel-Gesetz
Das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 schreibt für neue Medikamente eine Kosten/Nutzen-Prüfung vor. Wenn die Arzneien den Prozess erfolgreich durchlaufen, können die Hersteller mit den Krankenkassen einen Preis aushandeln. Dieser gilt allerdings nicht ab sofort, sondern erst nach zwölf Monaten. In der Zwischenzeit dürfen BAYER & Co. beliebig viel für die Pharmazeutika verlangen. Dies wollte jetzt das „Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz“ unterbinden. Nach dem Willen von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sollten für Präparate, die im ersten Jahr nach der Zulassung einen Umsatz von mehr als 250 Millionen Euro erzielen, die mit den Kassen vereinbarten Preise rückwirkend in Anschlag gebracht werden. „Mit der Einführung einer Umsatz-Schwelle sorgen wir dafür, dass die Patienten möglichst schnell mit neuen Arzneimitteln versorgt werden, die Preise für besonders hochpreisige neue Arzneimittel aber begrenzt sind“, sagte Gröhe bei der Präsentation des Gesetzes-Entwurfs. Im fertigen Paragrafen-Werk fehlte der entsprechende Passus dann allerdings. „Einen Kniefall vor der Pharma-Lobby“ nannte das der „Sozialverband Deutschland“ (SoVD). In einem anderen Punkt gelang es der Industrie allerdings nicht, sich durchzusetzen. Die Unternehmen hätten über die mit den VertreterInnen von DAK & Co. ausgemachte Erstattungshöhe für die Medikamente gerne den Mantel des Schweigens gelegt, damit Informationen über im Inland eventuell gewährten Rabatte geheim bleiben und im Ausland nicht die Preise verderben. Dies scheiterte jedoch am Widerstand der SPD.

PROPAGANDA & MEDIEN

Millionen für das Gesundheitswesen
Die 54 Unternehmen, die im von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ organisiert sind, pflegten die bundesdeutsche medizinische Landschaft im Jahr 2016 mit 562 Millionen Euro (2015: 575 Millionen). Keinen kleinen Teil davon brachte der Leverkusener Multi auf. Er investierte rund 41 Millionen Euro in MedizinerInnen, ärztliche Standesorganisationen, Selbsthilfegruppen, Institute, medizinische Fachgesellschaften und von Krankenhäusern betriebene Pharma-Forschung.

Neun Millionen für ÄrztInnen
Von den 41 Millionen Euro, die der BAYER-Konzern 2016 ins Gesundheitswesen pumpte (s. o.), erhielten ÄrztInnen rund 7,5 Millionen. Dabei zahlte er 1.424 von ihnen 3,23 Millionen an Honoraren z. B. für Vorträge und spendierte 4.699 Doctores Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von 2,8 Millionen Euro. Des Weiteren übernahm der Global Player für 2.135 von ihnen Kongress-Gebühren, was sich auf 800.000 Euro summierte, und erstattete 936 der Weißkittel sonstige Auslagen von ca. 600.000 Euro.

BAYER bedenkt Fachgesellschaften
Zu den Akteuren des Gesundheitswesens, die BAYER mit hohen Summen bedenkt (s. o.), gehören auch die medizinischen Fachgesellschaften. Und wenn sich die Tätigkeiten der Organisationen auf ein Gebiet erstrecken, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ im Jahr 2016 über 147.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese sicherlich bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate. Die „Deutsche Gesellschaft für Frauengesundheit“ sponserte er mit 34.000 Euro, um das Marktumfeld für seine Verhütungsmittel zu verbessern. Zur Umsatz-Steigerung seines risiko-reichen Gerinnungshemmers XARELTO indessen investierte der Pharma-Riese unter anderem 65.000 Euro in die „Deutsche Gesellschaft für Angiologie“, die sich Gefäß-Krankheiten widmet. Hinzu kamen 30.000 Euro für die „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“. Und den Absatz seiner Lungen-Arznei ADEMPAS förderte der Leverkusener Multi mit einem Scheck in Höhe von 52.900 Euro an die „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie“.

BAYER sponsert Kongresse
Die von den medizinischen Fachgesellschaften veranstalteten Kongresse und Tagungen bieten dem BAYER-Konzern ein wichtiges Forum, um für seine Pharmazeutika zu werben. Darum sponsert er die Meetings mit hohen Summen. So steuerte der Pillen-Riese zur jährlichen Zusammenkunft der „Deutschen Gesellschaft für Neurologie“ 219.000 Euro bei, braucht er doch dem Unternehmen gewogene NervenärztInnen, um mit BETAFERON, seinem Präparat zur Behandlung der Multiplen Sklerose, auch weiterhin gute Geschäfte machen zu können. Die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung“, die sich der Leverkusener Multi wegen seines Blutverdünners XARELTO warmhalten muss, erhielt für ihren Kongress 84.000 Euro. Und die „Deutsche Gesellschaft für Urologie“ strich für ihr Jahrestreffen 107.000 Euro ein, was dem Beliebtheitsgrad von XOFIGO, BAYERs Medikament zur Behandlung der Prostatakrebs-Art CRPC, nicht abträglich sein dürfte.

Schulfach „MIRENA“
Die „Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung“ (ÄGGF) betreibt laut Selbstauskunft „Gesundheitsförderung durch aufsuchende Prävention“. Auf der Website heißt es weiter: „Die ÄrztInnen der ÄGGF gehen in die Schulen, beantworten die Fragen der jungen Menschen und geben wichtige Informationen zu den Themen „Gesundheit“, „Sexualität“ und „Fruchtbarkeit“. An der Neutralität dieser Informationen bestehen jedoch gehörige Zweifel. Die Gesellschaft erhielt von BAYER nämlich für eine „pädagogische“ Maßnahme, die sich MIRENA und anderen Hormon-Spiralen des Konzerns mit dem Wirkstoff Levonorgestrel widmet, Geld. Der Transparenz-Bericht des Unternehmens führt eine entsprechende Zahlung zur Promotion der auch Intrauterin-Systeme genannten Medizin-Produkte auf. Demnach überwies der Leverkusener Multi der Einrichtung zum Verwendungszweck „Verhütung und LNG-IUS (Levonorgestrel Intrauterine System, Anm. Ticker) im Unterrichtsprogramm“ 93.000 Euro.

BAYER kooperiert mit Uni-Liga
Auch in den USA versucht der Leverkusener Multi, die naturwissenschaftlichen Fächer stärker im Bildungssystem zu verankern. Er braucht nämlich qualifizierten Nachwuchs für seine Labore. So vereinbarte BAYER eine Werbe-Kooperation mit der „Big Ten Conference“, der Universitätssport-Liga von zehn Hochschulen, um SportlerInnen und Fans mehr für die Wissensgebiete „Landwirtschaft“, „Medizin“ und „Pharmazie“ zu erwärmen.

Eisstockschießen mit JournalistInnen
Zur Pflege der Presse-Landschaft lädt das Wuppertaler BAYER-Werk JournalistInnen traditionell zu einem Neujahrsempfang ein. Diesmal arrangierte der Konzern ein Eisstockschießen mit anschließendem Hüttenabend, das der Zielgruppe offenbar gefallen hat. „Alles in allem ein spannender, kurzweiliger Abend in der Hako-Eishalle“, resümierte Die Stadtzeitung Wuppertal.

TIERE & VERSUCHE

125.585 Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2016 fanden bei BAYER 125.585 Tierversuche statt, 92 Prozent davon mit Ratten und Mäusen. Die Zahlen gehen damit etwas zurück. Im Jahr 2015 hatte der Leverkusener Multi noch 133.666 Experimente am „Tier-Modell“ unternommen.

TIERE & ARZNEIEN

Eier-Rückruf wg. Fipronil
Im Sommer 2017 machte ein neuer Lebensmittel-Skandal Schlagzeilen. Eier aus belgischen und niederländischen Lege-Batterien wiesen Spuren eines Wirkstoffs gegen Parasiten-Befall auf. Ein Desinfektionsmittel, das in Hühnerställen zum Einsatz kommt, war verbotenerweise mit der Substanz versetzt und löste so die Kontamination aus. In 45 Ländern kamen die verseuchten Eier in den Handel, allein in der Bundesrepublik belief sich die Zahl auf 10,7 Millionen Stück. Das machte gigantische Rückruf-Aktionen nötig. Das in Rede stehende Produkt – Fipronil – geriet 2002 durch den Erwerb von AVENTIS in den Besitz von BAYER. Die Wettbewerbsbehörden machten dem Leverkusener Multi jedoch zur Auflage, sich von der Chemikalie aus der Gruppe der Phenylpyrazole und anderen Stoffen zu trennen. So verkaufte der Konzern sie im Jahr 2003 an die BASF. Heutzutage vermarktet der Global Player das in der Europäischen Union nur noch für einige Anwendungen zugelassene Fipronil unter dem Namen REGENT hauptsächlich in Indien und China. Zudem bietet er den Stoff in der Veterinärmedizin als Mittel gegen Hunde und Katzen malträtierende Parasiten an. „Mit dem bewährten und gut verträglichen Wirkstoff Fipronil ist BOLFO® SPOT-ON sowohl für Kunden geeignet, deren Haustier unter einem Befall mit Flöhen oder Zecken leidet, als auch für Tierhalter, die ihren Vierbeiner künftig vorbeugend und effektiv vor den kleinen Blutsaugern schützen möchten“, textet BAYERs Werbeabteilung. Und noch ein zweites Pestizid fand sich in der DEGA-Desinfektionslösung: Amitraz. Auch diese befand sich einmal in der Produkt-Palette des Pillen-Riesen. 2005 veräußerte er die Agro-Chemikalie aber an die japanische ARYSTA LIFESCIENCE CORPORATION.

DRUGS & PILLS

Gefährliches Triclosan
Triclosan ist ein antibakteriell wirkender Stoff aus der Gruppe der polychlorierten Phenoxyphenole, der unter anderem in BAYERs FUNSOL-Spray gegen Fußpilz und -geruch enthalten ist. Er steht seit Längerem wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik. So kann die Substanz etwa die Muskeln schädigen. Nach den Forschungen von Isaac Pessah schränkt sie die Funktion zweier Proteine ein, die für die Kalzium-Versorgung der Muskelzellen sorgen (Ticker 4/12). Auch steht die Chemikalie in Verdacht, hormon-ähnliche Effekte hervorzurufen und so imstande zu sein, den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderzuwirbeln. Zudem besteht dem „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) zufolge die Möglichkeit, dass niedrig dosierte Triclosan-Produkte die Abwehrkraft von Krankheitserregern stärken und so die Wirksamkeit von Antibiotika mindern. Dieses Gefahren-Potenzial hat bereits zu einigen Reaktionen geführt. Nach einer Anordnung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA musste das Phenoxyphenol aus Seifen-Rezepturen verschwinden. Die EU indes verbot es bisher nur in Kosmetik-Artikeln wie Cremes und Lotionen, die länger mit der Haut in Kontakt kommen.

Endometriose-Fortschritte bei EVOTEC
Im Jahr 2010 brachte der Leverkusener Multi zur Behandlung der Endometriose, einer gutartigen Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut, VISANNE heraus – und stellte deshalb die Produktion der ebenfalls zur Therapie dieser Gesundheitsstörung geeigneten, aber viel preiswerteren Verhütungsmittel VALETTE und CHLORMADINON kurzerhand ein (Ticker 4/14). Daneben unterhält der Konzern noch mehrere Endometriose-Forschungskooperationen. So arbeitet er auf diesem Gebiet mit der Universität Oxford und mit dem Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC zusammen. Dieses entwickelte einen Wirkstoff-Kandidaten nun so weit, dass eine Klinische Prüfung der Phase 1 beginnen kann. Dafür zahlte BAYER der Firma fünf Millionen Euro.

Nierenschäden-Therapien mit EVOTEC
Nicht nur bei der Suche nach Endometriose-Therapien arbeitet BAYER mit dem Biotech-Unternehmen EVOTEC zusammen (s. o.). Der Pharma-Riese hat auch in Sachen „Nierenerkrankungen“ eine Kooperation mit der Hamburger Firma vereinbart. EVOTEC will für den Leverkusener Multi Pharmazeutika zur Behandlung chronischer Nierenschäden entwickeln und hofft, dafür auf Forschungserträge aus einem gemeinsamen Projekt mit der Harvard-Universität zurückgreifen zu können. Das Unternehmen, das zu mehreren Hochschulen solche Partnerschaften unterhält, bekommt vom Global Player 14 Millionen Euro für den Auftrag und hat darüber hinaus Aussicht auf erfolgsabhängige Zahlungen bis zu einer Höhe von 300 Millionen Euro.

AGRO & CHEMIE

Immer mehr Pestizide
Die bundesdeutschen LandwirtInnen bringen immer mehr Pestizide aus. Im Jahr 2015 landeten 123.203 Tonnen auf ihren Äckern – 5.460 Tonnen mehr als 2014. Zu den beliebtesten Mitteln gehörten dabei das von der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Glyphosat, das in BAYER-Produkten wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, sowie das erbgut-schädigende Mancozeb. Bis Ende 2016 hat auch der Leverkusener Multi diesen Wirkstoff vermarktet. Er verkaufte ihn in Kombination mit Propamocarb unter dem Namen TATTOO.

Kein Chlorpyrifos-Bann in den USA
Organophosphate entwickelten BAYER-Forscher im Zweiten Weltkrieg als chemische Kampfstoffe. Nach 1945 kamen die Nervengifte dann als Inhaltsstoffe von Pestiziden zum Einsatz – mit den entsprechenden Risiken und Nebenwirkungen. Chlorpyrifos zum Beispiel kann Schädigungen des Nervensystems, Atemwegsbeschwerden, Übelkeit, Schwindel, Krämpfe und Kopfschmerzen auslösen sowie zu Fehlbildungen bei Neugeborenen und Entwicklungsstörungen bei Kindern führen. Darum haben die Vereinigten Staaten im Jahr 2000 die Anwendung der Chemikalie im Haus- und Gartenbereich untersagt. AktivistInnen fordern jedoch bereits seit Langem ein Komplett-Verbot. Dieses hat Skott Pruitt, der seit dem Wahlsieg von Donald Trump die US-Umweltbehörde EPA leitet, jedoch vorerst abgelehnt. Einen endgültigen Beschluss über das Schicksal der Substanz, die der Leverkusener Multi unter den Produktnamen BLATTANEX, PROFICID und RIDDER vermarktet, kündigte er für 2022 an. Entscheidungshilfe dürfte dabei Andrew Liveris von DOW geleistet haben. Pruitt hatte sich nämlich vor der Verkündung des Votums mit dem Boss der Firma, die Chlorpyrifos entwickelt hat, getroffen.

Pestizide fördern Autismus
Agro-Chemikalien können das Entstehen von Autismus fördern. Das hat eine Studie des „UC Davis MIND Institute“ unter Leitung von Janie Shelton ergeben. Der Untersuchung zufolge steigt das Risiko von Frauen, die in der Nähe von Landwirtschaftsbetrieben leben, ein autistisches oder mit Entwicklungsstörungen belastetes Kind zu gebären, um zwei Drittel. Ein besonderes Gefährdungspotenzial geht nach Ansicht der WissenschaftlerInnen dabei von dem Organophosphat Chlorpyrifos (s. o.) aus, das auch BAYER im Angebot hat.

Viele Auslaufmodelle
Anfang 2015 hat die Europäische Union eine Liste mit 77 Pestiziden veröffentlicht, die wegen ihrer fatalen Effekte auf Mensch, Tier und Umwelt möglichst schnell durch weniger gefährliche ersetzt werden sollten. Unter den Substanzen, für welche die Hersteller wegen ihres besonderen Gefährdungspotenzials alle sieben und nicht wie sonst üblich alle zehn Jahre eine Neuzulassung beantragen müssen, befinden sich 13 Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich um Bifenthrin (Produktname: ALLECTUS), Carbendazim (DEROSAL), Cyproconazol (ALLO), Fenamiphos (NEMACUR), Fluopicolid (VOLARE), Glufosinat (LIBERTY), Mecoprop (LOREDO), Metsulfuronmethyl (STREAMLINE, ESCORT), Oxadiargyl (RAFT), Propoxycarbazone (ATTRIBUT), Tebuconazole (FOLICUR, NATIVO, PROVOST OPTI) und Thiacloprid (ALANTO, BARIARD, CALYPSO).

Unzulängliche Test-Verfahren
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben. Darum hat die EU diese beiden Produkte auch gemeinsam mit SYNGENTAs CRUISER vorläufig aus dem Verkehr gezogen. Eigentlich hätten die fatalen Effekte von GAUCHO & Co. schon während des Zulassungsverfahrens auffallen müssen, denn die Bienenverträglichkeit gehört zum Anforderungskatalog. Allerdings dauern die betreffenden Tests höchstens zehn Tage. Darum können sie keine Auskunft über die Langzeit-Wirkungen dieser Pestizide auf die Insekten geben. Bündnis 90/Die Grünen wollten in einer Kleinen Anfrage deshalb von der Bundesregierung wissen, ob sie hier auf Änderungen dränge. Aber Merkel & Co. antworteten ausweichend: „Die Entwicklung und Weiterentwicklung von Methoden und Verfahren zur Prüfung und Bewertung von Pflanzenschutzmitteln und ihrer Wirkstoffe erfolgt im internationalen Rahmen konsensual auf der Basis anerkannter Forschungsergebnisse. Hieran sind Wissenschaftler und Vertreter der zuständigen Behörden aus Deutschland intensiv beteiligt.“

GAUCHO & Co. wirken repro-toxisch
Näheren Aufschluss darüber, in welcher Weise BAYERs Pestizid PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin für eine Dezimierung der Bienenvölker sorgt (s. o.), erbrachte eine neue Studie, welche die Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte. Der Untersuchung von Lars Straub und anderen WissenschaftlerInnen zufolge verkürzen Clothianidin und das SYNGENTA-Neonicotinoid Thiamethoxam die Lebensdauer männlicher Bienen und beeinträchtigen Quantität und Qualität ihres Spermas.

Vertriebsdeal mit WEST CENTRAL
Der Leverkusener Multi hat in den USA einen Deal mit WEST CENTRAL DISTRIBUTION vereinbart. Das in Minnesota ansässige Unternehmen vertreibt künftig exklusiv eine Kombination aus BAYERs Saatgutbehandlungsmittel REDIGO 480 mit dem Wirkstoff Prothioconazol und TRILEX (Trifloxystrobin). Die Mittel sind für den Soja-Anbau bestimmt und sollen die Pflanzen mit vereinten Kräften vor Pilzen bewahren. Diese haben sich offenbar mittlerweile zu gut an die Einzel-Applikationen von REDIGO oder TRILEX gewöhnt.

GENE & KLONE

EU berät über Genmais-Anbau
Die EU berät zurzeit darüber, erstmals seit 1998 wieder Anbau-Genehmigungen für Gen-Pflanzen zu erteilen. Es stehen Entscheidungen über die Mais-Sorten „Bt11“ von SYNGENTA sowie „1507“ von PIONEER und DOW AGROSCIENCES an. Zudem befindet Brüssel über die Wiederzulassung von MONSANTOs MON810. „Bt11“ und „1507“ sind mit dem „Bacillus thuringiensis“ (Bt) bestückt, der Schadinsekten töten soll. Darüber hinaus hat sie ein gentechnischer Eingriff immun gegen Sprüh-Einsätze mit dem BAYER-Herbizid Glufosinat gemacht. Dieses Ackergift wirkt repro-toxisch, kann also die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und die Leibesfrucht schädigen. Überdies erweist es sich als chemisch sehr stabil, weshalb es lange im Boden verbleibt. Aus diesen Gründen will die Europäische Union das Mittel auch bis 2018 aus dem Verkehr ziehen, wogegen der Leverkusener Multi sich allerdings sträubt. „BAYER CROPSCIENCE ist davon überzeugt, dass es stichhaltige Argumente für die Erneuerung der Zulassung von Glufosinat-Ammonium gibt“, bekundet der Konzern und teilt mit, an einem Nachweis dafür zu arbeiten. Aber nicht nur wegen des Glufosinats, sondern auch wegen des Bts erweisen sich die Labor-Kreationen als problematisch. Der Bazillus steht nämlich in dringendem Verdacht, Allergien auszulösen und das Immunsystem zu schädigen. Darüber hinaus trotzen immer mehr Baumwollkapselbohrer, Baumwollkapseleulen, Kohlschaben, Aschgraue Höckereulen und „Busseola fusca“-Raupen der Substanz. All dies spricht eindeutig dagegen, europäischen LandwirtInnen die Erlaubnis zu erteilen, diese Pflanzen zu kultivieren.

Erfolgloser Anetumab-Test
BAYER setzt große Hoffnungen auf den Wirkstoff Anetumab Ravtansine. Investoren gegenüber, denen der Konzern nach XARELTO den nächsten Topseller aus der Entwicklungspipeline liefern muss, nennt er neben Finerenone stets Anetumab. Auf zwei Milliarden Euro Jahres-Umsatz beziffert das Unternehmen die möglichen Erträge. Die Arbeit an der Entwicklung der Substanz zur Serienreife begann vor fast zehn Jahren. 2008 erwarb der Konzern von IMMOGEN das Recht, eine spezielle Technologie zur Herstellung von Antikörpern nutzen zu können. MORPHOSYS bestimmte dann für den Leverkusener Multi den speziellen Antikörper zur Behandlung des Tumors Mesotheliom, der zumeist durch den Kontakt mit Asbest entsteht – und schon bei so einigen BAYER-Beschäftigten diagnostiziert wurde (Ticker 2/14). Das in Planegg ansässige Biotech-Unternehmen führte auch die klinischen Prüfungen mit dem Präparat durch. Ende Juli 2017 musste es allerdings das Versagen des Wirkstoffes in der Phase 2 der Tests bekanntgeben: Anetumab schaffte es nicht, das Krebs-Wachstum einzudämmen. Damit scheint sich die Skepsis einiger BeobachterInnen zu bestätigen, die den vollmundigen Versprechungen des Pharma-Riesen über die Wunder-Wirkungen des Pharmazeutikums nie so recht Glauben schenken mochten. „BAYER verbreitet eine gewisse Euphorie bezüglich (...) Anetumab, die ich im Moment nicht verstehen kann“, hatte etwa Markus Manns von UNION INVESTMENT GmbH mit Verweis auf die spärlichen Studien-Daten schon früh bemerkt. Der Global Player aber hält an dem Medikament fest. „Auf Basis der verfügbaren Daten planen wir weiterhin, die Wirksamkeit und Sicherheit von Anetumab Ravtansine in einer Reihe von Tumor-Arten mit hohem medizinischen Bedarf zu untersuchen“, erklärte er.

WASSER, BODEN & LUFT

NRW-Flüsse in schlechtem Zustand
Der BAYER-Konzern trägt wesentlich zum schlechten ökologischen Zustand der Gewässer in Nordrhein-Westfalen bei. So stammt dem „Bewirtschaftungsplan Nordrhein-Westfalen 2016-2021“ zufolge ein Großteil der Einträge von organischem Kohlenstoff aus Betrieben der chemischen Industrie. Mit 1.140 Tonnen war der Leverkusener Multi hier im letzten Jahr dabei. Auch den Temperatur-Haushalt der Flüsse bestimmt er wesentlich mit. Auf den haben Kühlwasser-Einleitungen – 300 Millionen Kubikmeter steuerte der Global Player dazu anno 2016 bei – nämlich den größten Einfluss. Diese heizen die Ströme auf und machen damit den Fischen das Leben schwer. Forellen beispielsweise gibt es im Rhein kaum noch. Schon bei einer Temperatur von über 11 Grad nämlich entschlüpft aus den Eiern der Weibchen kein Nachwuchs mehr. Mit seinen Agro-Chemikalien gefährdet der Leverkusener Multi die aquatischen Lebensräume ebenfalls. Der 2015 erstellte Bewirtschaftungsplan zählt die Pestizide von den Feldern der LandwirtInnen gemeinsam mit den Düngemitteln zu den bedeutendsten chemischen Belastungsquellen des Grundwassers im Gebiet des Rheins. Auch die extrem gesundheitsschädlichen Polychlorierte Biphenyle (PCB), zu deren Hauptanbietern BAYER bis zu ihrem vollständigen Verbot im Jahr 1989 gehörte, finden sich noch im Wasser. In der Sieg, der Niers, der Emscher und der Wupper überschritten die Konzentrationen im Zeitraum von 2009 bis 2011 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – an einigen Mess-Stellen sogar die Grenzwerte. Die Sieg hatte zudem (wie auch die Dhünn und die Emscher) mancherorts mit über den Limits liegenden Werten von Bisphenol A zu kämpfen, einer vom Konzern in rauhen Mengen produzierten Industrie-Chemikalie. Zusammengefasst weisen nur sechs Prozent der Fließ-Gewässer einen guten ökologischen Zustand auf. Einen guten chemischen Zustand haben laut Bewirtschaftungsplan 79 Prozent der Flüsse, aber nur 54 Prozent der Grundwasser-Körper Nordrhein-Westfalens.

Verletzung der Luft-Richtlinie
Die EU-Richtlinie 2001/81/EG verpflichtet die Mitgliedsländer, Maßnahmen zur Verbesserung der Luft-Qualität zu ergreifen. Nach einer Untersuchung der Europäischen Umwelt-Agentur EEA verfehlte die Bundesrepublik dabei als einziger Staat die Vorgaben gleich bei drei Stoffen: den flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs), den Stickstoffdioxiden und dem Ammoniak. So ersparte die Große Koalition der Industrie, ihre Emissionen senken zu müssen. Obwohl dies bitter nötig wäre: Allein die BAYER-Werke stießen im Jahr 2016 weltweit 1.120 Tonnen VOCs und 2.360 Tonnen Stickstoffdioxide (NOX) aus. In Tateinheit mit Frankreich, Spanien und anderen Nationen, die höhere Stickstoffdioxid-Werte als erlaubt nach Brüssel gemeldet hatten, bat die Bundesregierung die EU-Kommission deshalb in einem Schreiben um eine nachträgliche Genehmigung der Überschreitungen. Die Absender begründeten dies mit dem unerwartet hohen NOX-Ausstoß von Diesel-Autos, ohne näher auf die kriminellen Machenschaften von VW & Co. einzugehen. Das EUROPÄISCHE UMWELTBÜRO, CLIENTEARTH und andere Initiativen kritisierten die Regierungen dann auch scharf für ihren Versuch, sich die Luftverschmutzungen rückwirkend absegnen zu lassen.

PRODUKTION & SICHERHEIT

ADALAT-Rückruf
Die Pharma-Riesen verdienen das meiste Geld mit ihren neuen Präparaten, da sie für diese dank des Patentschutzes hohe Preise verlangen können. Das Geschäft mit den alten Pillen haben BAYER & Co. dagegen streng durchrationalisiert. Oftmals stellten die Multis die Wirkstoffe für die Allerweltsmedikamente gar nicht mehr selber her, sondern beauftragen dafür andere Firmen. Diese haben ihren Sitz oftmals in Indien oder China und fertigen die Substanzen, ohne Schutzmaßnahmen zu treffen, was massiven Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat (siehe SWB 4/17). Manche der Unternehmen versorgen die halbe Welt mit Arznei-Stoffen. Kommt es in ihren Werken einmal zu Zwischenfällen, hat das deshalb gleich für die Arzneien mehrerer Pillen-Anbieter Folgen. So musste im Februar 2017 der BAYER-Konzern einen Rückruf seiner ADALAT-Tabletten und HEXAL einen seiner NIFEHEXAL-Produkte starten, weil der Hersteller des Wirkstoffes Nifedipin beiden Kunden verunreinigte Chargen geliefert hatte.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Faulgase in Bergkamen
Im Bergkamener BAYER-Werk kam es am 15. Juli 2017 zur Bildung von Faulgasen. Die Kläranlage der Niederlassung war den vielen Niederschlägen nicht gewachsen, die sich im Rückhalte-Becken mit Hefe-Bakterien und anderen Produktionsrückständen aus der mikrobiologischen Abteilung vermischt hatten. Deshalb mussten die Beschäftigten und AnwohnerInnen über Tage hinweg verpestete, in der Nase stechende Luft einatmen. Immer wieder ereignen sich an dem Standort solche Störfälle. Die 2008 eingeleitete Sanierung hat bislang keine Abhilfe schaffen können. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für mächtigen Gestank. 2012 dann traten an einigen Leitungen Risse auf, durch die Abwässer sickerten und Duftmarken setzten. Deshalb entschloss sich der Global Player erneut zu Reparatur-Arbeiten. Aber auch das brachte nichts. Im Juni 2013 klagten die BergkamerInnen wieder über Geruchsbelästigungen, die überdies zu Gesundheitsstörungen wie Übelkeit und Kopfschmerzen führten. Knapp anderthalb Jahre später fiel schließlich die letzte Stufe der Abwasser-Reinigung aus. Und so dürften die Attacken auf die Riech-Nerven auch nach dem jüngsten Geschehnis ihre Fortsetzung finden.

Ammoniak-Austritt in Berkeley
Am 22.12.2016 ereignete sich am US-amerikanischen BAYER-Standort Berkeley ein Störfall, bei dem Ammoniak austrat. Es kam jedoch kein Belegschaftsmitglied mit dem giftigen Gas in Berührung, das der Leverkusener Multi in dem Werk als Kühlmittel einsetzt. Auch gelangte das Stickstoff/Wasserstoff-Gemisch angeblich nicht in die Umwelt.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER verkauft SERDEX
Der Leverkusener Multi hat seine Tochter-Firma SERDEX an die französische Aktien-Gesellschaft AIR LIQUIDE verkauft und vernichtete damit 40 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns. SERDEX hatte sich zum Ziel gesetzt, „weltweit als Spezialist für natürliche Inhaltsstoffe aus tropischen Pflanzen zu gelten, die in Arzneien, Kosmetika und Beauty-Produkten Anwendung finden“. Um das zu erreichen, schreckte das Unternehmen auch nicht davor zurück, sich in Afrika und anderswo als Biopirat zu betätigen (siehe SWB 2/11).

ÖKONOMIE & PROFIT

EZB kauft BAYER-Anleihen
Seit Juni 2016 erwirbt die von dem Italiener Mario Draghi geleitete Europäische Zentralbank (EZB) nicht nur Staats-, sondern auch Unternehmensanleihen. Bis Juni 2017 hat sie 92 Milliarden Euro in diese Anlage-Form investiert und sich dafür mit rund 950 Papieren von BAYER und anderen Konzernen eingedeckt. Damit trägt die EZB nicht nur gehörig zur Finanzierung der Multis bei, sie verändert zugleich auch noch die Konditionen auf den Finanzmärkten zugunsten der großen Firmen. Die immense Nachfrage aus Frankfurt senkt nämlich die Zinsen, welche die Global Player den KäuferInnen der Anleihen zahlen müssen. Manche Industrie-Betriebe können sogar schon Negativ-Zinsen berechnen. Zudem übt die Zentralbank mit ihren Ankäufen Druck auf die Banken aus, BAYER & Co. Kredite zu günstigeren Bedingungen zu gewähren. Als „Draghis Milliardenspritze für die Mächtigen“ beschrieb Der Spiegel das EZB-Programm deshalb. Mittelständische Unternehmen, die sich durch das Ankauf-Programm benachteiligt fühlen, zogen bereits vor das Bundesverfassungsgericht.

Wem gehört BAYER?
Aktuell besitzt der Finanz-Investor BLACKROCK mit rund 6,8 Prozent die meisten BAYER-Anteile. Es folgen die COMMERZBANK mit 3,4 Prozent, die Investment-Gesellschaft CAPITAL GROUP mit rund 2,9 Prozent und die Schweizer UBS-Bank mit 2,65 Prozent.

RECHT & UNBILLIG

BAYER gewinnt Patent-Prozess
In Australien hatte BAYER das Unternehmen GENERIC HEALTH verklagt. Der Pharma-Riese warf der Firma vor, mit ihrem Verhütungsmittel ISABELLE das Patent des konzern-eigenen Präparats YASMIN verletzt zu haben, das seit einiger Zeit wegen seiner gefährlichen Nebenwirkungen in der Kritik steht. Ende März 2017 bekam der Leverkusener Multi Recht zugesprochen. Die RichterInnen verurteilten GENERIC HEALTH zu einer Straf-Zahlung in Höhe von 30 Millionen Dollar.

Strafe wg. irreführender Werbung
„BAYER duldet keine Gesetzes-Verstöße bei der Vermarktung seiner Produkte. Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“, heißt es in einem Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Dennoch überschreitet er immer wieder die Grenzen des Erlaubten. So verurteilte der Bundesstaat Massachusetts den Konzern wegen unzulässiger Aussagen in der Werbung für seine Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie PONCHO und GAUCHO (siehe auch AGRO & CHEMIE) zu einer Zahlung von 75.000 Dollar. „BAYER machte den Konsumenten gegenüber zahlreiche irreführende Angaben über die Sicherheit seiner Pestizide, inklusive der Behauptung, dass sie in den Pflanzen wie Vitamine wirken würden, während sie realiter hochgradig giftig für Honigbienen, weitere Befruchter und andere Tiere sind sowie die Umwelt schädigen“, sagte die Staatsanwaltin Maura Healey zur Begründung. Der Global Player hingegen war sich keiner Schuld bewusst und bezeichnete seine Reklame als „angemessen und transparent“.

FORSCHUNG & LEHRE

Kooperation mit „Cancer Research UK“
Der Leverkusener Multi unterhält über 800 Kooperationen mit Hochschulen und außer-universitären Einrichtungen zur Entwicklung neuer Produkte. Ca. 20 Prozent seines Forschungsetats investiert er in solche Projekte. So arbeitet der Pharma-Riese in Großbritannien mit dem „Cancer Research UK“ zusammen. Gemeinsam mit der staatlichen Einrichtung will der Konzern unter anderem neue Pharmazeutika auf den Gebieten der Stammzellen- und der Immun-Therapie entwickeln. Rund 200.000 Pfund investiert er dafür.

Zugriff auf PatientInnen-Daten
Gemeinsam mit der „American Heart Association“ (AHA) schreibt der Leverkusener Multi jeweils mit 150.000 Dollar dotierte Forschungsprojekte zu Durchblutungsstörungen im Gehirn, chronischem Nierenleiden und Herz-Erkrankungen aus. Von den ausgewählten WissenschaftlerInnen erwartet der Konzern, individualisierte Therapie-Formen zu entwickeln. Dafür erhalten sie Zugriff auf den riesigen Fundus an PatientInnen-Daten, über den die „American Heart Association“ verfügt. Fragen nach dem Datenschutz stellten sich BAYER und dem AHA dabei offensichtlich nicht.

BAYER-JHV-Gegenreden

CBG Redaktion

Aktion & Kritik

Schuldig in 26 Fällen

Das BAYER-Tribunal

Rekord eingestellt: Wie schon im vergangenen Jahr boten auch 2017 wieder 26 Gegen-RednerInnen dem BAYER-Management Paroli und dominierten so die Hauptversammlung. Und nicht nur gegen die geplante MONSANTO-Übernahme trugen sie gewichtige Argumente vor. Von gefährlichen Infrastruktur-Projekten wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und den Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden über die Geschäftspolitik des Konzerns in Ländern der sogenannten Dritten Welt bis hin zu gesundheitsschädlichen Chemikalien und Medikamenten reichte ihr Themen-Spektrum.

Von Jan Pehrke

In früheren Zeiten zelebrierten die BAYER-Hauptversammlungen geschlossen das Hochamt für den Profit. Ab 1983 änderte sich dies allerdings. Von da an brachte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ketzerische Töne in die AktionärInnen-Treffen ein. Und seit geraumer Zeit fallen mehr und mehr vom Glauben ab und entweihen so die heiligen Hallen weiter: Die Zahl der vor die Mikrofone tretenden Konzern-KritikerInnen übersteigt diejenige der Konzern-LaudatorInnen verlässlich um ein Vielfaches. Wovon aber die CBG nach der letzten HV selbst kaum zu träumen wagte, wiederholte sich 2017: Wieder meldeten sich 26 Gegen-RednerInnen zu Wort.
Viele von ihnen widmeten sich der von BAYER geplanten Übernahme von MONSANTO. Aber auch andere Risiken und Nebenwirkungen des agro-industriellen Komplexes standen auf der Tagesordnung wie z. B. die Gefahren, die von Pestiziden ausgehen. Die Brasilianerin Verena Glass, die für die Rosa-Luxemburg-Stiftung in São Paulo arbeitet und sich in einer Initiative gegen Agro-Chemikalien engagiert, berichtete vom verheerenden Ausmaß des Gift-Einsatzes in ihrem Land. Nirgendwo auf der Welt bringen die LandwirtInnen so viele Pestizide aus wie in Brasilien. In einigen Regierungsbezirken sind es rund 400 Liter pro EinwohnerIn. Mit entsprechenden Folgen: In den Teilen des Staates mit einer intensiv betriebenen Landwirtschaft übertreffen die Krebsraten diejenigen der Gebiete ohne endlose Mais- und Soja-Felder um ein Vielfaches.

Doppelte Standards

Einen nicht geringen Anteil an den vielen Krankheitsfällen haben ganz bestimmte Ackergifte. Vielfach handelt es sich dabei nämlich um solche, die wegen ihrer Gefährlichkeit in der Europäischen Union gar nicht mehr zugelassen sind oder es nie waren, wie Carbendazim, Cyclanilide, Disulfoton, Ethiprole, Ethoxysulfuron, Ioxynil, Thiadiazuron oder Thiodicarb. Christian Russau vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE brachte dies der Hauptversammlung zu Gehör. Als Beispiel nannte er den Wirkstoff Thiodicarb: Während die EU die Substanz gar nicht erst zuließ und die USA sie aus dem Verkehr zogen, vertreibt der Leverkusener Multi Thiodicarb in Brasilien ohne Rücksicht auf Verluste unter dem Namen LARVIN. Ein klarer Fall von doppelten Standards also, was BAYER jedoch abstreitet. Von Russau schon vor der HV um eine Stellungnahme zum Sachverhalt gebeten, fand der Konzern eine originelle Erklärung für „die feinen Unterschiede“, die er beim Verkauf seiner Produkte macht. Der Agro-Riese begründete sie mit den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort, „was die lokal angebauten Kulturen, Böden, Vegetationszonen, Anbau- und Klimabedingungen sowie das Auftreten von Schadinsekten, Unkräutern und Pflanzen-Krankheiten angeht“. Da Kaffee, Reis und Zuckerrohr in Europa kaum heimisch wären, wären es die dafür benötigten Agro-Chemikalien auch nicht, weshalb der Global Player für sie in Brüssel – „auch aus wirtschaftlichen Gründen“ – keine Zulassung beantragt habe. „Tja, so kann man das auch formulieren. Wenn man will. Statt ‚verboten’ sagen Sie einfach, BAYER habe für diese Mittel keine Zulassung in europäischen Ländern beantragt“, resümierte Russau.
Auch in Indien befleißigt sich die Aktien-Gesellschaft doppelter Standards, wie Sarah Schneider von MISEREOR mit Verweis auf Vorort-Recherchen des EUROPEAN CENTER FOR CONSTITUTIONAL AND HUMAN RIGHTS (ECCHR) monierte. So vermarktet der Leverkusener Multi das Ackergift NATIVO (Wirkstoffe: Trifloxystrobin und Tebuconazole) dort ohne den Warnhinweis an Schwangere, dass es werdendes Leben schädigen kann, während sich ein entsprechender Vermerk in Europa auf jeder Packung findet. Weil BAYER damit gegen internationale Handelsrichtlinien und das bundesdeutsche Pflanzenschutz-Gesetz verstößt, hatte das ECCHR bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen – allerdings erfolglos – eine Klage eingereicht. Und auch die indischen Behörden ermitteln in der Sache, teilte Schneider mit.
Zudem vernachlässigt es der Konzern dem ECCHR zufolge, die LandwirtInnen im Umgang mit den Mitteln zu schulen und sie über Sicherheitsvorkehrungen wie etwa das Tragen von Schutzkleidung zu informieren. Darum reiste im April 2017 eine Gruppe von FAO-ExpertInnen nach Neu Delhi und konfrontierte BAYER mit unangenehmen Fragen. „Gibt es bereits Empfehlungen vom Gremium?“ und „Wurden bereits Maßnahmen getroffen, um die möglichen Verletzungen des internationalen Kodex und der indischen Gesetzgebung zu beheben und in Zukunft zu vermeiden?“, wollte Schneider deshalb von Werner Baumann wissen.
Der Vorstandsvorsitzende beließ es allerdings bei vagen Auskünften. Es „wurde die Intensivierung von Schutzmaßnahmen diskutiert“ beispielsweise durch „die Zurverfügungstellung persönlicher Schutzkleidung“, teilte er mit und darüber gesprochen, „wie Kleinbauern in Indien noch besser in der effizienten und sicheren Anwendung von Pflanzenschutzmitteln trainiert werden können.“ Den LandwirtInnen wichtige Informationen über die Risiken und Nebenwirkungen von NATIVO vorenthalten zu haben, stritt er Schneider gegenüber schlicht ab: „In Bezug auf unsere Produkte folgen wir dem internationalen Verhaltenskodex der Welternährungsorganisation FAO.“
Eine besonders gefährliche Eigenschaft von Pestiziden wie NATIVO besteht darin, hormon-ähnlich zu wirken. Sie sind deshalb imstande, den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderzuwirbeln und Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit sowie andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Wie diese sogenannten endokrinen Disruptoren das genau machen, legte der Kinderarzt Gottfried Arnold dar. „Stellen Sie sich einen werdenden Jungen in einem Schwangerschaftsalter von ca. acht Wochen vor: Er ist wenige Gramm schwer und ca. drei Zentimeter lang. Jetzt schon beginnen seine eigenen winzigen Hoden die Menge von männlichem Geschlechtshormon zu bilden (...) Bringen die östrogen-artig wirkenden Fremdhormone in dieser frühen Phase dieses System aus dem Gleichgewicht, kann es einerseits zu Fehlbildungen der Geschlechtsorgane wie z. B. Hodenhochstand oder Fehlmündung der Harnröhre kommen. Andererseits kann sich statt eines männlichen ein weibliches Gehirn entwickeln mit der Folge der Störung der sexuellen Identität.“
Auf einer von der EU erstellten und nicht einmal vollständigen Liste mit Pestiziden, welche diese hormonellen Effekte haben, befinden sich elf von BAYER, rechnete Susanne Smolka vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) der Vorstandsregie vor: „Das sind 34 Prozent!“ Und damit nicht genug, stellt der Konzern auch noch andere Produkte wie etwa die Industrie-Chemikalie Bisphenol A her, die unter die Kategorie „Pseudo-Hormone“ fallen. Bereits seit 2009 schickt sich die Europäische Union an, für diese Stoffe strengere Regelungen zu treffen bzw. sie ganz aus dem Verkehr zu ziehen, aber da ist der Leverkusener Multi vor, wie die PAN-Mitarbeiterin berichtete. „Wir wissen, dass sich die BAYER AG aktiv dafür eingesetzt hat, dass die Umsetzung dieser demokratisch vereinbarten Regelungen über Jahre von der EU-Kommission verschleppt wurden“, so Smolka.
Das stellte BAYER-Chef Baumann jedoch in Abrede: „Unternehmen und Verbände haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass eine Regulierung sogenannter endokriner Disruptoren selbstverständlich notwendig ist.“ Lediglich über den Weg dahin, „zu praktikablen Regulierungskriterien zu gelangen, die es erlauben, die wirklich relevanten Substanzen auch sicher zu identifizieren“, bestände nicht immer Einigkeit zwischen Industrie, Politik und zivilgesellschaftlichen AkteurInnen, behauptete er.

Bienensterben

Großen Raum nahm auf der Hauptversammlung wieder ein weiterer bitterer Effekt vieler Pestizide ein: Ihre bienenschädliche Wirkung. Gleich vier ImkerInnen hatten den Weg nach Bonn gefunden, um die verhängnisvollen Folgen der BAYER-Produkte PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) und GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) zu beschreiben. Diese Ackergifte aus der Gruppe der Neonicotinoide können nämlich eine ganze Kettenreaktion in Gang setzen. Heike Holzum führte dies den AktionärInnen vor Augen. Die Bienenzüchterin machte ihnen deutlich, wie immens wichtig die Bienen für die Bestäubung der Nutzpflanzen und somit für die Ernten sind. Mit ihnen steht also auch die Zukunft der Nahrungsmittel-Versorgung auf dem Spiel. Die EU hat PONCHO & Co. nicht zuletzt deshalb mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Dagegen klagt der Leverkusener Multi allerdings, hält er doch seine Mittel für unschuldig am Bienensterben. Zum Beweis verweist der Konzern dabei unter anderem auf eine neue Studie mit dem Saatgutbehandlungsmittel PONCHO. An deren Seriösität meldete Holzum allerdings massive Zweifel an. Auch ihre Kollegin Annette Seehaus-Arnold, die Vorsitzende des ImkerInnen-Kreisverbandes Rhön-Grabfeld, kritisierte die Untersuchung, die in Mecklenburg-Vorpommern stattfand. Ihrer Ansicht nach produziert bereits das Studien-Design entlastende Resultate. So waren etwa auch die Bienen aus der Kontrollgruppe Ackergiften ausgesetzt, was einen seriösen Vergleich massiv erschwert. Trotz dieser günstigen Bedingungen konnten die ForscherInnen die Pestizid-Effekte allerdings nicht ganz negieren. So maßen sie einen Clothianidin-Rückstand im Nektar von 3,5 Mikrogramm/kg. Das alles hielt den BAYER-Manager Dr. Richard Schmuck jedoch nicht davon ab, Entwarnung zu geben: „Die Ergebnisse zeigen, dass die früher behördlich zugelassene Behandlung von Raps-Saatgut mit Clothianidin Honigbienenvölkern und den getesteten Wildbienen-Arten keinen Schaden zufügt.“ Schleierhaft blieb Seehaus-Arnold eine solche Schlussfolgerung.
Markus Bärmann versuchte indessen, BAYER schon aus einem Eigeninteresse heraus zu einer Umkehr in Sachen „Neonicotinoide“ zu bewegen. Bienenwachs ist nämlich ein wichtiger Grundstoff für die pharmazeutische Industrie, und eine Verunreinigung kann doch eigentlich nicht im Interesse des Produzenten liegen, meinte der Imker. Christoph Koch vom „Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund“ legte derweil den Zusammenhang zwischen der durch eine Milbe übertragenen Bienenkrankheit Varroatose, welche der Konzern immer für die Dezimierung der Bestände verantwortlich macht, und der Ausbringung von PONCHO & Co. dar. Durch deren Einwirkung sinkt nämlich die Brutnest-Temperatur, was die Vermehrung des Parasiten beflügelt. „Seit die Neonics verwendet werden, gehen unsere Bienen an der Varroa kaputt“, hielt er fest.
Aber der Imker, der schon zum neunten Mal bei einer BAYER-Hauptversammlung sprach, erweiterte diesmal die Perspektive. Koch kritisierte nicht nur das ganze Konzept der durchindustrialisierten Landwirtschaft, wobei er überraschenderweise sogar Unterstützung von Seiten der „Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft“ in Anspruch nehmen konnte, sondern griff auch das dahinterstehende Prinzip an: „Meine Damen und Herren Aktionäre, bei meinen Reden ging es immer nur um die Bienen. Das, was BAYER mit uns Menschen macht, weil es bei den Aktien immer nur ums Geld geht, sogar um sehr viel Geld, das ist das wirklich Schreckliche! Die Honigbienen sind nur der Anfang.“
Werner Baumann jedoch leugnete bereits den reinen Tatbestand des Bienensterbens. Er hatte stattdessen sogar eine wundersame Vermehrung der Bestände um 60 Prozent ausgemacht. Und auf die Pestizide aus seinem Hause ließ er auch nichts kommen: „Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass Neonicotinoide keine Gefahr für die Bienengesundheit darstellen, wenn sie ordnungsgemäß angewendet werden.“

CO & Co.

Aber nicht nur mit Pestiziden bedroht BAYER Mensch, Tier und Umwelt, und nicht nur bei den Agro-Chemikalien leugnet der Konzern diesen Tatbestand. Gottfried Arnold, der in seiner Rede neben dem Gefahren-Potenzial von Ackergiften unter anderem auch dasjenige der Kohlenmonoxid-Leitung des Unternehmens thematisierte, musste diese Erfahrung machen. Nachdrücklich warnte der Kinderarzt vor der Inbetriebnahme des zwischen den Standorten Dormagen und Krefeld verlaufenden Röhrensystems. „Wissen die Aktionäre, welches Hochrisiko-Projekt Sie betreiben mit einer Giftgas-Pipeline, die eine so schlechte Leck-Erkennung hat, dass Hunderte oder Tausende verletzt oder getötet sein könnten, bevor der erste Alarm in der BAYER-Sicherheitszentrale ausgelöst werden kann?“, fragte er.
Dieter Donner, der Presse-Koordinator der Stopp-BAYER-CO-Pipeline-Initiativen, appellierte ebenfalls eindringlich an den Vorstand, von dem Projekt abzulassen: „Bei dem Giftgas CO, das schon mit der Menge eines Weinglases – das sind 100 Milliliter – eingeatmet einen erwachsenen Menschen ohnmächtig und bewegungsunfähig macht und letztlich tötet, sind Transporte unverantwortlich.“ Donner plädierte deshalb dafür, den „ehernen Grundsatz der Chemie“ zu befolgen und die Substanz vor Ort zu produzieren. Auch nach der Weigerung des Bundesverfassungsgerichts, die Verfassungsgemäßheit des Gesetzes, das den Weg für die Pipeline freimachte, zu überprüfen, sieht er keine Zukunft für das Vorhaben. Seiner Meinung nach wird die Entscheidung der Karlsruher RichterInnen, den Fall wieder dem Oberverwaltungsgericht Münster zu übergeben, das Verfahren noch weiter verzögern. Zudem hat Donner zufolge „noch immer das Urteil aus dem Jahr 2011, in dem das Projekt als rechtswidrig (...) beurteilt wurde“, Bestand. Mit Verweis auf den damals von den RichterInnen nicht akzeptierten Antrag, die zahlreichen die Sicherheit zusätzlich gefährdenden Abweichungen vom genehmigten Plan, die sich im Zuge der Arbeiten ergaben, nachträglich abzusegnen, bezeichnete er die Kohlenmonoxid-Leitung als „Schwarzbau“.
Der BAYER-Chef tat jedoch so, als ob er mit alldem nichts mehr zu tun habe. Weil der Leverkusener Multi im Begriff ist, sich von seiner Kunststoff-Sparte zu trennen, gliederte er die Fragen nach der Sicherheit der Kohlenmonoxid-Leitung gleich mit aus. Obwohl der Konzern aktuell noch 44,8 Prozent der Anteile an dem Geschäft mit Plaste & Elaste hält, betonte Werner Baumann, „dass die CO-Pipeline ein Projekt des rechtlich unabhängigen Unternehmens COVESTRO ist, so dass wir uns dazu nicht im Detail äußern können“. Ganz entrückt erschien ihm das Röhren-Werk schon. Auskünfte dazu musste er angeblich bei der BAYER-Tochter einholen. Was er dort zur Gefährlichkeit des Vorhabens vernahm, beruhigte ihn aber völlig. „Insofern sehen wir das von ihnen angedeutete Risiko nicht“, beschied der Ober-BAYER Gottfried Arnold scheinheilig.
Ein anderes umstrittenes Infrastruktur-Projekt setzte Michael Aggelidis von der Partei „Die Linke“ auf die Agenda der Hauptversammlung. Der Bonner Rechtsanwalt sprach über den Plan, die Autobahn A1 in Leverkusen auf bis zu 12 Spuren zu erweitern und eine neue Rheinbrücke zu errichten, was es nötig macht, BAYERs erst zur Landesgartenschau 2005 einigermaßen abgedichtetes Giftgrab „Dhünnaue“ wieder zu öffnen. Als hochgefährlich empfand es der Jurist, die Totenruhe von Quecksilber, Arsen, Chrom, Blei & Co. zu stören – und unnötig noch dazu. Es gibt ihm zufolge nämlich die Alternative, den Verkehr statt über eine Mega-Brücke unterirdisch durch einen Tunnel zu führen und so die Deponie unangetastet zu lassen.
Vom BAYER-Chef erbat Aggelidis die Information, wie er die Altlasten denn zu entsorgen gedenke und wer im Falle des Falles die Haftung für Kontaminationen übernimmt. Der Angesprochene fühlte sich aber wieder mal nicht zuständig. „Die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Landesbetrieb Straßenbau NRW, ist hier Bauherr. Daher müssen Fragen zu eventuellen Haftungen dorthin und nicht an BAYER gerichtet werden. Auch zu Fragen der Abfall-Entsorgung sowie Teil-Abtragung von Abfällen sind die zuständigen Behörden in diesem Fall die richtigen Ansprechpartner.“ Ansonsten versicherte Werner Baumann, Straßen.NRW bei den Neubau-Planungen nach Kräften zu unterstützen. In der Diskussion um „Tunnel oder Stelze“ schien er sich zunächst nicht positionieren zu wollen. „Entgegen Ihrer Annahme haben wir selber keine favorisierte Variante“, teilte er dem kritischen Aktionär mit, um dann jedoch zu einem „aber“ anzuheben: „Aber wir haben immer darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit des Gefahrgut-Transportes gewährleistet sein muss“. Und das sieht der Global Player eben bei einem Tunnel nicht gewährleistet. Obwohl ein Gutachten für ein solches Unterfangen unlängst praktikable Vorschläge machte, mochte das Unternehmen die Ergebnisse nicht akzeptieren. „Für uns ist wichtig, dass der Gefahrgut-Verkehr über eine Autobahn-Trasse möglich ist“, erklärte ein Sprecher von BAYERs Tochter-Firma CURRENTA im März 2017.

Bittere Pillen
Gewohnt umfangreich fiel bei der Hauptversammlung auch wieder die Schadensbilanz von BAYERs Pharma-Sparte aus. Den ersten Eintrag nahm der Internist Dr. Jan Salzmann aus Aachen vor. Er widmete sich in seiner Rede dem Gerinnungshemmer XARELTO und schilderte die Probleme, die dieses Medikament in der Praxis bereitet. Weil Blutungen zu den häufigsten Nebenwirkungen der Arznei gehören und es dafür kein Gegenmittel gibt, zögern die Krankenhäuser Operationen von XARELTO-PatientInnen oftmals aus Angst vor Komplikationen hinaus, obwohl die Eingriffe eigentlich dringlich wären, informierte der Mediziner. Schon an den Zulassungsstudien erhob er Zweifel, hatte der Leverkusener Multi die ProbandInnen doch handverlesen und nur Personen unter 70 Jahre mit gesunden Nieren ausgesucht, um positivere Resultate zu erreichen. „Post-faktisch“ nannte Salzmann daher, was der Global Player gerne unter „Science for a better Life“ subsummiert. Und der Mediziner wusste auch, warum der Konzern zu solchen lebensgefährlichen Tricks greift: aus reiner Profit-Gier.
Es war dann eine Betroffene selbst, die die Schadensbilanz fortschrieb. Dr. Beate Kirk schilderte ihre Erfahrungen mit dem levonorgestrel-haltigen Verhütungsmittel MIRENA. „Mein Fazit: Für meine Psyche war die Verwendung der Hormonspirale eine Katastrophe. Wie viele andere Frauen litt ich unter der Hormonspirale an heftigen Depressionen, weder Antidepressiva noch Gesprächstherapie halfen. Erst nach dem Entfernen der Hormonspirale ging es ständig aufwärts“, so Kirk. Den verkaufsfördernden Verweis auf die lediglich lokale Wirkung der MIRENA muss BAYER mittlerweile in Anführungszeichen setzen, merkte die Apothekerin an. Auch räumt der Konzern ihr zufolge inzwischen selber ein, dass sich das Levonorgestrel im Blutkreislauf nachweisen lässt. Allerdings ist diese Kunde noch längst nicht bis zu allen FrauenärztInnen vorgedrungen, und Beate Kirk ahnte auch schon, weshalb: „Ich persönlich frage mich, welche Informationen die Pharma-Referenten des Arzneimittel-Herstellers den Mitarbeitern der gynäkologischen Praxen vermitteln.“
Natürliche nur „sachliche, wissenschaftliche Informationen“, vermeldete Werner Baumann. Ansonsten ging er bei der Konfrontation mit einer Pharma-Geschädigten wieder nach dem alten Muster vor. Er drückte ob der erschütternden Krankengeschichte sein Mitgefühl aus, blieb in der Sache aber hart. „Wir bedauern es sehr, dass Sie persönlich eine Beeinträchtigung ihrer Gesundheit erlitten haben, die Sie in Zusammenhang mit der Verwendung unseres Produktes bringen. Das Nutzen/Risiko-Profil von MIRENA ist allerdings positiv“, so der Ober-BAYER. Nur leider musste der Manager einräumen, dass die Aufsichtsbehörden sich dieses Profil derzeit genauer anschauen – und zwar gerade im Hinblick auf die von Beate Kirk so leidvoll erfahrene Nebenwirkung „Depression“.
Thomas Gabel buchte dann den nächsten Posten in die Schadensbilanz ein. Er sprach für die Betroffenen des AIDS-Skandals der 1980er Jahre. Damals hatten BAYER & Co. Blutprodukte auf den Markt gebracht und sich aus Profit-Gründen gespart, die Präparate Virus-Inaktivierungsverfahren zu unterziehen. In der Folge infizierten sich Gabel und Zehntausende Bluter sowie andere auf Blutkonserven angewiesene PatientInnen mit AIDS und/oder Hepatitis-C. „Wie wurden in der BAYER AG die Verantwortlichen für die HIV-Infektionen zur Rechenschaft gezogen?“, wollte der Bluter deshalb vom Vorstand wissen. Er zählt zu den nur noch 550 Überlebenden in der Bundesrepublik. Oftmals können sie nicht mehr voll oder gar nicht mehr arbeiten und sind deshalb auf das – magere – Zubrot der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ angewiesen. An der Gründung dieser Einrichtung im Jahr 1995 hatten sich BAYER und andere Unternehmen beteiligt. Aber die Kranken lebten länger, als die Konzerne einkalkuliert hatten, und so versuchten sie in der Folge permanent, ihren Anteil am Etat zu drücken. Auch in diesem Frühjahr liefen wieder Verhandlungen mit der Bundesregierung, die sich schwierig gestalteten. Darum fragte Gabel: „Warum gibt es von Seiten der BAYER AG noch immer keine konkrete Zusage für Zustiftungen in den nächsten Jahren?“
„Wir sind mit dem Gesundheitsministerium in konstruktiven Gesprächen über die weitere Beteiligung der Pharma-Industrie an der Sicherung der Zukunft der Stiftung“, antwortete ihm Werner Baumann – wider besseren Wissens. Zu diesem Zeitpunkt war nämlich der Ausstieg der Konzerne aus dem Hilfsfonds längst beschlossene Sache. Ohnehin sah er in dem Mitwirken an dem Unterstützungswerk nur einen Akt der Barmherzigkeit, aber längst kein Schuldeingeständnis: „BAYER bestreitet (...) ein Fehlverhalten bei der Herstellung und Vermarktung dieser Produkte.“
Dies sollte Baumann auch bei dem Präparat tun, welches das Pharma-Kapitel im „Schwarzbuch BAYER“ schloss: DUOGYNON. Dieser hormonelle Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Gleich zwei Frauen berichteten in Bonn von diesem schweren Einschnitt in ihrem Leben. Valerie Williams war dazu extra aus England angereist. Sie hat nie wie andere Mütter mit Freude erleben dürfen, „wie die Kinder älter werden, wie sie Freundschaften schließen und Erfahrungen machten“, erzählte sie und nannte den Umgang mit dem Medikament „vorsätzlichen Kindesmord“. Margret-Rose Pyta war Zeugin eines solchen: Ihre beiden Kinder starben in jungen Jahren. „Zwei Kinder, die hätten leben können. Sie wurden ums Leben gebracht, weil mir mein Frauenarzt DUOGYNON gegeben hat“, klagte sie an und wendete sich an den Vorstandsvorsitzenden: „Ich möchte, dass Sie Verantwortung übernehmen!“ Das mochte der Angesprochene jedoch nicht: „Wir schließen DUOGYNON als Ursache für embryonale Missbildungen aus“, hatte Baumann schon in seiner Reaktion auf die Rede Gottfried Arnolds klargestellt.
Eigentlich sollte sich der BAYER-Chef an diesem Tag noch mehr über den Schwangerschaftstest anhören müssen. Auf der RednerInnen-Liste stand nämlich ursprünglich der Name von Petra Marek. Da die Ratzeburgerin auf einen Rollstuhl angewiesen ist und eine so lange Veranstaltung nur unter großen Anstrengungen durchsteht, hat die Coordination im Vorfeld Kontakt mit den BAYER-Verantwortlichen aufgenommen und von ihnen auch die Zusicherung erhalten, die Medikamenten-Geschädigte frühzeitig ans RednerInnen-Pult zu rufen. Dies ist jedoch nicht geschehen, und irgendwann am späten Nachmittag zwangen ihre angeschwollenen Beine Petra Marek, unverrichteter Dinge wieder die Heimreise anzutreten. Offenbar wollte der Konzern sich und seinen AktionärInnen den Anblick eines Menschen ersparen, den DUOGYNON in den Rollstuhl brachte. In der Absicht, einen versöhnlichen Abschluss der Hauptversammlung zu inszenieren, ließ BAYER lieber Joachim Kregel von der „Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger“ den Endpunkt setzen. Dieser aber konnte die 26 kritischen AktionärInnen, die vor ihm geredet und die Folgen der unerbittlichen Profit-Gier so eindringlich beschrieben hatten, nicht so einfach vergessen machen.

[Antrag Xarelto] Gegenantrag XARELTO

CBG Redaktion
Presse-Information vom 12.4.17 Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. (CBG) Mein Essen zahl ich selbst! (MEZIS)

Gegenantrag zu TOP2

der BAYER-Hauptversammlung am 28. April 2017

Der Gerinnungshemmer XARELTO muss vom Markt!

(der Original-Gegenantrag am Ende der Presseerklärung im vollen Wortlaut) Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert den BAYER-Konzern auf, die Vermarktung des Gerinnungshemmers XARELTO wegen seiner vielen Risiken und Nebenwirkungen zu stoppen. Einen entsprechenden Gegenantrag hat die CBG in Zusammenarbeit mit MEZIS, der Initiative unbestechlicher ÄrztInnen und Ärzte, zur Hauptversammlung des Unternehmens eingereicht. Im letzten Jahr gingen beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BrArM) 117 Meldungen über Todesfälle im Zusammenhang mit der Einnahme von XARELTO ein. Insgesamt registrierte die Behörde 1.449 Einträge wegen unerwünschter Pharma-Effekte. Meistens handelte es sich dabei um Blutungen. Aber auch Leber-Schädigungen traten häufiger auf. Und in jüngster Zeit kommen noch Haut- und Blut-Krankheiten hinzu. Den US-amerikanischen Gerichten liegen wegen dieses (Un)Sicherheitsprofils laut BAYER-Geschäftsbericht bereits über 16.000 Klagen von Geschädigten vor. „Die Verordnung von XARELTO verstößt gegen den hippokratischen Eid, da es sicherere Alternativen gibt“, sagt Jan Salzmann vom MEZIS-Vorstand. „Primum nihil nocere – „Zuerst einmal nicht schaden“ – das gilt heute so wie vor 2000 Jahren“, so der Internist aus Aachen. Schon in den Zulassungstests hat der XARELTO-Wirkstoff Rivaroxaban bloß die „Nicht-Unterlegenheit“ gegenüber Marcumar zu demonstrieren vermocht. Und das auch nur mittels zweifelhafter Methoden. Der Leverkusener Multi hat nämlich den ProbandInnen das Konkurrenz-Produkt nicht ordnungsgemäß verabreicht. Zudem verwendete er zur Bestimmung des Blutgerinnungswertes dieser PatientInnen ein nicht ordnungsgemäß arbeitendes Gerät. Lediglich mit Hilfe aggressiver und viel Geld verschlingender Werbung gelang es BAYER, den Gerinnungshemmer zu einem Milliarden-Seller zu machen. Diese Meinung vertritt auch die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ (AkdÄ). „Ohne eine große Marketing-Strategie werden Sie ein Medikament mit einem marginalen Nutzen wie beispielsweise XARELTO nie auf dem Markt platzieren können“, konstatiert der AkdÄ-Vorsitzende Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig. „Der Umgang BAYERs mit XARELTO ist verantwortungslos. Darum werden wir das Thema auf die Agenda der Hauptversammlung setzen und die AktionärInnen drängen, den Vorstand nicht zu entlasten und stattdessen für den Gegenantrag der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu stimmen“, so Jan Pehrke von der CBG abschließend. Presse-Kontakt: Jan Pehrke (CBG) 0211/333911 Jan Salzmann (MEZIS) 0241/508074 Zu den Demonstrationen und Aktionen zur BAYER-Hauptversammlung 2017 hier mehr

Hier der Original-Gegenantrag

Coordinadora contra los peligros de la BAYER Coalition against BAYER-Dangers Coordination contre les méfaits de BAYER - Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. Für Umweltschutz und sichere Arbeitsplätze bei BAYER weltweit! Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. Postfach 15 04 18 40081 Düsseldorf Bayer Aktiengesellschaft Gebäude Q 26 (Rechtsabteilung) Kaiser-Wilhelm-Allee 20 51373 Leverkusen Hauptversammlung am 28. April 2017 Hiermit zeige ich an, dass ich zum Punkt 2 der Tagesordnung den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrats widerspreche und die anderen AktionärInnen veranlassen werde, für den folgenden Gegenantrag zu stimmen.

Gegenantrag zu TOP 2:

Der Vorstand wird nicht entlastet Der Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban ist eines der umsatzstärksten und am meisten umworbenen Arzneimittel der Firma Bayer. Gegenüber dem Goldstandard Phenprocoumon ist es zwar gleich wirkungsstark, aber erheblich teurer und birgt mehr Risiken. Es wird damit geworben, dass nun Gerinnungskontrollen nicht mehr nötig seien. Die Zulassungsstudien wurden allerdings mit Nierengesunden und Menschen unter 70 Jahren durchgeführt. Hierbei handelt es sich nicht um die typischen PatientInnen, die einen Gerinnungshemmer benötigen. Bei alten und nierenschwachen PatientInnen bedeutet die Therapie mit Rivaroxaban einen Blindflug, der nicht selten tödlich endet. Ein weiterer Nachteil von Rivaroxaban besteht darin, dass kein valides Gegenmittel im Falle einer plötzlich notwendigen OP oder bei einer nicht zu stoppenden Blutung zur Verfügung steht. Studien, die eine Überlegenheit von Rivaroxaban andeuten, sind unter anderem mit defekten INR-Geräten zur Bestimmung des Blutgerinnungsstatus’ durchgeführt worden. Zudem waren 34 Prozent der Vergleichsgruppe unzureichend auf ihr Medikament, einen Vitamin-K-Antagonisten, eingestellt. Da es sowohl im Bereich der Vitamin-K-Antagonisten als auch im Bereich der NOAKs Alternativen zu Rivaroxaban gibt, ist es derzeit ethisch nicht vertretbar, dieses Präparat zu verordnen und seitens der Firma Bayer zu vermarkten. Der Vorstand setzt sich jedoch über diese Bedenken hinweg. Deshalb ist ihm die Entlastung zu verweigern. Der Vorstand der Firma Bayer wird zudem aufgefordert • die Studiendaten, die zur Zulassung von Rivaroxaban führten, offenzulegen • dafür zu sorgen, dass zeitnah ein geeignetes Antidot zur Verfügung gestellt wird • irreführende Werbung zu Rivaroxaban einzustellen • Einflussnahme auf Leitliniengremien der Fachgesellschaften zu unterlassen Um Mitteilung dieses Gegenantrags sowie der Begründung bitte ich gemäß §§ 125, 126 AktG. Die Aktionärinnen und Aktionäre werden gebeten, ihre Stimmrechte der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu übertragen. Für den Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. Jan Pehrke Beirat Dr. Erika Abczynski, Kinderärztin, Dormagen Hiltrud Breyer, ex MdEP, Berlin Eva Bulling-Schröter, MdB, Berlin Wolfram Esche, Rechtsanwalt, Köln Prof. Jürgen Junginger, Designer, Krefeld Prof. Dr. Jürgen Rochlitz, Chemiker, eh. MdB Prof. Rainer Roth, Sozialwissenschaftler, Frankfurt Arne Semrott, Politologe, Berlin

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2017

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG-Jahrestagung 2016
Aus gegebenem Anlass widmete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre diesjährige Jahrestagung dem Thema: „BAYER/MONSANTO – Tod auf den Äckern, Gifte im Essen“. Zu Beginn referierte Uli Müller von LobbyControl über die vielfältigen Möglichkeiten der Agro-Riesen., Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP, das die EU und die USA zurzeit verhandeln, hatten die Konzerne Müller zufolge „auf beiden Seiten die Finger im Spiel“. Über ihre Lobby-Organisationen wie die „European Crop Protection Association“ oder „Croplife America“ versuchten die Multis beiderseits des Atlantiks, niedrigere Auflagen für Pestizide und Gen-Pflanzen durchzudrücken. Und Brüssel diente sich ihnen dabei zu allem Übel auch noch als williger Helfer an. Dies belegte der Politikwissenschaftler mit Zitaten aus Briefwechseln. So erbat die Europäische Kommission von BAYER & Co. etwa Informationen darüber, „wie wir die Rahmenbedingungen für die Industrie verbessern können“. Der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold widmete sich anschließend dem Agrar-Markt der EU. Am Beispiel einer Studie über Saatgut zeichnete er die Entwicklung zu einer immer größeren Konzentration der Anbieter nach, die mit den angekündigten Zusammenschlüssen von BAYER/MONSANTO, DOW/DUPONT und SYNGENTA/CHEMCHINA einem vorläufigen Höhepunkt zustrebt. Die bei der Europäischen Kommission für die Prüfung der Deals verantwortliche Wettbewerbskommissarin Margrethe Verstager versicherte dem einstigen ATTAC-Aktivisten, die Untersuchung werde bei dem Verfahren eine Rolle spielen. Giegold setzt auf solche Einflussmöglichkeiten und plädierte im Übrigen für eine Arbeitsteilung zwischen parlamentarischen und außerparlamentarischen Initiativen: „Den Lärm müsst ihr machen.“ Dazu erklärte sich der neue CBG-Geschäftsführer Toni Michelmann zu Beginn seines Vortrags auch gerne bereit. Mit dem Bekenntnis: „Ich bin zum Krawall machen hier“ begann er seinen Vortrag. Dann skizzierte er die ungeheure Macht des Leverkusener Unternehmens und gab ein Bild davon, was der Menschheit blüht, wenn es dem Global Player gelingen sollte, sich MONSANTO einzuverleiben: Eine durch Glyphosat & Co. vergiftete Welt mit grünen Wüsten, auf denen nichts mehr kreucht und fleucht. Der Chemiker zeigte sich jedoch guter Hoffnung, dass es nicht so weit kommt. Er berichtete vom Den Haager MONSANTO-Tribunal und der angegliederten People’s Assembly, wo die CBG viele Kontakte knüpfte und zur nächsten BAYER-Hauptversammlung bereits konkrete Aktionen gegen die „Hochzeit des Todes“ verabredete. Und so traten die rund 60 BesucherInnen der CBG-Jahrestagung ihre Heimreise am Abend dann in dem Bewusstsein an, dem Monopoly-Spiel der Agro-Riesen nicht hilflos ausgeliefert zu sein.

ForscherInnen für GAUCHO-Stopp
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben. Die EU hat einige dieser Agrochemikalien deshalb schon mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Vielen WissenschaftlerInnen reicht dies jedoch nicht aus. In einer „Resolution zum Schutz der mitteleuropäischen Insektenfauna, insbesondere der Wildbienen“ fordern 77 BiologInnen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) deshalb auf, „ein vollständiges Verbot von Neonicotinoiden, mindestens aber ein vollständiges, ausnahmsloses Moratorium für ihren Einsatz bis zum wissenschaftlich sauberen Nachweis ihrer Umweltverträglichkeit“ zu erlassen. Zudem verlangen die ForscherInnen in dem Schriftstück Maßnahmen zur Erhöhung der Strukturvielfalt von Kulturlandschaften und ein Insekten-Langzeitmonitoring.

Aktion bei BAYER in Belgien
Am 4. November 2016 schlug am BAYER-Sitz im belgischen Diegem die Natur zurück. Verkleidet in Tier-Kostüme, statteten AktivistInnen der Initiative EZLN der Niederlassung des Leverkusener Multis einen Besuch ab und gestalteten die Eingangshalle mit etwas Laub, Erde und Geäst um. Zudem brachten die EZLNlerInnen ein Transparent mit der Aufschrift „BAYER-MONSANTO – TTIP kills life“ an. Damit protestierten sie gegen das zwischen der EU und den USA geplante Freihandelsabkommen, das niedrigere Standards bei der Regulierung von Pestiziden, hormon-wirksamen Substanzen und anderen Stoffen vorsieht und aus eben diesen Gründen von den Konzernen mit aller Lobby-Macht vorangetrieben wird. „Es ist dringend nötig, die Einflussnahme des Privatsektors auf die Politik zu stoppen“, erklärte die Organisation, dabei nicht nur auf TTIP, sondern auch auf die Obstruktion des Klimaschutzes verweisend.

Petition gegen Hormon-Gifte
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinander wirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie RUNNER, PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassung verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Definition der Pseudo-Hormone – sogenannter „endokriner Disruptoren“ (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Die Bestimmungen kehren jedoch die Beweislast um und fordern eindeutige Belege für die gesundheitsschädliche Wirkung der EDCs; ein plausibler Verdacht reicht Juncker & Co. nicht aus. Da dies nicht dem Vorsorge-Prinzip entspricht, hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK die Online-Petition „Gesundheit geht vor – Hormon-Gifte stoppen“ initiiert, welche der BUND, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und zahlreiche andere Initiativen mittragen. So konnte das Bündnis der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am 30.11.2016 rund 100.000 Unterschriften übergeben.

Petition gegen CIPROBAY & Co.
BAYERs CIPROBAY hat ebenso wie andere Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Am häufigsten treten Gesundheitsstörungen im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen oder des Nervensystems auf. Aber auch Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten und Leber- oder Nierenversagen zählen zu den Risiken. Bundesdeutsche Geschädigte haben nun auf der „We act“-Plattform des Aktionsnetzwerks CAMPACT eine Petition veröffentlicht. Darin fordern sie das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) und die europäische Arzneimittel-Behörde EMA auf, mehr Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Sie verlangen von den Institutionen, den Einsatz der zu den Reserve-Antibiotika zählenden Mittel auf lebensbedrohliche Situationen zu beschränken. BAYER & Co. müssten zudem zum Anbringen eines Warn-Symbols auf den Packungen und zu Unverträglichkeitstests vor dem Verschreiben der Arzneien gezwungen werden, so die AktivistInnen. Anfang Oktober 2016 hatten schon über 2.000 Personen die Petition unterschrieben.

KAPITAL & ARBEIT

Entlassungen in Mission Bay
BAYER stellt am Standort Mission Bay nahe San Francisco die Forschungen zu Blut- und Augenkrankheiten ein und streicht die Stellen der WissenschaftlerInnen, die auf diesen Gebieten gearbeitet haben.

Werksfeuerwehr-Leute bessergestellt
Seit Jahren kämpft die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE um eine Besserstellung der Beschäftigten bei den Werksfeuerwehren. Schon im Jahr 2014 kam es in der Sache zu einer Protest-Veranstaltung vor dem BAYER-Casino. Aber die Chemie-Industrie schaltete immer auf stur. Darum musste sich eine höhere Instanz damit befassen: Zum ersten Mal seit 20 Jahren traten die „Tarifpartner“ der Branche in ein Schlichtungsverfahren ein. Und erst im Zuge dieses Prozederes zeigten sich BAYER & Co. zu Zugeständnissen bereit. Sie garantieren nun den Feuerwehr-Leuten – allein bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA arbeiten rund 360 – Ersatz-Arbeitsplätze, wenn diese aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein sollten, die anspruchsvolle Tätigkeit auszuüben. Auch Zuschläge für Nacht-Einsätze und sonntägliche Dienste zahlen die Unternehmen jetzt.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Arzneitests in Kinderheimen
Ausgehend von den Recherchen der Pharmazeutin Sylvia Wagner machen seit einiger Zeit Meldungen über Arznei-Tests in Kinderheimen und Jugend-Psychiatrien Schlagzeilen, die zwischen den 1950er und 1970er Jahren stattfanden. Ende November 2016 stießen ReporterInnen des NDR auf Unterlagen des Landeskrankenhauses Schleswig, die Versuche auch mit BAYER-Medikamenten dokumentieren (siehe auch SWB 1/17). So erprobten MedizinerInnen der jugendpsychiatrischen Abteilung zwei Pharmazeutika des Pillen-Riesen, ohne dafür eine Einwilligung der ProbandInnen oder ihrer Erziehungsberechtigten eingeholt zu haben. Das Neuroleptikum MEGAPHEN mit dem Wirkstoff Chlorpromazin testeten die ÄrztInnen als Therapeutikum gegen zu „zappelige“ SchülerInnen. 23 „anstaltsgebundenen Sonderschul-Kindern“ verabreichten sie es. Das Neuroleptikum AOLEPT mussten sogar 141 Kinder und Jugendliche schlucken. Dabei zeigten sich gravierende Nebenwirkungen wie etwa „Muskelverkrampfungen an den Augen, des Rückens und der mimischen Muskulatur“. Die Kieler Medizin-Ethikerin Alena Buyx hält die Praxis sogar nach damaligen Maßstäben für höchst problematisch. „Das ist ethisch unzulässige Forschung“, urteilte sie in dem NDR-Bericht.

IG FARBEN & HEUTE

IG-Manager bleibt KIT-Ehrensenator
Über ihren Nachruhm können sich viele Manager des von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzerns IG FARBEN nicht beklagen. So lebt etwa Carl Wurster nicht nur im Straßenbild von Ludwigshafen weiter, wo ein Platz nach dem ehemaligen Wehrwirtschaftsführer benannt ist. Beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat es der Chemiker, der für die IG im Aufsichtsrat des Zyklon B-Produzenten DEGESCH saß, sogar zum Ehrensenator gebracht. Davon ließ sich das KIT nicht einmal durch massive Proteste abbringen. Es bedauert zwar, „dass es Ehrungen von Personen gab, die in Aktivitäten des nationalsozialistischen Unrechtsstaats verstrickt waren“, ist aber dennoch „der vorherrschenden Rechtsauffassung gefolgt, dass die Ehrung als höchstpersönliches Recht mit den Tod des/der Geehrten erlischt und damit eine nachträgliche Aberkennung faktisch nicht mehr möglich ist“.

POLITIK & EINFLUSS

Hannelore Kraft bei BAYER
Am 7. Dezember 2016 feierte der BAYER-Konzern das 125-jähriges Bestehen am Standort Leverkusen. Zu den GratulantInnen in seinem Erholungshaus konnte das Unternehmen auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begrüßen. Wie bereits 2013 zum 150-jährigen Firmen-Jubiläum hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Ministerpräsidentin aufgefordert, in ihrem Geburtstagsständchen das lange Sündenregister des Global Players nicht auszuklammern. „Obwohl die Stadt Leverkusen Stammsitz eines der größten Konzerne der Welt ist, erlebt sie eine Rekord-Finanznot. Bei Schulen, Kinderbetreuung, Gesundheit und Freizeit – überall ist der Mangel spürbar. Die Kommune ist sogar auf die Unterstützung des Landes aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen angewiesen. Und das alles, weil BAYER sich durch „tausend legale Steuertricks“ um Abgaben in Millionen-Höhe drückt. Statt Lobreden erwarten wir deshalb Kritik von Hannelore Kraft“, hieß es in der Presseerklärung der CBG. Auch zu anderen dunklen Kapiteln aus der Firmen-Geschichte wie etwa der Rolle im Nationalsozialismus dürfe Kraft nicht schweigen, mahnte die Coordination. Aber die Sozialdemokratin entpuppte sich als Wiederholungstäterin und sprach die heiklen Themen wie schon 2013 nicht an. Stattdessen stand sie in Treue fest zu BAYER. „Wir sind ein Industrieland. Und wir wollen es bleiben“, konstatierte Hannelore Kraft. Die Ministerpräsidentin versprach, den Leverkusener Multi auch in Zukunft vor allem Unbill zu schützen. Vor allem dasjenige, das aus Richtung der EU droht, wie etwa der Plan, den Ausstoß des klima-schädlichen Kohlendioxids durch eine Verteuerung der Verschmutzungsrechte stärker zu sanktionieren, hatte sie dabei im Blick. „Wir kämpfen weiter für den Industrie-Standort, auch in Brüssel“, erklärte Kraft.

EU fördert Geheimniskrämerei
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat schon so einige leidige Erfahrungen mit BAYERs Geschäftsgeheimnissen machen müssen. So weigerte sich der Leverkusener Multi unter Berufung auf ebendiese erfolgreich, Einblick in den mit der Universität Köln geschlossenen Forschungskooperationsvertrag zu gewähren. Auch auf den Hauptversammlungen nutzt er gern diese Ausrede, um Fragen zu den Verkaufszahlen umstrittener Produkte unbeantwortet zu lassen. Nichtsdestotrotz will die EU diese Geheimniskrämerei der Konzerne künftig noch weiter fördern. In einer neuen Richtlinie „über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb und rechtswidriger Nutzung und Offenlegung“ erklärt sie jede Information für sakrosankt, deren Veröffentlichung den Unternehmen zu ökonomischem Schaden gereichen könnte. Vergeblich hatte der Whistleblower Antoine Deltour, der den LuxLeaks-Steuerskandal aufgedeckt hatte, an die Europäische Union appelliert, das Vorhaben fallenzulassen. Auch die Kritik von JournalistInnen-Verbänden und Gewerkschaften, die durch das Paragrafen-Werk „in erheblichen Umfang die Meinungs- und Pressefreiheit“ beschränkt sahen, fand kein Gehör.

Wenning im FDP-Wirtschaftsforum
„Fast 70 Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft unterstützen das Comeback der Freien Demokraten. Sie haben sich dazu im FDP-Wirtschaftsforum organisiert, um die Parteiführung zu beraten“, vermeldet die FDP. Zu diesen ManagerInnen, deren Zahl mittlerweile auf 77 angestiegen ist, gehört auch BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning. Er und seine KollegInnen haben der Partei bisher unter anderem „einfache Unternehmensgründungen“, „eine leistungsfähige Infrastruktur für Verkehr und Datenübertragung“ und nicht zuletzt „ein Steuerrecht, das Wachstumsbremsen löst, anstatt sie weiter anzuziehen“ auf die Agenda gesetzt.

PROPAGANDA & MEDIEN

Neues Media Center schafft Akzeptanz
„Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz wurde in einer Studie des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) als eines der Top-Hemmnisse für Innovationen benannt“, konstatiert Denise Rennmann, die bei BAYER den Bereich „Public & Governmental Affairs“ leitet. Die zunehmende Kritik an der Gentechnik und anderen neuen Hervorbringungen der Industrie bereitet dem Leverkusener Multi schon länger Sorge. Darum hat er sich Gedanken über eine „intensivere Wissenschaftskommunikation“ gemacht und die Idee ausgebrütet, ein „Science Media Center“ zu gründen. Dieses soll nach britischem Vorbild JournalistInnen mit „objektiven“ Informationen zu strittigen Themen aus dem Forschungsbereich versorgen. Im Jahr 2012 lud der Global Player zu diesem Behufe interessierte Kreise nach Berlin ein. Anschließend betraute er eine Arbeitsgruppe mit der Entwicklung eines Konzepts für eine solche Unternehmung und warb parallel dazu bei anderen Firmen, Zeitungen und Forschungseinrichtungen um Unterstützung. 2015 schließlich war es soweit. Die „Science Media Center Germany gGmbH“, getragen von der Stiftung des SAP-Mitgründers Klaus Tschira, nahm ihre Arbeit auf. „Wenn Journalisten den öffentlichen Diskurs mit verlässlichem Wissen und kompetenten Stellungnahmen bereichern wollen, dann steht ihnen das SMC Germany dabei zur Seite“, heißt es auf der Website. Einige Stichproben konnten das allerdings nicht bestätigen. Zu den Themen „Bienensterben“ oder „hormon-ähnliche Chemikalien“ findet sich beim SMC nichts. Und während der Eintrag zu Glyphosat einigermaßen ausgewogen daherkommt, lässt das Center bei den Informationen zur neuen Gentechnik CRISPR/Cas kritische Positionen unter den Tisch fallen.

14 Millionen für US-MedizinerInnen
Im Jahr 2015 standen 2.400 bundesdeutsche ÄrztInnen auf der Gehaltsliste von BAYER. Der Leverkusener Multi engagierte sie unter anderem als RednerInnen auf Kongressen, BeraterInnen oder lud sie zu Fortbildungsveranstaltungen ein. 7,5 Millionen Euro gab der Konzern dafür aus. In den USA ließ er sich das noch mehr kosten. Wie die US-Plattform ProPublica recherchierte, investierte der Pharma-Riese dort von August 2013 bis Dezember 2014 14 Millionen Dollar in die Pflege der medizinischen Landschaft.

1,3 Millionen für Fachgesellschaften
BAYER lässt sich die Pflege der medizinischen Landschaft so einiges kosten. Der Leverkusener Multi bedenkt nicht nur ÄrztInnen und Krankenhäuser mit Millionen-Beträgen (siehe oben und Ticker 4/16), sondern auch die medizinischen Fachgesellschaften. Rund 1,3 Millionen Euro erhielten diese im Jahr 2015. Und wenn sich die Tätigkeit der Organisationen auf ein Gebiet erstreckt, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ über 253.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese bestimmt bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate (siehe DRUGS & PILLS). Zur Umsatz-Steigerung seines risiko-reichen Gerinnungshemmers XARELTO investierte er indessen 189.000 Euro in die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung“ und 122.000 Euro in die „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“.

PR für NEBIDO & Co.
Eigentlich sollten die Pharma-Firmen Medikamente für bestimmte Krankheiten entwickeln. Manchmal gehen sie jedoch den umgekehrten Weg und entwickeln Krankheiten für bestimmte Medikamente. So hat BAYER die männlichen Wechseljahre erfunden, um einen größeren Markt für NEBIDO und andere Hormon-Präparate zu schaffen. Praktischerweise hat der Konzern dafür auch gleich noch einen Fachbegriff in Beschlag genommen, der eigentlich nur einen wirklich krankhaften Testosteron-Mangel beschreibt: Hypogonadismus. Allerdings stehen NEBIDO & Co. seit einiger Zeit wegen ihrer zahlreichen Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik. Deshalb geht der Leverkusener Multi nun in die Offensive. Beim europäischen Kongress für Männergesundheit, den die von ihm großzügig alimentierte „European Academy of Andrology“ in Rotterdam ausrichtete, sponserte er ein Symposion, das sich mit der Frage befasste: „Long-term treatment of hypogonadism – just a risky lifestyle intervention?“ Die vom Leverkusener Multi engagierten „Mietmäuler“ Abraham Morgentaler, Farid Saad, Kevin S. Channer und Linda Vignozzi antworteten natürlich unisono: „Nein.“

Mehr PR für DR SCHOLL’S & Co.
In den USA hat BAYER dieses Jahr größere Anstrengungen unternommen, um die Werbetrommel für seine rezeptfreien Medizin-Produkte, die so genannte „Over the Counter“-Ware (OTCs), zu rühren. Vor allem mit dem Bekanntheitsgrad der Sonnenschutzmittel aus der COPPERTONE-Reihe und der Fußpflege-Artikel der DR SCHOLL’S-Familie, die mit dem Kauf der OTC-Sparte von MERCK ins Portefeuille des Leverkusener Multis gelangten, zeigten sich die Konzern-StrategInnen unzufrieden (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). „Ich hoffe, die Leute werden in den nächsten Jahren lernen, dass BAYER mehr ist als ASPIRIN“, so Phil Blake, der US-Chef des Pharma-Riesen, zum Sinn der Übung. Der Konzern lässt dabei keinen Kanal ungenutzt. Von TV und Zeitungen über FACEBOOK und INSTAGRAM bis hin zu TWITTER erstreckt sich die Kampagne.

BAYERs Shitstormer
Rund 500 Beschäftigte arbeiten in BAYERs PR-Abteilung. Das reicht allerdings nicht, um gegen den notorisch schlechten Ruf des Unternehmens anzukämpfen. Deshalb bedient sich der Konzern zusätzlich externer Kräfte. Gilt es etwa, im Zuge eines Skandals vertrauensbildende Maßnahmen einzuleiten, so greift der Leverkusener Multi gerne auf die Dienste von Christian Schwerg zurück. Dieser hat nämlich die Krisen-Kommunikation zu seinem Spezialgebiet auserkoren – den „Shitstormer“ nennt Die Zeit ihn deshalb. „Wir können nichts ungeschehen machen. Ab einer bestimmten medialen Verbreitung kann man nur offensiv vorgehen und das Thema in die Rehabilitationsstrategie integrieren“, sagt er über seine Arbeitsweise. Schwerg bietet für BAYER & Co. sogar vorbeugende Maßnahmen an, um deren ÖffentlichkeitsarbeiterInnen zu lehren, gut mit „bad news“ umzugehen. „Wir simulieren auch gerne mal Nachrichten auf News-Portalen oder geben uns als Journalisten aus, rufen an und senden E-Mails mit Vorwürfen“, plaudert der PR-Profi aus dem Nähkästchen.

TIERE & VERSUCHE

Tierversuchs-Richtlinie verwässert
Bei der Ausarbeitung der Tierversuchs-Richtlinie der EU hatten PolitikerInnen aus Deutschland BAYER & Co. vor allzu strengen Auflagen bewahrt. Und bei der Umsetzung in bundesdeutsches Recht musste das Paragrafen-Werk noch einmal gehörig Federn lassen. So unterliegen zu Bildungszwecken vorgenommene Tier-Experimente keiner Genehmigungspflicht mehr, sondern nur noch einer Meldepflicht. Auch ein Verbot besonders leidvoller Erprobungen fehlt in der deutschen Version. Der Jurist Dr. Christoph Maisack stellte in einem Gutachten insgesamt 18 Abweichungen vom ursprünglichen Text fest, die es dem Leverkusener Multi leichter machen, seine Tierversuche – im Geschäftsjahr 2015 waren es 133.666 – nicht zu reduzieren. Der Verein ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE hat bei der EU-Kommission wegen der Aufweichung der Richtlinie eine Beschwerde eingereicht.

DRUGS & PILLS

30.000 ESSURE-Geschädigte
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. 30.000 Meldungen über solche unerwünschten Arznei-Effekte hat BAYER bereits erhalten.

NICE nicht nice zu NEXAVAR
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs NEXAVAR zu Behandlung von Leberkrebs durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. „Es bleiben signifikante Unsicherheiten“, konstatierte die Behörde. Selbst eine vom Pillen-Riesen vorgenommene Preissenkung konnte die PrüferInnen nicht erweichen, dem „National Health Service“ die Übernahme der Therapie-Kosten zu empfehlen. Aber der Leverkusener Multi gibt sich noch nicht geschlagen und hofft weiter auf ein positives NICE-Votum in Sachen „NEXAVAR“.

Alzheimer durch ANTRA
Protonenpumpen-Hemmer mit dem Wirkstoff Omeprazol wie BAYERs ANTRA steigern das Alzheimer-Risiko. Das ergab eine Studie der Universität Bonn. Der Untersuchung zufolge setzen sich ANTRA-PatientInnen einer um 44 Prozent höheren Gefährdung aus, diese Krankheit zu bekommen, als Menschen, welche die Mittel nicht einnehmen. Die Präparate, die hauptsächlich bei Sodbrennen, aber auch zum Schutz vor Blutungen der Magenschleimhaut zum Einsatz kommen, haben jedoch noch mehr Nebenwirkungen. Da die Arzneien die Magensäure-Produktion fast komplett unterbinden, verschaffen sie Bakterien ein gedeihlicheres Klima, was den Ausbruch von Infektionen fördert. Zudem stören die Medikamente die Kalzium-Gewinnung aus der Nahrung und schwächen so die Knochen. Wegen solcher Gegenanzeigen warnen bundesdeutsche MedizinerInnen bereits seit Langem vor einem zu sorglosen Umgang mit ANTRA & Co. Allerdings fruchteten ihre Warnungen nicht – seit einiger Zeit sind diese Medikamente nicht einmal mehr verschreibungspflichtig. Und nicht zuletzt deshalb verfünffachte sich ihre Einnahme in den letzten Jahren.

Blockbuster EYLEA
EYLEA, das BAYER-Präparat zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Einen Zusatznutzen mochte das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) dem Gentech-Medikament deshalb nicht zu bescheinigen. Trotzdem entwickelt sich die Arznei dank BAYERs massivem Werbeaufwand zu einem Blockbuster. Dem „Innovationsreport 2016“ der Techniker Krankenkasse zufolge verzeichnete es die größten Umsatz-Zuwächse aller hierzulande im Jahr 2012 neu zugelassenen Medikamente. 2014 kam das Präparat auf fast 18 Millionen Euro – ein Plus von 458 Prozent gegenüber 2013.

USA: mehr Auflagen für NEBIDO & Co.
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue, nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben. Studien warnen allerdings vor den Gefahren der Mittel. So können die Arzneien neuesten Untersuchungen zufolge das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen, was die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA zu einer Reaktion veranlasste. Sie zwang BAYER & Co., auf den Packungen vor diesen möglichen Nebenwirkungen zu warnen. Überdies müssen die Pharma-Firmen nun darauf hinweisen, dass die Pharmazeutika nur bei krankhaftem Testosteron-Mangel und nicht bei einem rein altersbedingten Rückgang der Hormon-Produktion Anwendung finden dürfen.

Neues Nahrungsergänzungsmittel
Menschen, die sich ausgewogen ernähren, brauchen keine zusätzliche Vitamine, Mineralien oder andere Stoffe. Deren Einnahme kann in manchen Fällen sogar schaden. Trotzdem hat BAYER eine Unmenge an Vitamin-Präparaten und Nahrungsergänzungsmitteln im Angebot. SANATOGEN, SUPRADYN, BEROCCA, CAL-D-VITA, ELEVIT, REDOXON und vieles mehr findet sich in der Produkt-Palette des Konzerns. Allein unter dem Markennamen ONE-A-DAY verkauft er Dutzende unterschiedlicher Pillen. Da die Geschäfte vor allem in den USA gut laufen, schmeißt der Pharma-Riese dort jetzt noch ein neues Mittelchen auf den Markt: TRUBIOTICS. Das mit den Mikroorganismen Lactobacillus acidophilus und Bifidobacterium animalis bestückte Probiotikum soll angeblich gute Werke im Verdauungstrakt verrichten.

ASPIRIN nur noch für vier Tage?
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) tritt bereits seit Langem dafür ein, ASPIRIN und andere Schmerzmittel in den Apotheken nur noch dann ohne Rezept abzugeben, wenn die Anwendungsdauer auf vier Tage beschränkt ist. Die Präparate haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen; ASPIRIN kann vor allem Magenbluten verursachen. „Selbst bei den niedrigen Dosierungen, die zur Prävention von Schlaganfall und Herzinfarkt dienen sollen“, besteht dem ehemaligen BfArM-Präsidenten Walter Schwerdtfeger zufolge dieses Risiko. Der „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ lehnte die Forderung nach einer Verkleinerung der Packungen zwar bereits 2012 ab, aber endgültig vom Tisch ist die Sache noch nicht. „Die Studien-Ergebnisse werden zur Zeit ausgewertet“, ließ sich das Bundesgesundheitsministerium in der TV-Dokumentation „Angst vor Schmerzen“ vernehmen.

ASPIRIN im Freizeitsport
SportlerInnen verlangen ihrem Körper viel ab und überschreiten dabei oft die Schmerzgrenze. Deshalb greifen nicht wenige von ihnen zu Schmerzmitteln wie ASPIRIN (Wirkstoff: Acetylsalicylsäure) – und das nicht nur Profis. Nach einer Untersuchung der WissenschaftlerInnen Pavel Dietz und Antje Dresen nimmt auch eine große Zahl von Freizeit-SportlerInnen die Präparate ein. Den ForscherInnen zufolge schluckt die Hälfte aller TeilnehmerInnen von Langstrecken-Rennen ASPIRIN oder andere Analgetika. „Wir waren überrascht, dass es in so einer Häufigkeit ein Thema ist“, so Antje Dresen. Die LäuferInnen setzen sich damit erheblichen Gesundheitsrisiken aus, denn durch die körperliche Belastung können die Nebenwirkungen der Mittel – im Fall von BAYERs „Tausendsassa“ ist das hauptsächlich das Magenbluten – noch mehr durchschlagen. Die Stöße, die während des Langstrecken-Laufs auf den Magen einwirken, erhöhen nämlich die Durchlässigkeit der Organ-Wände für die Acetylsalicylsäure.

YASMIN hilft nicht mehr gegen Akne
Frauen, die drospirenon-haltige Pillen wie BAYERs YASMIN zur Empfängnis-Verhütung einnehmen, tragen im Vergleich zu solchen, die levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva bevorzugen, ein bis zu dreimal so hohes Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Trotzdem bewirbt der Leverkusener Multi die Mittel als Lifestyle-Präparate, die etwa gegen Akne helfen. In der Schweiz darf er das jetzt jedoch nicht mehr tun. Mit Verweis auf das Gefährdungspotenzial der Pharmazeutika untersagte die eidgenössische Aufsichtsbehörde Swissmedic BAYER und anderen Herstellern, weiter Reklame für die angeblichen dermatologischen Qualitäten von YASMIN & Co. zu machen.

FDA zweifelt nicht an XARELTO-Tests
Bei der Klinischen Erprobung von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO erhielt die Kontrollgruppe den marktgängigen Wirkstoff Warfarin (MARCUMAR). Das Gerät, das bei diesen ProbandInnen die Blutgerinnung bestimmte, arbeitete jedoch nicht korrekt. Es zeigte geringere Werte als die wirklichen an. Deshalb bekamen die TeilnehmerInnen mehr Warfarin als nötig – und in der Folge auch mehr gesundheitliche Probleme als die PatientInnen, die das orale Antikoagulans des bundesdeutschen Pharma-Riesen schluckten. Das schmälert die Aussagekraft des zur Zulassung von XARELTO eingereichten Rocket-AF-Tests erheblich, was in der Fachwelt für einige Empörung sorgte. „Es lässt an den Ergebnissen zweifeln, die benutzt wurden, um den Gebrauch des weltweit meistverkauften neuen oralen Antikoagulans zu befördern“, sagt etwa Dr. Deborah Cohen. Gemeinsam mit den anderen Mitherausgebern des British Medical Journal kritisierte sie die Studie in einem Artikel massiv. Der Leverkusener Multi hielt jedoch an dieser fest. Schon unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Unstimmigkeiten hatte er eine Nachuntersuchung in Auftrag gegeben, die erwartungsgemäß die Rocket-Resultate bestätigte. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA gab Anfang Februar 2016 ebenfalls Entwarnung. Und die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA prüfte zwar bedeutend länger als ihr EU-Pendant, schloss sich dann aber im Oktober 2016 dem EMA-Votum an.

BAYER setzt auf Krebs-Arzneien
Krebs-Medikamente versprechen den Pharma-Riesen den größten Profit. Das „IMS Institute for Healthcare Informatics“ rechnet für das Jahr 2018 mit einem 100-Milliarden-Dollar-Markt. Schon jetzt fressen die Präparate – ohne die Lebenszeit der PatientInnen entscheidend verlängern zu können – in der Bundesrepublik rund ein Viertel des Medikamenten-Budgets der Krankenkassen. Folgerichtig setzt BAYER ganz auf dieses Segment. Mit NEXAVAR, STIVARGA und XOFIGO bietet das Unternehmen bereits drei Onkologie-Präparate an; zudem befinden sich 17 Wirkstoffe in der klinischen Erprobung. Die Konkurrenz hat jedoch noch mehr im Köcher. So testet ROCHE zurzeit 34 Arzneien. Der Schweizer Konzern lässt sich das alles auch mehr kosten als der Leverkusener Multi. Im Jahr 2014 gab er mit 8,4 Milliarden Dollar 6,4 Milliarden mehr für die Pillen-Forschung aus als der Leverkusener Multi.

Schnellere Arznei-Zulassungen?
Wie unzureichend die Genehmigungsverfahren für Arzneimittel sind, belegen die zahlreichen Todesfälle, die unter anderem BAYER-Pharmazeutika wie YASMIN und XARELTO verursacht haben. Das ficht die europäische Arzneimittel-Behörde EMA allerdings nicht an. Sie beabsichtigt, das Prozedere noch einmal zu beschleunigen und will künftig Zulassungen schon nach dem erfolgreichen Absolvieren von zwei Phasen der Klinischen Prüfungen ermöglichen. Was bisher die dritte Stufe war, sollen jetzt Praxis-Tests richten. „Real World Data“ lautet das Zauberwort. Und das alles, obwohl die Erprobungen der Kategorie 2 sich auf einen kleineren ProbandInnen-Kreis beschränken und ohne Vergleichsgruppe auskommen. Nicht umsonst bleibt gegenwärtig an der dritten Hürde noch einmal rund die Hälfte der Medikamenten-Kandidaten hängen. Die Arznei-Behörde hat jedoch nur das Wohlergehen der Pillen-Produzenten im Sinn. „Die potenziellen Vorteile für die Hersteller wären ein früherer Einkommensfluss als bei konventionellen Zulassungswegen und weniger teure und kürzere klinische Studien“, erklärt der EMA-Mann Georg Eichler frank und frei. Bei den Vorbereitungen zu den Schnelltests und den Pilotprojekten arbeiteten die willigen Helfer der Arznei-Branche dann auch an führenden Stellen mit. Trotzdem behauptet der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) steif und fest, die geplante „Reform“ sei „klar an medizinischen Zielen ausgerichtet und kein ökonomisches Entgegenkommen gegenüber den Unternehmen“. Das nimmt ihm jedoch kaum jemand ab. So kritisierte die ÄrztInnen-Organisation MEIN ESSEN ZAHL ICH SELBST (MEZIS) das Vorhaben scharf: „Klar erkennbar ist bei diesem Vorstoß der zu erwartende ökonomische Nutzen der Pharma-Industrie – auf Kosten der Sicherheit der PatientInnen.“ Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und die gesetzlichen Krankenkassen lehnen das Projekt ebenfalls ab.

Lieferengpässe bei Arzneien
In der Bundesrepublik kommt es in letzter Zeit verstärkt zu Liefer-Engpässen bei Arzneimitteln. Auf der aktuellen Fehl-Liste des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ findet sich mit dem Mittel NIMOTOP, das die Gehirn-Durchblutung fördert, auch ein BAYER-Medikament. „Probleme bei der Herstellung“ gibt der Leverkusener Multi als Grund an. Und die gab es in der Vergangenheit auch schon beim Krebsmittel XOFIGO. Schätzungen zufolge sind bis zu 60 Pharmazeutika kurz- oder längerfristig nicht erhältlich. Die „Probleme bei der Herstellung“ treten oftmals deshalb auf, weil die Pharma-Riesen die Fertigung gnadenlos rationalisiert haben. So versuchen sie etwa verstärkt, „just in time“ zu produzieren und auf diese Weise Lager-Kapazitäten abzubauen. Überdies gliedern sie gerne die Wirkstoff-Herstellung aus oder verlegen diese in Drittwelt-Länder. „In den letzten Jahren ist (...) meiner Ansicht nach etwas in der Unternehmensphilosophie einiger Pharmazeutischer Hersteller verloren gegangen: Verantwortungsbewusstsein, was zugunsten der Profit-Maximierung abgebaut wurde“, kritisiert deshalb Rudolf Bernhard, der Leiter der Krankenhausapotheke im Münchner „Klinikum rechts der Isar“. Um gegen die Missstände anzugehen, fordert der Pharmazeut unter anderem eine Meldepflicht bei Liefer-Problemen – bisher informieren BAYER & Co. nur auf freiwilliger Basis – und einen Zwang, bestimmte Arznei-Mengen immer auf Lager zu haben. Die Große Koalition sieht da jedoch keinen Handlungsbedarf, wie aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. „Es liegen der Bundesregierung keine Anzeichen vor, dass die Register nicht die wesentlichen Lieferengpässe der relevanten Arzneimittel abdecken“, heißt es in dem Schriftstück. Dass etwa BAYERs Johanniskraut-Präparat LAIF zur Behandlung von milden Depressionen dort nicht verzeichnet ist, ficht Merkel & Co. offenbar nicht an. Den Pharma-Riesen zur Auflage zu machen, einen Vorrat an Medikamenten anzulegen, lehnen CDU und SPD ebenfalls ab. Ihrer Ansicht nach reicht es, wenn die Apotheken und Pillen-Großhändler die Arzneien immer parat haben: „Eine darüber hinausgehende Bevorratung durch den Pharmazeutischen Unternehmer ist daher nicht notwendig.“

„Consumer Health“ schwächelt
Der Leverkusener Multi hat das Geschäft mit den rezeptfreien Arzneien in der letzten Zeit stark ausgebaut und ist in diesem Bereich zur Nr. 2 auf der Welt aufgestiegen. Aber nicht nur die 2014 zugekaufte MERCK-Sparte erfüllte ihre Erwartungen bisher nicht (siehe ÖKONOMIE & PROFIT), auch der Absatz der restlichen Produkte schwächelt. Im 3. Quartal 2016 machte der Leverkusener Multi gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Verlust von 20 Millionen Euro. Dazu trug vor allem die schlechtere ökonomische Lage in Russland, China und Brasilien bei – diese Schwellenländer hatten zwischen 2012 bis 2014 noch 70 Prozent zum Umsatzwachstum von BAYER in diesem Markt-Segment beigetragen.

AGRO & CHEMIE

GAUCHO & Co. gefährden Wildbienen
Immer neue Studien belegen die Bienengefährlichkeit von Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin). So hat der britische Insektenforscher Ben Woodcock vom „Zentrum für Ökologie und Hydrologie“ (NERC) die Auswirkungen dieser Wirkstoff-Gruppe, welche die EU bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt hat, auf Wildbienen untersucht. Er kam zu einem alarmierenden Befund: Waren die Tiere GAUCHO & Co. ausgesetzt, so beschleunigte sich das Schrumpfen der Populationen im Vergleich zu denjenigen, die nicht in Kontakt mit den Giften kamen, um den Faktor drei. Der Leverkusener Multi hatte bisher immer die Validität von wissenschaftlichen Arbeiten zu Neonicotinoiden angezweifelt, die unter Laborbedingungen entstanden. Von „unrealistischen Expositionsbedingungen“ sprach er stets und von Expositionsdosen, „die unter realistischen Feld-Bedingungen in dieser Form niemals auftreten würden“. Das traf zwar auf kaum eine Studie zu, verfehlte aber seine Wirkung nicht. Da Woodcock jedoch auf freier Wildbahn zu seinen Ergebnissen kam, stößt diese Verteidigungsstrategie des Konzerns nun auch an ihre Grenzen. Diese will er jedoch nicht wahrhaben. Von Mitgliedern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit den Resultaten des Wissenschaftlers konfrontiert, meinte der Global Player auf einmal darauf hinweisen zu müssen, dass „auch Feld-Untersuchungen ihre Tücken haben, da sie sehr komplex und mitunter nicht leicht zu interpretieren sind“. Und – fast unnötig zu betonen – hatte die Woodcock-Arbeit nach Ansicht des Unternehmens solche Tücken.

Top bei Grenzwert-Überschreitungen
Bei Grenzwert-Überschreitungen von Pestizid-Rückständen in Lebensmitteln toppen Ackergifte made by BAYER alles. Nach den neuesten verfügbaren Zahlen, die aus den Jahren 2012 und 2013 stammen, finden sich nach Angaben der Bundesregierung unter den sieben „am häufigsten beanstandeten Wirkstoffen“ mit Imidacloprid (s. o.), Ethephon und Carbendazim drei, die auch in Produkten des Leverkusener Multis enthalten sind.

Pestizide in Orangen
Das Delmenhorster „Labor für Chemische und Mikrobiologische Analytik“ untersuchte für die WDR-Sendung Markt Orangen auf Rückstände von Pestiziden. In allen Proben stießen die WissenschaftlerInnen auf Spuren der Ackergifte. Diese blieben zwar unter den Grenzwerten, stellen aber trotzdem eine Gefahr dar. In den Früchten fanden sich nämlich bis zu fünf Agrochemikalien gleichzeitig, was Kombinationseffekte hervorrufen kann. Auch BAYER-Pestizide wiesen die ForscherInnen nach. So enthielten die Orangen Chlorpyrifos, das der Leverkusener Multi unter den Produktnamen BLATTANEX, PROFICID und RIDDER vermarktet, Fenhexamid (TELDOR), Imazalil (BAYTAN und MANTA PLUS) sowie Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI).

Parkinson keine Berufskrankheit
Pestizide können viele Gesundheitsschädigungen auslösen. Frankreich hat deshalb Krebs und Parkinson bei LandwirtInnen als Berufskrankheiten anerkannt. In der Bundesrepublik steht das vorerst nicht an, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. Merkel & Co. stützen sich dabei auf einen Sachverständigenbeirat, der die Sachlage bei Parkinson 2011 und 2012 geprüft hat und befand: „Im Ergebnis war die Studien-Lage heterogen.“ „Erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf eine eindeutige Diagnose-Stellung“ machten die ExpertInnen fest. Im Moment werten diese allerdings neue Untersuchungen aus. In Sachen „Krebs“ haben es immerhin Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten geschafft, welche die in vielen Agro-Chemikalien enthaltenen Halogen-Kohlenwasserstoffe auslösen können. Die „Anerkennung im Einzelfall“ hängt jedoch der Großen Koalition zufolge von vielen Parametern wie der Tumor-Art, dem gebrauchten Pestizid und der Dauer der Anwendung ab.

WASSER, BODEN & LUFT

Gerupfter Klimaschutzplan
Im Übereinkommen von Paris hatten sich die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen 2015 darauf verständigt, die Erd-Erwärmung deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten. Im Vorfeld hatten sich die EU-Länder bereits geeinigt, die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu verringern. Den bundesdeutschen Beitrag zur Umsetzung dieser Ziele wollte die Große Koalition mit dem „Klimaschutzplan 2050“ festlegen. Um diesen Plan entbrannte jedoch heftiger politischer Streit. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI), der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und die industrie-freundliche nordrhein-westfälische Landesregierung taten alles dafür, BAYER & Co. vor allzu drastischen Anforderungen zu bewahren. Ein „fester Beitrag zur Erreichung eines nationalen Klimaschutz-Ziels“ sei nicht im Voraus bestimmbar, dekretierte etwa der VCI. Maßnahmen zur Verteuerung der derzeit zum Schnäppchen-Preis erhältlichen Kohlendioxid-Verschmutzungsrechte lehnte der Verband ebenfalls ab. Und so kam es, dass Umweltministerin Barbara Hendricks den schon fertiggestellten Klimaschutzplan nach einer Intervention von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wieder in die Tonne kloppen musste. In der überarbeiteten Fassung bekennt sich die Bundesregierung nun dazu, „ein zentrales Augenmerk auf den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ zu legen. Darum senkte sie die Spar-Vorgaben für die Industrie gegenüber den ursprünglichen Plänen um zehn Millionen Tonnen CO2 auf 140 bis 143 Millionen Tonnen bis 2030 ab und bürdete das Quantum kurzerhand der Wohnungswirtschaft auf. Auch setzte die Große Koalition hinter die Regelungen zur Reform des Emissionshandels – ganz wie vom VCI gefordert – den Vermerk „kann wegfallen“. Jetzt braucht der Leverkusener Multi, der 2015 fast zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstieß, seine Wirtschaftsweise nicht groß zu ändern. Für die Zukunft des Planeten bedeutet das allerdings nichts Gutes. „Die geplanten Maßnahmen sind nicht ehrgeizig genug, um die Klima-Ziele bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen“, konstatierte der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von Bündnis 90/Die Grünen besorgt.

Die Deponie unter der Deponie
Anfang November 2016 hat die Bezirksregierung Köln dem Landesbetrieb Straßenbau NRW die Genehmigung erteilt, BAYERs Dhünnaue-Deponie wieder zu öffnen, um darauf das Fundament für die Erweiterung der A1-Autobahn und des Neubaus der Rheinbrücke zu gründen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Damit beschwor sie Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt herauf. Und diese dürften nach Recherchen des WDR-Magazins Westpol sogar noch größer sein, als selbst die KritikerInnen des Projektes angenommen haben. Über einem 13 Hektar großen Teil des erst zur Landesgartenschau 2005 halbwegs abgedichteten Giftgrabs liegt nämlich die noch in Betrieb befindliche Sondermüll-Deponie Bürrig der BAYER-Tochter CURRENTA. Eine Absicherung nach unten hin existiert nicht, weshalb die Aufschüttungen auf die Altlast drücken und zu chemischen Reaktionen führen könnten. Trotzdem spielte Bürrig bei der Sicherheitsanalyse von Straßen.NRW keine Rolle und fand auch in den Antragsunterlagen zur Genehmigung keine Erwähnung. „Die aktive Deponie ist von den Planungen nicht betroffen“, antwortet die Bezirksregierung Köln auf eine Anfrage des WDR. Harald Friedrich, der ehemalige Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, teilt diese Einschätzung nicht: „Man hätte eine Gefährdungsabschätzung machen müssen.“

BAYTRIL fördert Methan-Ausstoß
Rinder, die Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL verabreicht bekommen, geben mehr klimaschädigende Methan-Gase an die Umwelt ab als solche, welche die Präparate nicht schlucken müssen. Das ergab eine Studie, welche die Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte. Den ForscherInnen um Tobin J. Hammer zufolge stieg die Methan-Freisetzung um den Faktor 1,8. Die WissenschaftlerInnen vermuten, dass BAYTRIL & Co. die Gas-Produktion fördern, indem sie Einfluss auf im Verdauungstrakt der Tiere wirkenden Mikrobakterien nehmen.

Plastik in Speisefischen
Immer mehr Plastikabfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums finden sich die Rückstände mittlerweile in 330 Tierarten wieder. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Umweltverbrechen bei. ForscherInnen des „Alfred-Wegener-Institutes“ wiesen jetzt sogar Plaste-Reste in Speisefischen aus der Nord- und Ostsee nach. Zumeist stießen die BiologInnen in den Verdauungsorganen der Tiere auf die Partikel. Obwohl die Heringe, Dorsche, Makrelen und Flundern vor der Lieferung an den Lebensmittel-Zwischenhandel ausgenommen werden, mochten die WissenschaftlerInnen Chemie-Rückstände in ihren Körpern nicht ausschließen: „Wir sind mit der Erforschung der Effekte noch ganz am Anfang.“

IMPERIUM & WELTMACHT

Abschreibungen in Venezuela
Die sinkenden Öl-Preise haben Venezuela in eine tiefe Krise gestürzt. Unter anderem leidet das Land an einer hohen Inflation, weshalb die heimische Währung gegenüber dem Dollar immer mehr an Boden verliert. Auch bei den Pharma-Firmen hat die Nation immense Schulden. Um diese wenigstens teilweise zu tilgen, hat die Regierung BAYER, SANOFI und NOVARTIS nun Anleihen der staatlichen Öl-Gesellschaft PDVSA übertragen.
Diese notieren zwar in Dollar und nicht in Bolívar, haben gegenüber ihrem Nennwert jedoch viel verloren. Die Konzerne nehmen die Verluste jedoch in Kauf und verkaufen trotzdem. NOVARTIS etwa erhielt für seine 200-Millionen-Dollar-Bonds nur 73 Millionen, und der Leverkusener Multi dürfte seine Papiere mit ähnlich hohen Abschlägen veräußert haben.

ÖKONOMIE & PROFIT

Synergie-Defekte beim MERCK-Deal
Schicken sich Unternehmen an, ihre Konkurrenten zu übernehmen oder Geschäftsteile von ihnen zu erwerben, preisen sie stets die mit den Deals angeblich verbundenen Synergie-Effekte. Im Fall des geplanten Kaufs von MONSANTO wusste BAYER diese sogar schon genau zu taxieren: 1,5 Milliarden Dollar per anno schon drei Jahre nach dem Vollzug der Transaktion. Allerdings können sich die Konzerne dabei auch verkalkulieren. Beispielsweise zahlte sich der 2014 vorgenommene Kauf einer MERCK-Sparte für den Leverkusener Multi bis jetzt nicht in dem erhofften Maß aus. So lag der Umsatz des Sortiments um 100 Millionen Dollar niedriger, als von MERCK angegeben. Auch erwies sich die Entwicklungspipeline als „nicht annähernd so gut wie präsentiert“, wie der Global Player beklagt. Zudem musste er mehr Geld als erwartet in Werbung für die Fußpflege-Artikel aus der DR SCHOLL’S-Reihe oder die COPPERTONE-Sonnenschutzmittel investieren, was sich obendrein nicht immer auszahlte: Im dritten Quartal des Jahres 2016 ging der COPPERTONE-Umsatz gegenüber dem Vergleichszeitraum um fünf Prozent zurück. Die 2001 erfolgte AVENTIS-Akquisition blieb ebenfalls lange hinter den Erwartungen zurück. Wegen falscher Angaben des AVENTIS-Managements über den Wert der Agro-Abteilung zog BAYER damals sogar vor Gericht.

Steuern sparen mit Lizenzen
Das Steuerrecht ermöglicht es den Konzernen, Geschäfte mit sich selber zu machen, um ihre Abgabenlast zu senken. So können einzelne Unternehmensteile von anderen Abteilungen Lizenzen erwerben, und die Kosten dafür senken den zu versteuernden Ertrag. Der Leverkusener Multi hat für solche Operationen die Tochter-Gesellschaft BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) ins Leben gerufen, die Standorte in Monheim, Eschborn und Schönefeld hat. Wie hoch diese steuer-mindernden Lizenz-Gebühren z. B. für Marken-Rechte ausfallen, lassen die Zahlungen erahnen, welche der Global Player für die darauf entfallenden Einnahmen allein im bundesdeutschen Steuerparadies Monheim an das Finanzamt leistet: rund 20 Millionen Euro.

Monheim – einfach paradiesisch
Die Stadt Monheim wirbt mit einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 300 Punkten – dem niedrigsten in ganz Nordrhein-Westfalen – um Industrie-Ansiedlungen. BAYER ließ sich das nicht zweimal sagen. Der Agro-Riese verlegte nicht nur einen Teil seiner Patent-Abteilung dorthin (s. o.), sondern auch die CROPSCIENCE BETEILIGUNGSGESELLSCHAFT, deren Haupttätigkeit „im Bereich Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben“ liegt.

COVESTRO spart Steuern
Letztes Jahr brachte der Leverkusener Multi seine Kunststoff-Sparte COVESTRO an die Börse. Und im Zuge des Loslösungsprozesses sucht sich das Unternehmen nach dem Vorbild der Muttergesellschaft schon einmal besonders günstige Steuerstandorte. Wie BAYER ist es dabei unter anderem in Monheim (s. o.) und in Belgien fündig geworden. Zusätzlich hat die Plaste-Gesellschaft sich jedoch noch die Schweiz auserkoren, wirbt doch das Nachbarland damit, dass es „international weiterhin auf Rang 8 der steuergünstigsten Standorte steht“. Die COVESTRO INTERNATIONAL SA mit Sitz im Kanton Fribourg hält Beteiligungen an überall auf der Welt verstreuten Niederlassungen. Ein Großteil von deren Erträgen wandert so an den eidgenössischen Steuerstandort zurück, wo die Finanzämter unschlagbare Konditionen bieten: „Holding-Gesellschaften sind von kantonalen Gewinn-Steuern ganz befreit, der Kapitalsteuersatz ist reduziert“.

BAYSANTO & MONSAYER

MONSANTO-HV stimmt Übernahme zu
Am 13. Dezember 2016 haben die MONSANTO-AktionärInnen der Übernahme des Konzerns durch BAYER zugestimmt. Die großen Anteilshalter wie BLACKROCK und andere Finanzinvestoren sorgten für das klare Ergebnis von 99 Prozent Zustimmung für das Angebot des Leverkusener Multis, pro MONSANTO-Papier 128 Dollar zu zahlen. Grünes Licht für den Deal hat der bundesdeutsche Konzern aber auch damit noch nicht. Rund 30 Kartellbehörden müssen die Transaktion noch genehmigen.

Klage gegen Übernahme scheitert
Im November 2016 hatten einige MONSANTO-AktionärInnen eine Klage gegen die Übernahme des Konzerns durch BAYER eingereicht. Sie warfen den ManagerInnen des US-Unternehmens eine Verletzung ihrer Treue-Pflichten vor, weil diese den Global Player ihrer Meinung nach zu billig hergegeben hatten. Kurz vor der entscheidenden MONSANTO-Hauptversammlung (s. o.) wies ein Richter das Begehren jedoch ab. Allerdings besteht für die Aktien-HalterInnen noch die Möglichkeit, in Delaware, dem Stammsitz des Agro-Riesen, ein Gericht anzurufen.

Grüne schreiben Offenen Brief
Die Grünen haben die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in einem Offenen Brief dazu aufgefordert, der Übernahme MONSANTOs durch BAYER die Zustimmung zu verweigern. Der Fraktionschef Anton Hofreiter und weitere Bundestagstagsabgeordnete appellierten stattdessen an die Dänin, „die Spirale der Hochfusionierung im Agrochemie-Markt zu stoppen“. Unter anderem befürchtet die Partei durch den Deal höhere Preise für LandwirtInnen und VerbraucherInnen.

RECHT & UNBILLIG

13.800 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen – im Jahr 2015 gingen allein beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 137 Meldungen über Todesfälle ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Das Aufkommen der Klagen erhöhte sich von Ende Januar 2016 bis Mitte Oktober von 4.300 auf 13.800.

Über 1.000 ESSURE-Klagen
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, beschäftigt in den USA zunehmend die Gerichte. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Über 1.000 von ihnen haben in den Vereinigten Staaten deshalb schon eine Klage gegen BAYER eingereicht.

CIPROBAY vor Gericht
Das Antibiotikum CIPROBAY, das zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen. So registrierte die US-Gesundheitsbehörde FDA zwischen 1998 und 2013 3.000 Todesfälle, die im Zusammenhang mit fluorchinolon-haltigen Medikamenten stehen. Insgesamt erhielt die Institution rund 50.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Die Pharmazeutika stören nämlich das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, weil sie die Weiterleitung des Neurotransmitters Acetylcholine behindern. Auch Störungen des zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit und anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen verantwortlich. Bei Cheryl Tigley löste CIPROBAY, das BAYER in den USA unter dem Namen AVELOX vertreibt, eine Schädigung des peripheren Nervensystems aus. Deshalb zog die US-Amerikanerin vor Gericht und verklagte den Leverkusener Multi auf Schadensersatz.

CIPROBAY nicht vor Gericht
Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 kam es in den USA durch per Post verschickte Milzbrand-Erreger zu fünf Todesfällen. Die Regierungsstellen trafen daraufhin Vorsorge-Maßnahmen und kauften große Mengen von BAYERs Antibiotikum CIPROBAY als Gegenmittel. Zudem hoben sie das Verbot auf, die Arznei Kindern zu verabreichen – der Leverkusener Multi hatte für die Gewährung des exklusiven Vermarktungsrechtes lediglich Unbedenklichkeitsstudien nachzureichen. Bei diesen Untersuchungen hat der Pharma-Riese allerdings massive Manipulationen vorgenommen. Der an den Klinischen Prüfungen beteiligte Mediziner Dr. Juan Walterspiel wirft dem Unternehmen vor, Daten gefälscht zu haben, um Nebenwirkungen wie Muskelschwäche und Knorpelschäden zu verbergen. BAYER habe lange Datenkolonnen einfach in die Berichtsbögen eingefügt, so Walterspiel: „Diese Zahlen wiederholten sich endlos.“ Zudem haben die Erprobungen in den USA Walterspiel zufolge auffallend mehr Risiken und Nebenwirkungen zu Tage gefördert als solche, die der Konzern in Mexiko und anderen ärmeren Ländern durchgeführt hat. Die Versuche des Arztes, wegen der unsauberen Tests gerichtlich gegen den Leverkusener Multi vorzugehen, gestalten sich jedoch schwierig. So hat es der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, im Juli 2016 abgelehnt, Walterspiel als Whistleblower gerichtlichen Beistand zu gewähren.

Pestizid-Klage in Indien
Das indische Agrar-Ministerium hatte 2015 ein ExpertInnen-Gremium damit beauftragt, die Risiken und Nebenwirkungen von 66 Pestiziden zu bewerten, die andere Länder längst verboten haben. Da in dem Ausschuss auch Industrie-VertreterInnen saßen, fiel die Empfehlung moderat aus. Die Kommission legte dem Staat nahe, 13 Agro-Chemikalien sofort aus dem Verkehr zu ziehen, darunter mit Fenthion und Methyl Parathion auch solche Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind. Darüber hinaus schlug sie vor, die Zulassung für sechs Ackergifte 2020 auslaufen zu lassen und 27 im Jahr 2018 noch einmal in Augenschein zu nehmen. Aber der Regierung ging selbst das zu weit. Sie machte keine Anstalten, die Ratschläge zu befolgen. Deshalb sehen sich Modi & Co. nun mit einer Klage konfrontiert.

USA verbieten primäres Mikroplastik
Immer mehr Plastik-Abfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Durch Wellenbewegungen und Sonnen-Einwirkung kleingemahlen oder gleich in winziger Form als primäres Mikro-Plastik in das Wasser geraten, nehmen Fische und andere Tier-Arten die Partikel auf und setzen sich so großen Gesundheitsgefahren aus. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Desaster bei. Die USA hat jetzt jedoch erste Schritte zum Schutz der Wasser-Lebewesen eingeleitet. Sie verbot die Herstellung von primärem Mikro-Plastik, den sogenannten Microbeads, wie sie sich unter anderem in einigen Sorten des Durethan-Kunststoffs der BAYER-Tochter COVESTRO finden.

PCB: Kein Verfahren gegen RAG
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Nicht zuletzt deshalb gelangt jetzt PCB mit dem abgepumpten Grubenwasser aus den kontaminierten Stollen in die Flüsse. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz entnahm unter anderem an den Bergwerken in Prosper-Haniel, Bergkamen und Essen Proben und wies PCB-Belastungen nach, die an manchen Stellen um das Dreifache über den Grenzwerten lagen. Der BUND reichte deshalb eine Strafanzeige gegen den Bergbau-Konzern RAG ein. Anfang September stellte die Bochumer Staatsanwaltschaft die Ermittlungen allerdings ein. Das Unternehmen hätte wasserrechtliche Genehmigungen für die Einleitungen, und die Gewässer hätten kein Schaden genommen, erklärte Oberstaatsanwalt Paul Jansen zur Begründung. Er behauptete sogar, das Unternehmen hätte immer die Grenzwerte eingehalten.

Klage wg. Diskriminierung
Anfang Dezember 2016 hat eine US-amerikanische BAYER-Angestellte den Konzern wegen Diskriminierung verklagt. Dr. Irene Laurora, welcher der Leverkusener Multi 2012 noch den Titel der „Working Mother of the Year“ verliehen hatte, wirft dem Unternehmen vor, sie wegen ihres Einsatzes für Frauenrechte entlassen zu haben. Die Pharmakologin hatte 2015 eine schwangere Frau in ihr Projekt geholt, wogegen Lauroras Vorgesetzter wegen des bevorstehenden Mutterschaftsurlaubs allerdings Einspruch erhob. Die Wissenschaftlerin protestierte gegen die Intervention ihres Chefs, was zu Zurückstufungen und schließlich zur Kündigung führte. „Anstatt Dr. Lauroras Anstrengungen zu unterstützen, gegen die Diskriminierung Schwangerer vorzugehen, versuchte BAYER sie rechtswidrig durch eine Freisetzung mundtot zu machen“, kritisiert der Rechtsanwalt der Klägerin. Beim Pharma-Riesen ist das nicht der erste Fall dieser Art: Bereits im Jahr 2011 hatten acht weibliche Angestellte rechtliche Schritte gegen den Konzern wegen frauenfeindlichen Verhaltens eingeleitet (siehe SWB 3/11).

Auch Uni Mainz darf weiter mauern
Am 18. August 2015 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Einsichtnahme in den Vertrag verwehrt, den BAYER mit der Universität Köln geschlossen hatte. Antworten auf Fragen zur finanziellen Ausgestaltung der Kooperation, zu den Verwertungsrechten, zu den Forschungsvorgaben des Leverkusener Multis und zum Umgang mit negativen Forschungsergebnissen bleiben der Öffentlichkeit damit verwehrt. Der Richter Sebastian Beimesche hatte sich bei seinem Urteil auf die Paragrafen des nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetzes und des Hochschulzukunftsgesetzes gestützt. Die entsprechenden Abschnitte entbinden Forschung & Lehre von der Transparenz-Pflicht. Und der Jurist legte diese so „weitreichend“ aus, dass sie auch die Forschungsplanung einbeziehen. Mit dem Verweis auf eine ähnliche Ausnahme-Regelung in den rheinland-pfälzischen Gesetzen bewahrte das Verwaltungsgericht Mainz Mitte September 2016 nun auch die Universität Mainz und BOEHRINGER davor, Details ihrer Zusammenarbeit offenlegen zu müssen.

Grünes Licht für Autobahn-Ausbau
Die Bezirksregierung Köln hat dem Landesbetrieb Straßen.NRW Anfang November 2016 die Genehmigung erteilt, die Autobahn A1 zwischen Köln-Niehl und dem Autobahn-Kreuz Leverkusen-West auszubauen und dafür auch eine neue Rheinbrücke zu errichten (siehe auch SWB 1/17). Dass der „Vorhaben-Träger“ dafür BAYERs erst zur Landesgartenschau 2005 in langjähriger Arbeit halbwegs gesicherte Dhünnaue-Deponie wieder öffnen muss, focht die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht an. Sie setzte sich mit ihrem Beschluss über 300 Einwendungen verschiedener Initiativen und Einzelpersonen – auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens eine Beschwerde eingereicht – und über massiven BürgerInnen-Protest hinweg.. Die GegnerInnen des Projektes verstummen dennoch nicht. So luden sich Umweltverbände, die CBG und andere Gruppen am 7. Dezember 2016 einfach selbst zur Feier von „125 Jahre BAYER in Leverkusen“ ein und vermiesten dem Global Player, seiner Gratulantin Hannelore Kraft und den anderen Gästen gehörig die Stimmung. Zudem wollen einige Organisationen gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen.

FORSCHUNG & LEHRE

Kooperation mit der Uni Hamburg
BAYER hat mit der Universität Hamburg eine Forschungskooperation auf dem Gebiet der „Digitalen Landwirtschaft“ vereinbart. GeologInnen und InformatikerInnen der Hochschule wollen für den Leverkusener Multi im Rahmen dieser Zusammenarbeit ein Modell zur Erhebung von Wetter- und Bodendaten entwickeln, um „die Nutzung bestehender landwirtschaftlicher Ressourcen weiter zu optimieren“.

Kooperation mit der Uni Göttingen
Der Leverkusener Multi lagert immer größere Bereiche seiner Forschungsarbeiten aus. Rund 20 Prozent seines über 4,3 Milliarden Euro schweren Forschungsetats steckt er mittlerweile in Kooperationen mit Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten. Der Göttinger Georg-August-Universität hat er gleich zwei Aufträge erteilt. Das dortige „Department für Nutzpflanzen-Wissenschaften“ ergründet für den Global Player zum Preis von 141.250 Euro, warum das Pestizid Flufenacet Wildgräsern nichts mehr anhaben kann. Das andere, nicht näher bezeichnete Agrochemie-Projekt läuft Ende 2016 aus und kommt BAYER mit 180.000 Euro noch teurer zu stehen.

BAYER stiftet Lehrstuhl
BAYER pflegt die akademische Landschaft nicht nur hierzulande mit Stiftungsprofessuren, sondern auch im Ausland. So hat der Leverkusener Multi der Universität Manitoba in Tateinheit mit den Nachkommen eines Arztes einen Lehrstuhl zur Erforschung von Blut-Krankheiten spendiert.

[Trump] US-Wahlen

CBG Redaktion

Presse Information vom 9.11.2016

Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

US-Wahlen

Sieg für Trump und BAYER

433.000 US-Dollar spendete BAYER für den aktuellen Wahlkampf von Trump über so genannte Politische Aktionskomitees (PACs). Aus dem Budget des Leverkusener Multis für die Präsidentschaftskampagne gingen fast 80 Prozent an republikanische KandidatInnen. Antonius Michelmann, Geschäftsführer der Coordination gegen BAYER-Gefahren, kommentiert: „Der Sieg Trumps ist auch ein Sieg für BAYER.“

BAYER gehört traditionell zu den wichtigsten ausländischen Groß-Spendern im US-Wahlkampf und hat mit dem aktuellen Spendenvolumen einen neuen Rekord aufgestellt. Um 65 Prozent steigerte das Unternehmen sein aktuelles Engagement im Vergleich zum Jahr 2012, wo er den Republikanern „nur“ 261.000 Dollar zur Verfügung gestellt hatte.

Das gesteigerte Interesse des Global Players, Einfluss auf die US-Politik zu nehmen, hängt eng mit seiner Neuausrichtung zusammen. Mit der Übernahme MONSANTOs will er der größte Agrochemie-Konzern der Welt werden und allein über 90 Prozent des weltweiten Marktes für gentechnisch verändertes Saatgut kontrollieren. Die USA sind hier mit großem Abstand einer der wichtigsten Märkte: Mehr als 39.5 Prozent aller Gentechnik-Pflanzen weltweit wachsen dort. Und durch den MONSANTO-Deal hofft die bundesdeutsche Aktien-Gesellschaft auch das US-Geschäft mit seinen Pestiziden ankurbeln zu können.

Mit der Übernahme des Consumer-Care-Bereichs des US-Pharma-Riesen Merck hat sich das Interesse im Pharma-Bereich ebenfalls deutlich nach Westen verschoben. Die USA zählen überdies für das zurzeit wichtigste BAYER-Präparat XARELTO – ein Blutverdünner mit einem Jahresumsatz von 2,25 Milliarden Euro im Jahr 2015 – zu den Top-Märkten.

Der Chemie und Pestizid-Riese BASF ist neben BAYER ein weiterer wichtiger deutscher Förderer Trumps. In den aktuellen Wahlkampf investierte das Ludwigshafener Unternehmen über seine PACs insgesamt 399.000 Dollar. Davon flossen 72 Prozent an die Republikaner. BAYER und BASF stehen allerdings exemplarisch für die gesamte deutsche Wirtschaft, die mehrheitlich auf Trump setzte und diesem im Durchschnitt zwei Drittel ihrer Wahlkampfmittel zur Verfügung stellte. Zahlreiche AnalystInnen hatten vor den Wahlen gewarnt, dass ein Wahlsieg Trumps der deutschen Wirtschaft schaden würde, insbesondere weil der Republikaner sich als Gegner des Freihandelsabkommens TTIP zu erkennen gab. „BAYER & Co. scheinen das anscheinend anders zu sehen“, so Jan Pehrke, Vorstandsmitglied der CBG.

Aus der Geschichte haben die Unternehmen dabei offensichtlich nichts gelernt, wie Antonius Michelmann ergänzt: „Die deutschen Konzerne haben bereits an zwei Weltkriegen und der Etablierung des Hitlerfaschismus maßgeblich mitgewirkt. Die Chemie-Industrie hat sich dabei besonders hervorgetan. Heute sind BAYER und andere deutsche Firmen vorne mit dabei, einen offen rassistischen und frauenfeindlichen, Rechtspopulisten ins mächtigste Amt der Welt zu hieven. Vor allem uns in Deutschland muss das eine Warnung sein.“

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2016

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG beim „Terra Viva March“
Der Düsseldorfer „March against MONSANTO“ hieß diesmal „Terra Viva March“, „March against BAYER“ wäre vielleicht aber der passende Namenswechsel gewesen, schickt der Leverkusener Multi sich doch gerade an, seinen US-amerikanischen Konkurrenten zu übernehmen. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) war die Teilnahme aus gegebenem Anlass diesmal ein noch wichtigeres Anliegen. Der neue CBG-Geschäftsführer Toni Michelmann malte den DemonstrantInnen in seinem Rede-Beitrag plastisch aus, was es bedeutet, wenn BAYER der Coup gelingen und das Unternehmen damit ein Monopol über die globalen Nahrungsmittel-Märkte erlangen sollte.

Anhörung im Landtag
Am 18. August 2015 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster die Klage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) abgelehnt und ihr die Einsichtnahme in den Vertrag verwehrt, den BAYER mit der Universität Köln im Bereich medizinischer Forschungen abgeschlossen hatte. Für die Piraten-Partei zeigte dieses Urteil, wie dringlich eine gesetzliche Neuregelung der Transparenz-Vorschriften in den Landesgesetzen Nordrhein-Westfalens ist. Deshalb startete sie verschiedene Initiativen. Dazu gehörte unter anderem eine öffentliche Anhörung zum Thema im Landtag, die am 28. April 2016 stattfand. Zu den Eingeladenen gehörte auch ein Vertreter der CBG. Dieser legte dem Innenausschuss noch einmal dar, welch einen enormen Einfluss ein Konzern wie BAYER mittlerweile nicht nur auf Hochschulen, sondern auf den gesamten Bildungssektor hat, weshalb dieses Treiben nicht im Verborgenen stattfinden dürfe. Christopher Bohlens von TRANSPARENCY INTERNATIONAL und die NRW-Datenschutzbeauftragte Helga Block traten ebenfalls für erweiterte Informationspflichten bei Kooperationen zwischen Wirtschaft und Universitäten ein. Die EmissärInnen der Unternehmensverbände wollten indessen die Geheimniskrämerei fortführen. „Informationsfreiheit muss dort an seine Grenzen stoßen, wo die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährdet ist“, meinte etwa die nordrhein-westfälische Industrie- und Handelskammer in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Anhörung.

Proteste gegen GAUCHO & Co.
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Die EU hat diese Stoffe deshalb ebenso wie andere Ackergifte dieser Substanz-Klasse bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt.
Und nicht nur bei seinen Hauptversammlungen sieht sich der Leverkusener Multi mit direkter Kritik in Sachen „GAUCHO & Co.“ konfrontiert. So initiierte die Organisation FRIENDS OF THE EARTH im April 2016 Demonstrationen vor Konzern-Niederlassungen im US-amerikanischen Washington, im kanadischen Montreal und im englischen Newbury.

Kritik an „Neuer Allianz“
Im Jahr 2012 gründeten BAYER, MONSANTO, CARGILL, DUPONT und andere Agro-Riesen gemeinsam mit den führenden Industrie-Staaten am Rande eines G8-Treffens die „Neue Allianz für Ernährungssicherheit“. Die „Public Private Partnership“ will Entwicklungshilfe nach Konzern-Gusto machen und strebt deshalb unter anderem an, die „Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch zu beenden“. Dafür akquiriert die Allianz nicht zu knapp öffentliche Gelder. Allein die Bundesrepublik stellte ihr in den Jahren bis 2014 über 50 Millionen Euro zur Verfügung. Luis Muchanga vom UNAC, dem mosambikanischen Verband für Kleinbauern und -bäuerinnen, kritisiert das Treiben der Multis scharf. „Die Neue Allianz beunruhigt uns und die mosambikanischen Kleinbauern sehr. Wir sind gegen das Modell einer industrialisierten Landwirtschaft, das die Neue Allianz propagiert. Ernährungssicherheit, wie sie der Neuen Allianz vorschwebt, ist etwas völlig anderes als die Ernährungssouveränität, für die wir eintreten“, so Muchanga.

Manipulierte Glyphosat-Studien
Ein ehemaliger Mitarbeiter der US-amerikanischen Umweltbehörde „Environmental Protection Agency“ (EPA) erhebt schwere Vorwürfe gegen seine einstige Arbeitsstelle. William Sanjour bezichtigt die EPA in seinem Buch „Poison Spring“, die Zulassung von Pestiziden nicht widerrufen zu haben, obwohl sich die zur Genehmigung vorgelegten Studien als manipuliert erwiesen hatten. Die Behörde hätte stattdessen von den Herstellern einfach nur neue Untersuchungen eingefordert, so Sanjour. Auch bei dem umstrittenen Ackergift Glyphosat, das unter anderem MONSANTO und BAYER produzieren, ging die Agency dem Whistleblower zufolge so vor.

Habeck für Pestizid-Steuer
Dänemark, Frankreich und Schweden erheben eine Steuer auf Pestizide, um einen Anreiz zu setzen, die Ausbringung der Ackergifte zu reduzieren. Die Einführung einer solchen Maßnahme schlägt in einer Studie, die der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Robert Habeck von Bündnis 90/die Grünen in Auftrag gab, jetzt auch das „Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung“ vor. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) fordert eine solche Abgabe bereits seit Längerem.

Leserbrief zu Menschenversuchen
Die vom VEREIN DEMOKRATISCHER ÄRZTINNEN UND ÄRZTE herausgegebene Zeitschrift Gesundheit braucht Politik hatte in ihrer Ausgabe 4/15 einen Text über den BAYER-Forscher Gerhard Domagk veröffentlicht, der 1935 die antibakterielle Wirkung eines Sulfonamid-Farbstoffes entdeckt hatte und dafür später den Nobelpreis erhielt. Mit eben diesem Sulfonamid unternahm die vom Leverkusener Multi mitgegründete IG FARBEN in Konzentrationslagern Menschenversuche. Da der Artikel diesen Sachverhalt bestritt und stattdessen behauptete, die IG FARBEN hätte die Sulfonamid-Lieferungen in die KZs eingestellt, nachdem sie von den dortigen Experimenten erfahren hatte, schrieb die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Leserbrief. Darin wies die CBG auch auf eine SWB-Veröffentlichung zum Thema hin, die mit Zitaten aus dem Beweis-Material zu den Nürnberger Prozessen eindeutige Belege für dieses Kriegsverbrechen des Großkonzerns anführte. „Medikamente sind von der IG unmittelbar an Konzentrationslager in solchen Mengen versandt worden, dass schon hieraus die Verwendung dieser Medikamente zu unzulässigen Zwecken hätte gefolgert werden müssen“, hieß es in den Dokumenten unter anderem.

ÄrztInnen gegen CO-Pipeline
Nicht nur die zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld verlegte Kohlenmonoxid-Pipeline wirft Sicherheitsfragen auf. Auch die in den 1960er Jahren zwischen Dormagen und Leverkusen gebaute und schon genutzte Verbindung birgt hohe Risiken. Eine ÄrztInnen-Initiative forderte die nordrhein-westfälische Landesregierung deshalb in einem Brief auf, dem Röhren-Verbund die Betriebserlaubnis zu entziehen. Unter anderem begründeten die MedizinerInnen dies mit den unzureichenden Katastrophenschutz-Maßnahmen. „Die bestehenden Leckerkennungssysteme schlagen erst an, wenn bereits 100 Kubikmeter CO ausgetreten sind. Dabei können schon ein oder zwei Atemzüge ausreichen, um einen Menschen zu töten. Ein Vollbruch der Leitung könnte eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes zur Folge haben“, heißt es in dem Schreiben.

KAPITAL & ARBEIT

US-Werke ohne GewerkschaftlerInnen
In den USA haben die Gewerkschaften traditionell eine schweren Stand, bei BAYER allerdings einen noch schwereren: Während der Organisationsgrad in den Betrieben durchschnittlich bei 6,7 Prozent liegt, beträgt er in den US-Niederlassungen des Leverkusener Multis nur 5,5 Prozent. Diesen „Erfolg“ können sich die dortigen ManagerInnen gutschreiben, denn sie versuchen mit allen Mitteln, die Gründung von Beschäftigten-Vertretungen zu hintertreiben. So schüren sie etwa die Angst, Betriebszellen würden den jeweiligen Standort und damit auch die Jobs gefährden. In Emeryville hat der Konzern GewerkschaftlerInnen vor den Beschäftigten sogar als Schmarotzer diffamiert, die es nur auf die Mitgliedsbeiträge abgesehen hätten. Und schließlich müssen organisierte Belegschaftsmitglieder bei Entlassungen immer auch als erste dran glauben.

Erneute Effizienz-Offensive
Im Zuge der Trennung von seiner Kunststoff-Sparte hat der Leverkusener Multi die Holding-Struktur mit den vormals selbstständig agierenden Teil-Bereichen aufgegeben. „Wir sind überzeugt davon, dass die stärkere Verzahnung von strategischen und operativen Aufgaben BAYER voranbringen wird“, sagte Aufsichtsratschef Werner Wenning zur Begründung. Und der Konzern verbindet mit der Veränderung auch ein neues Rationalisierungsprogramm. „Es gibt einige Bereiche, wo unsere Mitbewerber effizienter arbeiten“, mit diesen Worten stimmte der Manager Markus Arnold die Beschäftigten auf die Maßnahme ein. Unter anderem will er Doppelarbeiten, nicht reibungslos funktionierende Herstellungsprozesse und Probleme bei den Zuständigkeitsregelungen ausgemacht haben.

Ausgliederung im Lager-Bereich
BAYER hat am Standort Dormagen die Pestizid-Produktion beträchtlich gesteigert. Deshalb reichen die Lager-Kapazitäten nicht mehr aus. Nun hat der Leverkusener Multi aber nicht etwa mit einem Erweiterungsbau begonnen, sondern einfach bei einem externen Dienstleister in Düsseldorf 20.000 Paletten-Plätze angemietet. Bleibt nur zu hoffen, dass der Anbieter auch die für die Unterbringung von Chemikalien nötigen Sicherheitsmaßnahmen getroffen hat.

24 Millionen für den Vorstand
Der BAYER-Vorstand konnte sich auch 2015 wieder über eine saftige Gehaltserhöhung freuen. Die Gesamtbezüge stiegen gegenüber dem Vorjahr von 22,2 Millionen auf 23,8 Millionen Euro. Und darüber hinaus
musste der Konzern noch 2,3 Millionen Euro für die späteren Pensionen der ManagerInnen zurücklegen.

BAYER stößt Haushaltsgifte-Sparte ab
Der Leverkusener Multi trennt sich von seinen Haushaltsgiften. Das Unternehmen verkaufte die Sparte mit den Pestiziden für den Haus- und Gartenbereich, mit der es zuletzt einen Umsatz von rund 240 Millionen Euro machte, an das französische Unternehmen SBM. Alle 250 Arbeitsplätze dürften diese Transaktion wohl kaum überleben.

ERSTE & DRITTE WELT

Marketing-Instrument „Health Camps“
Der indische Staat hat – vornehmlich in der Nähe von Slums – Gesundheitscamps eingerichtet, um wenigstens für eine notdürftige medizinische Versorgung der Armen zu sorgen. Auch BAYER, ROCHE und andere große Pharma-Firmen sind in den „Health Camps“ präsent. Entwicklungshilfe leisten sie dort allerdings nicht, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag. Die Konzerne stellen den in den Camps praktizierenden ÄrztInnen Personal und Apparaturen zur Diagnose von Krankheiten zur Verfügung, erwarten aber eine kleine Gegenleistung: Das Verschreiben ihrer Medikamente. „Die Förderung des Arznei-Umsatzes durch Screening-Programme, welche den Anschein von Wohltätigkeit verbreiten, ist eine gängige Praxis in Indien“, kritisiert das British Medical Journal. Das Fachblatt sieht darin einen klaren Verstoß gegen die Grundsätze eines verantwortungsvollen Marketings, zu denen sich BAYER & Co. immer gerne bekennen. Auch der holländische Mediziner Hans Hogerzeil geißelt das Treiben der Pillen-Riesen: „Ich würde das eine Markt-Penetration unter dem Label der Corporate Social Responsibility nennen.“

KONZERN & VERGANGENHEIT

Merkel spricht Chemie-Verbrechen an
2013 konnte der BAYER-Konzern zu seinem 150-jährigen Betriebsjubiläum Bundeskanzlerin Angela Merkel als Festrednerin gewinnen. Im Vorfeld hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Christdemokratin in einem Offenen Brief aufgefordert, in Leverkusen auch die dunklen Kapitel der Vergangenheit des Unternehmens wie etwa Giftgas-Produktion, ZwangsarbeiterInnen und Menschenversuche in den KZs anzusprechen. Das tat Merkel jedoch nicht. Drei Jahre später bei der BASF jedoch zeigte sie mehr Geschichtsbewusstsein. Bei den Feierlichkeiten zu „100 Jahre Leuna“ verschwieg die Politikerin die Chemie-Verbrechen nicht länger. „Es bleibt unsere Pflicht, daran zu erinnern“, mahnte sie.

BAYERs „Max Planck“-Connection
2015 war ein trauriges Jubiläum zu begehen: „25 Jahre Freiland-Versuche in Deutschland“. 1990 hatte das Kölner „Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung“ gentechnisch veränderte Petunien ausgesetzt. Der Leverkusener Multi war frühzeitig in das Projekt involviert. Er unterstützte die Experimente finanziell und sicherte sich so Zugriff auf die Ergebnisse. Dem Gen-ethischen Informationsdienst (GID) berichtete der damalige Forschungsleiter Dr. Heinz Saedler, dass „die Mitarbeiter der Firma BAYER (...) an unser Institut gekommen waren, um die Methodik und das Know-how kennenzulernen, um beides dann zu Hause auf ihre Projekte anwenden zu können.“ Und genauso hatte es sich die bundesdeutsche Forschungspolitik auch gedacht. Sie war Saedler zufolge nämlich darauf aus, „die Grundlagen-Forschung so zu entwickeln, dass sie in Anwendungsnähe kommt“.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER setzt EFSA unter Druck
BAYERs Pestizid Thiacloprid hat die EU im Gegensatz zu den anderen beiden bienengefährlichen Neonicotinoiden Imidacloprid und Clothianidin von ihrem vorläufigen Verbot verschont. So findet sich der Stoff dann nicht nur in den Bienen selber wieder, sondern auch in ihrem Produkt, dem Honig. Und seit Kurzem darf es sogar wieder ein wenig mehr sein: Als die Europäische Behörde für Lebensmittel (EFSA) den Grenzwert für Thiacloprid im Februar 2016 von 0,2 auf 0,05 mg/kg senkte, schrieb der Konzern nämlich einen Brandbrief nach Brüssel und bekam prompt „geliefert“ – die EFSA machte den Beschluss rückgängig.

Gekaufte Glyphosat-Wissenschaft
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Substanz im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Just vor der Sitzung eines EU-Gremiums, das sich mit der Frage eines Verbotes dieser Agro-Chemikalie befasste, legte eine aus WissenschaftlerInnen der Welternährungsorganisation FAO und der WHO gebildete Kommission jedoch eine entlastende Studie vor. „Die Experten sind nach eingehender Analyse aller vorliegenden Daten zu dem Schluss gekommen, dass für den Verbraucher von den Glyphosat-Rückständen in Lebensmitteln kein Gesundheitsrisiko ausgeht“, erklärte eine WHO-Sprecherin. Was sie jedoch nicht erklärte: Sowohl der Vorsitzende des „Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues“ als auch sein Stellvertreter gehören dem „International Life Science Institute“ an, das schon Spenden von rund 500.000 Dollar von MONSANTO und Croplife – dem Lobbyverband von MONSANTO, BAYER & Co. – erhielt.

Merkel kaut BAYER-PR nach
Die Agro-Riesen gerieren sich beim Verkauf ihrer Pestizide und Gen-Pflanzen gerne als bessere EntwicklungshelferInnen, denen es nur darum gehe, alle Menschen satt zu machen. Und so will BAYER dann auch MONSANTO selbstverständlich nur schlucken, um „die weltweite Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung mit gesunden, sicheren und bezahlbaren Lebensmitteln zu ermöglichen“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel verbreitet diese PR-Lügen. In einer Rede lobte sie BAYER & Co. dafür, „bei der Bekämpfung des Hungers eine zentrale Rolle“ zu spielen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte diese Äußerung scharf. „Das von BASF, BAYER und Co. propagierte Modell der industriellen Landwirtschaft ist gescheitert. Es führt zu einem erhöhten Ausstoß von Klimagasen, dem Verlust fruchtbarer Böden sowie zu einer verringerten Biodiversität. Hunger ist in den meisten Fällen eine Folge von Armut und sozialer Ungerechtigkeit. Die Kanzlerin sollte an dieser Stelle nicht die gebrochenen Versprechungen der Konzerne nachbeten“, erklärte CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes.

Schäuble zu BAYER-Diensten
Die Konzerne nutzen alle Steuersparmodelle, die sich ihnen so bieten. BAYER tut sich hierzu vor allem in Belgien und in den Niederlanden um. Dort haben etwa BAYER WORLD INVESTMENTS, BAYER GLOBAL INVESTMENTS, BAYER CAPITAL CORPORATION und BAYER ANTWERPEN ihren Sitz (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). Weil den Finanzämtern durch solche Briefkasten-Firmen Milliarden entgehen, plant die Europäische Kommission Maßnahmen gegen das Vorgehen der Groß-Unternehmen. Dazu zählt beispielsweise, die Gesellschaften zur Offenlegung der Abgaben zu veranlassen, die sie in den jeweiligen Staaten leisten. Und die Zahlen dieses „Country-by-Country-Reportings“ sollten nach Ansicht der EU nicht nur den FinanzbeamtInnen zur Verfügung stehen, sondern allen, die sich dafür interessieren. Dagegen wehrt sich der Leverkusener Multi jedoch vehement. „Diese Form der Transparenz ist wenig hilfreich“, meint BAYERs Steuer-Chef Bernd-Peter Bier und sieht gleich den ganzen Standort Europa in Gefahr. „Drittstaaten – aber im Übrigen auch Wettbewerber – können so an die Kennziffern der europäischen Unternehmen gelangen, ohne dass sie dafür die Daten der eigenen Unternehmen preisgeben müssen“, warnt er. Darum appelliert er an die Politik: „Wir erwarten ein Signal, dass Deutschland seine Unternehmen schützt.“ Und von Finanzminister Wolfgang Schäuble kam ein solches Signal dann auch prompt. „Fachleute wissen, dass der Informationsaustausch sehr viel weniger effizient sein wird, wenn er öffentlich sein wird“, hielt er fest und setzte sich in Brüssel für die „effiziente“ Lösung ein. Damit nicht genug, drang der Finanzminister zusätzlich noch darauf, die Tochter-Firmen der Aktien-Gesellschaften von der Berichtspflicht zu entbinden. Das wollten seine KollegInnen aus den anderen Mitgliedsstaaten jedoch nicht mitmachen. „Wir wurden hierbei von keinem MS (Mitgliedsstaat, Anm. Ticker) unterstützt, klagt sein Ministerium. Nicht einmal in Deutschland selber hat Schäuble für seine Beistandspolitik ausreichend Rückendeckung. Sowohl Justizminister Heiko Maas (SPD) als auch die meisten Ministerpräsidenten der Länder, denen durch die ganz legalen Steuertricks der Konzerne viele Einnahmen entgehen, treten einstweilen für das Recht der Öffentlichkeit ein, mehr über das Finanz-Gebaren von BAYER & Co. zu erfahren.

Preis für Chlor-Fertigungsstätte
Mit einer Chlor-Produktion von über einer Million Tonnen gehört BAYER europa-weit zu den größten Anbietern der Substanz. Dennoch sperrte sich der Leverkusener Multi lange gegen eine umweltschonendere Fertigung dieser gefährlichen Chemikalie. Während viele mittelständische Betriebe ihre Chlor-Herstellung schon lange auf das Membran-Verfahren umgestellt hatten, bei dem kein giftiges Quecksilber als Produktionsrückstand mehr anfällt, hielt der Konzern noch eisern am Unbewährten fest. Erst als Subventionen in Höhe von sechs Millionen Euro aus dem Forschungsministerium lockten, zeigte er sich zu Veränderungen bereit. Gemeinsam mit dem Anlagenbauer UHDE und der RWTH Aachen entwickelte das Unternehmen das Membran-System bei dieser Gelegenheit gleich so weiter, dass zur Einspeisung des zur Elektrolyse benötigten Sauerstoffs weniger Energie erforderlich ist als bisher. Und genau dafür erhielt der Global Player nun vom Land Nordrhein-Westfalen einen Klimaschutz-Preis, obwohl seine gesamten Kohlendioxid-Emissionen im Jahr 2015 stiegen (siehe WASSER, BODEN & LUFT).

BAYERs Nachwuchsarbeit gefällt Obama
Seit Jahr und Tag bemüht sich der Leverkusener Multi, die Naturwissenschaften von ihrem schlechten Image zu befreien und Nachwuchsarbeit zu betreiben. An kritischen WissenschaftlerInnen hat er dabei natürlich kein Interesse, außer Gentechnik und Agro-Chemie steht nicht viel auf dem Lehrplan. „Making Science Make Sense“ heißt das betreffende Programm in den USA. Und dem Konzern gelang es sogar, US-Präsident Barack Obama dafür einzunehmen. „BAYER setzt sich dafür ein, 100.000 amerikanische Eltern und ihre Kinder zusammenzubringen, um gemeinsam im Rahmen von Wissenschafts- und Techologie-Projekten zu arbeiten“, lobte er etwas unkonkret.

Prizker bei BAYER
Im letzten Herbst besuchte die US-amerikanische Handelsministerin Penny Prizker die Berliner BAYER-Niederlassung. Im Beisein von Thorben Albrecht, Staatssekretär im „Bundesministerium für Arbeit und Soziales“, informierte sie sich dem Leverkusener Multi zufolge über die Berufsausbildung in Deutschland und die Frage, wie sich die Unternehmen hierzulande auf den technologischen Wandel durch die Digitalisierung einstellen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Einweihung der „Dream Production“
Am 17. Juni 2016 nahm die BAYER-Tochter COVESTRO ihre „Dream Production“ offiziell in Betrieb. „CO2, das unpopuläre Treibhaus-Gas – so ist gemeinhin die Wahrnehmung. Doch das ist eigentlich nur die halbe Wahrheit. Denn wie im Theater sich der vermeintliche Bösewicht häufig als Held erweist, so hat auch Kohlendioxid sozusagen zwei Gesichter. Es ist nämlich gleichzeitig ein nützlicher Helfer“, mit diesen Worten pries COVESTRO-Chef Patrick W. Thomas die neue Rolle des CO2 als Grundstoff zur Herstellung von Kunststoffen in Dormagen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zweifelt allerdings an den dem Kohlendioxid nun zugesprochenen Star-Qualitäten. Für sie ist die „Dream Production“ alles andere als eine Traumfabrik. Das gesamte Verfahren erfordert nämlich selber viel Energie, bei deren Erzeugung als Nebenwirkung Kohlendioxid entsteht. So schlägt etwa die Herstellung von Katalysatoren, die das reaktionsträge CO2 aktivieren, in der Klimabilanz als Negativposten zu Buche. Als „bestenfalls marginal“ bezeichnete die CBG in ihrer Presseerklärung deshalb die Verbesserung des CO2-Footprints für den gesamten Prozess. Auf rund zehn Prozent beläuft sich die Einsparung, während die gesamten BAYER-Emissionen weiter zunehmen (siehe WASSER, BODEN & LUFT). An der COVESTRO ging diese bereits im Frühjahr 2016 erstmals geübte Kritik nicht spurlos vorüber. Sie versucht jetzt nicht mehr mit einer guten Klima-Bilanz durch die CO2-Kunststoffe zu punkten, sondern betont die Schonung natürlicher Ressourcen durch die Verwendung von Kohlendioxid statt Öl. Und wenn die Gesellschaft im Vorfeld schon eine Medien-Agentur engagiert hatte, um sich mittels der „Dream Production“ als Umweltengel in Szene zu setzen, so zeigte sie zur Eröffnung „low profile“. Nicht einmal eine Pressemitteilung veröffentlichte das Unternehmen zur Einweihung der Fertigungsstätte.

BAYERs Innovationsapotheke
Die ApothekerInnen beraten die KundInnen, und BAYER berät die ApothekerInnen – was dabei herauskommt, ist klar: BAYER-Produkte in den Taschen der KundInnen. Der Leverkusener Multi hat zur Sicherung dieses Mechanismus’ in Köln eine „Innovationsakademie Deutscher Apotheken“ (IDA) aufgebaut, die angeblich schon mit über 1.000 Pharmazien zusammenarbeitet. In der IDA hat er sogar die Möglichkeit, den PharmazeutInnen ganz praktischen Unterricht zu geben. Zur Ausstattung gehört nämlich eine Muster-Apotheke, die auf dem neuesten technischen Stand ist. So verfügt sie etwa über eine Kamera, welche die Laufwege von KundInnen aufnimmt, um Aufschlüsse darüber zu gewinnen, wie die ApothekerInnen ihnen möglichst viele Waren vor die Nase setzen können. Ganz oben auf dem Lehrplan der Akademie steht für BAYER dann auch „die Frage, wie sich durch die richtige Präsentation der Verkauf von OTC-Produkten steigern lässt. Dabei steht ‚OTC’ für nicht verschreibungspflichtige Medikamente“. Und das kommt nicht von ungefähr. „Gerade dieser Bereich wird für Apotheker immer wichtiger. Denn er bietet viel Potenzial, um Impulskäufe zu generieren“, hält der Konzern fest, ohne zu erwähnen, dass dieser Bereich deshalb auch für ihn immer wichtiger wird. Er tut jedoch alles dafür, ASPIRIN & Co. auf diesem Gebiet die besten Ausgangspositionen zu verschaffen. Der Konzern gibt etwa Regal-Systeme und andere Einrichtungsgegenstände kostenlos ab; lediglich eine kleine Gegenleistung verlangt er: „BAYER-Produkte erhalten dafür in der Apotheke die prominentesten Plätze.“

Chemie-Tag mit TU Dortmund
Der Leverkusener Multi veranstaltet regelmäßig „Tage der Chemie“, um zu versuchen, das Image dieser nicht eben gut beleumundeten Naturwissenschaft aufzupolieren. Dabei setzt das Unternehmen traditionell schon bei den Jüngsten an. Im Bergkamener Werk beispielsweise veranstaltete es einen SchülerInnen-Wettbewerb, um das Interesse der Youngster zu wecken. Aber auch um die Älteren kümmerte der Konzern sich zu diesem Anlass. So bewegte er die ihm seit langer Zeit in Freundschaft verbundene TU Dortmund dazu, an dem BAYER-Standort über ihre Studiengänge zu informieren, damit die Bildungsstätte ihm auch weiterhin passgenauen, unkrititischen Nachwuchs liefert.

VFA im Kontrollwahn
Die Multis investieren viel Zeit und Geld in das sogenannte Reputationsmanagement. Und zuweilen drohen sie auch mit Anzeigen-Entzug oder bemühen Gerichte, um eine konzern-freundliche Berichterstattung durchzusetzen. Besonders doll trieb es jetzt der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“. Er hielt eine Presse-Konferenz ab und verlangte anschließend von den JournalistInnen, ihm die Artikel vor Erscheinen noch einmal zur Freigabe der wörtlichen Zitate vorzulegen. „Es herrscht ein Kontrollwahn“, empörte sich Klaus Max Smolka in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über diese Gängelung. Ein mutiger Schritt, denn wer sich den Gepflogenheiten der Konzerne nicht fügt, riskiert berufliche Nachteile wie etwa den, keine Einladungen zu Hintergrund-Gesprächen mehr zu erhalten.

Tomaten-PR in der Rheinischen Post
BAYER zählt in Europa zu den größten Züchtern von Tomaten-Saatgut (siehe auch PFLANZEN & SAATEN). Und obwohl sich das in der Angebotspalette neben Pestiziden, Gen-Pflanzen und Medikamenten nicht gerade gut macht, steht der Leverkusener Multi zu dem Produkt-Segment und sucht seit einiger Zeit verstärkt die Öffentlichkeit. So gewann er die Rheinische Post dazu, Reklame für CALIFORNICATION, ROTATION und andere „High-Tech-Tomaten“ zu machen. Auf einer ganzen Seite, dekoriert von Rezeptvorschlägen, breitete die Zeitung die Story vom Gemüse-Bauern BAYER aus.

Marketing-Ausgaben steigen weiter
BAYER gibt immer mehr Geld für Marketing und Vertrieb aus. 2015 stiegen die Zahlen gegenüber dem Vorjahr um 15,9 Prozent auf 12,36 Milliarden Euro. Obwohl das mehr als einem Viertel des Gesamtumsatzes entspricht, verweigert der Konzern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen seit Jahren eine genauere Aufschlüsselung dieser Ausgaben.

DRUGS & PILLS

BAYER stoppt STIVARGA-Vertrieb
Nach dem Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 müssen neue Medikamente eine Kosten/Nutzen-Prüfung durchlaufen. Schaffen die Arzneien es dann in diesem Prozess, ihre Überlegenheit gegenüber den gängigen Pharmazeutika unter Beweis zu stellen, können die Hersteller in den Verhandlungen mit den Krankenkassen einen besonders hohen Preis für die Präparate verlangen. Dem BAYER-Mittel STIVARGA (Wirkstoff: Regorafenib) gelang dies für das Anwendungsgebiet „fortgeschrittener Darmkrebs“ jedoch nicht (siehe Ticker 2/16). Einen Zusatznutzen vermochte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von MedizinerInnen, Krankenhäusern und Krankenkassen bei dieser Indikation nicht auszumachen. Er folgte damit der Bewertung, die das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) vorgelegt hatte. Demnach verlängerte STIVARGA zwar das Leben der PatientInnen um rund 45 Tage, die stärkeren Nebenwirkungen wie z. B. Durchfall heben diesen positiven Effekt nach Ansicht des IQWiG jedoch wieder auf. Auch zweifelte das Institut die Ergebnisse der STIVARGA-Tests, die zur Zulassung der Arznei geführt hatten, wegen nicht eingehaltener Studien-Standards an. Der Konzern reagierte schroff auf das Votum. Er bezeichnete die Entscheidung als „nicht nachvollziehbar“ und entschied kurzerhand, das Pharmazeutikum in Deutschland vom Markt zu nehmen.

Neue ASPIRIN-Studie
Mit Verweis auf eine Studie der TU München versucht BAYER, den Verkauf des Schmerzmittels ASPIRIN weiter anzukurbeln. Die ForscherInnen um Markus Ploner hatten herausgefunden, dass sich körperlicher Schmerz binnen kurzem in der Psyche niederschlägt. „Es ist grundsätzlich richtig, jede Art von Schmerz ernstzunehmen und die Schmerz-Weiterleitung frühzeitig und ausreichend zu unterbinden, um eine Chronifizierung (...) zu unterbinden“, meint deshalb Prof. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel. Und von diesem Statement ist es dann nicht mehr weit bis zur Produkt-Empfehlung des Leverkusener Multis: „Hier punktet die weiterentwickelte ASPIRIN-Tablette: Eine erste spürbare Schmerz-Linderung tritt bereits 16 Minuten nach der Einnahme ein.“ Bis zu den ersten Nebenwirkungen dauert es hingegen ein wenig länger, dafür kommen sie gewaltig – Magenblutungen zählen zu den gravierensten.

LAIF-Lieferengpass
Kein Johanneskraut-Mittel verschreiben die MedizinerInnen so oft wie BAYERs LAIF. Für 30 Millionen Tagesdosen des Präparats, das bei leichten bis mittelschweren Depressionen Anwendung findet, erstellten die ÄrztInnen 2014 Rezepte. In diesem Jahr dürften es jedoch weniger sein. Der Leverkusener Multi kann nämlich nicht liefern, und die PatientInnen stehen auf dem Schlauch. Über die Gründe macht der Konzern nur ungenaue Angaben. Teile der neuen Ernte hätten die hohen Qualitätsstandards nicht in allen Punkten erfüllt, verlautet aus der Unternehmenszentrale. Darüber, ob die Probleme mit neuen Auflagen des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) bezüglich der Rückstände von Pyrrolizidinalkaloiden zusammenhängen, schweigt sich der Pharma-Riese aus. Fragen zur Belastung seiner LAIF-Pflanzen mit diesen von Kräutern zur Insektenabwehr gebildeten Giften ließ er unbeantwortet.

Neue Hormon-Spirale
BAYERs Hormon-Spiralen haben beträchtliche Nebenwirkungen. Bei MIRENA etwa reichen sie von nächtlichen Schweißausbrüchen, Herzrasen und Unruhe über Schlaflosigkeit und Bauchkrämpfe bis hin zu Oberbauchschmerzen. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erhielt bereits über 45.000 Meldungen zu solchen unerwünschten Arznei-Effekten. Trotzdem will der Leverkusener Multi seine Produkt-Palette in diesem Bereich noch einmal erweitern. Er hat in den USA und in der EU einen Zulassungsantrag für die Spirale LCS-16 gestellt und stellt als besonderen Vorteil die geringe Konzentration des Wirkstoffes Levonorgestrel heraus. Als „hocheffektiv und gleichzeitig gut verträglich“ bezeichnet der Konzern seine neueste Errungenschaft. Aber das sagt er in seinen Hauptversammlungen ja auch immer über MIRENA, wenn Geschädigte ihn mit ihren Krankengeschichten konfrontieren.

41 Anwendungsbeobachtungen
Erkenntnisse werfen die Beobachtungsstudien zu Arzneien, die MedizinerInnen mit ihren PatientInnen durchführen, kaum ab. Das ist aber auch gar nicht Sinn der Übung. Die Anwendungsuntersuchungen verfolgen einzig den Zweck, die Kranken auf das getestete Präparat umzustellen. Dafür zahlen die Pharma-Riesen den ÄrztInnen jährlich ca. 100 Millionen Euro. Rund 700 Euro erhalten diese pro TeilnehmerIn. „Fangprämien“ nannte ein ehemaliger Vorsitzender der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ diese Zuwendungen einst. 41 solcher „Studien“ mit BAYER-Medikamenten fanden nach Angaben des Recherche-Netzwerkes Correct!v von 2009 bis 2014 in den Praxen statt. Unter anderem testeten die MedizinerInnen für den Konzern das Antibiotikum AVALOX, das MS-Präparat BETAFERON, das Kontrastmittel GADOVIST, das Blutprodukt KOGENATE und die Krebs-Arznei NEXAVAR.

BAYERs DDR-Arzneitests korrekt?
Im Jahr 2013 berichtete der Spiegel über großflächige Arznei-Tests bundesdeutscher Pharma-Firmen in der ehemaligen DDR. Von 1961 bis 1990 fanden dort ca. 600 Arznei-Versuche mit ungefähr 50.000 ProbandInnen statt. Auch BAYER war mit von der Partie. Der Pharma-Riese erprobte im anderen Deutschland unter anderem das Antibiotikum CIPROBAY, das Diabetikum GLUCOBAY, das die Gehirn-Durchblutung fördernde Mittel NIMOTOP und das zur Blutstillung nach Bypass-Operationen zum Einsatz kommende TRASYLOL, das wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen von 2007 bis Anfang 2012 verboten war. Der Spiegel-Bericht warf Fragen danach auf, ob die Medikamenten-Prüfungen gängigen Standards entsprachen. Darum beauftragte die damalige Bundesregierung eine Kommission mit einer genaueren Untersuchung. Drei Jahre später stellte diese erste Ergebnisse vor. Die ForscherInnen um den Medizin-Historiker Volker Hess fanden nach Auskunft der Ostbeauftragten der Großen Koalition, Iris Gleicke, „keine Hinweise darauf, dass ethische Standards verletzt worden wären“. Systematische Verstöße gab es den ExpertInnen zufolge nicht. Die Grünen meldeten jedoch Zweifel an den Resultaten an. Sie bemängelten unter anderem, dass Hess und sein Team nur einen Bruchteil der Firmen-Unterlagen gesichtet haben und dass BAYER & Co. dieses Material obendrein noch vorselektieren durften. Auch gebe es Hinweise auf medizinische Grundsätze verletzende Tests mit nicht einwilligungsfähigen Menschen, so die Partei. Die Informationen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN über die einstigen Versuche des Leverkusener Multis bestätigen das skeptische Urteil von Bündnis 90/Die Grünen über die wissenschaftliche Arbeit. So verabreichte der Pharma-Riese sein NIMOTOP damals etwa AlkoholikerInnen in akutem Delirium. „Ich bin psychisch absolut weggedampft“, berichtete ein früheres Versuchskaninchen. Und da hatte er noch Glück. „Es hätte auch Tote geben können“, meint der Mediziner Ulrich Moebius. Bei TRASYLOL, das der Pharma-Riese im Osten auch als Mittel zur Konservierung von Organen, die für eine Transplantation vorgesehen waren, erprobte, wies er den verantwortlichen Arzt Dr. Horpacsy an, Stillschweigen über negative Resultate zu bewahren (siehe SWB 3/13). Darum verschwieg dieser in einem späteren Aufsatz den völligen Verlust der Vital-Funktionen der Nieren unter TRASYLOL. Er vermeldete lediglich, die Gabe des Pharmazeutikums hätte nicht zu einer Verbesserung des Transplantat-Überlebens geführt; dafür hätte der Stoff jedoch einen positiven Effekt auf die Enzym-Werte des Organs gehabt. Der Global Player weist in Sachen „DDR-Tests“ allerdings alle Schuld von sich. „Sofern im Auftrag unseres Unternehmens klinische Studien in der ehemaligen DDR durchgeführt worden sind, gehen wir davon aus, dass diese entsprechend der Deklaration von Helsinki sowie den Vorschriften des Arzneimittel-Gesetzes der ehemaligen DDR erfolgte“, erklärte er.

Testosteron bei Fettleibigkeit?
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ bzw. „männliche Wechseljahresstörungen“ erfunden. Aber dabei soll es nicht bleiben. BAYER will die Mittel auch bei fettleibigen Männern in Anschlag bringen. „Epidemiologische Studien zeigen mit großer Übereinstimmung, dass zwischen Adipositas und Testosteron-Mangel (Hypogonadismus) ein enger Zusammenhang besteht“, behauptet der Konzern. Er erweitert diesen Zusammenhang sogar noch um Diabetes – und weiß sogleich Abhilfe. Der Multi präsentiert in einem Artikel, den er in der Zeitschrift Diabetes, Stoffwechsel und Herz platzieren konnte, Untersuchungen, welche die positiven Effekte von NEBIDO & Co. auf das Gewicht und den Blutzucker-Spiegel der Probanden belegen. Allerdings handelt es sich dabei lediglich um kleine, den Anforderungen von Zulassungsstudien nicht genügende Test-Reihen mit unter hundert Teilnehmern. MedizinerInnen warnen indessen vor den Hormon-Gaben. Als Nebenwirkungen zählen sie unter anderem Herzinfarkt, Harntrakt-Schädigungen, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Ödeme und Leberschäden auf. Zudem beobachteten die WissenschaftlerInnen Schrumpfungen des Hodengewebes und Samenzellen-Missbildungen.

BAYER testet Finerenone
Der Leverkusener Multi erprobt zur Zeit den Wirkstoff Finerenone. Er will die Substanz zur Behandlung von Herz-Insuffizienz einsetzen und spekuliert darauf, Präparaten wie dem PFIZER-Mittel INSPRA Markt-Anteile wegnehmen zu können. Angeblich hat das Pharmazeutikum nämlich weniger Nebenwirkungen als andere Arzneien dieser Medikamenten-Gruppe, die häufig die Blutkalium-Konzentrationen in bedenkliche Höhe treiben und deshalb das Herz schädigen können. Zudem testet der Konzern Finerenone noch zur Therapie von solchen Nierenschädigungen, die in Folge einer Diabetes entstehen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Neonicotinoid-Verbot in Frankreich
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Sie sorgen unter anderem für schrumpfende Populationen, indem sie im Futtersaft der Ammen-Bienen die Bildung des Botenstoffes Acetylcholin hemmen, der bei der Aufzucht der Larven eine wichtige Rolle spielt. Die EU hat Imidacloprid und Clothianidin wegen ihrer desaströsen Wirkung auf Bienen gemeinsam mit der Substanz Thiamethoxam bereits vorläufig aus dem Verkehr gezogen. Die Französische Nationalversammlung ging im März 2016 jedoch noch einen Schritt weiter. Sie erließ ein komplettes Neonicotinoid-Verbot, das 2018 in Kraft tritt. Der Leverkusener Multi protestierte vehement gegen diese Entscheidung. Er sieht die LandwirtInnen nun mit „veritablen Engpässen beim Schutz ihrer Pflanzen“ konfrontiert und prophezeite Ernte-Einbußen von 15 bis 40 Prozent.

UN-Gremium warnt vor GAUCHO & Co.
Auch die Vereinten Nationen hatten die Berichte über das zunehmende Bienensterben alarmiert. Darum setzte sie mit dem Welt-Biodiversitätsrat (IPBES) ein Gremium ein, um eine Bestandsaufnahme zur Lage von Bienen und anderen anderen Bestäuber-Insekten zu erhalten und Aufschluss die Gefährdung der Bestände zu gewinnen. Die WissenschaftlerInnen kamen – wie schon viele ihrer KollegInnen vor ihnen – zu dem Ergebnis, dass Ackergifte eine Mitschuld am Rückgang der Populationen tragen. „Das Gutachten ermittelte, dass Pestizide, inklusive Insektizide aus der Gruppe der Neonicotinoide, für Bestäuber weltweit eine Bedrohung darstellen“, hält der IPBES fest. Das Pikante dabei: Unter den am Bericht beteiligten ForscherInnen befand sich auch Christian Maus von BAYERs Bienenforschungszentrum in Monheim. Das wirbelte in Leverkusen gehörig Staub auf. Die Presseabteilung des Konzerns griff Maus umgehend dafür an, sich nicht von der Neonicotinoid-Kritik des Reports distanziert zu haben und tat das stellvertretend für ihn: „Diese Aussage können wir nicht nachvollziehen.“

Zahlreiche Bienen-Arten gefährdet
Besonders Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO und PONCHO tragen eine Mitschuld am Bienensterben (s. o.). Welches Ausmaß der Rückgang der Populationen in der Bundesrepublik bereits angenommen hat, machte jetzt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen deutlich. Von insgesamt 560 Wildbienen-Arten schätzte die Große Koalition 40,9 Prozent als gefährdet ein. 39 Spezies sind bereits ausgestorben. Nicht viel besser sieht es bei den Schmetterlingen aus: 69 Arten drohen bald vom Planeten zu verschwinden. BAYER jedoch leugnet den Zusammenhang zwischen den Agro-Chemikalien und dem Artensterben. Auf der Hauptversammlung am 29. April 2016 zeigte sich der Konzern „ … davon überzeugt, dass unsere Neonicotinoide sicher sind für die Umwelt, wenn sie sachgerecht eingesetzt werden“.

Neues Bio-Pestizid
BAYER hat die Zulassung für das Pestizid REQUIEM erhalten, dessen Wirk-Mechanismus auf einem biologischen statt auf einem chemischen Prinzip beruht. Der Inhaltsstoff Terpenoid ist einer Substanz nachgebildet, mit der sich die Pflanze Epazote, bekannt auch als Mexikanischer Drüsengänsefuß, gegen Insekten wehrt. Damit erweitert der Konzern seine Produkt-Palette im Bereich der Bio-Pestizide. So bietet er in diesem Segment bereits das Anti-Wurmmittel BIBACT und das Anti-Pilzmittel CONTANS an. Zudem kaufte der Global Player bereits im Jahr 2014 das argentinische Unternehmen BIAGRO, das biologische Saatgutbehandlungsmittel auf der Basis von Mikro-Organismen und Pilzen sowie Mittel zur Stärkung des Pflanzen-Wachstums produziert. Der Leverkusener Multi will wegen REQUIEM & Co. jedoch seinen Agrogift-Schrank nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. „Wir setzen auf integrierte Angebote für Nutzpflanzen. Also auf die Auswahl des passenden Saatguts und die beste Kombination aus chemischen und biologischen Produkten“, so BAYER-Manager Ashish Malik.

PFLANZEN & SAATEN

Tomaten made by BAYER
Von keiner Gemüse-Art produziert die europäische Landwirtschaft mehr als von der Tomate. Entsprechend stark konzentrieren sich die Agro-Multis auf diese Nachtschatten-Gewächse – BAYER, SYNGENTA, MONSANTO & Co. dominieren den EU-Handel mit Tomaten-Saatgut. Der Studie „Concentration of Market Power in the EU Seed Market“ zufolge stammten 2013 45 Prozent aller Saaten aus den Gewächshäusern dieser Konzerne. Der Marktanteil der BAYER-Tochter NUNHEMS belief sich 2014 auf 3,7 Prozent. Inzwischen dürfte dieser gestiegen sein, denn in den letzten zwölf Monaten brachte das Unternehmen viele neue Sorten heraus. Die „hochtechnologischen Tomaten“ versprechen laut NUNHEMS gute Ernten, zuweilen gar „Ertragsrekorde“ und „Einheitlichkeit“, was diese „zu einer rentablen Wahl für den Erzeuger macht“. Geschmacksfragen stellen sich der Firma hingegen nicht.

BAYER erweitert Weizenzucht-Zentrum
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen einen Schwerpunkt, weil die Ackerfrucht die weitverbreiteste Kulturpflanze der Welt ist. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren, um eine führende Rolle in diesem Markt-Segment zu einzunehmen. Dazu kooperiert er mit vielen Weizenforschungsinstituten und unterhält eigene Zuchtstationen. Sieben solcher Einrichtungen hat der Multi bisher schon aufgebaut. In Gatersleben, wo der Global Player seit 2012 ein solches Zentrum – nicht von ungefähr in unmittelbarer Nähe des „Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzen-Forschung“ – betreibt, plant er jetzt eine Erweiterung. Das Unternehmen kündigte an, dort die Acker-Flächen auf 80 Hektar zu verdoppeln.

GENE & KLONE

BAYERs Gen-Soja entert Brasilien
Brasilien hatte es Gen-Pflanzen made by BAYER jahrelang sehr schwer gemacht. So verbot das Land gentechnisch veränderten Mais der Produktreihe LIBERTYLINK und entzog der Sorte T25 die Genehmigung. Jetzt aber scheint der Widerstand gebrochen. Ab diesem Jahr vermarktet der Leverkusener Multi in dem südamerikanischen Staat LIBERTYLINK-Soja. Dabei handelt es sich um eine Laborfrucht, die immun gegen das extrem gesundheitsschädliche und in Europa deshalb nur noch bis 2017 erlaubte Pestizid Glufosinat ist. Gleich 2.000 LandwirtInnen wollen es nach Aussage des Global Players trotzdem mit dem LL-Soja versuchen.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYER-Altlast unter Kleingarten
Viele Duisburger KleingärtnerInnen sorgen sich um ihre Grundstücke, denn unter der Grasnarbe schlummern Altlasten von BAYER, KRUPP oder MANNESMANN. Boden-Untersuchungen des Bielefelder Instituts IFUA PROJEKT ergaben in vielen Fällen bedenkliche Werte für Cadmium, Zink, Arsen, Benzo(a)pyren und Blei. Auf dem Gelände des Kleingarten-Vereins „Borgsche Hütte“ in Rumeln, wo der Leverkusener Multi um 1958 Giftstoffe verklappt hat, gab es hingegen keine Überschreitungen der zulässigen Limits. Das Chemie-Grab liege zu tief, als dass von ihm noch Gefahren ausgehen könnten, versichert Wolfgang Ibels vom Duisburger Umweltamt. Mögliche Verunreinigungen des Grundwassers durch die Hinterlassenschaften des Leverkusener Multis ignorierte er dabei jedoch.

Kaum Energie-Ersparnis
BAYERs Energie-Einsatz sank 2015 gegenüber dem Vorjahr von 85.317 auf 83.182 Terajoule. Die Reduktion verdankt sich jedoch mitnichten einer ressourcen-schonenderen Produktionsweise, sondern hauptsächlich der im letzten Jahr erfolgten Stillegung der Fertigungsstätte im brasilianischen Belford Roxo.

Mehr Kohlendioxid-Emissionen
BAYERs Emissionen des klima-schädlichen Kohlendioxids stiegen 2015 gegenüber dem Vorjahr um 160.000 Tonnen auf 9,71 Millionen Tonnen. Ein Grund dafür ist, dass der Konzern bei der Energie, die er selbst erzeugt, mehr auf die besonders klima-schädliche Kohle setzt. Deren Quantum am Energie-Mix wuchs gegenüber 2014 von 12.611 auf 12.755 Terajoule. Für den Löwenanteil an den CO2-Emissionen des Unternehmens sorgt die Kunststoff-Tochter COVESTRO mit 6,41 Millionen Tonnen, dahinter folgt die CURRENTA als Betreiber der Chemie- „Parks“ mit 1,47 Millionen Tonnen, die Agro-Sparte mit einer Million Tonnen und der Pharma-Bereich mit 0,57 Millionen Tonnen.

BAYER schädigt Ozonschicht
Seit Jahren schon sorgt hauptsächlich ein einziges Werk des Leverkusener Multis für den ganzen Ausstoß an ozon-abbauenden Substanzen: die Niederlassung der Agro-Sparte im indischen Vapi. Und seit Jahren schon schraubt der Konzern auch ein bisschen an der Fertigungsstätte rum, so dass die Werte immer ein bisschen sinken. Aber 2015 summierten sie sich trotzdem noch auf 11,7 Tonnen (2014: 14,8).

1.610 Tonnen flüchtige Substanzen
Auch BAYERs flüchtige organische Substanzen entstammen hauptsächlich dem Werk im indischen Vapi. Im Zuge der „Work in Progress“-Sanierung ging der Ausstoß ebenso wie derjenige der ozon-abbauenden Stoffe (s. o.) 2015 etwas zurück. Von 2.120 auf 1.610 Tonnen sank der Wert.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden, Staub und Kohlenmonoxid hat sich bei BAYER 2015 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden stiegen von 2.360 Tonnen auf 2.420 Tonnen, während diejenigen von Schwefeloxiden leicht von 1.220 Tonnen auf 1.170 Tonnen zurückgingen. Auch etwas weniger Staub wirbelte der Konzern auf: 250 gegenüber 230 Tonnen. Dafür erhöhte sich jedoch der Kohlenmonoxid-Ausstoß um 20 auf 930 Tonnen.

BAYERs großer Durst
Der Leverkusener Multi hat einen enormen Wasser-Durst. Auf 346 Millionen Kubikmeter bezifferte er seinen Konsum im Jahr 2014, in den zwölf Monaten zuvor waren es sogar 350 Millionen gewesen. Zum Vergleich: Das ist mehr als das Dreifache dessen, was die ganze Stadt Köln verbraucht. Drei Viertel des Wassers gehen als Kühlwasser drauf, ein Viertel verwendet der Konzern in der Produktion. Und erschwerend kommt noch hinzu, dass die Wiederaufbereitungsquote verschwindend gering ist: Gerade einmal 10,4 Millionen Liter recycelte das Unternehmen.

BAYER Abwasser-Frachten
2015 produzierte der Leverkusener Multi mit 61 Millionen Kubikmetern fünf Millionen Liter weniger Abwässer als 2014, aber nicht, weil er etwa „grüner“ produzierte, sondern nur, weil er überhaupt weniger produzierte. Und trotzdem schaffte es der Konzern noch, von einzelnen Stoffen mehr einzuleiten als im Vorjahr. Bei den anorganischen Salzen stieg die Menge von 845.000 Tonnen auf 927.000 Tonnen. Bei den Schwermetallen, die das Unternehmen nicht mehr einzeln aufführt, um besonders gefährliche Stoffe wie Quecksilber nicht nennen zu müssen, wuchs sie von 63 auf 64 Kilogramm. Der Phosphor-Eintrag blieb hingegen konstant bei 100 Tonnen, und der Stickstoff-Wert sank von 760 auf 560 Tonnen. Auch organischer Kohlenstoff fand sich etwas weniger im Wasser wieder: Das Volumen reduzierte sich um 40 Tonnen auf 1.160.

BAYER produziert mehr Müll
Im Jahr 2015 produzierte BAYER mehr Müll als 2014. Von 896.000 auf 940.000 Tonnen stieg die Menge. Auch bei gefährlichen Abfällen erhöhte sich der Wert; er legte von 487.000 auf 541.000 Tonnen zu. Als Grund dafür nennt der Leverkusener Multi neben Produktionssteigerungen „eine neue abfallrechtliche Bewertung der Wirbelschicht-Asche aus dem Kraftwerk im Chem-‚Park’ Leverkusen“.

CO & CO.

„Risiko nicht ausgeschlossen“
Während BAYERs zwischen Dormagen und Krefeld geplante Kohlenmonoxid-Pipeline wegen einer Klage noch immer keine Betriebsgenehmigung hat, zeigt deren zwischen Dormagen und Leverkusen verlaufendes Pendant schon bedenkliche Alterserscheinungen. Besonders dort, wo die Leitung den Rhein unterquert, zeigen sich Korrosionsschäden, also Abnutzungserscheinungen an den Bau-Bestandteilen. So treten an diesem Düker nach einem Bericht des TÜV Rheinland „gravierende externe Materialverluste“ auf. Eine „Restlebensdauer von 2 Jahren, bis die rechnerisch geforderte Mindestrohrwandstärke von 3,6 mm erreicht wird“, errechnete der Technische Überwachungsverein. Nachdem die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN diesen Befund publik gemacht hatte, blieb dem Leverkusener Multi nichts anderes übrig, als Maßnahmen einzuleiten: Er kündigte den Bau eines neuen Dükers an. Dieser nimmt noch einmal größere Dimensionen als der alte an und bietet zusätzlich zu den zehn Leitungen noch Platz für fünf Reserve-Pipelines. Weil der Pharma-Riese deshalb in die unter Naturschutz stehende Uferlandschaft eingreifen muss, hat er später Kompensationsleistungen zu erbringen. Absolute Sicherheit mochte der Konzern auch nach der Fertigstellung des neuen Tunnel-Systems nicht garantieren. Lediglich als „unwahrscheinlich“ bezeichnete das Unternehmen das Risiko einer Explosion im Düker, es könne aber „nicht 100-prozentig ausgeschlossen werden“. Und die Folgen wären BAYER zufolge „wegen der engen räumlichen Nähe der Rohrleitungen und dem zu erwartenden Totalversagen auch der CO-Leitung als katastrophal einzuschätzen“. Trotzdem rechnet der Multi fest mit einer Betriebsgenehmigung durch die Bezirksregierung. Anfang 2017 will er den Düker dann nutzen – und ansonsten wohl bei der Pipeline, die immerhin schon rund 50 Jahre auf dem Buckel hat, alles beim Alten lassen. Lediglich ein paar kleine Eingriffe stehen möglicherweise an.

STANDORTE & PRODUKTION

Neues Haus für Insektizid-Forschung
BAYER will am Standort Monheim ein Gewächshaus für die Insektizid-Forschung errichten, das „weltweit neue Maßstäbe“ setzt. 43,5 Millionen Euro investiert der Leverkusener Multi zu diesem Behufe.

Leverkusen: Neue Pack-Anlage
BAYER errichtet in Leverkusen für rund 150 Millionen Euro eine neue Anlage für Medikamenten-Verpackungen. Zudem kündigte der Konzern den Bau einer Fertigungstätte für Arznei-Formulierungen an.

Millionen-Investition in Bitterfeld
Der Leverkusener Multi plant am Standort Bitterfeld, wo er vor allem das Schmerzmittel ASPIRIN produziert, 20 bis 30 Millionen Euro zu investieren. Das Geld will er unter anderem für einen Ausbau der Automation, für neue Filteranlagen und für mehr Informationstechnologie.

ÖKONOMIE & PROFIT

Die BAYER-Bank in Belgien
Der Leverkusener Multi unterhält viele Niederlassungen im Steuer-Paradies Belgien. BAYER ANTWERPEN etwa wirkt als konzern-interne Bank, die den Teilgesellschaften Geld für Investitionen leiht. Für den Global Player entsteht so eine Win-win-Situation: Während die Tochter-Firmen die Zins-Zahlungen von der Steuer absetzen können, muss BAYER ANTWERPEN für die Zins-Erträge kaum Abgaben zahlen. Und bei den 11,8 Milliarden Euro an Krediten, die im Jahr 2015 von Belgien aus auf die Reise gingen, kommen da schon ganz hübsche Summen zusammen.

BAYERs globale Steuer-Praxis
Der Leverkusener Multi hat Niederlassungen auf der ganzen Welt. Nur profitiert steuerlich nicht die ganze Welt gleichermaßen von den Erträgen. Die BAYER-Töchter müssen einen Großteil ihrer Gewinne an die Mutter-Gesellschaft in Leverkusen abführen. In der Heimat fällt deshalb auch der Löwenanteil der Abgaben an, welche der Konzern leistet, nachdem er sich durch Nutzung diverser Steuersparmodelle arm gerechnet hat. Der Global Player gibt an, 50 Prozent seiner Ertragssteuern in Deutschland zu zahlen, obwohl er hierzulande nur rund elf Prozent seines Gesamtumsatzes erzielt und nur 31 Prozent seiner Belegschaftsangehörigen beschäftigt. Mit Imperialismus hat das alles aber dem Unternehmen zufolge nichts zu tun. Der Pharma-Riese betrachtet die ungleiche Verteilung vielmehr als angemessen und führt dazu eine recht abenteuerliche Begründung an: Da er hauptsächlich an den deutschen Standorten forsche und das mit viel kosten-intensivem „Trial and Error“ einher gehe, sei auch das unternehmerische Risiko vornehmlich zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen angesiedelt. Sorgen bereiten ihm in diesem Zusammenhang nun die Pläne der EU, die Multis zur Veröffentlichung ihrer Steuer-Zahlungen in den einzelnen Ländern zu zwingen (siehe POLITIK & EINFLUSS) So warnt BAYERs Steuer-Chef Bernd-Peter Bier, das sogenannte Country-by-Country-Reporting „führt gerade vor dem Hintergrund der deutschen Export-Stärke dazu, dass die Regierungen unserer ausländischen Absatzmärkte (sic!) künftig mehr vom deutschen Anteil am Steuer-Kuchen abhaben wollen“. Deshalb sperrt er sich vehement gegen weitergehende Transparenz-Verpflichtungen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Salzsäure tritt aus
Am 15.1.2015 meldete die BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Illinois einen Stoff-Austritt: Ein Tankwagen, der Salzsäure transportierte, verlor 7.600 Liter seiner Ladung.

Polyisocyanat tritt aus
Am 18.1.2015 meldete die BAYER-Tochter COVESTRO am indischen Standort Hubli einen Transport-Unfall, bei dem 1.200 Kilo des Gefahrguts Polyisocyanat ins Freie gelangten.

TDI tritt aus
Am 7.2.2015 liefen in einem kalifornischen Werk der BAYER-Tochter COVESTRO an einer Abfüll-Station 1.150 Liter des Kunststoffes TDI aus, weil ein Tankwagen zu voll gepumpt wurde.

MDI tritt aus
Am 31.5.2015 meldete die BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Ward Creek einen Transport-Unfall. Ein Sattelzug stürzte auf der Straße um, und 1.500 Liter des Kunststoffes MDI liefen aus.

BAYHYDROL tritt aus
Am 4.6.15 kam es in Helsinki zur Beschädigung eines Containers der BAYER-Tochter COVESTRO, in dem sich das Lackharz BAYHYDROL befand. Die Flüssigkeit trat aus, und 12 Personen, die mit ihr in Berührung gerieten, mussten sich zur Untersuchung in ein Krankenhaus begeben. Ein stationärer Aufenthalt blieb ihnen aber erspart.

DESMOPHEN-Tank platzte
Am 18.8.15 platzte am Antwerpener Standort der BAYER-Tochter COVESTRO bei einem Umfüll-Vorgang ein Tank, in dem sich der Lack-Grundstoff DESMOPHEN befand. Rund 6.000 Kilogramm des Stoffes gelangten so an die Luft. Der Leverkusener Multi gab jedoch sogleich Entwarnung: „Es kam weder zu Verletzungen noch zu Gefährdungen.“

Salpetersäure tritt aus
Am 3.9.15 kam es am Dormagener Standort der BAYER-Tochter COVESTRO beim Entladen von Salpetersäure zu einem Unfall. In der Folge liefen 150 Liter des Stickstoffs aus, der auf Haut, Atemwege und Schleimhäute stark reizend wirkt und Verätzungen hervorrufen kann. Ein Beschäftigter geriet mit der Substanz in Berührung und kam in ein Krankenhaus. Er konnte jedoch zum Glück bald schon wieder entlassen werden.

DESMODUR tritt aus
Am 28.9.15 durchbohrte am US-amerikanischen Standort Laredo der BAYER-Tochter COVESTRO ein Gabelstabler die Wand eines Fasses, in dem sich das Kunststoff-Produkt DESMODUR befand. In der Folge liefen 150 Liter der Substanz aus.

Salzsäure tritt aus

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Am 30.9.15 trat an einem Kesselwagen der DEUTSCHEN BAHN, der Salzsäure der BAYER-Tochter COVESTRO beförderte, eine Leckage auf. 100 Liter der Substanz flossen auf diese Weise aus.

DESMODUR tritt aus

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Wie zuvor in Laredo (s. o.) durchbohrte am 28.10.15 auch in Köln ein Gabelstabler ein Fass, in dem sich DESMODUR der BAYER-Tochter COVESTRO befand. Und wieder flossen 150 Liter der Substanz aus.

DESMODUR tritt aus

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Das Werk der BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Martinsburg schickte am 9.12.15 ein undichtes DESMODUR-Fass auf Reisen. Der LKW-Fahrer bemerkte den Austritt des Kunststoff-Produkts jedoch nach einiger Zeit und alarmierte die Feuerwehr. Diese sog die Substanz mit Bindemitteln auf und konnte den Schaden so in Grenzen halten.

Polyalkohol tritt aus
Am 16.12.15 informierte die BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Charleston die Behörden über einen Verkehrsunfall, in dessen Folge ein LKW aus einem Tank 1.900 Liter Polyalkohol verlor.

RECHT & UNBILLIG

4.300 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen. So erhielt das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 2015 von ÄrztInnen 173 Benachrichtigungen über Todesfälle, von denen 137 auf Blutungen zurückgingen. Insgesamt erfolgten 1.792 Meldungen wegen unerwünschter Pharma-Effekte. In den USA, wo PatientInnen bzw. deren Hinterbliebene leichter Schadensersatz-Ansprüche geltend machen können, beschäftigt sich deshalb bereits die Justiz mit XARELTO. Bis zum 25.1.2016 lagen 4.300 Klagen vor. Bei kanadischen Gerichten belief sich die Zahl auf acht.

Patent-Klage gegen AUROBINDO et. al.
Der Leverkusener Multi verklagt routinemäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte seiner Pillen auf den Markt bringen wollen, wegen Verletzung seines geistigen Eigentums. So hofft der Konzern sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe halten zu können. Deshalb ging er auch gegen AUROBINDO und sieben weitere Unternehmen vor, die Generika-Versionen seines umstrittenen Gerinnungshemmers XARELTO (s. o.) vorbereiten.

Patent-Klage gegen MYLAN
BAYER will generische Versionen seines Krebsmittel NEXAVAR möglichst lange vom Markt fernhalten. Aus diesem Grund ging der Pharma-Riese jetzt gerichtlich gegen die Firma MYLAN vor, die bei den US-Behörden Zulassungsanträge für ein solches Präparat eingereicht hatte, und verklagte das Unternehmen wegen Patent-Verletzung.

BAYER-Patente ungültig
BAYER hatte das Unternehmen WATSON LABORATORIES, das beabsichtigt, Generika-Versionen der gefährlichen drospirenon-haltigen Verhütungsmittel BEYAZ und SAFYRAL herzustellen, schon vor längerer Zeit wegen Patent-Verletzung verklagt. In erster Instanz bekam der Pharma-Riese auch Recht, aber WATSON focht die Entscheidung an. Und in dem Revisionsverfahren erklärte das Gericht die BAYER-Patente dann für ungültig. Als Begründung führten die RichterInnen an, dass MERCK als ursprünglicher Inhaber der BEYAZ- und SAFYRAL-Schutzrechte schon vor Erhalt des Patents einzelne Komponenten der Kontrazeptiva zum Verkauf angeboten hatte. Ob der Global Player plant, gegen diesen Beschluss vorzugehen, stand bis Redaktionsschluss nicht fest. Auch der Rechtsstreit mit LUPIN in der gleichen Sache könnte durch das Urteil jetzt eine andere Wendung nehmen.

EU-Klage wg. Dünger
Laut nordrhein-westfälischem Umweltministerium befindet sich das rechtsrheinische Grundwasser-Reservoir in einem chemisch so schlechten Zustand, dass es sich nicht zur Trinkwasser-Gewinnung eignet. BAYER trägt dazu unter anderem durch den Dünger bei, der auf den landwirtschaftlichen Versuchsfeldern in Monheim zum Einsatz kommt und so für Nitrat-Einträge sorgt. Die Europäische Kommission hatte die Bundesrepublik in der Vergangenheit mehrfach aufgefordert, die Dünge-Praxis strenger zu reglementieren, aber es geschah nichts. Deshalb hat die EU nun vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg eine Klage eingereicht. Nicht einmal der Verweis auf eine in Arbeit befindliche Gesetzes-Novelle konnte Juncker & Co. davon abhalten. Diese enthalte zu viele Ausnahme-Regelungen und sei deshalb nicht geeignet, eine bessere Wasser-Qualität zu garantieren, hieß es aus Brüssel.

FORSCHUNG & LEHRE

Pharmazie-Studierende bei BAYER
Früh übt sich, wer ein/e Pharmazeut/in ganz im Sinne der Pharma-Industrie werden will, deshalb bietet der Leverkusener Multi viele Übungsmöglichkeiten an. So unterhält er bereits seit 2008 eine Kooperation mit der Kieler Christian-Albrechts-Universität, in deren Rahmen die BAYER-Tochter KVP PHARMA + VETERINÄR zweimal im Jahr Pharmazie-Studierende empfängt. Im Werk erfahren diese dann unter anderem, wie mustergültig der Pillen-Riese angeblich Qualitätssicherung betreibt und die regulatorischen Rahmenbedingungen umsetzt. Und die Lehrenden spielen das Spiel mit. Die Privatdozentin Dr. Regina Scherließ bezeichnet es dem Global Player zufolge nachgerade als Glücksfall, mit dem BAYER-Standort in Kiel ein international aufgestelltes Pharma-Unternehmen zu haben, das den Studierenden einen solchen Einblick bietet.

BAYER forciert Digital-Medizin
Der Leverkusener Multi bereitet sich auf den Eintritt in den Markt der digitalen Medizin vor und fördert im Rahmen seiner „Grants4Apps-Accelerator“-Initiative Start-ups, die Apps oder andere Anwendungen entwickeln. So erhielt VIOMEDO im Jahr 2015 Geld für ein Internet-Projekt, das den Pharma-Riesen mehr ProbandInnen für seine Klinischen Studien zuführen soll. SERONA bekam Unterstützung für das Vorhaben, die personalisierte Medizin auf dem Gebiet der Hormon-Therapien mittels Daten-Analysen voranzutreiben und VITAMETER für die Konstruktion eines Gerätes zur Bestimmung des Vitamin-Gehaltes im Blut.