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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[Krefeld] Klimakiller

CBG Redaktion

Rheinische Post, 27. November 2008

Greenpeace: Feuer-Protest gegen Kraftwerk

Vor dem Chempark brennt Stahl. Greenpeace-Aktivisten protestierten gestern mit einem flammenden CO2-Zeichen und einem Transparent mit der Aufschrift „Kohlekraft verheizt das Klima“ gegen den geplanten Bau des Uerdinger Steinkohlekraftwerks. Das soll jährlich 4,4 Millionen Tonnen schädliches Kohlendioxid ausstoßen.

Laut der Umweltschutz-Organisation werden in Deutschland 27 Kohlekraftwerke geplant. An allen Standorten demonstrieren die Umwelt-Schützer. Die zuvor geheime Krefelder Aktion war Teil dieser bundesweiten Klimakampagne.

An der Hohenbudberger Straße kurz vor Rheinhausen bauten zwölf Greenpeace-Leute flink das drei Meter hohe Gestell auf, zündeten es an, rollten das zweimal vier Meter große Transparent aus und standen stumm zwischen Metall und Banner. Vorbeifahrende schauten neugierig, während das Feuer 15 Minuten brannte. Der Sicherheitsdienst des Chemparks fotografierte die unangemeldete Demonstration. „Wir protestieren nicht gegen Bayer, sondern gegen das Kohlekraftwerk. Wer neue baut, setzt für 40 Jahre auf die falsche Energie“, erklärte Thomas Kohlhaas. Der Krefelder Greenpeace-Sprecher befürchtet, dass die CDU den Bau bewilligen wird, sobald dieser nach ihrem Wunsch läuft. „Wir fordern den Bürger auf, den Bau bei der Kommunalwahl zu verhindern.“

Dass Greenpeace gestern Feuer mit Propangas erzeugte, das auch Kohlendioxid ausstößt, erklärte Kohlhaas so: „Manchmal muss man solche Mittel einsetzen, um sein Ziel zu erreichen. Das Ziel ist die Änderung der Klimapolitik.“

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[Strafzahlung] Prämienzahlungen

CBG Redaktion

Presse Information vom 26. November 2008

Illegale Prämienzahlungen: BAYER zahlt Millionenstrafe

Coordination gegen BAYER-Gefahren veröffentlicht Liste aller Kartell-Fälle

Wegen unerlaubter Prämienzahlungen beim Vertrieb von Blutzuckermessgeräten zahlt der BAYER-Konzern eine Strafe von 97,5 Millionen US-Dollar (rund 75 Millionen Euro). Das US-Justizministerium wirft dem Unternehmen vor, insgesamt elf amerikanische Vertreiber von Messgeräten für Diabetes-Patienten bestochen zu haben, damit sie nur noch BAYER-Produkte anbieten. Das Bayer-Pharmalabor im US-Bundesstaat New York leistete demnach zwischen 1998 und 2002 rund 2,5 Millionen Dollar an illegalen Zahlungen an die Firma Liberty Medical Supply, einen führenden US-Lieferanten von Diabetes-Produkten.

Die Firma sollte ihre Kunden dafür von Bayer-Produkten überzeugen. Die Höhe der gezahlten Summen war an die Zahl der Patienten gekoppelt, die Liberty Medical Supply von Bayer-Produkten überzeugen konnte. Die Zahlungen wurden demnach als Werbeausgaben verschleiert. Daneben flossen laut Justizministerium in ähnlichen Abmachungen weitere 375.000 Dollar an zehn andere US-Lieferanten von Diabetes-Produkten.

Der BAYER-Konzern beteiligt sich laufend an illegalen Preisabsprachen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. hat eine Aufstellung der jüngsten Kartellfälle mit BAYER-Beteiligung veröffentlicht. Diese notwendigerweise unvollständige Liste enthält die Strafzahlung, die Laufzeit der jeweiligen Absprachen sowie links zu weitergehenden Informationen.

Kartell-Fälle mit Beteiligung von BAYER

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[LL Cotton] GenBaumwolle

CBG Redaktion

Presse Information vom 25. November 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Gen-Baumwolle: Kritik an EU-Zulassung

Lebensgrundlage von Millionen Landwirten bedroht / Gesundheitsrisiken befürchtet

Anfang des Monats hat die EU eine Importgenehmigung für gentechnisch veränderte Baumwolle erteilt. Die von BAYER CropScience angebotene Sorte LLCotton25 ist resistent gegen das ebenfalls von BAYER hergestellte Herbizid Liberty Link. Die Zulassung gilt für den Bereich Nahrungs- und Futtermittel.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) und das African Centre for Biosafety kritisieren die Strategie des Unternehmens: „BAYER ist weltweit der zweitgrößte Hersteller von Baumwoll-Saatgut und drängt auf immer mehr Märkte. Vor allem für die kleinen Baumwoll-Produzenten in der „Dritten Welt“ hat das fatale Folgen“, so Jan Pehrke von der CBG. Auch in Südafrika stößt das Engagement des Konzerns auf massive Kritik, weil Risiken und Nebenwirkungen hier nicht nur auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, sondern zusätzlich auf den einheimischen Agrarsektor zuzukommen drohen. „Wir lehnen BAYERs Antrag vehement ab„, erklärt das African Centre for Biosafety, „nach einer Bewilligung werden große Mengen subventionierter und daher billiger Gen-Baumwolle auf den südafrikanischen Markt drängen. Das wird die Lebensgrundlage von Millionen Afrikanern in der Region zerstören.“ Die US-Regierung unterstützt ihre Baumwollfarmer jährlich mit 3,9 Milliarden Dollar - fast die Hälfte des Bruttoinlandprodukts von Sambia - und verschafft ihnen damit immense Wettbewerbsvorteile.

In Südafrika hat BAYER nicht nur einen Importantrag für LLCotton gestellt. Der Konzern will das Land zusätzlich als Versuchsfeld für weitere Gen-Baumwollarten nutzen, wobei die geringeren Auflagen für die Tests als Standortvorteil gelockt haben dürften. Dabei will BAYER erstmals Baumwoll-Sorten testen, die Frucht eines mit MONSANTO vereinbarten Technologie-Austauschprogramms sind und Resistenzen gegen mehrere Pestizide besitzen. Weder die Auskreuzungsgefahr oder die Auswirkungen auf die Artenvielfalt noch Tests zur Stabilität der vererbten Eigenschaften oder zu den möglichen Langzeitfolgen zählen jedoch zum Untersuchungsprogramm.

Hinzu kommen Risiken für die menschliche Gesundheit. Der Mensch kommt mit gentechnisch manipulierter Baumwolle nämlich nicht nur rein äußerlich durch Kleidungsstücke in Berührung, die Laborfrüchte finden auch den Weg nach innen - entweder als Öle oder über den Umweg „Tiernahrung“. Besonders der im Vergleich zu konventionellen Arten höhere Gossypol-Gehalt von gentechnisch manipulierter Baumwolle stellt dabei ein Gefährdungspotenzial dar. 0,5 Prozent beträgt der Anteil dieser giftigen chemischen Verbindung bei BAYERs LL25-Sorte und liegt damit beträchtlich über dem für Tierfutter noch als unbedenklich geltenden Wert von 0,05 Prozent. Überschreitet die Nahrung dieses Limit, so steigt für das Vieh die Gefahr, Durchfall, Atemschwierigkeiten oder Schwächeanfälle zu bekommen. Sogar Fälle von Unfruchtbarkeit, Herzinfarkte, Leberschäden und Todesfälle wurden beobachtet. Das aus Baumwolle gewonnene Öl, 50 Prozent der US-amerikanischen Ernte landet in dieser Wertschöpfungskette, muss wegen dieser Gefahren extra durch Raffinierungsverfahren vom Gossypol befreit werden.

Das Geschäft mit der „grünen Gentechnik“ beschränkt sich weitgehend auf Mais, Raps, Soja, Reis und Baumwolle. BAYER hat all diese Bereiche im Angebot, baut aber besonders das Segment mit gentechnisch manipulierter Baumwolle aus, denn dieses verspricht die höchsten Wachstumsraten. Im Bereich Baumwolle ist BAYER weltweit zweitgrößter Anbieter. Der Konzern hat eine Anbau-Zusage aus Kanada erhalten und Anträge auf Import-Genehmigungen in Europa, Indien, Australien und Südafrika gestellt.

Den Praxistest haben bisher aber weder Bt-Baumwolle noch die gegen Herbizide resistenten Produktreihen bestanden. Entgegen den Versprechungen von BAYER und MONSANTO haben sich mit Gentech-Saaten die Erträge nicht steigern können. In Indien verlor nach und nach ein Viertel der Bt-Baumwolle ihre giftige Wirkung. Deshalb mussten die Landwirte auf dem Subkontinent mit zusätzlichen Pestiziden arbeiten. Diese Mehrausgaben, verbunden mit den hohen Anschaffungskosten für die Gen-Saaten, den mageren Ernten und den fallenden Weltmarktpreisen führten zu einer so desaströsen Einnahme-Situation, dass Indien von einer wahren Suizid-Welle unter Baumwoll-Pflanzern heimgesucht wird.

Das African Centre for Biosafety kommt zu einem vernichtenden Urteil: „Wir lehnen diese Anwendungen ab, welche die Integration unseres Agrarsystems in die kapitalistische Ökonomie vorantreiben und Kleinbauern im Regen stehen lassen. Zudem stellen diese Pflanzen ein Risiko für Mensch und Umwelt dar“.

Wachsende Risiken: Gentech-Baumwolle von BAYER

[Spende] Spendenübergabe

CBG Redaktion

Presse Information vom 24. November 2008

30-jähriges Engagement gewürdigt / öffentliche Übergabe in Hilden

versiko AG: Spende aus Vertriebsaktion geht an Coordination gegen BAYER-Gefahren

wann: Do, 27. November, 10.30 Uhr
wo: Hilden, Walder Straße neben der Unterführung der A3 (an der Mahnwache gegen die Kohlenmonoxid-Pipeline)

Die versiko AG übergibt der Coordination gegen BAYER-Gefahren am kommenden Donnerstag eine Spende von 2.500 Euro. Damit soll das dreißigjährige Engagement der Initiative gegen Umweltverschmutzung, Konzernmacht und gefährliche Chemikalien gewürdigt werden. Zur öffentlichen Übergabe sind Medienvertreter herzlich eingeladen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) wurde 1978 nach Störfällen in den BAYER-Werken Wuppertal und Dormagen gegründet. Das Netzwerk dokumentiert Risiken, die weltweit vom BAYER-Konzern ausgehen, und organisiert Protest und Widerstand. Dabei kooperiert die CBG mit 10.000 Partnern in über 40 Ländern.

Da die Coordination gegen BAYER-Gefahren keinerlei öffentliche Unterstützung erhält, ist sie vollständig auf Spenden und Förderbeiträge angewiesen. Mit der Spende der versiko AG finanziert die CBG ihre aktuellen Kampagnen gegen bienengefährliche Pestizide und gegen den Bau der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline quer durch NRW. Die Übergabe der Spende findet an einer der Dauer-Mahnwachen gegen die Pipeline in Hilden statt.

Der Betrag stammt aus einer Vertriebsaktion von versiko. Übergeben wird die Spende von versiko-Vorstand Klaus Odenthal und dem Vertriebsrepräsentanten der versiko-Direktion Hilden, Frank Kittel. Die CBG nimmt die Spende entgegen durch Axel Köhler-Schnura, Gründungsmitglied und Mitglied des Vorstands der Coordination gegen BAYER-Gefahren.

Kontakt versiko: Tel 02103 929-155, Fax 02103 929-4155

Axel Köhler-Schnura von der Coordination gegen BAYER-Gefahren ist vor Ort erreichbar: 0160 – 9388 7350

Bienensterben

CBG Redaktion

Badische Zeitung - &

  • 8206; 21. November 2008


Nie wieder Clothianidin


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FREIBURG. Der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund (DBIB) will gerichtlich gegen das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BLV) vorgehen, sollte die Behörde die Zulassung des Maisbeizmittels Clothianidin wieder aktivieren. „Wir meinen, dass die bisherigen Prüfverfahren mit denen die Wirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Bienen und die Umwelt untersucht werden, unzureichend sind“, erklärt Christoph Koch, Imker aus Oppenau im Ortenaukreis und DBIB-Vorstandsmitglied.
Er und seine Berufskollegen sind der Ansicht, dass die Behörden – darunter das baden-württembergische Ministerium Ländlicher Raum (MLR) das die Anwendung des umstrittenen Insektengifts im Gebiet Lahr angeordnet hatte – das Bienensterben zum Anlass nehmen sollten, nicht nur das Zulassungsverfahren, sondern auch die Anbaupraktiken zu überdenken. Im April und Mai dieses Jahres waren im Oberrheingebiet rund 11 000 Bienenvölker eingegangen. Das Beizmittel haftete nicht ausreichend stark an den Saatkörnern, weshalb giftiger Abriebstaub aus den Sämaschinen auf blühende Pflanzen gelangte (die BZ berichtete). Angewandt wurde das Clothianidin, weil im Sommer 2007 der Maiswurzelbohrer aufgetreten war. Dieser Schädling ist meldepflichtig.

Am 24. Mai hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Anwendung für die Dauer von sechs Monaten verboten. Doch ob dieses Verbot bestehen bleibt, ist noch offen. „Die Gespräche mit der Beizmittelindustrie und den Sämaschinenherstellern laufen noch“, erklärt BVL-Sprecher Jochen Heimberg. Zwei Ansätze werden verfolgt, informiert Utz Klages, Sprecher von Bayer Crop Science. Einerseits werde die Qualitätskontrolle beim Beizprozess verbessert, zum andern könnten Sämaschinen so nachgerüstet werden, dass der Staub nicht mehr entweiche.
Der DBIB und auch der Landesverband Badischer Imker wollen darauf nicht vertrauen. Abgesehen davon werfen sie der Landesregierung vor, Erkenntnisse aus Italien nicht berücksichtigt zu haben. Bereits im Jahr 2002 waren in den Regionen Lombardei und Venetien Bienenvergiftungen durch Clothianidin und verwandte Wirkstoffe festgestellt worden. Der Befund war zwei Jahre später bei einer internationalen Fachtagung veröffentlicht worden, bei der auch ein Bienenwissenschaftler aus Baden-Württemberg teilgenommen hatte.

Diesem Vorwurf hält Joachim Hauck, Leiter der Abteilung Landwirtschaft im Stuttgarter Agrarministerium entgegen: „Es war ein Verdacht, der geäußert wurde, es gab keine wissenschaftlich fundierten Belege. Sonst wäre die italienische Regierung verpflichtet gewesen, den EU-Behörden die Bienenvergiftungen zu melden und auch wir hätten Kenntnis davon gehabt.“ Tatsächlich sind in Italien erst in den Jahren 2007 und 2008 behördliche Studien angelaufen; die italienische ebenso wie die deutsche Regierung hatte die Anwendung erst in diesem Jahr verboten.

Sollte das Verbot in Deutschland bestehen bleiben, gibt es die Möglichkeit, in Gebieten, in denen der Maiswurzelbohrer vorkommt, Fruchtwechsel vorzuschreiben oder mit Spezialschleppern während des Wachstums Insektizide auszubringen. Einige wenige Tiere wurden im Sommer 2008 in Mahlberg im Ortenaukreis und ein einzelner Käfer bei Leutkirch im Allgäu registriert. „Wir warten die Entscheidung des BVL ab, bevor wir eine Entscheidung treffen“, sagt Joachim Hauck. Die Beizung sei im Vergleich zu anderen Pflanzenschutzmethoden sehr effizient, weil nur geringe Wirkstoffmengen benötigt werden und kein Sprühnebel entstehe. „Die Korrelation zwischen mangelnder Beizqualität und der Ausbringungspraxis einerseits und dem Bienensterben andererseits ist jedoch eine Tatsache, die wir nicht ausblenden“, sagt er.

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[Uni Köln] Offener Brief

CBG Redaktion

18. November 2008

Kooperationsvertrag der Uniklinik Köln mit der Bayer AG in der Kritik

Zehn Verbände und studentische Interessensvertretungen, darunter der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, medico international, die Kritischen Medizinstudierenden an der Uni Köln und die Coordination gegen BAYER-Gefahren, fordern die Universität Köln in einem Offenen Brief auf, den im Frühjahr geschlossenen Kooperationsvertrag mit der Bayer AG vollständig offen zu legen. Die Organisationen fürchten eine Neuausrichtung der pharmakologischen Forschung an der Kölner Uniklinik nach rein wirtschaftlichen Kriterien.
Bitte lesen Sie den heute veröffentlichten Brief im Wortlaut:

An die Universität zu Köln
50923 Köln

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Frühjahr vereinbarte der Leverkusener Bayer-Konzern mit der Kölner Universitätsklinik eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. Künftig sollen in den Bereichen Onkologie, Kardiologie und Erkrankungen des Zentralnervensystems gemeinsame klinische Studien durchgeführt werden. Geplant ist zudem die Einrichtung eines Graduiertenkollegs.

Die Pressestelle der Uni Köln verweigert „aus rechtlichen Gründen“ jegliche Aussage zur Gestaltung des Kooperationsvertrags. Die Umstände der Zusammenarbeit von Bayer und Universität sind damit vollkommen intransparent.

Wir möchten Sie daher bitten, die folgenden Fragen zu beantworten:

· In der Regel legt Bayer seinen Partner-Universitäten einen ausgearbeiteten Vertrag vor. War das auch im Kölner Fall so?
· Verzichtet die Uniklinik auf die negative Publikationsfreiheit - also darauf, auch fehlgeschlagene Experimente publik zu machen?
· Wird wegen der Wahrung von Betriebsgeheimnissen und Patentrechten der akademische Austausch eingeschränkt? Müssen Studien vor ihrer Veröffentlichung der Bayer AG vorgelegt werden?
· Wie wird sicher gestellt, dass Konzeption und Auswertung pharmakologischer Studien nicht allein durch ökonomische Interessen beeinflusst werden?
· Wie sind die Rechte an Arznei-Entwicklungen geregelt? Gibt es eine Vorausabtretung an Bayer? Gibt es eine Bestseller-Klausel, so dass die Universität im Fall erfolgreicher Erfindungen mit Erfolgsprämien rechnen kann?
· Die Behandlung zahlreicher Krankheiten lohnt sich ökonomisch nicht, da es entweder nur wenige Erkrankte gibt oder weil die Betroffenen überwiegend in armen Ländern leben. Wird die Forschungsfreiheit dadurch behindert, dass künftig nur in Bereichen geforscht wird, in denen ein ökonomischer Nutzen zu erwarten ist?

Thomas Lönngren, Chef der EU-Zulassungsbehörde European Medicines Agency, fordert angesichts der zunehmenden Abhängigkeit der Pharma-Forschung von der Industrie: „Wir brauchen mehr unabhängige Studien, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden“.

Wenn die Universitätsklinik Köln nun einen entgegengesetzten Weg geht, darf dies zumindest nicht im Verborgenen geschehen. Wir möchten daher öffentlich diskutieren, wie viele Rechte eine staatliche Einrichtung wie die Universität Köln an ein privatwirtschaftliches Unternehmen abtritt. Wir fordern Sie auf, den Vertrag mit der Bayer AG vollständig offen zu legen.

Mit freundlichen Grüßen,

Philipp Mimkes, Vorstand Coordination gegen BAYER-Gefahren
Prof. Dr. Wulf Dietrich, Vorsitzender Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte (VdÄÄ)
Dr. Thomas Schulz, Vorstand Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP)
Werner Rügemer, Vorstand Business Crime Control e.V.
Kritische Medizinstudierende an der Universität Köln
medico international
BUKO Pharma Kampagne
Dieter Asselhoven, Alternative Liste an der Uni Köln
campus:grün Köln
Gesundheitsladen Köln

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Bienensterben

CBG Redaktion

die tageszeitung, 7. Januar 2009

Forschung über Bienensterben

Imker monieren Einfluss der Wirtschaft

Die Imker werfen den Wissenschaftlern vor, bei den Untersuchungen über das Bienensterben den Einfluss industrieller und gentechnischer Landwirtschaft nicht zu berücksichtigen. VON HEIKE HOLDINGHAUSEN

Honigsüß ist er nicht gerade, der Ton, in dem sich derzeit die Bienenfreunde in Deutschland streiten. Die Imkerverbände werfen Bienenforschern vor, nicht unabhängig genug von der Industrie nach Ursachen für das Bienensterben der vergangenen Jahre zu suchen. Jene kontern, die Imker gingen nicht professionell genug gegen die berüchtigte Bienenmilbe Varroa vor.
Ende Dezember waren aus Empörung über einen offenen Brief des Deutschen Imverbundes (DIB) und des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes (DBIB) zahlreiche Wissenschaftler aus dem Beirat des Imkerbundes zurückgetreten. Der Bauernverband findet „Diktion und Inhalt“ des Schreibens „unmöglich“. Einige Landesverbände des DIB hatten ein Abwahlverfahren gegen den erst seit Oktober amtierenden Präsidenten Peter Maske angestrebt - erfolglos. Die Mehrheit der Imker steht hinter ihrem streitbaren Präsidenten.
Dieser hatte gemeinsam mit seinem Kollegen Manfred Hederer von den Berufsimkern Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) schriftlich im Amt willkommen geheißen. In ihrem Begrüßungsschreiben beklagten sich beide bitter über die „Verflechtung von Wirtschaftsinteressen, Forschung und Behörden“.
Forschung benötige Geld, und dieses Geld werde „gerade im Bereich der Agroindustrie ausnahmslos von Firmen wie Bayer, BASF, Syngenta etc. zur Verfügung gestellt“. Dies habe etwa dazu geführt, dass im Bienenmonitoring, in dem Imker und Bienenforschungsinstitute seit fünf Jahren gemeinsam versuchen, dem vermehrten Bienensterben auf die Spur zu kommen, vor allem Bienenkrankheiten wie die Varroa-Milbe untersucht worden seien. Der Frage, welche Rolle Pflanzenschutzmittel oder gentechnisch veränderte Pflanzen spielten, seien die Wissenschaftler hingegen nicht nachgegangen. „Wir müssen aber mehr wissen“, sagt Imkerpräsident Maske. „Wie wirkt der Pollen von gentechnisch verändertem Mais auf die Brut?“, fragt er. „Werden Pestizide im Wachs gespeichert, oder wie wirkt ein Cocktail verschiedener Gifte?“
Zwar habe die Industrie das Projekt tatsächlich zu einem wesentlichen Teil mit finanziert, sagt Peter Rosenkranz, der die Landesanstalt für Bienenkunde an der Uni Hohenheim leitet. Doch hätten die Unternehmen keine Rechten an den Daten. Die Ergebnisse seien in einem transparenten Prozess veröffentlicht und interpretiert worden. „Wir hatten kein Problem mit Einflussnahmen“, beteuert Rosenkranz.
Auf die Wirkung industrieller Landwirtschaft sei das Monitoring nicht ausgerichtet gewesen. Hier sei vor allem untersucht worden, warum die Bienen die Winter nicht überlebt hätten - und dafür sei eben vor allem die gefürchtete Milbe verantwortlich. Künftig müsse stärker danach geforscht werden, welchen Umweltbedingungen die Insekten im Sommer ausgesetzt seien, so Rosenkranz.
Die beteiligten Unternehmen hätten kein großes Interesse daran, das Monitoring weiter zu bezahlen. Denkbar wäre, es in Form eines Forschungsvorhabens weiter zu führen und hierfür Mittel beim Landwirtschaftsministerium zu beantragen.

17. November 2008

Gemeinsames Begrüßungsschreiben des Deutschen Imkerbundes e.V. (D.I.B.) und des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes (DBIB)

Ministerin Ilse Aigner
Bundesministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
11055 B e r l i n

Sehr geehrte Frau Ministerin Ilse Aigner,

wir vom Deutschen Imkerbund e.V. und vom Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund e.V. gratulieren Ihnen herzlich zu Ihrem neuen Amt als Bundeslandwirtschaftsministerin und freuen uns auf die Zusammenarbeit.
Wie Sie sich vermutlich denken können, möchten wir unser Begrüßungsschreiben an Sie nutzen, um auf die Sorgen der deutschen Imkerei aufmerksam zu machen. Für die Landwirtschaft sind Bienen von großer Bedeutung: Sie bestäuben viele Kulturpflanzen wie Obstbäume und Gemüsesorten und tragen so erheblich zum Ernteerfolg bei. 35 % der weltweiten Nahrungsmittelproduktion hängen nach Angaben der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) von Bestäubern ab.

Die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft mit der Folge eines immer größeren Einsatzes von Pestiziden, Herbiziden, Insektiziden, Fungiziden, anderen Giften und Agro- Gentechnik führt aber derzeit weltweit zu einem großen Bienensterben. So ist es kein Zufall, dass in den USA, also in dem Land, in dem am meisten Gifte auf die Felder gesprüht werden und am meisten gentechnisch veränderte Pflanzen wie Mais und Raps angebaut werden, das Bienensterben inzwischen die weltweit dramatischsten Ausmaße angenommen hat.

Frappierend ist auch der massive Anstieg des Bienensterbens in Europa, seitdem auch hier bienengefährliche Wirkstoffe, wie die beiden von Bayer CropScience vertriebenen Wirkstoffe Clothianidin und Imidacloprid eingesetzt werden. Ein trauriger Höhepunkt war der Tod von 330 Millionen Bienen dieses Jahr am Oberrhein. Auch wenn die Wirkungsketten im Einzelnen noch nicht geklärt sind, bestreitet heute kein seriöser Wissenschaftler mehr, dass es einen Zusammenhang zwischen einer industriell betriebenen Landwirtschaft und Bienensterben gibt.
Lassen Sie mich an dieser Stelle ein paar grundsätzliche Bemerkungen zur Rolle der Wissenschaft in diesem Zusammenhang sagen: Vermutlich werden Sie als verantwortungsbewusste Ministerin jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Ministerium, in den nach- geordneten Behörden wie BVL, JKI, den verschiedenen Bieneninstituten, in den Bundesforschungsanstalten, an Universitäten wie Hohenheim oder Weihenstephan oder in der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA fragen, was an diesen Vorwürfen dran ist. Nach unserer Erfahrung werden Ihnen die meisten dieser Wissenschaftler antworten: nichts oder jedenfalls nichts wirklich Beunruhigendes. Wir haben also die Situation, dass Wissenschaftler Probleme nicht sehen, die aber tatsächlich vorhanden sind.

Diese Divergenz zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung der Wirklichkeit hat einen Grund. Es ist die zu enge Verflechtung von Wirtschaftsinteressen, Forschung und Behörden. Forschung benötigt Geld. Und dieses Geld wird gerade im Bereich der Agroindustrie in all den oben genannten Stellen nahezu ausnahmslos von Firmen wie Bayer, BASF, Syngenta etc. zur Verfügung gestellt. Diese Firmen verdienen Milliarden mit den von ihnen hergestellten Giften und haben daher kein Interesse an der Aufdeckung der Gefahren ihrer Substanzen für Mensch, Tier und Umwelt. Die bitteren praktischen Folgen dieses Interessenkonflikts erfahren nicht nur wir Imker seit Jahren. Zwar gibt es mit den o.a. Stellen Institutionen, die formal zur Beaufsichtigung der Agroindustrie zuständig sind. Da die Agroindustrie aber seit Jahrzehnten diese Einrichtungen und die darin arbeitenden Personen in erheblichem Maße bezahlt und damit auch bestimmt, wie und in welcher Richtung geforscht wird, wissen wir Imker meistens schon im Voraus, wie es läuft: In der Regel wird uns die Schuld gegeben, da wir angeblich unsere Bienen falsch halten. Echte, methodisch korrekte Risikoforschung wird nicht durchgeführt. Lassen sich Zusammenhänge zwischen Giften und Bienenschäden gar nicht mehr leugnen, werden die Versuche abgebrochen oder - wie kürzlich im Fall Oberrhein - die Gründe für das Bienensterben verzerrt dargestellt. Für weitere Versuche fehlt dann das Geld, während gleichzeitig Millionen zur sogenannten Akzeptanzforschung bereit gestellt werden, die letztlich nichts anderes sind als Marketingmaßnahmen für die Agroindustrie durch öffentliche Stellen.

Ein besonders krasses Beispiel für diese Ausschaltung staatlicher Kontrolle über die Agroindustrie ist das deutsche Bienenmonitoring, welches von den Bieneninstituten zusammen mit den Imkern durchgeführt wird. Eigentlich wurde es eingeführt, um die Rollen von bienengefährlichen Pestiziden und Insektiziden beim Bienensterben aufzuklären. In Wahrheit unternahm es das Bienenmonitoring bisher nicht, die Rolle von Pflanzenschutzmitteln beim Bienensterben zu untersuchen. Vielmehr wurde nach allen möglichen Ursachen (regionale, klimatische Bedingungen, Haltung, Milben etc.) gesucht. Ob in der Nähe von Bienenbeständen Pflanzenschutzmittel angewandt wurden, wurde nicht einmal erhoben. Diese bewusste Blindheit hat einen Grund: Das Bienenmonitoring wird im Wesentlichen von der Agroindustrie finanziert. Genau dieses Bienenmonitoring wird aber seit Jahren von Wissenschaft, Aufsichtsbehörden und Politik angeführt, um die angebliche Unbedenklichkeit von Pestiziden, Insektiziden und Saatgutbeizen zu belegen.

Das gleiche Muster findet man bei der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen. Obwohl die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA bis heute keinen einzigen Langzeittest für gentechnisch veränderte Pflanzen durchführte, wird behauptet, diese Pflanzen seien sicher.

Ich hoffe, wir haben Sie für die Problematik zu enger Verflechtung von Staat und Wirtschaft sensibilisiert und helfen Ihnen gerne weiter, wenn Sie Wert auf eine wirklich unabhängige Einschätzung von Risiken der Agroindustrie für Mensch, Bienen und Umwelt legen. Ganz besonders freuen würden wir uns natürlich, wenn Sie sich zu einer grundlegenden Reform der Aufsichts- und Wissenschaftsbehörden in Ihrem Geschäftsbereich entschließen könnten und damit den unzulässigen Einfluss von Großkonzernen auf ein tolerables Maß zurückschrauben würden. Vorschläge hierfür haben unsere Verfassungsrechtler bereits in der Schublade. Die Zeit für solche Veränderungen („change we need“) ist günstig, da die Bürger angesichts der weltweiten Finanzkrise derzeit sehen, wo es hinführt, wenn der Staat sich jeglicher Kontrolle über die Wirtschaft begibt. Wir sind sicher, dass es nicht nur die Imkerei, sondern weite Bevölkerungskreise schätzen würden, wenn sich die neue Agrarministerin mutig an Reformen heranwagt, die keine ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger inklusive Renate Künast anzugehen wagte.

Nach diesen Grundsatzbemerkungen möchte ich noch zwei spezielle Anliegen vorbringen, die uns derzeit am meisten auf den Nägeln brennen.
Welch fatale Folgen die „Selbstaufsicht der Chemiekonzerne“ durch einen gefügig gemachten Staatsapparat hat, erfahren viele Imker infolge der zu laxen Kontrolle von Pflanzenschutzmitteln (PSM). Seit Jahren berichten Imker zeitgleich mit der Einführung sogenannter Neonicotinoide - einer hochwirksamen Gruppe von PSM zur Saatgutbeizung - wie z.B. Clothianidin, die das Immun- oder Nervensystem schädigen - von einer nie da gewesenen Steigerung des Bienensterbens von bis zu 25 % der Bienenvölker.

Von Industrie, Behördenvertretern und Politikern wird uns stattdessen weiß gemacht, die wahre Ursache sei ein zu starker Varroa Milben Befall. Die unter unabhängigen Wissenschaftlern völlig unstreitige Tatsache, dass es gerade die Schwächung des Immunsystems der Bienen durch diese PSM-Nervengifte ist, welche diese in einer Weise anfällig für die Varroa-Milbe machen, wie wir es noch nie kannten, wird unterschlagen. Auch der Umgang mit dem Bienensterben am Oberrhein im April und Mai 2008, bei dem Millionen von Bienen durch das den Wirkstoff Clothianidin enthaltende Saatgutbeizmittel Poncho der Firma Bayer Crop Science komplett ausgelöscht wurden, ist bezeichnend. In der Öffentlichkeit wird dieser Fall so dargestellt, dass die Schäden ausschließlich durch eine falsche Behandlung der Maissaat verursacht worden seien (zu wenig Haftmittel, um einen Abrieb des Gifts von der Maissaat zu verhindern, Benutzung pneumatischer Sämaschinen, die zu einer Verdriftung dergestalt PSM führten). Das Gift selbst - also der Wirkstoff Clothianidin im Saatgutbehandlungsmittel Poncho - wird von Behördenvertretern, wie zum Beispiel den Beamten im BVL als unschädlich dargestellt.

Selbstverständlich bestreitet die Imkerschaft nicht, dass das verheerende Ausmaß der Bienenschäden (also das komplette Auslöschen zehntausender von Bienenvölkern) im Fall Oberrhein mit der falschen Verarbeitungsmethode zu tun hatte. Europaweit berichten jedoch Imker bereits seit Jahren von Bienenschäden auch bei ordnungsgemäß applizierten Insektiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide wie Poncho. Dass es auch bei einer ordnungsgemäß applizierten Beizung zu Kontakt von Bienen mit Neonicotinoiden kommt, bestätigte sogar ein Mit-arbeiter der Firma Bayer selbst. Diese von den deutschen Behörden ignorierten Risiken werden weltweit durch Studien unabhängiger Wissenschaftler bestätigt. So zeigten bereits seit 2003 Studien aus Italien, Frankreich und den USA, dass auch kontinuierliche Dosen im subletalen Bereich, die durch ganz normale - also vorschriftsmäßige - Applizierung von Neonicotinoiden entstehen, zu einer Grundbelastung der Bienen führen, die sie schwächen und zum Beispiel anfälliger für Krankheiten oder Parasitenbefall machen. Verstärkt wird diese Giftwirkung durch deren lange Halbwertszeit, da Neonicotinoide erst nach fünf Jahren abgebaut sind, sich also im Boden anreichern und dann wieder von den Bienen aufgenommen werden.

Große Teile der deutschen Imkerschaft fordern daher seit langem ein Verbot von Neonicotinoiden zur Saatgutbehandlung, also Produkten wie Poncho (Wirkstoff Clothianidin), Antarc (Wirkstoffe: beta-Cyfluthrin, Imidacloprid), Chinook (Wirkstoffe: beta- Cyfluthrin, Imidacloprid), Cruiser 350 FS (Wirkstoff: Thiamethoxam), Cruiser OSR (Wirkstoffe: Fludioxonil, Metalaxyl-M, Thiamethoxam), Elado (Wirkstoffe: Clothianidin, beta-Cyfluthrin), Faibel (Wirkstoff: Methiocarb, Imidacloprid) oder Mesurol flüssig (Wirkstoff: Methiocarb). Das für die Kontrolle von PSM zuständige Julius Kühn Institut ignoriert all diese Studien international renommierter Stellen und behauptet nach wie vor, der Einsatz von Neonicotinoiden bei der Saatgutbeizung sei ungefährlich.
Politiker sowie Vertreter von Behörden und Industrie behaupten außerdem, solche Verbote seien rechtlich nicht möglich und begnügen sich mit Scheinverboten wie zum Beispiel der vorübergehenden Aussetzung der Zulassung für die Beizmittel Antarc, Chinook, Cruiser OSR und Elado mit den bienengefährdenden Wirkstoffen Clothianidin, Imidacloprid, beta- Cyfluthrin und Thiametoxam für die Anwendung bei Raps - einer sehr wichtigen Bienentracht - nach den Vorfällen am Oberrhein im Jahr 2008. Was die Öffentlichkeit allerdings nicht erfährt, ist die zeitliche Dimensionierung dieser „Verbote“: Sie wurden erst erlassen, als die betroffenen PSM bereits im Boden waren und wurden rechtzeitig für die neue Aussaat wieder aufgehoben. Lediglich das Verbot von Neonicotinoiden für Maissaatgut wird derzeit vom BVL noch aufrechterhalten, wobei das BVL aber bereits die Möglichkeit einer Aufhebung andeutete.

Der Blick in andere Staaten zeigt, dass durchgreifende Verbote sehr wohl möglich sind. Clothianidin ist in Frankreich, Kanada sowie dem Bundesstaat New York komplett verboten. Die italienische Regierung hat kürzlich ein sofortiges Anwendungsverbot für die Saatgutbehandlungsmittel Thiamethoxan, Clothianidin, Imidacloprid und Fipronil verhängt und auch in Slowenien sind viele dieser Substanzen inzwischen verboten. Dass es hierdurch zu Ernteschäden kommt, ist Propaganda der Chemiekonzerne, da Schädlinge mit Hilfe von Fruchtfolgemethoden genauso gut bekämpft werden können. In Frankreich zum Beispiel ist Clothianidin bereits seit 1999 (Sonnenblumen) bzw. 2003 (Mais) dauerhaft verboten worden. Und dennoch ist die Maisernte Frankreichs über 50 % höher als in Deutschland.
Da wir hoffen, dass Sie als neue Landwirtschaftsministerin einem verantwortungsvollen Umgang mit PSM aufgeschlossener sind als Ihre Vorgängerinnen und Vorgänger, haben wir uns zu den Ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten zum Verbot von PSM mit Neonicotinoiden von einem Umweltrechtsexperten beraten lassen.

Danach sehen die einzelnen Regelungen des deutschen und europäischen Pflanzenschutzrechts nicht nur eine Handlungsermächtigung, sondern in verfassungskonformer Anwendung des Staatsziels Umweltschutz (Art. 20a GG) und der Verpflichtung des Staates zum Schutz des Eigentums von Imkern (Art. 14 GG) eine Handlungsverpflichtung vor. Dieser Verpflichtung ist der Bund in Bezug auf die Saatgutbehandlung durch Neonicotinoide bisher nicht nach gekommen.
So wurde die Zulassung für die Produkte Antarc, Chinook, Cruiser OSR und Elado mit den bienengefährdenden Wirkstoffen Clothianidin, Imidacloprid, beta-Cyfluthrin und Thiametoxam für die Anwendung bei Raps nur nach § 16a Abs. 5 Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) vorübergehend ausgesetzt, bezeichnenderweise auch noch für einen Zeitraum, in dem bereits das gesamte Material im Boden war. Rechtzeitig für die Behandlung der neuen Rapssaat wurde die Zulassung wieder in Kraft gesetzt. Hier drängt sich der Eindruck auf, dass die ganze Aktion lediglich „show“ war, um medienwirksam Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Eine lediglich vorübergehende Aussetzung nach § 16a Abs. 5 PflSchG bei Wirkstoffen, bei denen internationale Studien inzwischen erhebliche Sicherheitsbedenken nicht nur für Bienen und Umwelt, sondern aufgrund ihrer akut giftigen, krebserregenden fortpflanzungsschädigenden, nervengiftigen oder hormonell wirksamen Charakters auch Schäden für die menschliche Gesundheit nicht ausschließen können, ist mit den staatlichen Verpflichtungen zum Schutz von Mensch und Umwelt nicht vereinbar. Vielmehr hätte das BVL die Zulassung für diese Substanzen nach § 16a Abs. 1 PflSchG dauerhaft widerrufen müssen, da die eigentlichen Gefahren nicht von der Art der Anwendung (pneumatische Sägeräte etc.), sondern von der Substanz selbst ausgehen.

Auch die Maßnahmen in Bezug auf Beizmittel für Mais (Poncho, Clothianidin) sind unzureichend, da ebenfalls lediglich eine vorübergehende Aussetzung der Zulassung angeordnet wurde. Auch hier wäre ein endgültiger Widerruf nach § 16a Abs. 1 PflSchG die einzig recht- lich korrekte Maßnahme gewesen.
Selbst wenn das BVL sich aber aufgrund der großen Bedeutung des Blockbusters Poncho für das Produktportfolio der Firma Bayer nicht für einen kompletten Entzug der Zulassung entscheiden kann, wäre eine Einstufung von Saatgutbehandlungsmittel mit dem Wirkstoff Neonicotinoid als „bienengefährlich“ im Sinne von § 1 Nr. 1 a Bienenschutzverordnung (BienSchV) möglich gewesen. Dies hätte zwar kein komplettes Anwendungsverbot, zumindest aber nach § 2 Abs. 1 BienSchV zur Folge, dass zumindest Mais, Raps oder Sonnenblumensamen damit nicht mehr gebeizt werden dürfen. Wie sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 sowie § 2 Abs. 2 und 4 BienSchV ergibt, geht die Bienenschutzverordnung von der Verpflichtung zu einem umfassenden Schutz der Bienen aus. Es sollen gerade nicht nur Bienenschäden durch Spritzen von Pflanzenschutzmitteln während der Blüte verhindert werden. Vielmehr soll jede Art von Belastung der Bienen durch den Einsatz von PSM verhindert werden. So heißt es zum Beipiel in § 2 Abs. 4 BienSchV:
Bienengefährliche Pflanzenschutzmittel dürfen nicht so gehandhabt, aufbewahrt oder beseitigt werden, dass Bienen mit ihnen in Berührung kommen können.
Die Beizung von Saatgut mit Neonicotinoiden wie Poncho ist in vielerlei Hinsicht eine Handhabung von PSM, durch die Bienen mit bienengefährlichen PSM in Verbindung kommen, da die PSM durch die Beizung in die Pflanze aufgenommen werden, im Boden angereichert werden und durch Verdriftung ebenfalls in Kontakt mit Bienen kommen. Trotzdem stuft das BVL bis heute nur das Aufspritzen von Neonicotinoiden, nicht aber die Verwendung dieses Wirkstoffes im Rahmen der Saatgutbehandlung als „bienengefährlich“ ein. Diese Behandlungsmethode firmiert unter der Einstufung B3 („Aufgrund der durch die Zulassung festgelegten Anwendungen des Mittels werden Bienen nicht gefährdet.)“ und darf damit weiterhin wie bisher angewendet werden.

Selbst wenn dem BVL auch diese Maßnahme angesichts der Bedeutung des Produkts Poncho für die Firma Bayer zu „heikel“ gewesen wäre, hätte mindestens eine Auflage dergestalt erlassen werden müssen, dass mit Neonicotinoiden gebeiztes Saatgut jedenfalls nicht im Mindestflugradius von Bienenvölkern, also weniger als 3 km von Bienenvölkern entfernt, ausgesät werden darf. Eine solche Regelung hat Frankreich schon lange erlassen und wäre auch nach deutschem Recht möglich. So sieht § 7 Abs. 1 Nr. 1 PflSchG eine solche Beschränkung ausdrücklich vor. Die Bundesregierung könnte dies jederzeit umsetzen, indem sie die auf der Basis von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PflSchG erlassene Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PflSchAnwV) ändert. Sie bräuchte nur entweder ein eingeschränktes Anwendungsverbot nach § 2 PflSchAnwV oder eine Anwendungsbeschränkung nach § 3 PflSchAnwV in Bezug auf den Einsatz von mit Neonicotinoiden gebeiztem Saatgut verhängen.

Sollte das BVL auch hiervon keinen Gebrauch machen, weisen der D.I.B. und der DBIB bereits jetzt auf eine Besonderheit des Pflanzenschutzgesetzes hin: Im Gegensatz zu fast allen anderen umweltrechlichen Regelungen, bei denen die Landesbehörden keine Verbotsbefugnisse haben, wenn der Bund als Zulassungsbehörde von Beschränkungen absieht, geben § 7 Abs. 5 und § 8 PflSchG den Landesbehörden ausdrücklich das Recht, auch gegen den Willen des BVL für den Bereich ihres Hoheitsgebiets solche Verbote zu erlassen. Der D.I.B. und der DBIB werden nichts unversucht lassen, diesen Schutz von den Ländern einzufordern.
Immer wieder ist von Politikern und Behördenvertretern zu hören, zwar gäbe es nach deutschem Recht „an sich“ solche Möglichkeiten. Allerdings seien diese aus europarechtlichen Gründen nicht möglich. Produkte mit Neonicotinoiden als Wirkstoff seien in der sogenannten „Positivliste“ des europäischen Pflanzenschutzrechts aufgeführt. Daher dürften Produkte wie Poncho der Firma Bayer CropScience, die Neonicotinoide enthalten, nicht verboten oder beschränkt werden.

Diese Aussage ist falsch. Zwar ist es richtig, dass ein Produkt, welches einen Wirkstoff enthält, der in der EU-Positivliste enthalten ist, nach der EG Pflanzenschutzrichtlinie 94/14/EG im Grundsatz in allen EU-Mitgliedstaaten zugelassen werden muss. Dies gilt aber eben nur im Grundsatz. In Ausnahmefällen, wenn sich herausstellt, dass ein bestimmter Wirkstoff eine Gefahr für Mensch und Umwelt oder eben auch für Bienen darstellt, dürfen nationale Behörden, wie das BVL, solche Produkte durchaus beschränken oder verbieten. Dieses Recht ist in Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Pflanzenschutzrichtlinie 94/14/EG ausdrücklich verankert. Dort heißt es wörtlich:
Hat ein Mitgliedstaat berechtigten Grund zu der Annahme, daß ein Pflanzenschutzmittel, das er nach Artikel 10 zugelassen hat oder zulassen muß, eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt, so kann er dessen Einsatz und/oder Verkauf in seinem Gebiet vorübergehend einschränken oder verbieten.

Bereits nach geltendem Recht kann also das Ihnen unterstellte BVL Produkte mit bienengefährlichen Wirkstoffen wie Poncho verbieten oder zumindest in ihrem Einsatz beschränken.

Darüber hinaus gibt es derzeit noch die Chance, das EU-Pflanzenschutzrecht so zu ändern, dass es deutschen Bemühungen zum Bienenschutz überhaupt nicht mehr im Wege steht. Zurzeit beraten die EU-Gremien über eine Reform der EU-Pflanzenschutzrichtlinie. Vor einigen Tagen erst beschloss das Europäische Parlament, dass in der EU überhaupt keine PSM mehr zugelassen werden sollen, die bienengefährlich sind. Wirkstoffe wie Neonicotinoide wären damit ein für alle Mal vom Tisch! Allerdings sprach sich der Ministerrat gegen ein Verbot bienengefährlicher PSM aus. Wir hoffen, dass Sie als neue deutsche Landwirtschaftsministerin hier eine andere Position vertreten werden. Ebenso hoffen wir, dass Sie sich gegen die geplante „zonierte Zulassung“ in der EU wenden werden. Nach diesem neuen System soll die EU in drei Zonen eingeteilt werden. Wird ein PSM in einem Mitgliedstaat einer Zone zugelassen, gilt dies automatisch dann auch in allen anderen Mitgliedstaaten dieser Zone. Diese neue Regelung stellt eine massive Entmachtung der Mitgliedstaaten auch in Sachen Bienenschutz dar, da sie auf diese Weise ihr bisher noch bestehendes Einspruchsrecht verlieren. Wir hoffen, dass Sie sich in den jetzt laufenden Abstimmungen im Ministerrat gegen diese Regelung aussprechen. Ansonsten werden wir zu gegebener Zeit öffentlich thematisieren müssen, dass die EU-Regelungen, die Ihnen auf deutscher Ebene einen effektiven Schutz vor PSM vereiteln, von Ihnen selbst stammen!

Als letzten Punkt möchte ich den Bereich der Agro-Gentechnik ansprechen. Sie werden sicher verstehen, dass die deutsche Imkerei nach den bitteren Erfahrungen in Sachen PSM der Agro-Gentechnik besonders kritisch gegenüber steht. Leider gibt es hierfür auch viele Gründe. Die EU-Zulassungsverfahren weisen erhebliche Defizite auf.

So muss die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA bis heute keine eigenen Sicherheitstests für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) durchführen. Stattdessen dürfen die Agro-Konzerne ihre eigenen Tests machen und diese dann bei der EFSA einreichen. Auch hier also wieder eine Selbstkontrolle der Industrie. Hinzu kommt auch bei der EFSA eine extreme Verflechtung mit Konzerninteressen: Viele Mitarbeiter dort verdanken ihre jetzige berufliche Position der Loyalität zu Konzernen wie Bayer, Monsanto, BASF, Syngenta etc. So ist es nicht verwunderlich, dass die EFSA ein GVO-Produkt nach dem anderen „durchwinkt“. Dies geschieht außerdem noch unter offenem Rechtsbruch: Obwohl das europäische Gentechnikrecht (RL 2001/18/EG sowie VO 1829/2003/EG) und das europäische Lebensmittelrecht (Lebensmittelgrundverordnung 178/2002/EG) unmissverständlich Langzeittests vorschreiben, werden diese nicht durchgeführt.
Die EFSA ignoriert in ihrer industriefreundlichen Haltung inzwischen hunderte von weltweiten Studien renommierter Wissenschaftler, die teilweise erhebliche Gefahren für Mensch, Tier und Ökosystem sehen. Erst vor ein paar Tagen hat eine im Auftrag des Gesundheits-ministeriums von Wien erstellte Langzeitstudie signifikante Fruchtbarkeitsstörungen bei Mäusen festgestellt, die mit gentechnisch verändertem Mais gefüttert wurden. Ihr Vorgänger Horst Seehofer hat im April 2007 selbst eingeräumt, dass von gentechnisch verändertem Mais Gefahren für Nichtzielorganismen ausgehen. Besonders brisant ist eine Studie der Universität Halle-Jena, die in den Jahren 2001 bis 2004 zu den Auswirkungen gentechnisch veränderten Bt-Maispollens auf Honigbienen durchgeführt wurde. Diese Studie ergab gleich im ersten Durchgang einen signifikant höheren Parasitenbefall bei den mit Bt-Gift gefütterten Bienen. Es hatte sich also genau das bestätigt, was unabhängige Wissenschafter seit Jahren sagen: Der gentechnisch veränderte Mais schwächt das Immunsystem der Bienen so stark, dass sie dem Parasitenbefall nicht mehr standhalten können.

Was aber geschah mit der Bienenstudie? Sie wurde abgebrochen. Offenbar wollte man es so genau doch nicht wissen. Stattdessen manipulierte man den Versuch in einer Weise, durch die keine seriösen Aussagen mehr möglich waren: man verabreichte den Bienen Antibiotika, um es gar nicht erst zu einem Parasitenbefall, für den die Bienen durch das Bt-Toxin so anfällig werden, kommen zu lassen. Diese ungeheuerliche Manipulation raubte vielen Imkern den letzten Rest an Vertrauen in eine unabhängige Risikoforschung.

Auch die Reaktion von Politik und BVL auf die nicht mehr zu leugnenden Sicherheitsbedenken sind bezeichnend. Ihr Vorgänger Horst Seehofer verhängte publikumswirksam, aber nach bekanntem Muster, ein sogenanntes Vermarktungsverbot für MON810 Mais: Es wurde im Mai 2007 verhängt, nachdem alle MON810 Chargen verkauft waren und im Dezember 2007, rechtzeitig zum Verkauf des MON810 Saatguts für das Jahr 2008, wieder aufgehoben: In der Realität wirkte sich dieser „Phantomerlass“ also auf die Geschäfte der Firma Monsanto überhaupt nicht aus.
Fairerweise möchten wir hinzufügen, dass die grüne Amtsvorgängerin Künast, die sich in der Öffentlichkeit so gerne als Kämpferin gegen die Agro-Gentechnik darstellt, nicht weniger doppelbödig handelte. Kaum einer weiß, dass es Frau Künast war, welche im Jahr 2002 - gegen den Widerstand vieler EU-Staaten - grünes Licht für die Maissorte MON863 gab, der dann schließlich vom deutschen BVL, welches Frau Künast unterstellt war, zugelassen wurde. Gleiches gilt für die Maissorte MON810: Die in der Öffentlichkeit von den Grünen als Heldentat verkaufte Verweigerung der Sortenzulassung verhinderte keinen einzigen Anbau von MON810-Pflanzen, da die Ministerin den Anbau von 25 Tonnen MON810 aufgrund bereits erteilter Vorvertriebsgenehmigungen unangetastet ließ. Was die Ministerin nicht wagte, war der Erlass eines generellen Vermarktungsverbotes für MON810, obwohl sie wusste, dass dies auf Grund der Schutzklausel des Art. 23 Freisetzungsrichtlinie möglich war und viele andere EU-Staaten dies bereits praktizierten.

Wir würden uns freuen und würden dies in der Öffentlichkeit gebührend erwähnen, wenn Sie als Ministerin hier ehrlicher als Ihre Vorgängerin und Vorgänger handeln und weisen Sie noch einmal darauf hin, dass ein Verbot von MON810 wie auch MON863 rechtlich unproblematisch möglich ist. Nahezu alle EU-Staaten um uns herum haben inzwischen den Anbau von MON810 verboten. Da Art. 23 Freisetzungsrichtlinie dies bei Aufkommen neuer Sicherheitsbedenken zulässt, hat die EU-Kommission gegen diese Verbote bisher nichts unternommen, auch wenn dies von interessierter Seite immer gerne anders dargestellt wird. Die Rechtsgrundlage im deutschen Recht für ein Verbot findet sich in § 20 Abs. 2 Gentechnikgesetz. Da Sie vermutlich aus dem BVL anlässlich der Klage von Imkern gegen die Wiederzulassung von MON810 eine andere (extrem industriefreundliche) Rechtsauffassung hören, sind wir gerne bereit, Ihnen die rechtlichen Möglichkeiten noch einmal zu erklären. Auch der vor Ihrem Vorgänger Horst Seehofer immer gebrachte Verweis auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu einem Fall in Oberösterreich ist falsch, da es hier um eine völlig andere Konstellation geht. Das MON810-Anbauverbot in Oberösterreich wurde bis heute von der EU-Kommission nicht einmal beanstandet, geschweige denn ein Verfahren deshalb eingeleitet.

Lassen Sie uns noch einen letzten Punkt ansprechen. Dieser betrifft keine Sicherheitsfragen, sondern die Existenzbedrohung von Imkern, die ihre Völker in der Nähe von Freisetzungsversuchen (also nicht von Feldern mit zugelassenen MON810-Pflanzen) mit gentechnisch verändertem Mais haben. Bienen sammeln Pollen aus solchen Feldern und tragen diesen Pollen in den Honig ein. Da Material aus Freisetzungen im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 1 GenTG, Teil B Freisetzungsrichtlinie nicht verkehrsfähig ist, muss Honig, der mit Pollen aus solchen Versuchen kontaminiert ist, vernichtet werden. Dies schreibt das EURecht in Art. 6 Abs. 9 Freisetzungsrichtlinie und auch § 26 Abs. 5 Satz 1 GenTG zwingend vor und wird auch von deutschen Behörden so gesehen, wie eine Anfrage von uns bei den bayerischen Lebensmittelbehörden ergab. Für Imker bedeutet dies die sichere Existenzvernichtung, wenn ihre Bienenvölker in der Nähe solcher Versuche stehen. Aus diesen Gründen klagt derzeit ein Imker aus Kitzingen vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig gegen einen Freisetzungsversuch der Firma Pioneer (Rechtssache Gubesch ./. Deutschland, Az 2 A 110/08). Es wäre schön, wenn Sie als Ministerin diesen Rechtsstreit beenden könnten, indem Sie von Ihrem Weisungsrecht Gebrauch machen und verfügen, dass im Mindestflugradius von Bienen, also unter 3 km Entfernung von Bienenständen zumindest keine Freisetzungen durchgeführt werden dürfen. Freisetzungsversuche blieben dadurch weiterhin möglich. Es müsste lediglich ein Mindestmaß an Rücksicht gegenüber Imkern genommen werden.

Sie können sicher sein, dass wir jeden Schritt von Ihnen in Richtung verantwortungsbewussterer Agrarpolitik in der Öffentlichkeit mit großem Applaus begleiten werden. Wir würden uns auch freuen, bald einen Termin für eine persönliche Darstellung der Situation zu erhalten. Der zugesagte Termin am 12.11.08 von Ihrem Vorgänger, Herrn Seehofer, konnte wegen des Wechsels nach Bayern leider nicht mehr verwirklicht werden.

Sehr geehrte Frau Ministerin Aigner, wir bitte um eine Antwort bis spätestens Ende November 2008. Wir werden diesen Brief und ggfs. Ihre Antwort im Hinblick auf das große Interesse der Imkerschaft als „Offenen Brief“ ansehen und ihn auf die Homepage der Verbände setzen.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Maske Präsident Deutscher Imker Bund D.I.B.
Manfred Hederer Präsident Deutscher Berufsimkerbund DBIB

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IG Farben

CBG Redaktion

Presse Information vom 14. November 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Aktion am BAYER-Werk Leverkusen: „Verantwortung der IG Farben für Krieg und Nazi-Verbrechen“

Rallye „Verbrechen der Wirtschaft“ / Verlegung von Gedenkplatte untersagt

wann: heute, 14. November, 16 Uhr
wo: Tor 1 des BAYER-Chemieparks Leverkusen (Bundesstraße 8)

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) unterstützt die heutige Gedenkveranstaltung in Leverkusen, die an die Verantwortung der IG Farben für Krieg und Nazi-Verbrechen erinnert. Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG: „Die IG Farben ist in die Verbrechen der Nazis verstrickt wie kein anderes Unternehmen in Deutschland. Der BAYER-Konzern als wichtiger Teil der IG Farben trägt hierfür bis heute Verantwortung. Wir kritisieren daher das Verbot der Stadt Leverkusen, vor dem BAYER-Werk einen Gedenkstein zu verlegen“. Die Kulturvereinigung Leverkusen und der VVN-Bund der Antifaschisten NRW, die zu der heutigen Gedenkveranstaltung aufrufen, hatten vor dem Tor 1 des „Chemie-Parks“ Leverkusen eine Erinnungsplatte verlegen wollen, die an die Täter und an die Verbrechen der IG Farben erinnert. Dies wurde von der Stadt jedoch untersagt.

Die IG Farben, der Zusammenschluss von BASF, BAYER, HOECHST und einiger kleinerer Chemiefirmen, steht für die enge Verflechtung zwischen der deutschen Wirtschaft und dem nationalsozialistischen Terror-Regime. Die Firma unterhielt in Auschwitz-Monowitz ein eigenes Konzentrationslager, in dem über 30.000 Menschen vernichtet wurden. Die IG Farben-Tochter Degesch lieferte das Zyklon B für die Gaskammern. Die von der deutschen Chemie-Industrie gelieferten Rohstoffe – Kautschuk, Munition, Treibstoffe - schafften den Nazis überhaupt erst die Möglichkeit, einen internationalen Krieg loszubrechen.

In diesem Jahr jährt sich zum siebzigsten Mal die Reichspogromnacht, in der auch in Leverkusen der Nazi-Terror gegen jüdische Mitbürger einen neuen Höhepunkt erreichte. Zugleich war sie der Auftakt zur systematischen Vernichtung von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern im gesamten Reich und im von der Wehrmacht besetzten Europa.

Seit Jahren führen antifaschistische Gruppen aus Leverkusen und die Stadt am Platz der ehemaligen Synagoge würdige Gedenkveranstaltungen durch. Dabei wurde aber seitens der Stadt bisher nur ansatzweise auf die Rolle von Förderern und Nutznießern des Faschismus hingewiesen. Dies wäre aber gerade auch in Leverkusen notwendig, war doch der größte Betrieb am Ort, die „Farbenfabrik vorm. Friedr. Bayer & Co.“ nach der Gründung der IG Farben eines der Hauptwerke des Chemiegiganten geworden.

Als Redner treten auf Ulrich Sander von der VVN NRW sowie ein Vertreter des Auschwitz-Komitees. Zuvor legt die Kulturvereinigung Leverkusen e.V. an dem Gedenkstein für die Opfer des Faschismus und an den Gräbern der Zwangsarbeiter auf dem Friedhof Manforter Straße in Leverkusen Blumengebinde nieder.

Die Kundgebung ist Teil der Rallye „Verbrechen der Wirtschaft“, die daran erinnern will, dass zahlreiche Vertreter des Großkapitals im höchsten Maße schuldig wurden. Von ihrem Profit, den sie aus Krieg und Leid der Menschen zogen, haben sie kaum etwas in Form von Entschädigung – und das auch erst Jahrzehnte später und auf öffentlichen Druck hin - an die Opfer zurückgezahlt.

Pipeline

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 12. November 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren

nachgebesserte Genehmigung für CO-Pipeline:

„Entscheidende Fragen nicht beantwortet“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) kritisiert die von der Bezirksregierung Düsseldorf überarbeitete Genehmigung der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline des BAYER-Konzerns. Es fehlt der Nachweis, dass die Pipeline dem Allgemeinwohl dient. „Die entscheidende Frage bleibt weiterhin offen: warum baut Bayer MaterialScience nicht am Standort Uerdingen eine moderne CO-Produktionsanlage? Dadurch ließe sich die Gefährdung der Bevölkerung entlang der Pipeline-Trasse vollständig vermeiden und zudem die Umwelt entlasten“, so Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG.

In Krefeld-Uerdingen setzt BAYER für die Kohlenmonoxid-Herstellung eine veraltete und energieintensive Technik ein. Im November 2006 musste die Anlage nach einem Brand wochenlang stillgelegt werden. Die CBG fordert den Bau eines modernen Steam Reformers zur CO-Produktion in Krefeld-Uerdingen und den Verzicht auf den Betrieb der Pipeline.

In dem am 15. Oktober vorgelegten Planfeststellungsbescheid hingegen heißt es: „Am Standort in Krefeld-Uerdingen fällt allerdings im Rahmen der dortigen chemischen Produktionsprozesse kein Kohlendioxid in den für die CO-Herstellung erforderlichen Mengen an.„ Dies ist eine glatte Falschaussage: laut europäischem Schadstoffregister EPER emittiert BAYER am Standort Krefeld 1,15 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Dies ist rund 20x so viel, wie für die CO-Produktion benötigt würde. BAYER-Vertreter argumentieren, das in Krefeld anfallende CO2 habe nicht die notwendige Reinheit. Tatsächlich ist eine CO2-„Waschung“ aber preisgünstig und technisch kein Problem.

Geradezu eine Unverschämtheit stellt das im Planfeststellungsbescheid geäußerte Argument dar, der „Bau eines Steam Reformers in Uerdingen sei unwirtschaftlich, da die Kapazitäten in Dormagen schon errichtet wurden“. Tatsächlich wurde der Vertrag zwischen den Firmen BAYER und LINDE zur Versorgung des Krefelder Werks von Dormagen aus bereits im Dezember 2004 geschlossen – also ein Jahr bevor das entsprechende Gesetz zum Bau der Pipeline beschlossen wurde und mehr als zwei Jahre vor Erteilung der Baugenehmigung. Der Aufbau der Produktionskapazitäten in Dormagen ohne Genehmigung des Baus der Pipeline kann nun nicht nachträglich als Argument für deren Genehmigung verwendet werden.

Auch die von BAYER verweigerte Arbeitsplatz-Garantie für die Uerdinger Belegschaft kritisiert die Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Drohung des Konzerns, im Fall einer verweigerten Betriebsgenehmigung 150 Arbeitsplätze zu vernichten, ist schäbig. Wir haben im vergangenen Jahr erlebt, dass Bayer MaterialScience trotz eines Rekordgewinns von über einer Milliarde Euro rund 1.500 Stellen wegrationalisiert hat“, so Mimkes weiter. Nach Auffassung der CBG liegen dem Bau der hochgefährlichen Leitung ausschließlich privatwirtschaftliche Interessen zu Grunde. Enteignungen ließen sich aber allenfalls durch Vorteile für das Allgemeinwohl rechtfertigen.

Bei der nun vorgelegten Überarbeitung des Planfeststellungsbeschlusses wurde die Öffentlichkeit abermals nicht beteiligt. Dabei wurden vorgeblich auch alternative Routen geplant – wenig glaubwürdig angesichts der bereits weitgehend fertiggestellten Pipeline.

„Es ist inakzeptabel, dass sich Landes- und Bezirksregierung vollständig in den Dienst von BAYER stellen. Angesichts der Vielzahl von Chemie-Unfällen in jüngster Zeit – auch an Pipelines! – muss die Sicherheit der Bürger wieder in den Vordergrund rücken. Das Prinzip, dass Gefahrstoffe nur am Ort ihrer Verwendung produziert werden, muss unbedingt erhalten bleiben“, so Axel Köhler-Schnura von der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Bürgerinitiativen entlang der Trasse haben bereits über 95.000 Unterschriften gegen die Inbetriebnahme der Pipeline gesammelt.

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Neue Rhein Zeitung, 21. Oktober 2008

“Schlecht nachgebessert„

CO-PIPELINE. Bezirksregierung schreibt 82 Seiten, um die Röhre genehmigt zu bekommen. Bürgermeister reagiert gelassen.

MONHEIM. Um 22.01 Uhr hatte am 15. Oktober das Faxgerät im Rathaus mit dem Drucken begonnen. 30 Minuten später waren 82 Seiten Machwerk der Bezirksregierung mit dem sperrigen Begriff “Planergänzungsbeschluss„ angekommen. Regierungspräsident Jürgen Büssow (SPD) hat den Planfeststellungsbeschluss zur CO-Pipeline vom Februar 2007 nachgebessert. Die Juristen der Stadt inklusive Bürgermeister Thomas Dünchheim haben das Papier aus Düsseldorf geprüft, Ergebnis: Die Nachbesserungen würden nicht ausreichen, um die Leitung in Betrieb nehmen zu können.

“Der Ergänzungsbeschluss hat sich mit dem Verfassungsrecht, der Trassenwahl und dem Sicherheitskonzept befasst„, so Dünchheim, der bei den genannten drei Punkten von “Wirkungstreffern„ spricht. Diese Wirkung wollten er und sein Juristenkollege Jochen Heide - er vertritt von der Enteignung betroffene Familien und mehrere Städte des Kreises Mettmann - der Reihe nach entkräfteten.

“Bayer schafft keinen einzigen Arbeitsplatz„
“Bayer schafft mit der CO-Pipeline keinen einzigen neuen Arbeitsplatz„, sagt Dünchheim. 150 Stellen bei Bayer und 150 in der Logistik würden abgebaut, käme die Leitung nicht. “Zudem drohen sie damit, 7000 Arbeitsplätze in Krefeld-Uerdingen zu streichen. Sie würden damit den Standort aufgeben.„ Bürgermeister und Rechtsanwalt Jochen Heide halten die Aussagen in dem Beschluss für leere Drohungen. Zudem müsse der Beschluss der Bezirksregierung Sicherheitsgarantien enthalten und auch Sanktionen, sollte der Konzern trotz Pipeline Personal abbauen.
Stichwort Trassenwahl: “Erstmals spricht der Regierungspräsident auch von einer linksrheinischen Trasse„, so Dünchheim. Ergebnis: Die rechtsrheinische Trasse sei die beste und eine Beteiligung der Öffentlichkeit sei nicht nötig. “Die anderen Strecken sind schnell aussortiert worden„, sagt Heide. Dieter Donner, Sprecher der Bürgerinitiative gegen die CO-Pipeline: “Dass die Öffentlichkeit nicht beteiligt wird, entbehrt jeder demokratischen Legitimation. Es ist ein Skandal.„

Ohne Beteiligung der Öffentlichkeit
Von der Beteiligung der Öffentlichkeit ist auch auf den beiden letzten Seiten des Beschlusses die Rede. “Büssow schließt eine Beteiligung aus„, sagt Dünchheim, um das Wort “Verfahrensfehler„ hinterher zu schieben. Der Regierungspräsident müsse laut des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichtes Münster von Dezember 2007 am Anfang des Prozesses ansetzen, dann die Öffentlichkeit informieren und dann abwägen.
Das Thema Sicherheitskonzept ist laut der hiesigen Rechtsanwälte ebenso in der nachgebesserten Version nicht erschöpfend behandelt worden. “Aktueller Stand der Technik ist eine Doppelwandige Röhre. Davon ist aber keine Rede„, so Dünchheim.
Wie geht es jetzt weiter? Die Bezirksregierung schickt den Änderungsbeschluss dem Verwaltungericht (VG) Düsseldorf. Thomas Dünchheim: “Das hat sie noch nicht getan, die Stadt muss von dem Schritt informiert werden.„ Möglicherweise würde das VG pro Bayer und Büssow entscheiden. Dünchheim: “Beim Oberverwaltungsgericht Münster scheitern sie aber. Denn es ist nicht wie vom Gericht gefordert, nachgebessert worden.„ DANIEL CNOTKA

16.10.2008 Rheinische Post

CO-Pipeline: neue Kontroverse

VON JÖRG JANSSEN

Monheim (RP) Die Düsseldorfer Bezirksregierung hat ihre anderthalb Jahre alte Genehmigung für die CO-Pipeline des Bayer-Konzerns unter Ausschluss der Öffentlichkeit nachgebessert. Kritiker: “Wo bleibt die Transparenz?„
Der Kampf um die umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline des Bayer-Konzerns geht in die nächste Runde. Wie Bernhard Hamacher, Sprecher der Düsseldorfer Bezirksregierung gestern auf RP-Anfrage bestätigte, wird die nachgebesserte Genehmigung (“Planfeststellung„) für die Gasleitung noch in dieser Woche das Düsseldorfer Verwaltungsgericht erreichen. Sobald die Unterlagen der dortigen Dritten Kammer vorliegen, können die Richter das auf Eis liegende Verfahren um die 67 Kilometer lange Leitung fortsetzen.
Ungeachtet der immer wieder zugesicherten “maximalen Transparenz„ stellte Hamacher klar, dass die nun ergänzte Planfeststellung nicht direkt veröffentlicht wird. “Richter und am Verfahren beteiligte Parteien haben den ersten Zugriff. Dem können und wollen wir nicht vorgreifen.„
Verfahrenskenner gehen davon aus, dass die Bezirksregierung nach der Schlappe vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster im Dezember 2007 nun den Nutzen der Leitung für die Allgemeinheit, die rechtsrheinische Trassenführung sowie den hohen Standard der Sicherheitsvorkehrungen präzisiert und mit neuen Gutachten untermauert. Bis zur Klärung dieser Fragen hatte das OVG zwar den Weiterbau der Leitung gestattet, nicht aber deren Inbetriebnahme.
Vor Monaten hatte sich das mit dem Fall “in der Hauptsache„ befasste Düsseldorfer Verwaltungsgericht bereit erklärt, das Pipeline-Verfahren bis zur Vorlage der zugesicherten Nachbesserungen ruhen zu lassen. “Sobald sich Kläger und andere Beteiligte zu den neuen Unterlagen erklärt haben, werden wir weitermachen„, erläuterte Gerichtssprecher Dr. Gerd-Ulrich Kapteina gestern der RP.

Geheimniskrämerei
Energisch kritisiert Dr. Jürgen Heide - er berät den Baumberger Landwirt Heinz-Josef Muhr und die Stadt Monheim bei ihren Klagen gegen die Pipeline - “die neuerliche Geheimniskrämerei„ der Düsseldorfer Bezirksregierung. “Unter höchstmöglicher Transparenz verstehe ich etwas anderes. Nicht nur die endlich korrigierte Planfeststellung müsste sofort öffentlich sein. Auch an dem in den letzten Monaten abgelaufenen Verfahren hätten wir beteiligt werden müssen.„
Angesichts dessen, was bereits durchgesickert sei, hält der Jurist auch die neue Version der Pipeline-Genehmigung für “mehr als angreifbar„. Bayer werde es selbst mit Hilfe der nun präzisierten Planfeststellung nicht gelingen, das hochgiftige Kohlenmonoxid durch eine der am dichtesten besiedelten Gegenden Europas strömen zu lassen.
Gelassen gab sich dagegen Bayer-Sprecher Christian Zöller. Mit der Vorlage der Ergänzungen durch die Bezirksregierung könne das Verfahren nun weitergehen. Die Frage einer sofortigen Veröffentlichung “liegt nicht in unserem Ermessen. Das ist die Entscheidung der Bezirksregierung.„
Zuversichtlich, die Inbetriebnahme der Pipeline weiterhin stoppen zu können, ist auch Monheims Bürgermeister Dr. Thomas Dünchheim. “Die Wahl der Trasse hätte nach dem Wegfall des Propylen-Leitungsverbundes neu und vor allem ergebnisoffen abgewogen werden müssen.
Das ist bei der Nachbesserung der Bezirksregierung aber nicht der Fall. Wie auch? Bekanntlich ist die Leitung ja längst im Erdreich verbuddelt.„ In Sachen Pipeline will Dünchheim jetzt die SPD attackieren. Die befände sich nach wie vor “im Zangengriff des Chemie-Lobbyisten Werner Bischoff, was auch jüngste Äußerungen eines Werner Goller nicht vergessen machen können."

Klimakiller

CBG Redaktion

Presse Info vom 7. November 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren

CURRENTA-Geschäftsführer in Klimabeirat NRW berufen

„Den Bock zum Gärtner gemacht“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kritisiert die Berufung von Klaus Schäfer, Geschäftsführer der Currenta GmbH, in den neu gegründeten nordrhein-westfälischen Energie- und Klimarat. „Die Landesregierung hat einmal mehr den Bock zum Gärtner gemacht. Ausgerechnet ein Unternehmen, das den Bau klimafeindlicher Kohlekraftwerke vorantreibt und das gegen verbindliche Regeln zum Klimaschutz agitiert, soll die Energiepolitik des Landes mitbestimmen“, so Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG). Mimkes kritisiert, dass für das mit 19 Personen besetzte Gremium kein einziger Vertreter von Umweltverbänden nominiert wurde.

Currenta gehört zu 60% dem BAYER-Konzern und zu 40% der BAYER-Ausgründung Lanxess. Auf dem BAYER-Werksgelände in Krefeld-Uerdingen soll ein Steinkohlekraftwerk gebaut werden, das jährlich allein 4,4 Millionen Tonnen CO2 emittieren würde, Betreiber soll die Currenta GmbH werden. Auch in den BAYER-Werken Brunsbüttel und Antwerpen sind neue Kohlekraftwerke geplant. Alle genannten Kraftwerke sollen mit Importkohle aus Übersee befeuert werden.

„Die zentralisierte Stromproduktion in gigantischen Kraftwerken verhindert einen sinnvollen Einsatz der entstehenden Wärme. Über die Hälfte der in Brunsbüttel und Antwerpen erzeugten Energie würde wirkungslos verpuffen. Mit einer Lebensdauer von bis zu 50 Jahren würden die neuen Kraftwerke den Einstieg in eine umweltfreundliche Energieproduktion für zwei Generationen verhindern“, so Mimkes weiter.

In der Öffentlichkeit bezeichnet sich BAYER gerne als Vorbild in Sachen Klimaschutz. Gleichzeitig fordert das Unternehmen die Befreiung von der Ökosteuer, die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sowie einen entschärften Emissionshandel. Gemeinsam mit 14 anderen Vorstandsvorsitzenden hat BAYER-Chef Werner Wenning einen Brief an Kanzlerin Merkel geschrieben und die von der EU vorgesehenen verbindlichen Emissions-Minderungen scharf attackiert („gefährden Wachstum und Investitionen am Standort Deutschland“). Angesichts der Finanzmarktkrise forderte Wenning noch in dieser Woche, eine „innovationshemmende Ausgestaltung des Emissionshandels zu vermeiden“.

Die Chemie-Industrie ist hierzulande nach der Strom- und Metallproduktion Klimasünder Nummer drei. Der BAYER-Konzern emittiert inclusive seiner Zulieferer jährlich knapp acht Millionen Tonnen Kohlendioxid. Erst nach einer zweijährigen Kampagne der Coordination gegen BAYER-Gefahren hat der Konzern im Vorjahr seinen Ausstoß von Klimagasen vollständig offengelegt - bis dahin hatte BAYER den CO2-Ausstoß seiner Zulieferer schlicht unterschlagen und zudem Unternehmens-Verkäufe als Maßnahme zum Klimaschutz ausgegeben.

weitere Informationen: Die Klima-Emissionen des BAYER-Konzerns

[Pipeline] Kohlenmonoxid Pipeline

CBG Redaktion

01.11.2008, Rheinische Post

„Wir können nicht alle retten“

Ob die CO-Pipeline gebaut wird, entscheiden die Gerichte. Die Feuerwehren arbeiten notgedrungen an einem Sirenenwarnsystem für den Fall eines Störfalls. Eine Wirksamkeit sehen sie selbst nicht.

„Die Feuerwehren lehnen den Bau der CO-Pipeline ab“, mit diesen klaren Worten bezog Hildens Stadtbrandmeister Lothar von Gehlen in der Sitzung des Rates klar Stellung zu dem Projekt des Chemieriesen Bayer. Das war nichts Neues, aber in seiner Eindringlichkeit ebenso aufrüttelnd wie seine Feststellung: „Ein Störfall an der Pipeline kann von den Feuerwehren nicht beherrscht werden.“
Schon früh hatten sich die Wehren im Kreis gegen die Leitung ausgesprochen, durch die das geruchlose Gift fließen soll. „Wir müssen aber an dem Gefahrenabwehrplan mitarbeiten, ohne dadurch den Rechtsstreit des Betreibers positiv zu beeinflussen“, macht der Hildener Feuerwehrchef auch klar. Im Sinne der Vorsorge für die Bevölkerung und die Einsatzkräfte der Feuerwehr. Die seien nämlich als erste gefragt, wenn es zu einem Störfall komme.
„Wir wollen in einem solchen Fall die Bevölkerung so früh wie möglich alarmieren“, erläuterte Kreisbrandmeister Friedrich-Ernst Martin, der auf Anregung der Unabhängigen zu der Sitzung eingeladen worden war. Das sei bei dem jetzigen technischen Stand nur durch ein Sirenensignal möglich. Ein Konzept, das dies sicherstellen soll, wird derzeit erarbeitet. Es sieht entlang der Pipelinetrasse insgesamt 57 Anlagen vor; 34 im Kreis Mettmann und sechs davon auf Hildener Stadtgebiet. Unklar sei noch, wer für die Errichtung und den Betrieb zuständig sei, sagte Martin. Und er sprach auch hier klare Worte: „Ich sehe keine direkte Zuständigkeit der Kommunen.“

Nicht wirksam
Was die Wirksamkeit des Sirenenalarms angeht, zeigte sich nicht nur SPD-Ratsfrau Liesel Donner skeptisch: Wenn im Krieg die Sirene gegangen sei, habe man gewusst, dass man denen Luftschutzkeller aufsuchen müsse. „In dem Moment, wenn bei einem Pipeline-Störfall die Sirene geht, ist die Gefahr schon da“, verdeutlichte die 75-Jährige. Auch SPD-Chefin Birgit Alkenings konstatierte: „Das Warnkonzept tritt erst ein, wenn das Sicherheitskonzept versagt hat.“
Der Kreisbrandmeister konnte nichts Beruhigendes in die Diskussion einbringen. Im Gegenteil: „Wir können nicht davon ausgehen, dass wir bei einem Störfall alle Betroffenen retten können. Und das ist keine Schwarzmalerei.“ Stadtbrandmeister von Gehlen hielt ein Plädoyer für die rasche Erweiterung/Umbau der Hildener Feuerwache: „Die Mängel bei der Unterbringung und Ausrüstung kann man nicht auf den Nimmerleinstag verschieben.“ Die Beratung über den Umbau der Wache, die um zwei Millionen Euro teurer werden soll als veranschlagt, war zuvor auf die Ratssitzung im Dezember vertagt worden, weil die Fraktionen noch Beratungsbedarf sahen. VON BARBARA JAKOBY

Aspirin

CBG Redaktion

28. Oktober 2008

FDA verwarnt Bayer wegen Aspirin Kombipräparaten

Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat Bayer wegen der Vermarktung von zwei frei verkäuflichen Aspirin-Kombinationspräparaten verwarnt. Dabei gehe um Produkte, die Aspirin mit den Nahrungsergänzungsmitteln Calcium sowie Phytosterol kombinierten, teilte die FDA am Dienstag mit. Eines der Kombi-Produkte („Bayer Heart Advantage“) werde neben einem Einsatz als Schmerzmittel auch als Mittel vermarktet, mit denen sich der Bluttfettspiegel senken und so die Risiken für Herzkrankheiten verringern ließen. Das zweite Präparat („Bayer Woman's“), das auf Frauen abziele, würde zudem auch für den Einsatz zur Bekämpfung von Osteoporose vermarktet.

„Keines der Produkte ist für diese Anwendungen von der FDA zugelassen worden“, erklärte die Behörde. Zwar seien keine schweren Fälle von Nebenwirkungen aufgetreten, die Gesundheitsbehörde sei aber dennoch besorgt. Es seien neue Medikamente, für die ein Zulassungsverfahren notwendig sei. Sie könnten deshalb nicht einfach als frei verkäufliche Arzneimittel vertrieben werden. Eines der beiden Aspirin-Präparate kombiniert Aspirin mit Calcium. Das zweite enthält den Zusatzstoff Phytosterol. Die FDA bemängelte zudem, die Kombi-Präparate enthielten für die Verbraucher nicht genügend Hinweise zur sicheren Einnahme.

Bayer müsse unverzüglich handeln, erklärte die FDA. Ob damit ein Rückruf gemeint sei, blieb aber zunächst unklar. Bayer habe 15 Tage Zeit, auf die Vorwürfe zu reagieren. „Wir prüfen das Schreiben der Behörden und werden im gesetzten Zeitrahmen antworten“, sagte ein Unternehmenssprecher. Bayer stehe zu seinen Produkten. Das Kombinationspräparat mit Calcium ist nach Bayer-Angaben seit 2002 auf dem US-Markt, das andere seit Frühjahr dieses Jahres.

siehe auch:
=> Pharma-Marketing bei BAYER
=> Aspirin: Weiße Pille mit dunklen Flecken
=> Tödliche Nebenwirkungen von Aspirin

Pestizide

CBG Redaktion

Presse-Information
Hamburg, 23. Oktober 2008

Nichtregierungsorganisationen fordern vom EU-Parlament mehr Sicherheit für Mensch und Umwelt im Pflanzenschutz

Elf deutsche Nichtregierungsorganisationen wenden sich heute mit einem Positionspapier an die deutschen EU-Abgeordneten und an die Bundesregierung, um einen besseren Schutz für Umwelt, Artenvielfalt und die Gesundheit von Verbrauchern und Anwendern beim Einsatz gefährlicher Pestizide einzufordern.

Eine seit nunmehr sieben Jahren geführte Debatte um die politische Ausrichtung der EU-Pestizidgesetzgebung neigt sich dem Ende zu. Am 3./4. November wird der Umweltausschuss des EU-Parlaments in zweiter Lesung über zwei Gesetzentwürfe zur Regelung der Zulassung, Vermarktung und Anwendung von Pestiziden abstimmen. Diese Gesetze bergen eine historische Chance, die Umwelt und die Menschen in der EU besser vor den Risiken des intensiven und gefährlichen Chemieeinsatzes zu schützen und die Weichen für die konventionelle Landwirtschaft auf mehr ökologische Nachhaltigkeit zu stellen.

Das Positionspapier benennt zentrale Forderungen, zum Beispiel keine
Zulassung mehr für besonders gefährliche, unter anderem krebserregende
Pestizide, einen besseren Schutz für Kinder, aber auch für Gewässer,
Naturschutzgebiete und Bienenvölker oder die Einführung verbindlicher
Standards des Integrierten Pflanzenschutzes für die Landwirtschaft.
Am 16. Oktober 2008 verpasste die eigene Fraktion Agrarminister Seehofer
einen Dämpfer. Die Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD hatten sich in
einem Beschluss dafür ausgesprochen, das Ziel des Reduktionsprogramms
chemischer Pflanzenschutz beizubehalten und den Anteil an
Rückstandshöchstmengen-Überschreitungen von Pestiziden in Lebensmitteln
auf unter 1% zu senken. Dieses Ziel war zuvor von Minister Seehofer aus
dem Programm ersatzlos gestrichen worden. Drei Tage zuvor, am 13.
Oktober, hatte das Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit den neuen Bericht zum Lebensmittelmonitoring
vorgestellt und deutlich auf die zu hohen und zu häufigen
Rückstandsfunde von Pestiziden in Lebensmitteln hingewiesen.

„Wir begrüßen den Beschluss des Bundestages und hoffen, dass
Agrarminister Seehofer jetzt nachbessert. Allerdings gibt es bei den
Belastungen und den Gefahren durch Pestizide keine nationalen Grenzen,
ebenso wie Gesundheitsschutz und Umweltschutz untrennbar ineinander
greifen müssen. Wir fordern daher in einer breiten Allianz von
Nichtregierungsorganisationen die deutschen Abgeordneten und die
Regierung auf, sich in Brüssel für wichtige Verbesserungen zum Schutz
der Verbraucher und der Umwelt in der Pestizidgesetzgebung
einzusetzen“, so PAN-Pestizidexpertin Susanne Smolka.

Die unterzeichnenden Nichtregierungsorganisationen sind:
Aktionskonferenz Nordsee e.V., BUKO Agrar Koordination, Bund für Umwelt
und Naturschutz Deutschland (BUND), Bundesverband Bürgerinitiativen
Umweltschutz (BBU), Regiowasser e.V., Coordination gegen BAYER-Gefahren
(CBG), Deutscher Berufs und Erwerbs Imker Bund e.V. (DBIB), Greenpeace
e.V., Grüne Liga e.V., Naturschutzbund Deutschland (NABU), Pestizid
Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany).

Das Positionspapier „Für einen stärkeren Schutz von Gesundheit, Umwelt und Artenvielfalt in der europäischen Pestizidpolitik“ finden Sie unter:
http://www.pan-germany.org/download/NGO-Position_EU-Pestizidrecht_081023.pdf

[Krefeld] Kohlekraftwerk

CBG Redaktion

20.10.2008, Rheinische Post

Bärbel Höhn kritisiert Kraftwerk

In einer Diskussionsrunde hat sich am Wochenende die Rheinhauser „Bürgerinitiative Saubere Luft“ mit prominenter Unterstützung gegen ein Steinkohlekraftwerk in Uerdingen ausgesprochen.

Die ehemalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn und der BUND-Landesgeschäftsleiter, Dirk Jansen diskutierten im Krupp-Gymnasium.
„Der Widerstand gegen den Neubau von Kohlekraftwerken ist vor Ort angekommen“, merkte Bärbel Höhn an. Zum jetzigen Zeitpunkt Kohlekraftwerke neu zu planen und zu bauen, sei das falsche Signal. Vor allem wandte sie sich gegen das von den großen Kraftwerksbetreibern immer wieder ins Feld geführte „Angstargument“ einer „Stromlücke“. Diese drohende Lücke werde lediglich durch ein Gutachten gestützt, das sie als Gefälligkeitsgutachten bezeichnete.

„Umnutzung des Chemparks“
Mit Blick auf das für Krefeld-Uerdingen geplante Kohlekraftwerk merkte sie an, dass vermutlich in diesem Fall nicht einmal die Argumentation mit neuen und der Sicherung der gegenwärtig im Chemiepark vorhandenen Arbeitsplätzen stimme. Das Kraftwerk, so Höhn, sei so groß dimensioniert, dass hinter dem Projekt vielmehr eine Umnutzung des Chemieparks und damit ein möglicher Rückzug des bisherigen Betreibers zu vermuten sei. Ein den Dimensionen des Chemieparks angepasstes Gaskraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung würde viel eher Arbeitsplätze sichern. Darüber gelte es, konstruktiv mit den Betriebsräten vor Ort ins Gespräch zu kommen. Die Argumentationskette des Gaskraftwerks mit angeschlossener Kraft-Wärme-Kopplung Höhns nahm Dirk Jansen auf.
Zunächst bezeichnete er die Befürchtung als abwegig, durch verstärkten Gaseinsatz zur Energieerzeugung einseitig von Importen abhängig zu werden. Was heute in Haushalten an Gas verheizt werde, werde durch moderne, effiziente Kraft-Wärme-Kopplung eingespart, so dass gar nicht mehr Gas als heute importiert werden müsse.
VON HANS-ULRICH KRESS

Jahrestagung 2008: Konzernkritik – Bilanz und Perspektive

CBG Redaktion

Tagung zum 30. Geburtstag der Coordination gegen BAYER-Gefahren

TERMIN: Samstag, 6. Dezember
ORT: Umweltzentrum Düsseldorf (Wegbeschreibung)
EINTRITT: frei (Spende erbeten)

Die Finanzkrise zeigt es einmal mehr: Banken und Konzerne dürfen sich nicht selbst regulieren. Ohne öffentliche Kontrolle der Unternehmen gerät das Allgemeinwohl unter die Räder.

Seit 1978 dokumentiert die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) die Schattenseiten der BAYER-Geschäftspolitik: Störfälle, Pestizidvergiftungen, gefährliche Pharmaprodukte, Lobbyismus, Emissionen – die CBG bringt Missstände in die Öffentlichkeit und organisiert öffentlichen Protest.

Zu ihrem 30. Geburtstag will die Coordination gegen BAYER-Gefahren mit Freunden und Kooperationspartnern Bilanz ziehen und Perspektiven entwickeln. Dabei sollen unterschiedliche konzernkritische Initiativen zu Wort kommen.

[Aspirinwerbung] Pharmamarketing

CBG Redaktion

16.10.2008, Financial Times Deutschland

US: Bayer droht Ärger wegen Aspirin-Werbung

Bayer stößt bei der Vermarktung von Aspirin in den USA auf Widerstand. Ein Ausschuss des amerikanischen Repräsentantenhauses prüft einen Verstoß des Chemie- und Pharmakonzerns gegen die Marketingvorgaben der US-Zulassungsbehörde FDA.
Betroffen ist eine Tablette, die Bayers Wirkstoff mit dem Nahrungsergänzungsmittel Phytosterol kombiniert. Anstoß nehmen die Politiker daran, dass Bayer das Produkt als „herzschonende“ Aspirin-Version bewirbt. Phytosterol soll eine cholesterinsenkende Wirkung auf das Blut haben und wird auch Margarine, Salatdressings oder Frühstücksflocken zugesetzt.
Aspirin ist in den USA populär und wird von vielen Konsumenten zur Vorbeugung gegen Herzinfarkte eingenommen. Werbung für Pillen gehört in US-Medien zum Alltag wie die für Schokolade und Autos. Die FDA achtet aber nicht nur bei verschreibungspflichtigen Produkten auf überzogene Versprechungen. Die Behörde hat bereits 2000 die Hersteller von rezeptfreien Medikamenten davor gewarnt, bei der Werbung für Kombiprodukte vorgegebene Grenzen zu überschreiten. Probleme ergeben sich daraus, dass ein geprüftes Arzneimittel mit einem Nahrungsergänzungsmittel vermischt wird, dessen medizinische Wirkung strittig sein kann. Ein Produkt, dessen Gesundheitswirkung nicht von der FDA anerkannt sei, würde so ein behördliches Qualitätssiegel erhalten, das es nicht verdient habe.
Im Falle der Aspirin-Kombitablette könnte der Konsument dem Phytosterol den Status einer FDA-geprüften Wirkungsweise für das Herz zuordnen. Vor solchen Irreführungen warnt die FDA. Sie wies die Arzneimittelhersteller darauf hin, dass die Zugabe eines Lebensmittelzusatzstoffes die Sicherheit und Effizienz eines Arzneimittels sogar deutlich beeinflussen könne. Die FDA schlug den Herstellern daher vor, solche Kombinationsprodukte gar nicht erst auf den Markt zu bringen.
Die Werbung Bayers für die potenziell herzschonende Aspirin-Tablette „könnte die Öffentlichkeit irreführen“, so die Vermutung des demokratischen Parlamentariers John Dingell. Er ist der Vorsitzende des Commitee on Energy and Commerce im Repräsentantenhaus, das sich sehr kritisch mit Pharmawerbung auseinandersetzt. Statistiken zufolge haben die großen fünf europäischen Branchenvertreter, zu denen Bayer allerdings nicht zählt, die Ausgaben für die Direktwerbung in den USA 2007 um 26 Prozent auf 1,3 Mrd. $ gesenkt.
Grund dafür sind außer Sparmaßnahmen auch andere Effekte: Firmen wie Novartis und Roche verstärken ihre Aktivitäten in Spezialmärkten wie der Krebstherapie und schalten weniger Anzeigen und TV-Spots. GlaxoSmithKline wiederum hält sich beim Diabetesmittel Avandia zurück, weil die FDA die Sicherheit des Mittels auf den Prüfstand gestellt hat. Und viele Produkte müssen nicht mehr beworben werden, weil deren Patentschutz abgelaufen ist. Der Markt fällt preiswerten Nachahmerarzneien zu. Peter Kuchenbuch (Hamburg)

Artikel „Pharmamarketing von BAYER“

[Pharmawerbung] Irreführende Werbung

CBG Redaktion

APOTHEKE ADHOC, Montag, 13. Oktober 2008

FDA verwarnt Bayer

Berlin - Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat dem Pharmakonzern Bayer ein Mahnschreiben geschickt. Die Werbung für das Kontrazeptivum Yaz (Drosperinon, Ethinylestradiol) sei irreführend, so die Aufsichtsbehörde. Zwei Werbespots verharmlosen laut FDA die Risiken des Präparats und unterstellen fälschlicherweise, dass Yaz auch für die Behandlung des prämenstruellen Syndroms zugelassen sei. Tatsächlich ist das Verhütungsmittel für die schwerere prämenstruelle dysphorische Störung zugelassen.

In den Fernsehspots werde suggeriert, Yaz könne zur Behandlung von prämenstruellen Beschwerden jeder Intensität eingesetzt werden, kritisiert die FDA. Dabei müsse das Präparat seine Wirksamkeit bei leichter Akne, Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen oder Reizbarkeit noch in klinischen Tests unter Beweis stellen.

Die Behörde bemängelte zudem, dass Warnhinweise mit schnell wechselnden Bildern und Hintergrundmusik präsentiert werden. Dies lenke den Zuschauer von wichtigen Hinweisen auf die mit der Einnahme verbundenen Risiken ab und erschwere das Verständnis. Bayer hat angekündigt, die Werbung zurück zu ziehen.

Die USA ist neben Neuseeland das einzige Land, in dem Verbraucherwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel erlaubt ist. In der Europäischen Union wird derzeit über eine Lockerung des Verbots nachgedacht.

siehe auch: Zweifelhaftes Pharma-Marketing bei BAYER

Bienensterben

CBG Redaktion

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund NABU, die Coordination gegen BAYER-Gefahren und das Pestizid Aktions-Netzwerk haben heute in einem Brief an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gefordert, bienengefährliche Pestizide vom Markt zu nehmen.

10. Oktober 2008

An den Leiter des
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
Dr. Helmut Tschiersky-Schöneburg
Bundesallee 50, Gebäude 247
38116 Braunschweig

Bienensterben / Keine Wieder-Zulassung von Clothianidin

Sehr geehrter Herr Dr. Tschiersky-Schöneburg,

das BVL hat am 15. Mai die Zulassung der Saatgutbehandlungsmittel Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam und Methiocarb ausgesetzt. Grund hierfür war das massive Bienensterben am Oberrhein, das durch Clothianidin-Vergiftungen ausgelöst wurde. In der Zwischenzeit wurde die Zulassung von Clothianidin auch in Italien und Slowenien entzogen.

Schon am 25. Juni wurde die Zulassung dieser Mittel für die Behandlung von Raps-Saatgut jedoch wieder in Kraft gesetzt. Durch die Wieder-Zulassung droht die fortgesetzte Vergiftung von Bienen und Wildinsekten. Wir fordern Sie daher auf, die genannten Wirkstoffe endgültig vom Markt zu nehmen.

Ebenso wie der Deutsche Berufsimkerbund (DBIB) fordern wir zudem eine Offenlegung aller Studien, die bei der Zulassung dieser Pestizide eingereicht wurden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die von der Firma Bayer, dem Hersteller von Clothianidin und Imidacloprid, durchgeführten Untersuchungen derart angelegt wurden, dass die Bienengefährlichkeit der Wirkstoffe möglichst gering erschien und Pestizid-Rückstände in behandelten Pflanzen verharmlost wurden.

Insbesondere bitten wir Sie darzulegen, ob die folgenden Unterlagen im Zulassungsprozess eingereicht und geprüft wurden:

1. Das Bienensterben vom Mai 2008 wurde durch Abrieb von Clothianidin beim Ausbringen von Mais-Saaatgut verursacht. Die Studie Risk of environmental contamination by the active ingredient imidacloprid used for corn seed dressing der Universität Udine kam bereits im Jahr 2003 zu dem Ergebnis, dass ein solcher Abrieb regelmäßig beobachtet wird und eine Gefahr für Bienen darstellt (Zitat: “corn sowing must be considered a potentially dangerous operation in terms of general environmental pollution. It is possible that the spread of the active ingredient in the environment during sowing operations could cause serious damage in bee colonies”). Dr. Richard Schmuck von Bayer CropScience räumte bei einem Expertengespräch des baden-württembergischen Landwirtschaftsministeriums am 8. Mai ein, dass bei der Aussaat von Mais mit einem Abrieb von Clothianidin von 2g/Hektar zu rechnen sei.

2. Die Folgestudie der Universität Udine aus dem Jahr 2006 (Presence of imidacloprid on vegetation near corn fields sown with Gaucho® dressed seeds) zeigt, dass sich der Wirkstoff im Boden anreichern und Insekten gefährden kann (Zitat: “The investigation showed that Gaucho dressed corn seeds during sowing operations can release imidacloprid into the environment, and therefore bees and wild pollinator insects could be exposed to the insecticide molecule. Plants could accumulate the active ingredient released during different sowing operations in the same area and become polluted for a time depending on the length of the sowing period. The same problem could be extended to other pesticides, at present or in the future, used in seed dressing”).

3. Die Studie Effects of imidacloprid administered in sub-lethal doses on honey bees’ (Apis mellifera L.) behaviour des italienischen Instituts für Bienenkunde in Bologna belegt, dass auch geringe, sub-lethale Vergiftungen zu einer Beeinträchtigung des Orientierungssinns von Bienen führen, wodurch die Ernährung des gesamten Bienenvolks gefährdet wird („Imidacloprid had a negative effect on honey bee mobility” und weiter: “We therefore believe that bees, accidentally intoxicated in a field with imidacloprid, could find difficulties in returning to the hive, thus depriving the colony of foragers and harming the entire colony”).

4. Französische Behörden entzogen Imidacloprid 1999 (auf Sonnenblumen) bzw. 2003 (auf Mais) die Zulassung. Eine Zulassung für Clothianidin wurde wegen der Anreicherung im Boden und der Gefahr für Bienen gar nicht erst erteilt. Im Auftrag des französischen Landwirtschaftsministerium erstellte das Comité Scientifique et Technique (CST) im Jahr 2003 einen 221-seitigen Untersuchungsbericht. Darin wird festgestellt, dass die Verwendung von Imidacloprid für den Tod Hunderttausender Bienenvölker in Frankreich mitverantwortlich ist. U.a. heißt es: „Die Untersuchungsergebnisse zu den Risiken des Saatgutbehandlungsmittels Gaucho (Wirkstoff: Imidacloprid) sind beunruhigend. In Bezug auf Bienensterblichkeit und Orientierungsstörungen von Bienen stimmen die Ergebnisse der Studie mit den Beobachtungen zahlreicher Imker in Regionen intensiver Landwirtschaft (Mais- und Sonnenblumenanbau) überein. Die Saatgutbehandlung mit Gaucho stellt ein signifikantes Risiko für Bienen in verschiedenen Altersstufen dar.“ Und weiter: „Was die Behandlung von Mais-Saat mit Gaucho betrifft, so sind die Ergebnisse ebenso besorgniserregend wie bei Sonnenblumen. Der Verzehr von belasteten Pollen kann zu einer erhöhten Sterblichkeit von Pflegebienen führen, wodurch das anhaltende Bienensterben auch nach dem Verbot der Anwendung auf Sonnenblumen erklärt werden kann“.

5. Die französische Studie Quantification of Imidacloprid Uptake in Maize Crops aus dem Jahr 2005 zeigt, dass sich Neonicotinoide über Jahre hinweg im Boden anreichern und in Pflanzen wie Mais und Sonnenblumen nachgewiesen werden können. Durch die Aufnahme von belastetem Pollen werden die Bienenvölker schleichend vergiftet. Dies führe zu einer Schwächung der Völker und einer höheren Anfälligkeit für Krankheiten und Parasiten. Hierin sei einer der Gründe der Bienensterben seit Mitte der 90er Jahre zu sehen (Zitat: “It appears that imidacloprid levels measured in maize pollen is one of the major factors contributing to the weakening of bee colonies. Together with the imidacloprid levels found previously in pollen and nectar of other crops, as well as results for other competitor insecticides, our data support the hypothesis that systemic insecticides are largely involved in the depopulation of European honeybees since the mid 1990s”).

6. Der US-Bundesstaat New York verweigerte dem Wirkstoff Clothianidin am 17. Juni 2007 eine Zulassung. Das New York State Department of Environmental Conservation bemängelte die Langlebigkeit des Stoffs, weswegen eine Anreicherung im Boden drohe („could accumulate in soils from year to year with repeated uses“). Außerdem befürchtet die Behörde eine Verunreinigung des Grundwassers („Clothianidin could lead to widespread groundwater contamination, but no groundwater monitoring studies have been conducted to date“).

7. Die kanadische Zulassungsbehörde Pest Management Regulatory Agency (PMRA) veröffentlichte am 21. Juni 2004 eine Stellungnahme zum Antrag der Bayer AG auf Zulassung von Clothianidin. Die PMRA bezeichnet die von Bayer eingereichten Studien als mangelhaft („deficient“), weswegen eine Gefährdung von Bienen befürchtet werde. Besonders hervorgehoben wurde die mehrjährige Verweildauer des Giftstoffs im Boden („All of the field/semi-field studies, however, were found to be deficient in design and conduct of the studies. Given the foregoing, the risk that clothianidin seed treatment may pose to honey bees and other pollinators cannot be fully assessed, owing to the lack of sufficient information and data. Clothianidin may pose a risk to honey bees and other pollinators, if exposure occurs via pollen and nectar of crop plants grown from treated seeds”).

Wir haben kein Verständnis dafür, wenn für Herrn Dr Hans-Gerd Nolting, Abteilungsleiter im BVL im Bereich Pflanzenschutz, ein „öffentliches Interesse an Herausgabe der Zulassungs-Unterlagen derzeit nicht erkennbar ist“ (Schreiben vom 22. August). Wann, wenn nicht nach dem größten Schadensfall der vergangenen Jahre, soll ein solches Interesse bestehen?

Das Bienensterben im Frühjahr stellt keinen „Betriebsunfall“ dar. Nur mit einem Verbot der Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam und Methiocarb können die Bienen langfristig geschützt werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Philipp Mimkes
Coordination gegen BAYER-Gefahren
Postfach 150418, 40081 Düsseldorf, info@cbgnetwork.org

Dr. Brigitte Dahlbender
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e.V.
Paulinenstraße 47, 70178 Stuttgart

Florian Schöne
Naturschutzbund Deutschland (NABU)
Charitéstr. 3, D - 10117 Berlin

Carina Weber
Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany)
Nernstweg 32, D-22765 Hamburg

Weitere Informationen

Phosgen

CBG Redaktion

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Landesverband NRW
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

8. Oktober 2008

Offener Brief an die Fraktionen im Stadtrat Krefeld zur geplanten Erweiterung der Phosgen-Produktion im BAYER-Werk Uerdingen

Sehr geehrte Damen und Herren,

gegenüber der Fachzeitschrift ICIS Chemical News äußerten Vertreter von Bayer MaterialScience die Absicht, die Produktion von Polycarbonat und Methyldiisocyanat (MDI) im Werk Krefeld-Uerdingen zu erhöhen. In beiden Fällen wird derzeit Phosgen als Zwischenprodukt eingesetzt. Phosgen gehörte im 1. Weltkrieg zur ersten Generation von Giftgasen und zählt heute zu den giftigsten Industrie-Chemikalien überhaupt.

Die jährliche Phosgenproduktion in Uerdingen liegt bei über 100.000 Tonnen. Wir fordern den BAYER-Konzern seit Jahren auf, phosgenfreie Verfahren zur Produktion von Polycarbonaten und Isocyanaten zur Marktreife zu bringen. Nur so ließe sich die Gefährdung der Anwohner, der Belegschaft und der Umwelt verringern.

Schon heute stellen andere Firmen, z.B. die Saudi Basic Industries Corporation (SABIC), Polycarbonat ohne Phosgen her. Die Umweltverträglichkeitsrichtlinie schreibt vor, dass vor Änderungs-Genehmigungen risikoreicher Anlagen ungefährlichere Alternativen geprüft werden müssen. Wir fordern Sie daher auf, einer Erweiterung der Anlagen - wenn überhaupt - nur zuzustimmen, wenn BAYER phosgenfreie Verfahren einsetzt.

Außerdem darf es keine Erweiterung der Produktion ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und Beteiligung der Öffentlichkeit geben. Die Anwohner haben ein Recht auf Informationen, welcher Gefahr sie im Falle eines Störfalles ausgesetzt sind und wie sie sich vor dem Giftgas schützen können. Angesichts der bisher erfolgten, zahlreichen Änderungen und Erweiterungen im Chemiepark ist die Prüfung der Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit längst überfällig.

Bereits im Jahr 2002 hat BAYER in Krefeld-Uerdingen die Produktion von Polycarbonat und MDI um 100.000 bzw. 24.000 Tonnen/Jahr erhöht. Hiermit einher ging eine Erhöhung der Phosgenproduktion um rund 60.000 Tonnen. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Beteiligung der Öffentlichkeit fand nicht statt. Der BUND und die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hatten erfolglos u.a. nach dem Stand der Sicherheitstechnik, möglichen Freisetzungen von Phosgen im Falle eines worst case, Notfallplänen, zwischengelagerten Phosgen-Mengen und den Gefahren bei Flugzeugabstürzen gefragt.

Dass die Risiken für die Anwohner nicht nur theoretischer Natur sind, zeigt der schwere Störfall im BAYER-Werk Institute (USA) am 28. August: die Explosion war in einem Umkreis von 10 Meilen zu spüren; Tausende Anwohner durften über Stunden hinweg ihre Häuser nicht verlassen. Auch in Institute werden große Mengen Phosgen hergestellt.

Mit freundlichen Grüßen,

Angelika Horster, BUND
Philipp Mimkes, CBG

weitere Informationen:
=> EU-Beschwerde gegen Erweiterung der Phosgenproduktion in Uerdingen
=> Artikel „Phosgen –die tickende Zeitbombe“ von Prof. Jürgen Rochlitz, Mitglied der Kommission für Anlagensicherheit: http://www.cbgnetwork.org/Ubersicht/Zeitschrift_SWB/SWB_2003/SWB_01_2003/Phosgen/phosgen.html
=> WDR: Phosgen-Einsatz bei Bayer Uerdingen wird überprüft

[Wasser Wacken] STICHWORT BAYER 04/2008

CBG Redaktion

Bauern oder BAYER – wem gehört das Grundwasser?

Nächste Runde im Wasserstreit von Wacken

Der kleine Ort Wacken im schleswig-holsteinischen Landkreis Steinburg (Kreisstadt Itzehoe) ist heute eher durch das jährliche Heavy-Metal-Festival und natürlich den dazu gedrehten Dokumentarspielfilm „Full Metal Village” bekannt. Der seit mittlerweile 30 Jahren schwelende Streit um das Wasserwerk in Wacken und die Entschlossenheit einiger Betroffener, sich gegen eine Allianz aus Wirtschaftsinteressen, Verwaltungsapparat und willfährigen Gutachtern zur Wehr zu setzen, verdient aber mindestens dieselbe Wahrnehmung und Anerkennung (siehe SWB 1/06).

Von Thomas Kleineidam

Es ist inzwischen eingetreten, was schon 2005 abzusehen war: Dem Betreiber des Wackener Wasserwerks wurde die wasserrechtliche Bewilligung erteilt, aus den Brunnenfassungen Wacken und Pöschendorf auf die Dauer von 30 Jahren bis zu fünf Millionen Kubikmeter Grundwasser zu fördern1. Diese jährliche Fördermenge ist nach den Erfahrungen der vom Wasserwerksbetrieb geschädigten Landwirte und Hausbesitzer aber viel zu hoch.
Das Wasserwerk in der Gemeinde Wacken wurde im April 1977 in Betrieb genommen, um das Industriegebiet Brunsbüttel an der Elbe und hier vor allem den so genannten BAYER Industriepark2 mit hochwertigem und billigem Brauchwasser zu versorgen. Bereits im Sommer 1979 machten sich die Auswirkungen der Grundwasserentnahme bemerkbar. Die Pumpen in Haus- und Weidebrunnen zogen nur noch Luft, weil der Grundwasserspiegel so stark abgesunken war. Kleine Quellen versiegten und zehn Jahre zuvor verlegte Rohrdränagen blieben trocken. Die Trinkwasserversorgung brach teilweise zusammen und schleunigst wurden die Häuser ans Wasserwerk angeschlossen. Ab 1986 fielen an Gebäuden in mehreren Ortsteilen von Wacken Schäden in Form von Rissen auf.
Ein Zusammenhang zwischen dem Betrieb des Wasserwerks und der Verursachung von Schäden durch die Absenkung des Grundwassers haben die Wasserwerksbetreiber von Anfang an abgestritten. Viele Betroffene wehrten sich, stellten Entschädigungsanträge und Anträge auf Reduzierung der Fördermengen. Den meisten blieb im Laufe der Jahre die finanzielle “Luft” weg, sie scheuten die hohen und abschreckenden Gerichts- und Gutachterkosten, ließen sich von Drohungen einschüchtern oder konnten einfach nervlich die Verteidigung ihrer Interessen nicht mehr durchstehen.
Einer aber kämpft seit Anfang an, unterstützt von seiner Familie und wenigen Mitstreitern, um eine angemessene Kompensation der Schäden auf seinen Flächen und an seinem Hof sowie um eine Reduzierung der Fördermengen: Landwirt Hans Möller. Die Geschichte des Streits um das Wackener Grundwasser ist zum Teil der Lebensgeschichte der Familie Möller geworden.
Im Jahr 2004 lief die auf 30 Jahre erteilte Bewilligung zur Grundwasserentnahme ab. Daher hatte der Zweckverband Wasserwerk Wacken im Dezember 2003 den Antrag auf Neubewilligung der Grundwasserentnahme in Höhe von 6,2 Millionen Kubikmeter pro Jahr gestellt, davon sollten vier Millionen Kubikmeter aus den Wackener Brunnenfassungen kommen.
Im Erörterungsverfahren 2005 wurden 195 Einwendungen vorgebracht, davon 15 von Trägern öffentlicher Belange und acht Einzeleinwendungen von direkt Betroffenen. Gegenstand waren meist die Absenkung oberflächennahen Grundwassers und die daraus folgenden Gebäude- und Bodenschäden, die durch den Betrieb des Wasserwerks verursacht wurden. Das zuständige Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein (LANU) brauchte zwei Jahre, um die Einwendungen zu prüfen und zu einem Ergebnis zu kommen.
Die Bewilligung vom Juli 2007 liegt mit fünf Millionen Kubikmeter pro Jahr niedriger als die beantragten 6,2 Millionen Kubikmeter. Sie enthält Nebenbestimmungen, von denen einige als Teilerfolg gewertet werden können, wie etwa die Auflage, Bodensackungen und Gebäudeschäden zu untersuchen und in Kontrollmessstellen bestimmte Grundwasserstände nicht zu unterschreiten.
In den Erläuterungen zum Bewilligungsbescheid wird bestätigt, „ ... dass das ... geförderte Grundwasser zwar zu Trinkwasser aufbereitet wird, jedoch zu einem hohen Prozentsatz als Brauchwasser an die Industrie verkauft wird”3. Auch die von den Einwendern nachgewiesene mangelhafte Qualität der Umweltverträglichkeitsstudie und ihrer Rechenspiele wird amtlich bestätigt: „Darüber hinaus wird der Gesamtheit der hypothetischen Grundwasserneubildungsrate die Grundwasserentnahmemenge gegenüber gestellt und vorgerechnet, dass nur ein sehr kleiner Prozentsatz der Grundwasserneubildungsmenge für die Entnahme genutzt wird. Dieses ist irreführend.”
Sogar die Absenkung des oberflächennahen Grundwassers und die wichtige Rolle Hans Möllers für die Untersuchungen wird von Amts wegen bestätigt: „Im hydrogeologischen Gutachten wird darauf hingewiesen, dass auf Grund der geringen Datendichte ein Flurabstandsplan für die Gesamtheit des Einzugsgebiets des Wasserwerks nicht erstellt werden kann. ... In Teilbereichen ... ist dieses jedoch möglich, nicht zuletzt, weil hier auf Initiative des Einwenders H. Möller ... ein engständiges oberflächennahes Grundwassermessstellennetz betrieben wird. Das Phänomen der sinkenden Wasserstände ist ... am Beispiel der Messstellenstandorte 24 und 25 dargestellt. ... Diese Wasserstandstrends können nicht auf die Flurbereinigung in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zurückgeführt werden, weil sich die Absenkungen sonst schon früher bemerkbar gemacht hätten. Außerdem reichen die Absenkungen unter Vorflutniveau. ... Der Abwärtstrend ist zweifelsfrei in mehreren Messstellen belegt. Er beträgt im Einzelfall bis zu 1,5 Meter. ... Es kommt hier also zu einer zusätzlichen Absenkung, die ihre Ursache nur in der Grundwasserförderung haben kann.”
Wer allerdings glaubte, nach solchen Erkenntnissen würde die Grundwasserentnahme eingeschränkt, wurde schnell enttäuscht. Die auf den ersten Blick positiv scheinenden Nebenbestimmungen erweisen sich bei näherer Betrachtung als unzureichend. So liegen die Grundwasserstände, die nicht unterschritten werden dürfen, bis zu fünf Meter unter denjenigen, die noch vor Beginn des Wasserwerksbetriebs vorherrschten, also viel zu tief, um Nachteile aus der Grundwasserförderung verhindern zu können. Auch die vorgeschriebenen Untersuchungen dienen nicht dazu, das tatsächliche Ausmaß aller Schäden zu erfassen. So heißt es im Bewilligungsbescheid klipp und klar: „Ziel dieses Bewilligungsverfahrens ist nicht, über etwaige Schäden, die aus dem vergangenen Vorhaben” – gemeint ist die Grundwasserförderung bis 2007 – „herrühren, zu befinden. Um zukünftige Schäden feststellen zu können, muss die derzeitige Ist-Situation dokumentiert werden” 3.
Im Prinzip heißt das nichts anderes, als dass die Betroffenen sich mit den bisher eingetretenen Schäden abzufinden und sie als „Ist-Situation” zum Zeitpunkt der Neubewilligung hinzunehmen haben. Dabei wird unterstellt, es sei möglich, bisher eingetretene und eventuelle zukünftige Schäden eindeutig auseinanderzuhalten. Das ist praktisch ausgeschlossen, weil die bisher eingetretenen Schäden niemals systematisch dokumentiert wurden. Diese technokratische Sichtweise mit der Festlegung eines Datums, an dem bestehende „Altschäden” von neu eintretenden Schäden getrennt werden sollen, hat mit den realen Vorgängen außerhalb der Amtsstuben nichts zu tun.
Das größte Problem ist aber die bewilligte Fördermenge. Alleine in den Wackener Brunnenfassungen dürfen drei Millionen der genehmigten fünf Millionen Kubikmeter gefördert werden. Nach den Erfahrungen von Hans Möller können dort aber nur 1,4 bis maximal zwei Millionen Kubikmeter entnommen werden, ohne die Böden, die Landwirtschaft auf diesen Flächen und Gebäude im Ort zu schädigen.
Folgerichtig haben Möller und andere Betroffene Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid eingelegt. Die amtliche Antwort kam am 19. Dezember 2007: Darin wird der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Im Bescheid an Hans Möller steht, „eine nachteilige Betroffenheit der Widerspruchsführer ist nicht zutreffend, da über die Nebenbestimmungen eine nachteilige Veränderung des Natursystems ... verhindert wird”4. So einfach geht das. Wenn die Behörde Auflagen zur Dokumentation möglicher zukünftiger Schäden macht, dann gibt es von vornherein gar keine Schäden.
Am 21. Januar 2008 hat Hans Möller zusammen mit sechs anderen Betroffenen Klage gegen das LANU und dessen Bewilligung beim Verwaltungsgericht eingereicht.
Als die Grundwasserentnahme in Wacken 1974 bewilligt wurde, hatten Betreiber und Bewilligungsbehörden an vieles gedacht. Aber dass es Betroffene geben werde, die sich seitdem gegen Schäden durch den Wasserwerksbetrieb ebenso wehren wie gegen die Verschwendung ihres guten Grundwassers durch Brunsbüttels Industrie – das haben sie wohl nicht erwartet. 30 Jahre geht das jetzt und ein Ende ist nicht abzusehen.

ANMERKUNGEN

1LANU: Bewilligung, Aktenzeichen 45-5201.11/61-107 vom 9. Juli 2007 (Wasserrechtlicher Bewilligungsbescheid auf den Antrag des Zweckverbandes Wasserwerk Wacken vom 15. Dezember 2003).
2http://www.brunsbuettel.bayer.de
3LANU: Bewilligungsverfahren Wasserwerk Wacken, Erläuterungen zum Bewilligungsbescheid, 20. Juni 2007.
4LANU: Bewilligung des Rechts zur Grundwasserentnahme durch das Wasserwerk Wacken, Widerspruch von Herrn Hans Möller vom 13. August 2007, Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2007.

Der vorstehende Artikel wurde entnommen aus der Zeitschrift Waterkant, ISSN 1611-1583, Heft 2 / 2008, Seite 24-25, im 24. Jahrgang Zeitschrift für Umwelt + Mensch + Arbeit in der Nordseeregion, herausgegeben vom Förderverein Waterkant (in Gründung), ehemaliges Mitteilungsblatt der AKTIONSKONFERENZ NORDSEE e. V. (AKN), Nachdruck mit Erlaubnis des Autors und der Redaktion.