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Bienensterben

CBG Redaktion

22. Juli 2015

Neonicotinoide als Beize: Ab heute gilt die Eilverordnung

Ab sofort ist in Deutschland die Aussaat und der Handel von Saatgut, dass mit bestimmten Neonicotinoiden behandelt wurde, verboten.

Wintergetreide-Saatgut, das mit Pflanzenschutzmitteln bestimmter Neonicotinoide behandelt wurde, darf in Deutschland ab sofort weder gehandelt, noch gesät werden. Eine entsprechende Eilverordnung hat Landwirtschaftsminister Christian Schmidt gestern unterzeichnet.

Die Beizung mit diesen Insektiziden ist in Deutschland nach Angaben des Ministeriums bei Wintergetreide ohnehin bereits untersagt. Durch die Verordnung ist jetzt auch der Import von entsprechendem Saatgut verboten. Das Verbot gilt ab heute. Die Eilverordnung betrifft Saatgut, das mit den Neonicotinoiden

• Clothianidin,
• Imidacloprid und
• Thiamethoxam

behandelt wurde. Wer bereits entsprechendes Saatgut besitzt, kann es an Händler oder Saatguterzeuger zur Entsorgung abgeben. Wer vorsätzlich oder fahrlässig entsprechendes Saatgut einführt oder in den Verkehr bringt, begeht nach Informationen des Landwirtschaftsministeriums eine Ordnungswidrigkeit.

EU verbietet Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam
Hintergrund ist das seit 2013 in der EU gültige Verbot der Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. Das Moratorium ist auf zwei Jahre befristet und wurde zum vorbeugenden Bienenschutz erlassen. Zuvor hatten Wissenschaftler der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Risiken für Bienen identifiziert, die von den drei Neonicotinoid-Insektiziden ausgehen.

Schmidt will ‚millionenfachen Bienentod‘ verhindern
Landwirtschaftsminister Schmidt will durch die Eilverordnung „millionenfachen Bienentot“ verhindern: „Mit der Verordnung schützen wir die Bienen vor insektizidhaltigem Staub. Das nützt sowohl den Bienen als wichtigem Teil der Natur als auch den Bauern, die auf die Bestäubung ihrer Pflanzen durch die Bienen angewiesen sind.“

ausführliche Infos zur Kampagne

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2015

CBG Redaktion

KritikerInnen dominieren BAYER-HV

Das Tribunal

Die „verkehrte Welt“, die sich auf der letzten BAYER-Hauptversammlung mit der großen Dominanz von Konzern-KritikerInnen auftat, kam auch am 27. Mai nicht wieder ins Lot. Erneut lasen 26 RednerInnen dem Konzern von morgens früh bis abends spät die Leviten. Sie setzten sich mit gefährlichen Medikamenten, Plastik-Abfällen, der Vergangenheitspolitik des Konzerns, der Abspaltung der Kunststoff-Sparte sowie all den vielen anderen ohne Rücksicht auf Verluste betriebenen geschäftlichen Aktivitäten zur Rendite-Steigerung auseinander.

Alle Redebeiträge finden Sie hier

Eigentlich schien das unwiederholbar: 2014 auf der BAYER-Hauptversammlung hatten 26 Konzern-KritikerInnen Einspruch gegen die gnadenlose Profit-Jagd erhoben und damit die RednerInnen-Liste ganz klar dominiert. Und jetzt das: Erneut traten 26 RednerInnen ans Pult, und konfrontierten Konzern und AktionärInnen ebenso umfangreich wie qualifiziert mit Kritik an den profitablen Geschäften. Auch vor der Kölner Messehalle braute sich wieder viel zusammen. Das Unternehmen versuchte jedoch mit allen Mitteln zu verhindern, dass Bilder davon künden und ein Firmenlogo neben den Protestaktionen auftaucht: Keine BAYER-Fahne, kein Plakat und kein sonstiger Hinweis zeigte an, dass hier einer der großen Dax-Konzerne sein jährliches AktionärInnen-Treffen abhielt.

Trotzdem war klar, dass hier gegen die Geschäftspolitik von BAYER demonstriert wurde. Dafür sorgten schon die eindeutigen Transparente und Flugblätter. Und wie in den vergangenen Jahre herrschte vor dem Eingang zur Hauptversammlung ein buntes Treiben. ImkerInnen zeigten sich in voller Montur mit ihren Arbeitsgeräten und protestierten gegen BAYERs bienenschädigende Pestizide. Unterstützung erhielten sie dabei von BUND- und SumOfUs-VertreterInnen, die in Bienen-Kostüme gehüllt Flugblätter verteilten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN war derweil in See gestochen und hatte auf dem Messe-Gelände ein Meer angelegt, in dem Spülmittel-Flaschen und andere Behältnisse schwammen, um den AktionärInnen das Plastikmüll-Problem plastisch vor Augen zu führen. Darüber hinaus machten junge Frauen mit T-Shirts, die mit Aufdrucken wie „Erfolgsbilanz ‚die Pille’: Valerie, 23, Schlaganfall“ Einblick in ihre Krankenakten gaben, auf ihr Schicksal als Verhütungsmittel-Geschädigte aufmerksam. Andere riefen mit Plakaten die Risiken und Nebenwirkungen der Medikamente des Pharma-Riesen ins Gedächtnis. Zu einem drastischeren Mittel griff das Ehepaar Zwartje: Es konfrontierte die AktionärInnen mit einem großen Foto, das ihre durch eine BAYER-Pille gestorbene Tochter Lena zeigt.

Drinnen offenbarte sich den HV-BesucherInnen dann ein Kontrastprogramm. „BAYER-Aktionäre treffen auf heile und kranke Welten“, so drückte es die Rheinische Post aus. Heil war die Welt des Profits, und zwar gerade weil sie ihre Ziele ohne Rücksicht auf Verluste für Mensch, Tier und Umwelt verfolgt: Um zwei Seiten einer Medaille handelt es sich bei den beiden auf den ersten Blick so disparaten Sphären. Und um den Aktien-HalterInnen den Übergang ein wenig zu erleichtern, zeigte BAYER-Chef Marijn Dekkers zu Anfang seiner Hauptversammlungsrede sogar Gefühle. Er erzählte davon, wie sehr ihn als gelernter Chemiker bei seinem Vorstellungsgespräch die Konzern-Maxime „Science For A Better Life“ beeindruckt habe. „Wissenschaft. Für ein besseres Leben. Das hat mich umgehauen“, schwärmte er und entschuldigte sich sogleich für seinen lockeren Umgangston, der vermutlich eher der von BAYERs Kommunikationschef Herbert Heitmann war.

Nach dieser Overtüre ging Dekkers allerdings rasch wieder zum „Business as usual“ über und widmete sich dem schnöden Zahlenwerk. Er sprach über den Rekord-Umsatz, die Kurs-Entwicklung, die Wachstumstreiber, die Profit-Aussichten im laufenden Geschäftsjahr und verkündete eine Dividenden-Erhöhung. Dafür bedankten sich die anschließend zu Wort kommenden zwei AktionärInnen-Vertreter dann auch artig und beendeten damit gleichzeitig das Kontrastprogramm. Von nun an folgten bis zum Abend nur noch Beiträge über „kranke Welten“. Dem Global Player blieb dabei nur übrig, „die schlechtesten aller Welten“, die emotional erschütternden Zeugnisse der Medikamenten-Geschädigten oder ihrer Angehörigen, ganz an den Schluss der Veranstaltung zu setzen, in der Hoffnung, die meisten AktionärInnen hätten sich da schon längst auf die Heimreise gemacht.

Als aber beispielsweise Karl Murphy zum RednerInnen-Pult schritt, war der Saal bei Weitem nicht leer. So konnten noch viele mitverfolgen, welche verheerenden Folgen der von seiner Mutter genutzte Schwangerschaftstest DUOGYNON bei ihm hatte. Der Engländer zeigte den HV-BesucherInnen die Auswirkungen des Pharmazeutikums, das der 2006 von BAYER geschluckte Konzern SCHERING bis in die 1970er Jahre hinein vermarktete, indem er seine beiden Hände mit den teilweise verstümmelten Fingern hochhielt. In seiner Rede, deren Übersetzung Anabel Schnura vortrug, trug er überzeugende Belege für das Gefährdungspotenzials des Präparates vor. „Ich bin im Besitz von 102 Studien, darunter auch Studien aus Deutschland, die über 3.500 Fälle von Missbildungen bei Babys aufzeigen, deren schwangere Mütter entweder hormonelle Schwangerschaftstests oder die Antibaby-Pille verordnet bekamen“, so Murphy. Und er warf dem Unternehmen vor, schon frühzeitig von den Risiken gewusst zu haben, ohne die ÄrztInnen darüber zu informieren.

Margret-Rose Pyka hatte wie Karl Murphys Mutter DUOGYNON nichtsahnend angewendet und wie sie ein Kind mit einer Behinderung zur Welt gebracht. „Sie müssen sich vorstellen, das sind zwei kleine Tabletten, die haben die Wirkung von zwei bis drei Packungen Antibaby-Pillen, und diese geballte Hormon-Bombe kommt auf ein paar Millimeter werdendes Leben. Und damit rechnet man als Frau nicht“, mit diesen Worten beschrieb sie die fatalen Effekte des Produktes. Pyka hatte sich später auch in einer Initiative engagiert, um andere Menschen das Schicksal ihrer Familie zu ersparen, stieß dabei allerdings rasch auf Grenzen: „Ich habe damals mit den Behörden gesprochen, und die Behörden haben mir gesagt: ‚Wir können das Produkt nicht vom Markt nehmen, weil die Markt-Macht von SCHERING zu groß ist“. Zum Schluss brachte sie das Thema „Entschädigungen“ zur Sprache. „Wir sind alle eine BAYER-Familie. Da gibt es auf der einen Seite die Mitarbeiter, die den Gewinn erwirtschaften, und dann gibt es in der Familie diejenigen, die von BAYER-Produkten negativ betroffen sind, und jetzt ist die Frage, wie geht so eine BAYER-Familie mit ihren Mitgliedern um, und zwar mit den Schwachen“, führte sie aus und schlug dem Vorstand vor, einen Runden Tisch zur Schadensregulierung einzuberufen.

Margret-Rose Pyka war offenbar der Meinung, unter vernünftigen Menschen müsste sich für solch ein Problem doch eine Lösung finden lassen. Aber die BAYER-ManagerInnen betrachten sich nicht als Personen, die frei über solche Angebote entscheiden können. Sie sehen sich an den Auftrag der Eigentümer des Konzerns, vor allem der GroßaktionärInnen und der InvestorInnen, gebunden, so viel Profit wie möglich zu erwirtschaften. Und ein Entgegenkommen in der Schadensersatz-Frage birgt in den Augen des Vorstandes das Risiko, weitere Ansprüche von Geschädigten nach sich zu ziehen und so den Gewinn zu schmälern. „Selbstverständlich stehen wir zu unseren Produkten, wir müssen aber bei der Regulierung von Ansprüchen auch juristische Aspekte mit berücksichtigen“, so drückte Marijn Dekkers diesen Sachverhalt aus und beschied Pyka: „Im von Ihnen angesprochenen Kontext sehen wir daher keine Grundlage für Entschädigungszahlungen.“

Was die verheerenden Wirkungen der Antibaby-Pillen aus der YASMIN-Produktfamilie betrifft, sahen allerdings US-amerikanische Gerichte „eine Grundlage für Entschädigungszahlungen“. 1,9 Milliarden Dollar musste der Konzern bisher dafür aufwenden. Das sei „den Besonderheiten des Rechtssystems in den USA“ geschuldet und beruhe auf den spezifischen Fakten des jeweiligen Einzelfalles, so Dekkers auf eine entsprechende Frage der YASMIN-geschädigten Kathrin Weigele. Er hob jedoch auch hier wieder den „juristischen Aspekt“ hervor, dies sei im Rahmen eines Vergleiches und ohne Anerkenntnis einer Haftung geschehen.

Für Weigele, ihre Leidensgenossin Felicitas Rohrer sowie für das Ehepaar Zwartje, das die beiden Frauen zum Rednerpult begleitet hatte, denen keine so verbraucherschutz-freundliche Gerichte wie in den Vereinigten Staaten zur Seite stehen, hatte BAYER nur formelhafte Beileidsbekundigungen übrig. Felicitas Rohrer hatte sich vorher solche Floskeln ausdrücklich verbeten, Marijn Dekkers ließ sich davon allerdings nicht abhalten. „Deshalb wiederhole ich mich zwar, wenn ich Ihnen sage, dass mich ihre persönliche Geschichte bewegte und weiter bewegt“, eröffnete der Vorstandsvorsitzende der jungen Frau, bevor er wieder zur Tagesordnung überging: „Das Sicherheitsprofil unserer oralen Kontrazeptiva entspricht dem vergleichbarer hormoneller Verhütungsmittel auf dem Markt.“

Unerbittlich zeigte sich der Leverkusener Multi auch wieder in der Sprach-Frage. Der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning als Versammlungsleiter untersagte es Valerie Williams, die wie Karl Murphy extra aus Großbritannien angereist war, um über ihre Erfahrungen mit dem Schwangerschaftstest DUOGYNON zu berichten, ihre Rede in der Muttersprache zu halten. Während Wenning als Aufsichtsratsmitglied der DEUTSCHEN BANK kein Problem damit hatte, dass sich der damalige Co-Vorsitzende Anshu Jain auf deren Hauptversammlung größtenteils des Englischen bediente, blieb der ehemalige BAYER-Chef Williams gegenüber hart: „Redebeiträge und Fragen sind auch in diesem Jahr nur in deutscher Sprache möglich“. CBG-Vorstandsmitglied Axel Köhler-Schnura kritisierte das scharf. „Wann wird dieser entwürdigende, skandalöse und arrogante großdeutsche Sprach-Zopf bei BAYER endlich abgeschnitten“, fragte er. Aber Wenning zeigte sich uneinsichtig. „Wieso Sie den Gebrauch der deutschen Sprache für arrogant halten und als skandalös empfinden, erschließt sich mir übrigens, Herr Köhler-Schnura, nicht“, so der Ober-Aufseher des Konzerns.

Das CBG-Urgestein setzte aber auch noch andere Themen auf die Agenda der Hauptversammlung. Er sprach über das, was Marijn Dekkers in seiner Eröffnungsrede als den „Wandel zu einem reinen Life-Science-Unternehmen“ und eine Konzentration „auf unsere innovationsstärksten Bereiche“ beschrieben hatte: die Trennung von der Kunststoff-Sektion BAYER MATERIAL SCIENCE. „Dieser schwerwiegende Eingriff in den Betriebsfrieden dient einzig und allein dazu, die bereits unverschämte Profit-Rate weiter zu steigern“, konstatierte Köhler-Schnura und prophezeite den dort Beschäftigten ein ähnliches Schicksal wie den KollegInnen der 2004 ausgegliederten, heute unter dem Namen LANXESS firmierenden Plaste- und Chemie-Sparte: „Lohndumping und Vernichtung von Arbeitsplätzen im großen Stil“. Darüber hinaus griff der Diplom-Kaufmann noch BAYERs windige Umtriebe im Netz auf. Der Konzern hatte eine Agentur beauftragt, um „Online-Reputationsmanagement“ zu betreiben und mittels gefaketer Postings auf Facebook und in Foren Produkte des Unternehmens anzupreisen, komplett mit kruden Rechtschreibfehlern als besonderem Authentizitätsausweis. „Ich wüsste schon gerne von Ihnen, Herr Dekkers, wie sich solche (...) Methoden ihres Konzerns mit den von Ihnen immer wieder beschworenen Verhaltensregeln vertragen, in denen so Sätze zu lesen sind wie: ‚BAYER bekennt sich ohne Einschränkung zum Wettbewerb mit fairen Mitteln?’“ Da blieb dem Niederländer kaum etwas anderes übrig, als den Vorgang zu bedauern. Als eine Unternehmensstraftat wertete er die Manipulationen allerdings nicht, für ihn handelte es dabei lediglich sich um Einzelfälle bzw. „Aktivitäten einzelner Mitarbeiter“, die dann auch als Bauernopfer herhalten und den Pharma-Riesen verlassen mussten.

CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes sprach ebenfalls ein ganzes Bündel von problematischen BAYER-Aktivitäten an. So kritisierte er die massenhafte Herstellung von biologisch nicht abbaubaren Kunststoffen, deren drastische Folgen für die Ozeane die Coordination vor den Messehallen mit dem vor Plastikmüll berstenden Miniatur-Meer illustriert hatte. Als den „Gipfel nicht-nachhaltiger Kunststoff-Produktion“ bezeichnete Mimkes dabei die Fertigung von Mikroplastik für die Kosmetik-Industrie, das Kläranlagen mühelos überwindet und ungefiltert in die Gewässer gelangt. Aber nicht nur die Chemie-Wende, auch die Energie-Wende hat der Leverkusener Multi dem CBGler zufolge verschlafen, und zwar so sehr, dass der Konzern sich im Gegensatz zu den vergangenen Jahren gar nicht mehr traut, den verschwindend geringen Prozentsatz, den der Anteil erneuerbarer Energien in seinem Strom-Mix einnimmt, im Geschäftsbericht aufzuführen. Weit entfernt davon, hier eine Umkehr einzuleiten, setzt der Global Player auch noch auf die mit vielen Umweltrisiken behaftete Fracking-Technologie. „Offenbar werden hier bei BAYER entscheidende Weichen falsch gestellt“, resümierte Mimkes. Nicht nur mit der Zukunft tut sich das Unternehmen jedoch schwer, sondern auch mit der Vergangenheit. Noch vor zwei Jahren hatte Dekkers auf der Hauptversammlung die „historischen Verdienste“ des ehemaligen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg gerühmt, der im Ersten Weltkrieg mitverantwortlich für die Entwicklung von Chemie-Waffen und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte. Anlässlich des 100. Jahrestages des ersten Giftgas-Einsatzes im belgischen Ypern wies Mimkes noch einmal auf die fatale Rolle Duisbergs bei der Entwicklung dieser Massenvernichtungswaffe hin und nannte dies als einen der Gründe dafür, warum sich immer mehr Städte und Gemeinden entscheiden, ihre Carl-Duisberg-Straßen umzubenennen.

Der große Vorsitzende wollte es allerdings nicht zulassen, am Denkmal zu rütteln. „Die historische Forschung würdigt die Leistung Carl Duisbergs als herausragende Unternehmer-Persönlichkeit“, konstatierte er und hielt fest: „Die angesprochenen historischen Themen bedürfen einer differenzierten Beurteilung durch Fach-Historiker, sie sollten daher meines Erachtens nicht Gegenstand gesellschaftspolitischer Agitation sein.“ In diesem Sinne sprach er dann auch von der Umbenennungsinitiative als „einer gesteuerten Kampagne“. Und sein Blick in die Zukunft entsprach ebenfalls nicht dem von Philipp Mimkes. Für Marijn Dekkers war bei BAYER alles im grünen Bereich. Von einer Mikroplastik-Produktion in den heimischen Werken wusste er nichts, und die Erneuerbaren Energien seien leider „im größeren Stil nicht wirtschaftlich“, aber ungeachtet dessen sah er den Multi dank angeblich hocheffizienter Kraftwerke und hochinnovativer Verfahrenstechnologien in der Kunststoff-Fertigung voll auf Nachhaltigkeitskurs.

Auf unzählige weitere Fragen musste der Vorstandsvorsitzende an diesem Tag Antworten bzw. Schein-Antworten finden. Die Konzern-KritikerInnen setzten noch das Bienensterben sowie andere Risiken und Nebenwirkungen von Ackergiften, die Gentechnik, Tierversuche, die Kohlenmonoxid-Pipeline, BAYERs Steuervermeidungsstrategien, die Rolle des Großinvestors BLACKROCK, die Datensicherheit und die JADELLE-Kontrazeptiva auf die Tagesordnung. Damit bestimmten sie den ganzen Ablauf der Hauptversammlung. In den Abstimmungsergebnissen spiegelte sich das allerdings nicht wider, aber so geht es eben zu in der markt-konformen Demokratie. Am Ende votierten 98,5 Prozent für die Entlastung des Vorstands und 96,9 Prozent, was angesichts der Kapital-Verhältnisse schon ein Erfolg ist, für die Entlastung des Aufsichtsrates. Und bei der Abstimmung über die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erreichte der Widerspruch sogar mehr als 10 Prozent. Ob das eine Folge der in der Hauptversammlung vorgetragenen massiven Kritik an dem Steuervermeidungskonzern PWC war, bleibt allerdings offen. Von Jan Pehrke

BAYER trotzt Kritik

„Wir stehen zu unseren Produkten“

Was sonst noch geschah: KritikerInnen brachten auf der Hauptversammlung zahlreiche weitere Themen zur Sprache. So setzten sie zusätzlich das Bienensterben, das Pestizid Glyphosat, die Gentechnik, die Medikamente XARELTO und JADELLE, die Tierversuche, die Datensicherheit, die Kohlenmonoxid-Pipeline, die Rolle des Großinvestors BLACKROCK und BAYERs Steuervermeidungsstrategien auf die Tagesordnung.

Auch auf der diesjährigen Hauptversammlung des Leverkusener Multis nahm das Thema „Bienensterben“ wieder breiten Raum ein. Gleich sechs KritikerInnen beschäftigten sich mit dieser Nebenwirkung der BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie GAUCHO und PONCHO. Die Imkerin Annette Seehaus-Arnold, Kreisvorsitzende der ImkerInnen der Region Rhön-Grabfeld, legte dem Global Player eine Schadensbilanz vor. „Meine Imker-Kollegen mussten in diesem Winter wieder sehr hohe Verluste an Bienenvölkern hinnehmen. Viele haben sogar alle Völker verloren“, klagte sie. Dabei hätten die BienenzüchterInnen alle Anweisungen zum Schutz der Bienen vor der Varroa-Milbe befolgt, in der BAYER die eigentliche Ursache für den Tod der Bienen sieht. Seehaus-Arnold hatte den Agro-Riesen hingegen in Verdacht, die Bedrohung durch die Varroa-Milbe künstlich aufzubauschen, um von den gefährlichen Effekten seiner Pestizide abzulenken. Und selbst wenn diese einen negativen Einfluss auf die Bienengesundheit haben sollten: „Es kommt nicht auf den Erreger an, sondern auf den Boden, auf den er fällt“, zitierte Seehaus-Arnold Louis Pasteur. Und diesen Boden haben der Imkerin zufolge GAUCHO & Co. besonders fruchtbar für den Erreger gemacht.

Flurschäden
Die Europäische Union schätzt die Mittel ebenfalls als sehr gefährlich ein. Nach Ansicht der EU-Kommission bergen sie „etliche Risiken für die Bienen“. Darum hat Brüssel einen zunächst zweijährigen Verkaufsstopp angeordnet. Der Leverkusener Multi aber geht in Tateinheit mit SYNGENTA gerichtlich gegen das Votum vor. „Warum akzeptieren Sie die Entscheidung nicht? Warum gefährden Sie wissentlich das Überleben der Honigbienen“, fragte Lea Horak von RETTET DEN REGENWALD den Vorstand deshalb. Wiebke Schröder von SumOfUs bezeichnete das als „aggressives Verhalten“ und überreichte den Konzern-ManagerInnen über eine Million Unterschriften, die ihre Organisation gegen die Klage gesammelt hatte. „Nehmen Sie die Neonicotinoid-Bedrohung ernst“, mahnte sie eindringlich angesichts der großen Bedeutung, die Bienen durch die Bestäubung von Nutz-Pflanzen für die Nahrungsmittelversorgung der Menschen haben.
Wie richtig die Entscheidung der EU war, drei Neonicotinoide von BAYER und SYNGENTA mit einem Moratorium zu belegen, bestätigte derweil der Imker Markus Bärmann mit seinen Erfahrungen aus der Praxis. „Dieses Frühjahr war bei den Bienen vieles anders. So viel anders, wie ich es seit zwanzig Jahren nicht mehr erlebt habe! Endlich wieder Insekten in der Luft und am Boden!“, schwärmte er. Auch über orientierungslos umherfliegende Bienen musste Bärmann nicht mehr klagen.
Corinna Hölzel vom BUND widmete sich derweil einem immer noch erhältlichen Neonicotinoid-Wirkstoff, der unter anderem in BAYERs CALYPSO und LIZETAN sein Unwesen treibt: Thiacloprid. „Thiacloprid ist ähnlich besorgniserregend wie die drei verbotenen Wirkstoffe, denn es gehört zur gleichen Gruppe“, stellte sie fest und führte zum Beleg eine Studie des Berliner Bienenforschers Randolf Menzel an, wonach Bienen nach dem Kontakt mit dieser Agrochemikalie nicht mehr in ihren Stock zurückfanden. Auch der Imker Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUND berichtete vom Gefährdungspotenzial dieses Produkts. Er verwies dabei auf Zahlen, die das „Deutsche Bienen-Monitoring“ ermittelt hat. Rückstände von sage und schreibe 23 verschiedenen Pestiziden wiesen die WissenschaftlerInnen in den von den Bienen gesammelten Pollen nach. Darunter befanden sich „beängstigend viele Proben mit extrem hohen Thiacloprid-Werten“, so Koch. Der Agro-Riese bestreitet den Sachverhalt jedoch und bewirbt CALYPSO und LIZETAN als „nicht bienengefährlich“. Weil der BUND das als eine Irreführung der VerbraucherInnen bezeichnete, verklagte BAYER den Umweltverband, was Christoph Koch ebenso wie Corinna Hölzel scharf kritisierte – und das Düsseldorfer Landgericht ebenfalls als nicht berechtigt ansah: Es entschied im März 2015 zu Gunsten der Initiative.
„BAYER respektiert das Urteil, da in diesem Verfahren die juristische Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz des Eigentums im Mittelpunkt stand“, erklärte Marijn Dekkers. Und weder von dieser Niederlage noch von den vielen Unterschriften, die SumOfUs sammelte, lässt der Konzern sich davon abbringen, die Auseinandersetzung über die Gefährlichkeit seiner Pestizide vornehmlich auf juristischem Wege zu führen. Er verfolgt die Klage gegen die EU weiter. Dekkers zufolge ging die Kommission gegen die Ackergifte vor, ohne neue Erkenntnisse über unerwünschte Effekte der Mittel zu haben, was seiner Ansicht nach die Rechtssicherheit gefährdet. „Deshalb legen wir weiterhin Wert auf eine gerichtliche Klärung“, so der Ober-BAYER. Immer noch hat er nicht die Spur eines Zweifels an GAUCHO und PONCHO. „Wir stehen zu unseren Produkten. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass Neonicotinoide sicher sind, wenn sie verantwortungsvoll und vorschriftsmäßig eingesetzt werden“, hielt er fest und machte für das Bienensterben neben der Varrao-Milbe nur noch extreme Umwelt- und Klima-Einflüsse sowie eine Veränderung der landwirtschaftlichen Strukturen verantwortlich.
Julia Sievers-Langer von der AGRAR KOORDINATION widmete sich zwei anderen Pestizid-Wirkstoffen, die zwar nicht zur Gruppe der Neonicotinoide gehören, es aber trotzdem in sich haben: Glyphosat und Glufosinat. Glyphosat, das BAYER etwa unter den Namen GLYPHOS, USTINEX G oder KEEPER vermarktet, hat das Krebsforschungsinstitut der Weltgesundheitsorganisation jüngst als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft, berichtete Sievers-Langer. Und von Glufosinat, das der Leverkusener Multi vor allem in Kombination mit seinen Gen-Saaten vertreibt, gehe sogar nach Meinung der Europäischen Union ein hohes Gesundheitsrisiko aus. Die globale Glufosinat-Produktion verdoppeln zu wollen, obwohl die EU-Zulassung 2017 ausläuft, bezeichnete die Aktivistin deshalb als „Skandal“. Sie forderte eine Erklärung dafür ein. „Welche Argumente können schwerer wiegen als die Verpflichtung, die Entstehung von Missbildungen bei Embryos als Folge des Glufosinat-Einsatzes zu verhindern?“, fragte sie den Vorstand. Darauf antwortete Dekkers allerdings nicht. Stattdessen stellte er Glufosinat angesichts der immer mehr Pestiziden trotzenden Wildpflanzen als wichtige Alternative für die LandwirtInnen dar und betonte die herausragenden Produkt-Eigenschaften. Und was die Risiken und Nebenwirkungen angeht, da ist es für den Konzern damit getan, sich „für den sicheren, vorschriftsmäßigen Einsatz“ einzusetzen.
Dr. Christopher Faßbender von der Tierschutz-Organisation PETA thematisiert das Leid, das Versuchstiere ertragen müssen, die mit Pestizid-Wirkstoffen imprägnierte Halsbänder gegen Zecken-Befall testen. Bis zu 400 Tage dauern die Erprobungen, bei denen Hunde und Katzen wiederholt über mehrere Stunden Parasiten in engen Transportboxen ausgesetzt sind. Dekkers äußerte sich aber nicht zu dem konkreten Fall. Er erging sich stattdessen in Ausführungen über die Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf, die BAYER angeblich übernehme.
Christoph Then vom Verein TESTBIOTECH und Sibylle Arians konfrontierten die Hauptversammlung mit einem Schadensbericht zur „grünen“ Gentechnik. „Offensichtlich hat die Firma BAYER die Kontrolle über ihre gentechnisch veränderten Pflanzen längst verloren“, konstatieren die beiden und präsentierten eine lange Liste mit „Unfällen“. Sie begann mit dem Genreis-Skandal, bei dem sich Spuren von BAYERs LL601-Laborfrucht in normalem Haushaltsreis fanden, und reichte über kontamierten Mais bis zu Auskreuzungen von Gen-Raps und Gen-Baumwolle. Zu diesen Kontrollverlusten wollte sich der BAYER-Chef allerdings nicht äußern. Er beließ es bei Allgemeinplätzen über einen verantwortungsvollen Umgang mit der Risikotechnologie und stellte deren Beitrag zur Sicherung der Nahrungsmittel-Versorgung heraus, ungeachtete der Tatsache, dass die meisten Genpflanzen als Futter in den Ställen der MassentierhalterInnen landen.

Pillenschäden
Roland Holtz wandte sich der Pillen-Sparte zu und nahm sich mit dem Blutgerinnungshemmer XARELTO BAYERs Bestseller vor. Holtz, der lange Jahre in der pharmazeutischen Industrie gearbeitet hat und die Branche aus ethischen Gründen verließ, unterzog die Zulassungstests einer genaueren Betrachtung. Er enthüllte, mit welchen Tricks der Leverkusener Multi eine Nicht-Unterlegenheit des Mittels gegenüber den herkömmlichen Präparaten demonstrieren konnte. So hat der Konzern beispielsweise den ProbantInnen der Vergleichsgruppe ihr Medikament nicht in der richtigen Dosierung verabreicht. Darauf ging Marijn Dekkers jedoch nicht näher ein. Lieber verlas er Textbausteine aus den Werbe-Broschüren zu dem Pharmazeutikum, das es allein 2014 auf fast 2.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte brachte und in Verdacht steht, für 161 Todesfälle verantwortlich zu sein.
Susanne Schultz vom GEN-ETHISCHEN NETZWERK problematisierte in ihrem Beitrag, wie BAYER mit seinem Langzeitverhütungsmittel JADELLE eine Entwicklungshilfe-Strategie stützt, die weniger gegen die Armut als vielmehr gegen die Armen gerichtet ist und deren Vermehrung eindämmen will. „JADELLE wurde vom bevölkerungspolitischen Think Tank ‚Population Council’ dafür entwickelt, Frauen in den Ländern des Globalen Südens möglichst langfristig unfruchtbar zu machen“, so Schultz – und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Nebenwirkungen wie starke oder ausbleibende Monatsblutungen, Depressionen, Migräne und abrupte Gewichtszunahmen oder –abnahmen zählte die Wissenschaftlerin von der Frankfurter Goethe-Universität auf.
Während BAYER die Ärmsten der Armen mit einem fünf Jahre wirkenden Silikonstäbchen bestückt, das in den Oberarm eingenäht wird, versucht der Pharma-Riese die reicheren Afrikanerinnen für seine teuren Kontrazeptiva zu gewinnen, kritisierte Daniel Bendix von GLOKAL e. V. Und wenn BAYER offiziell verkündet, „Kundinnen, die für ihre reproduktiven Gesundheitsdienstleistungen mehr zahlen können, dazu zu bringen, auf diese Produkte umzusteigen“, dann firmiert das Ganze auch noch unter Entwicklungshilfe und speist sich zum Teil aus staatlichen Geldern, so Bendix. Konkret nannte der Sozialwissenschaftler von der Universität Kassel Zahlungen von der US-amerikanischen Entwicklungshilfe-Einrichtung USAID. Dekkers focht das nicht an: Er gab unverdrossen den Albert Schweitzer. Der Pharma-Riese kalkuliere nur mit einer geringen Marge, und die staatliche Unterstützung würde gerade einmal ermöglichen, kostendeckend zu arbeiten, behauptete er. Und auch mit JADELLE betätigt sich der Konzern nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden nur als Samariter, reduziere das selbstverständlich sichere und gut verträgliche Mittel doch die Säuglings- und Müttersterblichkeit bei Geburten in beträchtlichem Maße. „Ohne Schwangerschaften keine Schwangerschaftskomplikationen“ – so lautete seine bestechende Logik.
Dieter Donner befasste sich hingegen mit den Risiken und Nebenwirkungen, die von BAYERs Kunststoff-Abteilung ausgehen und beschäftigte sich mit einer Sache, die für den Multi schon zu einer Altlast mutierte, ehe sie überhaupt in Betrieb ist: mit der von Dormagen nach Krefeld verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline. Auch 2014 war wieder ein schwarzes Jahr für das Projekt, wie der Presse-Koordinator der STOPP-BAYER-CO-PIPELINE-INITIATIVE resümierte. Erst legte die nordrhein-westfälische Landesregierung ein Gutachten vor, wonach es sicherere und sogar preisgünstigere Alternativen zu der Rohrleitung gibt, und dann beurteilte das Oberverwaltungsgericht Münster das Pipeline-Gesetz auch noch als verfassungswidrig. Zudem muss das Unternehmen sich weiter mit der Klage von Heinz-Josef Muhr auseinandersetzen, obwohl dieser jüngst verstarb. Donner, der zum Gedenken an Muhr einen Trauerflor trug, kündigte nämlich an, dass der Prozess trotzdem weitergeführt wird. Angesichts all dieser Unbill fragte Rainer Kalbe den Vorstand, ob er denn einen Plan B hätte. „Diese Frage stellt sich für uns nicht“, antwortete ihm Marijn Dekkers, denn die Giftgas-Leitung gewähre „ein Höchstmaß an Sicherheit“.
Sicherheitsproblemen virtueller Art nahm sich der IT-Berater Fabian Keil an. Er erbat vom Vorstand Informationen zum Datenschutz bei BAYER und erkundigte sich danach, welche Vorkehrungen der Konzern, der auch mit externen IT-Dienstleistern in den USA zusammenarbeitet, gegen Ausspäh-Versuche von NSA & Co. trifft. Eine konkrete Antwort darauf blieb der Vorstandsvorsitzende Keil schuldig, einmal mehr flüchtete Dekkers sich ins Allgemeine und versicherte dem kritischen Aktionär, beim Pharma-Riesen würden hohe Sicherheitsstandards im Computer-Bereich gelten.

Steuerschäden
Der Verfasser dieser Zeilen setzte die Steuermoral des Gen-Giganten auf die Agenda. „Aktuell ist das Unternehmen der wertvollste Konzern im Dax. Die Stadt Leverkusen aber, in der BAYER seinen Stammsitz hat, darbt“, hob er an und führte die ganz legalen Steuertricks auf, die so etwas ermöglichen. Zu den Mitteln der Wahl gehören für den Multi vor allem Niederlassungen in Holland und Belgien, die Anteile an BAYER-Gesellschaften halten und steuermindernde Zins- und Kredit-Transaktionen abwickeln. Zu den ständig sinkenden Gewerbesteuer-Zahlungen räumte der Vorstandsvorsitzende in bemerkenswerter Offenheit ein: „Die Strukturen des heutigen globalen Konzerns sind mit denen von BAYER aus den 80er und 90er Jahren nicht mehr vergleichbar.“ Er gab auch detaillierte Auskünfte zu den Struktur„reformen“. So haben holländische oder belgische Briefkasten-Firmen wie BAYER WOLRD INVESTMENTS Besitztitel an rund einem Fünftel aller 350 Gesellschaften des Konzerns. Und das Volumen ihrer Steuerspar-Geschäfte ist immens. So hat allein BAYER-Antwerpen anderen Töchtern des Global Players 2014 Kredite in einem Volumen von 13,4 Milliarden Euro gewährt.
Der Publizist Dr. Werner Rügemer stellte schließlich die für eine AktionärInnen-Versammlung zentrale Frage: Wem gehört BAYER eigentlich? Er legte die intransparenten Besitz-Verhältnisse dar, schilderte, wie die großen Finanzinvestoren beinahe täglich ihren Aktien-Anteil an dem Unternehmen verändern und forderte Aufklärung. Stellvertretend befasste Rügemer sich näher mit den Praktiken der Gesellschaft BLACKROCK, die 6,2 Prozent der BAYER-Papiere hält und wegen Verstößen gegen das Wertpapierhandelsgesetz im März 2015 eine Strafe in Höhe von 3,25 Millionen Euro zahlen musste. Unter anderem wollte Werner Rügemer von der Management-Riege wissen, wie sich die Beziehungen des Finanzinvestors zum Agro-Mogul konkret gestalten und ob BLACKROCK Einfluss auf die Einscheidung hatte, sich von der Kunststoff-Sparte zu trennen. Es gebe „einen regelmäßigen Gedankenaustausch“, antwortete Dekkers, im Geschäftsjahr 2014 hätten zwei Einzelgespräche auf Vorstandsebene in New York und Boston stattgefunden. Druck hat der Global Player dort laut Marijn Dekkers nicht bekommen: „Wir haben die Portfolio-Manager von BLACKROCK als konstruktive, interessierte und die Unternehmensstrategie unterstützende Aktionäre kennengelernt.“
Solche hat die Aktien-Gesellschaft am 27. Mai auf der Hauptversammlung hingegen kaum kennengelernt. Mit 26 kritischen AktionärInnen musste sie sich in den Kölner Messehallen auseinandersetzen. Und als reiche all dies noch nicht, wirkte das auch noch ansteckend, so dass sich auch andere zu Interventionen ermuntert fühlten. Uta Behrens vom „Deutschen Juristinnen-Bund“ mahnte mehr Frauen-Förderung an, die französische Journalistin Elise Lucet thematisierte weitere Pestizid-Probleme und Margret Seitz brachte aus gegebenem Anlass Fehler bei vergangenen Unternehmensabspaltungen auf Tapet. So musste der Leverkusener Multi seine Rekorde-Ergebnisse alleine feiern, die Hauptversammlung ist dafür seit Langem schon kein Ort mehr.

Schamlose Profite

Eine Aktie des Leverkusener Multis hat einen Wert von 2,56 Euro. Auf diesen Wert zahlte der Konzern eine Dividende von 2,25 Euro. Das entspricht einer Rendite von sage und schreibe 88 Prozent. Um der Öffentlichkeit diese Schamlosigkeit zu verschleiern, wählt der Global Player als Berechnungsgrundlage jedoch den aktuellen Kurswert des BAYER-Papiers, der gegenwärtig etwa 134 Euro beträgt. Und damit – Hokuspokus – macht der Dividenden-Ertrag nur noch 1,7 Prozent aus.

Abstimmungsergebnisse

Die Abstimmungen auf den AktionärInnen-Hauptversammlungen der Konzerne dominieren wenige GroßaktionärInnen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.) Sie sorgen für sichere Mehrheiten von 90 Prozent + x. Die vielen hunderttausend KleinaktionärInnen besitzen zusammen lediglich fünf bis zehn Prozent der Aktien. Entsprechend sind die Zahlen der Nein-Stimmen auf den Hauptversammlungen des Leverkusener Multis durchaus als Erfolg der Kritischen AktionärInnen bei BAYER zu werten. (Da das Unternehmen die Anzahl der Enthaltungen nicht nennt, ergeben sich im Verhältnis der absoluten Zahlen zu den Prozent-Angaben Schwankungen.)

Gewinn-Verwendung

Nein-Stimmen: 899.013 (0,3 Prozent)

Entlastung Vorstand

Nein-Stimmen: 505.329 (1,5 Prozent)

Entlastung Aufsichtsrat

Nein-Stimmen: 9.984.692 (3,1 Prozent)

Abschlussprüfung durch PWC (PricewaterhouseCoopers)

Nein-Stimmen: 44.346.258 (13,2 Prozent)

[Pestizide] STICHWORT BAYER 03/2015

CBG Redaktion

BAYERs Ultra-Gifte

Eine lange Geschichte

1995 kündigte der Leverkusener Multi an, bis zur Jahrtausendwende alle besonders gefährlichen Pestizide vom Markt zu nehmen. Doch 20 Jahre später bietet BAYER in bestimmten Ländern weiterhin Agro-Chemikalien der Gefahrenklasse I für landwirtschaftliche Anwendungen an. Und in Haushaltsinsektiziden und anderen Produkten finden sich viele der Ultragifte ebenfalls noch.

Von Jan Pehrke

„Mit einem Drei-Punkte-Programm haben wir uns hinsichtlich Forschung, Entwicklung und Vertrieb der Pflanzenschutz-Produkte klare Ziele für die kommenden fünf Jahre gesetzt. So werden wir die eingesetzte Produktmenge je Anwendung weiter reduzieren und Produkte der WHO-Toxizitätsklasse I schrittweise durch Präparate mit geringerer Giftigkeit ersetzen“, kündigte der Leverkusener Multi 1995 in seinem Geschäftsbericht an. Doch zahlreiche extrem gefährliche Agrochemikalien überstanden die Jahrtausendwende unbeschadet. Andere konnten zumindest in Ländern der „Dritten Welt“ überwintern. Dort trugen die Pestizide dann mit dazu bei, dass die in diesen Staaten sowieso schon überproportional hohe Vergiftungsrate nicht absank.
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte das Brechen der Zusage auf den Hauptversammlungen des Konzerns immer wieder. Der Vorstand jedoch lavierte herum: Es sei eben „ein langwieriger Prozess“, da gebe es „keine Schwarz/Weiß-Lösungen“. Und einer der Nachhaltigkeitsberichte des Unternehmens verwies als Entschuldigung auf „Einsatzbereiche, in denen noch keine geeigneten Alternativen verfügbar sind“.
In Indien gab es für Substanzen wie Triazophos (Produktname: HOSTATHION), Methamidophos (TAMARON) und Parathion Methyl (FOLIDOL), die wegen ihrer akuten Toxizität zur Gefahrenklasse I gehören, noch 2006 solche „Einsatzbereiche“. Auch die BASF und SYNGENTA hatten dort noch Pestizide dieser Kategorie im Programm. Erst als das CENTRE FOR SUSTAINABLE AGRICULTURE, das PESTICIDE ACTION NETWORK ASIA AND THE PACIFIC, der WWF und die CBG diese gesundheitsgefährdende Geschäftspolitik der Agro-Mogule in einem Protestbrief skandalisierten, reagierte der Leverkusener Multi – zumindest virtuell. Er nahm die Produktliste vom Netz; die Seite befand sich nun „under construction“. Real sollte es jedoch viel länger dauern, bis etwas geschah.
Ähnlich verhielt es sich in Chile. Aus freien Stücken tat BAYER gar nichts. Es musste erst Druck erfolgen, und der erfolgte von 2005 an. In diesem Jahr waren 19 ChilenInnen an einer Überdosis Agrochemikalien gestorben. Insgesamt registrierten die Behörden 785 Vergiftungen, mit 97 Fällen gingen dabei die meisten auf BAYERs TAMARON zurück. Das bewog eine Gruppe von Abgeordneten 2007 dazu, einen Antrag ins Parlament einzubringen, alle Klasse-I-Pestizide zu verbieten. Das „Boletín Nº 4877-01“ erhielt zwar schlussendlich keine Mehrheit, aber der Global Player sah dann doch Handlungsbedarf und rangierte in der Folge einige Chemikalien aus.
Verkäufe von Ultragiften wie Fenamiphos (NEMACUR) und Ethophos (MOCAP) an die Konkurrenz, EU-Verbote sowie weitere Initiativen des Pestizid Aktions-Netzwerks (PAN), der Coordination und anderer Gruppen taten ein Übriges, um den Giftschrank zu lichten. Im Nachhaltigkeitsbericht von 2011 annoncierte die Aktien-Gesellschaft, ab Ende 2012 zumindest bei den Insektiziden für die landwirtschaftliche Nutzung und den Saatgut-Behandlungsmitteln ohne die ultraharten chemischen Keulen auskommen zu wollen. Und im Sommer 2013 verkündete sie dann, im Agrar-Segment keine Pestizide der höchsten Gefahrenklasse mehr zu führen.
Abermals jedoch hielt diese Aussage einer Überprüfung nicht stand. In Brasilien bietet der Global Player bis heute HOSTATHION an, obwohl er bei den Behörden angeblich schon 2013 ein Löschen der Registrierung beantragt hat. Bis zum April 2015 vertrieb der Konzern dieses Mittel auch in Indien noch. Zudem verkauft das Unternehmen in zahlreichen Ländern noch Insektizide, die Beta-Cyfluthrin enthalten wie z. B. BULLDOCK. Dabei verweist es jedoch auf eine veränderte, den Wirkstoff in geringerer Konzentration enthaltende Formulierung. Dies mindert zwar tatsächlich die akute Giftigkeit, ändert jedoch weder an den Langzeit-Effekten etwas noch schützt es die Gesundheit von Landwirtinnen besser, die dem Mittel permanent ausgesetzt sind.
Darüber hinaus offeriert BAYER in Brasilien immer noch das Antipilz-Pestizid BAYSISTON, das neben Triadimenol auch den Klasse-I-Wirkstoff Disulfuton enthält, obwohl es spätestens seit 1999 keinen Zweifel an dessem Gefährdungspotenzial mehr geben kann. In diesem Jahr vergiftete das Mittel 30 Kaffeebauern und -bäuerinnen, 12 davon tödlich. Marly Avidel Vilete beschrieb damals, wie qualvoll ihr Mann Joao Jose verendete: „Ich fand ihn liegend auf dem Feld. Er hatte keine Kraft zu gehen und glühte, er hatte Kopfschmerzen und er erbrach sich viel, er hatte Schmerzen in der Brust, keine Stimme und hielt sich den Bauch mit geschlossenen Augen, und am Ende verlor er gänzlich das Gleichgewicht. Er starb am selben Tag an Atemlähmung.“ Die Todesfälle führten sogar zu staatsanwaltlichen Ermittlungen, aber politischer Druck ließ diese im Sande verlaufen.
Die dem BAYSISTON-Inhaltsstoff Disulfuton in seiner Giftigkeit kaum nachstehende Substanz Methiocarb darf EU-weit in Antischneckenmitteln noch bis Sommer diesen Jahres wirken; gegen seine Verwendung in Haushaltsinsektiziden wie LIZETAN oder dem SPINNMILBEN-SPRAY PLUS hat Brüssel hingegen nichts unternommen. Und außerhalb der Europäischen Union unterliegt der Wirkstoff, den BAYER in der vorliegenden Dosierung als nur „moderat gefährlich“ bezeichnet, keiner Beschränkung. Methomyl, das unter anderem als Mittel gegen Fliegen zum Einsatz kommt, kann der Konzern außerhalb der EU-Grenzen ebenfalls weiter vermarkten, in den USA allerdings nur mit Einschränkungen. Auch der Veterinär-Bereich steht den Supergiften weiterhin offen – in den Ställen der MassentierhalterInnen halten sich als Substanzen gegen Fliegen und andere Insekten Dichlorvos, Beta-Cyfluthrin und Coumaphos bereit.
Der Leverkusener Multi besitzt sogar die Kühnheit, ImkerInnen dieses Klasse-I-Pestizid als Mittel gegen das Bienensterben anzubieten, an dem nach Meinung der Fachwelt gerade Agrochemikalien einen gehörigen Anteil haben. BAYER aber hat die Varroa-Milbe als Hauptschuldigen ausgemacht; und so vertreibt der zum Gärtner gemachte Bock Coumaphos-haltige Streifen, welche die Bienen an den Eingangslöchern des Bienenstocks mit dem Wirkstoff gegen die Milbe imprägnieren.
20 Jahre nach dem Versprechen, bis 2000 alle Pestizide der Gefahrenklasse I vom Markt zu nehmen, fällt die Bilanz also negativ aus. Immer noch bietet der Konzern solche chemische Keulen an, vereinzelt für den Großeinsatz auf den Äckern und ziemlich häufig für Anwendungen im Heim-, Garten- oder Veterinär-Bereich.
Der Leverkusener Multi rechtfertigt dies auf zweierlei Weise.
Zum einen will er seine einstige Zusage nur auf Produkte, nicht aber auf Wirkstoffe gemünzt verstanden wissen. In einem „Ausstiegsgespräch“, das VertreterInnen von PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) und von anderen Initiativen 2013 mit Abgesandten von BAYER, BASF und SYNGENTA führten, mochten die Unternehmensemissäre eine „auf der Substanz-Klassierung basierende Einstufung von Pestiziden“ als hochgefährlich nicht akzeptieren. Zur Begründung verwiesen sie dabei auf die Bandbreite von unterschiedlich gesundheitsgefährdenden Mixturen. Auch sahen sie mit der Substanz-Klassierung das Risiko verbunden, für Generika auf Basis der jeweiligen Chemikalie in Haftung genommen zu werden. Und überhaupt sei ein Sicherheitsmanagement vor Ort mit gezielten Beratungen sinnvoller als ein genereller Wirkstoff-Bann, meinten die Manager. Zum anderen macht es für sie einen großen Unterschied, ob ein bestimmter Inhaltsstoff in einem Pestizid auf Äckern und Plantagen oder „bloß“ als Biozid im Haus-, Garten- oder Veterinär-Bereich sein Unwesen treibt. Für solche Mittel gelten nämlich in der EU – aber auch nur dort – andere gesetzliche Bestimmungen, und deshalb spricht aus ihrer Sicht nichts gegen einen Verbleib im Sortiment.
Damit nicht genug, haben es die Bestände BAYERs auch jenseits der Klasse-I-Pestizide in sich. PAN führte 2012 eine Inventur beim Agro-Riesen durch und machte 64 hochgefährliche Pestizide aus. Diese Produkte können Mensch, Tier und Umwelt massiv schädigen. So sind sie imstande, Krebs auszulösen, das Hormonsystem zu beeinträchtigen, die Arbeit der Nieren zu stören und Fehlgeburten oder Geburtsschäden zu verursachen. Besonders perfide: Der Leverkusener Multi vermarktet viele dieser besonders aggressiven Substanzen wie z. B. Fipronil nur in Ländern der sogenannten Dritten Welt. Aber die Kritik, mit dem Verkauf dieser in Deutschland oftmals gar nicht mehr zugelassenen Mittel eine Politik der doppelten Standards zu betreiben, lässt der Global Player an sich abprallen. „Den Vorwurf, BAYER CROPSCIENCE verfahre bei der Produktion und Vermarktung von Produkten nach unterschiedlichen Standards, weist das Unternehmen zurück. Aufgrund der unterschiedlichen Klimazonen, Vegetation und Bodenverhältnisse wird für Produkte, die beispielsweise speziell für den Einsatz im asiatischen Raum entwickelt wurden, nicht die Zulassung in Europa beantragt“, antwortete eine Konzern-Sprecherin im Februar 2015 einer französischen Journalistin. Außerdem gebe es in tropischen Ländern eine Vielzahl von Krankheiten und Schädlingen, die nur dort vorkämen, so die Öffentlichkeitsarbeiterin.
So können die Pestizide dann weiterhin ihre verheerende Wirkung entfalten. Nach Schätzungen der Weltbank sterben jährlich rund 350.000 Menschen an Pestizid-Vergiftungen – vor allem in den Armutsregionen. Die absolute Zahl der Vergiftungsfälle liegt der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge bei zwei Millionen per anno. Dies hat nicht nur immenses Leid zur Folge, sondern belastet auch die Gesundheitssysteme. Das UN-Umweltprogramm UNEP rechnet allein für Afrika im Zeitraum von 2015 bis 2020 mit Behandlungskosten von 90 Milliarden Dollar. Die Kampagnen für einen Verkaufsstopp der Ultragifte müssen also weitergehen!

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

PAN für Pestizid-Abgabe
Die Ackergifte von BAYER & Co. bürden der Gesellschaft große Lasten auf. Darum fordert das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) eine Pestizid-Abgabe. „Die Umwelt-, Kontroll- und Gesundheitskosten, die durch Pestizide verursacht werden, sind weder im Preis der Pestizid-Produkte noch im Preis der Lebensmittel enthalten (...) Mit einer Abgabe könnte man diese Kosten auf die Pestizid-Produkte aufschlagen“, so die PAN-Aktivistin Susan Haffmans. Sie verweist dabei auch auf das Beispiel Dänemark, wo eine solche Regelung den Agrochemie-Verbrauch deutlich reduzieren konnte.

Weniger Kinderarbeit
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Kinderarbeit bei Zulieferern von BAYERs indischer Saatgut-Tochter PROAGRO angeprangert. Zunächst leugnete der Konzern seine Verantwortung, erst nach öffentlichkeitswirksamen Protesten kam Bewegung in die Sache. Das Unternehmen bekannte sich zu dem Problem, senkte den Anteil arbeitender Kinder unter 14 Jahren drastisch und installierte das „Child Care Program“, das neben Kontrollen auch noch ein Engagement auf dem Bildungssektor umfasst. Inzwischen hat der Global Player dieses Programm ausgeweitet. Er praktiziert es mittlerweile auch im indischen Gemüse-Anbau sowie auf den Reisfelder in Bangladesh und auf den Philippinen. Ein schöner Erfolg der CBG und ihrer MitstreiterInnen!

Kaum Frauen in Führungspositionen
Im BAYER-Vorstand sitzen keine Frauen. In der ersten Führungsebene unterhalb des Vorstands beträgt ihr Anteil fünf Prozent, in der zweiten neun Prozent. Und im Aufsichtsrat liegt die Quote bei 20 Prozent.

BETAFERON-Stellungnahme
Das „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON gehört zu den umsatzträchtigsten BAYER-Medikamenten, obwohl Studien dem Mittel größere Nebenwirkungen als Wirkungen bescheinigen. Während es bei nur 16 Prozent der frisch Erkrankten imstande ist, einen zweiten Schub zu verhindern, und bei einer schon chronifizierten, aber immer noch schubförmig verlaufenden MS bloß in vierzehn Prozent der Fälle anschlägt, produziert es unzählige unerwünschte Arznei-Effekte. Dazu gehören unter anderem Nierenleiden, Muskelschmerzen und Depressionen. Dies alles schadet dem Absatz jedoch nicht, weil der Leverkusener Multi beste Beziehungen zu Fachkreisen und Selbsthilfegruppen unterhält. Darum forderten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und die INITIATIVE SELBSTHILFE MULTIPLE SKLEROSE KRANKER den Pharma-Riesen auf, all diese Kontakte offenzulegen und auch etwaige finanzielle Zuwendungen zu dokumentieren.

BfArM für kleinere ASPIRIN-Packungen
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) warnt davor, die Risiken von ASPIRIN und anderen Schmerzmitteln zu unterschätzen. Der Gebrauch der Medikamente könne „zu Magenbluten mit unter Umständen tödlichem Ausgang, Leber- und Nierenschäden sowie allergenen Reaktionen führen“, so BfArM-Präsident Walter Schwerdtfeger. Bei dem ASPIRIN-Wirkstoff Acetylsalicylsäure bestehe das Risiko „selbst bei den niedrigen Dosierungen, die zur Prävention von Schlaganfall und Herzinfarkt dienen sollen“, konstatiert Schwerdtfeger. Darum verlangt das Bundesinstitut seit langem eine Reduzierung der Mengen, die noch ohne Rezept erhältlich sind. Im Jahr 2012 hatte der „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ eine solche Forderung nach einer Beschränkung der Packungsgrößen abgelehnt, und auch heuer stehen die Chancen für ein neues Regelwerk nicht besser. Gegenüber NOVARTIS wollte das BfArM im Frühjahr 2015 kleinere VOLTAREN-Schachteln gerichtlich durchsetzen, das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage allerdings ab.

DBU warnt vor BAYTRIL & Co.
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung führt zur massenhaften Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten, was eine massive Gesundheitsgefahr darstellt. Die DEUTSCHE BUNDESSTIFTUNG UMWELT fordert deshalb politische Schritte zur Einschränkung der Medikamenten-Gaben. Ansonsten bestehe die Gefahr, „dass es zu unkontrollierten Ausbreitungen von resistenten Keimen auch in der Bevölkerung kommt“, so DBU-Generalsekretär Heinrich Bottermann gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Grüne gegen BAYTRIL-Rabatt
An der massenhaften Verbreitung von BAYTRIL und anderen Antibiotika in den Ställen haben die VeterinärInnen keinen geringen Anteil. Sie sind nämlich Arzt und Apotheker in Personalunion und verdienen an den von ihnen ausgegebenen Medikamenten. Zudem haben sich unter den Tier-MedizinerInnen oligopol-artige Strukturen herausgebildet. So bedienen die zehn größten Praxen die Geflügel- und Kälbermastbetriebe fast im Alleingang: Ihr Marktanteil beträgt 90 Prozent. Und sie können BAYTRIL & Co. zu Konditionen veräußern, zu denen es manche TierärztInnen nicht einmal im Einkauf bekommen, weil die Pharma-Riesen ihnen Mengen-Rabatte gewähren (siehe auch Ticker 2/15). Darum haben die Grünen in den „Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft“ den Antrag eingebracht, das Einräumen solcher Sonderkonditionen zu verbieten und einheitliche Abgabe-Preise einzuführen. Das lehnten CDU und SPD jedoch ab (siehe auch TIERE & ARZNEIEN).

Arznei-Studien: ein bisschen Transparenz
Im letzten Jahr hat die EU BAYER & Co. auferlegt, ihre Arznei-Studien zu veröffentlichen. Allerdings brauchen sie nicht die Original-Untersuchungen zu präsentieren, sondern können die Daten aufbereiten. Den Persilschein für diese „Transparenz light“ liefert der Verweis auf Geschäftsgeheimnisse, mit dem der Leverkusener Multi auch die Einsichtnahme in seinen mit der Universität Köln geschlossenen Kooperationsvertrag verweigert (Ticker berichtete mehrfach). Das Europäische Parlament hatte bei seiner Entscheidung zwar deutlich gemacht, dass Unterlagen aus Klinischen Prüfungen an sich nicht unter dieses Rubrum fallen, aber die sehr industrie-freundliche Arznei-Behörde EMA respektiert bei der konkreten Ausgestaltung der Studien-Datenbank den Wunsch der Pharma-Riesen nach Diskretion. Das stößt auf scharfe Kritik. „Weder die Ergebnisse noch die Methoden klinischer Studien sind Geschäftsgeheimnisse. Partikular-Interessen müssen sich dem öffentlichen Interesse an einer zügigen und vollständigen Veröffentlichung solcher Daten und Dokumente unterordnen“, hält etwa das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) fest. Aber ob die öffentliche Empörung die Auskunftsfreudigkeit von Big Pharma zu steigern vermag, bleibt zweifelhaft, zumal die Unternehmen zusätzlich noch auf die gerade in Planung befindliche EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen hoffen dürfen, die auch Regelungen zu Studien mit Medikamenten, Chemikalien und Pestiziden umfasst.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifrunde 2014: nur 2,8 Prozent mehr
Die diesjährigen Tarif-Verhandlungen in der Chemie-Branche verliefen in einer weit weniger sozialpartnerschaftlichen Atmosphäre als frühere. „Selten war eine Tarifrunde in der chemischen Industrie derart aufgeheizt wie in diesem Jahr“, resümierte die Rheinische Post. Grund war das niedrige Angebot des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie (BAVC) von 1,6 Prozent mehr Entgelt bei einer Vertragslaufzeit von 15 Monaten. Wegen des herausfordernden wirtschaftlichen und geopolitischen Umfelds im Allgemeinen und der Lage der ertragsschwächeren kleineren Betriebe im Besonderen könne er leider nicht mehr bieten, führte der BAVC zur Begründung an. Der Vorschlag erboste die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE). „Als ich das gehört habe, ist mir die Kinnlade heruntergerutscht“, berichtete der Tarif-Vorstand der IG BCE, Peter Hausmann. Dementsprechend schwierig gestalteten sich die Gespräche, in deren Verlauf es auch zu Warnstreiks und anderen Aktionen kam. So protestierten BAYER-Beschäftigte in Berlin und Weimar vor der Konzern-Niederlassung für eine gerechtere Bezahlung. Die IG BCE zögerte am Schluss nicht einmal, offen mit einem Arbeitskampf zu drohen. Das hatte sie zuletzt vor zehn Jahren getan, und der letzte Streik liegt sogar schon 34 Jahre zurück. Letztendlich scheute die Gewerkschaft die Konfrontration dann aber doch und gab klein bei. Während die Chemie-WerkerInnen in der letzten Tarifrunde noch 3,7 Prozent mehr Entgelt erhalten hatten, akzeptierte die IG BCE dieses Mal eine Erhöhung von nur 2,8 Prozent – und das auch noch bei einer Laufzeit von 17 Monaten.

Immer weniger Beschäftigte
Im Jahr 1996 hatte BAYER 142.200 Beschäftigte. 2014 waren es gerade mal noch 119.000. Und in nächster Zeit wird diese Zahl durch den Verkauf der Kunststoff-Sparte noch einmal beträchtlich sinken. Dabei könnte sie den absoluten Tiefpunkt von 2004 erreichen, wo bloß 91.700 Menschen beim Leverkusener Multi arbeiteten.

BAYER macht depressiv
Nach einer Untersuchung der „Techniker Krankenkasse“ treten Depressionen in Leverkusen leicht häufiger auf als im NRW-Landesdurchschnitt. Während die Kasse die hohe Arbeitslosen-Quote und die große Anzahl von BerufspendlerInnen in der Stadt als mögliche Gründe anführt, lenkt der Psychologe Martin Gadatsch den Blick auf BAYER. „Es kann auch ein strukturelles Problem hinter der Häufung von depressiven Erkrankungen in Leverkusen stecken. In Leverkusen arbeiten besonders viele Leute bei BAYER. Früher war BAYER für diese Menschen eine große Familie. Mit steigendem Wirtschaftsdruck wächst der Stress aber auch für die Mitarbeiter“, so Gadatsch. Er dürfte dabei aus Erfahrung sprechen, denn er arbeitet in der nahe Leverkusen gelegenen Klinik Roderbirken, die unter anderem auf Psycho-Kardiologie spezialisiert ist, sich also den Auswirkungen seelischer Belastungen auf das Herz widmet.

Immer weniger Tarifverträge
Weltweit hat der Leverkusener Multi nur mit knapp der Hälfte seiner Beschäftigten Tarifverträge abgeschlossen, und 2014 haben sich die Zahlen noch einmal verschlechtert. Der Anteil der Belegschaften, mit denen der Konzern eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen hat, sank von 54 auf 52 Prozent. In Europa bestehen solche Regelungen mit 87 Prozent der BAYER-WerkerInnen, in Lateinamerika beträgt die Quote 45 Prozent und Schlusslicht bleiben die Vereinigten Staaten mit bloß fünf Prozent.

Ein bisschen Mitsprache
Eine formelle Mitbestimmung mit einem Aufsichtsrat, in dem Beschäftigten-VertreterInnen Stimmen haben, existiert nur in der Bundesrepublik. Im restlichen Europa gibt es in den BAYER-Werken immerhin noch Betriebsräte. Dies ist im Rest der Welt dann auch nicht mehr der Fall. Das höchste der Gefühle stellen da laut BAYER-Geschäftsbericht „gewählte Mitarbeiter-Vertreter“ dar, die „bei bestimmten personal-bezogenen Unternehmensentscheidungen ein Mitsprache-Recht“ haben.

Kein Kunststoff mehr aus Belford Roxo
Wenn BAYER ankündigt, sich von Teilgesellschaften zu trennen, entfalten diese in der Regel mannigfaltige Rationalisierungsaktivitäten, um sich so attraktiver für mögliche Investoren zu machen. Ganz nach diesem Muster handelt auch BAYER MATERIALSCIENCE. Die vom Leverkusener Multi zur Disposition gestellte „Plaste & Elaste“-Sparte hat im Juli 2015 die Kunststoff-Produktion im brasilianischen Belford Roxo gestoppt, wo sie bisher jährlich 55.000 Tonnen Diphenylmethan-Diisocyanat (MDI), 15.000 Tonnen Polyether-Polyolen sowie Lack-Vorprodukte fertigte. 320 Arbeitsplätze vernichtete BMS dadurch, und längst nicht alle Beschäftigten können zu den anderen BAYER-Gesellschaften am Platze wechseln.

Selbstbedienung im Ideen-Pool
Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit betont der Leverkusener Multi die Unverzichtbarkeit des Schutzes des geistigen Eigentums. An den Ideen seiner Belegschaftsangehörigen vergreift der Konzern sich jedoch ganz unverblümt. So erklärt der Pharma-Riese frank und frei, dank der 2014 eingereichten Verbesserungsvorschläge der Beschäftigten bereits im ersten Jahr der Umsetzung über fünf Millionen Euro eingespart zu haben. An Prämien zahlte er indessen nur rund eine Million Euro aus.

E.ON-Vorbild BAYER
Was BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning in Leverkusen gelernt hat, das praktiziert er auch an anderer Stelle, zum Beispiel bei E.ON, wo er ebenfalls dem obersten Kontrollgremium vorsitzt. KommentatorInnen schreiben ihm eine maßgebliche Rolle bei der Entscheidung des Energie-Multis zu, das Alt-Geschäft mit den Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken von dem Unternehmensteil abzuspalten, der sich dem Vertrieb, den Stromnetzen und der Erneuerbaren Energie widmet. So konstatiert das manager-magazin: „Die Lösung eines Spin-offs trägt die Handschrift des E.ON-Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning. Der frühere BAYER-Chef hat Erfahrung mit derlei Konzepten seit der Abspaltung von LANXESS (die ehemalige Chemie-Sparte des Leverkusener Multis, Anm. SWB).“

KONZERN & VERGANGENHEIT

Der PCB-Produktionsstopp von 1971
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Sie können das menschliche Hormonsystem, das Nervensystem und das Immunsystem schädigen, die Schilddrüse, Leber und Nieren angreifen und zu Unfruchtbarkeit führen. 1971 entschlossen sich MONSANTO und BAYER dazu, die Produktion der Chemikalie zu stoppen, die bis dahin vor allem in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz kam. Die treibende Kraft dabei war der US-Konzern. Er drängte auf den PCB-Ausstieg, „um nicht von einer Welle politischer Emotionen über Bord gespült zu werden“, wie es der damalige Europa-Chef Norbert Dahlström ausdrückte. Zu der Zeit waren die Wogen nämlich schon ziemlich hochgegangen. Meldungen über fünf Japaner, die nach der Zubereitung von Reis in PCB-verunreinigtem Öl gestorben waren, über Totgeborene mit deutlichen Symptomen einer PCB-Vergiftung, 146.000 durch PCB verendete Hühner und Nachrichten über hohe PCB-Rückstände im menschlichen Körper hatten die Öffentlichkeit alarmiert. Trotzdem zögerte der Leverkusener Multi lange, auf den MONSANTO-Vorschlag einzugehen. Fünf Monate lang musste Dahlström nach eigenen Worten „auf BAYER einwirken“, ehe der Pharma-Riese zustimmte. Anfang Oktober 1971 besprachen die beiden Unternehmen dann in Bad Godesberg gemeinsam mit EmissärInnen des Bundesgesundheitsamtes die Details. Dabei forderte die bundesdeutsche Aktien-Gesellschaft dann auch noch Gegenleistungen ein. Sie wollte als Belohnung für ihren Schritt laut Spiegel eine Zusicherung der amtlichen Stellen haben, dass von „eingehenderen Untersuchungen“ der Risiken und Nebenwirkungen von PCB „abgesehen werden“ soll. Zudem produzierte BAYER den Stoff zur Verwendung in vermeintlich sichereren, weil geschlossenen Systemen wie Hydraulik-Ölen und Transformatoren weiter und stellte die Fertigung erst 1983 ganz ein. Schäden richtet der chemisch nur schwer abbaubare Stoff jedoch noch immer an. Darum finden quer durch die Republik aufwendige Sanierungen von Universitäten und Schulen statt – und eine Beteiligung an den Kosten lehnt der Global Player strikt ab.

POLITIK & EINFLUSS

Dekkers will Geld für Antibiotika-Forschung
Die gängigen Antibiotika verlieren immer mehr an Wirkung und können gegen viele Krankheitskeime nichts mehr ausrichten. Die massenhafte Verwendung von Mitteln wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung hat daran einen nicht unerheblichen Anteil (siehe TIERE und ARZNEIEN), denn sie fördert die Herausbildung von antibiotika-resistenten Erregern, die auch in den menschlichen Organismus gelangen können. Der Leverkusener Multi tut jedoch nichts, um sich dem Problem zu stellen. Er forscht auch nicht nach neuen Präparaten. Antibiotika stellen für die Pillen-Riesen nämlich keine große Einnahme-Quelle dar, weil die MedizinerInnen sie nur über einen kurzen Zeitraum hinweg verordnen. „Wir müssen Geld verdienen mit unseren Produkten. Das führt dazu, dass nicht alle Medikamente entwickelt werden, die wir brauchen“, erläuterte Konzern-Chef Marijn Dekkers im Spiegel den Sachverhalt. Daraus zieht er die Konsequenz, staatliche Subventionen einzufordern: „Die Regierungen sollten die Pharma-Industrie wie in der Militär-Industrie Auftragsforschung machen lassen.“

Klimaschutz: Dekkers mauert
Im Herbst 2014 hat die EU ihre Klimaschutz-Ziele festgelegt und eine Senkung der Kohlendioxid-Emissionen von 40 Prozent bis zum Jahr 2030 beschlossen. Der Leverkusener Multi, der im letzten Jahr 8,72 Millionen Tonnen des Gases ausgestoßen hat, hält das für unerreichbar. „Wir akzeptieren diese politische Vorgabe. Und wir wollen unseren Beitrag dazu leisten. Gleichwohl sehen wir derzeit aber weder eine technische noch eine wirtschaftliche Lösung, wie die deutsche chemische Industrie dieses hochgesteckte Ziel erreichen könnte“, sagte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in seiner Funktion als Präsident des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI). Er plädierte deshalb dafür, die Bereiche „Verkehr“ und „Wohnen“ zur Entlastung von BAYER & Co. mehr in die CO2-Reduktionspläne einzubeziehen. Ansonsten müsste die Chemie-Industrie leider die Produktion drosseln, um den Anforderungen gerecht zu werden, drohte der Holländer. Einen zweiten Lösungsansatz sah er in einem internationalen Klima-Abkommen, wohl wissend, dass die Chancen für eine derartige Übereinkunft zurzeit gen Null tendieren: „Nur wenn es gelingt, auch international alle wichtigen Emittenten einzubeziehen, laufen die Belastungen nicht gegen die Wettbewerbsfähigkeit Europas.“

Kaum weniger EEG-Rabatte
BAYER & Co. klagen routinemäßig über die hohen Strom-Kosten, die ihnen das „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) durch die Förderung von Windkraft & Co. angeblich beschert. Dabei gewährt das Paragraphen-Werk energie-intensiven Betrieben großzügige Rabatte, für welche dann die Privathaushalte aufzukommen haben. Für diese stieg die Strom-Rechnung seit 2008 um 38 Prozent, während diejenige der Konzerne in der Zeit sogar um ein Prozent niedriger ausfiel. Die ungleiche Lasten-Verteilung brachte das ganze EEG in Verruf, weshalb schon Schwarz-Gelb eine „Reform“ begonnen hatte, welche die Große Koalition unter der Ägide von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dann abschloss. Der Vize-Kanzler drosselte den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Gleichzeitig schaffte er es durch zähe Überzeugungsarbeit in Brüssel, den Konzernen die von der EU eigentlich als unerlaubte Subventionen angesehenen Industrie-Privilegien weiterhin zu sichern. Er erklärte sich lediglich zu etwas mehr Enthaltsamkeit bereit und kündigte an, die Preis-Abschläge um eine Milliarde Euro zu reduzieren. BAYER & Co. wehrten sich jedoch vehement und hatten damit Erfolg. Es gelang ihnen, den Gabriel-Plan zu Fall zu bringen, auf den von den Kraftwerken der Unternehmen selber erzeugten Strom eine Öko-Abgabe zu erheben. Unter anderem deshalb musste sich der Wirtschaftsminister von seinem Milliarden-Ziel verabschieden: 2015 sanken die Subventionen für die Industrie um gerade einmal 300 Millionen Euro auf 4,8 Milliarden Euro. Trotzdem geben sich die Multis nicht zufrieden. So forderte BAYER-Chef Marijn Dekkers in seiner Funktion als Präsident des „Verbandes der Chemischen Industrie“, die Ökostrom-Förderung aus Steuer-Mitteln zu bestreiten: „Mit einer alternativen Finanzierung der Energiewende – zum Beispiel über den Bundeshaushalt – könnten die Förderzusagen des EEG eingehalten werden, ohne den Strompreis in die Höhe zu treiben.“

Klimaschutz-Programm schont BAYER & Co.
Im Jahr 2007 hat die damalige Bundesregierung das Klimaschutz-Ziel ausgegeben, die Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken, mit 1990 als Bezugsgröße. Die parallel dazu eingeleiteten Maßnahmen genügten jedoch nicht, um die Reduktion zu erreichen. Darum hat die Große Koalition Ende 2014 nachgelegt und ein „Aktionsprogramm Klimaschutz“ sowie einen „Aktionsplan Energie-Effizienz“ auf den Weg gebracht, womit sie bis zu 78 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich einsparen will. Der Leverkusener Multi braucht dazu aber kaum einen Beitrag zu leisten, obwohl sein Energie-Verbrauch ebenso wie sein CO2-Ausstoß steigt (siehe WASSER, BODEN & LUFT). „Der Fokus der beschlossenen Maßnahmen liegt auf den Bereichen ‚Gebäude’ und ‚Verkehr’“, atmet der „Verband der Chemischen Energie“ auf, also genau dort, wo er nach Meinung seines derzeitigen Präsidenten, des BAYER-Chefs Marijn Dekkers, auch liegen sollte (s. o.). Dem VCI gefällt zudem, dass die Regierungskoalition seine Signale erhört hat und Sektoren, die bereits dem Emissionshandel unterliegen, keine weiteren Auflagen gemacht hat. Auch das alleinige Setzen auf freiwillige Maßnahmen im Industrie-Bereich begrüßt die Lobby-Organisation. Darüber hinaus ließ Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zur Freude von BAYER & Co. den Plan fallen, eine Sonderabgabe auf ältere Kohlekraftwerke zu erheben – das hätte nämlich ihre Strom-Rechnung erhöhen können. Stattdessen ging der Sozialdemokrat den umgekehrten, von dem Chemiegewerkschaftsboss Michael Vassiliadis ersonnenen und von der rot-grünen NRW-Landesregierung tatkräftig unterstützten Weg: Er zahlt den Energie-Riesen Abwrack-Prämien für das Stilllegen ihrer Dreckschleudern und holt sich das Geld dafür bei den Strom-KundInnen wieder.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit mit Agrar-Subventionen. Brüssel sieht die Pestizid-Versuche, die der Konzern auf seinen Ackerflächen in Monheim und Burscheid unternimmt, nämlich als landwirtschaftliche Aktivitäten an. Allerdings nehmen die Zahlungen ab. Strich der Konzern 2013 noch fast 180.000 Euro ein, so gab es 2014 „nur“ 49.000 Euro.

VFA schreibt Merkel wg. Griechenland
BAYER und die anderen Pharma-Multis haben vor der Krise heftig von der griechischen Misswirtschaft im Gesundheitswesen profitiert, wie der Schriftsteller Petros Markaris 2011 in einem Zeit-Artikel festhielt. „In welchem Ausmaß dabei Geld verschwendet wurde, haben die Griechen erst jetzt begriffen. Der Einkauf von Arzneimitteln und medizinischem Gerät wurde bislang von den Krankenhäusern selbst vorgenommen. Jetzt hat das Gesundheitsministerium den Kauf von Arzneimitteln zentral über das Internet organisiert und gemäß den bisherigen Ausgaben dafür 9.937.480 Euro zur Verfügung gestellt. Nun stellte sich heraus: Die Medikamente kosteten nur 616.505 Euro, also bloß 6,2 Prozent der früheren Summe!“, schrieb er. Jetzt können die Pillen-Riesen in dem Staat nicht mehr so viel Geld einstreichen. Und das hat zu allem Überfluss auch noch Einfluss auf die Einnahmen hierzulande. Für neue Medikamente legen die Krankenkassen und die Hersteller die Preise nämlich fest, indem sie sich daran orientieren, was Pharmazeutika in anderen Staaten so kosten. Und in diesem sogenannten Länderkorb macht Griechenland zur Zeit alles etwas billiger. Darum forderte der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“: „Die Preis-Referenzierung auf Griechenland in Deutschland muss ausgesetzt werden. Die dortige Sondersituation darf keine europa-weite Preisspirale nach unten lostreten.“ Der Verband setzte in der Sache sogar einen Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel auf.

Duin bei „Steam Reformer“-Einweihung
Ursprünglich hatte BAYER den Bau der Kohlenmonoxid-Leitung zwischen Dormagen und Krefeld mit dem CO-Überschuss in Dormagen begründet. Davon kann allerdings schon lange nicht mehr die Rede sein. Der Bau einer neuen TDI-Anlage am Standort machte sogar die Errichtung eines Steam Reformers zur Deckung des Mehrbedarfs notwendig. Am 17. April 2015 nahm ihn der Leverkusener Multi feierlich in Betrieb. „Als „elementar für die Chemie in unserem Land“ pries der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) die Investition bei dem Festakt. Er nutzte die Gelegenheit jedoch nicht, um zu fragen, warum BAYER einen solchen Reformer als Alternative zum gefährlichen Transport des Stoffes quer durchs Land nicht auch in Krefeld plant, obwohl der Konzern damit einem von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten zufolge auch noch Geld sparen würde.

PROPAGANDA & MEDIEN

Pestizid-Propaganda

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Pestizide stehen immer stärker in der Kritik. Kaum ein Tag vergeht ohne Meldungen über ihre Risiken und Nebenwirkungen für Mensch, Tier und Umwelt. Der Leverkusener Multi geht deshalb in die Offensive und startet einen „Agrar-Dialog zum Pflanzenschutz“. Seine AußendienstlerInnen verteilen ein Kompendium, das auf Fragen wie „Warum brauchen wir überhaupt Pflanzenschutzmittel?“ oder „Wie sieht es mit den Rückständen in Lebensmitteln aus?“ einfache Antworten gibt. Als AdressatInnen hat der Konzern dabei neben LandwirtInnen „und/oder landwirtschaftlichen Öffentlichkeitsarbeitern“ auch VerbraucherInnen im Sinn. Und das Propaganda-Material steht nicht nur „als gedruckte Ausgabe in Form eines Fächers, eines Heftchens und eines Kartenspiels“ zur Verfügung, sondern auch als App.

Pestizid-Propaganda

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Die zunehmende Kritik an Pestiziden (s. o.) hat auch schon zu Konsequenzen wie der vorläufigen Aussetzung der Genehmigung für die BAYER-Ackergifte GAUCHO und PONCHO wegen ihrer Bienengefährlichkeit geführt. Das bereitet dem Leverkusener Multi Sorge. Darum unternimmt er große Anstrengungen, um der Politik und der Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass die Entscheidung der EU zu einer Rückkehr der Plagen führt. So befragte der Konzern 8.000 LandwirtInnen, die einhellig zu Protokoll gaben, welche Probleme ihnen das Fehlen von GAUCHO und PONCHO bereitet. 98 Prozent klagten über zunehmende Schäden durch den Raps-Erdfloh und 74 Prozent über solche durch die Kleine Kohlfliege verursachten.

Pestizid-Propaganda

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Um das schlechte Image von Pestiziden zu verbessern, haben BAYER & Co. die Aktion „Schau ins Feld“ gestartet. Im Rahmen dieser Initiative verschonen die teilnehmenden LandwirtInnen auf einem an öffentliche Wege grenzenden Feld einen Teil ihrer Ackerfrüchte mit den Agro-Chemikalien. „So wird sich bis zur Ernte dem Betrachter ein Bild bieten, das den Fachmann nicht überrascht, wohl aber manchen Spaziergänger oder Radfahrer: Unkräuter überwuchern die Kulturen, Pilzkrankheiten und Schädlinge verursachen sichtbare Schäden und gefährden die Erde“, hofft die Branchen-Organisation „Industrieverband Agrar“.

Pestizid-Propaganda

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Die Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden haben teilweise zu einer strengeren Zulassungspraxis geführt – und in den Augen BAYERs zu einer so strengen, dass sie Zulassungen überhaupt verhindert. So sieht der Leverkusener Multi das Inverkehrbringen neuer Insektizide durch rigidere Auflagen der „Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA) gefährdet. Diese schreibt den Konzernen unter anderem vor, die Bienengefährlichkeit ihrer Produkte auf einem Versuchsareal mit ausreichenden Abmessungen zu untersuchen. Der Konzern hat hierfür jedoch einen Flächenbedarf von 448 km2 errechnet und sieht sich außerstande, solch ein großes Gebiet aufzutreiben.

Pestizid-Propaganda

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Wegen seiner bienengefährlichen Pestizide PONCHO und GAUCHO steht der Leverkusener Multi bereits seit Langem in der Kritik von BienenzüchterInnen. BAYER hat darauf reagiert und selber einen Imker angeheuert, um den aufgebrachten BienenhalterInnen die Konzern-Version vom Bienensterben möglichst glaubwürdig vermitteln zu können. „Freier Berater für Bienengesundheit“ nennt sich Fred Klockgether. Und er, der sich laut Faz nur „sehr ungern als Lobbyist bezeichnen ließe“, meint selbstverständlich, „dass der Rückgang von Wildbienen mehr durch den Wegfall von Habitaten begründet ist als durch den Pflanzenschutzmittel-Einsatz“ und dass die Varroa-Milbe die Reduzierung der Honigbienen-Populationen verursacht habe. Klockgether zögert nicht einmal, den Agro-Riesen ob seiner Mittel gegen die Milbe als Bienenretter zu bezeichnen.

Elf Milliarden Marketing-Kosten
Seit Jahren wachsen BAYERs Marketing-Kosten. 2014 stiegen sie um rund 700 Millionen Euro auf 11 Milliarden Euro an. Damit machen sie mehr als ein Viertel des Umsatzes aus. Trotz dieses gewaltigen Volumens weigert sich der Konzern auf den Hauptversammlungen beharrlich, die Ausgaben genauer aufzuschlüsseln. Nur zu der Aussage, 40 Prozent des Etats verbrauche die Pharma-Sparte, ließ sich BAYER-Chef Marijn Dekkers 2013 hinreißen. Einen Großteil dieser 40 Prozent wiederum dürfte der Konzern aufwenden, um seinen gefährlichen Gerinnungshemmer XARELTO zu bewerben. Und diese Investition lohnt sich: Trotz vieler kritischer Stimmen aus dem Bereich des Gesundheitswesens setzte der Leverkusener Multi im letzten Jahr mit dem Mittel fast 1,7 Milliarden Euro um.

BAYERs rollendes SchülerInnen-Labor
In Kooperation mit der Berliner Humboldt-Universität betreibt der Leverkusener Multi ein rollendes Labor. Das „Humboldt-BAYER-Mobil“ fährt Schulen in der Bundesrepublik an und arbeitet mehr oder weniger spielerisch den naturwissenschaftlichen Lernplan des Konzerns ab, um bei den 11- bis 15-Jährigen „die Attraktivität des Fachgebietes zu erhöhen“.

TIERE & ARZNEIEN

Tiermast: hohe Antibiotika-Gaben in NRW
Die massenhafte Gabe von Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung befördert die Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese dann in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten, was eine massive Gesundheitsgefahr darstellt. Deshalb steht diese Praxis bereits seit Jahren in der Kritik. Geändert hat sich bislang allerdings nur wenig. Das zeigt jetzt eine Studie des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums über die Antibiotika-Applikation in der Puten-Aufzucht. 92,8 Prozent der Tiere mussten diese Medikamente während ihrer vier- bis sechsmonatigen Aufzucht schlucken. „Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Intensiv-Haltung ist weiterhin Alltag“, resümierte NRW-Umweltminister Johannes Remmel bei der Vorstellung der Untersuchung. Am häufigsten wurde in den Ställen auf Benzylpenicillin zurückgegriffen, dann folgten Colistin, Amoxicillin und Enrofloxacin, der Wirkstoff von BAYTRIL. Enrofloxacin gehört zur Gruppe der Fluorchinolone, die auch in der Humanmedizin Verwendung finden – das entsprechende BAYER-Präparat heißt CIPROBAY – und dort sogar den Status von Reserve-Antibiotika haben, weil sie gegen viele Krankheiten wirken. Die Verabreichung von Enrofloxacin in den Ställen schätzt die Untersuchung deshalb als besonders problematisch ein, zumal ihre humanmedizinischen Pendants gegen die ESBL-Keime schon ihre Wirkkraft eingebüßt haben. Deshalb forderte der NRW-Umweltminister Johannes Remmel die Bundesregierung im Frühjahr auf, den Gebrauch von Reserve-Antibiotika, zu denen neben Enrofloxacin auch Colistin gehört, in der Massentierzucht zu verbieten. Und die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen stellte im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft den Antrag, den Einsatz von Fluorochinolen und vergleichbaren Mitteln nur noch in Ausnahmefällen zu gestatten. CDU und SPD lehnten das jedoch ebenso ab wie strengere Auflagen zur Abgabe von Antibiotika an VeterinärInnen (siehe auch AKTION & KRITIK).

Mehr BAYTRIL in den Tierställen
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Das stellt auch für die Humanmedizin eine Gefahr dar, denn die Keime, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist, können in den menschlichen Organismus gelangen. Erleichtert vermeldet das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) darum für das Jahr 2014 einen Rückgang der Antibiotika-Gaben in den Ställen. Von 1.452 auf 1.238 Tonnen gingen die verabreichten Mengen zurück. Was das BVL da als Erfolgsmeldung verkauft, ist allerdings nur auf den ersten Blick eine. Da die Präparate nämlich immer effektiver wirken, sagen die nackten Zahlen nur wenig aus: Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, vermögen die LandwirtInnen mit einer Tonne von BAYERs BAYTRIL 2,2 Millionen Tiere zu versorgen. Und das Leverkusener Produkt mit dem Wirkstoff Enrofloxacin, der zur Substanz-Klasse der Fluorchinolone gehört, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. „Die Abgabe von Fluorchinolonen hat auf hohem Niveau weiter leicht zugenommen und zeigt gegenüber dem ersten Erfassungsjahr 2011 eine Steigerung von nunmehr 50 Prozent“, konstatiert das Bundesamt. Um 200 Kilogramm auf 12,3 Tonnen wuchs der Verbrauch. Das ist alarmierend, denn Fluorchinolone finden auch in der Humanmedizin Verwendung – das entsprechende BAYER-Präparat heißt CIPROBAY – und haben dort sogar den Status von Reserve-Antibiotika, weil sie gegen viele Krankheiten wirken. Darum erklärten die ÄRZTE GEGEN MASSENTIERHALTUNG: „Wir fordern das sofortige Verbot des Einsatzes dieser Antibiotika-Klassen in der Tierhaltung“. Zudem appellierten sie an die Politik, nach dem Vorbild der Niederlande das verbindliche Reduktionsziel „50 Prozent weniger Antibiotika in den Mast-Anlagen binnen dreier Jahre“ vorzugeben.

Erweitertes Anwende-Spektrum für BAYTRIL
BAYERs Veterinär-Antibiotikum BAYTRIL kann bald noch mehr Schaden anrichten (s. o.) In den USA erhielt der Leverkusener Multi für BAYTRIL 100 die Zulassung, das ein erweitertes Anwendungsspektrum hat und nun bei Schweinen auch zum Einsatz kommen kann, wenn die Tiere vom E.coli-Bakterium befallen sind. Zudem dürfen die TierärztInnen das Präparat jetzt auch intra-muskulär spritzen. Als eine gute Nachricht für Schweine-ProduzentInnen, VeterinärInnen und alle, denen eine Versorgung mit gesunden Nahrungsmitteln am Herzen liegt, feierte der Leverkusener Multi die Entscheidung der US-Gesundheitsbehörde FDA.

TIERE & VERSUCHE

144.471 Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2014 hat BAYER 144.471 Tierversuche durchgeführt, 95,8 Prozent davon mit Ratten und Mäusen. Die Zahl ist nur bedingt mit derjenigen von 2013 vergleichbar, wo es 142.084 Experimente am „Tiermodell“ gab. Die EU hat nämlich die Dokumentationsvorschriften geändert; gemäß der Richtlinie 2010/63 müssen die Unternehmen jetzt nicht mehr die Tiere selber, sondern ihre Einsätze zählen. „Ob der Anstieg um 1,7 Prozent alleine durch die neue Zählweise oder von unseren Projekten im letzten Jahr abhängig war, kann nicht eindeutig identifiziert werden“, erklärt der Konzern deshalb.

DRUGS & PILLS

Immer mehr XARELTO
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ erhielt allein 2014 161 Benachrichtigungen über Todesfälle im Zusammenhang mit dem Mittel; insgesamt erfolgten rund 2.000 Meldungen wegen unerwünschter Pharma-Effekte. Trotzdem will der Leverkusener Multi das Anwendungsspektrum des bisher unter anderem zur Behandlung von Thrombosen, Embolien und von Vorhofflimmern zugelassenen Präparates weiter vergrößern. Für sieben neue Indikationen wie z. B. zur Therapie von PatientInnen mit chronischem Herz-Versagen testet der Konzern die Arznei derzeit.

Kein Handlungsbedarf bei XARELTO
Jetzt musste sich sogar die Bundesregierung mit BAYERs umstrittenem Gerinnungshemmer XARELTO beschäftigen. Die Partei „Die Linke“ wollte in einer Kleinen Anfrage wissen, welche Konsequenzen die Große Koalition aus den zahlreichen Berichten über die Risiken und Nebenwirkungen der Arznei zu ziehen gedenkt. Die Antwort fiel ernüchternd aus. Es bestehe „kein neuer Handlungsbedarf“, verlautete aus den Reihen der Großen Koalition. Merkel & Co sprachen von einer derzeit positiven Nutzen/Risiko-Relation“ und ließen sich von dieser Meinung noch nicht einmal durch die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ (AkdÄ) abbringen, die vor dem massenhaften Verschreiben von „Neuen Oralen Anti-Koagulantien“ (NOAKs) wie XARELTO gewarnt hatte. Und an der Tatsache, dass es zu dem BAYER-Präparat im Gegensatz zur Standard-Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten wie MARCUMAR kein Gegenmittel gibt, um Blutungen zu stoppen, nimmt die Merkel-Regierung ebenfalls keinen Anstoß. Sie hält ein solches Antidot nicht für nötig, weil sich XARELTO im Organismus angeblich relativ schnell abbaue.

NOCTAMID: hohes Sucht-Potenzial
BAYERs Schlafmittel NOCTAMID mit dem Wirkstoff Lormetazepam gehört zu den Benzodiazepinen. Eine Studie der Universität Bochum unter Federführung von Dr. Knut Hoffmann bescheinigt dieser Substanz-Klasse ein hohes Sucht-Potenzial. Von 128.000 bis 1,6 Millionen Abhängigen allein in der Bundesrepublik spricht die Untersuchung. Gemäß Zulassung sollte die Anwendung benzodiazepin-haltiger Mittel zwar auf zwei bis vier Wochen beschränkt bleiben, das entspricht jedoch nicht der Praxis. Viele Menschen bekommen die Präparate doch länger verordnet oder sie besorgen sich die Mittel auf eigene Kosten über ein Privat-Rezept. Hoffmann und seine MitarbeiterInnen zitieren eine Arbeit von Dr. Rüdiger Holzbach, wonach 2,8 Prozent der PatientInnen ein sehr problematisches Einnahme-Verhalten zeigen und 17,5 Prozent ein problematisches. Bei älteren Menschen liegt diese Quote sogar bei über 20 Prozent. Die Ergebnisse der Studie alarmieren deshalb besonders, weil hierzulande jährlich rund zwei Millionen Packungen von NOCTAMID & Co. über die Ladentheken der Apotheken gehen. Hoffmann und seinem Team bleibt da nur, einmal mehr zu warnen: „Trotz initial guter Wirksamkeit sollte die Indikation streng und zeitlich befristet sein. Wenn ein kurzer Therapie-Zeitraum nicht möglich ist, sollte der Patient frühzeitig zu einem Facharzt überwiesen und gegebenenfalls das Suchthilfe-System kontaktiert werden.“

Ökotest: SUPRADYN ungenügend
Multivitamin-Präparate wie BAYERs SUPRADYN ENERGY helfen nicht nur nicht, sie können der Gesundheit sogar schaden. So erhöhen SUPRADYN & Co. das Sterblichkeitsrisiko von älteren Frauen um 2,4 Prozent, wie eine im Fachmagazin Archives of Internal Medicine veröffentlichte Studie herausgefunden hat. „Bestenfalls nutzlos“ überschrieb das Magazin Ökotest deshalb seinen Prüfbericht. „Kein Produkt ist eine Empfehlung wert“, resümierte die Zeitschrift und vergab als Bestnote ein „befriedigend“. Das vom Leverkusener Multi hergestellte SUPRADYN bekam diese nicht, sondern nur ein „ungenügend“. Die Brausetabletten enthielten nämlich deutlich mehr Anteile von Vitamin A, Niacin, Zink und anderen Inhaltsstoffen, als das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ (BfR) in seinen Höchstmengen-Empfehlungen für noch angemessen erachtet. „Den Vogel schießen die SUPRADYN ENERGY Brausetabletten mit Orangen-Geschmack mit zwölf Überschreitungen ab“, hält die Publikation fest. Damit nicht genug, tummeln sich in SUPRADYN auch noch Spurenelemente wie Eisen, Kupfer und Mangan, die nach Ansicht des BfR in Nahrungsergänzungsmitteln nichts zu suchen haben sollten.

Ökotest: BEPANTHOL ungenügend
Die Zeitschrift Ökotest stellte in ihrem Ratgeber „Kosmetik und Wellness“ Lippenpflege-Stifte mit UV-Schutz auf den Prüfstand. BAYERs BEPANTHOL LIPSTICK SPF 30 schnitt dabei schlecht ab und bekam die Note „ungenügend“. Er enthielt nämlich Lichtschutz-Filter, die hormon-ähnlich wirken und deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern können. Und zu allem Übel befanden sich mit Ethylhexyl Methooxycinnamate und Benzophenone-3 auch noch solche Stoffe in dem Produkt, die als besonders gesundheitsgefährdend gelten.

ASPIRIN: schneller und gefährlicher?
BAYERs „Tausendsassa“ ASPIRIN ist in Apotheken rezeptfrei erhältlich, aber dennoch alles andere als harmlos (siehe auch AKTION & KRITIK). Der Hamburger Mediziner Dr. Friedrich Hagenmüller von der Hamburger Asklepios-Klinik etwa schätzt die Zahl der Todesopfer durch die Nebenwirkung „Magenbluten“ allein in der Bundesrepublik auf jährlich 1.000 bis 5.000. Im letzten Jahr hat der Leverkusener Multi nun eine ASPIRIN-Formulierung auf den Markt gebracht, die schneller wirkt. „Mikronisierung“ lautet das Zauberwort: Der Pharma-Riese hat die Partikel-Größe des Wirkstoffes Acetylsalicylsäure um 90 Prozent verkleinert, weshalb ihn der Organismus flinker aufnehmen kann. Das birgt allerdings auch die Gefahr neuer Gesundheitsschädigungen. „Durch die Mikronisierung erzielt die neue ASPIRIN-Tablette eine dreimal so hohe Wirkstoff-Konzentration im Blut des Menschen als die bisherige. Die Wirkung dieses Effektes hätte man unbedingt in einer gesonderten Sicherheitsuntersuchung überprüfen müssen“, kritisiert Fritz Sörgel, der Leiter des Nürnberger „Institutes für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung“.

ASPIRIN: Weniger Infarkte, mehr Blutungen
Eine Langzeit-Untersuchung hat überprüft, ob niedrig dosiertes ASPIRIN vorbeugend gegen Herz-Infarkte und Krebs-Arten wirkt, die den Verdauungstrakt befallen. Die über 15 Jahre gehende Studie mit rund 28.000 Frauen hat zwar einen prophylaktischen Effekt festgestellt, aber bei den ProbandInnen als Begleiterscheinung auch häufig Blutungen registrieren müssen. Darum schätzten die WissenschaftlerInnen das Nutzen/Risiko-Verhältnis negativ ein und rieten von einer dauerhaften ASPIRIN-Einnahme ab.

Kontrazeptiva verursachen Hirntumore
Die Einnahme von Verhütungsmitteln steigert die Wahrscheinlichkeit, an einem Gehirntumor zu erkranken. Das ergab eine Studie der Universitätsklinik von Odense, welche David Gaist und seine MitarbeiterInnen durchgeführt haben. Das Risiko, eine solche Krankheit zu erleiden, liegt bei Frauen, welche Kontrazeptiva einnehmen, um das Anderthalb- bis Vierfache höher als bei denjenigen, welche auf die Mittel verzichten. Der Gefährdungsgrad hängt dabei davon ab, welche Hormone in den Pillen wirken und über welchen Zeitraum hinweg die Präparate genutzt wurden. Die größte Gefahr geht von Gestagenen aus, zu denen BAYERs umstrittener YASMIN-Wirkstoff Drospirenon gehört (Ticker berichtete mehrfach) und die allergrößte dabei von dem Gestagen Progesteron, das der Leverkusener Multi bei seiner Verhütungsspirale MIRENA einsetzt.

Neue Gesundheitsapps
Der Leverkusener Multi will in den lukrativen Markt mit Gesundheitsapps einsteigen. Auf seiner Internet-Plattform „Grants4Targets“ hat der Global Player deshalb Startup-Unternehmen angeworben, um für ihn spezielle Anwendungen zu programmieren. So hat PHARMAASSISTANT eine App entwickelt, die mit einer Pillen-Dose verbunden ist und die PatientInnen an die Medikamenten-Einnahme erinnert. QOMPIUM entwickelte eine Software, welche die Herz-Frequenz misst und bei Auffälligkeiten anschlägt, während CORTRIUM einen Sensor ersonnen hat, der Funktionen eines EKGs übernehmen kann. Außerdem noch im Angebot: Ein Gerät, das aus der Atemluft Daten über den Kalorien-Verbrauch gewinnt, und eine Apparatur, die für Apotheken gläserne PatientInnen schafft bzw. „die Apotheker mit Patienten-Informationen unterstützt“, wie die Berliner Morgenpost es ausdrückte.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Chlorpyrifos auf dem Prüfstand
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA hat die von dem Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos – enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER – ausgehenden Gesundheitsgefahren neu untersucht. Dabei stellte sie ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für LandarbeiterInnen fest, die mit dem Stoff umgehen. Wenn LandwirtInnen das Ackergift in großen Mengen nutzen, besteht zudem das Risiko einer Wasser-Verunreinigung, warnen die ExpertInnen. Darum prüft die Behörde derzeit, ob die Auflagen für den Gebrauch der Agro-Chemikalie noch ausreichen. Die EPA hat in der Vergangenheit bereits mehrmals strengere Regularien erlassen. Bereits im Jahr 2000 verbot sie die Verwendung von Chlorpyrifos in Haus und Garten. Zwei Jahre später untersagte die Environmental Protection Agency das Ausbringen auf Tomaten-Kulturen und schränkte den Einsatz auf Apfel-, Zitrus- und Nussplantagen ein. Und im Jahr 2012 schließlich machte sie die Einrichtung von Pufferzonen rund um Flächen zur Pflicht, die mit Chlorpyrifos traktiert wurden, und erließ Regeln für einen sparsameren Umgang mit BLATTANEX & Co.

Genehmigung für DIFLEXX
Die US-Behörden haben BAYERs neuem Herbizid DIFLEXX eine Zulassung erteilt. Als Wirkstoff enthält das Mittel Dicamba. Nach einer Studie des US-amerikanischen „National Cancer Institutes“ kann es Lymph-Krebs auslösen. FarmerInnen, die der Substanz ausgesetzt waren, trugen der Untersuchung zufolge ein doppelt so hohes Risiko, an dem Non-Hodgkin-Lymphom zu erkranken wie ProbandInnen der Vergleichsgruppe. Zusätzlich kommt in DIFLEXX noch ein „CSI Safener“ zum Einsatz, eine Substanz, welche die negativen Effekte des Pestizids auf die damit bespritzten Pflanzen abmildern soll.

Baumärkte ohne Glyphosat
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation die Substanz im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Zur Zeit berät die Europäische Union über eine Verlängerung der Zulassung für die Agro-Chemikalie. Einige Verkaufsstellen wie die TOOM-Baumärkte und die schweizer Supermarktketten COOP und MIGROS wollten die EU-Entscheidung indes nicht mehr abwarten: Sie entfernten glyphosat-haltige Mittel vorsorglich aus ihren Regalen.

Glyphosat in der Muttermilch
Eine von den Grünen in Auftrag gegebene Untersuchung der Toxikologin Irene Witte hat Spuren des umstrittenen Pestizids Glyphosat (s. o.) in der Muttermilch nachgewiesen. Die Rückstände lagen dabei über den zulässigen Grenzwerten für Trinkwasser. Angesichts des besorgniserregenden Studien-Ergebnisses forderte der Grünen-Obmann für Ernährung und Landwirtschaft, Harald Ebner: „Jetzt muss wirklich Schluss sein mit der Glyphosat-Verharmlosung.“ Die Partei drängte die Bundesregierung, das Mittel solange aus dem Verkehr zu ziehen, bis Klarheit über seine möglicherweise krebserregende Wirkung besteht. Die „Arbeitsgemeinschaft Glyphosat“, der BAYER nicht angehört, bezeichnete den Vergleich mit den Trinkwasser-Höchstgrenzen indes als irreführend und wiegelte ab: „Muttermilch ist ein sensibles und wichtiges Nahrungsmittel. Aber die darin festgestellten Mengen an Glyphosat sollten nicht zu falschen Schlüssen führen. Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen geben sie keinen Anlass zur Sorge.“

Hormonell wirksame Haushaltsgifte
Viele Biozide, also für den Haus- und Gartenbereich bestimmte Pestizide, enthalten Wirkstoffe, die in ihrem chemischen Aufbau Hormonen ähneln. Vom menschlichen Körper aufgenommen, können diese Fehlsteuerungen im Organismus auslösen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen. Auch in BAYER-Produkten finden sich solche Substanzen. So tummelt sich in BAYER GARTEN UNGEZIEFER & AMEISEN SPEZIAL SPRAY Deltamethrin, in BAYER GARTEN FLIEGENSPRAY Tetramethrin und in BAYER GARTEN SCHÄDLINGSFREI das obendrein bienenschädliche Thiacloprid. Eigentlich verbietet es das EU-Recht, solche Stoffe in den Handel zu bringen, aber in Brüssel herrscht noch Uneinigkeit darüber, welche Chemikalien wirklich unter das Hormon-Verdikt fallen. „Während die EU-Kommission infolge des massiven Lobby-Drucks durch die Industrie die notwendige Festsetzung solcher Kriterien weiter verzögert, erhalten immer mehr Biozide, die im Verdacht stehen, hormonell wirksam zu sein, eine Genehmigung“, kritisiert deshalb das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN). Und Schweden hat wegen der Hinhalte-Politik bereits eine Klage gegen die Europäische Kommission angestrengt.

PFLANZEN & SAATEN

Neue Zuckerrübe ab 2018
BAYER hat zusammen mit KWS eine Zuckerrüben-Art entwickelt, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern unbeschadet. Deshalb könnte die neue Rübe, wenn sie wie geplant 2018 gemeinsam mit dem auf die Pflanze abgestimmten Herbizid CONVISO auf den Markt kommt, schon bald ziemlich alt aussehen.

EPA: Brokkoli-Patent rechtens
Nicht nur auf gen-manipulierte Ackerfrüchte, sondern auch auf mittels konventioneller Verfahren gezüchtete Sorten erheben die Konzerne Patentansprüche. So hält der Leverkusener Multi unter anderem Schutzrechte auf eine herbizid-resistente Mais-Art, auf Pflanzen mit einer erhöhten Stress-Resistenz und auf ein Verfahren zur Erhöhung des Zucker-Gehaltes von Zuckerrohr. Ursprünglich hatte das Straßburger Patent-Übereinkommen von 1963 genauso wie das 1977 beschlossene Europäische Patent-Übereinkommen Eigentumsansprüche auf „im Wesentlichen biologische Verfahren“ ausgeschlossen. Aber die Agro-Lobby erreichte Aufweichungen, um die sich allerdings heftige Kontroversen entzündeten. Mediale Aufmerksamkeit erlangte dabei vor allem die Auseinandersetzung um das Brokkoli-Patent, welches das Europäische Patentamt (EPA) erteilte. Dieses fochten gleich zwei Firmen an. Im März 2015 verhandelte die Große Beschwerdekammer der EPA darüber – und wies den Einspruch ab. Schutzrechte auf im Wesentlichen biologische Verfahren gestatte das Europäische Patent-Übereinkommen zwar nicht, das schlösse jedoch die Gewährung von Patenten auf Pflanzen, die durch solche Techniken entständen, nicht aus, sagte EPA-Sprecher Rainer Osterwalder zur Begründung. „Das ist nirgendwo vorgesehen im Patentrecht“, so Osterwalder. Die Entscheidung löste große Empörung aus. „Die EPA hat den Weg für Konzerne wie MONSANTO und SYNGENTA geebnet, die Kontrolle über die Grundlagen unserer Ernährung zu übernehmen. Wir fordern die europäischen Regierungen auf, jetzt politisch Druck auf das Europäische Patentamt auszuüben, um diese Praxis sofort zu stoppen“, sagte etwa Christoph Then vom Bündnis KEINE PATENTE AUF SAATGUT!.

BAYER kauft SEEDWORKS
Den Pestizid-Markt haben die Agro-Multis BAYER, MONSANTO & Co. schon mehr oder weniger unter sich aufgeteilt. Wachsen können die „Big Six“ nur noch mittels milliarden-schwerer Übernahmen (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). Auf dem Saatgut-Markt sieht es ähnlich aus. Dort bieten sich jedoch in Asien und Südamerika noch Kauf-Gelegenheiten, die BAYER auch emsig nutzt. So erwarb der Konzern Anfang Juni 2015 das indische Saatgut-Unternehmen SEEDWORKS, das hybride, also nicht zur Wiederaussaat bestimmte Tomaten-, Chili-, Kürbis- und Okra-Saaten im Angebot hat. In Südamerika hatte der Global Player zuvor bereits die Saatgut-Firmen GRANAR, WEHRTEC, SEMILLAS und SOYTECH übernommen und Pflanzenzucht-Technologie von AGROPASTORIL MELHORAMENTO und CVR erworben.

WASSER, BODEN & LUFT

Höherer Kohlendioxid-Ausstoß
Der Strom-Verbrauch BAYERs stieg 2014 gegenüber dem Vorjahr um 5,5 Prozent auf 85.317 Terajoule, was rund 23,7 Millionen Megawatt-Stunden entspricht. Der Konzern macht dafür ein höheres Produktionsvolumen im Allgemeinen und eine gesteigerte Aktivität am holländischen Kunststoff-Standort Maasvlakte im Besonderen verantwortlich. Bei der direkt vom Leverkusener Multi erzeugten Energie wuchs der Erdgas-Anteil von 29.796 auf 31.580 Terajoule, während der Kohle-Anteil von 15.094 auf 12.611 Terajoule sank. Der Beitrag von Quellen wie Abfall und Wasserdampf zur Strom-Versorgung reduzierte sich ebenfalls. Und das Kontingent, das regenerative Energien dazu beisteuerten, war so niedrig, dass der Leverkusener Multi es erstmals gar nicht mehr zu nennen wagte. Auf der Hauptversammlung von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN darauf angesprochen, rückte BAYER-Chef Marijn Dekkers mit der Angabe „weniger als ein Prozent“ heraus. Den zugekauften Energie-Mix schlüsselt der Global Player nicht weiter auf; er führt in seinem Geschäftsbericht nur einen stärkeren Dampf-Anteil auf. Als Folge des expandierenden Bedarfes an Elektrizität schwoll der Kohlendioxid-Ausstoß des Unternehmens erneut an. Er betrug 8,72 Millionen Tonnen.

CO2 lässt Meere versauern
Der Leverkusener Multi schädigt die Meere nicht nur durch seine Plastik-Hinterlassenschaften, sondern auch durch das von ihm emittierte Kohlendioxid – 8,72 Millionen Tonnen betrug der Ausstoß im Jahr 2014. Die Ozeane nehmen nämlich rund ein Drittel des produzierten CO2 auf, was nicht ohne Auswirkungen bleibt. Der Säuregehalt des Wassers steigt, und infolgedessen verändern sich die Existenz-Bedingungen für die aquatischen Lebewesen. So bildet sich durch den höheren pH-Wert des Wassers weniger Kalziumkarbonat, auf das Miesmuscheln und Austern zum Aufbau ihrer Schalen, aber auch andere Meeresbewohner wie Flügelschnecken, Seesterne, Seeigel und Krebse angewiesen sind. Und wenn ihre Populationen zurückgehen, hat das wiederum Konsequenzen für Fische, Seevögel oder Wale, denen die Tiere als Nahrungsgrundlage dienen. „Die Ozean-Versauerung bedroht die Biodiversität der Meere“, warnt der Ozeanograf Ulf Riebesell von Geomar, dem Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozean-Forschung, deshalb.

BAYER schädigt Ozonschicht
Der Leverkusener Multi stieß 2014 in einem Volumen von 14,8 Tonnen Substanzen aus, welche die Ozonschicht schädigen. 2013 beliefen sich die Emissionen auf 15,7 Tonnen. Seit Jahren schon macht BAYER für diese Emissionen hauptsächlich das Pestizid-Werk im indischen Vapi verantwortlich, und ebenfalls seit Jahren schon berichtet der Konzern von Fortschritten bei den Sanierungsmaßnahmen vor Ort.

2.120 Tonnen flüchtiger Substanzen
Der Ausstoß flüchtiger organischer Stoffe, der Volatile Organic Compounds (VOC), in die Atmosphäre reduzierte sich bei BAYER 2014 gegenüber dem Vorjahr leicht von 2.270 auf 2.120 Tonnen. Als Hauptquelle dieser Emissionen gibt der Leverkusener Multi wie auch bei den ozonschicht-schädigenden Substanzen das Pestizid-Werk in Vapi an.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Kohlenmonoxid, Stickstoffoxiden und Schwefeloxiden hat sich bei BAYER 2014 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden gingen von 2.500 Kilogramm auf 2.400 Kilogramm zurück und die von Schwefeloxiden von 1.300 auf 1.200 Kilogramm. An Kohlenmonoxid gelangten wie 2013 900 Kilogramm in die Luft, und Staub wirbelte der Konzern auch genauso viel auf wie in den zwölf Monaten zuvor: 200 Kilogramm.

BAYERs großer Durst
Der Leverkusener Multi hat einen enormen Wasser-Durst. Auf 350 Millionen Kubikmeter bezifferte er seinen Verbrauch im Jahr 2014, in den zwölf Monaten zuvor waren es sogar 361 Millionen gewesen. Drei Viertel davon gehen als Kühlwasser drauf, ein Viertel verwendet der Konzern in der Produktion. Und erschwerend kommt hinzu, dass die Wiederaufbereitungsquote verschwindend gering ist, der Anteil von recyceltem Wasser an den 350 Millionen Kubikmetern betrug gerade einmal vier Prozent.

BAYER Abwasser-Frachten
Obwohl BAYERs Wasserverbrauch etwas zurückging (s. o.), kam hinten mehr heraus: Die Abwasser-Menge stieg um drei auf 66 Millionen Kubikmeter. Der Stickstoff-Eintrag erhöhte sich von 690 auf 760 Tonnen. Neben einer größeren Auslastung seiner Werke macht der Leverkusener Multi dafür eine Anlagen-Störung am Standort Baytown verantwortlich, die auch Reinigungsvorrichtungen in Mitleidenschaft gezogen hatte. Die Phosphor-Einleitungen gingen geringfügig von 110 auf 100 Tonnen zurück. Die von Schwermetallen – die der Konzern nicht mehr einzeln aufführt, um besonders gefährliche Stoffe wie Quecksilber nicht nennen zu müssen – reduzierten sich von 9,1 auf 6,3 Tonnen. Die Frachten von anorganischen Salzen in die Flüsse verringerten sich ebenfalls, sie sanken von 946.000 auf 845.000 Tonnen.

PFC beeinflusst Fruchtbarkeit
Wieviel Perfluorierte Kohlenwasserstoff-Verbindungen (PFC) der Leverkusener Multi in die Flüsse einleitet, weist der neueste Geschäftsbericht nicht aus. Nach Recherchen des BUND gelangt per annum rund eine Tonne PFC made by BAYER in den Rhein; lange Zeit belief sich die Zahl sogar auf sechs Tonnen. Dabei wäre eine genaue Dokumentation äußerst wichtig, denn bei den Stoffen handelt es sich um hochgiftige, schwer abbaubare Substanzen. So haben die Chemikalien nach einer kanadischen, in der Fachzeitschrift Human Reproduction veröffentlichten Studie Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Bei Frauen mit einer hohen PFC-Konzentration im Blut trat die Schwangerschaft später ein und häufiger als bei ProbantInnen mit niedrigeren Werten blieb sie den WissenschaftlerInnen zufolge auch ganz aus.

Mehr gefährlicher Abfall
Der Leverkusener Multi hat im letzten Jahr 3.000 Tonnen weniger Abfall fabriziert als 2013: 896.000 Tonnen. Der Anteil gefährlichen Abfalls daran stieg jedoch. Er erhöhte sich von 467.000 auf 487.000 Tonnen. Als Grund gab der Konzern ein größeres Produktionsvolumen an den Standorten Dormagen, Frankfurt und Leverkusen an.

Bergkamen: Dauerbaustelle Klärwerk
Bereits seit Jahren klagen die AnwohnerInnen des Bergkamener BAYER-Werkes über Geruchsbelästigungen, die von der Kläranlage ausgehen. Die 2008 eingeleitete Sanierung hat bislang keine Abhilfe schaffen können. Aus immer neuen Quellen dringt Mief nach außen. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für schlechte Luft. Wenige Tage später flossen unvorhergesehen saure und basische Abwässer zusammen, was übel aufstieß (Ticker 4/11). Einem erneuten Angriff auf die Riech-Organe begegnete der Konzern dann mit einer Entfernung des Klärschlamms und der Ablagerungen in den Auffangbecken. Ende Juli 2012 schließlich traten an einigen Leitungen Risse auf, durch die Abwässer sickerten und Duftmarken setzten. Deshalb entschloss sich der Global Player erneut zu Reparatur-Arbeiten. Aber auch diese brachten keine Abhilfe. Im Juni 2013 beschwerten sich die BergkamerInnen erneut und klagten über Übelkeit und Kopfschmerzen. Knapp anderthalb Jahre später fiel dann die letzte Stufe der Abwasser-Reinigung aus. Der Pharma-Riese musste das mit Mikroorganismen versetzte Wasser in einem offenen Becken zwischenspeichern, was einen erheblichen Gestank verursachte. Im Mai 2015 war die Zeit dann mal wieder reif für neue Bau-Maßnahmen. Der Puffer-Behälter erhielt eine Generalüberholung. Zudem tauschte das Unternehmen die Rohrleitungen aus, in denen sich so viele Ablagerungen gebildet hatten, dass die Pumpen nur noch mit einem Viertel ihrer Kraft arbeiten konnten.

Dauersanierungsfall Bitterfeld
Als Chemie-Standort hat Bitterfeld eine bis ins Jahr 1893 zurückreichende Geschichte, an welcher der Leverkusener Multi bis dato beteiligt ist. 1921 kaufte er sich in die AGFA-Fabriken ein, die dort eine Niederlassung hatten. Nach 1945 musste BAYER diesen Besitz abschreiben, aber die Wende brachte den Konzern wieder nach Bitterfeld, wo er heute ein Pharma-Werk betreibt. Und die lange Chemie-Geschichte hat an dem Ort seine Spuren hinterlassen, vor allem im Grundwasser. Es ist ein Dauersanierungsfall geworden. Eine besondere Gefahr droht zu den Zeiten, an denen die Elbe Hochwasser hat. Dann nämlich kommen auch die Schadstoff-Lasten nach oben. Darum unternimmt die Stadt viel, um die Gebäude vor den Chemie-Fluten zu schützen. Zudem hat sie ein komplexes Brunnen- und Drainage-System installiert, das monatlich bis zu 175.000 Kubikmeter Grundwasser reinigen kann. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Nach der Meinung von ExpertInnen müssen sie Arbeiten noch weit über 100 Jahre andauern.

CO & CO.

Erdbeben in Erkrath
Mitte Januar 2015 ereignete sich in Erkrath ein kleines Erdbeben. Das warf sofort die Frage nach der Sicherheit von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline auf, die auf ihrem Weg von Dormagen nach Krefeld auch Erkrather Gebiet passiert. „BAYER hat ja immer gesagt, dass es im Kreis Mettmann keine Erdbeben gibt“, erinnert Wolfgang Cüppers von der Initiative BAU-STOPP DER BAYER-PIPELINE an die Verharmlosungsstrategie des Konzerns. Bereits im Mai 2011 hatte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht die Genehmigung für das Röhrenwerk wegen mangelnder Erdbeben-Sicherheit aufgehoben und Nachbesserungen verlangt. Inzwischen will der Leverkusener Multi Bedenken zerstreut haben, die Leitung könnte bei Erd-Erschütterungen zerbersten, aber Cüppers überzeugen die Argumente nicht. Die Erdbeben-Sicherheit sei „letztlich nie bewiesen worden“, so der Aktivist.

Neue CO-Pipeline unter dem Rhein
Nicht nur die zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld verlegte Kohlenmonoxid-Pipeline wirft Sicherheitsfragen auf. Auch die in den 1960er Jahren zwischen Dormagen und Leverkusen gebaute Verbindung, die BAYER seit 2001 für den Transport von CO nutzt, ohne von der Bezirksregierung dafür mit einem neuen Genehmigungsverfahren oder schärferen Auflagen behelligt worden zu sein, hat gravierende Mängel. Besonders an dem Rhein-Düker, mittels dessen die Pipeline den Fluss unterquert, zeigen sich Korrosionsschäden, also Abnutzungserscheinungen an den Bau-Bestandteilen. So treten dort nach einem Bericht des TÜV Rheinland „gravierende externe Materialverluste“ auf, weswegen die Konstruktion „nicht dem Stand der Technik“ entspreche. Der Leverkusener Multi bezeichnet diese zwar als sicher, projektiert aber dennoch eine neue. Den Genehmigungsantrag für den Rohrleitungstunnel reichte er Ende 2014 ein. Mit einer Inbetriebnahme rechnet der Konzern für den Herbst 2016.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

2014: Fünf tödliche Arbeitsunfälle
Im Geschäftsjahr 2014 ereigneten sich bei BAYER fünf tödliche Arbeitsunfälle. Am brasilianischen Standort Belford Roxo wurde ein Wachmann erschossen, ein Belegschaftsangehöriger kam bei Rangier-Arbeiten ums Leben, einer weiterer bei einem Brand und zwei Beschäftigte starben bei Verkehrsunfällen.

Elf anerkannte Berufskrankheiten
Für das Geschäftsjahr 2014 vermeldet der Leverkusener Multi bei seinen Beschäftigten elf arbeitsbedingte Erkrankungen. Dabei handelt es sich allerdings nur um solche Schädigungen, welche die Berufsgenossenschaften auch als Berufskrankheiten anerkannt haben – und das sind nicht viele. 80 Prozent der Anträge lehnen die Einrichtungen, in deren Beschluss-Gremien die Unternehmen über die Hälfte der Stimmen haben, ab. Zweifel ob dieser Zahl sind zudem angebracht, da die Gesundheitsstörungen, die Belegschaftsangehörige an ihrem Arbeitsplatz erlitten hatten, bei BAYER früher ganz andere Größenordnungen erreichten. Im Jahr 2000, als der Konzern noch ausführlicher über Berufskrankheiten berichtete, führte er noch 130 Fälle auf und vermerkte dazu: „Als Krankheitsauslöser waren bei uns vor allem Expositionen gegen Asbest und Lärm relevant“.

PLASTE & ELASTE

Lackhärter aus Biomasse
Mit Pentamethylen-Diisocyanat (PDI) hat BAYER einen Kunststoff entwickelt, der zum Teil aus Biomasse besteht. Als Ausgangsstoff diente Maisstärke (siehe auch Ticker 2/15). Das PDI kommt in dem Lackhärter DESMODUR ECO N 7300 zum Einsatz, den der Leverkusener Multi bald vermarkten will. Bedenken, die Nutzung der Äcker als Rohstoff-Reservoir für die Plaste-Fertigung könnte den Anbau von Pflanzen für die Lebensmittel-Herstellung beeinträchtigen, weist der Konzern zurück. Die Biomasse-Gewinnung erfolge „ohne direkte Konkurrenz zur Nahrungsmittel-Produktion“, beteuert die Teil-Gesellschaft. Seinen KundInnen empfiehlt das Unternehmen jetzt schon einmal, auf „bio“ als Werbe-Effekt zu setzen, obwohl in dem DESMODUR-Kohlenstoff noch zu 30 Prozent Petrochemie steckt: „Anwender und Markenartikler in verschiedenen Industriebranchen können sich mit dem höheren Bio-Anteil als Pioniere für nachhaltige Materialien positionieren.“ In Zukunft will der Global Player das Segment mit Biomasse-Kunststoffen noch ausbauen. So kündigte er die Herstellung von Produkten an, deren Basis Cellulose oder Bioabfälle bilden.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Pestizide aus Dormagen
Der Leverkusener Multi reagiert auf die gestiegene Nachfrage nach Antipilzmitteln und erweitert am Standort Dormagen die Produktionskapazitäten für den Wirkstoff Prothioconazole. Zudem baut der Konzern die Flupyradifuron-Fertigung aus. Diese Substanz ist der Inhaltsstoff von BAYERs neuem Insektizid SIVANTO. Der Agro-Riese vermarktet es explizit als bienenfreundliche Alternative zu seinen umstrittenen und EU-weit einstweilen mit einem Verkaufsbann belegten Neonicotinoiden GAUCHO und PONCHO. Allerdings bestehen Zweifel daran, ob SIVANTO wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet. Flupyradifu

[SumOfUs] Hauptversammlung 2015

CBG Redaktion

SumOfUs, Presse Information vom 27. Mai 2015

Mehr als 1 Million Stimmen gegen Bayers Bienenkiller-Klage

SumOfUs protestiert auf der Hauptversammlung der Bayer AG gegen die Produktion von bienentödlichen Insektengiften

Köln – Die Empörung über die Klage von Bayer gegen das EU-Verbot von bienentötenden Pestiziden wächst. Auf der Hauptversammlung der Bayer AG am 27. Mai 2015 übergibt Wiebke Schröder von der weltweltweiten Bürgerbewegung SumOfUs eine Liste mit einer Million Unterschriften von Menschen, die gegen die Bienenkiller-Klage protestieren. Sie fordert die Verantwortlichen des Unternehmens auf, die Klage fallen zu lassen und die Produktion dieser Neonikotinoide einzustellen. Bereits vor Beginn der Versammlung macht sie gemeinsam mit Aktivisten in Bienenkostümen darauf aufmerksam, dass Bayer nach wie vor an Neonikotinoiden festhält.

Die Petition finden Sie hier: http://action.sumofus.org/de/a/bayer-bees-lawsuit-de/?sub=pr

Wiebke Schröder, SumOfUs-Campaignerin, sagt: “Unabhängige Wissenschaftler haben die sogenannten Neonikotinoide als eine Ursache für das weltweite Bienensterben bestätigt. Dass Bayer diese Gifte weiterhin herstellt, ist eine Katastrophe für das Ökosystem und die Landwirtschaft. Denn Bienen sind unverzichtbar für unsere Nahrungsmittelversorgung.”

Vor zwei Jahren hat die Europäische Union den Einsatz von zwei Bayer-Pestiziden weitgehend verboten. Wissenschaftliche Untersuchungen hatten überzeugende Belege dafür erbracht, dass diese Pestizide zum weltweiten Massensterben von Bienen beitragen.

Statt in die Erforschung von alternativen, ungefährlichen Pestiziden zu investieren, reagierte der Chemiekonzern mit einer Klage gegen die EU-Entscheidung. Ebenso klagte der Konzern gegen den BUND. Die Umweltschutzorganisation hatte die Bayer-Pestizide Calypso und Lizetan als ‚bienengefährlich’ bezeichnet. Zu Recht, wie das Landgericht Düsseldorf urteilte.

„Mehr als eine Million Menschen fordern Bayer auf, die Klage gegen das EU-Verbot fallen zu lassen„, sagt Wiebke Schröder. „Wie groß muss die öffentliche Entrüstung noch werden, bis Bayer endlich einlenkt?“

Kein Wunder, dass sich so viele Menschen für den Schutz der Bienen einsetzen: Diese Insekten bestäuben rund 80 Prozent der Kulturpflanzen. Jedes dritte pflanzliche Nahrungsmittel, ist beim Anbau auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen. Es geht deshalb um mehr als ein Insekt, es geht um das Überleben der Menschheit.

SumOfUs kämpft bei der weltweiten Kampagne zur Rettung der Bienen an vorderster Front. Der Einsatz von zehntausenden SumOfUs-Mitgliedern hat zu dem öffentlichen Druck beigetragen, der die Baumarktkette Lowe's erst vor einigen Wochen zu einem Verkaufsstopp bienengefährdender Pestizide bewegt hat.

Medienkontakt:
Wiebke Schröder, SumOfUs Campaignerin, 01631617155, wiebke@sumofus.org

Über SumOfUs.org:
SumOfUs ist eine weltweite Bewegung von fast 6 Millionen Verbraucher/innen, Arbeitnehmer/innen und Aktionär/innen, die gemeinsam ihre Stimme gegen die zunehmende Macht von Großkonzernen erheben und sich für eine nachhaltige und gerechte Weltwirtschaft einsetzen.

[Heitmann] STICHWORT BAYER 02/2015

CBG Redaktion

BAYERs neuer PR-Boss

Der Reputationsmanager

Mit BAYERs Bild in der Öffentlichkeit steht es nicht zum Besten. Und nach Ansicht des Multis haben die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Initiativen mit ihrer Konzern-Kritik einiges zu dieser Image-Verschmutzung beigetragen. Die bisherigen PR-Chefs haben dem nicht viel entgegensetzen können. Mit der Bestallung von Herbert Heitmann will der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers das nun ändern. Damit nicht genug, verdonnerte der Ober-BAYER seine ManagerInnen sogar zur Weiterbildung in Sachen „CBG & Co.“

Die turbulenten Hauptversammlungen, in denen die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) Jahr um Jahr mehr KritikerInnen aufbot, scheinen BAYER-Chef Marijn Dekkers doch sehr verstört zu haben. Anders als seine Vorgänger, die sich allesamt beim Leverkusener Multi selber hochgearbeitet hatten und sich dabei im Laufe der Zeit – abgesehen von einigen repressiven Maßnahmen – mit der Arbeit der CBG abgefunden hatten, mochte er sich nicht ins scheinbar Unvermeidliche fügen. So verdonnerte er jüngst seine ManagerInnen zur Weiterbildung in Sachen „Nichtregierungsorganisationen“ (NGOs). Und als es daranging, einen neuen Kommunikationschef zu verpflichten, gehörte es zum Anforderungsprofil, Strategien in petto zu haben, die den Einfluss der Initiativen auf das öffentliche Bild von BAYER eindämmen könnten. Den CBG-resistenten Zöglingen aus der eigenen PR-Abteilung traute Dekkers ein solches Reset offenbar nicht zu. Mit Dr. Herbert Heitmann verpflichtete er lieber einen Externen. „Das Signal scheint klar. Es soll sich manches ändern“, kommentierte das prmagazin die Entscheidung.
Der Diplom-Ingenieur wechselte von SHELL zum Pharma-Riesen. Zuvor stand er in Diensten von SAP. Als Technologie-Berater der Bundesregierung hatte Heitmann von 1992 bis 1998 gearbeitet. Auch für die Kernforschungsanlage in Jülich war der Westfale schon tätig. Seine Kontaktaufnahme mit der CBG leitete eine E-Mail ein (siehe auch SWB 3/14). „Mit Interesse habe ich Ihre Webseiten und Publikationen gelesen und würde mich gerne mit Ihnen austauschen. Dabei ist mir besonders daran gelegen zu erfahren, was Ihre Ziele sind und ob bzw. wie wir gegebenenfalls zusammenarbeiten können“, schrieb er.
Die Coordination beschloss, auf das Angebot einzugehen. Allerdings stellte sie zwei Bedingungen. Die CBG wollte einen konkreten Problemfall, vorzugsweise aus dem Pharma-Bereich, behandelt wissen und konkrete Lösungsansätze diskutieren, um dem Treffen Verbindlichkeit auf fachlichem Gebiet zu verleihen. Überdies bestand die Coordinaton zur Wahrung der Transparenz auf der Anwesenheit von Presse-VertreterInnen. Dies gehörte zu den Grundsätzen, die der Vorstand bereits vor langer Zeit für solche Dialog-Formen beschlossen hatte (siehe Kasten). Und zwar nicht als Vorratsbeschluss, sondern bereits nach der Auswertung der wenig erfreulichen Ergebnisse von vertraulichen Zusammenkünften zwischen GREENPEACE und BAYER im Zuge der Dünnsäure-Blockaden Anfang der 1980er Jahre. Die Beobachtung vieler Kamin- und anderer Geheim-Gespräche, die verschiedene NGOs, aber auch die Kirchen, mit BAYER und anderen Konzernen führten und führen, erweist immer wieder aufs Neue, wie recht die CBG mit der Formulierung dieser Leitlinien tat. Heitmann akzeptierte zunächst auch Öffentlichkeit, widerrief diese Zusage später jedoch wieder. Da er Öffentlichkeitsarbeiter bei dem Treffen dann lieber doch keine SchreiberInnen vom Spiegel, den VDI Nachrichten und dem Neuen Deutschland dabeihaben mochte, sagte der Reputationsmanager den Termin kurzerhand wieder ab.

Heitmann & die NGOs
Überhaupt hält sich die Dialogbereitschaft des Verfahrenstechnikers in Grenzen. Er hatte offensichtlich nichts dagegen, gegen den BUND den Rechtsweg zu bestreiten, weil die Organisation die Konzern-Pestizide CALYPSO und LIZETAN als bienengefährlich bezeichnet hatte. Und Gespräche mit GREENPEACE und AMNESTY INTERNATIONAL lehnt Heitmann von vornherein ab. „Deren Geschäftsmodell lässt keinen Raum, sich öffentlich auf eine Kooperation mit einem Unternehmen einzulassen, weil sie primär schockierende Bilder brauchen, um Spenden zu generieren“, sagte er dem prmagazin. Als Mann der Wirtschaft kann er sich offenbar nur ökonomisches Denken als handlungsleitend vorstellen und unterstellt dieses Kalkül allen – auch der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. „Ich wollte herausfinden, ob die CBG BAYER verbessern oder notorisch schlechtmachen will. Letzteres scheint deren Geschäftszweck präziser zu beschreiben“, mit diesen zwischen Pseudo-Naivität und Business-Sprech changierenden Worten erläuterte Heitmann dem Werbe-Fachblatt seine Motive für die Kontakt-Anbahnung. Jetzt beabsichtigt er, seinen Forscherdrang auf solche Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu konzentrieren, die seiner Meinung nach eine BAYER-freundlichere Geschäftsgrundlage haben, weil sie Geld vom Staat oder von Stiftungen bekommen.
Was Herbert Heitmann persönlich über die verschiedenen Gruppen denkt, ist seinem Twitter-Account zu entnehmen. Da zeigt er unverhohlen seine Schadenfreude ob der Kritik, die GREENPEACE dafür einstecken musste, beim Klima-Gipfel in Peru ein altes Kulturdenkmal als Protest-Plattform benutzt zu haben. Auch findet er sichtlich Gefallen an der Wortschöpfung „Ökopopulismus“, mit der Sigmar Gabriel gegen die Organisation polemisiert. Und statt weiter Aktionen gegen die bienenschädigenden Pestizide des Unternehmens durchzuführen, rät Heitmann den Umwelt-AktivistInnen, doch einmal in BAYERs Bienen-Center nachzuschauen, wie liebevoll der Konzern sich um die Summer kümmert.
Die Veröffentlichungen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN veranlassen ihn ebenfalls zu hämischen Kommentaren. So will er in einer CBG-Pressemeldung zu BAYERs Verkauf der Kunststoff-Sparte „ganz neue Töne“ vernommen haben. Hatte die CBG in der Presseerklärung – das Beispiel LANXESS vor Augen – prophezeit: „Die künftigen Besitzer werden versucht sein, die Kosten für Wartung, Personal und Feuerwehr weiter abzusenken. Dies führt automatisch zu höheren Störfall-Risiken“, so will Heitmann darin eine ex-post-Würdigung der Sicherheitsstandards des Multis erblicken. „BayerGefahren anerkennt Bayer AG indirekt als sichersten Betreiber und besten Arbeitgeber“, twittert der Kommunikationschef herum. „Wer extrem gefährliche Anlagen in die Welt setzt, sollte dafür dauerhaft Verantwortung übernehmen“, entgegnete ihm die Coordination. Ob dies aber bei dem PR-Manager verfing, erscheint eher unwahrscheinlich, denn er steht generell all denjenigen, die sich nicht rückhaltslos zur schönen neuen Welt der Konzerne bekennen wollen, nur mit Unverständnis gegenüber. „Schon krass, wie man UBER, Atomkraft und Fracking in einen Artikel quetschen kann“, mokiert er sich etwa unter den hashtags „Angst“ und „Fortschrittsfeindlichkeit“ über einen Text der Süddeutschen Zeitung. Mit den Veröffentlichungen der Initiativen beschäftigt sich der Öffentlichkeitsarbeiter nur, um frühzeitig Gefahrenabwehr betreiben zu können. Aus diesem Grund interessieren ihn Analysen zur Vorgehensweisen von NGOs ebenfalls sehr. Besonders viele Lehren hat er offenbar aus einem Text gezogen, der sich mit dem Erfolg der Kampagnen gegen das Bienensterben beschäftigt, denn er empfiehlt ihn seinen KollegInnen eindringlich zur Lektüre.
Allerdings machen ihm die CBG, GREENPEACE & Co. auch viel Arbeit. Nicht zuletzt dank ihrer Aktivitäten ist nämlich die Bestandsaufnahme, die Heitmann bei seinem Arbeitsantritt zum Außenbild BAYERs vorgenommen hat, selbst in Bereichen negativ ausgefallen, wo es der Reputationsmanager gar nicht erwartet hätte. So mochten sich nicht einmal AnwenderInnen der Konzern-Produkte zu dem Pharma-Riesen bekennen. „Da muss ich umdenken. Die Bauern wollen sich ungern mit uns zeigen, und die Ärzte wollen dem Molekül, das ihren Patienten geholfen hat, auch nicht öffentlich Credits geben“, klagt der Kommunikationschef. Auf PR-Deutsch hört sich das dann so an: „In puncto ‚Third Party Endorsement’ sehe ich noch Potenzial.“

Die Kraft des Positiven
Dieses Potenzial plant der Ober-Kommunikator durch positive Nachrichten – wo immer sie auch herkommen mögen – auszubauen. „Wir müssen mehr Zeit und Energie in die positiven Themen investieren, um das Negative zu kompensieren“, hält er fest. Deshalb strickt Heitmann daran, die Horror-Geschichten um die mit vielen Risiken und Nebenwirkungen behafteten Pillen und Pestizide des Konzerns zu Märchen mit BAYER als Welternährer und Wunderheiler umzustricken. Auf allzu krumme Touren will der Neue dabei verzichten. „Gekaufte Kommunikation lehnt er weitgehend ab“, weiß das prmagazin. Eine zusätzliche Chance, für Stimmungsaufhellung zu sorgen, sieht der Image-Stratege in der Wahl Marijn Dekkers’ zum Präsidenten des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI). Dadurch bietet sich seinem Chef nämlich die Gelegenheit, Alliierte für das Projekt „Akzeptanz-Beschaffung“ zu finden und konzertierte Aktionen vorzubereiten. „Die Abstimmung zwischen BAYER und VCI auf gemeinsame Themen und Positionen lief im Sommer dieses Jahres auf Hochtouren“, vermeldet das prmagazin.
Als ein Beispiel für einen gelungenen Medien-Coup wertet Herbert Heitmann die Informationspolitik zum milliarden-schweren Kauf einer MERCK-Sparte. „Um sieben Uhr Ostküsten-Zeit ging die Mitteilung raus, zeitgleich waren wir mit Herrn Dekkers im Frühstücksfernsehen von CNN, CNBC und BLOOMBERG“, jubiliert er. Zuvor hatten Heitmann und sein Team Fernsehen und Presse darüber in Kenntnis gesetzt, dass Großes ins Haus steht, genauere Angaben durften sie allerdings nicht machen. Schon mit dieser nebulösen Ankündigung hat sich die PR-Abteilung juristisch auf eine Gratwanderung begeben. Bei kurs-relevanten Transaktionen schreibt das Börsen-Recht nämlich eine unverzügliche, „ohne schuldhaftes Zögern“ erfolgende Unterrichtung der Öffentlichkeit per „Ad-hoc-Mitteilung“ vor, damit niemand die Möglichkeit hat, einen Informationsvorsprung zum Kauf von Aktien zu nutzen. Genau das hätten die JournalistInnen aber tun können, wenn sie die richtigen Schlussfolgerungen gezogen hätten, was in diesem Falle nicht so schwer war. BAYERs Oberkommunikator versichert aber, die Vorschriften durch das Vorab-Briefing von CNN & Co. nicht verletzt zu haben: „Die ad-hoc-pflichtigen Informationen haben wir nachgeliefert.“
Nur ein kleiner Wermutstropfen trübt in den Augen der Konzern-KommunikatorInnen das Medien-Echo: Der WDR hat ihnen zufolge nicht in der gebotenen Ausführlichkeit über das Ereignis berichtet. Auch in Köln scheint nach Ansicht der ÖffentlichkeitsarbeiterInnen ein Interesse daran zu bestehen, BAYER „notorisch schlechtmachen“ zu wollen. „Meine Kollegen haben das Gefühl, dass sich der WDR mit besonderer Sorgfalt kritischen Themen widmet“, konstatiert Herbert Heitmann und kündigt an, sich auf die Suche nach dem Verbleib des Positiven zu begeben. „Ich möchte gerne den Grund herausfinden. Es gibt hier nicht die böse Pressestelle oder das böse Medium. Da gehören zwei dazu. Manchmal hilft es, wenn ein neuer Akteur ins Spiel eingreift“, so Heitmann.
Die alten BAYER-AkteurInnen waren mit dem Sender wahrlich nicht zimperlich umgegangen. Mehrfach versuchten sie, die Ausstrahlung unliebsamer Beiträge zu verhindern (siehe SWB 3/09). Im Falle eines Monitor-Reports zur Rolle des Leverkusener Multi bei der Entwicklung von Chemie-Waffen gelang ihnen das auch. Der damalige Redakteur Gerd Ruge teilte den Autoren mit, das Stück könne „leider nicht gesendet werden“, weil der Konzern „im Hause interveniert“ hätte und er sich dem beugen müsse. Heitmanns Vorvorgänger Heiner Springer ließ nach einem unliebsamen Bericht sogar Flugblätter mit der Überschrift „WDR – da hilft nur noch abschalten“ verteilen. Selbst Anstrengungen zur Absetzung eines WDR-Intendanten unternahm der Leverkusener Multi schon. Da dem Konzern – wie er es schon in seinen Flugblatt-Aktionen zum Ausdruck brachte – das Programm des Westdeutschen Rundfunks unter der Leitung von Friedrich Nowottny „BAYER- und chemie-feindlich schien, schmiedete im Rundfunkrat eine Allianz zum Sturz des Intendanten. Als in der entscheidenden Sitzung jedoch VertreterInnen der Umweltverbände, gestützt auf von der CBG gelieferte Fakten, eine große Zahl von Einflussnahmen des BAYER-Konzerns auf Redaktionen und RedakteurInnen des WDR nachweisen konnten, nahm die Debatte einen anderen Verlauf, und es kam in der Folge zu keinen Veränderungen auf der Leitungsebene des WDR.
Heitmann dürfte es, wenn er als „neuer Akteur ins Spiel eingreift“, hier und anderswo eher auf die sanfte Tour versuchen. Der PRler verfügt über ausgezeichnete Verbindungen. Das Karriere-Portal Linkedin führt ihn einem Ranking der am besten vernetzten ÖffentlichkeitsarbeiterInnen auf Platz fünf. Sein früherer SAP-Kollege Christoph Liedtke bestätigt dieses Votum: „Er ist einer der besten Netzwerker unter den Dax-Kommunikationschefs und in der Lage, Kontakte zu Meinungsführern und Multiplikatoren weltweit herzustellen.“ Als ein Instrument zur Beziehungsarbeit nutzt er den Kurznachrichten-Dienst Twitter. Eifrig meldet er sich dort zu Wort und betätigt sich als Verstärker der Worte anderer wie etwa derjenigen des Bild-Chefredakteurs Kai Dieckmann und weiterer einflussreicher JournalistInnen, was diese sicherlich zu schätzen wissen. Auch mit den mächtigen Konzernlenkern der Welt steht Heitmann sich gut. So ist er Beigeordneter des „European Roundtable of Industrialists“. Und bei der einflussreichen Lobby-Organisation für den unbeschränkten Welthandel, dem „International Chamber of Commerce“ kümmert der BAYER-Mann sich um die Informationstechnologie und das E-Business.

Neue Konzepte
Beim Global Player hat er erst einmal seinen Zuständigkeitsbereich erweitert. Auch die politische Strippenzieherei, die „Government Relations“, fallen nun in sein Ressort, denn nach Heitmanns Meinung sollte die gesamte Konzern-Kommunikation aus einem Guss sein und aus einer einzigen Abteilung kommen. „Andernfalls riskiert man, dass externe Zielgruppen die mangelnde interne Koordination aufdecken“, meint der PR-Chef. Komplett hat er seine Vorstellungen beim Leverkusener Multi allerdings nicht verwirklichen können. So ist es ihm nicht gelungen, Hoheit über die „Investor Relations“ zu gewinnen.
Die Pressearbeit vereinheitlichte Heitmann ebenfalls. Künftig beschränken sich seine PR-Leute in den Staaten mit Niederlassungen des Konzerns bei der Pflege der Marke „BAYER“ auf die jeweils zehn einflussreichsten Titel, wobei die Auswahl von links bis rechts und von Boulevard bis zu Spezial-Blättern reicht. Dem „Executive Vice President“ für „Corporate Brand, Communications and Government Relations“ passte es nämlich nicht, „dass manche Länder nur mit Fachmedien gearbeitet haben, andere nur mit unkritischen Journalisten“. Auch die Betreuung der einflussreichen Wirtschaftszeitungen Wall Street Journal und Financial Times entriss er der Länderhoheit. Diese Arbeit ist nun Chefsache und erfolgt direkt von der Leverkusener Zentrale aus. Zudem will Heitmann der visuellen Kommunikation mehr Platz einräumen, nicht zuletzt, weil es NGOs immer wieder gelingt, machtvolle Bilder zu produzieren. „Davon können wir lernen“, meint Heitmann.
Der schlechten Presse gewahr, die der Leverkusener Multi zur letzten Hauptversammlung erhielt, kündigt der PR-Stratege überdies eine kleine Charme-Offensive an. Dieses AktionärInnen-Treffen sei nicht repräsentativ für den Umgang mit KritikerInnen gewesen, betont er gegenüber dem prmagazin mit Blick auf die Aussperrung unliebsamer JournalistInnen und das Sprech-Verbot für eine ausländische BAYER-Geschädigte, die ihre Rede auf Englisch halten wollte. Er mache sich Gedanken über das Fremdsprachen-Problem und auch darüber, wie künftig nicht nur handverlesenen Medien-VertreterInnen der Zugang zu den heiligen Kölner Messehallen gewährt werden könne, so Heitmann.
Darüber hinaus will er alle BAYER-Beschäftigten zu ÖffentlichkeitsarbeiterInnen machen. „Zwar kann die Kommunikationsabteilung viel im Bereich Branding und Reputationsmanagement tun, doch das Ziel einer strahlenden Reputation und Marke kann nicht erreicht werden, sollte der Rest des Unternehmens nicht daran mitarbeiten“, meint der PRler ganz im Sinne seines Chefs. „Den Menschen erklären, wie BAYER zum besseren Leben der Menschen beiträgt: Das sieht BAYER-Chef Dr. Marijn Dekkers als Aufgabe für alle Mitarbeiter“, verkündet die Konzern-Postille direkt. Und weil dazu „auch gehört, zu Themen Stellung zu nehmen, die in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden“, liefert das Blatt ihnen unter der Rubrik „Critical Issue“ sogleich Argumentationshilfen etwa zum Freihandelsabkommen TTIP oder zu den lebensgefährlichen Nebenwirkungen hauseigener Arzneien. Und auf Fragen wie: „Sind gentechnisch veränderte Fragen gefährlich für meine Gesundheit“ oder „Warum brauchen wir Pflanzenschutzmittel“, hält die Intranet-Plattform „INDEBATE“ die richtigen Antworten bereit, da es BAYER zufolge nicht immer ganz leicht ist, hier „die richtigen Worte zu finden“.
Den Erfolg all dieser Anstrengungen, den Leverkusener Multi gutzumachen, lässt Heitmann genau messen. Diesen Job übernimmt für ihn das US-Unternehmen CARMA, das damit wirbt, spezielle Algorithmen entwickelt zu haben, um PR-Effekte quantifizieren zu können. Auf diese Weise will es schon den umstrittenen US-amerikanischen Waffenherstellern von der „National Rifle Association“ und der Weltbank zu einem besseren Karma verholfen zu haben. Konkret möchte Heitmann durch die Daten-Erhebung laut prmagazin „sicherstellen, dass seine Leute in allen Märkten konsistent Themen und Botschaften platzieren“. Darüber hinaus sollen diese besser verfangen. Den Zahlen-Wert des betreffenden Indikators will Herbert Heitmann mittels stärkerer Ziel-Orientierung und aktiverer Medienarbeit binnen drei Jahren verdoppeln.
Aber all diese Bemühungen um Konzern-Kosmetik werden am Ende nicht verfangen. Genauso wenig wie SchönheitschirurgInnen mit all ihren Tricks die menschliche Natur bezwingen können, vermögen es Heitmann und seine 400-köpfige Mannschaft letztendlich, das wahre Gesicht BAYERs zu verbergen. Dazu produziert die gnadenlose Profit-Jagd einfach zu viel offensichtliches Leid. Von Jan Pehrke

Heitmann zieht Gesprächsangebot an CBG zurück

[Geschichte CBG] STICHWORT BAYER 02/2015

CBG Redaktion

Die CBG im Interview

„BAYER unter demokratische Kontrolle stellen“

Interview mit Axel Köhler-Schnura (65), Gründungsmitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, über die Anfänge des Netzwerkes, seine Arbeitsweise, Ziele und Erfolge. Die Fragen stellte Christian Horn von der Zeitung Direkte Aktion.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren ist ja schon geradezu berühmt als konzernkritische Organisation, was die Größe, aber auch das über 30-jährige Engagement angeht. Wieso ausgerechnet der BAYER-Konzern?

Dass wir uns mit BAYER beschäftigen, hat seine Ursache in zwei großen Unfällen in Wuppertal im Jahr 1978. Damals waren Zehntausende von AnwohnerInnen betroffen. Einige AnwohnerInnen von diesen, darunter ich, gründeten eine Bürgerinitiative.
Ein Jahr später kam es zu einer weiteren Explosion in Dormagen, und wir vernetzten uns mit den dortigen Protesten. Als BAYER in Brunsbüttel ganze Dörfer für ein neues Werk vom Erdboden tilgte, kam es ebenfalls zu Widerstandsaktionen. 1980 lasen wir in der Zeitung, dass GREENPEACE einen Tanker von BAYER in der Nordsee blockiert, und so nahm die erste international abgestimmte Aktion ihren Lauf. So ist dann 1983 aus der Wuppertaler Bürgerinitiative das weltumspannende Selbsthilfe-Netzwerk der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) entstanden. In der Folge bekamen wir in aller Welt immer mehr Kontakte zu Gruppen und Personen, die sich kritisch mit dem in allen Ländern der Erde aktiven Konzern auseinandersetzen und Widerstand leisten. Im Ergebnis ist BAYER heute der erste Konzern, der rund um den Globus und rund um die Uhr unter kritischer Beobachtung steht. Und dem weltweit koordinierter Widerstand erwachsen ist.
Natürlich haben wir im Laufe der Zeit gemerkt, dass die Probleme bei BAYER in der einen oder anderen Form auch bei anderen Konzernen gegeben sind. Deswegen verstehen wie unsere Arbeit als beispielhaft und auf alle Konzerne übertragbar. Wir haben oft versucht – und versuchen das auch heute noch –, Menschen zu mobilisieren, dass sie sich um andere Konzerne in der gleichen Weise kümmern, wie wir das bei BAYER tun. Wir helfen ihnen dabei und geben ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten Unterstützung. Aber bisher ging es leider nicht über ein paar Anläufe hinaus.

Konzernkritik birgt ja immer so eine gewisse Gefahr, den Kapitalismus mit seinem Wachstumszwang zu verkürzen. Problematisch ist es ja etwa bei Banken, die gerne mal als Feindbild dienen. Besteht nicht schon eine gewisse Tendenz dazu bei Kritik an nur einer Branche bzw. einem Unternehmen?

Das ist tatsächlich ein Problem. Es gibt die Gefahr, dass alle Probleme auf „die Konzerne“ oder „das Finanzsystem“ verkürzt werden. Deshalb ist es wichtig, dass Konzernkritik eingebettet ist in Gesellschafts- und Systemkritik und dass die gesellschaftlichen Zusammenhänge immer mitthematisiert werden. Das tun wir bei der CBG. Wir verstehen uns als kapitalismuskritisches Netzwerk und thematisieren die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mit ihrem Profitzwang mit. Wir haben sogar in den 80er Jahren mal ein Umbauprogramm für den BAYER-Konzern debattiert. Wir haben dann zum 125-jährigen Jubiläum des Konzerns einen Umbau-Kongress in Leverkusen organisiert, und da hat das eine große Rolle gespielt. Man kann einen Konzern nicht umbauen, ohne die Gesellschaft umzubauen. Wir bringen das auf die Formel, dass der BAYER-Konzern unter demokratische Kontrolle gestellt werden muss – wie alle Konzerne überhaupt. Und da wird sofort deutlich: Unsere konzernkritische Arbeit zu BAYER ist beispielhaft für die konzern- und gesellschaftskritische Arbeit insgesamt, mit „Verkürzung“ und „Branchen-Blindheit“ hat das nichts zu tun.
Auch thematisieren wir, dass hinter dem Konzern die Besitzer, die AktionärInnen, stehen. Man kann ganz allgemein sagen, dass die mittlerweile legendäre Handvoll von Ultra-Reichen, die die Hälfte des Weltvermögens besitzt, natürlich auch die Hälfte der Konzern-Aktien besitzt. Das ganze Gerede von der „Aktionärsdemokratie“ ist dabei nichts als Augenwischerei. Es gibt bei den Konzernen, so auch bei BAYER, tatsächlich Hunderttausende von AktionärInnen, aber 99,9 Prozent haben mit ihren paar Aktien nichts zu sagen. Sie sind nichts als Trittbrettfahrer, was ja auch schon schlimm genug ist. Derzeit besitzen etwa BLACKROCK und CAPITAL GROUP, zwei Finanz-Investoren, hinter denen sich die oben genannten Ultra-Reichen anonym verbergen, 46 Prozent aller BAYER-Aktien. Sinnigerweise sind es dieselben Finanz-Unternehmen, die die Europäische Zentralbank beraten, die die berüchtigten großen Rating-Agenturen besitzen – und die inzwischen ganz offen an allen DAX-Konzernen vergleichbare Pakete halten. Sie bestimmen – einzig im Gewinninteresse ihrer das Licht der Öffentlichkeit scheuenden „stockholder“ – über Wohl und Wehe der Welt.

Lass uns mal in eine entfernte Zukunft schauen. Wie kann BAYER in der Utopie in eurem Sinne aussehen?

Da haben wir keine endgültigen Vorschläge. Klar ist, wie bereits gesagt, dass der BAYER-Konzern unter demokratische Kontrolle gestellt werden muss und dass das Profit-Prinzip zugunsten eines Solidar-Prinzips gebrochen werden muss. Es muss also ein gesellschaftlicher Wandel her. Erst der wird eine Demokratie schaffen, die es ermöglicht, BAYER und die anderen Konzerne im Sinne der Mehrheit der Menschen zu kontrollieren. Die ganzen konkreten Fragen wie Produkte, Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, Produktion usw. werden dann nicht ohne die Beschäftigten, ohne die Bevölkerung sowie ohne große gesellschaftliche Debatten zu lösen sein. Da werden ja Fragen angesprochen wie Ressourcen-Verbrauch, Konsum-Verhalten, Notwendigkeit von Großproduktion usw.
Wenn man über diese Zukunft sprechen will, kann man sagen, dass sie erstens noch in weiter Ferne liegt, und zweitens, dass wir uns aber dringend auf den Weg dorthin machen müssen, soll die BAYER-Produktion tatsächlich einmal umweltfreundlich, friedlich und sozial verträglich werden; rechtzeitig, bevor die Öko-Systeme zusammenbrechen und/oder Kriege allem ein Ende bereiten. Wir können heute schon jeden Tag dafür kämpfen, dass Konzernmacht gebrochen wird, dass gesellschaftliche Veränderungen herbeigeführt werden. Und wir können über diese Fragen Diskussionen in Gang bringen. Wie können Konzerne kontrolliert und vergesellschaftet werden? Wie soll und kann die Produktion umgebaut werden? Wie sollen und können die Produkte bei BAYER und anderen Konzernen die gesellschaftlichen, ökologischen, friedenspolitischen und sonstigen Notwendigkeiten erfüllen?

Spannend wäre mal zu erfahren, wie das Verhältnis von euch als Nichtregierungsorganisation (NGO) zur zuständigen Gewerkschaft ist – da ihr ja äußerst kritisch mit dem Konzern umgeht. Die INDUSTRIEGEWERKSCHAFT BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) gilt ja selbst im DGB als äußert gemäßigt und konfliktscheu.

Alles, was ich bisher sagte, gilt natürlich auch für die Arbeit mit und vor allem auch in den Gewerkschaften. Bevor ich aber darauf näher eingehe, möchte ich einige Vorbemerkungen loswerden.
Die CBG ist ein nicht-hierarchisches, nicht mit festen Strukturen versehenes Selbsthilfe-Netzwerk. In diesem Netzwerk arbeiten ca. 70.000 Menschen und Organisationen auf der ganzen Welt zusammen. Gemeinsam ist ihnen die Betroffenheit durch den BAYER-Konzern. In vielfältiger Weise und in unterschiedlichem Ausmaß. Jeder Teil des Netzwerkes, jede Organisation, jede Person, ist selbst für ihr Handeln verantwortlich, bringt es aber in das Netzwerk ein. Eine Ebene im Netzwerk gibt es in Deutschland, die die Kritik, die Aktionen und die Probleme, die irgendwo auf dem Planeten stattfinden, hier bündelt, weil hier in Deutschland, in Leverkusen, die Konzern-Zentrale, das Headquarter, für die ganze Welt ist. Dazu werden hier in Deutschland eigene Kampagnen und Aktionen durchgeführt. So geht die CBG etwa seit 30 Jahren auf die Hauptversammlung der BAYER AG und konfrontiert die Vorstände und die AktionärInnen, aber auch die dort im Aufsichtsrat sitzenden GewerkschafterInnen, mit dieser Kritik, mit den Kehrseiten der BAYER-Profite.
Die zweite Vorbemerkung ist, dass die CBG ein politisches Netzwerk ist und dass sie auf der Basis eines politischen Konsenses arbeitet. Der Konsens ist die bereits genannte Konzern- und Gesellschaftskritik. In dem Netzwerk kann jeder mitarbeiten, über alle weltanschaulichen Grenzen hinweg, der auf dieser Basis mitarbeiten möchte. Keine Zusammenarbeit gibt es prinzipiell allerdings mit Rassisten und Faschisten.
Auf dieser Basis gehen wir auch mit den Gewerkschaften um; und zwar nicht nur in Deutschland und nicht nur mit der IG BCE, sondern auch auf der ganzen Welt mit allen Gewerkschaften. Dabei machen wir sehr unterschiedliche Erfahrungen.
Ja, es stimmt, dass die IG BCE in Deutschland eine ganz besondere Rolle spielt. Die IG BCE ist ein Klon der Industrie, wie kaum eine andere Gewerkschaft. Es gibt wichtige Informationen, die in der offiziellen Geschichtsschreibung der IG BCE nicht vorkommen. 1918, nach der Novemberrevolution, hat Carl Duisberg, der damalige berühmt-berüchtigte Generaldirektor von BAYER, nach dem Schulen, Straßen und Plätze in Deutschland benannt sind, eine programmatische Schrift veröffentlicht, die mit dem Satz beginnt: „Es soll nie wieder geschehen, dass Arbeiter mit roten Fahnen durch die BAYER-Werke ziehen.“ Er hat ein umfassendes Programm entworfen, das auf Zuckerbrot und Peitsche basiert und zum Ziel hatte, die Organisationen der Arbeiterbewegung, insbesondere die in den Betrieben aktiven Gewerkschaften, auf kaltem Weg, ohne konfrontative Auseinandersetzung mit dem Risiko neuer Aufstände, ihrer Wirkungskraft zu berauben. Das Prinzip war einfach: Gewerkschaften kriegen Unmengen Zucker, wenn sie nach der Pfeife des Konzerns tanzen, sie kriegen gnadenlos die Peitsche, wenn sie Widerspruch organisieren. Zucker etwa waren die Direktionsgehälter, Dienstwagen und Chauffeure für gewählte Betriebsräte, Peitsche war z. B. die maximale Verunmöglichung gewerkschaftlicher Betätigung im Betrieb, selbst die Vertrauensleute-Wahlen mussten außerhalb des Betriebs durchgeführt werden. Zugleich wurde ein System betrieblicher Vertrauensleute installiert, das der Geschäftsleitung untersteht, bei dem dafür gesorgt wurde, dass die betrieblichen und gewerkschaftlichen Vertrauensleute ein und dieselben Personen waren. Auch wurden die Weichen mit allen Mitteln so gestellt, dass die Betriebsräte mit für die Direktion genehmen Leuten besetzt wurden. Insgesamt wurden die Kolleginnen und Kollegen von der Wiege bis zur Bahre in ein Versorgungssystem des Konzerns mit tausend Annehmlichkeiten eingebunden, darunter komfortable Werkswohnungen, Freizeit- und Kulturvereine für alles nur Erdenkliche bis hin zu dem heute noch existierenden Bundesligaverein und eigenen BAYER-Kaufhäusern, in denen bargeldlos bereits im Sommer mit dem Weihnachtsgeld eingekauft werden konnte. Bei der geringsten Unbotmäßigkeit wurde allerdings sofort und radikal alles entzogen.
Im Rahmen des Zusammenschlusses der gesamten deutschen chemischen Industrie zur IG Farben unter Federführung von Carl Duisberg in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde diese Herangehensweise an die Gewerkschaften deutschlandweite Praxis in der Chemie-Industrie insgesamt.
Und weil das dann tatsächlich so schön bei BAYER und in dem von BAYER betriebenen Zusammenschluss der gesamten deutschen chemischen Industrie zur IG Farben für betrieblichen und gewerkschaftlichen Frieden gesorgt hatte – mal von der von BAYER und den IG Farben natürlich nur wohlwollend begleiteten Zerschlagung der Gewerkschaften insgesamt durch die Hitler-Faschisten abgesehen –, wurde dieses System zur Domestizierung der Gewerkschaften direkt nach der Zerschlagung des Dritten Reiches und der als Kriegsverbrecher verurteilten IG Farben in den Konzernen der chemischen Industrie wieder reaktiviert. So war es beispielsweise in der chemischen Industrie bis in die frühen 80er Jahre hinein weiterhin nicht möglich, die gewerkschaftlichen Vertrauensleute innerhalb der Betriebe zu wählen. Es galt weiter knallhart das von Carl Duisberg ausgerufene Prinzip: Wer kooperiert, wird belohnt, wer stört, fliegt raus. Arbeitsrecht hin oder her. Willfährige „Mitarbeiter“ kamen in den Genuss vergleichsweise tatsächlich sehr hoher Löhne, konnten vom Segelsport bis zum Ballonfahren alles auf BAYER-Kosten betreiben, waren sich sicher, dass die Kinder und die Enkel „beim BAYER“ unterkamen, usw. usf. Wer aufmuckte, wurde vom in Gestapo-Manier schwarz gekleideten und bewaffneten (!) Werkschutz am Arbeitsplatz abgeholt und musste den Betrieb verlassen. Selbst einer Betriebsrätin wurde wegen ihres von BAYER als kritisch empfundenen Landtagsmandats für die Grünen fristlos gekündigt, obwohl es keinerlei Rechtsgrundlage gab, auf der das möglich gewesen wäre.
Generation um Generation wurden so in der Chemiebranche willfährige GewerkschafterInnen herangezüchtet, vorneweg beim BAYER-Konzern, der in der Tradition der IG Farben noch bis in die 90er Jahre hinein die führende Rolle in der gesamten Chemiebranche innehatte. So ist nur bezeichnend, dass die Rechtsaußen unter den Vorsitzenden der IG BCE, Hermann Rappe und Michael Vassiliadis, der aktuell noch den Vorsitz innehat, beide aus dem BAYER-Stall kommen.
Diese von Carl Duisberg und BAYER betriebene Politik zur Brechung gewerkschaftlichen Bewusstseins zog Kreise. Das wird u. a. deutlich daran, dass bei BAYER nicht nur die Vorsitzenden der IG BCE, sondern auch die des DGB im Aufsichtsrat sitzen. Und dass die rechtssozialdemokratisch vom WELTGEWERKSCHAFTSBUND abgespaltenen Gewerkschaftszusammenschlüsse, die EUROPÄISCHE GEWERKSCHAFTSFÖDERATION bzw. die WELTGEWERKSCHAFTSFÖDERATION, über die IG BCE infiltriert und mit Funktionären besetzt wurden. So war BAYER-Klon Herman Rappe bis Mitte der 90er Präsident sowohl der WELT-CHEMIE-FÖDERATION als auch der EUROPÄISCHEN CHEMIE-FÖDERATION. Der aktuelle IG BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis ist Lebensgefährte der SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi und Präsident der neuen IndustriALL Europe, in der sich 2012 die verschiedenen Europäischen Gewerkschaftsföderationen zusammengeschlossen haben. Mit dieser Funktion vertritt er Europa in der vom IG Metall-Vorsitzenden Berthold Huber geführten INDUSTRIALL GLOBAL, dem parallel vollzogenen Zusammenschluss der internationalen Gewerkschaftsföderationen – nach wie vor in Abgrenzung zum WELTGEWERKSCHAFTSBUND.
Das alles bekommen wir bei der CBG dann in unseren gewerkschaftlichen Kontakten natürlich zu spüren. Rechte GewerkschafterInnen der IG BCE werden vom Konzern-Vorstand gegen uns, aber auch gegen andere konzern- und gesellschaftskritische Bewegungen, ja selbst gegen fortschrittliche gewerkschaftliche Strömungen, in Position gebracht; die IG BCE und die Internationale Föderation der Chemiegewerkschaften grätschen dazwischen, wann immer Gewerkschaften aus anderen Ländern mit uns kooperieren.

Also ist das Verhältnis meistens konfrontativ?

Nein, ganz im Gegenteil. Die Gewerkschaften sind trotz aller Probleme nicht mit dem Konzernvorstand oder gar den Besitzern, den Großaktionären, zu verwechseln. Natürlich lassen wir den rechten, konzerntreuen GewerkschafterInnen nicht alles durchgehen. So entlasten wir die Gewerkschaftsfunktionäre im Aufsichtsrat auf den Hauptversammlungen schon lange nicht mehr, weil sie die von uns dort vorgebrachten BAYER-Schweinereien über ihr Aufsichtsratsmandat in aller Regel mitgetragen haben und sich auch nachträglich nicht distanzieren. Andererseits aber arbeiten wir trotz allem immer wieder sehr konstruktiv auf der persönlichen Ebene mit GewerkschafterInnen der IG BCE zusammen. International – und das beginnt bereits außerhalb von Deutschland in anderen europäischen Ländern – kämpfen wir sowieso konsequent gemeinsam mit Gewerkschaftsgliederungen und GewerkschafterInnen gegen Lohndumping und andere betriebliche Probleme. Prinzipiell verteidigen wir die gewerkschaftlichen Prinzipien und stehen fest an der Seite der Gewerkschaften, wenn es darum geht, dass BAYER die Gewerkschaften aggressiv aus den Betrieben drängt, so wie es beispielsweise in den USA, Asien und Lateinamerika massiv der Fall ist.

Welche Erfolge hattet ihr bisher?

Da wir uns nunmehr bereits seit 36 Jahren mit dem Konzern auseinandersetzen, und das sehr konsequent, ist die Liste unserer Erfolge unendlich lang. Beispielsweise haben wir Verbesserungen beim Umweltschutz und den Arbeitsbedingungen durchgesetzt. Wir haben Skandale aufgedeckt und staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt. Wir haben Streiks und Arbeitskämpfe in aller Welt unterstützt. Wir haben die Wiedereinstellung entlassener KollegInnen und Mindestlöhne mit durchgesetzt. Das alles natürlich nie alleine als CBG, immer im Bündnis mit anderen Organisationen vor Ort, immer innerhalb aller vielen zehntausend Organisationen und MitstreiterInnen unseres Netzwerkes.
Ich möchte mal an einem Beispiel erläutern, wie so etwas läuft: In Australien haben wir vor langen Jahren verhindert, dass ein neues Pestizidwerk von BAYER errichtet wird, obwohl der Bau bereits begonnen hatte. Natürlich auch in diesem Fall nicht alleine, sondern in einem breiten Bündnis. In dem Fall auch unter massiver Einbeziehung der Gewerkschaften. Dieses Werk sollte in einem Naturschutzgebiet gebaut werden. In der Nähe lag ein kleines Dorf. Die EinwohnerInnen haben das mitbekommen und Kontakt mit uns in Deutschland aufgenommen. Wir haben sie über den Konzern, die Produkte und die Art des Werkes informiert. Das Dorf hat Widerstand organisiert. Dieser Widerstand ging dann über die Grenzen des Dorfes hinaus in den Landesbezirk. Die Umweltverbände wurden aufmerksam. Aber da nun alles bereits bestens geregelt war, das Werk parlamentarisch bereits genehmigt war, führte der Protest in eine Sackgasse. Immer mehr Öffentlichkeit schaltete sich ein, es kam zum landesweiten Skandal. Die Regierung geriet unter Druck, wagte es aber nicht, einen Konzern wie BAYER zu brüskieren und die Genehmigung zurückzuziehen. Der Protest wuchs mehr und mehr. Es wurden Unterschriftenlisten gesammelt. Die Regierung meinte dann in ihrer Not, den Joker zu ziehen, indem sie eine landesweite Volksabstimmung anordnete. Sie baute darauf, dass die anderen, nicht direkt betroffenen und Tausende Kilometer weit entfernten Landesteile sich auf ihre Seite schlagen würden und sie dann gegenüber BAYER aus dem Schneider wären. Es kam aber anders, die Volksabstimmung wurde von der Protestbewegung haushoch gewonnen, das BAYER-Werk konnte nicht errichtet werden. Übrigens haben sich die australischen Gewerkschaften nach diesem gemeinsamen Erfolg dann ausdrücklich in schriftlicher Form bei der CBG bedankt.
Ein anderes Beispiel: Der Konzern hat hier in Deutschland Ende der 80er Jahre im großen Stil gegen uns prozessiert. Wir haben in skandalösen Verfahren, in denen beispielsweise die Richter nicht einen einzigen Beweis von uns zuließen, sämtliche Prozesse durch alle Instanzen verloren und mussten Hunderttausende von DM an Prozesskosten und Strafen zahlen – unter diesen Schulden von damals leiden wir übrigens noch heute. Wir sahen nur noch die Möglichkeit, die BAYER-freundlichen Prozesse selbst als Verletzung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit und Verstoß gegen die Verfassung vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen, und haben eine entsprechende Verfassungsklage eingereicht. 1992 gewannen wir den Prozess und haben damit Geschichte für die Meinungsfreiheit geschrieben. Das Urteil hat bis heute Bestand und wird z. B. unter Nennung unseres Namens an den journalistischen Hochschulen gelehrt. Der Prozess wurde von allen großen Medienhäusern durch ihre Rechtsabteilungen beobachtet. Sie wussten, worum es geht: Wäre er negativ ausgegangen, hätte das verheerende Auswirkungen auf die gesamte demokratische Landschaft der Bundesrepublik gehabt.

Und was steht bei euch aktuell an?

Weltweit laufen zahlreiche Kampagnen. Eine der wichtigen Kampagnen, die wir seit 15 Jahren führen, ist die Kampagne zum Bienensterben. Das hört sich tierschützerisch an, was im Übrigen ja auch schon reichen würde, aber tatsächlich geht es um die Ernährungsgrundlagen der Menschheit. Ohne Bienen keine Lebensmittel, so einfach ist das. Das Bienensterben nimmt exponentiell zu. Wesentliche Ursache sind BAYER-Pestizide.
Eine andere Kampagne führen wir anlässlich des hundertsten Jahrestags des Beginns des Ersten Weltkriegs. Wir machen die Verantwortung des BAYER-Konzerns für diesen Krieg deutlich. Und darüber hinaus erinnern wir an das Verbrechen der chemischen Kampfstoffe, die BAYER in diesen Krieg eingebracht hat und bei denen BAYER dafür gesorgt hat, dass sie auch zum Einsatz kamen.
Ein drittes Beispiel, das aber auch die Vielfalt unserer Kampagnen illustriert, sind die Aktionen gegen die Aushebelung der Freiheit der Wissenschaft. Wir prozessieren beispielhaft gegen den massiven Einfluss BAYERs auf die medizinische Forschung der Universität Köln und haben dabei die Unterstützung nicht nur großer Teile der demokratischen Öffentlichkeit, sondern auch vieler Fachleute aus Politik und Gesellschaft.

Nun hören wir immer wieder, dass Ihr in Eurer Existenz bedroht seid. Was ist da los? Was kann da getan werden?

Das stimmt. Seit drei Jahren sind wir zu einem Kampf um Rettung und Erhalt unserer Arbeit und unseres Netzwerkes gezwungen. Dabei muss man wissen, dass wir uns ausschließlich aus Spenden und Förderbeiträgen finanzieren. Wir arbeiten bis auf eine einzige festangestellte Person alle ehrenamtlich. Auch das ist übrigens für eine international aktive Organisation unserer Wirkungsmacht ziemlich einzigartig in der NGO-Landschaft.
Unsere SpenderInnen und Mitglieder stammen natürlich nicht aus den Reihen der Ultra-Reichen, sondern durchweg aus kleinen Verhältnissen. Im Zuge der brutalen Deregulierung des Kapitalismus mit seinen verheerenden Folgen für die Einkommen der kleinen Leute sind unsere Spenden und Beiträge dramatisch eingebrochen. Verschärft hat sich diese Entwicklung im Zuge der Finanzkrise. Wir standen Ende 2010 vor dem finanziellen Kollaps.
Entsprechend führen wir bis heute eine Rettungskampagne. Wir brauchen mindestens 500 neue Fördermitglieder. Etwa 400 haben wir bereits, es fehlen also noch einige. Noch haben wir keinen sicheren Boden unter den Füßen. Gegen die Macht des Konzerns setzen wir die Solidarität der Menschen. Jede Spende zählt. Jede Fördermitgliedschaft stärkt uns.

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Umbenennungskampagne geht weiter
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele Menschen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund und Lüdenscheid hatte das schon Erfolg (siehe auch SWB 1/15), während Bonn einen entsprechenden Antrag ablehnte. Aus Waldshut-Tiengen kam ebenfalls ein abschlägiger Bescheid. In anderen Orten, wie z. B. in Frankfurt, Marl und Dormagen, läuft die Kampagne unterdessen weiter. Zudem gibt es neue Aktivitäten. So schrieb ein CBG-Mitglied an Bundestagsmitglieder, um eine Umbenennung der „Carl-Duisberg-Gesellschaft“ (CDG) anzuregen, die auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe tätig ist und staatliche Förderungen erhält. Die Politiker wandten sich wiederum an das Entwicklungshilfe-Ministerium. Dieses antwortete, keine rechtliche Handhabe dafür zu haben, die Gesellschaft umzutaufen, sagte aber zu, mit der CDG eine „neutrale Namensgebung bei öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen“ zu erörtern. Und die CBG selber forderte die „Gesellschaft deutscher Chemiker“ auf, den „Carl-Duisberg-Gedächtnispreis“ nicht länger zu verleihen und sich für die Auszeichnung einen neuen Namenspatron zu suchen. Dem dürfte der Verband allerdings kaum nachkommen, denn in seinem Vorstand sitzt auch ein BAYER-Vertreter. Allerdings sagte der Chefredakteur der Verbandszeitschrift Nachrichten aus der Chemie, Dr. Ernst Guggolz, zu, sich in einer der nächsten Ausgaben mit der Causa Duisberg zu befassen. Darüber hinaus hat sich die Coordination mit dem Begehr an die Universität Marburg gewandt, Duisberg die 1927 verliehene Ehrendoktor-Würde wieder abzuerkennen.

Duisberg-Veranstaltung in Leverkusen
Am 4. März 2015 hielt die Historikerin Kordula Kühlem in Leverkusen einen Vortrag zum Thema „Carl Duisberg, BAYER und der Erste Weltkrieg“. Kühlem, die 2012 die Briefe Carl Duisbergs – with a little help from BAYER – herausgegeben hat, stellte den ehemaligen Generaldirektor des Konzerns als eine historische Randfigur ohne großen politischen Einfluss dar. Diese Bild korrigierte CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes jedoch, indem er auf die Mitgliedschaft des Chemikers in der rechtsextremen „Deutschen Vaterlandspartei“ und die entscheidende Rolle hinwies, die dieser bei der Rekrutierung von ZwangsarbeiterInnen aus dem „Menschenbassin Belgien“ im Ersten Weltkrieg spielte. Unvermeidlich kam bei der Veranstaltung auch der aktuelle Streit um Umbenennungen von „Carl-Duisberg-Straßen“ zur Sprache (s. o.). Die Geschichtswissenschaftlerin räumte in der Diskussion zwar ein, dass man aufgrund von Carl Duisbergs Beteiligung an der Entwicklung von chemischen Kampfstoffen „zu dem Schluss kommen könne, Ehrenbezeugungen rückgängig zu machen“, ihrer eigenen Position entspreche dies jedoch nicht. Für Kordula Kühlem überwogen weiterhin die Verdienste des Mannes.

Promis gegen „Food Partnership“
Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit dem Leverkusener Multi, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in zwei Projekte mit BAYER-Beteiligung, die „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und die „Competitive African Rice Initiative“ (CARE). Diese dienen dem Agro-Riesen als Vehikel, um seinen nach einer agro-industriellen Produktionsweise verlangenden, sich nicht zur Wiederaussaat eignenden Hybrid-Reis zu vermarkten. Gegen diese Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe der Konzerne haben jetzt zahlreiche bekannte Persönlichkeiten gemeinsam mit der Initiative OXFAM protestiert. Der Hamburger TV-Koch Ole Plogstedt setzte einen unter anderem von Jan Delay, Roger Willemsen und Jan Josef Liefers unterzeichneten Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller auf. In dem Schriftstück fragen Plogstedt, Delay & Co. die PolitikerInnen: „Forscher und Nichtregierungsorganisation sind sich einig, dass nur das kleinbäuerliche Anbau-Modell langfristig den globalen Hunger beenden könnte – und nicht die industrielle Landwirtschaft. Wie kommt also das deutsche Ministerium für Entwicklung (BMZ) dazu, Konzern-Giganten wie BAYER, BASF und MONSANTO mit der Hunger-Bekämpfung zu beauftragen?“ Der Leverkusener Multi hingegen weist die Kritik als reflexhaft zurück. „Sobald ein Konzern mit großem Namen im Spiel ist, wird das verteufelt“, moniert „Nachhaltigkeitssprecher“ Martin Märkl nicht ohne zu betonen, wie sehr dem Konzern doch das Los der Kleinbauern und -bäuerinnen am Herz lege.

Unterschriften gegen Alt-Pipeline
Der Leverkusener Multi hat bereits eine Kohlenmonoxid-Pipeline in Betrieb. Seit 2002 darf er das Giftgas nämlich von Dormagen nach Leverkusen in einer zehn Kilometer langen Leitung transportieren. Und das alles unter noch prekäreren Sicherheitsbedingungen als bei dem jetzt zwischen Dormagen und Krefeld fertiggestellten, aber immer noch seiner Betriebsgenehmigung harrenden Röhren-Werk. Die Bezirksregierung Köln hat BAYER damals nämlich einfach erlaubt, eine 1968 für den Transport von Kohlendioxid errichtete Verbindung umzuwidmen und für CO zu benutzen. Dem Global Player zufolge entspricht diese aber gleichwohl dem „Stand der Technik“. Gottfried Schweitzer, langjähriges Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN aus Leverkusen, zweifelt das allerdings an. Er hat nicht nur eine Klage gegen die Genehmigung eingereicht, sondern startete auch eine Unterschriften-Aktion zur Stilllegung der Giftgas-Pipeline.

CBG-Vortrag in Drüpplingsen
Ende Januar 2015 hatte der UMWELTVEREIN DRÜPPLINGSEN CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes zu einem Vortrag über die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs Landwirtschaftsgeschäft eingeladen. Bei dessen Bestandsaufnahme, die von Ackergiften bis hin zur Veterinär-Medizin reichte, musste er viel Überzeugungsarbeit leisten. Gut die Hälfte des Publikums bestand nämlich aus Bauern und Bäuerinnen, und überdies zählte ein Pestizid-Berater der Landwirtschaftskammer zu den Gästen. Der CBGler tat sein Bestes und hatte auch gute Argumente, aber alle Anwesenden konnte er trotzdem nicht zur ökologischen Landwirtschaft bekehren.

Aprilscherz der taz
Unter der Überschrift „BAYER unterstützt kritischen Journalismus“ meldete die taz: „Der Pharma-Riese richtet eine Stiftungsprofessur für investigativen Journalismus ein – ausgerechnet an der Hochschule, mit der das Unternehmen selbst Geheimverträge unterhält.“ Aber der Leverkusener Multi tat dies dem Blatt zufolge mit Bedacht. Als ein „klares Bekenntnis zu Transparenz in der privaten Hochschul-Finanzierung“ wollte BAYER-Vorstand Werner Baumann diesen Schritt verstanden wissen. Hochschul-Direktor Axel Freimuth pflichtete ihm bei und nannte die Stiftungsprofessur mit Blick auf die Zusammenarbeit zwischen der Uni und dem Pillen-Riesen auf dem Gebiet der Pharma-Forschung ein „fehlendes Beweisstück für die durchweg lautere Kooperation“. Allein, es war alles zu schön, um wahr zu sein – einen Tag später kam die Ernüchterung. „Von Bewerbungen bei BAYER als Professor bittet die taz abzusehen“, schrieb die Zeitung, bei der Meldung habe es sich um einen Aprilscherz gehandelt.

KAPITAL & ARBEIT

Verkauf der Diagnostika-Sparte
2006 hatte BAYER zur Finanzierung der SCHERING-Übernahme die Diagnostika-Sparte für 4,2 Milliarden Euro an SIEMENS abgestoßen. Nur die Abteilungen mit Kontrastmitteln und Diabetes-Apparaturen verblieben im Unternehmen. Das Geschäft mit den Röntgenkontrastmitteln MAGNEVIST und ULTRAVIST hat der Leverkusener Multi einstweilen seiner Tochterfirma MEDRAD zugeschlagen. Dasjenige mit den Blutzucker-Messgeräten stellte er 2013 gleich ganz zum Verkauf, denn Billiganbieter und die neue Politik der Krankenkassen, die Kosten für die Teststreifen nicht mehr in allen Fällen zu übernehmen, hatten für sinkende Profite gesorgt. Allerdings fand der Pharma-Riese dafür lange keinen Interessenten. Dies gelang erst im Juni 2015. In diesem Monat veräußerte er das Diabetes-Care-Geschäft für rund eine Milliarde Euro an PANASONIC HEALTHCARE, eine dem Unternehmen PANASONIC und dem Finanzinvestor KKR gehörende Gesellschaft. Wie viele Arbeitsplätze damit im Konzern verloren gehen, teilte der Pharma-Riese nicht mit.

Erfolg für belgische Beschäftigte
Im letzten Jahr hatte BAYER die Trennung von der Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) bekanntgegeben. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE wehrte sich bis zuletzt gegen diesen Schritt, konnte sich letztlich aber nicht durchsetzen. Als „Schmerzensgeld“ gestand das Management der Gewerkschaft eine Arbeitsplatz-Garantie für die BMS-Beschäftigten bis 2020 – also auch noch für die ersten Jahre der Post-BAYER-Zeit – zu. Allerdings galt diese Übereinkunft nur für die rund 6.500 KollegInnen in den deutschen Werken. Das Schicksal der 10.000 anderen Belegschaftsmitglieder in den über die ganze Welt verstreuten Niederlassungen war nicht Gegenstand der Gespräche. Die belgische Gewerkschaft ALGEMEEN BELGISCH VAKVERBOND (ABVV) reagierte prompt und forderte, die Regelung auf die BMS-WerkerInnen am Standort Antwerpen zu übertragen. Der Konzern weigerte sich jedoch lange. Erst nach zähem Ringen gelang es den BetriebsrätInnen schließlich, eine Gleichbehandlung durchzusetzen.

Institute comes home
Der Leverkusener Multi hat die Pestizid-Produktion im US-amerikanischen Institute wieder an seinen früheren Besitzer UNION CARBIDE verkauft. In die Schlagzeilen geriet die Niederlassung 2008 durch eine verheerende Explosion, bei der zwei Arbeiter starben. Auch vorher schon hatten sich in dem einstigen Schwester-Werk der berühmt-berüchtigten Anlage von Bhopal immer wieder Störfälle ereignet. Nach dem großen Knall musste BAYER aus Sicherheitsgründen die Herstellung der Chemikalie Methylisocyanat aufgeben. Zudem drängten die US-amerikanischen Aufsichtsbehörden den Chemie-Riesen dazu, die Fabrikation des gesundheitsgefährdenden Ackergifts Aldicarb und anderer Pestizide einzustellen. Damit begründet das Unternehmen jetzt auch die Desinvestition. „Ohne zusätzliche Produktionskapazität hat BAYER CROPSCIENCE nicht die benötigte kritische Masse, um die Anlage in eigener Regie weiterhin profitabel betreiben zu können“, sagte ein Konzern-Sprecher. Lediglich die Fertigung von Thiodicarb erhält der Pillen-Riese dort – in nun angemieteten Hallen – aufrecht. Dies bietet jedoch nicht genug Beschäftigung für die 150 Belegschaftsangehörigen. Den meisten von ihnen steht deshalb eine ungewisse Zukunft bevor.

Wenning einflussreichster Aufsichtsrat
Mit seinem Posten als BAYER-Aufsichtsratschef fühlt sich Werner Wenning noch längst nicht ausgelastet. Dieselbe Position bekleidet er bei E.ON, und bei SIEMENS rückte er jüngst zum Aufsichtsratsvize vor. Einfache Mandate nimmt er zudem in den Kontrollgremien der DEUTSCHEN BANK und der Versicherungsgesellschaft TALANX wahr. Darüber hinaus hat Wenning Sitze in den Gesellschafter-Ausschüssen von HENKEL und FREUDENBERG. Wegen dieser Ämterhäufung bestimmte die „Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ den ehemaligen BAYER-Chef nun zum einflussreichsten Aufsichtsrat der Deutschland AG.

Manager, wechsel-dich
ManagerInnen ist es egal, was sie wo machen, nur ein Schritt auf der Karriere-Leiter muss es sein. Deshalb herrscht seit einiger Zeit ein reges Kommen und Gehen in BAYERs Führungsetage. Olivier Brandicourt, der erst 2013 Jörg Reinhardt als Pharma-Boss ersetzt hatte, weil dieser den Chef-Posten bei NOVARTIS ergattern konnte, kündigte beim Leverkusener Multi, um Vorstandsvorsitzender bei SANOFI zu werden. Geld bekam Reinhardt schon, bevor er überhaupt dort auftauchte: Der französische Pillen-Riese zahlte ihm eine „Antrittsprämie“ in Höhe von vier Millionen Euro. Die Politik reagierte empört. „Diese Leute haben noch nicht einmal die Leitung einer Firma übernommen und bekommen schon eine unverhältnismäßige Zahlung“, kritisierte Regierungssprecher Stephane Le Foll.

BAYER gegen Frauen-Quote
Im März 2015 hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das Aktien-Gesellschaften vorschreibt, den Frauen-Anteil in ihren Aufsichtsräten auf mindestens 30 Prozent zu steigern. BAYER zeigte sich darüber alles andere als erfreut. „Ein Freund von vorgeschriebenen Quoten sind wir nicht“, sagte Konzern-Sprecher Markus Siebenmorgen: „Wir besetzen Positionen grundsätzlich nach der jeweiligen Qualifikation und nicht nach Geschlecht.“ Jetzt muss das Unternehmen sich sputen. In seinem Aufsichtsrat sitzen gegenwärtig nämlich nur zu 20 Prozent Frauen, und im Konzern-Führungskreis sind die Herren Manager sogar zu 87 Prozent unter sich.

BAYER zahlt Bonus
Der Leverkusener Multi hat 2014 mal wieder einen Rekord-Gewinn eingefahren und gibt dafür seinen Angestellten auch artig Trinkgeld, sich dabei sichtlich in der Rolle des guten Königs gefallend. 420 Millionen Euro schüttet er an die 18.200 Tarif-Beschäftigten in der Bundesrepublik aus, 90 Millionen mehr als im letzten Jahr. Die Belegschaftsangehörigen von BAYER MATERIALSCIENCE dürften sich jedoch kaum über die Bonus-Zahlung gefreut haben, denn für sie wird es eine der letzten gewesen sein. Der Konzern will nämlich in Zukunft noch höhere Rekord-Gewinne einfahren und betrachtet die Kunststoff-Sparte dabei als Hindernis. Deshalb beschloss er, sich von dem Bereich zu trennen. Wie immer bei BAYER trägt also ein Teil der Belegschaft die Kosten für das, was das Unternehmen „ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr“ nennt.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Vor 60 Jahren: Freispruch für Peters
DEGESCH, eine Tochterfirma der vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN, lieferte im „Dritten Reich“ das Zyklon B für die Gaskammern. Deshalb verurteilte ein Gericht 1949 Gerhard Peters als Geschäftsführer des Unternehmens, das noch bis 1986 zu 37,5 Prozent BAYER gehörte, wegen Beihilfe zum Mord zu einer fünfjährigen Zuchthaus-Strafe. Peters erreichte jedoch – mit Unterstützung von 200 bekannten Persönlichkeiten – eine Wiederaufnahme des Verfahrens, das 1955 tatsächlich mit einem Freispruch endete. Er hatte zwar nach Ansicht der RichterInnen den KZs wirklich das Zyklon B zur Verfügung gestellt und wusste auch genau, wofür, aber die JuristInnen mochten das ganze DEGESCH-Gift nicht komplett als eine Mordwaffe betrachten. Es kann „nicht bewiesen werden, dass mit dem von dem Angeklagten gelieferten Zyklon jemand getötet worden ist“, hieß es im Urteil.

Duisberg auf der Flucht
Der Leverkusener Multi betont bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, was für ein inniger ArbeiterInnen-Freund sein ehemaliger Generaldirektor Carl Duisberg war (siehe auch AKTION & KRITIK). So hob der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers auf der vorletzten BAYER-Hauptversammlung – konfrontiert mit der Kritik der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN an Duisberg wegen seiner Verantwortung für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen im Ersten Weltkrieg – die sozialpolitischen Verdienste des Chemikers hervor. „Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein“, so Dekkers. Besondere Beliebtheit unter den abhängig Beschäftigten hat Carl Duisberg dies jedoch nicht eingebracht. So musste er sich nach der November-Revolution 1918 zweimal auf die Flucht begeben, weil er fürchtete, von KommunistInnen verhaftet zu werden. Und einmal war er dabei sogar gezwungen, sich in die Obhut des ehemaligen Feindes zu begeben: Er suchte in Köln Unterschlupf bei den Besatzungstruppen.

POLITIK & EINFLUSS

Trotz Subventionen: St. Joseph dicht
Anfang 2014 gelang es BAYER, die US-amerikanische Gemeinde St. Joseph mit Abwanderungsplänen so unter Druck zu setzen, dass diese dem Konzern Subventionen für eine Erweiterung der Tierarznei-Produktion gewährte (Ticker 3/14). Ein „Job-Erhaltungsprogramm“ nannte der Stadtverwaltungsmitarbeiter Clint Thompson die Maßnahme damals und hielt zur drohenden Schließung der Fertigungsstätten fest: „Die Gefahr war sehr real.“ Doch all die Steuer-Gelder halfen nichts: Kaum ein Jahr später machte sich der Leverkusener Multi vom Acker. Er verlagerte die Herstellung der Produkt-Reihen DVM und EXPERT CARE nach Shawnee und stellte die Fertigung der übrigen ein (siehe auch IMPERIUM & WELTMARKT).

Duin lädt zum 2. Chemie-Gipfel
Im Herbst 2014 lud der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) zum 2. Chemie-Gipfel. „Die Chemische Industrie nimmt eine Schlüsselposition in der Wirtschaftspolitik der Landesregierung ein. Deshalb wollen wir den Austausch zwischen Vertretern der Branche und der Politik im partnerschaftlichen Dialog weiter intensivieren“, so Duin zum Sinn der Übung. Die BAYER-Belange fanden dabei durch Günter Hilken und Frank Löllgen Berücksichtigung. Hilken sitzt nämlich nicht nur der NRW-Sektion des „Verbandes der Chemischen Industrie“ vor, sondern auch der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA. Und Löllgen, der Vorsitzende des Nordrhein-Bezirkes der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE), hat beim Leverkusener Multi seine Ausbildung zum Chemie-Laboranten absolviert. Auf der Tagesordnung des Treffens stand unter anderem das Thema „Energiekosten“, das der Minister nutzte, um seinen unermüdlichen Einsatz für die Chemie-Unternehmen hervorzuheben. So verwies er darauf, bei den Beratungen zum „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ mit dafür gesorgt zu haben, dass energie-intensive Betriebe weiterhin Rabatte bei der Ökostrom-Umlage erhalten. Hilgers honorierte das auch: „Wir begrüßen es sehr, bei Minister Duin stets auf offene Ohren für die Herausforderungen unserer Branche zu treffen.“ Zum großen Bedauern der Runde stoßen BAYER & Co. draußen nicht auf so aufnahmebereite Hör-Organe. Doch daran wollen Wirtschaft und Politik weiter arbeiten: „Übereinstimmend betonten die Teilnehmer, dass die Akzeptanz für Industrie und Infrastruktur-Projekte in der Bevölkerung weiter gestärkt werden muss“. Als Stärkungsmittel dienen ihnen dabei unter anderem Nachbarschaftsbüros, Public-Viewing-Veranstaltungen bei Sport-Events und pseudo-partizipative Formate wie „Dialog schafft Zukunft“.

Weihnachtsempfang ohne SPD-Granden
Sonst haben SozialdemokratInnen eigentlich kaum Berührungsängste mit dem Leverkusener Multi. Aber zum Berliner Weihnachtsempfang des Global Players traute sich keiner von den Granden. Ein unterer Partei-Charge musste sie bei Norbert Lemken, dem Leiter des BAYER-Verbindungsbüros in der Hauptstadt, entschuldigen: Die Ober-GenossInnen dürften in allzu nahem Dunstkreis der Industrie leider nicht gesehen werden.

Dekkers will Wagniskapital-Gesetz
Die Bundesregierung und die bundeseigene „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ unterstützen bereits den Hightech-Gründerfonds II von BAYER, BASF, BOSCH & Co., der jungen Pharma- und Biotech-Firmen Startkapital zur Verfügung stellt. Auf dem von der Zeitung Die Welt veranstalteten „Wirtschaftsgipfel“, an dem unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel, EZB-Chef Mario Draghi, Finanzminister Wolfgang Schäuble und Innenminister Thomas de Maizière teilnahmen, forderte Ober-BAYER Marijn Dekkers die Große Koalition jedoch auf, mehr zu tun. „Ein ganz wichtiges Thema ist für mich die Finanzierung junger Unternehmen. Wir brauchen ein neues Wagniskapital-Gesetz“, verlangte er und erhielt dafür viel Zustimmung.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER: Null Problemo mit ASPIRIN
Wenn BAYER-WissenschaftlerInnen erforschen, was BAYER-WissenschaftlerInnen zu den Risiken und Nebenwirkungen einer Pille erforschten, die BAYER-WissenschaftlerInnen entwickelt hatten, dann ist das Ergebnis unschwer zu erraten: Es spricht nichts gegen die Arznei. Trotzdem räumte die Pharmazeutische Zeitung BAYERs Pharma-Manager Uwe Gessner sechs Seiten für das Unterfangen ein, dem immer wieder wegen der Nebenwirkung „Magenbluten“ inkriminierten ASPIRIN (Wirkstoff: Acetylsalicylsäure) einen Persilschein auszustellen. „In der Meta-Analyse auf Basis der individuellen Daten von über 13.000 Patienten ergab sich, dass bei der für die Selbstmedikation von akuten Schmerzen, Fieber und Erkältungssymptomen üblichen niedrigen Dosierung und kurzer Behandlungsdauer das Risiko unerwünschter Ergebnisse unter Acetylsalicylsäure gering ist. Insbesondere traten praktisch keine schwerwiegenden gastrointestinalen (zum Beispiel Blutung oder Perforation) oder nicht-gastrointestinalen (zum Beispiel Hirnblutung) Komplikationen auf“, lautet sein wenig überraschender Befund. Vorsichtshalber hat Gessner nicht meta-analysiert, was für unerwünschte Arznei-Effekte ASPIRIN bei Menschen hervorruft, die das Pharmazeutikum über einen längeren Zeitraum hinweg nehmen, beispielsweise weil sie der BAYER-PR Glauben schenkten, das Produkt beuge Herzinfarkten vor.

Mehr BAYCUSAN-Werbung
Der Leverkusener Multi erschließt seinen unter dem Namen BAYCUSAN als Rohstoffe für die Kosmetik-Branche vertriebenen Mikroplastik-Produkten immer neue Absatzmärkte (siehe WASSER, BODEN & LUFT) und sorgt so für eine immer größere Belastung der Weltmeere mit Schadstoffen. Jetzt hat der Konzern sogar eine Werbeagentur verpflichtet, um Polyurethan-32 & Co. unter dem Motto „Beauty made possible“ bei der internationalen Schönheitsindustrie noch bekannter zu machen.

BAYERs Kreislauf-Kurzschluss
BAYERs Kunststoff-Produktion entspricht mitnichten ökologischen Kriterien. Sie basiert zum größten Teil auf fossilen Grundstoffen, verbraucht Unmengen von Strom, bei dessen Erzeugung Erneuerbare Energien nur eine verschwindend geringe Rolle spielen, und die Produkte selber wie zum Beispiel Mikroplastik (s. o.) gefährden Mensch, Tier und Umwelt in beträchtlichem Maße. Das alles hält den Konzern aber nicht davon ab, sich als Umweltengel zu präsentieren. So lud er auf einer Kunststoff-Fachmesse in Holland zu einer Veranstaltung, bei der die Entwicklung von Lösungen zu nachhaltigeren Herstellungstechniken auf der Agenda stand. Und das verleitete das Fachblatt MM Maschinenmarkt dann zu der Überschrift: „BAYER lebt Kreislaufwirtschaft.“

Viel mehr Geld für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Gegenüber 2013 verdoppelte der Leverkusener Multi seinen Etat fast noch einmal und schüttete über 500.000 Euro aus. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen Verbände, für die der Konzern die entsprechenden Medikamente bereithält: Sehbehinderten-, Diabetes-, Krebs-, Bluter-, Lungenkrankheiten- sowie Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Allein solche Gesellschaften wie der „Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband“ , die dem Pharma-Riesen KundInnen für sein Augen-Präparat EYLEA zuführen könnten, bekamen mit 271.000 Euro beinahe genauso viel wie im Jahr zuvor alle Vereine zusammen. Der Leverkusener Multi selber weist hingegen finanzielle Motive für sein Engagement weit von sich und führt andere Gründe an. „BAYER betrachtet die Zusammenarbeit mit Patienten-Organisationen als wichtigen Bestandteil seiner Arbeit, um die Bedürfnisse der Betroffenen besser identifizieren und verstehen zu können“, so Jens Lipinski von der Abteilung „Patient Relations“.

EYLEA-Rundumbetreuung

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Der Leverkusener Multi versucht zunehmend, Kranke mit „Patienten-Unterstützungsprogrammen“ längerfristig an seine Arzneien zu binden. Solche Angebote hält der Pharma-Riese nicht nur Menschen für mit Multipler Sklerose bereit, sondern auch für solche, die wegen einer Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – sein Gentech-Präparat EYLEA nehmen, das in den Zulassungstests anderen Mitteln gegenüber bloß seine „Nicht-Unterlegenheit“ demonstrierte. Und um die Rundumbetreuung namens „VisusVital“ bekannt zu machen, hat BAYER viele Partner gewinnen können. So verpflichtete der Konzern Professor Dr. Norbert Schrage für einen Auftritt auf der „SightCity“, einer Messe für Sehbehinderten-Hilfsmittel. „Patienten mit chronischen Augenerkrankungen haben besondere Bedürfnisse, die in der Arztpraxis nicht immer erfüllt werden. Denn sie benötigen mehr als reine medikamentöse Therapien. Diese müssen durch geeignete Unterstützungs- und Versorgungsangebote optimiert werden“ – mit diesen Worten warb der Chefarzt der Augenklinik Köln-Merheim auf dem vom Global Player arrangierten Pressegespräch für das PatientInnen-Unterstützungsprogramm. Mit Markus Georg ließ sich auch der Geschäftsführer der PatientInnen-Organisation „Pro Retina“, die im Jahr 2014 33.000 Euro vom Pillen-Produzenten erhielt, in die PR-Kampagne einspannen. Zudem gelang es dem Unternehmen noch, die Reklame für „VisusVital“ in dem Fachblatt Der Augenarzt unterzubringen, das gerne auch BAYER-Pressemeldungen zu EYLEA unkommentiert abdruckt.

EYLEA-Rundumbetreuung

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Nicht nur die an einer Makula-Degeneration leidenden PatientInnen will der Leverkusener Multi zur Verkaufsförderung seines Gentech-Mittels EYLEA enger an sich binden (s. o.), sondern auch deren Angehörige. So bietet er in Tateinheit mit MedizinerInnen, der BARMER-Krankenkasse sowie den – von ihm großzügig alimentierten – PatientInnen-Organisationen AMD-Netz und „Pro Retina“ Workshops für Familien-Mitglieder der Erkrankten an.

WFH-Präsident in BAYER-Diensten
BAYERs Investitionen in PatientInnen-Organisationen lohnen sich, denn diese revanchieren sich mit „Freundschaftsdiensten“. So erteilte der Präsident des Bluter-Verbandes „World Federation of Hemophilia“, Mark Skinner, jüngst einem neuen Therapie-Ansatz des Leverkusener Multis die Absolution, obwohl die Entwicklung sich noch in einem frühen Stadium befindet. Zu den Versuchen des Leverkusener Multis, ein Gen, das den Gerinnungsfaktor VIII produziert, direkt in die Leber einzuführen, um so das bisher nötige tägliche Spritzen zu ersetzen (Ticker 4/14), lässt er sich mit den Worten vernehmen: „Eine einzige Behandlung wäre ein Segen und würde die Belastungen einer lebenslangen prophylaktischen Therapie enorm senken.“

Bienen-Kümmerer BAYER
Der Leverkusener Multi steht wegen seiner bienenschädigenden Pestizide GAUCHO und PONCHO, welche die EU vorerst bis Ende 2015 aus dem Verkehr gezogen hat, in der Kritik. Darum verstärkt der Konzern seine PR-Aktivitäten. Wo das Unternehmen nicht schlicht versucht, die Fakten abzustreiten, da inszeniert es sich als Bienenkümmerer. Der Global Player fördert nicht nur das Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen sowie von Bienenweiden und gründet „Bee Care Center“, sondern unterstützt auch Forschungsvorhaben zum Erhalt der Bienengesundheit. Im Februar 2015 spendete er in den USA zudem 100.000 Dollar, um die Ernährungslage der Bienen vor Beginn der Mandelblüte zu verbessern.

ASPIRIN-Sozialpreis an App
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. So hat diese den ASPIRIN-Sozialpreis ins Leben gerufen. 2015 ging die Auszeichnung an die EntwicklerInnen einer App, die Ess-Gestörten dabei hilft, die Nahrungsaufnahme zu protokollieren.

TIERE & ARZNEIEN

BAYTRIL-Mengenrabatt
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten, was eine massive Gesundheitsgefahr darstellt. Ein Grund für die Verbreitung der Mittel sind auch die oligopol-haften Strukturen bei den VeterinärInnen. So bedienen die zehn größten Praxen die Geflügel- und Kälbermastbetriebe fast im Alleingang: Ihr Marktanteil beträgt 90 Prozent. Und sie können BAYTRIL & Co. zu Konditionen anbieten, zu denen es manche TierärztInnen nicht einmal im Einkauf bekommen, weil die Pharma-Riesen Mengen-Rabatte gewähren. Die GESELLSCHAFT FÜR GANZHEITLICHE TIERMEDIZIN und der BUND fordern deshalb die Einführung von Festpreisen, um die Kosten für die Arzneien zu erhöhen und so Anreize für einen geringeren Verbrauch zu setzen.

DRUGS & PILLS

ESSURE ruft FDA auf den Plan
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich nach etwa drei Monaten die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den möglichen Gesundheitsschädigungen. Vier Meldungen über Todesfälle und mehr als 5.000 über unerwünschte Arznei-Effekte hat die US-Gesundheitsbehörde FDA seit der Zulassung des Medizin-Produktes im Jahr 2002 bereits erhalten. Viele dieser Nebenwirkungen haben schon die Probandinnen in den Zulassungstests erlitten. In den Protokollen der Klinischen Prüfungen tauchten diese Angaben jedoch oft nicht auf. Eine Teilnehmerin berichtete dem US-Sender ABC, wenn sie über starke Menstruationsbeschwerden klagte, hätten die ÄrztInnen das „stark“ in dem Versuchsprotokoll einfach gestrichen. Auch vermerkten diese darin, es wäre unwahrscheinlich, dass die schweren Menstruationsblutungen der Frau auf das Präparat zurückgingen. Eine Gruppe von ESSURE-Geschädigten hat die FDA deshalb in einer Petition aufgefordert, die Zulassungstests noch einmal zu überprüfen. Und die Behörde hat daraufhin eine Untersuchung eingeleitet.

Gefälle bei YASMIN-Verordnungen
Frauen, die drospirenon-haltige Pillen wie BAYERs YASMIN zur Empfängnis-Verhütung nehmen, tragen im Vergleich zu solchen, die levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva bevorzugen, ein bis zu doppelt so hohes Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Das hat bereits zu hunderten von Todesfällen geführt und die Gesundheitsbehörden einiger Länder zu Reaktionen veranlasst. So erstatten etwa die Krankenkassen in Frankreich die Kosten für YASMIN & Co. nicht mehr. Das hat sich merklich auf die Verordnungszahlen ausgewirkt: Sie sanken 2013 um 45 Prozent. Gleichzeitig gingen die Fälle von Lungen-Embolien bei den 15- bis 45-jährigen Frauen um 11,2 Prozent und bei den 15- bis 19-jährigen Frauen sogar um 27,9 Prozent zurück. Hierzulande hat sich allerdings noch nichts getan. Immer noch entfallen auf YASMIN und andere Präparate der 3. Generation zwei Drittel aller Rezepte. Das industrie-unabhängige Fachblatt arznei-telegramm (a-t) macht dafür neben nicht ausreichend vor den Gefahren warnenden Fach-Informationen auch das Verhalten der ÄrztInnen-Verbände verantwortlich. So bezeichnet etwa der „Berufsverband der Frauenärzte“ (BVF) Thrombosen infolge der Einnahme dieser Präparate als „sehr seltene Komplikation“ und attestiert ihnen eine bessere Verträglichkeit als Pillen der 1. und 2. Generation. Auch führen Drospirenon-Produkte im Gegensatz etwa zu levonorgestrel-haltigen Arzneien dem BVF zufolge nicht zu einer Gewichtszunahme. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat die MedizinerInnen-Organisation wie auch die „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ angeschrieben und wegen ihrer Verharmlosung von YASMIN & Co. scharf kritisiert. Der BVF wies die Vorwürfe zurück und stützte sich dabei auf eine Studie des nicht gerade industrie-fernen Berliner ZEG-Institutes. Zu dessen Leitern gehört mit Jürgen C. Dinger nämlich ein ehemaliger Beschäftigter des SCHERING-Konzerns, der YASMIN entwickelt hatte und damit 2006, als BAYER die Berliner Aktien-Gesellschaft übernahm, die Produktpalette des Leverkusener Multis erweiterte. Das arznei-telegramm fordert derweil eine Überarbeitung der Fach-Informationen und einen Ausschluss von Pillen mit dem Wirkstoff Drospirenon aus der Erstattungspflicht. Ein kompletter Verzicht auf diese Medikamente würde die Zahl der Thrombose-Vorfälle um 250 senken, konstatiert das a-t.

Leitlinien-Empfehlung für XOFIGO
XOFIGO, BAYERs Medikament zur Behandlung der Prostatakrebs-Art CRPC, hat Aufnahme in die Leitlinien zur Prostatakrebs-Therapie gefunden. Die zuständige Kommission bezeichnete die Arznei mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid, mit dem ÄrztInnen PatientInnen bestrahlen dürfen, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, als eine „Option“. Dabei verlängerte das Mittel bei den Klinischen Tests die Lebensdauer der Krebs-Kranken noch nicht einmal um drei Monate. Aber der Leverkusener Multi konnte sich auf das Votum von willigen MedizinerInnen wie den Professoren Dr. Axel Heidenreich und Dr. Kurt Miller verlassen, die er auf seiner Gehaltsliste führt. Heidenreich gehört einem Beratungsgremium von BAYER an und hält Vorträge für den Pharma-Riesen. So machte der Leiter der Urologie am Klinikum Aachen etwa bei dem Symposium „Mehr als ASPIRIN – BAYER in der Onkologie“ Werbung für XOFIGO, die das Deutsche Ärzteblatt anschließend unter dem Titel „Radium-223-Dichlorid: Innovativer Wirk-Mechanismus gegen Knochen-Metastasen“ veröffentlichte. Und auch bei der Jahrestagung der „Deutschen Gesellschaft für Urologie“ pries der Arzt das Mittel an. Dr. Miller von der Berliner Charité verdingte sich derweil bei dem Pressetermin zur Zulassung des BAYER-Präparats als Mietmaul und verdiente sich zudem noch etwas durch XOFIGO-Workshops dazu.

NICE ändert seine XOFIGO-Meinung
Im März hatte das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Strahlentherapie-Medikament XOFIGO durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt (Ticker 4/14). Die vom Leverkusener Multi eingereichten Unterlagen gaben nicht genügend Hinweise darauf, dass „die Vorteile die beträchtlichen Kosten rechtfertigen“, so die Behörde damals. Nachdem der Konzern Dokumente nachgereicht hatte, entschied sich das NICE jedoch um und sprach eine Empfehlung für das Präparat aus.

Endometriose-Fortschritte bei EVOTEC
Der Leverkusener Multi unternimmt derzeit einige Anstrengungen, mehr Mittel zur Behandlung der Endometriose, einer gutartigen Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut, herauszubringen. Neben der Markt-Einführung von VISANNE, in deren Gefolge er die Produktion der ebenfalls zur Therapie dieser Gesundheitsstörung geeigneten, aber viel preiswerteren Verhütungsmittel VALETTE und CHLORMADINON kurzerhand einstellte (Ticker 4/14), unterhält der Konzern noch mehrere Endometriose-Forschungskooperationen. So arbeitet er auf diesem Gebiet mit der Universität Oxford und mit dem Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC zusammen. Dieses verkündete nun entscheidende Entwicklungsfortschritte.

BEPANTHEN bei Tattoo-Entfernung?
Dank BAYER-Geld hat die Wissenschaft festgestellt: Zur Nachbehandlung der Haut bei Tattoo-Entfernungen per Laser eignet sich die BAYER-Salbe BEPANTHEN hervorragend. „Nach unseren Forschungsergebnissen ermöglicht BEPANTHEN Wund- und Heilsalbe eine raschere Wundheilung als Vaseline“, erklärte Dr. Jens Malte Baron von der Aachener „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule“ auf einer Presse-Veranstaltung des Leverkusener Multis zu den Resultaten einer vom Global Player gesponserten Studie. Sogar die Entwicklung des Versuchsmodells, das der Untersuchung zugrunde liegt, finanzierte der Konzern.

GADOVIST für Kleinstkinder
Der Leverkusener Multi hat in den USA für sein Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST (auch GADAVIST) eine erweiterte Zulassung erhalten. MedizinerInnen dürfen das Präparat künftig auch bei Kindern unter zwei Jahren verwenden. Der Entscheidung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA lagen Tests des Pharma-Riesen zugrunde, die dem Mittel eine ausreichende Sicherheit für einen solchen Einsatz bescheinigten. Dabei gehen von GADOVIST ebenso wie von BAYERs anderem Kontrastmittel MAGNEVIST sehr wohl Gesundheitsgefahren aus. Die beiden Präparate enthalten nämlich Gadolinium, das bei Nierenkranken ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge auslösen kann, weshalb der Konzern sich schon mit Schadensersatz-Klagen konfrontiert sah (Ticker 3/11).

Kein STIVARGA bei Darmkrebs
BAYERs Krebsmedikament STIVARGA mit dem Wirkstoff Regorafenib ist als Mittel der 2. Wahl zur Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs zugelassen. Zudem dürfen es die MedizinerInnen bei PatientInnen mit GIST – einer bestimmten Art von Verdauungstrakt-Tumoren – anwenden. Auf eine Erweiterung des Anwendungsspektrums kann der Konzern vorerst jedoch nicht zählen. Er musste eine Studie zur Therapie einer Darmkrebs-Art, bei der die Metastasen in die Leber streuen, abbrechen, weil sich nur 25 statt 750 ProbandInnen fanden. Die Anforderungen an die TeilnehmerInnen seien zu speziell gewesen, verlautete aus der Firmen-Zentrale. Aber der Pharma-Riese lässt sich davon nicht entmutigen: „Wir werden (...) weiter schauen, was für Möglichkeiten es noch gibt, den Einsatz von Regorafenib auch im Bereich von Darmkrebs weiter zu untersuchen.“

Arznei-Tests: vereinheitlicht und schneller
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Tests in ärmere Länder aus. Dort winken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und eine mangelhafte Aufsicht. Die Folge: Immer wieder kommt es zu Todesfällen. So starben 2011 in Indien 20 Menschen bei Erprobungen von BAYER-Medikamenten. Die EU bemüht sich jedoch darum, wieder mehr Pillen-Prüfungen in heimische Gefilde zurückzuholen und begegnet der Konkurrenz, indem sie ihrerseits die Sicherheitsstandards senkt. So hat Brüssel mit der Verordnung Nr. 536/2014 ein beschleunigtes und europa-weit vereinheitlichtes Genehmigungsverfahren für Medikamenten-Erprobungen eingeführt.

Fünf Arzneien in beschleunigter Entwicklung
In der Pharma-Forschung hat der Leverkusener Multi fünf Wirkstoffe als besonders aussichtsreich identifiziert und forciert deshalb deren Entwicklung besonders. Dabei handelt es sich um Molidustat zur Behandlung von Blutarmut mit begleitender Nierenschwäche, einen Phosphatidylinositol-Hemmer zur Tumor-Therapie, Vilaprisan für das Anwendungsgebiet „Gebärmutter-Geschwüre“ sowie Finerenon und einen Guanylatcyklase-Hemmer für die Indikation „Herzinsuffizienz“.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Mehr Pestizide wg. Klimawandel
Der Klimawandel, den BAYER & Co. durch den massenhaften Ausstoß von Kohlendioxid befördern, hat auch Einfluss auf den Pestizid-Verbrauch. Durch die Erderwärmung blühen nämlich die Ackerfrüchte früher – und mit ihnen auch die Wildgräser und Schadpilze. Darum lag hierzulande beispielsweise die Nachfrage nach Agro-Chemikalien im Februar und März 2014 um 15 Prozent über derjenigen des Vorjahres-Zeitraums. „Aufgrund der milden Witterung gab es ein durchgehendes Wachstum von Ungräsern im Wintergetreide, was dann höhere Aufwand-Mengen bei den Herbiziden erforderlich machte. Bei Fungiziden waren ungewöhnlich früh erste Rost-Infektionen zu verzeichnen. Insgesamt führte dieses Befallsgeschehen zu einem früheren und höheren Bedarf an Pflanzenschutzmitteln“, resümierte BAYER die Lage erfreut.

Neues Wurm-Mittel
Die Absatz-Chancen für Pestizide auf biologischer Basis vergrößern sich. ExpertInnen sagen für das Jahr 2020 ein Markt-Potenzial von drei Milliarden Dollar voraus. Darum baut BAYER diese Sparte aus. Der Leverkusener Multi will seinen Agrogift-Schrank jedoch nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. Und diese gedenkt er jetzt sogar in einem einzigen Produkt zusammenzuführen. Der Konzern entwickelt ein Mittel gegen Würmer, das sowohl mit der Agro-Chemikalie Fluopyram als auch mit dem Bodenpilz Purpureocillium lilacinum bestückt ist. Dieses Biologikum, den der Global Player als „BioAct“ markenrechtlich geschützt hat, soll bereits die Eier von Fadenwurm & Co. befallen und so eine Vermehrung verhindern.

Mehr Glufosinat aus Höchst
BAYERs Pestizid-Wirkstoff Glufosinat erfreut sich derzeit einer großen Nachfrage, weil immer mehr Wildpflanzen der MONSANTO-Substanz Glyphosat trotzen. Der Leverkusener Multi will deshalb am Standort Höchst die Produktion der Substanz, die er unter anderem in Kombination mit gentechnisch verändertem Saatgut vermarktet, auf 16.000 Tonnen im Jahr verdoppeln. Zuvor hatte der Agro-Riese bereits die Kapazitäten in Hürth bei Köln erweitert, obwohl die EU angekündigt hat, die Substanz 2017 wegen ihrer Gefährlichkeit aus dem Verkehr zu ziehen. Der Global Player hat es nämlich hauptsächlich auf die Absatz-Märkte in Südamerika und in den USA, wo er unlängst mit dem Bau einer neuen Glufosinat-Fertigungsstätte begonnen hat, abgesehen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisiert diese Praxis der doppelten Standards scharf und fordert ein weltweites Verbot der Chemikalie. „Es ist zynisch, im Ausland eine Anbau-Technik zu forcieren, die mit der Verwendung eines hochgiftigen und bei uns demnächst verbotenen Pestizids verknüpft ist. Das Schicksal der LandarbeiterInnen und Landarbeiter in Lateinamerika oder Asien ist dem Konzern augenscheinlich gleichgültig.“

Weniger GAUCHO aus Ontario
GAUCHO und PONCHO, die beiden BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide, haben einen großen Anteil am weltweiten Bienensterben. Die EU hat die Mittel deshalb vorerst bis Ende 2015 aus dem Verkehr gezogen und prüft ein generelles Verbot. Und jetzt hat auch ein kanadischer Bundesstaat reagiert: Ontario will den Einsatz von GAUCHO & Co. bis 2017 um 80 Prozent reduzieren. Vorausgegangen war der Entscheidung eine Untersuchung der Aufsichtsbehörde PMRA, nach der sich 2012 und 2013 in über 70 Prozent der toten Bienen Spuren von Neonicotinoiden fanden.

Neue Neonicotinoid-Studien
WissenschaftlerInnen finden immer mehr Beweise für die bienenschädigende Wirkung von GAUCHO, PONCHO und anderen Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide (s. o.). Gleich drei neue Studien legen Belege dafür vor. ForscherInnen der schwedischen Lund-Universität haben auf Rapsfeldern einmal BAYERs ELADO, das neben dem Neonicotinoid Clothianidin auch Beta-Cyfluthrin gegen Pilz-Befall enthält, und einmal nur Beta-Cyfluthrin pur ausgebracht. Ergebnis: Auf den Äckern ohne Neonicotinoide vermehrten sich Wildbienen und Hummeln deutlich besser; nur bei den Honigbienen zeigten sich keine Unterschiede. Eine Studie des EU-Wissenschaftsnetzwerks EASAC kam zu einem ähnlichen Befund und stellte zudem negative Auswirkungen von GAUCHO & Co. auf Pflanzen-Bestäuber wie Motten und Schmetterlinge fest. Und ForscherInnen der Newcastler Hochschule verglichen die Mittel sogar mit Drogen. „Die Tatsache, dass Bienen eine Vorliebe für neonicotinoid-belastete Nahrung haben, ist besorgniserregend, weil sie vermuten lässt, dass die Neonicotinoide ähnlich wie Nikotin als Droge wirken“, konstatierten sie. Darum reicht es ihnen zufolge nicht aus, den Bienen in der Nähe der kontaminierten Felder Blühstreifen mit Nahrungsalternativen anzubieten. Eine Einschränkung der Neonicotinoid-Verwendung sei womöglich der einzige Weg, den Rückgang der Bestäuber-Populationen aufzuhalten, so ihr Votum laut dpa. BAYER bezweifelt die Ergebnisse jedoch. Den WissenschaftlerInnen aus Newcastle wirft der Leverkusener Multi vor, mit zu hohen Wirkstoff-Konzentrationen gearbeitet zu haben, und bei der Untersuchung aus Schweden macht er methodische Mängel aus und bestreitet überdies die „Robustheit der Daten“.

Mangelhafte CALYPSO-Beratung
Der BUND hat untersucht, inwieweit Gartencenter und Baumärkte beim Kauf von Haushaltsgiften auf Risiken und Nebenwirkungen hinweisen. Dazu hat die Initiative in 17 Geschäften die BAYER-Produkte SCHÄDLINGSFREI CALYPSO und ZIERPFLANZENSPRAY LIZETAN sowie MONSANTOs ROUNDUP erworben. Die Bilanz fiel nicht eben gut aus. So resümiert der Umweltverband die Verkaufsgespräche zu CALYPSO wie folgt: „Auf die Gesundheitsgefahren (...) wurde bei der Beratung kaum eingegangen. Selten wurde empfohlen, bei der Ausbringung des Mittels Haut, Augen und Mund zu schützen. Die mögliche krebserregende Wirkung von SCHÄDLINGSFREI CALYPSO wurde nicht benannt.“

GENE & KLONE

Milliarden-Schaden durch LL601
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung für die gegen das hochgefährliche Herbizid Glufosinat (Produktname: LIBERTY) resistente Sorte vorlag. Rund 30 Prozent der US-amerikanischen Ernte hatte der LL601-Reis verunreinigt. Für die LandwirtInnen, die Verarbeiter, die Exporteure und den Handel entstanden dadurch Verluste in Höhe von 1,18 bis 1,72 Milliarden Dollar. Das errechnete der „Schadensbericht Gentechnik“, den der „Bund ökologische Lebensmittel-Wirtschaft“ herausgegeben hat. An Entschädigung hat der Leverkusener Multi hingegen nur 560 Millionen Dollar gezahlt. Insgesamt verursachten die vier bisher größten Gen-Desaster Schäden in Höhe von 5,4 Milliarden Dollar.

Keine Kennzeichnung in Oregon
Seit einiger Zeit gibt es in US-amerikanischen Bundesstaaten Initiativen zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Bestandteilen. BAYER & Co. investieren viel Geld, um diese Vorhaben zu Fall zu bringen und können leider schon Erfolge verbuchen. Nachdem bereits in Washington und Kalifornien BürgerInnen-Begehren scheiterten, erlitten die Gentechnik-GegnerInnen jetzt auch in Colorado und Oregon Niederlagen. In Vermont allerdings muss auf Nahrungsmitteln weiterhin draufstehen, was drin ist: Eine Klage der Lebensmittel- und Agrarindustrie gegen das entsprechende Gesetz scheiterte Ende April 2015, die Konzerne können jedoch noch in die Berufung gehen.

MON88701 mit Glufosinat-Resistenz
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Deshalb gehen die Multis nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen und gewähren sich gegenseitig Zugriff auf ihre Technologien. So haben die US-Behörden jüngst MONSANTOs Gen-Soja MON88701 zugelassen, das sowohl gegen Dicamba als auch gegen BAYERs Ultragift Glufosinat (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) resistent ist.

Import-Zulassung für BAYER-Baumwolle
Bislang hatte die Europäische Union zentral über die Zulassung von Genpflanzen entschieden. Jetzt will Brüssel dies jedoch den Mitgliedsländern selber überlassen, wovon sich BAYER & Co. mehr Chancen für die Risiko-Technologie erhoffen (Ticker 3/14). Im Zuge dieser Veränderung hat die EU schnell noch reinen Tisch gemacht und alle Genehmigungsanträge für Gen-Importe bearbeitet. Ende April 2015 stand das Ergebnis fest. Die Kommission ließ neun Pflanzen neu zu. Darunter befanden sich auch zwei Labor-Früchte des Leverkusener Multis. Grünes Licht erhielten die Baumwoll-Sorten LLCotton25xGHB614, die gegen Glyphosat und BAYERs Ultragift Glufosinat (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) resistent ist, und T304-40, welcher die Gen-WerkerInnen ebenfalls eine Immunität gegen Glufosinat und zudem noch das gegen Insekten wirkende Protein des „Bacillus thuringiensis“ (Bt) eingebaut haben. Darüber hinaus verlängerte die EU-Kommission zehn bereits bestehende Zulassungen. Jetzt muss sie nur noch über den 1507-Mais von PIONEER und DOW AGROSCIENCES befinden, der mit dem „Bacillus thuringiensis“ (Bt) bestückt ist und darüber hinaus über eine Glufosinat-Resistenz verfügt. Die Initiative TESTBIOTEST kritisiert das Schnellverfahren und kündigt eine Beschwerde an. „Die Risiken der jeweiligen Pflanzen wurden nicht ausreichend erforscht. Kombinierte Auswirkungen auf die Gesundheit, die auftreten können, wenn die Pflanzen in Nahrungsmitteln gemischt werden, wurden sogar überhaupt nie untersucht“, moniert die Organisation.

Neue EYLEA-Indikationen
BAYERs Gentech-Augenpräparat EYLEA, 2011 zunächst nur zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassen, vermochte sein Anwendungsspektrum seither kontinuierlich zu erweitern. 2015 kamen zwei weitere Zulassungen hinzu. MedizinerInnen dürfen das Mittel künftig zur Therapie von solchen Flüssigkeitsansammlungen im Auge einsetzen, die nach einem Zentralvenen-Verschluss an der Netzhaut auftreten. Darüber hinaus genehmigten die Aufsichtsbehörden seinen Einsatz bei krankhaften Gefäß-Neubildungen auf der Netzhaut in Folge einer starken Kurzsichtigkeit.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYCUSAN jetzt auch in China
Immer mehr Plastik-Abfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen das aquatische Ökosystem (siehe auch SWB 2/15). Eine besondere Gefahr stellt dabei Mikroplastik dar, denn diese Kleinst-Partikel enthalten nicht nur selbst Giftstoffe, sie wirken obendrein wie ein Magnet auf andere. Seine wasserabweisende und fettlösliche Oberfläche lockt nämlich Schadstoffe wie Polychlorierte Biphenyle (PCB), Pestizide, Medikamenten-Rückstände, Quecksilber, Blei oder Chrom an, die über die Nahrungskette gemeinsam mit den Mini-Kunststoffen auch in den menschlichen Organismus gelangen können. BAYER produziert diese Substanzen hauptsächlich für die Hersteller von Haarpflege- und Haarstyling-Mitteln, Wimperntusche sowie anderen Schmink-Utensilien. „Unsere Rohstoffe machen es der Kosmetik-Industrie überhaupt erst möglich, immer bessere Produkte zu entwickeln“, preist der Konzern seine Mikroplasten Polyurethan-32, Polyurethan-34, Polyurethan-35 und Polyurethan-48 an. Dem Unternehmen zufolge sorgen sie unter anderem für „samtige Haut“, „glänzendes Haar“ „geschmeidigen Glanz“ und „natürlichen Halt“. Im Frühjahr 2015 gelang es dem Leverkusener Multi, für seine unter dem Label BAYCUSAN angebotenen Mikroplastik-Artikel ein neues Absatz-Gebiet zu erobern. Er erhielt eine Zulassung für den chinesischen Markt.

Kochsalz aus Abwässern
Der Leverkusener Multi nimmt am Standort Krefeld eine Pilotanlage zur Wiedergewinnung von Kochsalz aus Prozess-Abwässern in Betrieb. Allerdings trägt er die Kosten dafür nicht allein. Der Bund subventionierte das Recycling-Projekt mit 738.000 Euro.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Härtere Zeiten für Bisphenol
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A. Drei Prozent davon finden in Lebensmittel-Verpackungen wie etwa Konservendosen Verwendung, und das bringt Gesundheitsrisiken mit sich. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau nämlich Hormonen, was Auswirkungen auf den menschlichen Stoffwechsel hat und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann. Deshalb steht der Stoff seit Jahren in der Kritik. Die EU, die im März 2011 bereits seine Verwendung in Babyflaschen untersagt hatte, erhöhte unlängst die Grenzwerte (Ticker 1/15). Frankreich ging noch weiter. Der Staat erließ einen kompletten Bann für Bisphenol in Nahrungsmittel-Behältnissen. Das wiederum nahm der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel (Bündnis 90/Grüne) zum Anlass, strengere Maßnahmen auch hierzulande zu fordern: „Das ist ein deutliches Zeichen. Frankreich hat mit diesem Verbot den richtigen ersten Schritt getan. Deutschland muss nun folgen.“ Gemeinsam mit seinen KollegInnen aus Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein startete er deshalb auf der Bundeskonferenz der Landesumweltschutz-MinisterInnen eine entsprechende Gesetzes-Initiative.

Bisphenol in Zahn-Füllungen
Die gefährliche Chemikalie Bisphenol A treibt nicht nur in Lebensmittel-Verpackungen ihr Unwesen (s. o.), sondern auch in Zahn-Füllungen. Zudem finden sie in Zahn-Klebern und -Versieglern Verwendung. „Trotz sorgfältigster Verarbeitung können diese Substanzen im Mund freigesetzt werden“, warnt die Umweltzahnmedizinerin Dr. Hiltrud Boeger.

PLASTE & ELASTE

BMS entwickelt neuen Kunststoff
Die Chemie-Unternehmen nutzen zunehmend Biomasse zur Kunststoff-Fertigung. Als Ausgangsstoffe für die Erdöl-Alternative dienen unter anderem Milchsäure und Zucker. Mit Pentamethylen-Diisocyanat (PDI) hat auch BAYER MATERIALSCIENCE (BMS) ein solches Produkt entwickelt. „Die Umweltverträglichkeit wird zur Markt-Erfordernis“, so begründete die vor der Loslösung vom Konzern stehende Sparte diesen Schritt. Bedenken, die Nutzung der Äcker als Rohstoff-Reservoir für die Plaste-Produktion könnte den Anbau von Pflanzen für die Lebensmittel-Herstellung beeinträchtigen, weist BMS zurück. Die Biomasse-Gewinnung erfolge „ohne direkte Konkurrenz zur Nahrungsmittel-Produktion“, beteuert die Teil-Gesellschaft.

STANDORTE & PRODUKTION

Duisberg-Park noch ohne Statuen
Im Januar 2012 hatten MetalldiebInnen den Leverkusener Carl-Duisberg-Park heimgesucht und mehrere Skulpturen aus der Sammlung des ehemaligen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg (siehe auch AKTION & KRITIK) entwendet. Dankenswerterweise sackten sie dabei auch einige Werke des Nazi-Künstlers Fritz Klimsch ein, der unter anderem Büsten von Ludendorff und Hitler anfertigte und von Goebbels das Attribut „der reifste unter unseren Plastikern“ verliehen bekam. Nach dem Raub baute der Pharma-Riese die noch im Park verbliebenen Kunstwerke ab. Er kündigte an, ein Sicherheitskonzept zu erarbeiten und die Hervorbringungen von Klimsch & Konsorten dann wieder öffentlich zu präsentieren. Ursprünglich sollte dies schon 2013 der Fall sein. Dann verschob der Konzern die Sache auf 2015, und inzwischen nennt er gar kein Datum mehr.

Planungsstau wg. Chemie-„Parks“
Die Notwendigkeit, ihre EinwohnerInnen vor den Gefahren zu schützen, die von BAYERs Chemie-„Parks“ ausgehen, stellt die Standort-Städte vor zunehmende Probleme. Die Seveso-Richtlinie der EU schreibt nämlich einen ausreichenden Abstand zwischen Industrie-Anlagen und anderen Gebäuden vor. In Leverkusen, wo der Pharma-Riese vor zwei Jahren auch selber seinen Plan begraben musste, in unmittelbarer Nähe des Werksgeländes einen Kindergarten zu errichten, liegen aus diesem Grund derzeit Pläne brach, den Süden Wiesdorfs zu entwickeln. Die Kommune hat erst einmal ein Seveso-Gutachten in Auftrag gegeben, um die Realisierungschancen zu evaluieren. Das tat auch Dormagen, obwohl die – nicht zuletzt wegen magerer Gewerbesteuer-Zahlungen von BAYER – darbenden Kommune dafür einiges Geld investieren musste. „Das fällt uns in der gegenwärtigen Haushaltslage nicht leicht. Ohne das Gutachten könnten wir aber anstehende Baugenehmigungen nicht erteilen und hätten einen Stillstand in der Stadtentwicklung“, erklärte Bürgermeister Erik Lierenfeld (SPD). Bis zum Ende des Jahres erste Zwischenergebnisse vorliegen, müssen Projekte in Dormagen-Mitte, Horrem, Hackenbroich, Rheinfeld und auf dem Areal der ehemaligen Zuckerfabrik mindestens noch auf ihre Ausführung warten. Und in Monheim steht derweil das Vorhaben der Stadt, die Rheinauen nach ökologischen Kriterien umzugestalten und besser für den Tourismus zu erschließen, auf dem Prüfstand.

Instandhaltung mit BILFINGER
Am Standort Frankfurt übernimmt der Bau-Konzern BILFINGER weiterhin die Instandhaltung und Wartung der Produktionsanlagen von BAYER CROPSCIENCE. Auch für Umbauten bleibt er die nächsten drei Jahre zuständig. Einen entsprechenden, 40 Millionen Euro schweren Vertrag schlossen die beiden Unternehmen im Januar 2015.

JENAPHARM verkauft Pharma-„Park“
Der Leverkusener Multi stutzte seine Tochter-Firma JENAPHARM Stück für Stück. 2006 schloss er die Forschungs- und Ende 2011 die Entwicklungsabteilung. 2013 schließlich wanderte die Logistik in die BAYER-Zentrale ab. Durch diesen Schrumpfungsprozess gab es im Jenaer Pharma-„Park“ immer mehr Leerstände. Und da die Geschäftsleitung die Suche nach Mietern und das gesamte Immobilien-Management nicht mehr selber übernehmen wollte, verkaufte sie das Gelände an das Unternehmen INFRAREAL, das in Marburg bereits das Grundstück des Arznei-Herstellers BEHRING erworben hatte.

VOTIVO-Grundstoff aus Bergkamen
Die Bergkamener Niederlassung des Leverkusener Multis, die bisher nur pharmazeutische Produkte herstellte, fertigt jetzt auch den Grundstoff für BAYERs Bio-Pestizid VOTIVO. In einer Anlage des Werkes wird der Bakterienstamm „Bacillus firmus“ herangezüchtet, der Mais-Pflanzen vor Fadenwürmern schützen soll. Die Weiterverarbeitung findet allerdings in Leverkusen statt und die Endproduktion in einer französischen Konzern-Niederlassung, so dass in dem nordrhein-westfälischen Werk keine neuen Arbeitsplätze entstehen.

Mehr Propamocarb aus Hürth
BAYER hat am Pestizid-Produktionsstandort Hürth, wo sich im Oktober 2014 ein Brand ereignete (Ticker 4/14), eine neue Anlage zur Fertigung von Propamocarb in Betrieb genommen. Mit ihr will der Leverkusener Multi die Herstellungsmenge der Substanz, die er unter dem Namen VOLARE vertreibt, verdoppeln. Für Mensch, Tier und Umwelt ist das keine gute Nachricht. Das Mittel wirkt nämlich hormon-ähnlich. Es kann deshalb den menschlichen Organismus aus dem Gleichgewicht bringen und zu Krebs, Stoffwechsel-Störungen, Unfruchtbarkeit und neurologischen Erkrankungen führen.

Brunsbüttel im Abwind
Der Leverkusener Multi betreibt in Brunsbüttel eine Kunststoff-Produktion. Frank Nägele, der Wirtschaftsstaatssekretär der rot-grünen Landesregierung in Schleswig-Holstein, zeichnete jetzt ein düsteres Bild der wirtschaftlichen Zukunft der Stadt und machte dafür nicht zuletzt die Geschäftspolitik des Global Players verantwortlich. „Das Industrie-Gebiet Brunsbüttel hat seinen Zenit überschritten“, sagte er bei einer Veranstaltung zum möglichen Ausbau des Hafens. Als Gründe nannte der Sozialdemokrat neben der Stilllegung der CHEMISCHEN FABRIK BRUNSBÜTTEL (CFB), in der unter anderem Teile von BAYERs einstiger Textilfarben-Produktion aufgegangen waren, auch die Entscheidung des Leverkusener Multis, sich von seiner Kunststoff-Sparte zu trennen. „Allein schon der Name ‚BAYER’ wird damit als Zugpferd fehlen“, so Nägele.

IMPERIUM & WELTMARKT

Veterinär-Sparte vor Verkauf?
In der Tierarznei-Branche hat ein Konzentrationsprozess eingesetzt, der BAYER unter Druck setzt. „Das lässt uns vor allem auf die Frage blicken, bis zu welchem Grad kritische Größe wichtig für die Tiermedizin ist“, sagte Konzern-Chef Marijn Dekkers und kündigte an, die Sparte auf den Prüfstand zu stellen. Unterdessen hat der Pharma-Riese sich schon von einigen Pharmazeutika für Pferde getrennt. Zudem machte er ein Werk im US-amerikanischen St. Joseph dicht (siehe auch POLITIK & EINFLUSS) und führt mit DVM und EXPERT CARE lediglich zwei der dort hergestellten Produkt-Reihen weiter. Plänen, die Veterinär-Abteilung zu vergrößern, erteilte Dekkers indes im Herbst 2014 bei einer Telefon-Konferenz mit Investoren eine Absage.

Mehr Ackergifte für China
Der Leverkusener Multi will mehr von der Industrialisierung der chinesischen Landwirtschaft profitieren (siehe Ticker 1/15) und kündigte an, bis zum Jahr 2020 mehr als 20 neue Produkte in dem Land herauszubringen und seine Belegschaft zu erweitern.

RECHT & UNBILLIG

LIZETAN-Klage: BUND siegt
BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide haben einen großen Anteil am weltweiten Bienensterben. Die Ackergifte GAUCHO und PONCHO hat die EU deshalb bereits vorerst aus dem Verkehr gezogen. Andere Mittel wie etwa SCHÄDLINGSFREI CALYPSO und ZIERPFLANZENSPRAY LIZETAN vertreibt der Agro-Riese hingegen weiter; und er bezeichnet die beiden Produkte mit dem Wirkstoff Thiacloprid sogar als „nicht bienengefährlich“. Als eine Irreführung der VerbraucherInnen stellte der BUND das dar, was der Leverkusener Multi nicht auf sich sitzen lassen wollte: Er verklagte die Organisation. Das Düsseldorfer Landgericht gab der Initiative jedoch Recht. Die Richterin sah in der BUND-Kritik eine Aussage, die „als Meinungsäußerung einen erhöhten Schutz genießt“. „Wir freuen uns über diesen Erfolg. Das ist ein Sieg für die Bienen und für die Meinungsfreiheit“, kommentierte der BUND-Pestizidexperte Thomas Brückmann. Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger forderte derweil politische Konsequenzen: „Die Bienengefährlichkeit der BAYER-Produkte mit dem Neonicotinoid-Wirkstoff Thiacloprid ist belegt. BAYER muss sie umgehend vom Markt nehmen.“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte den BUND bei dieser juristischen Auseinandersetzung unterstützt und sich an Protestaktionen zu den Prozess-Terminen vor dem Düsseldorfer Landgericht beteiligt.

CBG-Klage wg. Schleichwerbung
„BAYER duldet keine Gesetzes-Verstöße bei der Vermarktung seiner Produkte. Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“, heißt es in einem Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Dennoch überschreitet er immer wieder die Grenzen des Erlaubten. Beispielsweise hat die österreichische Konzern-Tochter die PR-Agentur Mhoch3 engagiert, um „Online-Reputationsmanagement“ zu betreiben und im Netz mittels gefaketer Postings Anti-Flohmittel für Katzen und andere Produkte des Unternehmens anzupreisen (siehe auch SWB 1/15). Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) entschloss sich, gegen diese Werbe-Praxis von BAYER gerichtlich vorzugehen und Anzeige zu erstatten. Die Staatsanwaltschaft beabsichtigt jedoch, das Verfahren einzustellen. Das Heilmittel-Werbegesetz verbiete es zwar, „eine aus fachkundigen Kreisen vorgegebene objektive Informationsvermittlung vorzutäuschen“, aber im vorliegenden Fall hätten ja Laien gehandelt, weshalb das Paragrafen-Werk nicht greife, so die JuristInnen zur Begründung. Zudem handle es sich um eine ausländische Firma, für die bundesdeutsches Recht nicht gelte, meinten die StaatsanwältInnen, obwohl sich die Gesellschaft zu 100 Prozent in BAYER-Besitz befindet und weisungsgebunden ist. Die Coordination will eine Ablehnung der Klage deshalb nicht akzeptieren und hat Beschwerde beim Generalstaatsanwalt eingelegt.

IPPNW-Beschwerde wg. Schleichwerbung
Die Organisation INTERNATIONALE ÄRZTE FÜR DIE VERHÜTUNG DES ATOMSKRIEGS (IPPNW) hat BAYERs Schleichwerbung im Netz mittels gefaketer Postings zur Hormon-Spirale MIRENA und anderen Produkten (s. o.) zum Anlass genommen, bei der „Freiwilligen Selbstkontrolle der Arzneimittel-Industrie“ eine formelle Beschwerde einzureichen. Das Gremium akzeptierte diese jedoch nicht. Zunächst verwies es wie die Kölner Staatsanwaltschaft wegen des Firmensitzes „Österreich“ auf Nichtzuständigkeit, und als der IPPNW dieses Argument mit Verweis auf die genauen Besitzverhältnisse entkräftete, lehnte das vermeintliche Selbstkontroll-Organ die Eingabe einfach mit der Begründung „Verjährung“ ab.

NEXAVAR-Prozess

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2012 erlaubte das Indian Patent Office (IPO) dem Generika-Hersteller NATCO PHARMA, eine preisgünstige Version von BAYERs patent-geschütztem Krebs-Medikament NEXAVAR herauszubringen. Das IPO begründete die Ausstellung einer Zwangslizenz damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Zudem habe der Konzern die Arznei den Kranken nicht in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt. Das räumte BAYER auch unumwunden ein. „Wir haben diese Arznei nicht für Inder entwickelt (...) Wir haben sie für westliche PatientInnen entwickelt, die sie sich auch leisten können“, so der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers. Trotzdem versuchte der Leverkusener Multi alles, um das IPO-Votum rückgängig zu machen. Er konnte sich aber bisher nicht durchsetzen. So schmetterte der Mumbai High Court im Juli 2014 seine Patentverletzungsklage ab, und auch im Berufungsverfahren vier Monate später scheiterte das Unternehmen. Wie der Global Player auf das Urteil reagieren wird, ließ ein Sprecher der Aktien-Gesellschaft noch offen.

NEXAVAR-Prozess

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Neben dem Patent-Streit, der in Indien um BAYERs Krebs-Medikament NEXAVAR tobt (s. o

Bienensterben

CBG Redaktion

23. Februar 2015

Bienensterben durch Pestizide

BAYER: Einschüchterung von Umweltgruppen vor Gericht

Am Düsseldorfer Landgericht wurde heute die Frage verhandelt, ob der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) seine Aussage wiederholen darf, zwei von BAYER hergestellte Pestizide seien für Bienen gefährlich. Das Gericht will am 11. März eine Entscheidung verkünden. Die Richterin ließ durchblicken, dass die Ansicht des BUND als zulässige Meinungsäußerung gewertet wird, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht.

Der Anwalt des BUND erklärte vor Gericht, das Vorgehen von BAYER sei der „Versuch einer Einschränkung der freien Meinungsäußerung“. Am Eingang zum Landgericht demonstrierten als Bienen verkleidete Aktivist/innen gegen die Einschüchterungsversuche des Konzerns. Hierzu hatte auch die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) aufgerufen. Die CBG arbeitet seit 1998 zu bienenschädigenden Pestiziden.

Neonikotinoid-Wirkstoffe gelten als einer der Auslöser des weltweiten Bienenvölkersterbens. Daher hatte die EU-Kommission ab 1. Dezember 2013 die Zulassung für drei Neonikotinoide zunächst für zwei Jahre für bienenrelevante Kulturen wie zum Beispiel Raps eingeschränkt.

Alle Infos zur Kampagne

23. Februar 2015; Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

Bayer gegen BUND – Urteil im Streit um Bienengefährlichkeit von Pestiziden ergeht am 11. März

Düsseldorf/Berlin: Am 23. Februar wurde vor dem Düsseldorfer Landgericht darüber verhandelt, ob der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) seine Aussage wiederholen darf, zwei von Bayer hergestellte Pestizide seien für Bienen gefährlich. Der Pestizidhersteller Bayer CropScience hatte gegen den BUND letzten Jahres eine einstweilige Verfügung in dieser Sache erwirkt. Zur Begründung hatte das Unternehmen angegeben, der BUND habe die Bayer-Produkte „Schädlingsfrei Calypso“ und „Zierpflanzenspray Lizetan“ ungerechtfertigt als für Bienen gefährlich bezeichnet. Der in diesen Produkten enthaltene Wirkstoff Thiacloprid, der zu den sogenannten Neonikotinoiden gehört, habe jedoch eine gültige Zulassung vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und werde von ihr als „bienenungefährlich B4“ eingestuft.

Auslöser des Streits war eine vom BUND 2014 veröffentlichte Broschüre mit dem Titel „Pestizidverkauf in Bau- und Gartenmärkten – BUND-Einkaufscheck“, mit der die Umweltschützer darauf aufmerksam machten, dass Verkäufer in Garten- und Baumärkten die Kunden sehr häufig falsch über den Einsatz verschiedener Unkraut- und Insektenbekämpfungsmittel informierten.

Das Landgericht Düsseldorf hat die Verkündung des Urteils nun für den 11. März angesetzt. „Nach der mündlichen Verhandlung sind wir optimistisch, dass die einstweilige Verfügung aufgehoben wird. Alles andere wäre für uns ein schwerwiegender Eingriff in die freie Meinungsäußerung. Uns liegen überzeugende wissenschaftliche Gutachten vor, die den Bayer-Pestizidwirkstoff Thiacloprid als bienengefährlich bewerten“, sagte die BUND-Chemieexpertin Patricia Cameron.

„Thiacloprid ist ein Nervengift und stört die Orientierungs- und Kommunikationsfähigkeit der Bienen erheblich. Das haben meine Versuche, die über mehrere Jahre liefen, klar aufgezeigt. Bienen, die nicht zu ihrem Stock zurückfinden werden nicht überleben“, sagte der Bienenexperte Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin.

Neonikotinoid-Wirkstoffe gelten mit als Auslöser des weltweit zu beobachtenden Bienenvölkersterbens. Daher hatte die EU-Kommission ab 1. Dezember 2013 die Zulassung für drei Neonikotinoide zunächst für zwei Jahre für bienenrelevante Kulturen wie zum Beispiel Raps eingeschränkt. Dagegen klagen die Hersteller Bayer und Syngenta derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof.

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[Bienensterben] Montag: Solidaritätskundgebung in Düsseldorf

CBG Redaktion

BAYER verklagt Umweltverband BUND

Der BUND veröffentlichte Anfang Dezember eine Broschüre zu Pestiziden in Bau- und Gartenmärkten. Darin kritisierte der Verband zwei Produkte von Bayer Cropscience, die den Wirkstoff Thiacloprid enthalten. Der BUND hält diese Produkte für bienengefährlich und stützt sich dabei auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse. Bayer Cropscience hat daraufhin eine einstweilige Verfügung gegen den BUND erwirkt.
Unterstützer/innen des BUND treffen sich am Montag vor dem Gericht zu einer Solidaritätskundgebung.

Wo: Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf
Wann: 23. Februar 2015, 10.30 Uhr

wer nicht an der Aktion teilnehmen kann, kann hier einen Brief an BAYER schreiben: www.bund.net/index.php?id=21820

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kämpft seit 1998 gegen Bienenkiller aus dem Hause BAYER. Ausführliche Infos unserer Kampagnenseite

Bayer gegen BUND - Streit um Bienengefährlichkeit von Pestiziden geht vor Gericht

(BUND) Am 23. Februar 2015 wird vor dem Düsseldorfer Landgericht darüber verhandelt, ob der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) seine Aussage wiederholen darf, zwei von Bayer hergestellte Pestizide seien für Bienen gefährlich. Der Pestizidhersteller Bayer CropScience hatte dazu Ende letzten Jahres eine einstweilige Verfügung gegen den BUND erwirkt. Als Begründung wurde angegeben, der BUND habe die Bayer-Produkte „Schädlingsfrei Calypso“ und „Zierpflanzenspray Lizetan“ in Publikationen ungerechtfertigt als für Bienen gefährlich bezeichnet. Der in diesen Produkten enthaltene Wirkstoff Thiacloprid, der zu den sogenannten Neonikotinoiden gehört, habe jedoch eine gültige Zulassung vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und werde von ihr als „bienenungefährlich B4“ eingestuft. Der BUND darf daher seine Aussage derzeit nur wiederholen, wenn er zugleich auf die behördliche Zulassung hinweist.

Auslöser des Streits war eine vom BUND 2014 veröffentlichte Broschüre mit dem Titel „Pestizidverkauf in Bau- und Gartenmärkten – BUND-Einkaufscheck“, mit der die Umweltschützer darauf aufmerksam machten, dass Verkäufer in Garten- und Baumärkten die Kunden sehr häufig falsch über den Einsatz verschiedener Unkraut- und Insektenbekämpfungsmittel informierten.

„In dem Vorgehen von Bayer sehen wir nicht nur den Versuch einer Einschränkung der freien Meinungsäußerung. Inakzeptabel ist auch das Ignorieren wissenschaftlicher Erkenntnisse seitens des Unternehmens. Fakt ist, die in Pestiziden enthaltenen Neonikotinoide stehen im dringenden Verdacht, das weltweite Bienensterben mit zu verursachen. Deshalb werden wir auch in Zukunft vor diesen die Bienen gefährdenden Stoffen warnen. Wir fordern das zuständige Bundesamt auf, Thiacloprid umgehend vom Markt zu nehmen. Und da wir die derzeit gültige Zulassung für falsch halten, müssen wir aus unserer Sicht auch nicht jedes Mal darauf hinweisen, dass dieser Wirkstoff als bienenungefährlich zugelassen ist“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.

Bayer CropScience verwendet in mehreren seiner Präparate Thiacloprid. Dieser Pestizidwirkstoff beeinträchtigt Kommunikation, Navigation und die Pollensammel¬tätigkeit der Honigbienen. Das belegen Forschungsergebnisse, die der Neurobiologe Prof. Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin bereits im März 2014 veröffentlicht hat. Das staatliche Deutsche Bienenmonitoring (DEBIMO) gab zudem ebenfalls 2014 bekannt, dass Thiacloprid am häufigsten als Rückstand im sogenannten „Bienenbrot“, dem von den Bienen neben dem Honig produzierten Pollenmaterial, nachgewiesen wird.

Nach Ansicht des BUND müssten die Studien zu den Gefahren durch Thiacloprid dem Unternehmen Bayer CropScience bekannt sein. „Trotz der Erkenntnisse über die Bienenschädlichkeit von Thiacloprid druckt Bayer auf seine Produkte Schädlingsfrei Calypso und Lizetan Zierpflanzenspray ein Logo mit der Benennung ‚nicht bienengefähr¬lich‘, was auch der behördlichen Einstufung entspricht“, sagte die BUND-Chemieexpertin Patricia Cameron. „Auf keinem Produkt darf ‚nicht bienengefährlich‘ draufstehen, wenn auch nur der Verdacht einer Bienengefährlichkeit besteht. Bienen sind die wichtigsten Nutzinsekten der Welt, ihr Schutz muss oberste Priorität haben. Dem muss auch Bayer Rechnung tragen, das seine Produkte gern als ökologisch und nachhaltig bewirbt“, sagte Cameron.

Neonikotinoid-Wirkstoffe gelten mit als Auslöser des weltweit zu beobachtenden Bienenvölkersterbens. Daher hatte die EU-Kommission ab 1. Dezember 2013 die Zulassung für drei Neonikotinoide zunächst für zwei Jahre für bienenrelevante Kulturen wie zum Beispiel Raps eingeschränkt. Dagegen klagen die Hersteller Bayer und Syngenta derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof.

[BAYER HV 2015] Hauptversammlung 2015

CBG Redaktion

Am 27. Mai fand in Köln die BAYER-Hauptversammlung statt. Die HV stand im Zeichen heftiger Proteste. Zusammen mit Umweltorganisationen und Geschädigten prangerte die Coordination gegen BAYER-Gefahren die Schattenseiten der Konzern-Profite an. In 26 Redebeiträgen wurden risikoreiche Pharmaprodukte, gentechnisches Saatgut, Plastikmüll, Tierversuche und gefährliche Pestizide kritisiert.

alle Redetexte der Kritischen Aktionär/innen

=> Aktionsbericht und Artikel zu den Forderungen der Kritiker

=> Fotos von den Aktionen

taz: Coordination schaltet 4-seitige Beilage

Medienberichte
=> Lev Anzeiger: Steuerzahler Bayer unter der Lupe
=> taz: Protest wegen Bienensterben
=> Rheinische Post: Bayer-Aktionäre treffen auf heile und kranke Welten
=> junge Welt: Chemiemulti am Pranger
=> Leverkusener Anzeiger: Protest zur Bayer-Hauptversammlung
=> Rheinische Post: Pillen-Protest zur Bayer-Versammlung
=> Neuss-Grevenbroicher Zeitung: Bayer-Kritiker monieren die MaterialScience-Abspaltung
=> Apotheke Adhoc: Yasmin-Proteste vor Bayer-Hauptversammlung

Gegenanträge
=> Coordination fordert Verbot von Mikroplastik / Gegenantrag eingereicht
=> Coordination reicht Gegenantrag zur Ausgliederung von Bayer MaterialScience ein
=> Fake Werbung: CBG fordert Nicht-Entlastung des Vorstands von BAYER
=> CBG reicht Gegenantrag zu Plastikmüll von BAYER ein
=> Coordination reicht Gegenantrag zum MS-Präparat Betaferon ein
=> Gegenantrag zur CO-Pipeline Dormagen Leverkusen

Presse Infos
=> Glyphosat und Glufosinat freiwillig vom Markt nehmen
=> Kritik an Steuerflucht und intransparenter Aktionärs-Struktur
=> Verhütungsimplantat Jadelle: Protest gegen bevölkerungspolitisch motivierte Vermarktungsoffensive
=> Geschädigte fordern Verbot gefährlicher Antibaby-Pillen
=> Protest gegen Kohlenmonoxid-Pipeline in Gedenken von Kläger Heinz-Josef Muhr
=> SumOfUs protestiert in BAYER-Hauptversammlung gegen bienenschädigende Insektengifte
=> BAYER Hauptversammlung: Protest gegen Plastikmüll

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[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Umbenennungskampagne erfolgreich
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund hatte das jetzt Erfolg (siehe auch SWB 1/15). Eine große Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken und Piraten stimmte dafür, die Carl-Duisberg-Straße in „Kleine Löwenstraße“ umzutaufen. Und auch Lüdenscheid möchte Duisberg nicht mehr ehren und suchte sich für einen Weg einen neuen Namenspatron. In anderen Orten, wie in Frankfurt, Dormagen, Bonn, Krefeld, Wuppertal, und Maxdorf/Ludwigshafen läuft die Kampagne unterdessen weiter.

Kampagne für Patent-Gesetz
Mit Patenten auf Pharmazeutika sichern sich BAYER & Co. Monopol-Profite. Dieses Vorgehen macht die Arzneien besonders für Menschen in Armutsregionen unerschwinglich. Viele Länder versuchen allerdings, ihrer Bevölkerung trotzdem den Zugang zu den benötigten Medikamenten zu sichern. So berief sich Südafrika im Jahr 2001 auf einen Ausnahme-Paragrafen des internationalen TRIPS-Patentschutzabkommens und führte Nachahmer-Präparate von AIDS-Medikamenten ein, was BAYER und 40 weitere Pharma-Riesen zu einer Klage veranlasste. 2008 beschloss der Staat deshalb, die Praxis durch ein Patent-Gesetz gerichtsfest zu machen. Zu einer Verabschiedung des Paragrafen-Werkes kam es jedoch noch nicht. Extrem-Lobbying von BAYER & Co. hat das bis jetzt verhindern können – allein der US-amerikanische Pillenhersteller-Verband PhRMA steckte 450.000 Dollar in eine PR-Kampagne gegen den Plan. (Ticker 2/14). Es gibt aber auch Gegenkräfte: Die AIDS-Initiative TREATMENT ACTION CAMPAIGN versammelte 50.000 Organisationen und Einzelpersonen hinter sich, um für das Gesetz – unter anderem durch einen Offenen Brief an den südafrikanischen Ministerpräsidenten Jacob Zuma – zu werben.

KAPITAL & ARBEIT

Plischke bald im Aufsichtsrat?
Lange Zeit war es für die Vorstandsvorsitzenden von BAYER & Co. Usus, nach ihrer Amtperiode als Firmenlenker den Posten des Aufsichtsratschefs zu übernehmen. 2009 hat die damalige Große Koalition diesem Automatismus jedoch einen Riegel vorgeschoben. Nach Ansicht von CDU und SPD standen die internen Lösungen einer wirklichen Kontrolle der Geschäftspolitik im Wege. Deshalb erlegten sie den wechselwilligen ManagerInnen eine zwei-jährige Karenzzeit auf. Äußerst widerwillig saß diese Werner Wenning ab, ehe er als Aufsichtsratsvorsitzender zum Leverkusener Multi zurückkehrte. Und jetzt richtet sich auch der 2014 pensionierte ehemalige Forschungsvorstand Wolfgang Plischke in der Warteschleife auf ein Comeback beim Pillen-Riesen ein. „Der Leverkusener Pharma-Konzern möchte auf seine Expertise und langjährigen internationalen Erfahrungen nicht verzichten“, vermeldet die Faz. Zu dieser „Expertise“ hatte es unter anderem gehört, trotz interner Warnungen so lange es nur irgend ging an dem Cholesterinsenker LIPOBAY festzuhalten, welcher dann schließlich bis zu seinem von den Behörden erzwungenen Vertriebsstopp über 100 Menschen den Tod brachte.

Multifunktionär Wenning
Mit seinem Posten als BAYER-Aufsichtsratschef fühlt sich Werner Wenning noch längst nicht ausgelastet. Dieselbe Position bekleidet er bei E.ON, und bei SIEMENS rückte er jüngst zum Aufsichtsratsvize vor. Einfache Mandate nimmt er zudem in den Kontrollgremien der DEUTSCHEN BANK und der Versicherungsgesellschaft TALANX wahr. Darüber hinaus hat Wenning Sitze in den Gesellschafter-Ausschüssen von HENKEL und FREUDENBERG.

ERSTE & DRITTE WELT

Afrika im Fokus
Auf der Suche nach Absatz-Gebieten hat der Leverkusener Multi einen neuen Kontinent entdeckt. „2014 steht eine Afrika-Strategie hoch oben auf der Agenda“, bekundete der Konzern unlängst (Ticker 3/14). Machte das Unternehmen dort 2012 einen Umsatz von 711 Millionen Euro, so erwartet es bis 2018 eine Steigerung auf über eine Milliarde Euro. In einzelnen Staaten rechnet es sogar mit einem Plus von über 30 Prozent. Die meisten Hoffnungen ruhen dabei auf dem Pharma-Sektor, der bereits jetzt für die größten BAYER-Einnahmen in Afrika sorgt. „Schon im vergangenen Jahrzehnt haben sich die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit in Afrika mehr als verdoppelt“, frohlockt der Pillen-Produzent. Vor allem mit Diabetika, Anti-Infektiva und Verhütungsmitteln macht er dort Geschäfte. Bei den Kontrazeptiva darf er dabei sogar auf die tatkräftige Unterstützung durch Entwicklungshilfe-Programme zur Familien-Planung bzw. Bevölkerungspolitik zählen. „Wir haben ein einzigartiges Portfolio, und unsere Mission ‚BAYER: Science For A Better Life’ steht für genau das, was Afrika braucht“, meint der Konzern. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE kommt da zu einer ganz anderen Einschätzung. Die Initiative untersuchte das Gebaren von BAYER & Co. in Uganda, das als beispielhaft auch für die Unternehmenspolitiken in anderen Ländern des Kontinents gelten kann, und stellt dem Konzern ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. So vermarktet dieser dort viele umstrittene und deshalb als irrational eingestufte Pharmazeutika: 21 von 49 Medikamenten fallen unter diese Kategorie. Zu den als unentbehrlich erachteten Mitteln des Global Players hingegen hat die Bevölkerung wegen der hohen Preise kaum Zugang; sie finden sich zumeist nur in Privatkliniken und Privat-Apotheken. Darüber hinaus bietet der Multi in dem Staat für die am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen kaum Arzneien an, weil er sich in Forschung & Entwicklung lieber auf die mehr Rendite versprechenden Mittel gegen westliche Zivilisationskrankheiten konzentriert. Ähnlich verhalten sich die anderen großen Pharma-Hersteller. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden rund eine Milliarde Menschen an Plagen wie Ebola, Tuberkulose, Flussblindheit oder Bilharziose, gegen die Big Pharma kein Mittel weiß.

Kein Moxifloxacin bei TBC
Die Pharma-Multis haben die ärmeren Staaten nicht in ihrer Kundendatei. Deshalb müssen öffentliche oder private Institutionen einspringen, um Medikamenten-Entwicklungen für Krankheiten zu fördern, die besonders häufig in sogenannten Entwicklungsländern auftreten. Eine solche Organisation ist die „Global Alliance for TB-Drug-Development“. Bill Gates, die Rockefeller Foundation, die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA und diverse andere Vereinigungen finanzieren im Rahmen des Verbundes die Suche nach neuen Tuberkulose-Behandlungsmethoden. So fließt auch Geld für die Erprobung einer Kombinationstherapie von Tbc-Arzneien mit BAYERs Antibiotikum AVALOX; speziell für diesen Forschungsansatz hatte die Stiftung von Bill und Melinda Gates im Frühjahr 2006 noch einmal 100 Millionen Dollar locker gemacht. Das Präparat sollte die Genesung beschleunigen, auf diese Weise die Bildung Antibiotika-resistenter Bakterienstämme eindämmen und so die Überlebenschancen der PatientInnen erhöhen. Dies schaffte das Mittel jedoch nicht: Die verkürzte Therapie wirkte sich negativ auf den Heilungsprozess aus und führte häufiger zu Rückfällen.

Indien weniger im Fokus
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Erprobungen in ärmere Länder aus. Besondern in Indien finden BAYER & Co. günstige Standort-Bedingungen vor. Dort locken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und fehlende Kontrollen. Die Risiken und Nebenwirkungen sind dementsprechend hoch. Allein von 2007 bis 2011 kamen 158 TeilnehmerInnen an klinischen Prüfungen mit BAYER-Präparaten ums Leben. Das bewog die indischen Behörden, strengere Regeln einzuführen. So machten sie es den Pharma-Riesen zur Pflicht, für alle etwaigen Gesundheitsstörungen ihrer ProbandInnen aufzukommen. Der Leverkusener Multi reagierte prompt: Er stornierte schon angesetzte Versuche mit seinem Gerinnungshemmer XARELTO.

BAYER’S TONIC in Indien
In ärmeren Regionen können die Menschen sich oft keinen MedizinerInnen-Besuch leisten. Die Pharma-Riesen reagieren darauf, indem sie ominöse Allheilmittel auf den Markt werfen. So vertreibt der Leverkusener Multi in „Entwicklungsländern“ etwa BAYER’S TONIC mit den Ingredienzien Leber-Extrakt, Hefe, Zucker und Alkohol als Stärkungsmittel. In Indien bewarb der Multi das Produkt ungeachtet seines Alkohol-Gehaltes von rund zehn Prozent speziell für Kinder. Erst nach Protesten von Gesundheitsinitiativen sah das Unternehmen davon ab und druckte ein Warnhinweis auf die Packung. Trotzdem empfehlen es ApothekerInnen aus alter Gewohnheit immer noch für diese Altersgruppe, wie Testkäufe der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gezeigt haben. Und das Versprechen, das Präparat ohne Alkohol herzustellen, hat der Konzern bis heute nicht eingelöst.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Eine kleine BAYER-Buße
BAYER war bereits an den Vorbereitungen zum Ersten Weltkrieg beteiligt und avancierte später zum wichtigsten Lieferanten chemischer Waffen. Generaldirektor Carl Duisberg fischte auch im „Menschenbassin Belgien“ nach ZwangsarbeiterInnen und formulierte die Kriegsziele mit. Der fatalen Rolle, die der Leverkusener Multi bei dem Waffengang spielte, stellte er sich im Gedenkjahr 2014 allerdings nicht. Bei der letzten Hauptversammlung vom CBGler Axel Köhler-Schnura mit der Kritik an Duisbergs Kriegsverbrechen konfrontiert, antwortete Unternehmenschef Marijn Dekkers: „Die historischen Verdienste Carl Duisbergs sind weithin anerkannt. Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein und setzte sich für den Umweltschutz ein, lange bevor es gesetzliche Regelungen dazu gab.“ Später im Jahr aber kam es doch noch zu einer kleinen Geste der Reue von Seiten des Global Players. Am Volkstrauertag beteiligten sich Christian Zöller und Iris Müller-Florath von der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA an einem Rundgang zu den Erinnerungsorten des Ersten Weltkriegs in Leverkusen, zu denen auch das Tor 4 des Chem„parks“ zählt. Dort hielt Zöller, der bei dem Unternehmen für den „Politik- und Bürgerdialog“ zuständig ist, eine Ansprache zur historischen Verantwortung des Konzerns. Als „Krieg der Chemiker“ bezeichnete Zöller darin den Ersten Weltkrieg und berichtete dann von BAYERs Chemiewaffen-Produktion.

KAPITAL & ARBEIT

Selbstbedienung im Ideen-Pool
Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit betont der Leverkusener Multi die Unverzichtbarkeit des Schutzes des geistigen Eigentums. An den Ideen seiner Beschäftigten vergreift der Konzern sich jedoch ganz unverblümt. So erklärt der Pharma-Riese frank und frei, dank der Verbesserungsvorschläge der Beschäftigten aus dem „BAYER Ideen-Pool“ bereits im ersten Jahr der Umsetzung über vier Millionen Euro eingespart zu haben. An Prämien zahlte er indessen nur rund 1,3 Millionen Euro aus.

Neue „Innovationsplattform“
Nicht nur qua Ideen-Pool (s. o.) beutet BAYER das Potenzial seiner Beschäftigten aus. Seit Mai 2014 betreibt der Leverkusener Multi eine sogenannte Innovationsplattform mit Namen „WeSolve“, auf der er die Belegschaft mit konkreten Fragestellungen konfrontiert. „Wie könnte eine Technologie aussehen, um Schädlingsbefall aus der Ferne zu erkennen?“, will der Konzern da beispielsweise von seinen Belegschaftsangehörigen wissen. Mit der Resonanz auf diese Maßnahme zur Abschöpfung von Wissen zeigt sich das Unternehmen angesichts von bisher 800 Beiträgen zufrieden. „Das Feedback ist sehr positiv“, lässt „Global Program Manager“ Puneet Kumar Srivastava verlauten.

POLITIK & EINFLUSS

„Lex BAYER“ verabschiedet
Über die marode Leverkusener Autobahn-Brücke, zu derem beklagenswerten Zustand BAYERs immenser Liefer-Verkehr nicht wenig beigetragen hat, dürfen keine schweren LKWs mehr fahren. Zum Gelände des Chemie-Multis müssen sie deshalb einen Umweg von ca. 20 Kilometern in Kauf nehmen. Ernst Grigat, bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA für die Chem-„Parks“ in Leverkusen und Dormagen verantwortlich, verfällt aus diesem Grund schon in Weltuntergangsstimmung. „Wenn nicht schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wird, fürchten wir, dass die Industrie verlagert wird. Damit ist das langsame Sterben der chemischen Industrie in Deutschland vorprogrammiert.“ Und die apokalyptischen Töne zeigen Wirkung. Grigat bekommt eine neue Brücke, und damit alles ganz schnell gehen kann, änderte die Bundesregierung Ende März 2015 sogar das Bundesfernstraßen-Gesetz. Dieses erschwert es den BürgerInnen nämlich, gegen die Planungen vorzugehen, indem es kurzen Prozess macht: Etwaige Einsprüche dürfen nur noch über eine Instanz gehen. Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD) verspricht sich davon einen Zeitgewinn von bis zu anderthalb Jahren. Ein Problem mit der Beschneidung der BürgerInnen-Rechte hat er nicht. Als wichtiger erachtet es der Sozialdemokrat, dass der Neubau steht, bevor die Rheinbrücke gar nicht mehr befahrbar ist. „Wir können es uns nicht leisten, durch Klagewellen das Risiko einer Vollsperrung einzugehen“, so Groschek. Sogar die zwischen der Brücke und dem Kreuz Leverkusen geplante acht-spurige Stelzen-Autobahn fällt unter die „Lex BAYER“, was die Stadtverwaltung an BAYERs Stammsitz erboste. „Im Leverkusener Rathaus herrscht Entsetzen über die Pläne“, vermeldete der Leverkusener Anzeiger. Es spreche überhaupt nichts dafür, die Klagerechte der Bürger in Sachen „Stelzen-Autobahn“ einzuschränken, gab das Blatt die Worte von Bau-Dezernentin Andrea Deppe wieder.

Groschek erhält Wunschliste
Der Leverkusener Multi trägt dank ganz legaler Steuertricks zwar kaum noch etwas zur Finanzierung des Gemeinwesens bei, dafür wachsen aber die Begehrlichkeiten. So sieht er den Staat nicht nur beim Bau neuer Brücken in der Pflicht (s. o.), ganz allgemein fordert der Konzern mehr Anstrengungen im Bereich „Infrastruktur“. Deshalb überreichte der Branchen-Verband „ChemCologne“ dem nordrhein-westfälischen Bauminister Michael Groschek schon im letzten Jahr eine Wunschliste in Form der Studie „Chemie-Logistik im Rheinland“. Aber nicht nur neue Bau-Maßnahmen mahnen BAYER & Co. darin an, sie beanspruchen auch ein Mitsprache-Recht bei den Projekten. „Für eine funktionierende Chemie-Logistik ist es wichtig, dass bei der Verkehrsinfrastruktur-Planung die besonderen Bedürfnisse der chemischen Industrie (Gefahrgut-Transport) berücksichtigt werden“, schreiben die Unternehmen Groschek ins Stammbuch.

Kraft weiht TDI-Anlage mit ein
Am 9. Dezember 2014 weihte der Leverkusener Multi in Dormagen seine neue Kunststoff-Anlage ein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Verbände hatten sich im Vorfeld gegen das Projekt ausgesprochen und ihre Kritik auf einem Erörterungstermin im Herbst 2011 vorgetragen. Die Coordination stieß sich vor allem am großen Ressourcen-Verbrauch der Fertigungsstätte und am avisierten Gebrauch des gefährlichen Giftgases Phosgen als Zwischenprodukt, ohne Schutzmaßnahmen durch eine Beton-Ummantelung der Produktionsstätte zu treffen. Darüber hinaus monierte sie den zu geringen Sicherheitsabstand zu Wohnsiedlungen und Verkehrseinrichtungen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gab all dem hingegen bei der feierlichen Eröffnung ihren landesmütterlichen Segen. Sie bescheinigte dem Global Player, mit der TDI-Produktion ein Signal für den Umweltschutz zu setzen. Und obwohl der Konzern gerade einmal drei Monate vorher die Trennung von seiner Plaste-Sparte bekanntgegeben hatte, weil sie seinen Rendite-Vorstellungen nicht mehr entsprach, stimmte für die Sozialdemokratin die Chemie. „Die Investition macht die Leistungsstärke des BAYER-Standortes deutlich. Es ist aber auch ein wichtiges Zeichen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Nordrhein-Westfalens als attraktiver Chemie-Standort“, bekundete sie.

Schöning im VFA-Vorstand
Klaus Schöning, Leiter von BAYER HEALTHCARE, hat einen Posten im Vorstand des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller errungen. Als einer der größten bundesdeutschen Arznei-Produzenten hat der Multi Schöning zufolge eine Art natürliches Recht auf einen solchen Sitz: „Daraus ergibt sich auch unser Anspruch, Verbandsarbeit aktiv mitzugestalten.“ Besonders aktiv will der Manager den Dialog mit Bundestagsabgeordneten und anderen wichtigen EntscheiderInnen in Berlin vorantreiben. „Diese Gespräche sind wichtig, um den Wert der Arzneimittelbranche und insbesondere unserer innovativen Medikamente für die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft deutlich zu machen“, so der Healthcare-Chef.

Regierung startet Pharma-Dialog
Im September 2014 hat die Bundesregierung den „Pharma-Dialog“ ins Leben gerufen. In einer konzertierten Aktion wollen das Gesundheits-, Wirtschafts- und das Forschungsministerium den Pillen-Produzenten bessere Rahmenbedingungen verschaffen. „Erklärtes Ziel des Dialogs ist die Stärkung des Pharma-Standortes Deutschland“, freut sich der Leverkusener Multi. Schon zwei Monate nach dem Start der Initiative durfte der Global Player Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zum Antrittsbesuch begrüßen und sich von ihm loben lassen: Als einen der „innovativsten Wirtschaftszweige unseres Landes“ bezeichnete Gröhe die Arznei-Branche. BAYER-Chef Marijn Dekkers möchte dafür allerdings mehr Anerkennung und kündigte an, diese bei den Pharma-Dialogen auch einzufordern. „Wenn uns Politik und Gesellschaft unterstützen, können wir weiterhin in Deutschland forschen, innovative Arzneimittel für die ganze Welt entwickeln und im globalen Wettbewerb vorne mitspielen“, sagte er mit einem kaum verhohlenen drohenden Unterton. Der Vorsitzende des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller“, Hagen Pfundner, hat derweil schon einen Akteur ausgemacht, der angeblich einen Keil zwischen Politik und Pharma-Konzerne treibt: die Krankenkassen. Durch ihre Dominanz bei den Preisverhandlungen für neue Medikamente würden sich „Politik und Industrie voneinander entfernen“, meint der Lobbyist. Aber er weiß Abhilfe. WissenschaftlerInnen sollen an den Gesprächen teilnehmen und den Einfluss von DAK & Co. reduzieren, rät Pfundner.

Kritik am AMNOG
Die PolitikerInnen erwarteten vom 2011 eingeführten Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) Einsparungen bei den Medikamenten-Ausgaben von bis zu zwei Milliarden Euro. Die Kosten/Nutzen-Bewertung von bereits zugelassenen Pillen sollte nämlich die Spreu vom Weizen trennen und die Pharma-Riesen bei Minderleistern oder 08/15-Produkten zu finanziellen Zugeständnissen zwingen. Die mit dem Paragrafen-Werk verbundene Hoffnung trog jedoch, nicht zuletzt, weil die schwarz-gelbe Koalition auf Druck der Pharma-Lobby von ihren Plänen abgerückt war, alle Arzneien einer Revision zu unterziehen und sich stattdessen auf neue Präparate beschränkte. BAYER & Co. reicht dies jedoch nicht. Sie fordern einen weiteren AMNOG-Rückbau. So stößt sich Frank Schöning von BAYER VITAL an dem, was das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) unter Zusatznutzen versteht. „Wenn kein Zusatznutzen festgestellt wird, bedeutet das nicht automatisch, dass ein Produkt keinen Zusatznutzen hat“, sagte er bei einem vom Leverkusener Multi anberaumten Presse-Gespräch und warf dem IQWIG vor, „patienten-relevante Endpunkte“ bei ihren Untersuchungen nicht in ausreichendem Maß zu berücksichtigen. Der BAYER-Manager hätte nämlich schon gerne einen Zusatznutzen für ein Produkt ausgewiesen bekommen, wenn es nicht mehr dreimal, sondern nur noch zweimal am Tag eingenommen werden muss. Hilfestellung leistete Schöning bei dem Termin die Geschäftsführerin des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Industrie“, Birgit Fischer. „Es besteht der Verdacht, dass es einzig und allein um die Reduzierung der Preise geht“, mit diesen Worten kritisierte die Lobbyistin das Bewertungsverfahren.

Mehr Gentech-Importe gefordert
Die europäischen Dachverbände der Futtermittel- und Fleisch-Industrie sowie der LandwirtInnen fordern die EU auf, mehr Importgenehmigungen für Gen-Pflanzen von BAYER, MONSANTO & Co. zu erteilen. Wenn nicht mehr Ackerblüten wie BAYERs T25-Mais oder die beiden Baumwoll-Arten T304-40 und LL25xGHB614 auf den Markt kommen und eingeführte Sorten konventioneller Art keine Spuren dieser Laborfrüchte enthalten dürfen, ist nach dem Horror-Szenario der Lobby-Organisationen die Nahrungsmittel-Sicherheit gefährdet.

Obamas Klima-Plan gefährdet
Die Obama-Administration bereitet einen „Clean Power Plan“ vor. Dieser will den Energie-Erzeugern vorschreiben, die Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent zu verringern. BAYER & Co. laufen Sturm gegen das Vorhaben, weil sie höhere Strom-Preise befürchten. Der Industrie-Verband „Chamber of Commerce“ legte umgehend eine Studie vor, um Stimmung gegen die Gesetzes-Initiative zu machen. 290 Milliarden Dollar müssten die VerbraucherInnen infolge des Obama-Projekts bis 2030 mehr für Energie zahlen, rechnete der Lobby-Club vor. Und auch die in Diensten der Konzerne stehende JuristInnen-Vereinigung „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) entfaltete sogleich Aktivitäten. In mehr als 12 Bundesstaaten schrieb die Organisation, welcher der Leverkusener Multi seit 1992 angehört, für republikanische PolitikerInnen Eingaben gegen den „Clean Power Plan“.

PROPAGANDA & MEDIEN

Marken-Pflege bei Facebook
„BAYER duldet keine Gesetzes-Verstöße bei der Vermarktung seiner Produkte. Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“, heißt es in einem Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Dennoch überschreitet er immer wieder die Grenzen des Erlaubten. So hat der Konzern die österreichische PR-Agentur Mhoch3 engagiert, um „Online-Reputationsmanagement“ zu betreiben und mittels gefaketer Postings Produkte des Unternehmens auf Facebook und in Foren anzupreisen (siehe auch SWB 1/15). In krudem Stil, der für Authentizität bürgen soll, ist auf chefkoch.de dann beispielsweise „Benny was hast du deiner katze letzt endlich gegeben damit die Flöhe verschwinden? Wir behandeln immer mitn Spot On von Bayer namens Advantage- kennst du das?...wünsch Euch viel Glück“ zu lesen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN geht gegen diese Werbe-Praxis von BAYER gerichtlich vor und hat Strafanzeige gestellt.

Greenwashing mit Merkel
Um sich trotz immensen Schadstoff-Ausstoßes als Umweltengel präsentieren zu können, unterstützt BAYER einige Naturschutzprojekte. Dabei erhielt der Konzern jetzt auch Schützenhilfe von der Bundeskanzlerin persönlich. Angela Merkel machte 2014 auf ihrem Weg nach Australien zum G20-Gipfel einen kurzen Stopp in Neuseeland und besuchte dort auch das vom Leverkusener Multi gesponserte „Motutapu Restoration Trust“-Projekt, das sich gefährdeter Vogel-Arten annimmt. „Das war eine hervorragende Gelegenheit, Angela Merkel zu zeigen, wie wir uns als Unternehmen für das Gemeinwohl einsetzen“, freute sich BAYERs Neuseeland-Chef Holger Detje.

Redwashing mit „Philos“-Preis
Blutern widmet BAYER besondere Aufmerksamkeit, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 80er Jahren Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen seine Präparate aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Deshalb erhalten die Bluter-Verbände viele Zuwendungen. Zu diesen zählt auch der „Philos“-Preis, mit dem der Pharma-Riese besondere Projekte auszeichnet. Im Februar 2015 überreichte er der „Interessensgemeinschaft Hämophiler“ für ihr Wochenend-Seminar „Hämophilie im Alter“ einen Scheck in Höhe von 10.000 Euro.

PR mit Präventionskampagne
Immer wieder führt der Leverkusener Multi Präventionskampagnen durch, die nur vordergründig der gesundheitlichen Aufklärung und der körperlichen Fitness dienen. Jüngstes Beispiel: Die gemeinsam mit der „Deutschen Schlaganfall-Hilfe“ und der „Deutsche Sporthochschule Köln“ initiierte Aktion „Rote Karte dem Schlaganfall“. Diese hat vielmehr nur den Zweck, ADALAT und XARELTO als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe zu bewerben und die Beziehungen zu den Kooperationspartnern zu vertiefen.

BAYER sucht den Diabetes-Star
Der Leverkusener Multi möchte Diabetes-Kranke schon möglichst früh binden und so den Absatz seines umstrittenen Diabetikums GLUCOBAY und seiner Blutzucker-Messgeräte erhöhen. Zu diesem Behufe ruft er zum „‚Fine Stars’-Modelcasting 2015“ auf. Dieses sucht nach Kindern und Jugendlichen mit Diabetes, die sich von ihrer Krankheit „nicht unterkriegen lassen und voll im Leben stehen“. Die GewinnerInnen dürfen dem Konzern dann als Diabetes-„BotschafterInnen“ dienen. Den Namen verdankt die Casting-Show der Giraffe Fine aus dem Kölner Zoo, für welche der Pharma-Riese 2008 werbewirksam eine Patenschaft übernommen hatte.

BAYER sponsert „Weltverhütungstag“
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht selbst heute noch großer Beliebtheit, denn sie eröffnet den Verhütungsmitteln des Konzerns gute Absatzchancen in den ärmeren Ländern. Darum ist der Pharma-Riese auch der Hauptsponsor des „Weltverhütungstages“, der 2014 sogar einen Aktionsplan verabschiedet hat, um BAYERs Produkt-Palette vorzustellen bzw. „den Bedarf nach korrekten, objektiven und leicht verfügbaren Informationen zum Thema Verhütung“ zu stillen.

Keine Angst vor Fortbildungskodex
Die „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittel-Industrie“ (FSA) hat einen neuen Transparenz-Kodex zum Umgang mit ÄrztInnen verabschiedet. Dieser schreibt die Veröffentlichung von finanziellen Zuwendungen oder geldwerten Leistungen vor, welche BAYER & Co. MedizinerInnen gerne für Fortbildungen, Beratungsleistungen und wissenschaftlich unsinnige Beobachtungsstudien, welche nur der Einstellung der PatientInnen auf das jeweilige Konzern-Präparat dienen, angedeihen lassen. Mit „nachteiligen nennenswerten Auswirkungen“ der Initiative rechnet der Pharma-Riese allerdings nicht. DoktorInnen, die keine „individuelle Transparenz“ wünschen, müssen nämlich nicht mit der Publizierung ihres Namens rechnen, da der Kodex viele Ausnahme-Regelungen vorsieht. Und dem Beispiel einiger Unternehmen, die MedizinerInnen für Vorträge künftig nicht mehr bezahlen wollen, mag der Global Player auch nicht folgen. „Bei Einhaltung der Transparenz-Regeln im Kodex spricht aus unserer Sicht nichts gegen eine angemessene Honorierung von ärztlichen Leistungen“, meint der Konzern.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2014 unterstützte die Stiftung unter anderem das „Junge Ensemble“ des Theas-Theaters in Bergisch-Gladbach, ein Ferien-Angebot des Bistums Magdeburg für sozial benachteiligte Kinder, den Jugendmigrationsdienst Wolfen und den Europa-Jugendbauernhof Deetz.

DRUGS & PILLS

Kein NEXAVAR bei Leberkrebs
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib ist bislang zur Behandlung von fortgeschrittenem Nierenkrebs, fortgeschrittenem Leberkrebs und einer bestimmten Art von Schilddrüsenkrebs, bei der zuvor eine Bestrahlung mit radioaktivem Jod keine Fortschritte erzielte, zugelassen. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu erweitern. So versuchte er jüngst, das gemeinsam mit dem Unternehmen ONYX entwickelte Medikament bei solchen Leberkrebs-PatientInnen zur Anwendung zu bringen, denen die ÄrztInnen alle Geschwüre entfernt hatten. Aber die entsprechenden Tests erbrachten kein positives Ergebnis. Zuvor war bereits eine andere Leberkrebs-Erprobung gescheitert, und auch bei Brust, Lungen-, Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs konnte NEXAVAR keine Therapie-Erfolge erzielen. Der Pillen-Riese bleibt aber beharrlich. „Obwohl wir vom Ausgang der Studie enttäuscht sind, wollen wir weiterhin das Potenzial des Wirkstoffes in allen Stadien von Leberkrebs untersuchen“, so der Pharma-Entwicklungschef Jörg Möller.

ESSURE 2.0
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich nach etwa drei Monaten die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich, und das dürfte sich in nächster Zeit auch nicht ändern. Der Leverkusener Multi arbeitet zwar gerade an einer Weiterentwicklung des Medizin-Produktes, aber um eine Veränderung des Risiko-Profils geht es ihm dabei nicht. Dem Konzern ist es vielmehr um eine schnellere Wirkung zu tun: Er will den Prozess beschleunigen, der die Einleiter-Zugänge versperrt. Entsprechende klinische Tests laufen bereits.

Ein bisschen Gender-Medizin
Die Schulmedizin begreift den Körper als Maschine, und Maschinen haben kein Geschlecht. Entsprechend stellen die Pharma-Konzerne für Männer und Frauen dieselben Medikamente her. Dabei differieren die Krankheiten und Krankheitsverläufe zum Teil sehr. So machen sich etwa die Symptome für einen Herzinfarkt bei weiblichen Personen anders als bei männlichen Personen bemerkbar. Jetzt will auch der Leverkusener Multi dem kleinen pharmakologischen Unterschied mehr Aufmerksamkeit widmen. Ein gemeinsam mit der Berliner Charité unternommenes Forschungsprojekt hat zu dem Sinneswandel geführt.

Neue XOFIGO-Studie
Der Leverkusener Multi sucht nach einer neuen Anwendungsmöglichkeit für sein gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickeltes Medikament XOFIGO. Bisher hat das Präparat eine Zulassung bei der Prostatakrebs-Art CRPC, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Dann soll eine radioaktive Bestrahlung mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid das Wachstum der Tumor-Zellen hemmen. Und jetzt testet der Pharma-Riese das Mittel in Kombination mit den Pharmazeutika Abirateron-acetat und Prednison bei Patienten, die sich noch keiner Chemo-Therapie unterzogen haben. Das Produkt vermag allerdings schon in seinem angestammten Gebiet nicht recht zu überzeugen. Bei den Klinischen Tests verlängerte es die Lebensdauer der Krebs-Kranken um noch nicht einmal drei Monate. In England übernimmt deshalb der dortige „National Health Service“ die XOFIGO-Behandlungskosten nicht.

Tests mit Prostata-Arznei
BAYER entwickelt gemeinsam mit dem finnischen Unternehmen ORION ein Medikament für Prostatakrebs-Patienten, die zwar noch keine Metastasen haben, aber erhöhte, nicht auf eine Behandlung mit Testosteron-Blockern reagierende PSA-Werte. Das Präparat soll die Arbeit des Androgen-Rezeptors stören und so die Bildung von Testosteron hemmen, welches das Tumor-Wachstum befördert. Die entsprechenden Tests der Phase III haben im Herbst 2014 begonnen.

Neue ADEMPAS-Studie
Bei der Arznei ADEMPAS handelt es sich um ein Mittel zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge die Bildung eines Enzyms stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Da der Leverkusener Multi aus Profit-Gründen ständig nach neuen Anwendungsmöglichkeiten für seine Arzneien sucht, will er das Präparat jetzt auch bei solchen CTEPH-PatientInnen einsetzen, bei denen eine Behandlung mit PDE-E-Hemmern keinen Erfolg gezeigt hat. Entsprechende Studien mit dem Mittel, dessen Wirkung der industrie-unabhängige Arzneibrief als „marginal“ bezeichnet, laufen zurzeit.

ALEVE doch nicht Klassenbester
Entzündungshemmende Schmerzmittel wie BAYERs ALEVE (Wirksubstanz: Naproxen) steigern bei längerer Einnahme das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere Herz-Kreislauf-Krankheiten mit möglicher Todesfolge deutlich. Einige neuere Studien hatten allerdings das Gefährdungspotenzial von ALEVE geringer als das der anderen Präparate eingeschätzt. Die US-Gesundheitsbehörde kündigte daraufhin an, dem Leverkusener Multi zu gestatten, dieses auf den Packungen zu vermerken, sollte sich der Befund bestätigen. Dies tat er allerdings nicht. Der FDA-Beratungsausschuss überprüfte die Untersuchungsergebnisse und konnte keine gravierenden Unterschiede zwischen den Mitteln feststellen.

Zulassung für Verhütungspflaster
Die Europäische Arzneimittel-Behörde EMA hat einem Verhütungspflaster von BAYER die Zulassung erteilt. Das Produkt enthält 0,55 mg des Hormons Ethinylestradiol und 2,1 mg des Hormons Gestoden. Damit überschreiten die Konzentrationen diejenigen von Kontrazeptiva in Pillen-Form. Dem Leverkusener Multi zufolge stellt das jedoch keine Gefahr dar, da die Wirkstoffe peu à peu über die Woche verteilt in den Organismus gelangen. Studien bescheinigen den Pflastern im Allgemeinen dagegen ein höheres Gefährdungspotenzial als anderen Verhütungsmethoden. Bei Vergleichsuntersuchungen mit Pillen und Vaginal-Ringen zeigten sie ein schlechteres Risiko-Profil.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben auf Obama-Agenda
Der US-Präsident Barak Obama hat eine landesweite Strategie gegen das Bienensterben angekündigt. „Das Problem ist ernst und stellt eine bedeutende Herausforderung dar, die im Interesse der Nachhaltigkeit unserer Nahrungsmittel-Produktion in Angriff genommen werden muss“, heißt es in dem „Presidential Memorandum“. Zu dem Maßnahmen-Katalog gehört auch, den Anteil zu untersuchen, den Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie die BAYER-Mittel PONCHO und GAUCHO an dem Verenden der Tiere haben. Vielen Initiativen geht der Schritt der Regierung indes nicht weit genug. Der US-amerikanische Ableger des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKES (PAN) und mehr als 125 weitere Gruppen appellierten an Obama, es seinen europäischen Kollegen gleichzutun und die gefährlichen Mittel umgehend aus dem Verkehr zu ziehen.

FENOMENAL nicht phänomenal
BAYERs vor einiger Zeit auf den Markt gebrachtes Antipilzmittel FENOMENAL (Wirkstoffe: Fosetyl und Fenamidone) ist alles andere als phänomenal. Das für Erdbeeren, Zierpflanzen und Ziergehölze bestimmte Pestizid hatte erhebliche Schwierigkeiten, seine Zulassung zu erhalten. So urteilte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) zunächst: „Für die Erdbeer-Indikationen konnte die hinreichende Wirksamkeit nicht belegt werden.“ Die vorgelegten Unterlagen schätzte das BVL als mangelhaft und unvollständig ein. Bei eigenen Labor-Untersuchungen ermittelte es deutlich höhere Rückstandswerte als der Leverkusener Multi. Auch bei der Abbau-Zeit kamen die WissenschaftlerInnen auf andere Zahlen als der Konzern. Zudem bemängelte das Amt zu alte Sicherheitsdatenblätter und das Fehlen von Material aus bundesdeutschen Feldversuchen zur Rückstandsbewertung. Das Risiko, dass sich die Rote Wurzelfäule und andere Pilz-Arten bald auf die Wirkstoffe einstellen und Resistenzen herausbilden könnten, schätzte es „beim Fosetyl gering, beim Fenamidone hingegen hoch“ ein. Überdies hatte der Agro-Riese dem Bundesamt zufolge eine viel zu hohe Dosierung empfohlen. Erst durch das Nachreichen von Dokumenten hat der Global Player dann grünes Licht für fast alle der beantragten Anwendungsgebiete erhalten.

Neues Reis-Herbizid
„Mit der Entdeckung der herbiziden Wirkung bestimmter Sulfonylharnstoff-Verbindungen (...) erfolgte ein Quantensprung in der chemischen Unkrautbekämpfung“, hielt noch 2012 eine vom staatlichen Julius-Kühn-Forschungsinstitut für Kulturpflanzen veranstaltete Konferenz fest, an der auch ein Vertreter des Leverkusener Multis teilnahm. Inzwischen ist der Ruhm der 1985 auf Sulfonylharnstoff-Basis eingeführten Stoffe allerdings verblasst. So trotzen etwa auf den Reisfeldern immer mehr Wildpflanzen den BAYER-Mitteln RAFT (Wirkstoff: Oxadiargyl), TOPSTAR (Oxadiargyl), SUNRICE (Ethoxysulfuron), WHIP SUPER (Fenoxaprop-p-ethyl) und RICESTAR (Fenoxaprop-p-ethyl). Doch der Agro-Riese will nun Abhilfe schaffen und vermarktet für Reis-Kulturen mit COUNCIL COMPLETE ein neues Produkt. In Südkorea schon zugelassen, erwartet der Konzern in Kürze weitere Genehmigungen in asiatischen Ländern für das Mittel mit den Ingredienzien Triafamone und Tefuryltrione. „Tefuryltrione bekämpft sehr effektiv Unkräuter, die gegen Herbizide aus der chemischen Klasse der Sulfonylharnstoffe resistent sind und sich auf den südkoreanischen Reisfeldern zunehmend ausbreiten“, verspricht der Konzern.

BAYER erforscht Resistenzen
Die oligopol-artigen Strukturen auf dem Agro-Markt schwächen die Innovationskräfte der Branche immens (SWB 1/14). So haben BAYER & Co. seit Dekaden kein neues Anti-Unkrautmittel mehr entwickelt. Die Folge: Schon 238 Wildpflanzen-Arten sind immun gegen die gängigen Chemie-Cocktails geworden. Der Leverkusener Multi räumt das sogar selber ein. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, sagt der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Jetzt will der Global Player seine Anstrengungen in dem Bereich jedoch intensivieren. Er eröffnet in Frankfurt ein Kompetenz-Zentrum für Unkraut-Resistenzen mit 12 Beschäftigen. Bis diese neue Mittel entwickelt haben, dürften allerdings noch einige Jährchen ins Land ziehen, wenn es ihnen denn überhaupt gelingt.

Bio boomt
Die Absatz-Chancen für Pestizide auf biologischer Basis vergrößern sich. ExpertInnen sagen für das Jahr 2020 ein Markt-Potenzial von drei Milliarden Dollar voraus. Darum baut BAYER mit Produkten wie dem Anti-Wurmmittel BIBACT und dem Anti-Pilzmittel CONTANS, dessen komplette Vertriebsrechte für Europa der Konzern sich im Oktober 2014 gesichert hat, das „Bio“-Segment zielstrebig aus. Auch in Forschung & Entwicklung investiert der Agro-Riese. So stehen am Standort West Sacramento schon 100.000 Bakterien-Stämme als Pflanzenschutz-Versuchsobjekte zur Verfügung. Der Leverkusener Multi hebt als Vorteile der Bio-Methode die sehr spezifische und deshalb Resistenz-Bildungen verhindernde Wirkungsweise sowie die flexiblen Einsatzmöglichkeiten bis zum Tag der Ernte hervor. Er will deshalb jedoch seinen Agrogift-Schrank nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. „Wir setzen auf integrierte Angebote für Nutzpflanzen. Also auf die Auswahl des passenden Saatguts und die beste Kombination aus chemischen und biologischen Produkten“, so BAYER-Manager Ashish Malik.

Pestizid-Gegnerin angegriffen
Die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung der Pestizid-Ausbringung – und zu einer Ausweitung der Gesundheitsschädigungen. Im argentinischen Ituzaingó etwa kommt ein Drittel der Neugeborenen mit Missbildungen zu Welt; bei 80 Prozent der BewohnerInnen wiesen WissenschaftlerInnen Rückstände von Agrochemikalien im Blut nach. Viele Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, haben daran einen Anteil, so etwa Glyphosate (GLYPHOS, USTINEX G), und Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER). Aber die Betroffenen setzen sich zur Wehr und gründen Initiativen wie die „Mütter von Ituzaingó“. Damit setzen sie sich jedoch Gefahren aus. So wurde die Aktivistin Sofia Gatica überfallen, und als Grund kommt für sie nur ihr aktuelles Engagement gegen eine Saatgut-Aufbereitungsanlage von MONSANTO in Frage.

Mehr Pestizide in Afrika
Auf der Suche nach Absatz-Gebieten ist der Leverkusener Multi in Afrika fündig geworden. Nicht nur mehr Pharmazeutika (siehe ERSTE & DRITTE WELT), sondern auch mehr Pestizide möchte BAYER auf dem Kontinent absetzen – bis 2020 strebt der Agro-Riese eine Umsatz-Verdoppelung an. Deshalb baut er seine Präsenz vor Ort aus. In Angola, der Elfenbeinküste, Nigeria und Tansania will er demnächst Repräsentanzen eröffnen.

PFLANZEN & SAATEN

Neuer Hybrid-Reis mit KAIIMA
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit dem israelischen Unternehmen KAIIMA AGRITECH vereinbart, um neue hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Reis-Sorten zu kreieren. Dabei kommt die von KAIIMA entwickelte, ohne Gentech-Verfahren auskommende EP-Technologie zum Einsatz, die den Pflanzen zu mehr Robustheit verhelfen soll, indem sie ihren Chromosomen-Satz vervielfacht.

Neuer Hybrid-Raps in Kanada
Der Leverkusener Multi hat in Kanada eine neue Art seines hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Raps’ der INVIGOR-Produktreihe herausgebracht, den er in Kombination mit seinem Ultragift Glufosinat vermarktet. Die Sorte soll den LandwirtInnen BAYER zufolge eine spätere und deshalb ertragreichere Ernte ermöglichen, weil sie über besonders stabile, dem Regen trotzende Schoten verfügt.

Neuer Weizen in Osteuropa
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen, die am meisten verbreitete Kulturpflanze der Welt, einen Schwerpunkt. Sieben Zuchtstationen unterhält BAYER mittlerweile; zudem kooperiert das Unternehmen mit vielen Weizenforschungsinstituten. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren. Spätestens dann soll auch die erste hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete und deshalb mehr Ertrag versprechende Sorte auf den Markt kommen. Und eine selbstentwickelte konventionelle Weizen-Art bietet der Global Player schon ab diesem Jahr an, vorerst allerdings nur in Osteuropa.

GENE & KLONE

BAYER-Raps kreuzt aus
Die Schweiz erlaubt keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Trotzdem entdeckten WissenschaftlerInnen dort Spuren von MS8, RF3 und MS8xRF3 – drei Sorten des BAYER-Genraps’ der INVIGOR-Produktlinie. Die ExpertInnen vermuten, dass die gegen das Ultra-Gift Glufosinat resistente Laborfrucht über den Baseler Rheinhafen mit einer Weizenlieferung aus Kanada in das Land gelangte. Demnach wäre dort ein guter Teil der Weizen-Ernte kontaminiert.

Verunreinigungen durch STARLINK
Zu den Erblasten, die BAYER 2001 mit dem Kauf von AVENTIS CROPSCIENCE übernahm, gehörte der Gen-Mais STARLINK. Dieser hatte ein Jahr zuvor für den ersten großen Gentechnik-Skandal in der Geschichte gesorgt. Obwohl nur in den USA und auch da lediglich als Futtermittel zugelassen, wies die Initiative GENETICALLY ENGINEERED FOOD ALERT (GEFA) Spuren der Laborfrucht in rund 300 Lebensmitteln nach. Allein der Lebensmittel-Konzern KRAFT musste daraufhin 2,5 Mio. Packungen Maismehl-Chips zurückrufen. AVENTIS blieb damals nichts anderes übrig, als die Gen-Pflanze vom Markt zu nehmen. Trotzdem treibt diese immer noch ihr Unwesen. So tauchte STARLINK Ende 2013 in saudi-arabischen Lebensmitteln auf.

Super-Pflanzen, Super-Unkräuter
Die gentechnische Veränderung beschleunigt das Wachstum von Ackerfrüchten. Wenn diese auskreuzen und ihre Eigenschaften auf Unkräuter übertragen, wie es häufig geschieht, gedeihen diese ebenfalls üppiger. Das hat ein US-amerikanisches WissenschaftlerInnen-Team um Allison Snow herausgefunden und in dem Fachjournal New Phytologist publiziert.

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Der Leverkusener Multi setzt besonders bei SURPASS und anderen Baumwoll-Pflanzen auf den Bazillus. Baumwollkapselbohrer & Co. können sich jedoch immer besser auf ihn einstellen, fünf von 13 Insekten-Arten kann er kaum mehr etwas anhaben. Zu diesem Befund kamen WissenschaftlerInnen des französischen Forschungsinstituts CIRAD und der „University of Arizona“ nach einer Auswertung entsprechender Studien. Brasilianische ForscherInnen von der Universität São Paulo um Juliano Ricardo Farias bestätigten die Resultate. Diese Situation zwingt die LandwirtInnen dazu, zusätzliche Insektizide einzusetzen. Die Behauptung von BAYER & Co., die Gentechnik würde den Pestizid-Verbrauch senken, erweist sich also wieder einmal als falsch.

Indien: Versuche mit Bt-Reis
Die Gentechnik ist in Indien sehr umstritten. Als einzige Laborfrucht darf auf den Äckern bisher die mit dem Insekten-Gift des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückte Baumwolle blühen. Vor allem zwischen Landwirtschafts- und Umweltministerium gab es immer wieder Auseinandersetzungen um die Risikotechnologie. Im Dezember 2013 musste jedoch die gentech-kritische Umweltministerin Jayanthi Natarajan ihren Rücktritt erklären. Seither hat sich das umweltpolitische Klima im Land geändert. Die Aufsichtsbehörde GEAC gab grünes Licht für rund 200 Feldversuche mit gentechnisch manipulierten Pflanzen, darunter auch für solche mit Bt-Reis aus dem Hause BAYER. Die Lobby-Organisation ABLE-AG, welcher der Leverkusener Multi, MONSANTO und andere Agro-Riese angehören, bedankte sich in einem Schreiben umgehend für das Entgegenkommen. Das letzte Wort in der Sache ist allerdings noch nicht gesprochen. Dem Obersten Gerichtshof des Landes liegt nämlich immer noch der Antrag zur Entscheidung vor, ein zehnjähriges Moratorium für Freisetzungsversuche zu verhängen.

Mehr Gentech mit CELLECTIS
Der Leverkusener Multi baut seine Kooperation mit dem US-Unternehmen CELLECTIS PLANT SCIENCE auf dem Gebiet der Gentechnik aus. CELLECTIS entwickelt für den Konzern neue Raps-Sorten und gewährt ihm Zugang zu neuen Technologien. Von diesen erwartet sich die BAYER-Forscherin Catherine Feuillet viel: „Sie ermöglichen so präzise Modifikationen des Genoms oder der Gene, dass Veränderungen des gesamten Pflanzen-Genoms vermieden werden.“

Neue Gentech-Baumwolle
In den USA bietet BAYER seit Neuestem sein Baumwoll-Saatgut der FIBERMAX-Produktreihe mit einer kombinierten Insektizid- und Herbizid-Resistenz an. Die Pflanzen trotzen sowohl Glyphosat als auch dem Antiunkraut-Mittel Glufosinat, weshalb die LandwirtInnen die entsprechenden Pestizide gleich im Doppelpack ausbringen können. Und die haben es in sich: Glyphosat steht im Verdacht, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Glufosinat wirkt ebenfalls reproduktionstoxisch. Zudem ist es imstande, Missbildungen bei Föten zu verursachen, Verhaltensstörungen hervorzurufen und die Entwicklung des Gehirns zu beeinträchtigen. Wegen dieser Risiken und Nebenwirkung muss die Substanz in Europa bis September 2017 vom Markt verschwinden.

Suche nach Signalstoffen
Der Leverkusener Multi hat mit TARGENOMIX, einer Ausgründung des „Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie“ eine Forschungskooperation vereinbart, um die Wirkungsweise von bestimmten Signalstoffen zu ergründen, die für das Gedeihen der Ackerfrüchte wichtig sind. Auf Basis dieser Erkenntnisse hofft der Agro-Riese dann, „innovative Lösungsansätze für den Pflanzenschutz und die Pflanzen-Gesundheit“ gewinnen zu können.

Wieder kein EYLEA-Zusatznutzen
BAYERs zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassene Augen-Arznei EYLEA (Ticker 2/12) erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. In den klinischen Prüfungen gelang es dem Gentech-Medikament mit dem Wirkstoff Aflibercept nicht, das NOVARTIS-Präparat LUCENTIS zu übertrumpfen, was der Leverkusener Multi auch selbst einräumen musste. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) mag ebenfalls partout keinen Zusatznutzen zu erkennen. Nachdem es schon bei der eigentlichen Makula-Degeneration keinen durch EYLEA bewirkten Therapie-Fortschritt festmachen konnte, gelang ihr das für das Anwendungsgebiet „diabetisches Makula-Ödem“ ebenso wenig. Der Pharma-Riese hat gegen die Entscheidung Einspruch eingelegt.

KOGENATE-Allergien
Gleich zwei Studien bescheinigten BAYERs Blutgerinnungspräparat KOGENATE und dem ebenfalls vom Leverkusener Multi entwickelten, seit geraumer Zeit aber von BEHRING vertriebenem Mittel HEXILATE NEXGEN eine mangelhafte Wirkung. Neue, vorher nicht behandelte Bluter-Patienten reagieren auf diese beiden Gentech-Mittel der zweiten Generation öfter allergisch als auf Blutprodukte der dritten Generation, so der Befund. Für den Bluter-Weltverband „World Federation of Hemophilia“ legt dieses Ergebnis nahe, die Pharmazeutika Menschen mit frisch diagnostizierter Hämophilie lieber nicht zu verschreiben. Die Organisation forderte daher die US-Gesundheitsbehörde FDA auf, die Daten umgehend zu überprüfen. Das europäische FDA-Pendant EMA wies indes BAYER und BEHRING an, auf dem Beipackzettel auf das erhöhte Risiko von Immun-Reaktionen hinzuweisen. Zudem kündigte die Behörde eine Überprüfung der in der Fachzeitschrift Blood veröffentlichten Expertisen an.

Neues KOGENATE
In den 1980er Jahren starben Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutpräparaten BAYERs, weil das Unternehmen die Pharmazeutika aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte, obwohl das verarbeitete Blut auch von Risiko-Gruppen stammte. Ende des Jahrzehnts brachte der Leverkusener Multi dann mit KOGENATE ein Produkt heraus, bei dem gentechnisch manipulierte Zellen das Plasma vervielfältigen, weshalb der Bedarf an Spenderblut drastisch sank. Und nun hat der Konzern für die KOGENATE-Version BAY 81-8973 die Vermarktungsgenehmigung erhalten, die gar keine menschlichen Blut-Bestandteile mehr enthält. Mit Risiken behaftet ist die Arznei dennoch, denn rund ein Drittel der Patienten mit Blutgerinnungsstörungen bildet Antikörper gegen die Mittel heraus und reagiert allergisch auf sie (s. o.). Darüber hinaus will der Leverkusener Multi noch in diesem Jahr den Zulassungsantrag für eine KOGENATE-Variante stellen, bei der sich nur die Darreichungsform ändert. Das Präparat hält sich länger im Körper, weshalb eine Infusion pro Woche reicht.

Engere Kooperation mit VENTANA
Der Leverkusener Multi weitet die Zusammenarbeit mit VENTANA auf dem Gebiet der Krebsforschung aus. Die ROCHE-Tochter soll für BAYER künftig Tests entwickeln, mit denen der Pharma-Riese kontrollieren kann, ob und wie die von ihm entwickelten Antikörper auf Tumor-Zellen wirken.

WASSER, BODEN & LUFT

PCB unter Tage
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. So schlummern in alten Bergwerksstollen bis zu 10.000 Tonnen PCB. Unter Tage war die Substanz als derjenige Bestandteil von Hydraulik-Ölen in Verwendung, der für die schwere Entflammbarkeit sorgte. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Als gefährlichen Sondermüll behandelten die Konzerne die Giftbrühe damals nicht. Die RAG beispielsweise vermag für gerade einmal zwei Prozent der zwischen 1979 und 1984 in den Saarbergwerken genutzten Öle Entsorgungsnachweise vorzuweisen. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Im Erdreich und in den Abwässern der Zechen finden sich ebenfalls PCB-Spuren. Damit nicht genug, könnten die Polychlorierten Biphenyle schon bald ans Tageslicht gelangen. Die RAG will sich nämlich das kostspielige Abpumpen des Grubenwassers sparen und hat deshalb bereits einige Maschinen abgestellt. Deshalb droht das Wasser die Stollen zu fluten, das PCB auszuspülen und ins Grundwasser, in Flüsse und Bäche weiterzuleiten. „Da tickt eine ökologische Zeitbombe“, so Steffen Potel vom BUND. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat jetzt erst einmal ein Gutachten über die Gefahren in Auftrag gegeben und die RAG angewiesen, keine weiteren Schächte unter Wasser zu setzen, bis das Ergebnis der Studie vorliegt.

Altlast in Krefeld
In Krefeld schlummert unter der 1980 errichteten Siedlung an der Mauritzstraße eine Altlast. In Stichproben-Untersuchungen wiesen GutachterInnen unter anderem Arsen, Blei, Chrom und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) nach. Wegen der hohen Konzentration riet ein Immunologe einem Anwohner sogar, seinen Keller nicht ohne Schutzmaske zu betreten. Der Grund und Boden, auf dem die Häuser entstanden, gehörte der BAYER-Immobiliengesellschaft. Vor Baubeginn hatte sie die Vertiefungen des Areals mit Material aus der nahe gelegenen städtischen Mülldeponie aufgeschüttet, die nicht zuletzt der Chemie-Multi nutzte. „Auch BAYER hat dort abgekippt. Ich habe es als Kind selbst gesehen“, erinnert sich Heike Hoffmann, die Vorsitzende des Bürgervereins Uerdingen. Nach Erschließung des Geländes parzellierte die Konzern-Tochter es und verkaufte nach und nach die einzelnen Grundstücke. Allzu schnell wuchsen die Häuser jedoch nicht. So kam es 1979 und dann noch einmal 1985 zu Unterbrechungen der Arbeiten. „Rita Thiele von den Grünen hat damals für einen Baustopp gesorgt. Wegen der Altlasten im Boden. Dann gab es eine Unbedenklichkeitsbescheinigung von der Stadt und von BAYER“, so der ebenfalls auf verseuchtem Grund und Boden lebende BAYER-Pensioniär Volkmar Sander. Um das Erdreich genauer zu untersuchen, finanziert das Land Nordrhein-Westfalen jetzt den größten Teil einer umfangreichen, 140.000 Euro teuren Studie – den Leverkusener Multi nimmt es dazu nicht in Haftung. Unterdessen melden sich bei den AnwohnerInnen schon Immobilien-SpekulantInnen, die ihre Chance wittern. „Ich habe gehört, dass Sie auf einem Drecksberg sitzen“ – mit diesen Worten wollte ein windiger Geschäftsmann dem ehemaligen BAYER-Werker Eduard Jansen schon sein Haus für den Schnäppchen-Preis von 60.000 Euro abkaufen.

Glyphosat in der Umwelt
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz. Aber auch die Laborfrüchte des Leverkusener Multis verfügen über eingebaute Resistenzen gegen die Substanz. Zudem enthalten BAYERs Ackergifte GLYPHOS und USTINEX G den Stoff. US-amerikanische WissenschaftlerInnen haben jetzt in einer großen Studie untersucht, inwieweit Glyphosat die Umwelt belastet. Das Ergebnis ist alarmierend: In zahlreichen Boden- und Wasserproben wiesen die ForscherInnen die Agro-Chemikalie nach.

GIFTIG, ÄTZEND, EXPLOSIV

BAYER braucht mehr Bisphenol
Das in BAYERs Bitterfelder Chemie-„Park“ ansässige japanische Unternehmen HI-BIS GmbH will die Bisphenol-Produktion verdoppeln und hat deshalb eine neue Fertigungsanlage errichtet. Es kommt damit der steigenden Nachfrage von Seiten des Leverkusener Multis nach, der nicht nur einen 10-Prozent-Anteil an HI-BIS hält, sondern auch als alleiniger Abnehmer der Chemikalie fungiert. Er benötigt sie als Vorprodukt für seinen Kunststoff APEC, der vornehmlich in der Medizin-, Licht- und Elektrotechnik und bei Haushaltsgeräten Verwendung findet. Problematisch ist der Einsatz von Bisphenol, wenn die menschliche Haut in Kontakt mit der Chemikalie kommt, wie das etwa bei Verpackungen für medizinische Geräte der Fall ist. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau nämlich Hormonen, was den menschlichen Stoffwechsel durcheinanderbringen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie zu Herz- und Lebererkrankungen führen kann.

Schärfere Bisphenol-Grenzwerte
Die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) hat das Gesundheitsrisiko neu untersucht, das von der auch von BAYER verwendeten und in Umlauf gebrachten Industrie-Chemikalie Bisphenol A (s. o.) ausgeht. Sie ermittelte mögliche Beeinträchtigungen der Funktionen von Leber, Nieren sowie Brustdrüsen und empfahl eine Absenkung der noch tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge von 50 Mikrogramm um den Faktor 10 auf fünf Mikrogramm. Weil Hinweise auf weitere Gesundheitsgefährdungen durch den Stoff vorliegen, will sie diesen Grenzwert als vorläufigen verstanden wissen. Nach Ansicht des Leverkusener Multi hingegen sind „keine schädlichen Wirkungen nachgewiesen“ bzw. besteht „lediglich ein geringes Gesundheitsrisiko“. „Obwohl es gar keinen Beweis für eine toxische Wirkung“ gebe, hätte die EFSA ihre Entscheidung „in einer äußerst konservativen Herangehensweise“ und „ausschließlich aus Gründen des vorsorgenden Gesundheitsschutzes“ getroffen, moniert der Multi. Die Aussagekraft der Niedrigdosen-Studien, auf welche sich die Behörde bei ihrem Votum stützte, zweifelt der Konzern an. „Niedrigdosis-Effekte sind unter Toxikologen heftig umstritten“, befindet er.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Neues Brandschutz-Konzept
Metall-Alkyle wie Triethylalumninium (TEA) oder Trimethylaluminium (TMA) entzünden sich bei Kontakt mit Luft oder Wasser sofort. Tritt der Ernstfall ein, kann deshalb nur Trockenlöschpulver oder Sand zum Einsatz kommen, was die Arbeit der Feuerwehr sehr erschwert. Bei BAYER liegt der letzte große Knall etwas mehr als fünf Jahre zurück. In dem Bergkamener Werk kam es am 5.9.09 zu einer großen Explosion und zwei kleineren Folge-Detonationen. Ausgelöst hatte die Kettenreaktion eine defekte Pumpe, die Metallalkyl-Reste aus einem Container absaugen sollte. Vier Beschäftigte erlitten damals einen Schock und mussten sich einer ärztlichen Behandlung unterziehen. Dass ihnen nicht mehr passiert ist, rechneten Sachverständige später einem „unheimlichen Glück“ zu. Nun will der Leverkusener Multi mehr Sicherheitsvorkehrungen in puncto „Metall-Alkyle“ treffen. Er hat für diese Stoffe, die als Katalysatoren oder zur Beschichtung von Kunststoffe dienen, ein neues Brandschutz-Konzept entwickelt. Um Leckagen zu vermeiden, empfiehlt der Verfasser der Handreichung, der BAYER-Ingenieur Armin Heyn, unter anderem die Lagerung in doppelwandigen Tanks aus Carbon-Stahl. Überdies hält er bei Teilen der Rohrleitungen ständige Schweißnaht-Überprüfungen für unabdingbar. Darüber hinaus sollten die Pipelines über vor Rost schützende Edelstahl-Halter verfügen. Auch dürften nur hermetisch dichte Pumpen zum Einsatz kommen. Zur Gewährleistung des Brandschutzes rät das Konzept-Papier dazu, die Tanks auf Betonsockel zu stellen, was im Falle eines Falles vor einer Unterfeuerung schützt. Zudem schlägt es die Errichtung von Brandschutzwänden zwischen den einzelnen Metallakyl-Behältnissen und eine Raumluft-Überwachung vor.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Brand in Knapsack
Am 21.10.14 kam es in einer Pestizid-Anlage von BAYER zu einem Brand. Der Stoff Methylphosphin trat aus und entzündete sich sofort. Über Kunststoff-Leitungen und Ummantelungen verbreitete sich das Feuer. Eine übelriechende Rauchwolke zog über die nahegelegenen Wohngebiete. Die Feuerwehr schloss eine Gefahr für die Bevölkerung trotzdem umgehend aus, was die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte. „Man kann nach einem solchen Vorfall nicht einfach Entwarnung geben. Niemand kennt die genaue Zusammensetzung der Brandgase, der Oxidationsprodukte und den Anteil an nicht verbranntem Methylphosphin. Von daher lassen sich langfristige Gesundheitsschäden der Anwohner nicht mit Sicherheit ausschließen“, erklärte die Coordination.

Natronlauge tritt aus
Am 21.12.14 entwichen aus einer Rohrleitungsanlage des Dormagener BAYER-Werk rund drei Kubikmeter einer 32-prozentigen Natronlauge. Als Ursache für den Austritt der stark ätzend wirkenden Substanz gibt der Leverkusener Multi eine defekte Dichtung an.

Kohlenmonoxid tritt aus
Im Antwerpener BAYER-Werk zerbarst am 16.9.14 ein Teil der Dichtung eines Wärmetauschers. Aus dem Leck treten mit den heißen Prozessgas-Strömen auch rund 150 Kilogramm Kohlenmonoxid aus. Der Leverkusener Multi musste die Anlage mit Stickstoff spülen, um das Entweichen noch größerer Stoffmengen zu verhindern.

2014: Sechs Transport-Unfälle
Für das Jahr 2014 verzeichnet BAYERs Geschäftsbericht sechs Transport-Unfälle. Am 6. Januar geriet in Brasilien ein LKW in einen Unfall und verlor 1.300 Kilogramm MDI-Kunststoff. Am 27.3. entweicht aus einem vom Brunsbütteler Werk kommenden Tankwagen der Kunststoff TDI. Am 13.5 trat in den USA aus einem Laster nach einem Zusammenstoß mit einem PKW Container-Heizflüssigkeit aus. Am 31. Juli starb in den USA ein LKW-Fahrer, als sein Fahrzeug von der Straße abkam und gegen einen Baum prallte. Dabei schleuderte die komplette Ladung Makrolon in einen Graben. Am 6.8. rann in den USA aus einem Transport-Fahrzeug Salzsäure, was eine mehrstündige Straßen-Sperrung nach sich zog. Und am 23.8 kam es in Indien zu einem Unfall, in dessen Folge 8.500 Kilo Polyol ins Freie geriet, das mit Sand und Absorptionsmitteln gebunden werden musste.

2014: Acht Lade-Unfälle
Für das Jahr 2014 verzeichnet BAYERs Geschäftsbericht acht Unfälle, die sich beim Be-, Ent- oder Umladen von Stoffen ereigneten. Am 10.4 liefen in einem US-amerikanischen Werk des Leverkusener Multis aus einem noch unter Druck stehenden Versorgungsschlauch 100 Liter einer Flüssigkeit aus. Am 6.6. trat in Pittsburgh bei der Einlagerung von Propylenoxid eine Leckage auf, aus der die krebserregende und das Erbgut schädigende Flüssigkeit entwich. Am 26.6 ereignete sich am südafrikanischen Standort Nigel beim Umfüllen einer Chemikalie eine Explosion geringeren Grades, eine sogenannten Verpuffung. Am 28.8. kippte in Australien auf einem Container-Ladedock ein Fass mit dem Kunststoff-Produkt Desmodur um und schlug leck; 250 Liter des Stoffes rannen heraus. Am 18.9. wurde im Hafen von Marseille ein Polyol-Container beschädigt, 24 Tonnen der Substanz drangen nach draußen. Am 7.10 gelangten beim Entladen eines Bisphenol-Containers ein bis zwei Kubikmeter der Chemikalie ins Freie. Am 21.11. riss in einer US-amerikanischen Niederlassung der Entlade-Schlauch eines Kunststoff-Behältnisses, woraufhin 190 Liter hinausflossen. Am 15.12. ereignete sich auf dem Gelände einer US-Fabrik des Leverkusener Multis ein Zwischenfall. Beim Umladen des Kunststoffes TDA kam es an einer Pumpendichtung zu einem Defekt, und 150 Liter des Produktes strömten aus.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Jobs, weniger Steuern?
Wuppertal, Standort von BAYERs Pharma-Produktion, erwägt, die Unternehmen mit Steuer-Anreizen zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu bewegen. Das Konzeptpapier „Wuppertal 2025“ sieht vor, den Gewerbesteuer-Satz von 490 auf 475 Prozentpunkte zu senken, falls die Firmen es schaffen, 5.000 neue Jobs einzurichten. Die „Industrie- und Handelskammer“ (IHK) zeigt sich allerdings nur wenig begeistert von der Idee. Ihrer Ansicht nach müsste vielmehr die Stadt in Vorleistung treten. „Sie sollte ein elementares Interesse daran haben, im Wettbewerb der Kommunen untereinander eine gute Position einzunehmen, was den Standort betrifft – und ohne Konditionen günstige Rahmenbedingungen anbieten“, so IHK-Geschäftsführer Uwe Mensch.

Mehr Salzsäure aus Wuppertal
BAYER erweitert am Standort Wuppertal eine Anlage, welche die bei der Kunststoff-Produktion anfallende Salzsäure aufbereitet, zwischenlagert und transportfertig macht.

Leerstand in Brunsbüttel
Die vielen Verkäufe von Teilgesellschaften haben den Flächenbedarf des Leverkusener Multis beträchtlich schrumpfen lassen. Um die Areale trotzdem auszunutzen,

Bienensterben

CBG Redaktion

30. Oktober 2014, Mellifera e.V.

Imker streiten am Europäischen Gerichtshof gegen Pestizide

Nachdem die EU-Kommission im Herbst letzten Jahres den Einsatz bestimmter Pflanzenschutzmittel verboten hat, haben die Herstellerkonzerne BASF, Bayer und Syngenta vor dem Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Kommission eingereicht. Sie werfen ihr unter anderem einen Mangel an Beweisen für eine schädliche Wirkung der Neonicotinoide auf Honigbienen vor. Die Imkerverbände haben sich jetzt erfolgreich durchgesetzt und wurden als Prozessbeteiligte für alle drei Verfahren zugelassen.

Neonicotinoide sind Nervengifte. Sie stellen ein großes Problem für die Umwelt und die Bienen dar. Das Verbot wurde von der Kommission aufgrund fehlender Studien zur Risikobewertung ausgesprochen und gilt zunächst für zwei Jahre. In dieser Zeit sollen neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden. Bayer & Co. wollen, dass das Verbot sofort wieder aufgehoben wird, schließlich gehören Neonicotinoide zu den am meisten verkauften Pflanzenschutzmitteln weltweit.
Auf Initiative des „Bündnis zum Schutz der Bienen“ hatten sechs Imkerverbände beim Europäischen Gerichtshof eine Prozessbeteiligung beantragt. Der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund und österreichische Imkerverbände wurden nun für die Verfahren zugelassen. Als Prozessbeteiligte können sich die Verbände jetzt aktiv in das Gerichtsverfahren einbringen. Sie erhalten Einsicht in alle Schriftsätze der klagenden Chemiekonzerne und der beklagten EU-Kommission. Nur so kann eine außergerichtliche Einigung hinter verschlossenen Türen verhindert werden.

Die Imkerverbände kämpfen nicht nur für die Bienen. Thomas Radetzki, Imkermeister von Mellifera e.V. und Koordinator des Bündnisses, ist überzeugt, dass es richtig und wichtig ist, hier mitzuwirken: „Es geht nicht allein um die Honigbienen. Die ständige Intensivierung der Landwirtschaft mit derartigen Pestiziden schädigt unsere Umwelt, beschleunigt den dramatischen Artenschwund und zerstört somit unser aller Lebensgrundlagen.“
Neonicotinoide sind hochwirksame Pestizide. Ihre Giftigkeit ist teilweise 7.000 mal höher als die von DDT. Besonders gefährlich sind ihre subletalen Effekte, diese führen nicht zum sofortigen Tod, sondern stören die Kommunikationsfähigkeit und den Orientierungssinn der Bienen. Sie finden nicht mehr in den heimischen Stock zurück und gehen zugrunde.

Neue wissenschaftliche Studien deuten darauf hin, dass Neonicotinoide auch für einen Artensterben bei Singvögeln verantwortlich sind. Wissenschaftler kritisieren seit Jahren die mangelhaften Zulassungsanforderungen und intransparenten Zulassungsverfahren dieser Pestizide.
Bienen stellen nicht nur Honig her, mit ihrer Bestäubungsleistung bringen sie in Deutschland einen volkswirtschaftlichen Nutzen von zwei Milliarden Euro im Jahr. Ohne Bienen müssten wir Menschen auf ein Drittel unserer Nahrungsgrundlage verzichten.

Infos zur Kampagne der CBG

[Editorial] STICHWORT BAYER 04/2014

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

Ende 2013 hat die Europäische Kommission insgesamt vier Pestizide wegen ihrer Beteiligung am weltweiten Bienensterben mit befristeten Teilverboten belegt. Darunter befinden sich mit den Wirkstoffen Imidacloprid und Clothianidin, beides Insektengifte aus der Gruppe der sogenannten Neonicotinoide, auch zwei Produkte von BAYER. Grundlage war die wissenschaftliche Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA, die ansonsten für ihre Nähe zur Industrie und ihren unkritischen Umgang mit Umweltrisiken verschrien ist. In diesem Fall hat die Empfehlung der Behörde den betroffenen Konzernen aber richtig wehgetan: BAYER, SYNGENTA und BASF verdienen Millionen mit ihren Agrargiften, insbesondere den „modernen“, hochwirksamen Substanzen. Die nun verhängten, zunächst für gerade einmal zwei Jahre gültigen, Anwendungsbeschränkungen kosten also bares Geld. Kaum verwunderlich, dass sich die betroffenen Konzerne damit nur ungern abfinden. Dividende zählt mehr als die Zukunft der Landwirtschaft: Mit dem Überleben von Bienen, anderen Bestäubungsinsekten und der Funktionsfähigkeit stabiler Agrar-Ökosysteme steht viel mehr auf dem Spiel als „nur“ das Überleben einzelner Arten. Der Schaden, den Pestizide anrichten können, ist kolossal: Eine Vielzahl von Kulturpflanzen ist auf die Hilfe von Insekten bei der Bestäubung ihrer Blüten angewiesen – ohne sie findet keine Fruchtbildung statt. Die Ernte fällt in Menge und Qualität schlechter aus.

Die für Bienen gefährlichen Wirkungen vieler Pestizide wurden lange unterschätzt, da nur die akute Giftigkeit geprüft wurde. Doch die Wirkungen sind subtiler: Die Gifte stören Entwicklung, Verhalten sowie Orientierungsvermögen und erhöhen die Krankheitsanfälligkeit. Im Zusammenwirken mit anderen Faktoren, etwa einem reduzierten Nahrungsangebot, extremen Wetterbedingungen oder Parasiten und Krankheiten, können
Bienenvölker kollabieren.

Dabei haben die Bienen noch Glück: Nur sie haben überhaupt eine Lobby, auf andere Insekten wird bei der Bewertung und Anwendung von Agrargiften keinerlei Rücksicht genommen. Und auch andere Tiergruppen sind betroffen: Unlängst wurde festgestellt, dass das BAYER-Gift Imidacloprid Vogelbestände dezimiert. Dies ist vermutlich nicht auf eine direkte Vergiftung zurückzuführen, sondern auf ein verringertes Nahrungsangebot.

Der Einsatz von Giften wie den Neonicotinoiden gefährdet also nicht nur Bienen, sondern allgemein die Biodiversität. Dabei ist Vielfalt in Natur und Kulturlandschaft bei weitem nicht nur ein Wert an sich. Von ihr hängen ökologische Regelungsfunktionen ab, die von unschätzbarem Wert sind: Sogenannte „kostenlose Ökosystemdienstleistungen“, etwa die natürliche Schädlingskontrolle durch Nützlinge, werden nur in einer intakten Umwelt erbracht. Leider ist mit ihnen kaum Geld zu verdienen, Chemie lässt sich hingegen verkaufen.

Und was macht die Industrie? BAYER hat die Europäische Kommission wegen der Verbote verklagt. Das Verfahren wird wohl kaum zeitnah zu einem Ergebnis führen und dient den Konzernen (BASF und SYNGENTA haben ebenfalls Klage eingereicht) wohl auch mehr als ein unmissverständliches Zeichen an die Politik: Ökologische Kollateralschäden dürfen ein lange Zeit wenig in Frage gestelltes Geschäftsmodell nicht kaputtmachen. Mitte April haben wir von GREENPEACE BAYER an die Verantwortung des Unternehmens erinnert und den direkt Betroffenen eine Stimme gegeben: Auf einem Fotobanner an der Konzern-Zentrale forderten Bienen von BAYER „Stop killing us“. Anlass waren Funde von Agrargiften in Pollenproben aus ganz Europa. An der Firmenpolitik hat sich jedoch nichts geändert; von BAYER ist kein Umdenken zu erwarten. Bleibt zu hoffen, dass die EU-Verantwortlichen sich nicht beeindrucken lassen von den Drohgebärden der Industrie – und die einzig richtigen Schlüsse ziehen: Dem Schutz von Landwirtschaft, Bienen und Umwelt Vorrang vor Konzern-Interessen zu geben und die Verbote ohne Ausnahmen und zeitliche Beschränkungen zu verhängen.

Dr. Dirk Zimmermann ist Landwirtschaftsexperte bei GREENPEACE

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Erfolgreiche Jahrestagung
2014 fand die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „No Taxes – Die Steuerflucht großer Konzerne“ in einem etwas anderen Rahmen als gewohnt statt. Der Coordination war es nämlich gelungen, Sahra Wagenknecht von der Partei „Die Linke“ als Gastrednerin zu gewinnen, weshalb die CBG die Veranstaltung in den Bürgersaal der Düsseldorfer Arcaden verlegte. Und die Bundestagsabgeordnete enttäuschte die Erwartungen der 160 BesucherInnen nicht. Imposant schilderte sie die ganz legalen Steuertricks der Global Player, denen es gelingt, sich vornehmlich durch interne Geschäfte mit Waren, Krediten und Lizenzen so arm zu rechnen, dass – wie im Fall von IKEA – für den Fiskus gerade mal fünf Prozent vom Gewinn übrig bleiben. Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG skizzierte im Anschluss den größeren politischen Rahmen, der dieses Treiben überhaupt erst ermöglicht, und illustrierte schließlich am konkreten Beispiel „BAYER“ die gängigen Steuervermeidungsstrategien wie etwa diejenige, die BAYERs Finanz-Vorstand Werner Baumann „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“ nennt. Nach den Vorträgen entwickelte sich dann noch eine lebhafte Diskussion, so dass die BesucherInnen am Ende angeregt, ein bisschen klüger und hoffentlich motiviert zu einem Engagement gegen die Machenschaften von BAYER & Co. ihre Heimreise antraten.

CBG-Vortrag in Tutzing
Im August 2014 hatte die „Politische Akademie Tutzing“ die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu einem Vortrag eingeladen. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes referierte im Rahmen des Seminars „Werte-Bildung im Chemie-Unterricht“ vor größtenteils promovierten ChemikerInnen zum Thema „Bewertung der Risiken der chemischen Industrie“. Über drei Stunden berichtete Mimkes über die Gefährdungspotenziale bei BAYER & Co. Aber auch danach erlahmte das Interesse nicht, so dass sich im Anschluss an den Beitrag noch eine intensive Diskussion entspann. Die Seminar-Leitung freute sich über den ganzen Input und bot der Coordination an, sie bei passender Gelegenheit wieder nach Tutzing zu holen.

Nobelpreis für Kailash Satyarthi
In diesem Jahr erhielt Kailash Satyarthi, der langjährige Vorsitzende des GLOBAL MARCH AGAINST CHILD LABOUR, für sein Engagement gegen die Kinderarbeit den Friedensnobelpreis. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lernte den Inder 2003 durch eine Kooperation kennen. Sie gab in diesem Jahr gemeinsam mit dem GLOBAL MARCH und dem INDIA COMMITTEE OF THE NETHERLANDS eine Studie heraus, welche unter anderem das große Ausmaß von Kinderarbeit auf den Feldern eines Zulieferers von BAYER CROPSCIENCE dokumentierte. Auch den Offenen Brief an den damaligen BAYER-Chef Werner Wenning mit der Forderung, diese Praxis nicht länger zu dulden, unterschrieb die indische Initiative mit. So trug sie mit dazu bei, durch politischen Druck eine deutliche Verbesserung der Situation zu erreichen. Deshalb freute sich die CBG sehr über die Stockholmer Entscheidung und sandte Kailash Satyarthi herzliche Glückwünsche.

BUKO-Veranstaltung zu Uganda
Die BUKO Pharma Kampagne hat eine neue Studie zur Geschäftspraxis der drei Pharma-Riesen BAYER, BOEHRINGER und BAXTER in Uganda herausgegeben. Im Spätsommer 2014 kam mit Denis Kibira ein Mitwirkender an der Untersuchung aus Afrika nach Deutschland, um persönlich ein Bild von der Situation vor Ort zu geben. Am 6. September machte der Apotheker und Geschäftsführer der Initiative COALITION FOR HEALTH PROMOTION AND SOCIAL DEVELOPMENT in der Kölner Alten Feuerwache Station, und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) trat aus gegebenem Anlass als Mitveranstalter auf. Von BAYER wusste Kibira nur wenig Gutes zu berichten. Der Leverkusener Multi bietet für die in Uganda am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen kaum Arzneien an, weil er sich in Forschung & Entwicklung lieber auf die mehr Rendite versprechenden Mittel gegen westliche Zivilisationskrankheiten konzentriert. Zudem vermarktet der Konzern in dem Land viele umstrittene und deshalb als irrational eingestufte Pharmazeutika: 21 von 49 Medikamenten fallen unter diese Kategorie. Zu den als unentbehrlich erachteten Mitteln des Global Players hingegen hat die Bevölkerung wegen der hohen Preise kaum Zugang; sie finden sich zumeist nur in Privatkliniken und Privat-Apotheken.

ESSURE-Kampagne zeigt Wirkung
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich. So hat in den USA die Aktivistin Erin Brockovich, die durch einen Hollywood-Film über ihr Umwelt-Engagement zu großer Popularität gelangte, eine Kampagne gegen das Medizin-Produkt initiiert. Ihre Landsmännin Michelle Garcia setzte das Thema sogar auf die Tagesordnung der letzten Hauptversammlung des Leverkusener Multis. Auch im Internet verbreitet sich der Protest. Die FACEBOOK-Gruppe „Essure Problems“ hat aktuell über 11.000 Mitglieder. Das alles zeigt Wirkung – die Umsätze entwickeln sich nicht so wie erhofft. Die genauen Zahlen wollte der Konzern dem Internet-Portal Fierce Medical Devices wohlweislich nicht nennen. Selbst bei der Investoren-Konferenz im Juli 2014 musste das Unternehmen eingestehen: „Es gibt ein paar Klagen in den sozialen Medien, aber die Dinge bessern sich.“

Protest gegen „Food Partnership“
Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit dem Leverkusener Multi, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in zwei Projekte mit BAYER-Beteiligung, die „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und die „Competitive African Rice Initiative“ (CARE). Diese dienen dem Agro-Riesen als Vehikel, um seinen nach einer agro-industriellen Produktionsweise verlangenden, nicht zur Wiederaussaat geeigneten Hybrid-Reis zu vermarkten. Am 15. Oktober 2014, dem Welternährungstag, protestierten die Initiativen OXFAM und FIAN gegen die GFP. Um die fatalen Auswirkungen des Joint Ventures zu illustrieren, ließen die Organisationen Doubles von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller mit einer Riesen-Kugel, auf der die Namen von BAYER, BASF und MONSANTO prangten, Kleinbauern und Kleinbäuerinnen wegkegeln. „Mehr als die Hälfte aller weltweit Hungernden sind Kleinbäuerinnen und -bauern. Mit ihnen sollte die Bundesregierung gezielt zusammenarbeiten. Konzerne mit Steuergeldern zu fördern, ob direkt oder indirekt, macht niemanden satt außer die Konzerne selbst“, so David Hachfeld von OXFAM.

Mehr unabhängige Arznei-Forschung!
Der an der Universität Mainz tätige Mediziner Peter Galle hat in der Faz die zu große Abhängigkeit seiner Zunft von BAYER & Co. beklagt. So sei das Mitwirken von ÄrztInnen bei Arznei-Tests „von Abhängigkeiten und Vorbedingungen belastet, die einer objektiven Wissensvermehrung im Wege stehen können“, schreibt Galle und nennt als Beispiel die „Anpassung des Studien-Designs auf eine Effekt-Maximierung“. Zudem verhindert die Ausrichtung der Konzerne auf profitable Medikamente seiner Meinung nach die Entwicklung von Präparaten für kleinere PatientInnen-Gruppen. Angesichts der zu geringen Ausstattung der Universitätskliniken und zu kleiner Fördersummen der „Deutschen Forschungsgemeinschaft“ fordert er die Politik zu mehr Investitionen in unabhängige Pharma-Forschung auf. Und auch den Pillen-Riesen verlangt er einen Obolus zu dieser ab.

DUOGYNON: Kritik an BAYER
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Der Lehrer Andre Sommer forderte den Leverkusener Multi deshalb stellvertretend für andere Betroffene auf, ihm Einblick in die DUOGYNON-Akten zu gewähren. So wollte er feststellen, welche Kenntnis der Konzern von der verheerenden Wirkung des Mittels hatte, um dann Schadensersatz-Ansprüche prüfen zu können. Der Pharma-Riese weigerte sich allerdings, und auch per Klage erreichte Sommer keine Öffnung der Archive. Der Leiter des „Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte“, Walter Schwerdtfeger, kritisiert die Haltung des Unternehmens. Auf die Frage der WirtschaftsWoche: „Ist es nachvollziehbar, dass BAYER die Akten zu einem Hormon-Präparat nicht herausrückt, das etliche Patienten geschädigt haben soll?“, gibt der Biologe eine klare Antwort. „Es dürfte für BAYER schwer werden, die Akten dauerhaft zurückzuhalten. Grundsätzlich müssen die Unternehmen anerkennen, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch auf solche Daten hat“, so Schwerdtfeger.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER stößt Kunststoff-Sparte ab
Jahrelang hatten die Finanzmärkte den Leverkusener Multi mit der Forderung konfrontiert, sich von seiner Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) zu trennen und auch konkrete Maßnahmen ergriffen, um den Konzern zum Verkauf zu bewegen. So belegten sie Aktien von Mischkonzernen wie BAYER mit einem Konglomeratsabschlag. Aber erst jetzt, da der Einfluss von Finanzinvestoren wie BLACKROCK auf den Global Player so groß ist wie nie, gab er dem Druck nach und kündigte an, BMS an die Börse bringen zu wollen (siehe SWB 4/14). Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE versuchte, dagegen vorzugehen, musste sich aber geschlagen geben. „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen“, erklärten die GewerkschaftsvertreterInnen. Das Management hatte angekündigt, den Bereich sonst finanziell auszuhungern. Ein klarer Fall von Erpressung also. Dabei hatte die Belegschaft in der Vergangenheit viele Opfer gebracht, um das Geschäftsfeld im Unternehmensverbund halten zu können. Über 2.000 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz, der Rest musste eine untertarifliche Bezahlung, das Streichen von Bonus-Zahlungen und immer neue Rationalisierungsprogramme über sich ergehen lassen. Alles umsonst, wie sich jetzt herausstellt.

BLACKROCK schreibt BAYER & Co.
BLACKROCK ist der weltweit größte Finanzinvestor und besitzt von fast allen Global Playern Aktien (siehe SWB 4/14). An BAYER hält er rund 30 Prozent der Geschäftsanteile. Seine Einfluss macht BLACKROCK-Chef Laurence Fink unter anderem durch an die Vorstandschefs „seiner“ Unternehmen adressierte Briefe geltend. Im März 2014 erhielten der Leverkusener Multi und die anderen Konzerne ein Schreiben, in dem Fink gnädigerweise konzedierte, auf schnelles Geld durch kurzfristrige Anlage-Strategien verzichten zu wollen. Aktien-Rückkäufe und Verschuldungen zwecks Dividenden-Erhöhungen anstelle von Investitionen in die Zukunft seien deshalb nicht in seinem Sinne, bedeutete der US-Amerikaner den ManagerInnen. Im Gegenzug verlangte er von den Bossen aber, ihm für eine mehr auf längerfristiges Wachstum angelegte Firmen-Politik gut ausgearbeitete Business-Pläne mit überprüfbaren Zielvorgaben vorzulegen, „um das geduldige Kapital anzuziehen, das sie haben wollen“.

4,83 Millionen für Dekkers
Im Geschäftsjahr 2013 strich BAYER-Chef Marijn Dekkers ein Salär von 4,83 Millionen Euro ein. Dazu kommen noch Pensionszusagen in Höhe von 677.000 Euro. Seine drei Vorstandskollegen verdienten zusammen 8,7 Millionen Euro und ein „Ruhegeld“ von 594.000 Euro.

BAYER kann nicht forschen
„BAYER ist ein Innovationsunternehmen von Weltrang“ tönte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers 2013 auf der Hauptversammlung des Konzerns. Tatsächlich aber hat das Unternehmen mit der Forschung so seine liebe Mühe. „Wir sind gut in der Entwicklung, aber nicht so gut in der Forschung“, gesteht Forschungsvorstand Kemal Malik ein. Darum arbeitet der Global Player seit einigen Jahren verstärkt mit Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen. 2012 existierten allein im Pharma-Bereich 326 solcher Kooperationen.

Ein Kind der Großchemie
Seit Januar 2014 hat Frank Löllgen den Vorsitz des Nordrhein-Bezirkes der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) inne und ist damit auch für BAYER zuständig. Löllgen kennt den Leverkusener Multi sehr gut. Er hat dort eine Ausbildung zum Chemie-Laboranten gemacht und seinen Förderer, den heutigen IG-BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis, kennengelernt. Eine besonders kritische Haltung hat der 52-Jährige zum Global Player nicht. Zu seiner 2011 erfolgten Berufung zum Leverkusener Bezirksleiter der Chemie-Gewerkschaft sagt er rückblickend: „Ich bin ein Kind der Großchemie. Dieses Gebiet mit BAYER zu übernehmen, war eine Auszeichnung.“

Betriebsrat muss putzen
Zwischen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und alternativen Gewerkschaftsgruppen wie dem BELEGSCHAFTSTEAM gab es in der Vergangenheit öfters Konflikte. „Wir brauchen in der Opposition keine Opposition“, meinte etwa der heutige Betriebsratsvorsitzende des Leverkusener BAYER-Werkes, Oliver Zühlke, als das BELEGSCHAFTSTEAM und die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT bei den Betriebsratswahlen 2010 einer Personen- statt Gruppenliste nicht zustimmen mochten, weil die Organisationen befürchteten, dabei ihre Kenntlichkeit zu verlieren. Diese Animositäten könnten jetzt zu einer Auseinandersetzung beigetragen haben, die bis vor das Arbeitsgericht ging. Ein BELEGSCHAFTSTEAM-Betriebsratsmitglied hatte dort gegen BAYER und den Betriebsrat geklagt, weil er nach der Wahl seinen Status als freigestellter Beschäftigten-Vertreter verloren hatte und trotz 40-jähriger Betriebszugehörigkeit plötzlich „als bestbezahlte Putzfrau bei BAYER“ arbeiten musste. Zühlke gab zwar formale Fehler bei der Personalausschuss-Entscheidung auf Aberkennung der Freistellung zu, erklärte sie aber trotzdem für rechtmäßig. Die Richterin forderte die drei Parteien auf, eine außergerichtliche Einigung bei einem Streitschlichtungsgremium zu suchen.

IG BCE vs. VAA
In der Chemie-Industrie wächst der Anteil der Beschäftigten mit hohen Bildungsabschlüssen, während der Anteil der weniger gut qualifizierten Betriebsangehörigen sinkt. Deshalb machen sich die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und der „Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter in der chemischen Industrie“ (VAA) zunehmend Konkurrenz. Die IG BCE versucht, in die Domäne des eher rechts von ihr stehenden VAA einzudringen. So machte sich ihr Vorsitzender Michael Vassiliadis jüngst die sonst vornehmlich in bürgerlichen Kreisen kursierende Forderung nach Abschaffung der kalten Progression, also des möglichen Auffressens einer Lohn-Erhöhung durch eine steuerliche Mehrbelastung, zu Eigen, was ihm allerdings Kritik von vielen GewerkschaftskollegInnen eintrug. DGB-Chef und BAYER-Aufsichtsrat Reiner Hoffmann trägt diese Strategie jedoch mit und betont: „Wir wollen nicht mehr nur mit Mindestlohn und Prekariat identifiziert werden.“ Der VAA indes hat es auch nicht mehr nur auf Belegschaftsmitglieder aus den Top-Etagen abgesehen und sammelt eifrig Betriebsratssitze. So haben VAAlerInnen an den BAYER-Standorten Berlin, Frankfurt und Bergkamen Mandate errungen. Vasiliadis kritisierte das Vorgehen des Verbandes in einem Brief an VAA-Hauptgeschäftsführer Gerhard Kronisch scharf. „Für uns ist irritierend, in welchem Umfang der VAA mit eigenen Listen bei den zurückliegenden Betriebsratswahlen außerhalb seiner Stamm-Klientel angetreten ist“, ereiferte er sich.

ERSTE & DRITTE WELT

Bienenkiller in kleinen Dosen
BAYERs Insektizid THUNDER enthält den für das weltweite Bienensterben mitverantwortlichen Wirkstoff Imidacloprid. In Afrika will der Konzern dieses Mittel jetzt für weniger als einen Dollar auch in Mini-Packungen anbieten, um sich den Markt für Kleinbauern und -bäuerinnen besser zu erschließen. Für die bedrohte Insekten-Art bedeutet das nichts Gutes.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkort für Euthanasie-Opfer
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörder-Konzern hatte auch für die Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff im Angebot. Er stellte für die „Aktion T4“ – benannt nach der Berliner Adresse des Planungszentrums für den Massenmord, das sich in der Tiergartenstr. 4 befand – das Kohlenmonoxid zur Verfügung. Im November 2011 entschied der Bundestag, in würdigerer Form als bisher an die „Aktion T4“-Toten zu erinnern und einen Gedenk- und Informationsort an der Tiergartenstraße zu errichten. Am 2. September 2014 fand die feierliche Eröffnung im Beisein des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit und der Kulturstaatsministerin Monika Grütters statt.

Platz nach Norbert Wollheim benannt
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, den zentralen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen den Weg ebnete. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Die Studenten und Studentilannen erhielten ihre Forderung jedoch aufrecht und gaben der Alma Mater etwa 2009 im Zuge des damaligen Bildungsstreits symbolisch den Namen „Norbert Wollheim Universität“. Und ihre Beharrlichkeit zahlte sich aus. Überlebenden-Gruppen, das „Fritz-Bauer-Institut“ und die „Jewish Claim Conference schlossen sich den Studierenden an, und 2014 gab die Universitätsleitung schließlich nach: Sie entschied sich, als Adresse fortan nicht mehr „Grüneburg-Platz 1“, sondern „Norbert-Wollheim-Platz 1“ zu führen.

POLITIK & EINFLUSS

TTIP: BAYER antichambriert
Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen der EU mit den USA diktieren die Multis den PolitikerInnen die Agenda. Allein von Anfang 2012 bis April 2013 fanden 130 Treffen der VerhandlerInnen mit Konzern-VertreterInnen oder Unternehmensverbänden in Sachen „TTIP“ statt. Diejenigen Lobby-Organisationen, denen BAYER angehört, sprachen nach Recherchen des CORPORATE EUROPE OBSERVATORY besonders oft vor. „Business Europe“, der europäische Chemie-Verband CEFIC, der „US Chamber of Commerce“ und der „Bundesverband der deutschen Industrie“ – diese Lobby-Vereinigungen hatten die meisten Gesprächstermine mit der „Generaldirektion Handel“ der EU. Dabei dürften auch solche „Handelshemmnisse“ auf der Tagesordnung gestanden haben, die dem Leverkusener Multi besonders im Wege stehen wie etwa strenge Sicherheitsauflagen für Genpflanzen, Pestizide und andere Chemikalien.

BAYER sponsert RepublikanerInnen
Im Jahr der Wahlen zum US-Kongress spendete BAYER bis zum Oktober 2014 über 325.000 Dollar an PolitikerInnen. RepublikanerInnen, die für das Repräsentantenhaus kandidierten, erhielten 158.000 Dollar vom Konzern, ihre demokratischen KonkurrentInnen 55.000 Dollar. Republikanische SenatsaspirantInnen bedachte der Pharma-Riese mit 53.000 Dollar, ihre demokratischen Pendants mit 33.000 Dollar.

Auf der Bilderberg-Gästeliste
Bei der jährlich stattfindenden Bilderberg-Konferenz handelt es sich um eine Zusammenkunft hochrangiger PolitikerInnen und WirtschaftsmanagerInnen aus den Industrie-Nationen. 1980 stand der damalige BAYER-Chef Herbert Grunewald auf der Gästeliste und 2004 das ehemalige BAYER-Aufsichtsratsmitglied Jürgen Weber.

Gentech-Kampagne in Argentinien
Argentinien ist das Land mit der weltweit drittgrößten Anbaufläche für Genpflanzen. Um das Reservoir noch ein wenig besser ausschöpfen zu können, ist ein neues Gesetz in Planung, „das von der Industrie entwickelt und vom Landwirtschaftsminister akzeptiert wurde“, wie das „U.S. Department of Agriculture“ mit bemerkenswerter Offenheit festhält. BAYER und den anderen in der „Argentine Seed Association“ organisierten Unternehmen geht es dabei vordringlich darum, die Zulassungsverfahren zu beschleunigen. Umweltgruppen haben jedoch eine Kampagne gegen das Vorhaben organisiert. Darum sah sich der US-amerikanische „Foreign Agriculture Service“ (FAS), der vor Ort in Buenos Aires ein Büro unterhält, gezwungen, ebenfalls Aktivitäten zu entfalten. Unter anderem plant der FAS PR-Maßnahmen für die Risiko-Technologie wie Workshops, Konferenzen mit argentinischen MinisterInnen, WissenschaftlerInnen und Medien-VertreterInnen sowie Kooperationen mit Universitäten und VerbraucherInnen-Organisationen.

BAYER-freundliche EEG-„Reform“
Immer wieder hatten BAYER & Co. in der Vergangenheit über die hohen Strom-Kosten geklagt, die ihnen das „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) durch die Förderung von Windkraft & Co. angeblich beschert. Dabei gewährte das Paragraphen-Werk energie-intensiven Betrieben großzügige Rabatte, für welche die Privathaushalte aufzukommen hatten. Für diese stieg die Strom-Rechnung seit 2008 um 38 Prozent, während diejenige der Konzerne in dem Zeitraum sogar um ein Prozent niedriger ausfiel. Die ungleiche Lasten-Verteilung brachte das ganze EEG in Verruf, weshalb schon Schwarz-Gelb eine „Reform“ begann, welche die Große Koalition unter der Ägide von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dann abschloss. Der Vize-Kanzler drosselte den Ausbau der Erneuerbaren Energien und schaffte es gleichzeitig, die von Brüssel als unerlaubte Subventionen angesehenen Industrie-Privilegien größtenteils beizubehalten. Nur ein kleines Entgegenkommen forderte er dafür von den Unternehmen. Der Sozialdemokrat plante, ihnen auch für die Energie, die sie in ihren eigenen Kraftwerken produzieren, einen Beitrag zur Ökostrom-Förderung abzuverlangen. Aber sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. Der Leverkusener Multi, der fast 60 Prozent seines Energie-Bedarfs selber deckt, warnte: „Unsere KWK (Kraft/Wärme-Koppelung, Anm. SWB)-Anlagen würden sich, sollten diese Pläne umgesetzt werden, nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen, sowohl die bestehenden als auch die neuen.“ Pflichtschuldig machte sich Gabriel sogleich ans „Nachbessern“. Das Gesetz, das am 1. August 2014 in Kraft trat, lässt – vorerst bis 2017 – Altanlagen verschont und macht nur neu errichtete abgabepflichtig, wobei es BAYER & Co. dafür aber noch Ausgleichszahlungen gewährt. Sogar die Faz musste sich über diese Zugeständnisse wundern: „Noch vor Wochen hätte niemand damit gerechnet, dass Betriebe bei der Ökosteuer-Reform fast ungeschoren davonkommen.“

Ordnungsruf von Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hat mal wieder das angeblich innovationsfeindliche Klima in der Bundesrepublik kritisiert. „Unsere industrielle Basis beginnt zu bröckeln“, warnte er in der Faz. Zu geringe Forschungsausgaben, zu hohe Energie-Kosten, zu wenig naturwissenschaftlicher Unterricht in den Schulen und eine angeblich nicht immer sachgerechte Bewertung neuer Produkte durch die Politik – all das gefährdet seiner Meinung nach die Zukunft des Standortes Deutschland.

Ordnungsruf von Wenning
Kaum ein Monat vergeht ohne ein Lamento des Leverkusener Multis über die hohen Energie-Kosten (s. o.), obwohl die Politik dem Unternehmen viel niedrigere Tarife als den Privathaushalten beschert hat. Der BAYER-Aufsichtsratschef Werner Wenning ging jetzt sogar so weit, eine neue Hartz-Runde zu fordern, um die angeblich so horrenden Strom-Rechnungen der Konzerne volkswirtschaftlich zu kompensieren. „Ich mache mir große Sorgen, dass wir bald an einem Punkt angelangt sind, wo wir eine Agenda 2025 brauchen, also harte Einschnitte, damit wir im internationalen Wettbewerb nicht zurückfallen“, so Wenning.

Blesner weiht BAYER-Center ein
Im September 2014 reiste Peter Bleser, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, nach China, um „neue Export-Möglichkeiten für deutsche Agrar-Produkte auszuloten“. Während seines Aufenthalts weihte er gemeinsam mit dem stellvertretenden chinesischen Landwirtschaftsminister Niu Dun auch ein BAYER-Schulungscenter in der Nähe von Nanking ein, in dem der Leverkusener Multi bei den FarmerInnen künftig für sein Saatgut und seine Pestizide werben will. „Ich sehe in dem neuen Informationszentrum eine große Chance, das vorhandene Fachwissen über eine erfolgreiche und nachhaltige Erzeugung an die chinesische Landwirte weiterzugeben“, sagte Bleser zur Eröffnung.

Duin spricht Grußwort
Zu der Veranstaltung „Standpunkt am Standort: Motor und Partner für Innovation – Pharma-Industrie in NRW“, welche die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE am 31.10.2014 in Monheim mit dem von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ und der Biotech-Firma UCB co-managte, sprach der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) ein Grußwort.

Gabriel für BAYER & Co. in China
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) betätigte sich im April 2014 auf seiner China-Reise als Chef-Lobbyist von BAYER & Co. So forderte er seine Gesprächspartner in Peking auf, den Unternehmen einen besseren Rechtsrahmen im Allgemeinen und einen besseren Patentschutz im Besonderen zu gewähren. Auch bei den Ausschreibungen mahnte er Veränderungen im Sinne bundesdeutscher Firmen an. Zudem stufte er den Technologie-Transfer als Zugangsvoraussetzung für den chinesischen Markt ebenso sehr als Handelshemmnis ein wie die in manchen Branchen bestehende Auflage für ausländische Konzerne, mit einheimischen Partnern Joint Ventures eingehen zu müssen.

Neues Gesetz für IT-Sicherheit
Der Leverkusener Multi registriert des öfteren Attacken auf sein Computer-Netz. 2012 etwa gab es einen Hacker-Angriff aus China mit dem Ziel, Industrie-Spionage zu betreiben. Zuvor schon musste er sich des Computer-Virus’ Stuxnet erwehren. Auch die politische HackerInnen-Gruppe „Anonymus“ störte schon die digitalen Betriebsabläufe. Anderen Konzernen ergeht es ähnlich. Deshalb plant die Bundesregierung ein IT-Sicherheitsgesetz. Sie will eine Meldepflicht für die Opfer von Cybercrimes einführen und dem Bundeskriminalamt mehr Kompetenzen verleihen. Zudem plant die Große Koalition, die entsprechenden Abteilungen von BKA, Verfassungsschutz und „Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik“ mit mehr Personal auszustatten.

Dekkers neuer VCI-Präsident
BAYER-Chef Marijn Dekkers ist neuer Vorsitzender des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI). Im September 2014 hat er das Amt für die nächsten zwei Jahre übernommen.

Dekkers reist nach Russland
BAYER & Co. machten vor der Ukraine-Krise gute Geschäfte in Russland. Auf 750 Millionen Euro belief sich 2013 der Umsatz des Leverkusener Multis, wozu vor allem die Pharma-Sparte beitrug. Weil der Konzern auf dem Pillen-Markt mit jährlichen Steigerungsraten von acht bis neun Prozent und bis 2017 mit Gesamterträgen auf dem russischen Markt in Höhe von 1,3 Milliarden Euro rechnete, baute er seine Präsenz in dem Land stark aus. Die Diskussion um Wirtschaftssanktionen im Frühjahr 2014 alarmierte das Unternehmen deshalb. „Ich hoffe, dass die Situation diplomatisch gelöst werden kann“, ließ sich der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers damals vernehmen. Seine Hoffnung erfüllte sich nicht, die Strafmaßnahmen kamen. Ob er jetzt auch zu den Firmen-Bossen gehört, die Angela Merkel laut Spiegel mittels ständiger Anrufe drängen, für eine Lockerung der Handelsbeschränkungen einzutreten, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall gehörte Dekkers aber der Wirtschaftsdelegation an, die im Oktober 2014 auf Einladung des russischen Premierministers Dmitri Medwedew zu einer Zusammenkunft ausländischer Investoren geflogen war. Das Kanzleramt war über diese Reise-Diplomatie not amused. „Was wir am wenigsten brauchen, ist eine Nebenaußenpolitik der Konzerne“, so ein Berliner Spitzen-Beamter.

Eine neue „Lex BAYER“
Über die marode Leverkusener Autobahn-Brücke dürfen keine schweren LKWs mehr fahren. Zum BAYER-Gelände müssen sie deshalb einen Umweg von ca. 20 Kilometern in Kauf nehmen. Ernst Grigat, bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA für die Chem-„Parks“ in Leverkusen und Dormagen verantwortlich, verfällt aus diesem Grund schon in Weltuntergangsstimmung. „Wenn nicht schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wird, fürchten wir, dass die Industrie verlagert wird. Damit ist das langsame Sterben der chemischen Industrie in Deutschland vorprogrammiert.“ Und die apokalyptischen Töne zeigen Wirkung. Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD) kündigte einen Neubau an. Und damit alles ganz schnell geht, will der Sozialdemokrat sogar das Fernstraßen-Gesetz ändern und durch eine sogenannte „Lex Leverkusen“ den BürgerInnen-Willen außen vor halten. Nach den Plänen des Politikers sollen etwaige Einsprüche in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts fallen und damit nur noch über eine Instanz gehen. Einen Zeitgewinn von bis zu anderthalb Jahren verspricht sich der Minister davon. „Wir können es uns nicht leisten, durch Klagewellen das Risiko einer Vollsperrung einzugehen“, so Groschek.

Kritik an EU-Aktienrechtreform
Die EU plant in einer neuen Richtlinie umfangreiche Aktienrechtsveränderungen. Sie will künftig die AktionärInnen alle drei Jahre über die ManagerInnen-Gehälter abstimmen lassen und dabei die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die sonst in den Unternehmen gezahlten Entgelte gewahrt wissen. Zudem beabsichtigt Brüssel, den AnteilseignerInnen ein Mitsprache-Recht zu verschaffen, wenn ein Konzern mit seinen eigenen Teil-Gesellschaften oder seinen GroßaktionärInnen Geschäfte abzuschließen gedenkt. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, Pensionsfonds und anderen institutionellen Anleger ebenso zu mehr Transparenz zu verpflichten wie die manchmal von ihnen angeheuerten StimmrechtsberaterInnen. Erwartungsgemäß laufen BAYER & Co. Sturm gegen das Vorhaben.

Juncker rudert zurück
Der Leverkusener Multi betrachtet Medikamente als ganz normale Wirtschaftsgüter. Dem wollte der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker folgen. Beim Zuschnitt der neuen Kommissionen plante er, dem Gesundheitskommissar die Zuständigkeit für die Zulassung von Arzneien und Medizinprodukten zu entziehen und den Bereich unter die Verantwortung der neuen Industrie-Kommissarin Elzbieta Bienkowska zu stellen. Erst nach massiven Protesten ließ der Luxemburger von seinem Vorhaben ab. Dagegen gelang es ihm, das bisher eigenständige Klima-Ressort aufzulösen und es mit dem Energie-Ressort zu verbinden – schlechte Aussichten also für eine engagierte Politik zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes.

PROPAGANDA & MEDIEN

COLOSS betet Bienen gesund
Der Leverkusener Multi weigert sich weiterhin beharrlich, die Mitverantwortung seiner Pestizide GAUCHO und PONCHO am weltweiten Bienensterben einzuräumen. Ja, der Konzern weigert sich sogar, den Fakt als solchen anzuerkennen. „Europäische Honigbienen sind gesünder, als in vielen Medienberichten behauptet“, vermeldete das Unternehmen jüngst und berief sich dabei auf „das unabhängige Honigbienen-Forschungsnetzwerk COLOSS“. Mit der Unabhängigkeit des Forschungskolosses ist es allerdings nicht so weit her. Er zählt BAYER nämlich zu seinen „Event Partnern“ und scheint unter Wissenschaft auch primär Krisen-Kommunikation zu verstehen. So befasste sich eine „training school“, an welcher auch Manuel Trischler vom „Bee Care Center“ des Pharma-Riesen teilnahm, hauptsächlich mit der Frage, wie angeblich unangemessenen Beiträgen von ForscherInnen zum Bienensterben zu begegnen sei. Das der Universität Bern angegliederte Institut machte bei den Unternehmen Defizite im PR-Bereich aus und empfahl ihnen Nachhilfe-Stunden in Öffentlichkeitsarbeit.

Bienen-Kümmerer BAYER
Der Leverkusener Multi steht wegen seiner bienenschädigenden Pestizide GAUCHO und PONCHO, welche die EU bis vorerst 2015 aus dem Verkehr gezogen hat, in der Kritik. Darum verstärkt der Konzern seine PR-Aktivitäten (s. o.) Wo das Unternehmen nicht schlicht versucht, die Fakten abzustreiten, da inszeniert es sich als Bienenkümmerer. Der Global Player fördert nicht nur das Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen sowie von Bienenweiden und gründet „Bee Care Center“, sondern unterstützt auch Forschungsvorhaben zum Erhalt der Bienengesundheit. So spendet er der kanadischen „University of Guelph“ 750.000 Dollar für den Aufbau eines Insekten-Gesundheitszentrums.

Neue Gentech-Kampagne
Im Februar 2014 haben BAYER & Co. eine neue PR-Kampagne für die grüne Gentechnik gestartet. „Growing Voices“ lautet der Markenname der Unternehmung, denn sie will den „lauter werdenden Stimmen, die ein Umdenken der EU in puncto ‚Gen-Pflanzen’ anmahnen“, Ausdruck verleihen. Die Auftakt-Veranstaltung fand im Brüsseler Hotel „Renaissance“ statt und brachte „Gesundes Essen – die unerzählte Geschichte der Gen-Pflanzen“ zu Gehör. Den „Science Fiction“-Stoff führten sich unter anderem damalige Angehörige der Europäischen Kommission und des EU-Parlaments, EU-BeamtInnen, UmweltpolitikerInnen, EmissärInnen von Forschungseinrichtungen – und natürlich Abgesandte der Agro-Multis zu Gemüte. Allein von BAYER waren neun VertreterInnen anwesend.

Wissenschaftliche Gentech-PR
Mit vereinten Kräften wollen die „Bill & Melinda Gates Foundation“ und BAYER, MONSANTO & Co. die Gentechnik-Debatte „entpolarisieren“. Zu diesem Behufe hat die Stiftung der Cornell Universität nicht weniger als 5,6 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Als Partner der PR-Kampagne mit wissenschaftlichem Antlitz namens „Alliance for Science“ fungiert der vom Leverkusener Multi und anderen Agro-Riesen unterstützte Lobby-Verein „International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications“ (ISAAA).

Gentech-Studie: CRIIGEN steigt aus
Im Juli 2013 hat das französische Gesundheitsministerium eine Studie über Gentech-Risiken in Auftrag gegeben. Ihr ist allerdings ein „Dialog-Forum“ angeschlossen, in dem VertreterInnen von BAYER, MONSANTO und LIMAGRAIN sitzen. Darum hat die unabhängige Wissenschaftsorganisation CRIIGEN ihren Ausstieg aus dem Projekt verkündet. „Wir können nicht mit Leuten zusammenarbeiten, die Lobbying-Taktiken benutzen, um ihre Produkte zu vermarkten und deren Akzeptanz zu erhöhen, ohne jene genauer zu untersuchen und ohne Transparenz walten zu lassen“, heißt es in der Begründung.

BAYER sponsert den „Weltthrombose-Tag“
Die „International Society on Thrombosis and Haemostasis“ hat den 13. Oktober zum „Weltthrombose-Tag“ erklärt, um stärker auf die mit den Blutgefäß-Verschlüssen einhergehenden Lebensgefahren aufmerksam zu machen. Der Leverkusener Multi gehört zu den Sponsoren der Veranstaltung, womit der Bock zum Gärtner wird. Thrombo-Embolien gehören nämlich zu den häufigsten Nebenwirkungen seiner Verhütungspillen aus der YASMIN-Familie. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte bisher 190 Sterbefälle.

BAYER erklärt Nebenwirkungen
XARELTO, YASMIN, BETAFERON, MIRENA, ESSURE – die Liste der BAYER-Medikamente, die wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik stehen, wird immer länger. Das bleibt auch in der Belegschaft nicht unbemerkt, weshalb sich der Leverkusener Multi in seiner Beschäftigten-Zeitung direkt gezwungen sah, auf die Problematik einzugehen. Da der Konzern es auch als Aufgabe seiner Angestellten erachtet, „zu Themen Stellung zu nehmen, die in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden“, will direkt ihnen künftig in einer Serie Argumente für solche Gelegenheiten an die Hand geben. Nach dem Motto „Jedes Ding hat zwei Seiten“ erklärt der Leverkusener Multi Nebenwirkungen erst einmal zu einer Naturgegebenheit. Aber natürlich hat er nach eigenen Aussage im Sinne seiner Mission „Science For A Better Life“ ein Interesse daran, diese in – natürlich ganz unabhängigen – Studien aufzuspüren und setzt angeblich auch seinen halben Forschungsetat dafür ein. Fortbildungsveranstaltungen für MedizinerInnen und Hotlines dienen ebenfalls bloß diesem Zweck – die Märchenstunde will gar kein Ende nehmen.

BAYER kauft Museum
Am Standort Lubbock hat der Leverkusener Multi das „American Museum of Agriculture“ in Beschlag genommen. Es benannte sich zu Ehren des neuen Sponsors nicht nur in „BAYER Museum of Agriculture“ um, sondern veränderte auch den Charakter seiner Dauerausstellung. Die Schau widmet sich jetzt nicht mehr so stark der Geschichte der Landwirtschaft und verlagert den Schwerpunkt stattdessen auf die Zukunft. Zur Freude des Konzern-Sprechers Lee Rivenbark illustrieren viele Exponate den BAYER-Slogan „Science for A Better Life“. Und das ganze Haus gilt ihm nun als „Leuchtturm für Wissenschaft und Innovation auf dem Gebiet ‚Landwirtschaft’“, denn: „Innovation ist das, worum es BAYER geht“.

TIERE & ARZNEIEN

Mehr BAYTRIL in den Tierställen
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten. Im Fall von BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinolone an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Und die Gefährdung nimmt zu: 2013 stieg – bei insgesamt fallenden Zahlen (1.452 gegenüber 1.619 Tonnen) – die Menge der verschriebenen Fluorchinolone von zehn auf 13 Tonnen (siehe auch SWB 4/14). Und was wie eine kleine Umschichtung bei insgesamt rückläufiger Tendenz anmutet, bedeutet wegen unterschiedlicher Dosierungsvorschriften in Wirklichkeit jedoch eine Ausweitung der Antibiotika-Zone. Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, vermögen die LandwirtInnen mit einer Tonne BAYTRIL nämlich 2,2 Millionen Tiere zu versorgen! Das Verbraucherschutzministerium verschleiert diesen Tatbestand allerdings bewusst und verkauft „Gesamtmenge im Jahr 2013 weiter gesunken“ als Erfolgsmeldung.

TIERE & VERSUCHE

Zweifel an Tierversuchen
172.287 Tierversuche hat der Leverkusener Multi 2013 durchgeführt bzw. durchführen lassen – 1.690 mehr als 2012. Eine neue Studie der WissenschaftlerInnen Pandora Pound und Michael B. Bracken bewertet die Sinnhaftigkeit solcher Tests kritisch. Angesichts hunderter am „Tier-Modell“ erprobter Medikamente, die am „Mensch-Modell“ versagten, zweifelt ihre im British Medical Journal veröffentlichte Untersuchung die Übertragbarkeit der Ergebnisse an. Zudem bescheinigt die Expertise den mit Ratten, Mäusen und anderen Lebewesen unternommenen Experimenten eine mangelhafte Qualität, was die ProbandInnen der nachfolgenden klinischen Prüfungen unnötigen Risiken aussetze. „Die aktuelle Studie zeigt erneut, dass der von manchen Kreisen gebetsmühlenartig behauptete Nutzen von Tierversuchen keinerlei Fundament hat“, konstatiert Silke Bitz von ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE.

DRUGS & PILLS

USA: Alarmierende XARELTO-Zahlen
Auch in den Vereinigten Staaten wächst die Besorgnis über die Risiken und Nebenwirkungen, die von BAYERs neuem Gerinnungshemmer XARELTO ausgehen. 680 Meldungen über unerwünschte Effekte des Präparats mit dem Wirkstoff Rivaroxaban erhielt die Gesundheitsbehörde FDA allein im ersten Quartal 2013 – 152 mehr als zu dem Konkurrenz-Medikament PRADAXA.

Nierenerkrankungen durch BETAFERON
BAYERs „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON kann Nierenschädigungen hervorrufen. Eine entsprechende Warnung veröffentlichte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) im August 2014 (siehe auch SWB 4/14). Damit erschöpfen sich die Gegen-Anzeigen des Gentech-Präparats allerdings bei Weitem nicht. 186 Meldungen über „unerwünschte Arznei-Effekte“ hat das BfArM allein im Jahr 2013 erhalten. Dazu zählen unter anderem temporäre Spastiken, Schmerz-Attacken, Verstopfung und Müdigkeit. Und im Gegensatz zu den Nebenwirkungen bleiben die Wirkungen des Mittels spärlich. Dem MS-Ratgeber der „Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf“ zufolge sind BETAFERON und andere Substanzen auf Interferon-Basis nur bei 16 Prozent der frisch Erkrankten imstande, einen zweiten Schub zu verhindern, bei fünf von sechs PatientInnen hingegen zeigen sie keinen Nutzen.

ASPIRIN gegen Krebs?

Immer wieder erscheinen Studien, die BAYERs ASPIRIN eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs bescheinigen. Diese weisen jedoch meist Mängel auf. Entweder können die WissenschaftlerInnen sich nur auf äußerst beschränktes Daten-Material stützen oder sie haben Kontakte zum BAYER-Konzern. Dies ist auch bei der Arbeit von Jack Cuzick und seinem Team der Fall, die zahlreiche Untersuchungen zum Thema ausgewertet haben und dem „Tausendsassa“ einen prophylaktischen Effekt bescheinigen. Cuzick gehört nämlich zum Beraterstab des Pharma-Riesen, und auch viele seiner MitarbeiterInnen standen oder stehen noch auf der Gehaltsliste des Unternehmens.

BAYERs Endometriose-Coup
Bei der Endometriose handelt es sich um eine gutartige Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut. Besonders während des Monatszyklusses verursacht das sich außerhalb der Gebärmutter-Höhle befindliche Gewebe Schmerzen. Zu deren Behandlung haben Frauen-ÄrztInnen früher die Verhütungspillen VALETTE oder CHLORMADINON der BAYER-Tochter JENAPHARM verschrieben. 2010 aber brachte der Leverkusener Multi mit VISANNE ein speziell für diese Krankheit zugelassenes Präparat auf den Markt. Die Produktion der beiden anderen Mittel stellte er ein, damit sie der Neuheit keine Konkurrenz machen – das Unternehmen verlangt für VISANNE nämlich rund das Fünffache des Preises von CHLORMADINON. Den höheren Kosten entspricht noch nicht einmal keine höhere Wirksamkeit. Die Arznei konzentriert sich lediglich auf die Symptom-Linderung. Zudem basiert die Zulassung auf einer dünnen Daten-Lage, die Kohorte bei der Sicherheitsanalyse umfasste nur 300 Frauen. Darum betrachten das industrie-unabhängige arznei-telegramm und das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ VISANNE auch bloß als Mittel der 2. Wahl. Ähnlich wie bei VISANNE war der Pharma-Riese in Tateinheit mit SANOFI jüngst auch im Fall von Alemtuzumab vorgegangen. Als die Konzerne die Zulassung für die Indikation „Multiple Sklerose“ erhielten, zogen sie die Arznei umgehend als Mittel zur Behandlung der chronisch-lymphatischen Leukämie“ vom Markt zurück, weil das neue Anwendungsgebiet mehr Profite verspricht (SWB 1/14).

Frankreich: MELIANE-Umsatz sinkt
2006 hatte die Französin Marion Larat nach der Einnahme des BAYER-Verhütungsmittels MELIANE einen Schlaganfall erlitten. Sechs Jahre später entschloss sie sich, den Pharma-Riesen auf Schadensersatz zu verklagen. Das damit verbundene Medien-Echo machte die Öffentlichkeit erstmals auf die mit den Kontrazeptiva der dritten und vierten Generation verbundenen Risiken aufmerksam. Die damalige Gesundheitsministerin Marisol Touraine reagierte umgehend. Sie wies die Krankenkassen an, die Kosten für MELIANE & Co. nicht mehr zu übernehmen. Und das zunehmend kritische Klima hatte Folgen: Bis Ende 2013 büßten die Mittel 60 Prozent ihres Umsatzes ein.

Kein NEXAVAR bei Brustkrebs
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib hat bislang eine Zulassung bei den Indikationen „fortgeschrittener Nierenkrebs“ und „fortgeschrittener Leberkrebs“. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu erweitern. Ein Versuch, das Mittel zusammen mit Capecitabin bei solchen Patientinnen mit fortgeschrittenen Brustkrebs-Arten zur Anwendung zu bringen, bei denen andere Medikamente versagt hatten, scheiterte jetzt allerdings. „Wir sind enttäuscht, dass die Studie keine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens bei Patienten mit fortgeschrittenem Brustkrebs zeigen konnte“, sagte der BAYER-Manager Jörg Möller. Zuvor war schon ein anderer Ansatz zur Therapie von Brustkrebs ohne Erfolg geblieben. Auch bei einer bestimmten Art von Leber-, bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs hatte NEXAVAR bereits versagt.

NICE nicht nice zu XOFIGO
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Strahlentherapie-Medikament XOFIGO (siehe auch PRODUKTION & SICHERHEIT) durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. Deshalb finanziert der „National Health Service“ die Behandlung mit dem Pharmazeutikum nicht, das bei der Prostatakrebs-Art CRPC zum Einsatz kommt, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Der Leverkusener Multi habe zu dem Mittel keine Dokumente vorgelegt, die seine Überlegenheit gegenüber vergleichbaren Arznei-Therapien demonstrieren könnten, so die Behörde. „Wir müssen zuversichtlich sein, dass die Vorteile die beträchtlichen Kosten rechtfertigen“, sagte NICE-Chef Andrew Dillon angesichts des Preises von 30.000 Euro für eine einzige Anwendung des Präparats, das den PatientInnen bei den Klinischen Tests nur zu einem ca. drei Monate längeren Leben verhalf.

Weitere Zulassungen für ADEMPAS
Bei der Arznei ADEMPAS handelt es sich um ein Mittel zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge die Bildung eines Enzyms stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Nachdem BAYER in den USA bereits die Zulassung für das Medikament erhalten hat, erteilte dem Präparat nun auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA grünes Licht. Japan hat bisher nur eine Genehmigung für das Anwendungsgebiet „CTEPH“ erteilt, ein Antrag für die Indikation „PAH“ ist noch in Bearbeitung. Wie üblich, hat der Leverkusener Multi jedoch noch viele weitere Therapie-Felder wie z. B. „die Nieren-Protektion und die Herz-Insuffizienz“ im Auge und will Millionen mit ADEMPAS machen. Das industrie-unabhängige Fach-Magazin Arzneimittelbrief hingegen kann die Euphorie des Pharma-Riesen nicht ganz teilen. Obwohl es sich bei Riociguat um eine „innovative Substanz“ handle, deren therapeutischer Mechanismus „neu und interessant“ erscheine, seien die in der Literatur beschriebenen Effekte nur „marginal“, dämpft die Publikation die Erwartungen, die BAYER nicht zuletzt durch das Öffnen der „Marketing-Schleuse“ geschürt habe.

Test the East
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Tests in ärmere Länder aus. Dort winken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und eine mangelhafte Aufsicht. Die Folge: Immer wieder kommt es zu Todesfällen. So starben 2011 in Indien 20 Menschen bei Erprobungen von BAYER-Medikamenten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN machte diesen Skandal öffentlich, und der Leverkusener Multi reagierte – er schaute sich nach anderen Nationen um. Neben China hat es ihm momentan besonders Russland angetan. 90 – teils noch laufende, teils schon abgeschlossene – Medikamenten-Erprobungen des Global Players in dem Staat weist die Datenbank „ClinicalTrials“ aus. Das CLINICIAL TRIALS CENTER oder andere Auftragsfirmen prüften für den Konzern dort unter anderem die Spirale MIRENA, das Krebsmittel NEXAVAR, den Gerinnungshemmer XARELTO und das „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON. Nach einem Bericht der Zeit bietet das Land unschlagbare Standort-Vorteile. ProbandInnen bemühen sich selbstständig um eine Teilnahme an den Tests, weil ihnen die Medikamente sonst nicht zur Verfügung stehen, und bleiben auch bei der Stange. Dass ihnen das Recht zusteht, einen Medikamenten-Versuch abzubrechen, erfahren sie oft nicht, und eine Ethik-Kommission, welche über alles wacht, existiert ebenfalls nur selten. „Die besteht in Russland häufig nur auf dem Papier“, sagt Alexander Globenko vom CLINICIAL TRIALS CENTER und berichtet zudem von MedizinerInnen, die Nebenwirkungen nicht protokollieren. Sogar die Existenz von Phantom-Studien mit erfundenen TeilnehmerInnen räumt er ein. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) weiß um diese Zustände. „Auffällig glatt“ erscheinen einer BfArM-Mitarbeiterin laut Zeit die Ergebnisse bisweilen. Selbst der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ hält die russischen Verhältnisse der Zeitung zufolge für besorgniserregend. Das dürfte den Leverkusener Multi jedoch vorerst nicht von seinem Tun abhalten.

Zweifelhafte Testosteron-Studie
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben, um NEBIDO und andere Hormone an den Mann bringen zu können. Die passenden Studien liefert BAYER dazu auch. So präsentierte der Pharma-Riese in Sofia auf einem medizinischen Kongress zum Thema „Fettleibigkeit“ eine Untersuchung, wonach eine Testosteronersatz-Therapie zu Gewichtsverlusten inklusive besserer Blutzucker- und Blutdruck-Werte führt. Allerdings hält die Expertise wissenschaftlichen Kriterien kaum stand: Sie stützt sich auf gerade einmal 46 Probanden. Richtige Studien kommen zu ganz anderen Ergebnissen. So fand eine ForscherInnen-Gruppe um Jared L. Moss von der Universität Knoxville heraus, dass die Testosteron-Spritzen die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen. Zudem beobachteten die WissenschaftlerInnen Schrumpfungen des Hodengewebes und Samenzellen-Missbildungen. Damit fügten sie der langen Liste von Risiken und Nebenwirkungen der Mittel wie Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Ödeme, Blutverdickung und Leberschäden noch einige weitere Einträge hinzu.

Arznei-Ausgaben steigen um 3,2 Prozent
Im Jahr 2013 erhöhten sich die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente im Vergleich zu 2012 um 3,2 Prozent auf 32,1 Milliarden Euro. Das geht aus den Zahlen des „Arzneiverordnungsreports 2014“ hervor. Der Herausgeber, der Pharmakologe Ulrich Schwabe, macht dafür die hohen Preise für Pharmazeutika im Allgemeinen und für patentgeschützte Medikamente im Besonderen verantwortlich. Der Leverkusener Multi hat daran einen gehörigen Anteil. So verlangt er für sein nicht eben wirkungsvolles Krebsmittel NEXAVAR über 58.000 Euro im Jahr. Eigentlich sollte das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 hier Abhilfe schaffen, denn nach diesem Paragrafen-Werk müssen die Pharma-Firmen mit ihren Arzneien ein Verfahren durchlaufen, das Kosten und Nutzen der Präparate bewertet, und sich anschließend mit den Krankenkassen auf einen Erstattungsbetrag einigen. Jährliche Einsparungen in Höhe von zwei Milliarden Euro erwarteten die PolitikerInnen von der Regelung. Die Hoffnung trog jedoch; 2013 wurden es lediglich 150 Millionen Euro. Die schwarz-gelbe Koalition war nämlich von ihren Plänen abgerückt, alle Medikamente einer Revision zu unterziehen und beschränkte sich auf neue Präparate. Zudem fallen die Abschläge äußerst mager aus. Für BAYERs Gentech-Präparat EYLEA zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – betrugen sie trotz des Prüfurteils „Kein Zusatznutzen“ gerade mal 7,6 Prozent. Von 1.136 auf 1.050 Euro hatte der Pharma-Riese den Apotheken-Verkaufspreis zu senken.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

CDU und SPD verharmlosen GAUCHO
BAYERs Pestizide GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) sind mitverantwortlich für das weltweite Bienensterben. Deshalb hat die EU ihnen 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen. Die Bundesregierung jedoch verharmlost die Gefahr dieser zur Gruppe der Neonicotinoide zählenden Ackergifte. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bezweifelt sie die Aussagekraft der meisten Untersuchungen zur Gefährlichkeit dieser Mittel und beruft sich dabei auf das bundeseigene Julius-Kühn-Institut. So bezeichnen Merkel & Co. etwa das Studien-Design als mangelhaft. Zudem zweifeln sie die Übertragbarkeit der Labor-Ergebnisse auf Freiland-Bedingungen an. Darum hält die Große Koalition es im Einklang mit BAYER & Co. auch für richtig, sich bei der Suche nach den Ursachen für die Dezimierung der Bienenvölker weiter hauptsächlich auf die Varroa-Milbe zu konzentrieren.

GAUCHO-Alternative SIVANTO?
Ab 2015 will BAYER das Pestizid Flupyradifuron (Produktname: SIVANTO) als Alternative zu Imidacloprid (GAUCHO) vermarkten, dem die EU wegen seiner bienenschädigenden Wirkung 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen hat. Flupyradifuron gehört zwar nicht wie Imidacloprid zur Gruppe der Neonicotinoide, sondern zu den Butenoliden, es ähnelt den Neonicotinoiden aber in seiner Funktionsweise. Wie diese wirkt das Flupyradifuron systemisch, also gegen eine Vielzahl von Schadinsekten, und wie diese blockiert es bei den Tieren die Reiz-Weiterleitung an den Nervenbahnen. Deshalb bestehen Zweifel daran, ob der Stoff wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet.

Brasilien: Verbot von GLYPHOS?
Wie El Salvador (siehe Ticker 3/14) plant nun auch Brasilien das Verbot von besonders gesundheitsschädlichen Pestiziden. Auf der Schwarzen Liste befinden sich mit Parathion-Methyl und Glyphosat auch zwei Wirkstoffe, die BAYER im Angebot hat. Parathion-Methyl kommt in ME 605 Spritzpulver zum Einsatz, und Glyphosat in GLYPHOS und USTINEX G. Zudem verkauft der Leverkusener Multi Glyphosat noch in Kombination mit CREDENZ und anderen gegen das Ackergift immun gemachten Genpflanzen.

Protest gegen Öko-Verordnung der EU
Die EU plant, strengere Pestizid-Grenzwerte für den ökologischen Landbau zu erlassen. Die betreffenden LandwirtInnen wenden sich allerdings gegen die Regelung. Da durch angrenzende Felder von Bauern und Bäuerinnen, die mit konventionellen Methoden arbeiten, auch Chemikalien auf ihre Äcker gelangen, fürchten sie, die neuen Limits nicht einhalten zu können.

BAYER erwirbt Herbizide
Der Leverkusener Multi hat von DUPONT Herbizide erworben, die im „Land-Management“, also nicht auf Äckern, sondern in Wäldern, auf Weide-Flächen, Industrie-Arealen oder Bahn-Gleisen zum Einsatz kommen (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Rund 30 Anti-Unkrautmittel umfasst das DUPONT-Sortiment. Dazu gehören Produkte wie PERSPECTIVE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Chlorsulfuron), ESPLANADE (Wirkstoff: Indaziflam), STREAMLINE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Metsulfuronmethyl), ESCORT (Wirkstoff: Metsulfuronmethyl) und Oust (Wirkstoff: Sulfometuronmethyl).

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft GRANAR
BAYER hat das Sojasaatgut-Geschäft des paraguayischen Unternehmens GRANAR erworben (siehe auch IMPERIUM & WELTMACHT).

Feldversuche mit Zuckerrübe
Der Leverkusener Multi und KWS kündigen Feldversuche mit einer gemeinsam entwickelten Zuckerrüben-Art an, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern wie BAYERs ATTRIBUT (Wirkstoff: Propoxycarbazone) unbeschadet, weshalb die neue Rübe schon bald ziemlich alt aussehen könnte.

GENE & KLONE

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Der Leverkusener Multi setzt besonders bei SURPASS und anderen Baumwoll-Pflanzen auf den Bazillus. Die Schadinsekten können sich jedoch immer besser auf ihn einstellen. In einer von Juliano Ricardo Farias und seinem Team durchgeführten Untersuchung gelang es dem Heerwurm schon binnen dreier Jahre, eine Resistenz gegen den Bt herauszubilden. Zudem trotzen vielerorts bereits der Baumwollkapselbohrer, die Baumwollkapseleule, die Kohlschabe, die Aschgraue Höckereule, der Eulenfalter und die „Busseola fusca“-Raupe der Substanz.

Import-Zulassung für Gentech-Mais?
Die EU-Gremien befinden zur Zeit über eine Import-Zulassung für BAYERs Gentech-Mais T25. Die Lebensmittelbehörde EFSA hat der Laborfrucht bereits eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt, obwohl sie gentechnisch auf eine Behandlung mit dem gesundheitsgefährdenden Pestizid Glufosinat geeicht ist. Darum konnte sich das „Standing Committee on the Food Chain and Animal Health“ auch nicht auf ein positives Votums einigen. Zweimal kam es zum Patt, wobei die Bundesrepublik sich jeweils der Stimme enthielt. Jetzt obliegt der Europäischen Kommission die Entscheidung. Die Pflanze reiste derweil schon mal illegal ein. 2011 entdeckte das niedersächsische Umweltministerium bei einer Untersuchung Spuren von T25 in konventionellem Mais-Saatgut aus Ungarn.

Kennzeichnungspflicht in Vermont
Seit einiger Zeit gibt es in US-amerikanischen Bundesstaaten Initiativen zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel. BAYER & Co. investieren viel Geld, um diese Vorhaben zu Fall zu bringen und können leider schon Erfolge verbuchen. In Washington und Kalifornien scheiterte ein BürgerInnen-Begehren bereits. In Vermont allerdings muss die Gentech-Industrie Farbe bekennen. Der Bundesstaat erließ ein Kennzeichnungsgesetz, das jedoch einige Lücken aufweist, wie KritikerInnen monieren. Maine und Connecticut taten es Vermont gleich, wollen das Paragrafen-Werk jedoch erst in Kraft setzen, wenn mindestens vier weitere Staaten folgen.

Stammzellen: Der Hype ist vorbei
„Die Möglichkeiten sind grenzenlos“, schwärmte im Jahr 2001 BAYERs damaliger Chef-Pharmazeut Wolfgang Hartwig über die Stammzellen. Aus ihnen wollten die GenforscherInnen des Konzerns zahlreiche Zelltypen oder Gewebe-Arten entwickeln. 2008 haben sie in Japan ein Patent (siehe Ticker 3/08) für eine Technik zur Produktion von „Induzierten Pluripotenten Stammzellen“ (IPS) angemeldet, eine Stammzellen-Art, welche die ForscherInnen durch eine „Rückprogrammierung“ normaler Körperzellen erzeugen, was die Abtötung von Embryos erspart. Aber die Möglichkeiten dieser Gentechnik sind rasch an Grenzen gestoßen. Deshalb hat sich Ernüchterung eingestellt. „BAYER ist auf dem Gebiet der Stammzell-Forschung derzeit nicht aktiv“, heißt es jetzt lapidar. Thomas Eschenhagen, der Direktor des Instituts für Experimentelle Pharmakologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, bezeichnet den Wirbel um die Stammzellen im Nachhinein als Beispiel für „kurzfristige Sensationsforschung“. „Die waren vor 15 Jahren der große Hype. Alle sind auf diese Welle aufgesprungen, aber viele dieser Versprechen haben sich als falsch oder übertrieben herausgestellt. Also ist die Forscher-Karawane weitergezogen“, sagte er in einem taz-Interview. Eschenhagen hingegen forscht weiter an der Herstellung von künstlichem Herz-Gewebe aus Stammzellen.

Neue EYLEA-Zulassung
Wann immer die Aufsichtsbehörden einer Arznei des Leverkusener Multis für ein bestimmtes Anwendungsgebiet die Genehmigung erteilen, versucht dieser, grünes Licht für weitere Indikationen zu erhalten. So verfährt er auch im Falle des Gentech-Augenpräparats EYLEA. Zunächst nur zur Behandlung der altersbedingten feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassen, können es MedizinerInnen seit einiger Zeit auch zur Behandlung der Folgen eines Zentralvenen-Verschlusses der Netzhaut verschreiben. Und jetzt dürfen sie es zusätzlich zur Therapie der von der Zuckerkrankheit hervorgerufenen Makula-Degeneration einsetzen. Zudem stimmten die japanischen Aufsichtsbehörden bereits einer Verwendung bei der „choroidalen Neovaskularisation“, einer Gewebe-Wucherung am Seh-Organ, zu. Als Augen-Allheilmittel kommt der gemeinsam mit der Firma REGENERON entwickelte EYLEA-Wirkstoff Aflibercept aber nicht in Betracht. In den Tests, die zur ersten Zulassung führten, demonstrierte er nämlich lediglich seine Nicht-Unterlegenheit gegenüber Ranibizumab. Überdies traten während der Erprobungen zahlreiche Nebenwirkungen wie Bindehaut-Blutungen, grauer Star, Augenschmerzen, Glaskörper-Trübungen und Erhöhung des Augeninnendrucks auf.

EYLEA: Es geht auch billiger
Nach einer Untersuchung der Cochrane Collaboration, einem Netzwerk von ÄrztInnen, WissenschaftlerInnen und PatientInnen-VertreterInnen, wirkt das ROCHE-Krebsmedikament AVASTIN genauso gut zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – wie ROCHEs LUCENTIS und BAYERs Gentech-Präparat EYLEA. Es hat nur einen Nachteil: Es ist zu billig, weshalb der Schweizer Konzern sich nicht selbst Konkurrenz machen will. Während eine Injektion mit LUCENTIS 900 Euro kostet und eine mit BAYERs Gentech-Präparat 1.050 Euro, schlägt AVASTIN nur mit 30 Euro zu Buche.

Hämophilie-Gentherapie
Das Unternehmen DIMENSION THERAPEUTICS entwickelt für BAYER eine neue Methode zur Behandlung der Bluter-Krankheit Hämophilie A. Dabei wollen die WissenschaftlerInnen ein Gen, das den Gerinnungsfaktor VIII produziert, direkt in die Leber einführen. Bis zu 240 Millionen Dollar an Zahlungen hat die US-amerikanische Biotech-Firma zu erwarten, sollte es ihr gelingen, das Verfahren bis zur Marktreife zu entwickeln.

WASSER, BODEN & LUFT

GAUCHO & Co. belasten Gewässer
Die Bundesländer überprüfen die Belastung der Gewässer mit BAYERs bienenschädlichen (siehe PESTIZIDE und HAUSHALTSGIFTE) Pestizid-Wirkstoffen Imidacloprid (GAUCHO) und Clothianidin (PONCHO) nicht systematisch. Es liegen nur Stichproben vor. Diese geben jedoch Anlass zur Sorge, denn sowohl Clothianidin als auch Imidacloprid überschritten teilweise die Grenzwerte. Besonders Imidacloprid tat sich dabei hervor. „Das deutet darauf hin, dass Imidacloprid ein für die Erfüllung der Anforderungen der EU-Wasserrahmen-Richtlinie relevanter Schadstoff in Oberflächen-Gewässern ist“, hält die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen zu GAUCHO & Co. fest.

Lubbock: BAYER & Co. in der Kritik
Im texanischen Bezirk Lubbock befinden sich neben dem Leverkusener Multi noch viele andere Chemie-Unternehmen. 390 Tonnen teils hochgefährlicher Stoffe lagern auf den Firmen-Arealen, oft in bedenklicher Nähe zu Siedlungen. Als es im Mai vergangenen Jahres auf dem BAYER-Gelände zu einem Austritt von Chlorwasserstoff kam, mussten deshalb die EinwohnerInnen eines ganzen Stadtteils von Guadalupe ihre Häuser verlassen. Besonders der geringe Abstand der Fabriken zu Schulen beunruhigt die LubbockerInnen. So liegen nach einer Studie des „Center for Effective Government“ 27 Bildungseinrichtungen mit insgesamt 9.500 SchülerInnen im „Einzugsgebiet“ von BAYER & Co. Die BürgerInnen verlangten aus diesem Grund genauere Information über die Substanzen, aber die Verantwortlichen des Regierungsbezirkes verweigerten die Auskunft.

Das Aus für Mikroplastik?
BAYER & Co. drängen mit ihrer Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So finden sich in Zahnpasten, Dusch-Peelings und Kontaktlinsen-Reinigern viele Kunststoff-Produkte. Der Leverkusener Multi produziert beispielsweise Polyurethane zur Verstärkung der Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups. Diese Mikroplastik-Teilchen können nicht nur Gesundheitsstörungen verursachen, sondern auch die Umwelt schädigen, denn sie passieren die Kläranlagen unbehelligt. In den Gewässern bilden die Substanzen dann den besten Nährboden für andere Giftstoffe und potenzieren so ihre Gefährlichkeit noch einm

[HV Reden] STICHWORT BAYER 02/2014

CBG Redaktion

Viele Fragen und keine Antworten

Konzernkritik x 26

Die HV-Gesamtschau: 26 Gegen-RednerInnen traten am 29. April 2014 vor die AktionärInnen. Sie brachten Themen wie Pharma-Patente, Arznei-Nebenwirkungen, Medikamenten-Tests, Tierversuche, Bienensterben, gefährliche Chemikalien, Gentechnik, die Kohlenmonoxid-Pipeline, Klimasünden und die Konzern-Vergangenheit auf die Tagesordnung und setzten BAYER mit ihren Fragen gehörig unter Druck. Entsprechend schwer tat sich der Konzern mit den Antworten.

Von Jan Pehrke

Der Unternehmensteil, welcher bei BAYER am meisten zur goldenen Geschäftsbilanz beiträgt, ist gleichzeitig auch derjenige, welcher die größte Schadensbilanz aufweist: Der Pharma-Bereich. Und dass dazwischen ein Zusammenhang besteht, machten auch bei der diesjährigen Hauptversammlung wieder zahlreiche GegenrednerInnen deutlich. Zusätzlich zu den Pillen-Geschädigten, die von weither nach Köln angereist waren, kamen auch viele ihrer deutschen Leidensgenossinnen nach Köln. So traten Felicitas Rohrer und Kathrin Weigele gleich in Begleitung von sechs Mitstreiterinnen von der Initiative RISIKO-PILLE ans Rednerpult, um vor den AktionärInnen eine wahre „Chronique scandaleuse“ der Verhütungsmittel der dritten und vierten Generation auszubreiten.

Bittere Pillen
Diese begann den beiden Frauen zufolge schon mit kritischen Stimmen zur Markteinführung im Jahr 2000, setzte sich dann mit unzähligen warnenden Studien und den ersten Klagen fort und ist heute mit 28 Toten allein in der Bundesrepublik, unzähligen Prozessen und hohen Schadensersatz-Zahlungen noch längst nicht beendet. Aber all das prallte an BAYER-Chef Marijn Dekkers ab. „Ich möchte auch in diesem Jahr betonen: Wir stehen hinter unseren oralen Kontrazeptiva“, entgegnete der Vorstandsvorsitzende Rohrer und Weigele.
Aber nicht nur orale Kontrazeptiva, auch andere Verhütungsmittel des Leverkusener Multis haben es in sich. Von den Risiken und Nebenwirkungen der Hormon-Spirale MIRENA legte eine Geschädigte aus Berlin Zeugnis ab: „Die meisten klagen über Haarausfall, Akne, Zysten, Gewichtszunahme, Libido-Verlust, Depression und Panikattacken.
Gemeinsam ist vielen dieser MIRENA-Betroffenen, dass sie jahrelang unter vielen Nebenwirkungen gelitten und einen regelrechten Ärzte-Marathon hinter sich gebracht haben. Dabei hieß die Ursache ihrer Beschwerden ganz einfach: MIRENA. Herr Dr. Dekkers, was sagen Sie diesen Frauen? Dass sie einfach Pech hatten?“ Er sagte ihnen etwas anderes, aber ebenso wenig Sachdienliches. „In Zusammenarbeit mit den Behörden werden die wissenschaftlichen Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von MIRENA fortlaufend kontrolliert und bewertet. Danach gibt es keinen Zweifel am positiven Nutzen/Risiko-Profil dieses Produktes“, so der Niederländer. Und dann bemerkte er noch achselzuckend, es sei eben nicht jedes Mittel für jede Frau geeignet.
Definitiv für gar keine Frau geeignet war der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON bzw. PRIMODOS. Das Produkt der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen bis zum Vermarktungsstopp in den 1970er Jahren unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. „Können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, ihr Kind mit von PRIMODOS verursachten Schmerzen und Jahre andauernden Krankheiten aufwachsen zu sehen“, fragte deshalb die Engländerin Valerie Williams die AktionärInnen in ihrer Rede, deren Übersetzung Peter Noquet vortrug. Für das Leid, welches das Unternehmen ihrem Sohn und ihr zugefügt hat, verlangte die Rentnerin eine Entschuldigung. Zudem erhob sie Anspruch auf Schmerzensgeld.
Andre Sommer formulierte ebenfalls Forderungen. „Stellen Sie sich endlich Gesprächen. Lassen Sie uns das Thema endlich beenden!“, appellierte er an den Vorstand. Der Lehrer, der sich als PRIMODOS-Spätfolge noch im letzten Jahr einer Magen-Operation unterziehen musste, prozessierte sogar schon gegen BAYER. Aber das Landgericht Berlin hatte seine Klage auf Herausgabe von PRIMODOS-Dokumenten abgewiesen. „Verjährt“ lautete das Urteil von 2012, das Sommer nicht akzeptieren kann. „Glauben Sie, dass meine Grunderkrankung für mich jemals verjährt?“, wollte er von den Managern wissen und erinnerte diese noch einmal an die Richter-Worte: Es gibt einen Unterschied zwischen Recht und Moral. Ein Weltkonzern wie BAYER sollte den Dialog suchen, da kann ich Sie nur ermahnen!“
Für diesen Dialog setzte sich auch Peter Noquet ein, den das Schicksal von Valerie Williams dazu bewogen hatte, noch eine eigene Rede zum Thema „Schwangerschaftstests“ zu halten. Er erinnerte Marijn Dekkers an den Firmen-Slogan „Responsible Care“ und fragte Vorstand und Aufsichtsrat, ob darin nicht auch eine Verpflichtung läge, den Geschädigten zu helfen, wenn sich ein Medikament als gefährlich erwiesen hätte. Margret-Rose Pyka vermochte ebenfalls nicht mehr länger tatenlos mit ansehen, wie BAYER Valerie Williams und andere Betroffene Jahr für Jahr erneut abkanzelt und schritt deshalb zum Mikrofon. Sie bezeichnete es als verantwortungslos, trotz früher Warnhinweise lange an den gesundheitsgefährdenden Arzneien festgehalten zu haben und alle Informationen zu den Hormon-Präparaten unter Verschluss zu halten. „Wann bitten Sie um Verzeihung, dass Sie das Vertrauen, das Ihre Firma so groß gemacht hat, missbrauchen“, fragte Sie Marijn Dekkers zum Abschluss. Doch zu einer solchen Geste war der Holländer nicht bereit. Er drückte nur kurz sein Bedauern über das persönliche Schicksal der Betroffenen aus, um dann ungerührt die Textbausteine zur Entlastung des Schwangerschaftstests aneinanderzureihen.
All die auf der Hauptversammlung inkriminierten Medikamente von DUOGYNON bis YASMIN haben vor ihrer Zulassung Tierversuche durchlaufen. Für Silke Bitz von ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE ließ das nur eine Schlussfolgerung zu: „Wie ein neues Medikament beim Menschen wirkt, lässt sich also auf der Grundlage von Tierversuchen nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen.“ Als konkretes Beispiel erwähnte sie BAYERs Cholesterin-Senker LIPOBAY, auf dessen fatale Nebenwirkung „Muskelzerfall“ es am „Tiermodell“ keinerlei Hinweise gegeben hatte. Nicht nur aus moralischen, sondern auch aus wissenschaftlichen Gründen plädierte die Diplom-Biologin deshalb für Alternativen wie Forschungen mit menschlichen Zellsystemen, Biochips oder Computer-Simulationen. Davon wollte der BAYER-Chef allerdings nichts wissen. „Zum Nachweis der Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln und anderen chemischen Verbindungen sind Tierversuche nach wie vor wissenschaftlich notwendig“, meinte er, um dann zu konzedieren: „Das schließt die intensive Suche nach anderen Methoden natürlich nicht aus.“ Ergebnisse hat dieses Bemühen, das der Konzern sich seit Jahre zugutehält, allerdings noch nicht gezeitigt. Im Geschäftsjahr 2013 lag die Zahl der Tierversuche des Multis unverändert hoch bei rund 170.000.
Bei der Entwicklung von Medikamenten kommt nach den Tierversuchen die Erprobung am Menschen. Und auch hier geht das Unternehmen wenig zimperlich vor. Mit Vorliebe verlegt er die Arznei-Tests nämlich in ärmere Länder wie Indien. Dort locken ein großes Reservoir an armen und deshalb auf Geld angewiesenen ProbandInnen, unschlagbare Preise und ein löchriges Kontrollsystem. Die Folgen führte die indische Journalistin Ruhi Kandhari der Hauptversammlung vor Augen: Zwischen 2007 und 2012 starben 2.374 Menschen für die Pharma-Industrie, davon allein 146 für BAYERs neuen Gerinnungshemmer XARELTO. Das wären alles alte und kranke Hochrisiko-Patienten gewesen, gab Dekkers Kandhari wider besseren Wissens zur Antwort, ein Zusammenhang mit dem Präparat bestehe nicht, denn: „Untersuchungen am Menschen werden bei BAYER nach strengen wissenschaftlichen und ethischen Grundsätzen durchgeführt. Das gilt weltweit für alle Länder.“ Zu diesen Grundsätzen gehörte es für den Pharma-Riesen offenbar auch, ExpertInnen bei der Abfassung von XARELTO-Gutachten die Hand zu führen. Nach dem von Kandhari zitierten Bericht einer Untersuchungskommission waren es nämlich „fast identische Kopien“. Aber Dekkers stritt die „Schreibhilfe“ einfach ab: „Unser Unternehmen hat keinen Einfluss auf die Auswahl dieser Experten oder deren Einschätzungen.“
Mit BAYERs Pharmageschäftspraxis in Indien beschäftigte sich auch Philipp Frisch von ÄRZTE OHNE GRENZEN. Weil der Global Player dort für eine Therapie mit seinem Krebs-Präparat NEXAVAR monatlich 4.200 Euro berechnen wollte, hob ein indisches Gericht das Patent auf und erlaubte einer anderen Firma, eine preisgünstige Nachahmer-Version des Mittels herzustellen. Der Konzern ging juristisch gegen die Entscheidung vor, und im Rahmen dieses Rechtsstreits rechtfertigte der Ober-BAYER die Preis-Politik des Unternehmens. „Wir haben dieses Produkt nicht für den indischen Markt entwickelt (...) Wir haben es für westliche Patienten entwickelt, die es sich auch leisten können“, sagte er. Frisch kritisierte diese Äußerung scharf: „Dekkers‘ Zitat fasst alles zusammen, was heute im globalen Gesundheitsbereich falsch läuft: Medikamente nur für Reiche, Forschung soll durch Monopolversprechen und Patente angereizt werden.“ Der BAYER-Chef jedoch rechtfertigte seine Aussage. Die Entwicklung von Krebs-Medikamenten sei nun mal leider sehr teuer, führte er aus und erläuterte: „Dabei ist es offensichtlich, dass wir dieses Geld in den reicheren westlichen Ländern verdienen müssen, die gut entwickelte Krankenversicherungssysteme haben.“ Und gut entwickelte Gesetze zum „Schutz des geistigen Eigentums“, welche die Monopol-Gewinne garantieren. „Wenn aber der Patentschutz in Frage gestellt wird, kann das Geschäftsmodell nicht mehr funktionieren“, meinte Dekkers deshalb. Wenn jedoch dieses Geschäftsmodell funktioniert, dafür aber die Versorgung ärmerer Länder mit Medikamenten in Frage steht, wie es zur Zeit der Fall ist, dann helfen dem Holländer zufolge nur milde Gaben in Form von speziellen Arznei-Zugangsprogrammen.

Sterben wie die Bienen
Großen Raum auf der Hauptversammlung nahm auch das Thema „Bienensterben“ ein. Gleich vier RednerInnen widmeten sich dieser Nebenwirkung der BAYER-Pestizide PONCHO und GAUCHO aus der Gruppe der Neonicotinoide. „Es gibt keine Zukunft ohne Bienen“, hielt Anne Isakowitsch von der Initiative SumOfUs fest und erläuterte den Grund: „Jeder dritte Bissen Essen, den wir zu uns nehmen, hängt von der Arbeit von Bienen ab. Das weltweite Bienensterben gefährdet unser Überleben und das unserer Kinder.“ Eigentlich müsste ein Konzern, der sich zur Nachhaltigkeit bekennt und wirtschaftliches Wachstum mit ökologischer und gesellschaftlicher Verantwortung in Einklang bringen will, diese Entwicklung stoppen“, meinte die Aktivistin, was BAYER aber nicht tue. „Im Fall der bienentötenden Pestizide scheint Profit ganz klar wichtiger zu sein als diese Prinzipien“, konstatierte Isakowitsch, die nicht nur redete, sondern auch handelte. Sie übergab dem Vorstand eine Petition mit 600.000 Unterschriften zum Vermarktungsstopp von PONCHO & Co. GREENPEACE verband ebenfalls Wort und Tat. Hatte die Umwelt-Organisation Mitte April noch vor der Konzern-Zentrale gegen die Ackergifte des Multis protestiert und ein riesiges Transparent vom Vordach heruntergelassen, auf dem die Bienen selber fordern: „Stop killing us“, so erläuterte Dirk Zimmermann den AktionärInnen noch einmal genau die Motive für die Aktion. Die Initiative hatte nämlich jüngst eine Untersuchung über die Agro-Chemikalien durchgeführt und damit dem Belastungsmaterial noch weiteren Stoff hinzufügt. „Wir haben festgestellt, dass Pollen, der Bienen und ihrer Brut direkt als Nahrung dient, zum Teil mit bedenklichen Pestizid-Cocktails belastet war“, so Zimmermann.
BAYER hingegen gibt als Erklärung für das Massensterben stets die Varroa-Milbe und unprofessionelles Verhalten der BienenzüchterInnen an. Deshalb fragte Roger Dammé von der Europäischen ImkerInnen-Vereinigung BEE LIFE den Vorstand: „Wenn Imker und Bienenkrankheiten die Hauptschuldigen am Bienensterben sein sollen: Wie bitte erklären Sie sich dann den gleichzeitigen Rückgang von Schmetterlingen und anderen bestäubenden Insekten?“ Darüber hinaus wies Dammé auf Forschungen des „EU-Referenzlabors zur Bienengesundheit“ hin, die ebenfalls Parasiten-Befall als alleinige Ursache ausschlossen. Mit den mahnenden Worten: „Die Gesundheit der Honigbienen und anderer Insekten ist das Thermometer einer nachhaltigen Landwirtschaft. Im Moment steht das Thermometer auf Fieber.
Die aktuelle Ausrichtung des BAYER-Konzerns ist ein Teil des Problems“ beendete er seine Ausführungen.
Sogar die EU hat den Agro-Riesen als einen Teil des Problems ausgemacht und im Dezember 2013 die Ausbringung der Neonicotinoide auf bestimmten Kulturen für zunächst zwei Jahre untersagt. Aber BAYER zeigte sich weiter uneinsichtig. In Tateinheit mit SYNGENTA ging der Global Player gerichtlich gegen die Entscheidung vor. Wie Zimmermann, Isakowitsch und Dammé erboste diese Reaktion auch Christoph Koch vom deutschen „Berufs- und Erwerbsimkerbundes“ maßlos. „Was wollen Sie damit bezwecken?“ fragte er Dekkers & Co. und warnte: „Das wird ein Nachspiel geben von einer Dimension, wie es der Konzern in Fragen des Bienenschutzes noch nicht erlebt hat!“ Doch der Vorstandsvorsitzende legitimierte das Vorgehen gegenüber den kritischen AktionärInnen. Weil der Leverkusener Multi durch das vorübergehende Verbot die Rechtssicherheit von Pestizid-Zulassungen zur Disposition gestellt sah, habe er den Rechtsweg bestritten, so Dekkers. Und auch in der Sache zeigte er sich uneinsichtig. Alle möglichen Ursachen nannte der BAYER-Chef für das Bienensterben, die durch die Varroa-Milbe ausgelösten Gesundheitsstörungen, Umwelt- und Klima-Einflüsse und die Struktur-Veränderungen in der Landwirtschaft, nur eine nicht: die Neonicotinoide. „Die praktische Erfahrung sowie die wissenschaftliche Daten-Lage zeigen, dass sie keine negativen Auswirkungen auf die Entwicklung von Bienenvölkern haben, wenn die Produkte verantwortungsvoll und vorschriftsmäßig eingesetzt werden“, antwortete er den Gegen-RednerInnen.

Diese Produkte und die Genpflanzen im Angebot haben BAYER CROPSCIENCE zu einem der weltgrößten Agro-Unternehmen aufsteigen lassen. Konkurrenz herrscht in dem Segment kaum. BAYER, MONSANTO, SYNGENTA, DUPONT und DOW kommen sich nicht groß ins Gehege und verfolgen eine gemeinsame Politik, wie Olivia Tawiah darlegte. „Das Ziel dieses Oligopols ist ganz eindeutig, den Markt unter sich aufzuteilen, Preise und politische Rahmenbedingungen zu diktieren und letztlich die Ernährungsgrundlagen der Menschheit zu kontrollieren“, stellte die in der „Transition Town“-Bewegung aktive Frau fest und machte die Patente als zentrales Mittel zu diesem Zweck aus. Nicht weniger als 206 hält der Leverkusener Multi auf Mais, Weizen, Reis, Gerste, Baumwolle, Soja und sogar auf genmanipulierte Bäume, informierte die Düsseldorferin und wunderte sich: „Patente haben für mich immer etwas zu tun gehabt mit Erfindungen, die Menschen mit ihrer Phantasie und ihrem Wissen entwickelt haben und sind eng verknüpft mit dem Begriff der Originalität.
Patente auf Lebewesen jeglicher Art, die die Natur hervorbringt, gehören nach meinem Empfinden nicht dazu.
Die Natur ist lange vor BAYER und allen anderen Chemie-Konzernen entstanden.“ Noch mehr wunderte sie, dass es trotz all dieser Patente beim Global Player mit gegen Glufosinat und Glyphosat resistenten sowie mit dem Bacillus thuringiensis bestückten Pflanzen nur zwei Gentech-Varianten gibt, die noch dazu massive Risiken und Nebenwirkungen aufweisen. „Wegen der Gefahren für Mensch und Umwelt müssten Glufosinat und Glyphosat nach Ansicht von Umweltschützern sofort vom Markt genommen werden.
Darüber hinaus sind beide Techniken wegen der zunehmenden Resistenzbildung allenfalls noch ein paar Jahre wirksam und daher kaum zukunftstauglich“, ließ Tawiah wissen. Da gab sich auch Marijn Dekkers ratlos: „Schaderreger haben stets das Potenzial zu Resistenz-Bildung gegen Pflanzenschutzmittel (...) Es ist eine evolutionäre Eigenschaft der Lebewesen und dient ihrer Arterhaltung.“

CO & Co.
Unabdingbar für BAYERs Arterhaltung ist für ihn die Kohlenmonoxid-Pipeline, deren Gefahren-Potenzial gleich mehrere Redner aufbrachte. Als würden die bisher auf den Hauptversammlungen geäußerten Vorbehalte gegen die von Krefeld nach Dormagen verlaufende Giftgas-Leitung noch nicht ausreichen, trug Dieter Donner von der Initiative STOPP-CO-PIPELINE neue Argumente vor. Er setzte die Aktien-HalterInnen von dem Gutachten des „Bielefelder Instituts für Umweltanalyse“ in Kenntnis, wonach es eine - sogar um 60 Prozent kostengünstigere – technische Alternative zum Röhrenverbund gibt. Desweiteren informierte er über eklatante Mängel bei der vom Global Player schon lange betriebenen CO-Pipeline zwischen Leverkusen und Dormagen, die der Bezirksregierung 2007 bei ihrer Baugenehmigung für die neue Verbindung als „Referenz-Leitung“ diente. „Rostige Schwindsucht“ hat diese laut Donner befallen. An einigen Stellen hat die Korrosion die Rohrwände schon fast bis zur Hälfte durchdrungen, bekundete er.
Der Kinderarzt im Ruhestand Gottfried Arnold, der unter seinen KollegInnen 460 Unterschriften gegen das BAYER-Projekt gesammelt hat, problematisierte vor allem die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen. So beanstandete er die unzureichenden Vorrichtungen zur Erkennung von Lecks und wies auf die Nicht-Existenz eines mit allen AkteurInnen abgestimmten Alarm- und Gefahrenabwehrplanes hin. Zudem führte der Mediziner plastisch vor Augen, wie wenig die Feuerwehr im Falle eines GAUs ausrichten könnte, da das Kohlenmonoxid seine giftige Wirkung in Sekundenschnelle entfaltet und es überdies gar keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten gibt. Gerade einmal zwei Plätze in einer Sauerstoff-Überdruckkammer mit 24-Stunden-Dienst hält die Universität Düsseldorf laut Arnold für ganz Nordrhein-Westfalen bereit.
Rainer Kalbe von STOPP-CO-PIPELINE schließlich sah der Rohrleitung durch die neue Kunststoff-Anlage in Dormagen die Geschäftsgrundlage entzogen. Da die Produktionsstätte CO für die Fertigung benötigt, gibt es am Standort nämlich gar keinen Überschuss mehr, der nach Krefeld geleitet werden müsste, womit BAYER das Projekt einst begründet hatte. Ein Grund mehr für Kalbe, die Pipeline auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen: „Denn da gehört sie auch hin und nicht in die Vorgärten.“ Eine starre Fixierung auf Profit-Maximierung warf der Aktivist dem Unternehmen vor und prophezeite: „So wird der Konzern keine Zukunft haben.“ Er müsse vielmehr endlich einsehen, dass er mit den Menschen leben müsse und nicht gegen sie, mahnte Kalbe.
Dazu machte der Pharma-Riese allerdings keine Anstalten. Marijn Dekkers ignorierte alle Einwände gegen die Giftgas-Leitung. Auch wenn in Dormagen kein zusätzliches Kohlenmonoxid mehr anfalle und der Standort Krefeld/Uerdingen überdies selber CO erzeuge, bleibe das Röhren-Werk unverzichtbar, so der Ober-BAYER. Nur auf diese Weise könne nämlich die Niederlassung am Niederrhein in die CO-Verbundstruktur einbezogen werden, was allein die Versorgungssicherheit garantiere, erklärte der Vorstandsvorsitzende. Dieses nicht berücksichtigt zu haben, warf er auch dem von Dieter Donner zitierten Gutachten vor. Es hatte für Dekkers jedoch noch weitere Mängel; den größten Kritikpunkt stellten dabei die Umstände seines Entstehens dar. „Schon bei der Ankündigung, dass es durch das Umweltministerium in Auftrag gegeben wird, hatte BAYER deutlich gemacht, dass das Unternehmen es nicht für erforderlich hält“, ließ der Niederländer den Saal wissen. Und Risiken gingen von der Pipeline schon mal gar keine aus: „Wir haben ein Sicherheitskonzept entwickelt, das Maßstäbe setzt“. Das Rost ansetzende Sicherheitskonzept der zwischen Leverkusen und Dormagen schon betriebenen Kohlenmonoxid-Leitung verteidigte er ebenfalls. Der Korrosionsschutz sei gewährleistet, alles werde ständig kontrolliert und Leckagen oder andere Störungen wären seit der Inbetriebnahme im Jahr 2002 nicht aufgetreten, vermeldete Marijn Dekkers. Zur Beglaubigung berief er sich auf den TÜV. Dass dieser bei Untersuchungen jedoch schon auf „gravierende externe Materialverluste“ gestoßen war, verschwieg der BAYER-Boss dezent.
Einen weiteren gefährlichen Stoff setzte Helmut Röscheisen, der Generalsekretär des DEUTSCHEN NATURSCHUTZRINGS, auf die Tagesordnung: PCB. Die polychlorierten Biphenyle können das Nerven-, Immun- und Hormonsystem schädigen und Krebs erzeugen – und sie können das eine ganze Weile tun. Da PCB ein Abkömmling der Chlorchemie und entsprechend stabil sind, halten sie sich sehr lange in der Umwelt. Aus diesem Grund sorgt die Substanz trotz des bereits 1989 erfolgten Verbotes immer noch für Gesundheitsgefährdungen. BAYER hat daran nach Meinung von Helmut Röscheisen einen großen Anteil. Der Leverkusener Multi gehörte neben MONSANTO nämlich zu den Hauptproduzenten dieser Chemikalie. Allein 20.000 Tonnen PCB für Fugenverdichtungsmassen hat er nach Angabe des Naturschützers produziert, und diese gasen – verbaut in Schulen, Universitäten und Kindergärten – fleißig aus. Darum stellte er dem Vorstand nur eine einfache Frage: „Ist die BAYER AG bereit, für eine Inventarisierung und Beseitigung der PCB-Belastungen im Baubereich finanzielle Mittel bereitzustellen?“
Dazu war der Konzern nicht bereit. „Die Sanierung belasteter Gebäude liegt nicht in unserer Verantwortung“, antwortete Marijn Dekkers Helmut Röscheisen. Mit der Einstellung der Produktion schon vor dem gesetzlichen PCB-Verbot in Deutschland im Jahr 1989 sei der Multi „seiner Verantwortung für die Sicherheit von Mensch und Umwelt gerecht geworden“, vermeinte der große Vorsitzende.
Auch Verantwortung für das Klima zeigt das Unternehmen nach Ansicht des BAYER-Chefs, obwohl die nackten Zahlen dem widersprechen, wie der Verfasser dieses Textes in seiner Rede skizzierte. So hat der Agro-Riese 2013 mehr klima-schädigendes Kohlendioxid ausgestoßen als 2012. Auf sage und schreibe 8,36 Millionen Tonnen beläuft sich der Wert, was vor allem dem hohen Kohle-Anteil am Energie-Mix geschuldet ist. Während dieser sich auf fast ein Drittel beläuft, kommen die Erneuerbaren Energien nicht über 0,7 Prozent hinaus. Auf die konkrete Frage Jan Pehrkes, ob der Konzern daran denke, die Kohle-Verstromung zu reduzieren, antwortete der Vorstandsvorsitzende ausweichend: „Generell sind wir daran interessiert, den Energie-Verbrauch so gering wie möglich zu halten und idealerweise zu senken, sowohl aus ökologischen als auch aus ökonomischen Gründen.“
Und in puncto „Erneuerbaren Energien“ generalisierte er ebenfalls. „Generell ist es unser Ziel, den Anteil regenerierbarer Energie an unserer Strom-Versorgung langfristig zu erhöhen. Ob und in welchem Ausmaß uns das gelingt, ist allerdings abhängig von der Verfügbarkeit dieser Energien und der Entwicklung unseres Energiebedarfs“, so Dekkers.
Während Pehrke und die anderen Gegen-RednerInnen dem Leverkusener Multi die Schadensbilanz für 2013 vorlegten, ging CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura im Gedenkjahr 2014 weit zurück in die Vergangenheit, um am Beispiel von BAYERs Wirken im Ersten Weltkrieg die Kontinuität der Kapital-Verbrechen deutlich zu machen. So bejubelte der damalige Generaldirektor Carl Duisberg Köhler-Schnura zufolge den Waffengang, weil dieser die Geschäfte antrieb. Mit den Worten: „Sähen Sie jetzt einmal, (...) wie wir fast nichts mehr als Kriegslieferungen ausführen (...), so würden Sie Ihre helle Freude haben“, zitierte er Duisberg. Das über Deutschland verhängte Embargo verhinderte Einfuhren aus dem Ausland und verhalf dem Chemie-Multi so zu einer privilegierten Stellung. Auch zu billigen Arbeitskräfte kam der Konzern ab 1916. Er legte schon im Ersten Weltkrieg das Fundament für das erst im Zweiten Weltkrieg in aller Brutalität exekutierte ZwangsarbeiterInnen-System und ließ 60.000 BelgierInnen nach Deutschland verbringen. Wegen solcher „Standort-Vorteile“ setzte BAYER alles daran, den Krieg zu forcieren. Und er trug wesentlich mit dazu bei, ihm die bis dahin schrecklichste Waffe zu liefern: das Kampfgas. „Weshalb entzieht sich BAYER der Auseinandersetzung mit seiner Verantwortung in diesem Zusammenhang?“, fragte Kohler-Schnura deshalb. Aber er stieß beim Vorstand nur auf taube Ohren. Dekkers bekundete zunächst, BAYER habe Duisbergs Rolle im Ersten Weltkrieg umfassend aufgearbeitet, um dann übelsten Geschichtsrevisionismus zu treiben und eine Ehrenrettung des ehemaligen Generaldirektors vorzunehmen. „Die historischen Verdienste Carl Duisbergs sind weithin anerkannt. Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein und setzte sich für den Umweltschutz ein, lange bevor es gesetzliche Regelungen dazu gab“, dozierte er.

Damit erreichte die BAYER-Ignoranz an diesem Tag ihren traurigen Höhepunkt. Er werden wohl noch mehr AktivistInnen und Gegen-RednerInnen nötig sein, damit der Global Player eines Besseren belehrt wird. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN arbeitet bereits daran.

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2014

CBG Redaktion

HV: BAYER auf Rückzug

Verkehrte Welt

Schlechter hätte die diesjährige Hauptversammlung für BAYER nicht laufen können. Der Leverkusener Multi musste auf Geheiß des Kölner Verwaltungsgerichts die „Bannmeile“ um die Messehalle herum aufheben, so dass die Demonstrantinnen den AktionärInnen wieder näherkommen konnten. Damit nicht genug, sprachen dann im Saal selber mit 26 Konzern-KritikerInnen auch noch so viele Gegen-RednerInnen wie niemals zuvor und degradierten die Kapital-VertreterInnen damit zu einer kleinen radikalen Minderheit. Entsprechend missgelaunt präsentierte sich das Unternehmen. Von den ausländischen SprecherInnen erbat sich der nur Wirtschaftsenglisch verstehende Global Player Rede-Beiträge in deutscher Sprache und schaltete ihnen bei Zuwiderhandlungen einfach das Mikrofon ab.

Von Jan Pehrke

Die fleißigen Hände von BAYER hatten schon am Tag vor der Hauptversammlung damit begonnen, die Kölner Messehalle weiträumig mit einem Kordon von Schutzgittern abzuschirmen. Um sich die Konzern-KritikerInnen vom Leib zu halten, hatte der Leverkusener Multi nämlich wie im Vorjahr von der Messe-Gesellschaft den Vorplatz gleich mitgemietet, weshalb er meinte, das Hausrecht beanspruchen zu können und dabei in der Kölner Polizei einen freundlichen Helfer fand. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ging dagegen per einstweiliger Verfügung gerichtlich vor und bekam Recht zugesprochen. „Die Antragsteller können die Gewährleistung der angemeldeten Kundgebung seitens des Antraggegners beanspruchen, denn diese fällt – entgegen der vom Antragsgegner vertretenen Auffassung – unter die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Absatz 1 GG“, urteilte das Kölner Verwaltungsgericht. „Orte der allgemeinen Kommunikation“ haben politischen Aktionen zugänglich zu bleiben, urteilten die RichterInnen mit Bezug auf das so genannte FRAPORT-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das 2011 die Abschottung des Frankfurter Flughafens für unrechtmäßig erklärt hatte.
So mussten dann die fleißigen Hände ihr Tagwerk wieder abtragen und den Platz der „allgemeinen Kommunikation“ öffnen. Und die fand am 29. April reichlich statt. Eine bunte Schar von ca. 150 Personen hatte sich schon am frühen Morgen vor den Messehallen eingefunden. Geschädigte der BAYER-Spirale MIRENA zogen mit einem furchterregend großen Exemplar des Pessars vor den Eingang. Eine Gruppe von Frauen, denen die Kontrazeptiva des Konzerns zugesetzt hatten, trugen rote T-Shirts mit ihren Krankengeschichten. „Erfolgsbilanz ‚Die Pille’: Ricarda (23) Lungenembolie“, konnten die AktionärInnen darauf etwa lesen. Auch Leidtragende des Schwangerschaftstests DUOGYNON kamen wieder nach Köln. Zu ihnen gesellten sich darüber hinaus noch GREENPEACE-AnhängerInnen, GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Pipeline, ImkerInnen, die Kölner Lichtbrigade und natürlich Mitglieder der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit all ihren Transparenten und Flugblättern.
Und im Saal selber setzte sich die konzern-kritische Kommunikation beinahe übergangslos fort. „Mit Marc Tüngler und Joachim Kregel hatten nur zwei Aktionärsvertreter Gelegenheit, die Leistung des Vorstands aus Sicht der Anteilseigner zu kommentieren. Die Noten fielen hervorragend aus, aber schon nach 20 Minuten ging es nur noch um weniger angenehme Dinge als die Steigerung des Aktienkurses, eine höhere Dividende und gute Aussichten für den BAYER-Konzern“, hieß es in dem „BAYER-Kritiker geben Ton an“ überschriebenen Hauptversammlungsartikel des Leverkusener Anzeigers. Sage und schreibe 26 Gegen-RednerInnen meldeten sich nach Tüngler und Kregel zu Wort – so viel wie noch nie. Kein Weg war ihnen dafür zu beschwerlich, bis aus Australien und Indien kamen sie in die Kölner Messehalle.
Die Kontrazeptiva-Geschädigte Marion Larat reiste aus dem französischen Bordeaux an. In ihrem Heimatland just zur „Frau des Jahres“ gekürt, weil sie mit ihrer Klage gegen BAYER und der Gründung der Selbsthilfegruppe AVEP die von MELIANE (Wirkstoffe: Gestoden und Ethinylestradiol) und anderen Verhütungsmitteln ausgehende Gefahr einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht hat, konfrontierte sie den Leverkusener Multi zum ersten Mal direkt mit ihrem Schicksal. „Ich bin hier, stehe Ihnen gegenüber, halbseitig gelähmt, mit einer Sprachstörung und als Epileptikerin als Folge eines Schlaganfalls, der mich vor 8 Jahren niedergestreckt hat. Zum Glück habe ich überlebt und ich bin hierher gekommen, um Ihnen von meinem Leiden und meiner Wut zu erzählen“, so begann ihre von Ricarda Popert in Deutsch vorgetragene Rede. Dann berichtete sie von dem Vorfall, der sie – 18-jährig und frisch verliebt – aus ihrem bisherigen Leben riss und sie zu einer Schwerbehinderten machte, die keinen Beruf mehr auszuüben vermag und auf eine klägliche staatliche Unterstützung von 700 Euro im Monat angewiesen ist. „Also sagen Sie mir, Herr Dr. Dekkers, wie viel verdienen Sie im Monat? Ihre Verurteilung würde Ihren Nachfolger ermutigen, nicht mehr mit kriminellen Strategien zu arbeiten“, wandte sie sich direkt an den BAYER-Chef. Aber Marion Larat sprach auch über ihre erfolgreichen Bemühungen, dem Pharma-Riesen bei der Vermarktung der Pillen der 3. Und 4. Generation, die ein viel höheres Risiko-Profil aufweisen als ältere Verhütungsmittel, das Handwerk zu legen. Der Gang vor Gericht und die Kampagne von AVEP hat nämlich nicht nur zu vielen Publikationen über MELIANE & Co. geführt, sondern auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA auf den Plan gerufen und die französischen Krankenkassen zu einer Streichung der Kostenübernahme veranlasst – mit schmerzlichen Folgen für das Unternehmen. „Sehr geehrte Aktionäre, ich bin stolz, Ihnen sagen zu können, dass wir Leben gerettet haben und zwar auf Kosten Ihrer Profite!“ konstatierte Larat, die noch zwei Tage vor der Hauptversammlung wieder einen epileptischen Anfall bekommen hatte. Am Schluss ihres Vortrags forderte sie die Aktien-HalterInnen auf, dem Konzern für seine Politik das Vertrauen zu entziehen und stattdessen für die Gegenanträge der Coordination zu stimmen. „Während einer Sekunde, stellen Sie sich vor, dass ich Ihre Tochter bin“, mit diesem Appell versuchte die Französin sie zu „Nein“-Stimmen zu bewegen. In seiner Antwort schaffte es Marijn Dekkers dann nicht einmal, sich zu der sonst üblichen routinierten Betroffenheitsgeste durchzuringen. Er schaltete stattdessen übergangslos in den Ignoranz-Modus. „Gesundheitsbehörden, externe und unabhängige Experten und BAYER-Wissenschaftler haben die verfügbaren wissenschaftlichen Daten der Gesundheitsbehörden sorgfältig bewertet. Demnach sind Drospirinon-haltige Produkte sicher und zuverlässig. Sie haben ein positives Nutzen/Risiko-Profil bei indikationsgemäßer Verwendung“, hielt er fest.
Das neueste Produkt aus der Sparte „Frauengesundheit“, das 2013 vom US-amerikanischen Pharma-Unternehmen CONCEPTUS erworbene Sterilisationspräparat ESSURE, stand an diesem Tag dank Michelle Garcia, die mit einer weiteren Geschädigten extra aus den USA angereist war, ebenfalls auf der Tagesordnung. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen, dass es die Eileiter verschließt, kann nämlich erhebliche Gesundheitsprobleme verursachen. Und diese brachten BAYER schon im Vorfeld der Hauptversammlung in die Schlagzeilen, weil sich in den USA die Verbraucherschützerin Erin Brockovich, bekannt geworden durch den ihr gewidmeten Hollywood-Film mit Julia Roberts in der Hauptrolle, der Sache angenommen hat. Sie unterstützt die Kampagne der Geschädigten und redete der BAYER-Chefetage vorab ins Gewissen: „Meine Botschaft an den Vorstand und die Aktionäre lautet: Hören Sie den Frauen aufmerksam zu, weil Sie von ihnen erfahren können, was mit diesem Produkt schief läuft. Dies ist eine Gelegenheit für das Unternehmen, eine richtige Entscheidung zur treffen und das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen.“
Michelle Garcia hatte dann wirklich einiges zu erzählen. „Ich bin ein ESSURE-Opfer, eine ESSURE-Überlebende und spreche hier für Tausende“, erklärte sie und konfrontierte die AktionärInnen mit ihrer eigenen Krankengeschichte. Bei ihr war die Spirale abgebrochen, und ein spitzes Ende hatte eine Eileiter-Wand durchstoßen, was zu einer inneren Blutung führte. „Ich könnte tot sein, ich sollte tot sein“, konstatierte Garcia trocken. Anschließend führte sie ähnliche Fälle an und zählte eine ganze Liste von Nebenwirkungen auf, die von Beckenboden-Schmerz bis zu chronischen Entzündungen reichte. Deshalb fand Garcia klare Worte: „Ich stehe hier vor ihnen mit einer einfachen, aber starken Botschaft: ESSURE ist gefährlich, und ESSURE gehört nicht auf den Markt.“ Aber Marijn Dekkers wollte darauf nicht hören und reagierte nach Plan. Nach der Betroffenheitsgeste – „Lassen Sie mich zunächst feststellen, dass wir großes Mitgefühl für Patienten haben, die unsere Produkte anwenden und von ernstlichen gesundheitlichen Beschwerden berichten, unabhängig von der Ursache dieser Beschwerden“ – folgte die Heraushebung des positiven Nutzen/Risiko-Profils des Mittels und die schnöde Feststellung, es sei eben nicht jedes Verhütungsmittel für jede Frau geeignet.
Aber es ging noch ignoranter. Obwohl sich die BAYER-Aktien zu 72 Prozent in ausländischem Besitz befinden, und der Konzern sich nicht nur mit Leit-Maximen wie „Responsible Care“ gerne international gibt, um sich als „Global Player“ auszuweisen, wollte er auf seinem AktionärInnen-Meeting keine in englischer Sprache gehaltene Wort-Meldung dulden, weil „auf einer deutschen Hauptversammlung deutsch gesprochen wird“. So durfte die Australierin Jennifer Lloyd nicht über das BAYER-Präparat TRASYLOL sprechen. Als sie ansetzte zu schildern, wie ihr Vater 1978 durch das in einem Melbourner Krankenhaus verabreichte und damals offiziell noch gar nicht zugelassene Medikament drei Herzinfarkte erlitt und schließlich starb, schaltete der Aufsichtsratsvorsitzende ihr einfach das Mikrofon ab. Jennifer Lloyd geriet außer sich. Sie schrie in Richtung Vorstand, aber es erfolgte keine Reaktion. Deshalb stieg sie vom Rednerpult herab und rannte vor die Bühne, auf der Wenning und Dekkers umringt von ihren Vorstands- und AufsichtsratskollegInnen thronten. Jetzt konnte die junge Frau ihnen das, was sie angetrieben hatte, den strapaziösen Flug auf sich zu nehmen, direkt ins Gesicht sagen: dass TRASYLOL ihren Vater getötet hat. Lange schaute die Security sich das nicht an. Sie rückte der Frau immer näher, aber das Eingreifen der Coordination verhindert Schlimmeres. Und schließlich gelang es sogar, Lloyd doch noch zu ermöglichen, ihr Anliegen vorzutragen. Die ursprünglich als nächste Rednerin vorgesehene Anne Isakowitsch von der Initiative SOME OF US, die sich eigentlich dem Bienensterben widmen wollte, lud Lloyd zu sich auf das Redner-Pult und stellte sich als Übersetzerin in den Dienst der Australierin. „Konzern-Arroganz“ pur nannte der CBGler Axel Köhler-Schnura das Gebaren BAYERs in seinem Beitrag später, und der Spiegel befand: „Eigentlich könnte die BAYER AG, die sonst gern mit dem Motto ‚Science for a better life’ wirbt, derartiger Kritik gegenüber toleranter sein.“
Aber die RednerInnen-Liste mit denjenigen, welche die verheerenden Folgen der „Science for a better life“ am eigenen Leib erfahren haben und damit so etwas wie eine verkörperte Konzern-Kritik darstellen, war noch länger. Auch zum hormonellen Schwangerschaftstest DUOGYNON/PRIMODOS und der Spirale MIRENA musste sich der Vorstand erschütternde Krankenberichte anhören. An CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes war es dann, die ganze (Profit-)Logik darzulegen, die solche Risiken und Nebenwirkungen systematisch produziert. Er begann seine „Bittere Pillen“-Suada mit den Blutprodukten, die mit HIV-Erregern infiziert waren, weil der Konzern sich aus Kostengründen Tests und Sterilisationsverfahren ersparte. Dann rief Mimkes den Skandal um den Cholesterin-Senker LIPOBAY in Erinnerung, dessen Überlegenheit gegenüber Konkurrenz-Produkten der Multi mit einer so hohen Cerivastatin-Dosis demonstrieren wollte, dass die Nebenwirkungen die Wirkungen in den Schatten stellten – Resultat: über 100 Tote bis zum Verbot. Und schließlich kam der Diplom-Physiker auf XARELTO, den neuen Gerinnungshemmer aus dem Hause BAYER, zu sprechen. Obwohl er sich in Tests den herkömmlichen Mitteln gegenüber nicht überlegen zeigte und ÄrztInnen-Organisationen wegen seines Gefährdungspotenzials von dem Produkt abraten, presst das Unternehmen die Arznei mit einem gigantischen Marketing-Aufwand in den Markt. Zu 133 Meldungen über Todesfälle und 1.400 über schwere Nebenwirkungen beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ hat das allein im letzten Jahr geführt. „Wir befürchten, dass XARELTO (...) der nächste Pharma-GAU von BAYER wird“, schloss der CBGler deshalb seine Ausführungen.
Damit war das Kapitel „Pharma“ des „Schwarzbuchs BAYER“ aber noch nicht geschlossen. Auch zu den Arznei-Patenten, Tierversuchen und den Medikamenten-Tests in Armutsregionen gab es Reden. Und die weiteren Einträge wie „Bienensterben“, „Kohlenmonoxid-Leitung“, „Gentechnik“, „Kriegsverbrechen im Ersten Weltkrieg“ und „klimaschädliche Energie-Versorgung“ kamen den AktionärInnen ebenfalls zu Gehör. Bis zum Abend dauerte die „Vorlesung“, nicht einmal kleine Verschnaufspausen mit zahlen-bewehrten Erfolgsgeschichten aus dem „Geschäftsbericht 2013“ waren ihnen vergönnt. Während sich die „Kritischen“ in früheren Jahren wie Fremdkörper inmitten von Kapital-LaudatorInnen fühlten, hatten sie nun ein Heimspiel. Der Gen-Gigant überließ ihnen kampflos das Feld. Vor der Halle hatte er die BAYER-Fahnen eingeholt, damit sie nicht den passenden Hintergrund für Fotos von den Protestaktionen bilden können, und drinnen hatte er den Konzern-KritikerInnen einen beträchtlichen Teil des Saals freigeräumt.
Am Ende des Tages gelang es nicht einmal der Abstimmung so ganz, die verkehrte Welt wieder gerade zu rücken. Die Ergebnisse lagen zwar für die ersten drei Tagesordnungspunkte „Gewinn-Verwendung“, „Entlastung des Vorstands“ und „Entlastung des Aufsichtsrats“ immer noch bei über 96 Prozent, aber auch hier fanden Erosionsprozesse statt. So wurden bei TOP 1 rund 1,2 Millionen Stimmen für den CBG-Gegenantrag, beim TOP 2 ca. 8,9 Millionen und beim TOP 3 sogar über 10 Millionen gezählt, mehr als doppelt so viele wie bei der letzten HV. Die meiste Zustimmung erlangte dabei ein Antrag, der sich gegen die Wahl des Gentechnik-Strippenziehers Ernst-Ludwig Winnacker in den Aufsichtsrat wendete. Fast 12 Millionen oder 3,09 Prozent votierten dagegen.
Und sogar bei seiner eigenen Berichterstattung über die Hauptversammlung musste der Leverkusener Multi die Realität anerkennen und sich mit den Gegen-Reden beschäftigen – andere gab es ja schlicht kaum noch. Nur dass in dieser Version der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers dann alle Fragen der KritikerInnen zur vollsten Zufriedenheit beantworten konnte. Spannend bleibt jetzt, wie der Konzern das alles verdaut und welche Schlussfolgerungen er daraus für die nächste HV zieht.

alle Infos zur HV

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG beim „March against MONSANTO“
Auch 2014 fand in vielen Städten der Welt wieder ein „March against MONSANTO“ statt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) beteiligte sich am 24. Mai in Düsseldorf an den Protesten. Der Leverkusener Multi unterhält nämlich schon lange gute Geschäftsbeziehungen zu dem Gen-Giganten, wie CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in seiner Kundgebungsrede erläuterte. So gründeten beide Konzerne in den 1960er Jahren das Gemeinschaftsunternehmen MOBAY, das unter anderem das berühmt-berüchtigte AGENT ORANGE herstellte. Zudem gewähren sich die Global Player gegenseitig Zugriff auf die Technologien, mit denen sie Genpflanzen immun gegen bestimmte Pestizide machen, um ihre Laborfrüchte durch Mehrfach-Resistenzen besser gegen Schadinsekten wappnen zu können. „Insofern ist der heutige ‚March against MONSANTO’ ebenso ein ‚March against BAYER’“, hielt Mimkes fest und vergaß mit BASF und SYNGENTA auch die anderen Mitglieder des Agro-Oligopols nicht.

NRW-Anfrage zu PCB
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. Deshalb finden quer durch die Republik aufwendige Sanierungen von Universitäten und Schulen statt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte zur Situation im Bund gemeinsam mit der Partei „Die Linke“ eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt (Ticker 2/14). Um den Stand der Dinge in Nordrhein-Westfalen zu erfahren, kooperierte die CBG mit den „Piraten“. Aber die Landesregierung in Düsseldorf zeigte sich auch nicht auskunftsfreudiger als die Große Koalition in Berlin. Sie wollte weder die Zahl der PCB-Vergifteten angeben noch die bisherigen Kosten der Renovierungsarbeiten beziffern. Auch sehen SPD und Grüne BAYER nicht in der Pflicht: „Zum Zeitpunkt der Abnahme der Bauvorhaben entsprachen die Ausführung und die Verwendung der Baumaterialien dem damaligen gesetzlichen Rahmen sowie den seinerzeit anerkannten Regeln der Technik. Für Schritte gegen die damaligen Hersteller von PCB-Produkten gibt es deshalb keine Veranlassung.“

Protest gegen NRW-Hochschulgesetz
Das von der rot-grünen NRW-Landesregierung geplante Hochschulzukunftsgesetz hatte ursprünglich Regelungen vorgesehen, die mehr Licht ins Dunkel von solchen Kooperationsverträgen bringen sollten, wie BAYER sie mit der Kölner Universitätsklinik abgeschlossen hat. Aber Kraft & Co. gaben dem Druck der Industrie nach und schwächten den entsprechenden Passus ab. Nach dem Willen der PolitikerInnen müssen die Partner nun erst nach dem Ende der Projekte Einblick in die Verträge gewähren. Auch bleibt es ihnen überlassen, wie viel sie preisgeben wollen. Darum unterstützte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Protest-Aktion von Studierenden-Organisationen und DGB-Jugend, die am 18. Juni anlässlich einer ExpertInnen-Anhörung zur Gesetzes-Novelle vor dem Düsseldorfer Landtag stattfand. Zudem hatte die CBG in der Sache schon Mitte März 2014 gemeinsam mit ATTAC, dem FREIEN ZUSAMMENSCHLUSS VON STUDENTINNENSCHAFTEN und anderen Gruppen einen Offenen Brief an Hannelore Kraft geschrieben.

Kritik auf BAYERs FACEBOOK-Seite
Der Leverkusener Multi muss sich auf seiner FACEBOOK-Seite ziemlich viel Kritik anhören. „Schade, dass eine so traditionsreiche Firma komplett auf die Natur und Umwelt pfeift. Hauptsache Gewinn, Gewinn und ... Gewinn“ heißt es da beispielsweise oder: „Nur noch Profite ohne Rücksicht auf die Umwelt und die Menschen. Macht endlich bezahlbare Medikamente“. Auch zu dem Prozess, den der Konzern zusammen mit SYNGENTA gegen die EU wegen des vorübergehenden Verbots von bienenschädigenden Pestiziden angestrengt hat, gibt es bissige Kommentare: „BAYER verklagt Europa, weil es ausnahmsweise einmal das Richtige tut und die Bienen schützen will. Unglaublich.“

Umbenennung von Duisberg-Straßen
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in ihren Städten vor. Leverkusen und Marburg lehnten das Begehr allerdings ab, in Dortmund und Frankfurt schweben die Verfahren noch.

KAPITAL & ARBEIT

BMS wickelt Standort Darmstadt ab
Im Rahmen des neuesten Rationalisierungsprogramms, das die Vernichtung von 700 Arbeitsplätzen vorsieht, reduziert BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) die Produktion von Kunststoff-Platten aus Polycarbonat. So beendet die Konzern-Sparte die Fertigung in Darmstadt und streicht damit 90 Stellen. Sie bekundet zwar, die Belegschaftsangehörigen nach Möglichkeit anderweitig im Unternehmen beschäftigen zu wollen, aber für alle dürfte sich kaum etwas finden. Darüber hinaus macht BMS den Standort in Peking dicht und plant, die in Australien und Neuseeland gelegenen Fertigungsstätten für LASERLITE-Platten abzustoßen.

Weniger Stimmen für Durchschaubare
Bei der letzten Betriebsratswahl am BAYER-Stammsitz Leverkusen verloren zwei der drei unabhängigen Gewerkschaftsgruppen innerhalb der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE an Boden. Die KOLLEGEN UND KOLLEGINNEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT büßten zwei Mandate ein und kamen nur noch auf drei Sitze. Die BASISBETRIEBSRÄTE mussten ebenfalls zwei von fünf Sitzen abgeben, nur das BELEGSCHAFTSTEAM konnte sich um einen Sitz steigern und verfügt nun über drei. Die restlichen der 37 Sitze holte die IG BCE. Die Wahlbeteiligung betrug 55,2 Prozent und ging damit um 3,8 Prozent zurück.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe für BAYER

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Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in die Projekte „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und „Competitive African Rice Initiative“ (CARE), in deren Rahmen der Leverkusener Multi die Vermarktung von hybridem, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Reis vorantreibt. Bis zu einem Drittel der Kosten buttert das BMZ dazu: 5,27 Millionen Euro. Das teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen mit. Maßnahmen, die verhindern, dass Schulungen von FarmerInnen zu reinen Werbeveranstaltungen der Agro-Riesen gerieren, hat sie kaum getroffen. „Bei durch Firmen-Personal durchgeführten Trainings agieren die Trainer als Vertreter des Projektes und nicht unter Firmen-Branding“, erklärt die Große Koalition, wobei „firmen-spezifische ‚Solutions’ lediglich als eine mögliche Option dargestellt werden“. Auch geht aus den Angaben der Großen Koalition hervor, wie spärlich BRIA, CARE & Co. die Bevölkerung vor Ort in ihre Planungen einbeziehen.

Entwicklungshilfe für BAYER

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Parallel zur „German Food Partnership“ (s. o.) hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, anderen Unternehmen und dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) jetzt auch die „German Healthcare Partnership“ (GHP) ins Leben gerufen. „Die GHP kombiniert die Kompetenzen und Ressourcen des privaten Sektors mit denen der Entwicklungszusammenarbeit“, heißt es auf der Website frank und frei. Zum Ziel hat die „strategische Allianz“ sich gesetzt, „den Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsleistungen in Entwicklungsländern und in aufstrebenden Märkten zu verbessern“. Und besonders auf diese aufstrebenden Märkte ist passenderweise auch BAYERs Afrika-Strategie ausgerichtet (siehe DRUGS & PILLS). Im Rahmen der GHP erhofft sich der Leverkusener Multi vor allem Entwicklungshilfe für seine Kontrazeptiva zur Familienplanung bzw. Bevölkerungskontrolle. Aber auch andere Absatzgebiete hat die GHP noch im Blick. So kümmert sie sich beispielsweise um „Business Opportunities in Healthcare in China“. Zudem hielt sie gemeinsam mit dem BDI und der „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ schon Konferenzen zu Ausfuhr-Krediten und Hermes-Bürgschaften ab. Sogar Verweise auf die vom BDI zur letzten Bundestagswahl erhobenen Forderungen nach besseren Risikoabsicherungsinstrumenten „insbesondere für den Krankenhaus-Systemexport“ finden sich auf den Seiten. Da wundert es kaum noch, dass als Repräsentant der „Public Private Partnership“ der BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber fungiert.

Konzern-Verbrechen leicht gemacht
Der Leverkusener Multi hat in seiner Geschichte vielfach gegen Menschenrechte verstoßen. Er benutzte Menschen aus der „Dritten Welt“ ohne deren Wissen als Versuchskaninchen für neue Pharma-Produkte, übte Druck auf GewerkschaftlerInnen aus und bediente sich der Kinderarbeit. Um solche Rechtsverstöße der Global Player besser ahnden zu können, hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen vor einiger Zeit „Guiding Principles on Business and Human Rights“ verabschiedet. Die EU hat ihre Mitgliedsstaaten daraufhin angehalten, eigene Aktionspläne zu erstellen. Während Länder wie die Niederlande schon ihre Gesetze geändert und Beschwerdestellen eingerichtet haben, tat die Bundesrepublik bisher nichts dergleichen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bekundete die Bundesregierung nun aber ihren Willen, die Regelung umzusetzen. Viel zu befürchten haben die Konzerne indes nicht. Um etwa der Kinderarbeit bei Subunternehmern Einhalt zu gebieten, derer sich BAYER CROPSCIENCE lange bediente (Ticker berichtete mehrfach) schweben der Großen Koalition nur „Dialogformate“ und die Unterstützung von Trainingsprogrammen vor. Haftungsregelungen plant sie auch nicht, da „es sich bei Subunternehmen begrifflich um rechtlich selbstständige Unternehmen handelt, auf die ein anderes Unternehmen keinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss ausüben kann“. SPD und CDU setzen generell darauf, „dass die Unternehmen freiwillig und aus eigener Verantwortung gesellschaftliche Verantwortung übernehmen“ und lehnen es daher auch ab, die Klage-Möglichkeiten wegen Verstößen gegen die Leitlinien des Industrieländer-Zusammenschlusses OECD zu verbessern. Dabei bestände gerade hier dringender Reformbedarf, denn bei der für solche Verfahren eingerichteten „Nationalen Kontaktstelle“, die bezeichnenderweise im Referat für Außenwirtschaftsförderung angesiedelt ist, handelt es sich um ein stumpfes Instrument. Keiner der beiden Fälle, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in der Vergangenheit dort vorbrachte – Repressionen BAYERs gegen Gewerkschaftler und Kinderarbeit bei BAYER-Zulieferern – hatte für den Leverkusener Multi irgendwelche Konsequenzen.

IG FARBEN & HEUTE

Bomben auf Leuna
Ohne die IG FARBEN hätte das „Dritte Reich“ keinen Krieg führen können. Der von BAYER mitgegründete Konzern produzierte unter anderem Waffen, Bomben und Benzin. Trotzdem zögerten die Westalliierten lange, Angriffe auf die Fabriken zu fliegen. Erst im Mai 1944 bombardierten sie die Leuna-Werke. Die USA, England und Frankreich fürchteten nach Stalingrad nämlich einen Vormarsch der Sowjetunion und bauten deshalb auf nationalsozialistische Schützenhilfe. „Es war durchaus im alliierten Interesse, dass die Wehrmacht in den folgenden zwölf Monaten über genügend Kampfkraft verfügte, um die Rote Armee auf dem Weg nach Westen zu bremsen und zu verschleißen“, mit diesen Worten zitiert Otto Köhler in seinem Artikel „Die Schlacht von Leuna“ Rolf-Dieter Möller vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam. Erst im Vorfeld der – von Stalin schon viel eher geforderten – Normandie-Invasion sollte die Kriegsmaschinerie der Nazis nach dem Willen der Alliierten ins Stocken geraten. Die Landung an der Küste Frankreichs begann knapp dreieinhalb Wochen, nachdem die US-Armee mit 800 Bombern Leuna attackiert hatte.

POLITIK & EINFLUSS

Grenzwert-Lockerungen via TTIP
Durch das Freihandelsabkommen der EU mit den USA droht eine Aufweichung der Pestizid- und Gentechnik-Gesetzgebung. BAYER & Co. investieren Unsummen in entsprechende Lobby-Aktivitäten. So fordert der US-amerikanische Agrarindustrie-Verband „Croplife“ im Zuge der Verhandlungen von Brüssel etwa, das bis Ende 2015 geltende Verbot der bienenschädigenden BAYER-Ackergifte PONCHO und GAUCHO aufzuheben und generell die Grenzwert-Regelungen zu lockern. Eine „moderne Risiko-Bewertung“ soll es stattdessen richten. Zudem streiten die Agro-Riesen dafür, nach US-amerikanischen Gepflogenheiten künftig Gentech-Rückstände in Lebensmitteln zu tolerieren und Kennzeichnungspflichten abzuschaffen. „BAYER und BASF handeln auf den Märkten in den USA und wollen nun in dem geheimen Handelsabkommen zwischen den USA und der EU das erreichen, was ihre Lobbyisten in Europa nicht geschafft haben“, kritisiert Jaydee Hanson vom CENTER FOR FOOD AND SAFETY.

USA: Mehr Energiespar-Subventionen?
BAYER unterstützt gemeinsam mit anderen im US-amerikanischen BDI-Pendant „U.S. Chamber of Commerce“ organisierten Unternehmen einen Gesetzes-Vorschlag, der gleichzeitig zu mehr Energie-Ersparnis und zu mehr Wettbewerbsfähigkeit führen soll. Der „Energy Savings and Industrial Competitiveness Act“ stellt den Konzernen nämlich Millionen-Subventionen in Aussicht, wofür diese allerdings andere Worte finden. Das Vorhaben ist geeignet, „Hindernisse beim Investieren in existierende Energie-Effizienz-Technologien abzubauen“, heißt es bei der „U. S. Chamber“. Einstweilen bleiben die Hindernisse jedoch noch bestehen, denn im Senat fand sich für das Paragrafen-Werk nicht die erforderliche Mehrheit. Das endgültige Aus bedeutet das allerdings noch nicht.

BAYER erpresst Subventionen
In den USA gelang es dem Leverkusener Multi zum wiederholten Mal, Gemeinden mit Abwanderungsplänen so unter Druck zu setzen, dass diese dem Konzern Subventionen gewähren. So stellte St. Joseph dem Unternehmen Mittel für eine Betriebserweiterung zur Verfügung, um es in der Stadt zu halten. „Die Gefahr war sehr real“, sagt der Stadtverwaltungsmitarbeiter Clint Thompson zu BAYERs Umzug-Gelüsten und nennt die milde Gabe ein „Joberhaltungsprogramm“. Dabei hatte der Global Player, als er dort im Jahr 2012 die Veterinär-Sparte des israelischen Pharma-Riesen TEVA übernahm, umgehend ein Rationalisierungsprogramm beschlossen, das am Standort die Vernichtung von 60 der 180 Arbeitsplätze vorsieht.

PhRMA fordert Strafen für Indien
Im März 2012 hat das „Indian Patent Office“ BAYERs Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (Ticker 2/12). Die Behörde berief sich dabei auf einen Ausnahme-Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS und begründete ihre Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Die Entscheidung hat Big Pharma in helle Aufregung versetzt und umgehend zu politischen Interventionen bei der Obama-Administration, dem US-amerikanischen Patentamt und beim Kongress veranlasst (Ticker 4/12). Und im Mai 2014 forderte der Industrie-Verband „Pharmaceutical Research and Manufacturers of America“ (PhRMA) die US-Regierung sogar auf, Indien auf die Liste der patentrechtlichen Schurkenstaaten zu setzen und Sanktionen gegen das Land zu beschließen.

BAYER kontrolliert sich selbst
Stillen bekommt Babys generell besser als Flaschen-Nahrung. Für Säuglinge in der „Dritten Welt“ bestehen darüber hinaus besondere Risiken. Da ihre Mütter aus Kostengründen oft zu wenig Milchpulver verwenden, leiden die Babys unter Mangelerscheinungen. In den armen Ländern erhöht sich durch diese Ernährungsform zudem das Infektionsrisiko, da zum Anrühren der Mixturen oft kein sauberes Wasser zur Verfügung steht. Darum erlauben viele Länder Werbung für Baby-Nahrung gar nicht oder nur unter strengen Auflagen, was BAYER und andere Konzerne 2006 schon zu einem Prozess gegen die philippinische Regierung bewogen hatte (Ticker 3/06). In Australien begutachtete lange eine unabhängige Monitoring-Gruppe die Reklame-Aktionen der Konzerne. Im Jahr 2010 rügte sie den Leverkusener Multi, weil dieser in einer Kampagne gegen eine mit dem Staat getroffene Vereinbarung verstoßen hatte, wonach die Hersteller darauf verzichten, ihre Erzeugnisse als dem Stillen gegenüber überlegen darzustellen. „NOVALAC-Mittel können helfen, das Schreien zu reduzieren und den Schlaf zu befördern und machen die Kinder zufrieden und die Eltern entspannter“, hatte der Pharma-Riese in der Werbung behauptet. So etwas dürfte dem Global Player bald wieder etwas leichter über die Lippen kommen. Australien hat nämlich das unabhängige Kontrollgremium abgeschafft und überlässt es in Zukunft der Industrie selber, sich auf die Finger zu schauen.

Nationale Anbau-Verbote
Bislang hat die Europäische Union zentral über die Zulassung von Genpflanzen entschieden. Brüssel plant jedoch, es ihren Mitgliedsländern künftig selber zu überlassen, ob sie die Labor-Kreationen wollen oder nicht. Nach der alten Regelung hatten es wegen vieler Gegenstimmen gerade einmal vier Sorten auf die EU-Felder geschafft. In der Hoffnung, künftig mit gentech-freundlichen Staaten besser ins Geschäft zu kommen, stritten BAYER & Co. deshalb heftig für die neue Lösung. Und ihr Lobby-Verband EuropaBio konnte seinen Einfluss bei der Umorientierung, die bereits in einen Gesetzes-Entwurf mündete, nicht zu knapp geltend machen. „Wie servil diese Lobby-Wünsche des Verbandes EuropaBio umgesetzt wurden, ist erschreckend“, sagt etwa der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. So müssen die Staaten erst einmal bei den Konzernen anklopfen und anfragen, ob die Unternehmen nicht vielleicht freiwillig von einer Vermarktung ablassen wollen. Und wenn diese die Bitte abschlagen, haben die Nationen gute – und vor allem gerichtsfeste – Gründe vorzulegen. Als besonders gut erwies sich bisher der Draht der Agro-Riesen zur britischen Regierung. EuropaBio hat Cameron & Co. sogar Tipps gegeben, wie die neue Gentech-Politik am besten zu verkaufen ist. Der Lobby-Club riet dazu, „der Botschaft einen starken ökologischen (aber natürlich auch innovationsfreundlichen und ökonomischen) Dreh zu geben. Die PolitikerInnen antworteten: „Wir würden das Wort ‚Schwerpunkt’ dem ‚Dreh’ vorziehen“, hatten aber grundsätzlich keine Einwände. Es stehen also blühende Gen-Landschaften zu erwarten, womit auch die Gefahr der Kontamination herkömmlicher Ackerfrüchte steigt. Darum optiert EuropaBio in dem Konzept-Papier „A new strategy for GM issues“ für einen „package deal“ und will die Renationalisierung des Zulassungsprozesses mit einer Aufhebung des Rückstandsverbotes in Lebensmitteln und Saatgut verknüpfen. Ob das Europäische Parlament den Einflüsterungen folgt und einer solchen Paket-Lösung zustimmt, dürften die nächsten Monate zeigen.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit üppig mit Agrar-Subventionen. Fast 180.000 Euro strich der Konzern 2013 ein. Das Geld dürfte hauptsächlich BAYERs Laarcher Hof in Monheim eingestrichen haben, der als klassischer Ackerbau-Betrieb firmiert, obwohl er nur eine Versuchsküche für die Pestizide des Konzerns ist.

PROPAGANDA & MEDIEN

Presserat-Beschwerde scheitert
Im September 2013 hatte der Spiegel kritisch über BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO berichtet und dabei auch auf Material der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zurückgegriffen. Das Blatt sprach mit Geschädigten und ExpertInnen, veröffentlichte die hohen Zahlen des „Bundesinstitut für Medizinprodukte und Arzneimittel“ über Todesfälle und schwere Nebenwirkungen und informierte über die aufwendige Kampagne zur Vermarktung des Mittels. Dem Leverkusener Multi passte das natürlich gar nicht. Er schaltete den Presserat ein und reichte eine Beschwerde gegen den Spiegel-Artikel ein. Der zuständige Ausschuss lehnte diese jedoch ab. Nach Ansicht des Gremiums hatte das Magazin weder unangemessen über medizinische Sachverhalte berichtet noch die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt.

274.000 Euro für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Über 274.000 Euro verteilte der Leverkusener Multi 2013 allein an die bundesrepublikanischen Verbände. Aber natürlich nicht an alle. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter-, Augen- und Lungenkrankheiten- sowie Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Und das ist gut angelegtes Geld: „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Dr. Gerd Glaeske einmal errechnet.

BAYER: Wir wollen nur informieren
Die NDR-Sendung „Profit auf Rezept“ dokumentierte umfassend, mit welchen Methoden die Pillen-Riesen ihre Medikamente vermarkten. BAYER & Co. schenken ÄrztInnen mit Werbung angereicherte Praxis-Software, veranlassen diese durch großzügig vergütete „Anwendungsbeobachtungen“, die PatientInnen auf bestimmte Arzneien einzustellen und versorgen Krankenhäuser kostenlos mit Pharmazeutika, um die Mittel dann anschließend auf die Rezeptblöcke der nachbehandelnden ÄrztInnen zu bekommen. Der Leverkusener Multi tat sich in der Reportage besonders als Sponsor eines verlockenderweise auf Sylt stattfindenden Anästhesie-Kongresses hervor, auf dem er kräftig die Werbe-Trommel für seinen umstrittenen neuen Gerinnungshemmer XARELTO rührte. Folglich sah sich der Pharma-Gigant durch den Bericht dann auch zu einer Stellungnahme gezwungen. „Die NDR-Reportage „Profit auf Rezept“ impliziert, dass viele Ärzte bestechlich sind und die Pharma-Industrie mit unlauteren Methoden ihre neuen Arzneimittel vermarktet“, konstatiert das Unternehmen. Und das sei natürlich nicht der Fall. BAYER mache nur „lautere Werbung mit produkt-bezogenen Informationen“, damit die DoktorInnen die Pillen auch bestimmungsgemäß einsetzen könnten. Anwendungsbeobachtungen erfüllen dem Global Player zufolge ebenfalls einen wichtigen Zweck, da sie angeblich „sicherheitsrelevante Erkenntnisse“ zu Tage fördern. Darüber hinaus verwahrte er sich gegen Kritik an XARELTO, wie sie in dem Feature der Vorsitzende der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“, Wolf-Dieter Ludwig, geäußert hatte. Der Konzern verwies stattdessen auf positive Bewertungen etwa von der „Deutschen Gesellschaft für Neurologie“ (DGN). Unerwähnt ließ die Aktien-Gesellschaft dabei allerdings, dass sie zu den Sponsoren der „Deutschen Gesellschaft für Multiple Sklerose“ gehört (s. o.), die im Beirat der DGN sitzt

BAYERs Kongress-Sponsoring
Es gibt kaum einen MedizinerInnen-Kongress, den der Leverkusener Multi nicht sponsert. 2014 „unterstützte“ er nach Informationen der Initiative BIOSKOP beispielsweise die NeurologInnen-Tagung in Marburg, den Berliner Diabetes-Kongress, den Berliner Krebs-Kongress, den „Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin“ in Wiesbaden und die Jahrestagung der „Deutschen Gesellschaft für Kardiologie“. Und oftmals belässt es der Pharma-Riese zu diesen Gelegenheiten nicht bei Ausstellungsständen, sondern hält auch noch Symposien ab (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

BAYER sponsert Arzneipreis-Studie
Die „UCL School of Pharmacy“ hat festgestellt, dass die Innovationskraft der Pillen-Riesen gefährdet ist, wenn diese nicht mehr Geld für ihre Erzeugnisse bekommen. Erkenntnisfördernd hat sich dabei die Finanzierung der Studie durch BAYER und NOVARTIS ausgewirkt. ÄRZTE OHNE GRENZEN kritisierten die „Reichtum macht erfinderisch“-These der UCL hingegen scharf und werteten sie als Teil einer breiter angelegten Kampagne für höhere Arznei-Preise. Die Organisation warf den Konzernen vor, trotz immenser Profite bei der Entwicklung wichtiger Medikamente, wie z. B. neuer Antibiotika, zu versagen und forderte die Unternehmen auf, ihre Geschäftspraxis zu ändern. „Es ist dringend nötig, dass BAYER, NOVARTIS und die Industrie als Ganzes Innovationsmodelle entwickeln, die neue Pharmazeutika für alle erschwinglich hält“, so die Sprecherin Katy Athersuch.

BAYER zeichnet Bluter-Film aus
Im Rahmen seiner image-fördernden Sponsoring-Aktivitäten finanziert der Leverkusener Multi auch den „Deutschen Hörfilm-Preis“ des „Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes“. Im März 2014 hat dieser nun ausgerechnet ein Werk ausgezeichnet, in dem der Pharma-Riese selber eine nicht gerade kleine Rolle spielt. „Blutgeld“ handelt nämlich von dem AIDS-Skandal, den HIV-verseuchte Blutprodukte von BAYER und anderen Konzerne in den 1980er Jahren ausgelöst haben, weil die Unternehmen die Präparate aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierte scharf gegen das soziale Marketing des Global Players: „Wie pervers ist das denn? Das Leben Tausender Bluter hätte gerettet werden können, wenn die Verantwortlichen bei BAYER damals rechtzeitig gehandelt hätten. Und heute werden die Opfer dazu missbraucht, dem Konzern durch ‚mildtätige Gaben’ ein menschliches Antlitz zu verleihen.“

Fortbildung von JournalistInnen
Krebs-Medikamente gehören zu den lukrativsten Pharma-Präparaten BAYERs. Darum ist dem Konzern an einer guten Presse gelegen. Um eine solche zu bekommen, unterstützt er Fortbildungsmaßnahmen für JournalistInnen. So stellte er der US-amerikanischen „National Press Foundation“ Geld zur Durchführung eines Programmes zur Verfügung, das SchreiberInnen im Dezember 2014 vier Tage lang die „Cancer Issues 2014“ nahebringen will.

Keine milde Reis-Gabe
Seit einiger Zeit vermarktet BAYER seinen hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Reis massiv und erhält sogar „Entwicklungshilfe“ (siehe ERSTE & DRITTE WELT). Um seine Produkte auf die Felder zu bringen, hat er Kooperationen mit staatlichen Stellen in Indonesien, Brasilien, Burma, China, Thailand, Vietnam und auf den Philippinen vereinbart. Und auch die Schäden, die der Taifun „Yolanda“ Anfang des Jahres in Südostasien angerichtet hat, nutzte der Leverkusener Multi zu Werbe-Zwecken. So spendete er 1.000 FarmerInnen insgesamt 20 Tonnen der Sorte ARIZE. Ob diese damit glücklich werden, steht allerdings dahin. So klagten etwa indonesische LandwirtInnen über ARIZE, weil er hohe Produktionskosten verursacht, schlecht schmeckt und anfälliger gegenüber Schadinsekten ist. Zudem ist der Hybrid-Reis auf die Bedürfnisse der industriellen Landwirtschaft zugeschnitten, weshalb die Initiative ALLIANCE OF AGRARIAN REFORM MOVEMENT bereits vor einem Bauernsterben warnte.

BAYER sammelt Unterschriften
Viele chemische Substanzen ähneln in ihrem Aufbau Hormonen und wirken auch vergleichbar. Darum können sie den menschlichen Hormonhaushalt stören und so den Organismus schädigen. Die Europäische Union arbeitet gerade an einer Schwarzen Liste solcher Stoffe. Da viele von ihnen in Pestiziden zum Einsatz kommen, fürchtet der Leverkusener Multi um seine Produktpalette. Zudem beklagt er „die völlig überzogenen Registrierungsanforderungen“ der EU im Allgemeinen und das von ihr vorübergehend verhängte Verbot der bienenschädigenden BAYER-Ackergifte PONCHO und GAUCHO im Besonderen. Der Konzern hat deshalb eine Kampagne ins Leben gerufen. Er warnt bei einer Fortführung der gegenwärtigen Pestizid-Politik nicht nur vor Betriebsverlagerungen und Arbeitsplatzverlusten in der Chemie-Branche, sondern auch vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der bundesdeutschen Landwirtschaft. Viele Bauern und Bäuerinnen vermochte das Unternehmen schon zu mobilisieren; 13.000 Unterschriften sammelte der Agro-Riese unter ihnen. „Die Bauernschaft ist aufgewacht“, bekundete der Deutschland-Chef von BAYER CROPSCIENCE, der passenderweise auch dem „Industrieverband Agrar“ vorsitzt, bei der Übergabe der Unterschriften-Listen an den Bauernverbandspräsidenten Joachim Rukwied. Und der bedankte sich artig beim Global Player: „Der Einsatz von BAYER bei dieser Aktion ist in der Branche vorbildhaft (...) Gegenüber den Gremien in Brüssel können wir ein eindeutiges Signal für den Pflanzenschutz setzen.“

BAYER bei der Fußball-WM
BAYER nutzte die Fußball-WM in Brasilien als Werbe-Auftritt für „Chemie im Alltag“. „Transparente MAKROLON-Massivplatten sorgen (...) dafür, dass die 70.000 Zuschauer im künftigen Estádio Nacional in der Hauptstadt Brasilia geschützt vor Sonne und Regen verfolgen können“, vermeldete der Konzern. In der heimatlichen „Bayarena“ musste der Hausherr eine ältere Version dieser Platten jedoch wegen Brandgefahr für teures Geld auswechseln. Aber nicht nur im „Estadio Nacional“ steckt Chemie made in Leverkusen. Auch im WM-Ball, in den Fußballschuhen und in der „Wäsche mit Kompressionsfunktion, die wie eine zweite Haut am Körper sitzt“, treibt sie ihr Unwesen.

Bienenweiden made by BAYER
Obwohl die hauseigenen Pestizide nun auch schon die hauseigenen Bienen dahingerafft haben (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE), leugnet der Leverkusener Multi immer noch beharrlich den Zusammenhang zwischen der Verwendung von Agro-Giften und dem Bienensterben. Stattdessen inszeniert sich der Konzern als Bienenkümmerer. Zu seinen „Bee Care“-Aktivitäten gehört neben dem Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen in einem Feldversuch (Ticker 4/13) auch die Unterstützung von Bienenweiden. „Allein in Deutschland und Österreich stellt BAYER im Rahmen des Projektes ‚Blühende Wege’ fast 30 Gemeinden und Städten das Saatgut kostenlos zur Verfügung“, verkündet das Unternehmen.

Extrem-Lobbyismus auf Hawaii
Auf Hawaii haben einige Regierungsbezirke strenge Auflagen zum Pestizid-Gebrauch erlassen. Darüber hinaus haben sie die Aussaat von Gen-Pflanzen verboten oder planen einen entsprechenden Bann. In eine Kampagne gegen diese Regelung steckten BAYER, MONSANTO & Co. 50.000 Dollar. Dabei bedienten die Konzerne sich auch ihrer Jura-Fabrik ALEC, die PolitikerInnen Paragrafen-Werke frei Haus liefert (Ticker 4/12). Für den besonderen Zweck hatte sie ein „Modell-Gesetz“ im Angebot, das es Bundesstaaten erlaubt, auf niedrigeren Ebenen erlassene Bestimmungen wieder aufzuheben. Auch die am 9. August auf der Insel anstehende Wahl ließen sich die Unternehmen viel kosten. Ihnen wohl gesonnene Kandidaten erhielten jeweils 5-stellige Beträge. Aber nicht nur auf Hawaii steigt die Zahl der Gentechnik-GegnerInnen. Zwei Bezirke des Bundesstaates Oregon votierten ebenfalls gegen die Laborfrüchte. In Jackson County erreichte eine von FarmerInnen initiierte Petition eine Stimmen-Mehrheit, obwohl die Multis wieder ein ALEC-Gesetz gegen das Ansinnen aufgeboten und rund 450.000 Dollar in Gegenpropaganda (BAYER-Anteil: 22.000 Dollar) investiert hatten. Und im Anschluss daran gelang es auch LandwirtInnen in Josephine County, ein entsprechendes Begehr durchzusetzen.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2013 unterstützte die Stiftung unter anderem die Bergkamener Down-Syndrom-Initiative, die in Wuppertal ansässige Ökumenische Telefon-Seelsorge, den Krefelder Mitmach-Bauernhof und den Verband der Funkamateure Moers. Über die Herbert-Grünewald-Stiftung gingen zudem Gelder an eine Schwimmgruppe für Menschen mit geistiger Behinderung, an den deutschen Gehörlosen-Sportverband sowie an das Inklusion beherzigende Fußball-Team einer Essener Hilfseinrichtung. Und den ASPIRIN-Sozialpreis des Jahres erhielt das Forschungszentrum Borstel für ihr Konzept zur Tuberkulose-Aufklärung.

TIERE & ARZNEIEN

Harmloses Tierarznei-Gesetz
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massenzucht fördert die massenhafte Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen welche die human-medizinischen Pendants der Mittel dann nicht mehr wirken. 2012 lag die Gesamtmenge der verabreichten Pharmazeutika dieser Medikamenten-Gruppe bei 1.619 Tonnen. Der Anteil der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, nahm dabei gegenüber dem Vorjahr um zwei auf zehn Tonnen zu. Die Politik hatte zwar eine Gesetzes-Verschärfung angekündigt, um den Verbrauch zu verringern, es blieb jedoch bei kosmetischen Maßnahmen. So sieht die neue „Tierarzneimittel-Mitteilungsdurchführungsverordnung“ lediglich ausgeweitete Dokumentationspflichten vor. Auf diese Weise hofft das Bundeslandwirtschaftsministerium LandwirtInnen, die sich besonders freigiebig im Umgang mit BAYTRIL & Co. zeigen, herausfiltern und zur Einsicht bringen zu können. An den Strukturen der Massentierhaltung aber will die Große Koalition nichts ändern. Zudem gilt das neue Paragrafen-Werk nur für Unternehmen mit mehr als 250 Mastschweinen und mehr als 1.000 Masthühnern bzw. -puten.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2013 hat der Leverkusener Multi mehr Tierversuche durchgeführt als 2012. Während der Konzern selber seine Experimente herunterfuhr und in den Laboren „nur“ noch 142.084 Ratten, Mäuse und andere Lebewesen traktierte (2013: 147.315), vergab er mehr Tests an externe Dienstleister, und dementsprechend stieg dort die Versuchstier-Zahl von 23.282 auf 30.203.

DRUGS & PILLS

Neuer YASMIN-Beipackzettel
Von Verhütungsmitteln der dritten Generation wie BAYERs YASMIN mit dem Wirkstoff Drospirenon geht ein höheres Thromboembolie-Risiko aus als von älteren Präparaten. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte im Zusammenhang mit YASMIN bereits 190 Sterbefälle. Die Europäische Arzneimittel-Behörde EMA hat die Präparate deshalb überprüft. Trotz ihrer Gefährlichkeit sieht die Einrichtung allerdings keine Veranlassung, die Mittel zu verbieten. Sie hat bloß veranlasst, auf den Beipackzetteln deutlicher vor den möglichen Nebenwirkungen zu warnen. Zudem kündigte die EMA eine Studie zum Gefährdungspotenzial des Inhaltsstoffs Chlormadinon an, der unter anderem in BAYERs ENRIQA enthalten ist. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) beließ es jedoch nicht dabei, den Durchführungsbeschluss der EU umzusetzen: Es sprach sich ausdrücklich für die Verschreibung von älteren, risiko-ärmeren Kontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel aus.

TRASYLOL: Vor Zulassung in Gebrauch?
Im November 2007 musste der Leverkusener Multi das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Mehrere Studien hatten die Gefährlichkeit des Medikamentes belegt. So analysierte der Harvard-Professor Alexander Walker die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und konstatierte im Falle einer Behandlung mit der Arznei eine erhöhte Sterblichkeitsrate sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herz-Erkrankungen. Die EU hob das Verbot 2012 jedoch wieder auf, und der Leverkusener Multi verkaufte das Medikament an das schwedische Unternehmen NORDIC. Aber der Pharma-Riese kann die Verantwortung für die Risiken und Nebenwirkungen des Pharmazeutikums nicht so einfach abschütteln. Auf der BAYER-Hauptversammlung Ende April 2014 konfrontierte die Australierin Jennifer Lloyd den Konzern mit dem Vorwurf, den Tod ihres Vaters verschuldet zu haben. Nachdem er 1978 in einem Melbourner Hospital TRASYLOL erhalten hatte, erlitt er eine Serie von Herzinfarkten und verstarb schließlich. Noch dazu war das laut Jennifer Lloyd zu einem Zeitpunkt, da das Mittel in dem Land noch gar keine offizielle Zulassung besaß. Auf eine Erklärung zu dem frühen Gebrauch oder gar auf ein Schuldeingeständnis wartete die junge Frau in Köln jedoch vergebens.

NEXAVAR-Studie scheitert
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib hat bislang eine Zulassung bei den Indikationen „fortgeschrittener Nierenkrebs“ und „fortgeschrittener Leberkrebs“. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu verbreitern. Ein Versuch mit dem Medikament zur ergänzenden Behandlung von solchen Leberkrebs-PatientInnen, denen die MedizinerInnen alle erkennbaren Tumor-Teile herausoperiert hatten, scheiterte allerdings: Die Arznei hat die Zeit bis zum Ausbruch neuer Karzinome nicht hinauszögern können. Vorher hatte NEXAVAR schon bei Haut-, Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs versagt.

ASPIRIN verhindert keine Infarkte
Der Einsatz von ASPIRIN bei chirurgischen Eingriffen kann das Risiko von Herzinfarkten nicht vermindern. Stattdessen steigt für die PatientInnen die Gefahr, Blutungen zu erleiden. Das ergab eine Studie, die das „Population Health Research Institute“ der „McMaster University“ durchführte.

FDA: Kein ASPIRIN gegen Infarkte
Seit Jahren versucht der Leverkusener Multi nun schon, seinen „Tausendsassa“ ASPIRIN trotz eher durchwachsener Bilanz (s. o.) als Mittel zur Herzinfarkt-Prophylaxe zu etablieren. Bei Menschen, die vorbelastet sind, hat der Konzern dafür schon grünes Licht bekommen. Jetzt wollte er aber das Indikationsgebiet ausweiten und von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Genehmigung dafür erhalten, das Medikament auch Gesunden zur Vorbeugung von Infarkten andienen zu können. Das lehnte die Behörde allerdings ab. „Nach einer sorgfältigen Überprüfung klinischer Studien kam die FDA zu dem Schluss, dass aus den Daten keine Empfehlung ableitbar ist, ASPIRIN Menschen zu verabreichen, die noch keinen Herzinfarkt oder Gehirnschlag erlitten und keine Herz/Kreislauf-Probleme haben“, sagte Dr. Robert Temple. Bei dieser Gruppe übersteige das Risiko von inneren Blutungen den Nutzen, so der Forschungsdirektor der Behörde.

ASPIRIN COMPLEX hilft nicht
Der Spiegel hat Peter Sawicki, den ehemaligen Direktor des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ gebeten, verschiedene Erkältungsmittel zu bewerten. BAYERs ASPIRIN COMPLEX mit den Inhaltsstoffen Acetylsalicylsäure und Pseudoephedrin-Hydrochlorid schneidet dabei nicht gut ab. Seine schleimhaut-abschwellende Wirkung lässt laut Sawicki zu wünschen übrig. Zudem leuchtet ihm nicht ein, warum ein Beutel des Mittels neunmal teurer ist als eine ASPIRIN-Tablette. Die „Stiftung Warentest“ kommt zu einem ähnlichen Urteil: „Eine nicht sinnvolle Kombination.“ Der Leverkusener Multi widerspricht da natürlich. Vom Spiegel zu einer Stellungnahme aufgefordert, verweist er auf positive Studien-Ergebnisse und betont, die Preise von ASPIRIN pur und ASPIRIN-COMPLEX seien nicht vergleichbar.

ASPIRIN bei Darmkrebs?
Nach zwei neueren Studien kann ASPIRIN bei bestimmten Menschen das Darmkrebs-Risiko reduzieren. Bei Personen mit einer größeren Menge des Enzyms 15-PGDH im Darm vermag der „Tausendsassa“ das Gefährdungspotenzial herabzusenken. Das berichteten – allerdings anhand relativ weniger Fälle – US-WissenschaftlerInnen in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine. Zu einem ähnlichen Ergebnis waren vorher schon britische ForscherInnen gekommen (Ticker 4/09). Sie rieten aber trotzdem von einer vorbeugenden Einnahme ab, da die Wirksubstanz schwere Nebenwirkungen wie Magenbluten hat.

Leberschäden durch XARELTO
Zu den häufigsten Nebenwirkungen von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zählen Blutungen. Aber auch Leberschädigungen treten oft auf. So erhielt die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA in den ersten zehn Monaten des Jahres 2013 320 diesbezügliche Meldungen von ÄrztInnen. Sieben tödliche Verläufe waren darunter und 26 Fälle von Leberversagen. „In der entsprechenden Fachinformation (...) findet man dazu keine deutliche Warnung“, kritisiert der Arzneimittelreport der Krankenkasse Barmer GEK. Der Leverkusener Multi weist dort lediglich darauf hin, dass PatientInnen mit Leber-Erkrankungen das Medikament nicht nehmen sollten.

XARELTO macht die Kassen arm
BAYERs umstrittener Gerinnungshemmer XARELTO (s. o.) gehörte 2013 zu den umsatzträchtigsten patentgeschützten Arzneimitteln in der Bundesrepublik. Mit Erlösen von 949 Millionen Euro – fast 200 Prozent mehr als 2012 – musste das Präparat mit dem Wirkstoff Rivaroxaban nur den beiden Rheuma-Mitteln HUMIRA und ENBREL den Vortritt lassen. Das Konkurrenz-Präparat PRADAXA mit dem Wirkstoff Dabigatran kam mit 86 Millionen Euro nicht annähernd in solche Regionen. Die Krankenkasse Barmer GEK, die nur für fünf Arzneien mehr ausgab als für das BAYER-Produkt und fast ein Prozent ihres Medikamenten-Etats in das Mittel investieren musste, schreibt dies bloß dem immensem Reklame-Aufwand des Konzerns zu. „Da Dabigatran länger auf dem Markt erhältlich ist und früher eine Zulassungserweiterung als Rivaroxaban bekommen hatte und da bis heute keine pharmakologischen Vorteile oder gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Wirkstoffen belegt wurden, kann diese extreme Steigerung bei Rivaroxaban nur durch Marketing- und Werbemaßnahmen zustande gekommen sein“, heißt es im „Arzneimittelreport 2014“.

Vitamin-Pillen helfen nicht
Der Leverkusener Multi preist seine ONE-A-DAY-Vitaminpräparate als wahre Wunderpillen an. Nach Angaben des Konzerns sollen sie gleichzeitig das Herz und die Immunabwehr stärken, den Augen gut tun und dem Körper zu mehr Energie verhelfen. Dank solcher Versprechungen finden diese Produkte und andere Nahrungsergänzungsmittel aus dem Hause BAYER reißenden Absatz. Im Geschäftsjahr 2013 machte das Unternehmen damit einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Das medizinische Urteil über die zusätzlich zur Nahrung eingenommenen Substanzen fällt allerdings verheerend aus. So kam ein ForscherInnen-Team der „Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health“ um Dr. Eliseo Guallar zu dem Schluss: „Wir glauben, dass es klar ist, dass Vitamine nicht helfen.“ Da ONE-A-DAY & Co. unter Umständen sogar noch negative Wirkungen entfalten können, forderte Guallar die VerbraucherInnen unmissverständlich auf, die Stoffe nicht mehr zu kaufen.

Schwanger trotz ESSURE
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, hat unter anderem Nebenwirkungen wie Blutungen, Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und kann Allergien auslösen. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass es die Eileiter verschließt, verrichtet zudem ihren Dienst nicht zuverlässig. Die Wahrscheinlichkeit, trotz ESSURE schwanger zu werden, liegt bei 9,6 Prozent. Das ergab eine Studie der „Yale School of Medicine“ unter Leitung von Aileen Gariepy.

BAYERs Afrika-Agenda
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). Nach einer vom „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) herausgegebenen – und vom Pillen-Riesen SANOFI gesponserten – Expertise haben diese nämlich ein Volumen von bis zu 160 Milliarden Dollar. Deshalb heißt es bei BAYER: „2014 steht eine Afrika-Strategie hoch oben auf der Agenda.“ Momentan setzt die Pharma-Sparte auf dem Kontinent 650 Millionen Euro um. Der Konzern erwartet durch eine anwachsende Mittelklasse jedoch deutlich bessere Zahlen, besonders in Kenia, Tansania, Kamerun, Nigeria, der Elfenbeinküste und Südafrika. Als Türöffner für die Ausweitung des Export-Geschäfts fungieren dabei oft staatliche Hilfsorganisationen. So hat der Leverkusener Chemie-Multi in Äthiopien mit der US-amerikanischen Entwicklungshilfe-Behörde USAID ein „innovatives Geschäftsmodell“ entwickelt. Die „Contraceptive Security Initiative“ sieht vor, Frauen „mit mittlerem Einkommen in vorerst elf subsaharischen Entwicklungsländern Zugang zu bezahlbaren oralen Kontrazeptiva“ zu verschaffen. Das Unternehmen stellt dafür die Pillen bereit, und die USAID zahlt für die Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zu den Mitteln. „Einen neuen strategischen Ansatz und einen innovativen Weg zur Erschließung der Märkte in Entwicklungsländern“ nennt der Pharma-Riese das Ganze.

BAYER kauft PatientInnen-Daten
Wissen ist Macht – darum interessiert sich BAYER sehr für PatientInnen-Daten. Bei der englischen Gesundheitsbehörde NHS erwarb der Leverkusener Multi Material, „um die Größe des britischen Marktes für Gebärmutter-Wucherungen zu erkunden“ und mit diesem Wissen „den Marketingstrategie-Prozess zu füttern“. Auch andere Firmen beteiligten sich am Großeinkauf, was auf der Insel einen großen Skandal auslöste. Der Pharma-Riese hat aber noch andere Informationsquellen. So ist er in der Bundesrepublik Kunde bei der Firma PHARMAFACT, welche die Rezepte der Krankenkassen auswertet. Darum weiß der Konzern ganz genau, wie das Geschäft mit seinen Arzneien so läuft und wie er seine Pharma-DrückerInnen präparieren muss. Manchmal weiß er es sogar genauer, als die Polizei erlaubt. PHARMAFACT gab nämlich bis 2012 widerrechtlich nicht nur anonymisierte Unterlagen heraus, sondern auch solche mit Namen von MedizinerInnen, so dass BAYER & Co. ganz genaue Informationen über die Verschreibungsgepflogenheiten in den einzelnen Praxen hatten. „Die Unterlagen, die uns in Auszügen zugespielt wurden, scheinen valide zu sein. Sie könnten einen der größten Daten-Skandale der Bundesrepublik im Medizinbereich aufdecken“, so das „Unabhängige Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein“ damals.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Tod durch Endosulfan
In Argentinien starb ein Junge durch eine Vergiftung mit dem eigentlich verbotenen Pestizid Endosulfan, das auf einer nahe der Wohnung der Familie gelegenen Tomaten-Plantage zum Einsatz kam. Gegen ihren Besitzer, der den früher auch in BAYER-Produkten wie MALIX, PHASER und THIODAN enthaltenden Wirkstoff ausbringen ließ, läuft in der Sache jetzt ein Strafverfahren.

Pestizide in Pollen
Ackergifte haben einen großen Anteil am weltweiten Bienensterben. Da wundert es nicht, dass GREENPEACE die Agro-Chemikalien auch in von den Bienen gesammelten Pollen aufspüren konnte. In 72 von 107 Proben fanden sich Pestizid-Rückstände. Unter den drei am häufigsten nachgewiesenen Wirkstoffen fanden sich zwei, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind: Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER) und Thiacloprid (CALIPSO, PROTEUS). Aber es waren auch noch andere vom Leverkusener Multi verwendete Substanzen im Blütenstaub enthalten wie Fenhexamid (TELDOR), Spiroxamine (PROSPER) und Trifloxystrobin (NATIVO, CORONET).

Pestizide in Zuchtblumen
GREENPEACE hat Zierpflanzen aus Garten-Centern und Baumärkten nach Pestizid-Rückständen untersucht. In 84 der 86 Proben wurde die Organisation fündig. Und am häufigsten führte die Spur nach Leverkusen: „In Anbetracht aller nachgewiesenen Pestizide kann der größte Produzent als BAYER CROPSCIENCE identifiziert werden, der sechs von 18 nachgewiesenen Pestizide produziert“, Am häufigsten stießen die WissenschaftlerInnen dabei auf die besonders für Bienen gefährlichen Neonicotinoide GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin), deren Gebrauch die EU vorerst stark eingeschränkt hat. In 43 bzw. sieben Prozent der untersuchten Blumen trieben diese Substanzen ihr Unwesen.

Pestizide im Salat
In der NDR-Sendung markt untersuchten JournalistInnen, wie viel Pestizid-Rückstände sich auf einem Blattsalat finden lassen. Sie behandelten einen Kopf mit dem BAYER-Insektizid CALYPSO und gaben ihn anschließend in ein Labor. Die WissenschaftlerInnen wiesen sechs Milligramm des Wirkstoffes Thiacloprid pro Kilo in der Probe nach – vier Milligramm mehr, als der Gesetzgeber erlaubt. Die Redaktion konfrontierte dann den Leverkusener Multi mit dem Ergebnis. Und der konnte sich das alles nur mit einer falschen Versuchsanordnung erklären: „Wir schließen aus dem von ihnen angegebenen sehr hohen Wert von sechs Milligramm pro Kilogramm, dass entweder die empfohlende Aufwandmenge überschritten worden ist oder die Analyse unmittelbar nach der Anwendung erfolgte.“ Da schloss der Konzern aber falsch: Das Fernseh-Team hatte sich genau an die Packungsanweisung gehalten und den Salat auch erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit zur Untersuchung gebracht.

Bienensterben comes home
Nun konnte der BAYER-Konzern die Wirkung seiner Pestizide auf das Leben der Bienen einmal aus erster Hand erleben. Von dem Bienensterben mit einer Million toten Tieren, zu dem es Ende März 2014 in Leverkusen kam, waren nämlich auch eigene Bestände betroffen. Und als Ursache stellten die Behörden zweifelsfrei BAYERs Pestizid-Wirkstoff Clothianidin fest, dessen Zulassung für bestimmte Anwendungen wegen seiner bienenschädigenden Effekte eigentlich noch bis zum Dezember 2015 ruht. Von der Varroa-Milbe, welche der Agro-Riese selber immer gerne für die Dezimierung der Gattung verantwortlich macht, war dagegen weit und breit nichts zu sehen. Aus welcher Quelle das Agro-Gift stammte, vermochten die Behörden in einer nachfolgenden Untersuchung allerdings nicht mehr zu ermitteln.

Neue Bienensterben-Studien
Die beiden BAYER-Pestizide PONCHO und GAUCHO gehören zur Gruppe der Neonicotinoide. Wegen ihrer Schädlichkeit für Bienen hat die EU sie 2013 für vorerst zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen. Diverse neue Studien belegen nun, wie richtig die Entscheidung war. Ein WissenschaftlerInnen-Team der Harvard University um Chensheng Lu setzte 12 Bienenvölker Neonicotinoiden aus und ließ sechs verschont. Den Sommer über passierte nichts, aber im Winter verwaisten sechs der mit den Pestiziden traktierten Bienenstöcke – für die ForscherInnen ein klares Zeichen für die Langzeitfolgen von PONCHO & Co. Zu einem ähnlichen Befund kommt die internationale WissenschaftlerInnen-Gruppe „Task Force on Systemic Pesticides“. Sie analysierte 150 Neonicotinoid-Studien und das Fazit lautete: Die Stoffe haben verheerende Auswirkungen nicht nur auf Bienen, sondern auch auf andere Insekten, Würmer und Vögel. Da die Chemikalien also den ganzen Naturkreislauf stören, fordert die Task Force ein weltweites Verbot der Substanz-Klasse. Caspar Hallmann von der niederländischen Radboud-Universität konnte die Schäden teilweise sogar genau beziffern. Nach seiner Untersuchung geht die Vogel-Population bei einer GAUCHO-Konzentration im Oberflächen-Gewässer von mehr als 20 Billionstel Gramm pro Liter um jährlich 3,5 Prozent zurück, weil das Gift den Tieren ihre Nahrungsgrundlagen raubt.

UBA für sparsamen Glyphosat-Gebrauch
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe zum Einsatz, aber auch in BAYER-Pestiziden wie GLYPHOS oder USTINEX. Zudem will der Multi es künftig gemeinsam mit der Gensoja-Sorte „FG 72“ sowie seinen genmanipulierten Baumwoll-Arten „GHB 614“, „GHB119“ und T304-40 vermarkten. Obwohl mehrere Studien Spuren des Giftstoffes im menschlichen Organismus gefunden hatten, stellte das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) der Substanz eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Das Umweltbundesamt (UBA) plädiert hingegen für eine sparsame Verwendung des Mittels, denn es trägt nach Ansicht des UBA-Chemieexperten Klaus Günter Steinhäuser wesentlich zur Reduzierung der Artenvielfalt bei.

Glyphosat-Gebrauch eingeschränkt
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat steht im Verdacht, Fehlbildungen hervorzurufen, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Das Verbraucherschutzministerium hat deshalb eine Ausbringungsbeschränkung für den auch in BAYER-Produkten vorkommenden (s. o.) Stoff erlassen. Es erlaubt die „Spätanwendung in Getreide“ nur noch auf Teilflächen. Dem Bundesrat geht das allerdings nicht weit genug. Die Länderkammer fordert ein umfassendes Verbot des Einsatzes der Substanz bei der Reife-Beschleunigung und darüber hinaus noch einen Glyphosat-Bann für den Haus- und Gartenbereich.

El Salvador bannt BAYER-Pestizide
Von 2007 bis 2011 gingen den Behörden in El Salvador 8.159 Meldungen über Pestizid-Vergiftungen ein. Darum zog das Land die Notbremse und verbot 53 Wirkstoffe. Der Bann betrifft auch viele Substanzen, die in BAYER-Mitteln Verwendungen finden wie etwa Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN), Glyphosat (GLYPHOS, USTINEX G), Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), Parathion-Methyl (ME 605 Spritzpulver) und Methamidophos (TAMARON). Kurz darauf verweigerten die USA die Freigabe von schon bewilligten Entwicklungshilfe-Geldern, weshalb nicht wenige UmweltaktivistInnen darin eine von BAYER & Co. veranlasste Strafaktion der Obama-Administration sehen.

Teilverbot für MESUROL
Das BAYER-Pestizid MESUROL darf nicht mehr als Mittel gegen Schnecken zum Einsatz kommen. Wegen der extremen Giftigkeit des Inhaltsstoffs Methiocarb hat die EU dem Produkt für diesen Anwendungsbereich die Zulassung entzogen.

BAYER goes bio

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Der Leverkusener Multi setzt in letzter Zeit vermehrt auf „bio“, da sich Schadinsekten und Unkräuter immer besser auf die handelsüblichen Pestizide einstellen. So kaufte er jetzt das argentinische Unternehmen BIAGRO, das biologische Saatgutbehandlungsmittel auf der Basis von Mikro-Organismen und Pilzen sowie Mittel zur Stärkung des Pflanzen-Wachstums produziert.

BAYER goes bio

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Der Global Player will die Produktion von Pestiziden auf biologischer Basis erhöhen. Um mehr Chargen seines Anti-Wurmmittels BIBACT und seines Anti-Pilzmittels CONTANS herstellen zu können, baut er seine Fertigungsstätte in Wismar aus. Auch die Forschungsaktivitäten am Standort plant der Leverkusener Multi zu erweitern. Noch machen BIBACT & Co. allerdings nur einen Bruchteil der Produktpalette von BAYER AGROSCIENCE aus.

GENE & KLONE

Die Gentech-Ökonomie
In ihrer Werbung für die Gentechnologie versprechen die Agro-Riesen gerne das Grüne vom Himmel bzw. der Erde. So sollen die Laborfrüchte nicht weniger als das Welthunger-Problem lösen helfen. Im Alltagsgeschäft hört sich das alles weit profaner an. In einem Patentantrag für ein gentechnisches Verfahren redet BAYER Klartext. „Transgene Pflanzen werden vor allem eingesetzt, um das Produktionspotenzial der jeweiligen Pflanzen-Sorte bei möglichst geringem Einsatz von Produktionsmitteln möglichst günstig zu nutzen“, heißt es dort ungeschminkt.

Neues Gentech-Soja
In den USA bringt BAYER 2015 die Genlabor-Frucht CREDENZ heraus und vermeint damit laut eigener Werbeaussage, die Sojabohne neu erfunden zu haben. Der Konzern vermarktet das Produkt in zwei Variationen, einmal mit einer Resistenz gegen das Pestizid Glyphosat und einmal mit einer gegen Glufosinat. Das ursprünglich von MONSANTO entwickelte Glyphosat ist seit 30 Jahren im Einsatz und steht im Verdacht, Fehlbildungen hervorzurufen, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Da viele Wildpflanzen dem Mittel inzwischen trotzen, hofft der Leverkusener Multi mit seinem noch gefährlicheren und deshalb in der EU nur noch bis 2017 zugelassenen Glufosinat in die Lücke vorstoßen zu können. Es dürfte jedoch nur eine Frage der Zeit sein, wann sich auch hier ein Gewöhnungseffekt einstellt.

Importgenehmigung für SYNT0H2
BAYER und SYNGENTA haben für ihr Gensoja SYNT0H2, das nicht nur gegen BAYERs Ultragift Glufosinat sondern auch gegen den Pestizid-Wirkstoff Mesotrione von SYNGENTA resistent ist, von den australischen Behörden eine Importgenehmigung erhalten.

Kein geringerer Pestizid-Verbrauch
Das US-amerikanische Landwirtschaftsunternehmen hat auf der Basis von Daten aus dem Jahr 2010 untersucht, ob die Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen zu einer Reduzierung des Pestizid-Verbrauchs geführt hat, wie BAYER & Co. es in ihren Produkteinführungskampagnen versprochen hatten. Das Ergebnis fällt wenig erfreulich für die Agro-Riesen aus. Bei den Herbiziden gingen zwar am Anfang die ausgebrachten Mengen tatsächlich zurück, in den letzten Jahren stiegen sie jedoch wieder. Die Unkräuter können sich nämlich immer besser auf die Gifte einstellen, welche die Konzerne im Kombipack mit den gegen die Produkte immunen Labor-Pflanzen vermarkten. Bei den Insektiziden notierte der Report hingegen einen nachhaltigeren Rückgang, aber hier dürfte das dicke Ende, da sich Baumwoll-Kapselwurm & Co. an die Agrochemikalien gewöhnen, erst noch bevorstehen. Zudem geht die Reduzierung nicht auf die Gentechnik zurück. Auch in der konventionell betriebenen Landwirtschaft landeten weniger chemische Keulen auf den Feldern.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYERs Energie-Mix
Der Strom, den der Leverkusener Multi an seinen Standorten selbst erzeugt, speist sich zu rund zwei Dritteln aus Erdgas und zu einem Drittel aus der besonders klimaschädigenden Kohle. Wie es um die Zusammensetzung der zugekauften Energie bestellt ist, machte der Konzern bisher nie öffentlich. Deshalb fragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der letzten Hauptversammlung im April 1014 nach. Das Unternehmen gab an, das übliche Großhandelsangebot zu beziehen und nannte folgende Zahlen für den Mix: 25,6 Prozent Braunkohle, 23,9 Prozent Erneuerbare Energien, 19,6 Prozent Steinkohle, 14,4 Prozent Atomenergie und 10,5 Prozent Erdgas.

„Dream Production“ geht in Serie
Der Leverkusener Multi entwickelte gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ ein Verfahren, um Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung zu nutzen (Ticker 1/10). Nach erfolgreicher Erprobung der „Dream Production“ errichtet BAYER nun in Dormagen für 15 Millionen Euro eine kleine Fertigungsstätte. Sie soll jährlich 5.000 Tonnen Polyole für die Polyurethan-Herstellung liefern. Der Pharma-Riese feiert diese Innovation als eine Großtat zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“. Und selbst bei der günstigsten Hochrechnung fallen die Ergebnisse bescheiden aus. Sollten wirklich einmal weltweit alle Kunststoffe nach dem neuen Verfahren hergestellt werden, so wären gerade einmal 178 Millionen Tonnen Kohlendioxid gebunden – 0,6 Prozent der jährlichen Emissionen. Darüber hinaus fällt bei der „Dream Production“ selber nicht wenig CO2 ab, da energie-aufwendige Abtrennungs-, Reinigungs- und Verflüssigungsprozesse nötig sind, ehe aus den Rauchgasen der Kohlekraftwerke ein Rohstoff für die Chemie-Industrie entsteht.

Noch mehr „Dream Production“?
Ein großangelegtes Forschungsprojekt will nach Möglichkeiten suchen, um aus Kohlendioxid und anderen bei der Stahl-Produktion entstehenden Prozess-Gasen chemische Grundstoffe zu gewinnen. Neben dem Leverkusener Multi, der die Erfahrungen mit seiner „Dream Production“ (s. o.) einzubringen gedenkt, sind unter anderem THYSSENKRUPP, SIEMENS, BASF, RWE, die Universitäten Bochum und Duisburg sowie die Fraunhofer- und die Max-Planck-Gesellschaft an dem Vorhaben beteiligt.

Brückenbau auf Deponie-Gelände
Die Deponie Dhünnaue diente BAYER von 1923 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Giftmüll-Schlucker. Danach ließ der Leverkusener Multi nicht nur Gras über die Sache wachsen, sondern auch 220 Wohneinheiten sowie eine Schule, einen Kindergarten und ein Altersheim. Die Folge: Allein in der Hauptschule am Rand des Geländes traten 15 Krebserkrankungen und fünf Todesfälle auf. Die notwendigen Sanierungsmaßnahmen begannen erst in den 1990er Jahren. Der Konzern trug das verseuchte Erdreich jedoch keineswegs ab und umschloss es auch nicht vollständig. Lediglich zum Rhein hin sicherte er die Altlast mit Spundwänden ab. Deshalb ist es erforderlich, stündlich 750 Kubikmeter verseuchtes Wasser abzupumpen und zu reinigen – über Jahrhunderte hinweg. Und deshalb müssen jetzt auch die Sondierungsarbeiten zum Bau einer Autobahn-Brücke auf dem Areal äußerst vorsichtig verlaufen. Jedes Bohrloch birgt bis zu zwei Tonnen Sondermüll, was die Beschäftigten dazu nötigt, einen Ganzkörperschutz zu tragen. Auch besteht die Gefahr, dass die im Erdreich schlummernden Chemikalien die Brücken-Fundamente angreifen. „Man muss genau erkunden, welche Stoffe da vorhanden sind“, so Manfred Curbach von der Technischen Universität Dresden. Und Sven Sieberth vom Landesbetrieb Straßenbau NRW sieht ebenfalls Schwierigkeiten: „Also es könnte sein, wenn man Bereiche freilegt, dass das Material, was im Moment standfest ist, und tragfähig ist, dass es durch Witterungseinflüsse wie Regen dann aufweicht und keinen tragfähigen Untergrund hinterlässt. Also das Worst Case Scenario wäre dann, dass man (...) im schlimmsten Fall eine Betonplatte über die Deponie legen müsste, also im Prinzip wie ein Brückenbauwerk. Aber das wollen wir nicht hoffen, weil das würde zu immensen Mehrkosten (...) führen.“ Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte schon bei Beginn der Arbeiten gefordert, den Leverkusener Multi an der Finanzierung zu beteiligen. Aber das lehnt das Land Nordrhein-Westfalen ab, da es der Bauträger sei, der in die bestehende Situation eingreife. Auch an die Aufstellung eines Mahnmales denkt Rot-Grün nicht. „Ich bitte um Verständnis, dass ich hinsichtlich Ihres Wunsches nach einem Gedenkstein für mögliche Opfer der seinerzeit betriebenen Deponie zuständigkeitshalber nicht tätig werden kann“, diese Antwort erhielt ein CBG-Aktivist aus dem Verkehrsministerium auf eine entsprechende Anfrage.

NANO & CO.

BAYER verkauft auch Nano-Patente
Vollmundig hatte das „Erfinder-Unternehmen“ BAYER 2003 die Nano-Technik gepriesen. Mit einem Marktvolumen von 200 Milliarden Euro rechnete der Konzern. Zehn Jahre später verkündete er seinen Ausstieg (Ticker 3/13), da „bahnbrechende Anwendungen für den Massenmarkt“ nicht in Sicht seien. Und 2014 beendete der Leverkusener Multi das Kapitel endgültig. Der Global Player verkaufte die Patente für die ehemalige „Zukunftstechnologie“ an die Bayreuther Firma FUTURE CARBON.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosion in Kolumbien
Auf dem Gelände des BAYER-Werk nahe der kolumbischen Stadt Cali kam es am 3. Juli 2014 zu einer Explosion. Drei Menschen zogen sich dabei Verletzungen zu und mussten zur Behandlung in ein Krankenhaus.

Aus undichtem Salzstock fließt Öl
Aus Kochsalz wird Sole gewonnen, ein wichtiger Grundstoff der Kunststoff-Produktion. Darum hält der Leverkusener Multi zehn Prozent der Geschäftsanteile an dem Förder-Unternehmen SGW. Dieses hat die beim Salz-Abbau entstehenden Hohlräume an Energie-Konzerne vermietet, die dort unterirdische Öl- und Gasreservoirs unterhalten. Im Münsterland bildete sich in einer 217 Meter unter der Erdoberfläche liegenden Rohrleitung eines Stollens ein Leck. Unmengen von Öl drangen daraus an die Oberfläche und überzogen große Areale mit einem schmutzigen Film. 10 Kühe, die das Gemisch tranken, mussten TierärztInnen einschläfern. 35.000 Tonnen Öl pumpten die Hilfskräfte ab und 1.000 Tonnen verseuchtes Erdreich entsorgten sie. Die SGW hatte schon zwei Monate vor dem Austritt einen Druckabfall in den Speichern bemerkt, aber keine entscheidenden Schritte in die Wege geleitet. Claudia Baitinger vom BUND erklärte zu der Umweltkatastrophe: „Ohne die unersättliche Gier nach Sole, die von den NRW-Chemiefirmen SOLVAY, BAYER und VESTOLIT/EVONIK hauptsächlich für die Herstellung des umweltproblematischen Kunststoffes PVC seit Jahrzehnten gebraucht wird, hätte es die Begehrlichkeiten, in den entstandenen Hohlräumen unter einem der ökologisch wertvollsten Naturschutz- und FFH-Gebiete NRWs riesige Öl- und Gasspeicher anzulegen, nicht gegeben. Bereits vo

[Hiltrud Breyer] CBG Beirat

CBG Redaktion

Presse Info vom 4. Juni 2014

nach Abschied aus dem EU-Parlament

Hiltrud Breyer neu im Beirat der Coordination gegen BAYER-Gefahren

Die langjährige Europa-Abgeordnete Hiltrud Breyer tritt dem wissenschaftlichen Beirat der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) bei. Der Beirat leistet fachliche und organisatorische Unterstützung für die Kampagnen der CBG.

Hiltrud Breyer: „Ich freue mich, dass ich meine Erfahrung aus dem Europaparlament nun in die kritische Auseinandersetzung mit dem Chemie-Multi BAYER einbringen kann. Besonders engagieren möchte ich mich in den Bereichen Pestizide, Gentechnik und gefährliche Chemikalien.“

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren ergänzt: „Hiltrud Breyer hat sich im Europaparlament stets als Vertreterin der Umweltbewegung verstanden. Besonders bei der EU-Chemikaliengesetzgebung, dem Verbot hochgefährlicher Pestizide und dem Kampf gegen gentechnisches Saatgut war ihr Einsatz von großer Bedeutung. Hiltruds Engagement und ihre Fachkenntnis sind eine große Bereicherung für unsere Arbeit!“.

Dem Beirat der CBG gehören momentan zehn Fachleute an, darunter der langjährige MdB Prof. Jürgen Rochlitz, die Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter und Dr. Angela Spelsberg, ärztliche Leiterin des Tumorzentrums Aachen an.

Hiltrud Breyer war für die Grünen von 1989 bis 2009 und erneut 2013/2014 Mitglied des EU-Parlaments. Zu den Schwerpunkten ihrer Arbeit gehörten die Chemikalienverordnung REACH, die Pestizidgesetzgebung, die Gentechnik sowie der Tierschutz. Wiederholt brachte sie auch Kampagnen der Coordination gegen BAYER-Gefahren in das Europaparlament ein, unter anderem zum Bienensterben durch Pestizide aus der Substanzklasse der Neonicotinoide. Zu ihrem Abschied aus dem EU-Parlament veröffentlichte Breyer das Buch Giftfreies Europa, an dem zahlreiche Umweltverbände (darunter die CBG) mitwirkten.

Kontakt: http://www.hiltrudbreyer.eu

[Bienensterben] Hauptversammlung 2014

CBG Redaktion

MEDIA KONTAKT:
(US) Brett Abrams : brett@fitzgibbonmedia.com
(Deutschland und EU): Anne Isakowitsch: anne@sumofus.org

Auf der Bayer Hauptversammlung fordern Aktivisten und Aktionäre, dass Bayer die Produktion von bienentötenden Pestizide einstellt und seine Klage gegen das Pestizid-Verbot der Europäischen Kommission zurückzieht

KÖLN, DEUTSCHLAND -- Auf der Hauptversammlung der Bayer AG am 29. April fordern Aktivisten von SumOfUs.org, die kritischen Aktionäre von Coordination Bayer Gefahren (CBG) und europäische Imker, dass der Konzern seine Klage gegen das Pestizid-Verbot von Neonikotinoiden zurückzieht und nicht-toxische Alternativen entwickelt.

Während der Hauptversammlung wird SumOfUs.org Campaignerin Anne Isakowitsch eine Petition an den Vorstand von Bayer übergeben. Über 635.000 Menschen haben die Petition von SumOfUs.org unterzeichnet, um Bayer aufzufordern seine Klage gegen die Europäische Kommission zurückzuziehen. Bayer verklagt die Europäische Kommission, weil diese den Verkauf von Neonikotinoiden verboten hat.

Die Petition finden Sie hier: http://action.sumofus.org/a/bayer-bees-lawsuit/?sub=pr

“Bayer Aktionäre sollten sich fragen, wie viele weitere Millionen von ihrem Geld für Lobbyisten und Anwälte verschwendet werden sollen, um ein gerechtfertigtes Verbot für bienentötende Pestizide anzugreifen” sagt Anne Isakowitsch, Campaignerin bei SumOfUs.org. “Anstatt Geld zu verschwenden, sollte Bayer sich den Problemen stellen und Alternativen für Neonikotinoide finden. Bayer sollte sich auf seine lange und beeindruckende Tradition besinnen, Lösungen für die schwierigsten Probleme zu finden und sich auf Innovation anstelle von Rechtsstreitigkeiten konzentrieren!”

Ein neuer Bericht von Friends of the Earth zeigt, wie Bayer, Syngenta und Monsanto Milliarden von Dollar ausgeben und die gleichen PR-Taktiken wie die Tabakindustrie verwenden, um ihre bienentötenden Pestiziden zu vermarkten.

Für mehr Informationen oder für Interviews mit SumOfUs oder den kritischen Aktionären, kontaktieren Sie bitte Anne Isakowitsch 0177 654 80 62 oder über email anne@sumofus.org

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SumOfUs.org ist eine weltweiter Zusammenschluss von Verbraucher/innen, Investor/innen und Arbeitnehmer/innen, die gemeinsam Konzerne zur Rechenschaft ziehen und sich für eine neue nachhaltige und gerechte Weltwirtschaft einsetzen.