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[Gesundheitskarte] STICHWORT BAYER 03/2015

CBG Redaktion

BAYER & und die Gesundheitskarte

Gläserne PatientInnen

Die Gesundheitskarte bietet die Möglichkeit, alle Daten zum Gesundheitszustand der gesetzlich Krankenversicherten zu erfassen. Was für die IT-Industrie ein großes Geschäft ist und BAYER & Co. wichtige Informationen über ihre Kundschaft verschaffen kann, birgt für die PatientInnen große Gefahren.

Von Wilfried Lubin

Ausgangspunkt für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) war der 8. August 2001. Da musste der Arzneimittel-Hersteller BAYER seinen Cholesterin-Senker LIPOBAY vom Markt nehmen, weil Wechselwirkungen mit anderen Arzneien aufgetreten waren, die über 100 Menschen den Tod brachten. Bei der Aufarbeitung des Skandals wurde festgestellt, dass die Medikamenten-Gaben kaum dokumentiert waren. Die Unternehmensberatung ROLAND BERGER schlug daraufhin in einem Gutachten eine Chipkarte vor, die alle verordneten Pharmazeutika erfasst, mögliche Wechselwirkungen anzeigt und im Bedarfsfall das medizinische Personal informiert.
Gleich nach der Veröffentlichung meldeten sich ÄrztInnen und ApothekerInnen, die Krankenkassen und PatientInnen-Verbände sowie die Gesundheitsindustrie und auch DatenschützerInnen zu Wort. Alle hatten Wünsche und Anliegen. So entwickelte sich aus einer „einfachen Verschreibungsliste“ ein „höchst komplexes System“, das Deutschland die „Telematik-Infrastruktur“ (TI) bescherte1. Im Jahr 2004 schließlich leitete die damalige SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Entwicklung der eGK ein. Anfang 2006 erfolgten in einigen Bundesländern erste Tests mit der eGK, die äußerst pannenreich verliefen2.
Zur Entwicklung und Installation der TI gründete sich dann die „Gesellschaft für Telematik“ (GEMATIK). Gesellschafter dieser GmbH sind ÄrztInnen, ApothekerInnen, Krankenhäuser, Krankenkassen und Unternehmen aus der Informationstechnologie wie z. B. die zu BERTELSMANN gehörende Firma ARVATO-SYSTEMS. In den folgenden Jahren wurde dann peu à peu die neue eGK mit Foto eingeführt. Die Politik zwang dabei die Krankenkassen, bestimmte Prozentzahlen ihrer Versicherten mit der neuen Karte auszustatten. Wer diese Prozentzahl nicht erreichte, sollte weniger Verwaltungsmittel erhalten. Die Krankenkassen gaben diesen Druck an ihre Versicherten weiter. So ist es nicht verwunderlich, dass zum Jahresende 2014 nur noch ca. drei Prozent der gesetzlich Krankenversicherten keine Gesundheitskarte mit Foto haben3.
„Bis heute ist die vollständige Umsetzung des milliarden-schweren eGK-Projekts immer wieder an technischen und datenschutzrechtlichen Problemen und am Widerstand von Patientinnen, Ärzten und Juristinnen gescheitert. Die privaten Krankenkassen sind aus dem Projekt seit 2010 ausgestiegen, was nicht heißt, dass privat Versicherte nicht auch bald die eGK vorgeschrieben bekommen“, resümiert der Blog digitalcourage4 Man könnte sich hier fragen: warum? Da vermutlich sehr viele Personen des öffentlichen Lebens (z. B. PolitikerInnen, UnternehmerInnen) privat versichert sind, könnten deren gesundheitliche Daten bei einer zentralen Erfassung leichter an die Öffentlichkeit gelangen und somit deren Privatleben stören. Oder aber warten die privaten Krankenversicherungen so lange ab, bis alle Probleme beseitigt sind und die Kosten durch die gesetzlich Versicherten bezahlt wurden?
Bis jetzt sollen über 1,2 Milliarden Euro an die Unternehmen geflossen sein5. Diese Summe ist jedoch nur die Spitze des Ausgaben-Eisberges für die eGK. Wie der Festredner padeluun bei der diesjährigen Verleihung des Schmähpreises „Big Brother Award“ ans Bundesgesundheitsministerium (BGM) konstatierte, könnten bis zu 15 Milliarden Euro an Kosten anfallen6. Die Studie der Firma BOOZ ALLEN HAMILTON kommt padeluun zufolge auf ähnliche Ergebnisse. Dieses Geld der gesetzlich Krankenversicherten wäre sinnvoller in Diagnostik und Heilbehandlung sowie in bessere Personalausstattung der Kliniken investiert.

Zentrale Daten-Erfassung
Die seit 2012 ausgegebene eGK mit Foto hat einen Mikrochip, auf dem zur Zeit die Versicherten-Stammdaten gespeichert sind. Diese Daten beinhalten Name, Geburtsdatum, Anschrift, Angaben zur Krankenversicherung, neue Krankenversicherten-Nummer sowie den Versichertenstatus (Mitglied, Familienversicherter oder Rentner). Neu ist die Angabe zum Geschlecht, die im Verbund mit dem Foto den Missbrauch erschweren soll.
Um dies alles zu erfassen, installiert die GEMATIK das Versichertenstammdaten-Management (VSDM). Es ist vorgesehen, diese Daten bei jedem MedizinerInnen-Besuch zu aktualisieren. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Krankenkassen die eingereichten Fotos keiner Identitätsprüfung unterzogen haben. Die Krankenkassen sind dazu laut BGM auch nicht verpflichtet. Es heißt lapidar: „Die Krankenkassen müssen hierfür geeignete Maßnahmen vorsehen (...) und angemessene Verfahren durch(zu)führen.“ 7 Den Versuch der Krankenkassen und des BGM, diese Aufgabe den ÄrztInnen zu übertragen, lehnen diese ab.
Nach den Vorstellungen der Befürworter, z. B. des BGMs, soll die jetzige eGK mit ihren Versichertenstammdaten inklusive Online-Abgleich und -Aktualisierung in Rechenzentren zentral erfasst werden. Das BGM will dazu eine Datenautobahn aufbauen. Die Erprobung wird im Herbst 2015 mit 1.000 ÄrztInnen und zehn Krankenhäusern in den Bundesländern Sachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein anlaufen. „Versicherte, die eine dieser Praxen oder Krankenhäuser aufsuchen, nehmen automatisch am Test teil“, heißt es dazu aus dem Ministerium8. Zudem plant es, nach und nach die elektronische Patientenakte, den elektronischen ÄrztInnen-Brief und das elektronische Rezept einzuführen. Vielleicht soll auch, wie es in Großbritannien angestrebt wird, eine Zusammenführung der „Krankenakten aus Arztpraxen künftig automatisch und (...) ohne (...) Einwilligung von PatientInnen in eine zentrale Datenbank“ erfolgen und dann den „Unternehmen für Forschungsprojekte zur Verfügung gestellt werden“9. Das Unterfangen nennt sich care data. Hier sollen erfasste genetische Daten der britischen Bevölkerung mit den Daten aus Krankenakten abgeglichen werden. Die Pharma-Industrie will nämlich, wie sie schon 1999 bekundete, die erfassten Daten analysieren, um so Krankheiten „vorherzusehen und zu vermeiden.“ Häufig auftretende Erkrankungen wie z. B. Krebs könnten dann mit Medikamenten behandelt werden, bevor der Mensch daran erkrankt, versprechen die Hersteller, die hier enorme Extra-Profite wittern.
In Deutschland hat sich der Verband BIO Deutschland e. V., zu dessen Fördermitgliedern BAYER zählt, ebenfalls für mehr Einbindung bei der Erstellung der TI und eGK ausgesprochen. Dazu gehöre auch, dass Biotech-Firmen auf die Gesundheitskarte zugreifen dürfen, so die Organisation. Und im Referentenentwurf zum „E-Health-Gesetz“ soll der Privatwirtschaft ebenfalls das Abgreifen von PatientInnen-Daten ermöglicht werden. Sollte dieser das Parlament unverändert passieren, so hätten die LobbyistInnen der IT-Industrie ihr zentrales Ziel erreicht. Es könnten dann nämlich private Firmen wie APPLE mit seinen Produkten „iHealth“ oder „Apple Watch“ auf das System zugreifen. Der Entwurf sieht laut junge welt auch vor, „Teile der TI (zu) nutzen, konkrete Anwendungen aber nur außerhalb der Infrastruktur“10, weshalb die Zeitung warnt: „Es ist möglich, dass Firmen Patienten-Daten dann über die TI entschlüsseln und anschließend auf ihre eigenen Computersysteme übertragen.“ Gleichzeitig würde das Zwei-Schlüssel-Prinzip abgeschafft, das eine Erhebung von Daten nur in Anwesenheit des PatientInnen und mit seiner eGK erlaubt. Der Leverkusener Multi ist dabei in einer besonders guten Position, hat er doch über die PRONOVA BKK, dem Zusammenschluss der Betriebskrankenkassen von BAYER, BASF, FORD und anderen großen Konzernen, einen barriere-freieren Zugang zum Krankenkassen-Bereich.
Wie daten-hungrig der Leverkusener Multi ist, zeigt ein Fall aus England. Bei der dortigen Gesundheitsbehörde NHS erwarb er PatientInnen-Unterlagen, „um die Größe des britischen Marktes für Gebärmutter-Wucherungen zu erkunden“ und mit diesem Wissen „den Marketingstrategie-Prozess zu füttern“. Auch andere Firmen beteiligten sich am Großeinkauf, was auf der Insel einen großen Skandal auslöste.
Ein weiteres Betätigungsfeld für den Pharma-Riesen und andere Unternehmen tut sich durch die Einrichtung des „elektronischen Rezeptes“ (eRezept) auf. Bisher konnte weder Ärzteschaft noch Apotheken oder Pharmafirmen feststellen, ob ein ausgestelltes Rezept auch eingelöst wurde. Mit der Einführung des elektronischen Rezeptes (eRezept) ist ihnen das jedoch möglich, was den Druck auf die PatientInnen erhöht, sich die Tabletten wirklich zu beschaffen – und den Konzerne so zu Mehreinnahmen verhilft.
Für Rezepte interessiert sich der Leverkusener Multi schon länger. Er hat die Firma PHARMAFACT damit beauftragt, für ihn die Rezeptdaten der Krankenkassen auszuwerten. Auf diese Weise weiß der Konzern ganz genau, wie das Geschäft mit seinen Arzneien so läuft und wie er seine Pharma-DrückerInnen präparieren muss. Eine Zeitlang wusste er dies sogar genauer, als die Polizei erlaubt. PHARMAFACT gab nämlich widerrechtlich nicht nur anonymisierte Unterlagen heraus, sondern auch solche mit Namen von MedizinerInnen, so dass BAYER & Co. ganz genaue Informationen über die Verschreibungsgepflogenheiten einzelner ÄrztInnen hatten. Doch im Jahr 2012 flog das Ganze auf. „Die Unterlagen, die uns in Auszügen zugespielt wurden, scheinen valide zu sein. Sie könnten einen der größten Daten-Skandale der Bundesrepublik im Medizinbereich aufdecken“, konstatierte der Leiter des „Unabhängigen Datenschutzzentrums Schleswig-Holstein“, Thilo Weichert, damals.
Doch nach Ansicht des Bundesgesundheitsministeriums dient die Medizin 2.0 nur dem Wohlergehen der Versicherten. So soll die eGK im Verbund mit der Telematik-Infrastruktur eine bessere Versorgung der Versicherten durch schnelle und sichere Kommunikation zwischen den LeistungserbringerInnen (z. B. ÄrztInnen / Kliniken) bewerkstelligen, den Missbrauch erschweren, eine Kostenersparnis bringen, die Qualität bei der medizinischen Behandlung erhöhen und zu mehr Transparenz für die PatientInnen führen. Zudem verspricht das Ministerium eine sichere Datenautobahn, auf der nur autorisierte Personen (z. B. Patientin/ Patient, Ärztin/Arzt) an die medizinischen Daten kommen können. Darüber hinaus bestimmten die Versicherten selbst, was auf ihrer eGK gespeichert wird: „Der Versicherte ist dabei Herr über seine persönlichen Gesundheitsdaten“11 Dieses Recht kann allerdings jederzeit widerrufen werden. Außerdem ist fraglich, wie der Versicherte von diesem Recht in der Praxis Gebrauch machen soll.

Kritik von allen Seiten
Verfolgt man das Für und Wider zur eGK und zu TI in der öffentlichen Diskussion, zeichnet sich jedoch kein so eindeutig positives Bild ab. Es hagelt von verschiedensten Seiten Kritik, nicht nur gegen die eGK und die TI, sondern auch gegen den im Januar 2015 veröffentlichen Referenten-Entwurf zum E-Health-Gesetz. Das Bündnis „Stoppt die e-Card“, ein Zusammenschluss von 54 Bürgerrechtsorganisationen, DatenschützerInnen sowie PatientInnen- und ÄrztInnen-Verbänden, steht mit seinen Vorbehalten keineswegs alleine da. So forderte Kathrin Vogler von der Partei „Die Linke“ in ihrer Bundestagsrede am 16.01.2015 den Stopp der eGK; sie sprach sich stattdessen für die Entwicklung von Alternativen aus, die sich mehr am Wohl der PatientInnen orientieren12. Auch haben die Krankenkassen die Haushaltsmittel für 2015 an die GEMATIK vorerst gesperrt. Grund: zu geringe Fortschritte beim Aufbau der TI. Zudem wurden die Beschlüsse des Deutschen Ärztetages aus den letzten Jahren am 27.02.2015 von der VertreterInnen-Versammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (dem „Parlament“ der KBV) erneut bestätigt. Mit großer Mehrheit lehnte das Gremium den „Anschluss an die zentrale E-Card-Infrastruktur“ ab. Überdies forderte es den hauptamtlichen KBV-Vorstand auf, sich im Gesetzgebungsverfahren zum E-Health-Gesetz konkret für eine Streichung der strategisch wichtigen Funktion „Online-Versichertenstammdatenmanagement“ (VSDM) einzusetzen. Dieses VSDM würde alle ÄrztInnen-Praxen an das von der BERTELSMANN-Tochter ARVATO aufgebaute zentrale Großnetz anschließen, und Weigerungen will Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) im neuen Gesetz sogar unter Strafe stellen.
Die KritikerInnen in der Ärzteschaft plädieren hingegen für Dezentralität und betrachten die Daten, die in einer riesigen TI gespeichert, bearbeitet und eventuell zweckentfremdet weiterverwendet werden, als eine Belastung des vertraulichen Arzt-Patienten-Verhältnisses. Nicht zuletzt steht damit nämlich die ärztliche Schweigepflicht auf dem Prüfstand, die es bisher weitestgehend verhindert hat, dass beispielsweise Daten über Krebs, Diabetes, Nervenzusammenbruch oder AIDS unbefugt an andere gelangen konnten. Laut Ärzteschaft gibt es zudem schon einen Austausch zwischen niedergelassenen ÄrztInnen und Kliniken durch Verschlüsselungssoftware per E-mail, der auch kostengünstiger sei. Darüber hinaus hat eine Kölner ÄrztInnen-Initiative im Dezember 2014 eine Unterschriften-Liste gegen die Anweisung gestartet, PatientInnen ohne neue Gesundheitskarte nicht mehr zu behandeln.
Wie es um die Datensicherheit in der elektronischen Informationsübermittlung steht, zeigen die Veröffentlichungen des Whistleblowers Edward Snowden. Seit 2010 sind die Dienste in der Lage, unbemerkt den Datenverkehr auszuspähen. So ist es den Geheimdiensten der USA und Großbritanniens problemlos gelungen, beim weltweit führenden Kartenhersteller GEMALTO das Sicherheitskonzept zu knacken – just das Unternehmen, das 2009 den Auftrag erhielt, 25 Millionen elektronische Gesundheitskarten für Versicherte der AOK zu personalisieren und zu verschicken. „Wenn bis heute dieses Datenleck den Betreibern der Firma nicht aufgefallen ist, bedeutet das, dass interne Kontrollen völlig versagt haben müssen. Es gibt also keine Sicherheit mit den jetzt ausgegebenen elektronischen Karten“, konstatierte der Sicherheitsexperte Rolf Lenkewitz13.
Zu ähnlichen Aussagen kommt Professor Dr. Harmut Pohl in seinem Kommentar „Chipkarten-Hack und die Folgen – Kommentare der Experten 2,0“ Er hält fest: „Die organisierte Kriminalität übernimmt die technischen Fähigkeiten der Nachrichtendienste in sehr kurzer Zeit (...) Die organisierte Kriminalität ist daher z. B. besser und aktueller über den Gesundheitszustand eines jeden von uns informiert als wir selbst – und unser Hausarzt!“14 Das dies keine unbedeutenden Warnungen sind, zeigt auch ein Bericht der WAZ aus dem Bereich des Online-Banking. „Wieder Konten mit TAN-System leergeräumt“, lautete die Überschrift15.

Druck auf Verweigerer
Wer keine neue Gesundheitskarte besitzt, muss trotzdem nicht auf ÄrztInnen-Besuche verzichten. Das ließ sich Kathrin Vogeler von der Bundesregierung bestätigen. „Wer der elektronischen Gesundheitskarte skeptisch gegenübersteht, kann sich auch im nächsten Jahr ärztlich behandeln lassen, ohne gleich eine Privatrechnung zu riskieren. Anstelle einer e-Card reicht nämlich ein Nachweis über den Leistungsanspruch von der Krankenkasse, auf Papier, per Brief oder Fax an die Arztpraxis“, erklärte die Politikerin16. Die Aussage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): „Ab 1. Januar gilt ausschließlich die elektronische Gesundheitskarte (eGK)“ ist also durch die Bundesregierung widerlegt. Der Versicherungsschutz hängt nicht von der eGK ab, sondern von gezahlten Versicherungsbeiträgen und von den notwendigen Angaben nach § 15 SGB V17. Das widersprüchliche und unfaire Verhalten von einigen Krankenkassen, ÄrztInnen, BGM etc. gegenüber denjenigen gesetzlich Versicherten, die nach wie vor die eGK verweigern, ist deshalb aufs Schärfste zu verurteilen.
Seit Beginn dieses Jahres verhalten sich Krankenkassen und MedizinerInnen den eGK-VerweigerInnen gegenüber unterschiedlich. Obwohl die Versicherten Beiträge zur Krankenversicherung zahlen und dadurch berechtigt sind, medizinische Leistungen zu erhalten, werden sie von einigen Krankenkassen und auch ÄrztInnen schikaniert. Die INITIATIVE PATIENTENDATEN fasst die Erfahrungen so zusammen: „Die Techniker Krankenkasse beispielsweise stellt Ersatzbescheinigungen nur für jeweils einen Tag aus, so dass man sich für jeden Arztbesuch eine neue Bescheinigung holen muss (...) Einzelne Krankenkassen weigern sich, die Ersatzbescheinigungen vor einem Arztbesuch zur Verfügung zu stellen, oder wollen diese nicht per Post zuschicken, sondern nur in die Arzt-Praxis faxen. Einzelne Ärzte wiederum weigern sich, ihre Fax-Nummer bekanntzugeben, andere können angeblich keine Überweisung mehr ausstellen, wenn die Ersatzbescheinigung nur einen Tag gültig ist. Manche weisen sogar Patienten mit einer Ersatzbescheinigung ab und verweigern die Behandlung, auch wenn sie aufgrund ihrer Kassen-Zulassung verpflichtet sind, Kassen-Patienten zu behandeln.“18 Selbst bei chronisch Kranken wird mit Schikanen vorgegangen, um sie zum Einlenken zu bewegen19.
Versicherte, die wollen, dass ihre intimsten Gesundheitsdaten nur im engsten Kreis überschaubar verwendet werden und nicht in zentralen Rechenzentren (TI), haben ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung so gut wie verloren. Es entfällt nämlich das Recht auf Information darüber, wer zu den eigenen Daten Zugang hat,
sowie das Recht, ihre Verarbeitung einzuschränken, abzulehnen oder ihre Löschung zu verlangen.
Durch die zentrale Speicherung in Rechenzentren bleiben nicht wie bisher alle Krankheitsdaten dezentral bei den behandelnden MedizinerInnen. Zukünftig sind Praxen, Apotheken, PsychotherapeutInnen, Krankenhäuser, Krankenkassen und viele weitere Berufsgruppen des Gesundheitswesens durch die eGK und TI in einem riesigen Computernetzwerk miteinander verbunden. Und es steht zu befürchten, dass auch andere Interessenten wie z. B. die Pharma-Industrie legal oder illegal Zugang bekommen. Laut namhaften IT- und DatenschutzexpertInnen gibt es keinen hundertprozentigen Schutz vor Missbrauch des Systems. So hat das, was nach dem LIPOBAY-Skandal begann und bloß das eigentlich sinnvolle Projekt verfolgte, den verschiedenen AkteurInnen des Gesundheitswesens den Arzneimittel-Gebrauch von PatientInnen transparenter zu machen, zu einer Entwicklung geführt, an deren Ende gläserne PatientInnen stehen könnten.

Fußnoten
1 vgl. www.heise.de; 04.08.2011: Elektronische Gesundheitskarte: Es begann vor zehn Jahren
Anmerkung zur TI: alle elektronischen Verarbeitungssysteme (z. B. Kartenlesegeräte, eGK, Rechenzentren), die medizinische Daten speichern und übermitteln und vernetzt sind, ergeben die TI.
2 vgl. WAZ vom 27.06.2012: Fehlerhafte Gesundheitskarte
3 vgl. junge Welt, Nr. 3 vom 05.01.2015, S. 12: Big Data – Big Business
4 www.digitalcourage.de: Wie geht es weiter mit der elektronischen Gesundheitskarte?
5 www.kathrin-vogler.de; Bundestagsrede vom 16.01.2015
6 www.bigbrotheraward.de
7 vgl. www. bmg.bund.de; Elektronische Gesundheitskarte und E-Health /Fragen und Antworten
8 vgl. www. bmg.bund.de; Elektronische Gesundheitskarte und E-Health
9 vgl. Gen-ethischer Informationsdienst, GID, Nr. 229, April 2015, S.16f. Zusatzinfo: 2002 begann Großbritannien mit dem Aufbau einer zentralen Datenbank im staatlichen Gesundheitssystem, dem National Health Service (NHS). Ein Gutachten stellte jedoch fest, dass „weder die Kommunikation zwischen ÄrztInnen und Kliniken“ vereinfacht, „noch sonst in irgendeiner Form die Gesundheitsversorgung“ verbessert wurde. Darum stand das Urteil über das Vorhaben, das bis heute 12 Milliarden Pfund verschlang, bald fest: Das „bisher gewaltigste Scheitern“ eines IT-Projektes.
10 vgl. junge Welt, Nr. 19 vom 23.01.2015, S. 5: „Ziel: Gläserner Patient“
11 vgl. www.bmg.bund.de; Elektronische Gesundheitskarte und E-Health, Allgemeine Informationen/Fragen und Antworten
12 www.kathrin-vogler.de; Bundestagsrede vom 16.01.2015
13 vgl. www.presseportal.de: Elektronische Gesundheitskarte: Super-GAU durch Sicherheitsangriffe auf Chipkarten
14 vgl. www.stoppt-die-e-card.de: Chipkarten-Hack und die Folgen – Kommentare der Experten 2,0
15 vgl. WAZ vom 19.08.2014: Wieder Konten mit TAN-System leergeräumt
16 vgl. www.kathrin-vogler.de: Auch 2015 sind Arztbesuche ohne eCard möglich
17 vgl. www.digitalcourage.de: Wie geht es weiter mit der elektronischen Gesundheitskarte?
18 vgl. www.initiative-patientendaten.de: Streit um elektronische Gesundheitskarte eskaliert
19 vgl. www.ddrm.de: Ein Skandal: Die Erpressung chronisch Kranker ohne eGK wird weiter verschärft

[Dormagen] Carl Duisberg

CBG Redaktion

29. Januar 2015

heutige Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses

Anträge auf Umbenennung der Carl-Duisberg-Straße

Der Dormagener Planungs- und Umweltausschuss berät heute über die Anträge der Grünen sowie von Linken/Piraten über die Umbenennung der Dormagener Carl-Duisberg-Straße. Die Fraktionen schlagen vor, dem Vorbild der Städte Dortmund und Lüdenscheid zu folgen, die Ende des Jahres für eine Namensänderung votiert hatten. Bürgermeister Erik Lierenfeld schlägt alternativ vor, zunächst vom Kreisarchiv alle Dormagener Straßen auf belastete Namenspaten zu untersuchen.

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren begrüßt die Anträge von Grünen, Linken und Piraten: „Carl Duisberg ist als Vorbild für künftige Generationen nicht geeignet. Daher fordern wir den Stadtrat von Dormagen auf, den Namen der Carl-Duisberg-Straße zu ändern.“

Das Dortmunder Stadtarchiv hatte zur Lebensgeschichte von Carl Duisberg geschrieben: „Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die - auch nach dem damals geltenden internationalen Kriegsrecht illegale - Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. (…) Als Patriarch lehnte er bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab. Er war von Beginn an Gegner der Weimarer Demokratie.“ Auch Duisbergs Unterstützung des antisemitischen „Alldeutschen Verbands“ wird genannt, siehe: www.cbgnetwork.org/downloads/Stellungnahme_Stadtarchiv_Dortmund.pdf

Das Lüdenscheider Stadtarchiv schreibt unter anderem: „Während des Ersten Weltkriegs wurde unter Duisbergs Vorsitz bei Bayer Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. Abfallprodukte der Chemischen Industrie, die mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfte, dienten als Rohstoffe. In Leverkusen war das u. a. Phosgen, ein Gas, das besonders grausam wirkt“, siehe: www.cbgnetwork.org/downloads/Duisberg_Stadtarchiv_Luedenscheid.pdf

Im 1. Weltkrieg hatte Duisberg gegenüber den Generälen Hindenburg und Ludendorff den Mangel an Arbeitskräften beklagt. Mit dem Ausspruch „Öffnen Sie das große Menschenbassin Belgien“ forderte er den Einsatz von Zwangsarbeitern. Das Reichsamt des Inneren griff Duisbergs Vorschlag auf und ließ 1916 zehntausende Belgier deportieren. Mehrere Tausend starben. Die Verschleppung gilt unter Historikern als Vorläufer des mörderischen Zwangsarbeiter-Programms im 2. Weltkrieg.

Zur selben Zeit entwickelte Carl Duisberg gemeinsam mit Fritz Haber Giftgase wie „Grünkreuz“ und „Senfgas“, testete diese erstmals an der Front und verlangte vehement ihren Einsatz. Auch forderte Duisberg im 1. Weltkrieg die Annexion großer Gebiete in Osteuropa – ebenfalls eine Forderung, die 25 Jahre später Früchte trug. Zu Kriegsende flohen Duisberg und Haber in die Schweiz, da sie sich auf den Auslieferungslisten der Alliierten befanden und eine Anklage als Kriegsverbrecher fürchteten.

Der Weimarer Republik stand Duisburg von Anfang an ablehnend gegenüber. Duisburg organisierte Spenden an nationalistische Parteien, spätestens seit 1930 auch an die NSDAP. Im Gegenzug für ihre Millionen-Spenden erhielt die IG FARBEN von den Nationalsozialisten Absatzgarantien für synthetischen Treibstoff und Kautschuk. Kein anderes Unternehmen kollaborierte in der Folgezeit so eng mit dem Dritten Reich.

weitere Infos zur Kampagne hier

[Carl Duisberg] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

Erfolg der CBG-Kampagne

Dortmund ohne Duisberg

Zum 150. Geburtstag von Carl Duisberg im Jahr 2011 forderte die CBG die Umbenennung der nach dem langjährigen BAYER-Generaldirektor benannten Straßen und Schulen. Der Chemiker tauge wegen seiner Verantwortung für Gaskrieg und Zwangsarbeit nicht als Vorbild für künftige Generationen, so die Coordination. Nun trug die Kampagne Früchte: Die Dortmunder Carl-Duisberg-Straße wird umbenannt, auch in anderen Städten laufen entsprechende Anträge.

Am Ende ging es schnell: eine große Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken und Piraten stimmte für die Umbenennung der Dortmunder Carl-Duisberg-Straße. Künftig wird sie „Kleine Löwenstraße“ heißen. Auch die CDU gab ihren ursprünglichen Widerstand auf, stimmte jedoch für eine Umbenennung in „Heiliger Weg“. Ein Brief des BAYER-Konzerns, der die Namensänderung in letzter Minute verhindern sollte, fand keine Berücksichtigung.
Damit kam Ende November 2014 ein Verfahren zum Abschluss, das mit einem Aufruf der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN drei Jahre zuvor begonnen hatte: Zum 150. Geburtstag des ehemaligen BAYER-Generaldirektors forderte die CBG eine Umbenennung der nach Duisberg benannten Straßen (so in Bonn, Krefeld, Frankfurt, Dormagen, Wuppertal und Leverkusen), der gemeinnützigen Carl-Duisberg-Centren und des Wuppertaler Carl-Duisberg-Gymnasiums. Auch die Leverkusener Ehrenbürgerwürde solle aberkannt werden, verlangte die Coordination.
Der ehemalige Dortmunder Ratsherr Richard Kelber nahm dies zum Anlass, einen Bürgerantrag zur Umbenennung der örtlichen Carl-Duisberg-Straße zu stellen. Zunächst wurde der Antrag immer wieder vertagt. Dann sollte er in geheimer Sitzung beraten werden – angeblich um die Persönlichkeitsrechte (!) des 1935 verstorbenen Duisbergs zu schützen. Aufgrund öffentlicher Kritik trat die zuständige Bezirksvertretung schließlich die Flucht nach vorne an: In einem gemeinsamen Antrag forderten SPD, Grüne und CDU das Stadtarchiv auf, alle Dortmunder Straßen zu untersuchen und eine Liste untragbarer Namens-Paten vorzulegen.

Umfangreiche Prüfung
Um die weit über tausend Straßen durchzugehen, benötigte das Stadtarchiv weitere 18 Monate. Schließlich legte es im September 2014 eine Aufstellung mit sechs Namen vor, die „man sich als weltoffene Stadt nicht leisten kann“, so Archiv-Leiter Dr. Stefan Mühlhofer. In der Liste finden sich nationalsozialistische Schriftsteller wie Karl Wagenfeld und Friedrich Castelle sowie der Konteradmiral Maximilian von Spee.
Zum ehemaligen BAYER-Chef heißt es in der Stellungnahme: „In der Bewertung der Person Carl Duisbergs durch das Stadtarchiv wurden durchaus auch die bis heute positiv zu wertenden Aspekte in seiner Lebensleistung berücksichtigt. Nichtsdestotrotz empfiehlt das Stadtarchiv, bei der Abwägung aller Aspekte des Lebens von Carl Duisberg, eine Umbenennung.“
Zur Begründung schreiben die Historiker: „Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. (…) Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die - auch nach dem damals geltenden internationalen Kriegsrecht illegale - Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. (…) Als Patriarch lehnte er bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab. Er war von Beginn an Gegner der Weimarer Demokratie.“
Jan Pehrke vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN begrüßt die Entscheidung: „Carl Duisberg, der geistige Vater der IG FARBEN, ging für Profite buchstäblich über Leichen. Er war nicht nur ein ‚Kind seiner Zeit’, sondern trug entscheidend zu den mörderischen Entwicklungen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts bei. Auch die noch verbleibenden Carl-Duisberg-Straßen sollten daher umbenannt werden.“

BAYER rüstet auf
Schon um 1900 hatte Carl Duisberg rücksichtslos die Vermarktung von Heroin als angeblich harmlosem Hustenmittel betrieben. Als Wissenschaftler das Suchtpotenzial von Heroin anprangerten, äußerte Duisberg – zu diesem Zeitpunkt Prokurist bei BAYER –, man müsse die „Gegner mundtot schlagen“. Obwohl sich rasch die Gefahr der Abhängigkeit herausstellte, ließ Duisberg den gewinnbringenden Verkauf mehr als ein Jahrzehnt lang fortführen.
Zu Beginn des ersten Weltkriegs griff die deutsche Chemie-Industrie, mit Carl Duisberg und BASF-Chef Carl Bosch an der Spitze, erstmals in die Weltgeschichte ein. Die eilig errichteten Anlagen zur Ammoniak-Synthese ermöglichten dem von den Weltmärkten abgeschnittenen Deutschen Reich erst die Produktion von Sprengstoffen und Schießpulver und damit die weitere Kriegsführung.
Von 1914 an entwickelte Duisberg gemeinsam mit dem späteren Nobelpreisträger Fritz Haber Giftgase wie „Grünkreuz“ und „Senfgas“, testete diese persönlich auf Truppenübungsplätzen und verlangte vehement ihren Einsatz. So schrieb Duisberg an die Oberste Heeresleitung: „Dieses Chlorkohlenoxyd ist das gemeinste Zeug, das ich kenne. ... Ich kann deshalb nur noch einmal dringend empfehlen, die Gelegenheit dieses Krieges nicht vorübergehen zu lassen, ohne auch die Hexa-Granate zu prüfen“. Duisberg und Haber verstießen damit wissentlich gegen die Haager Landkriegsordnung.
Auch forderte der BAYER-Generaldirektor mit dem Ausspruch „Öffnen Sie das große Menschenbassin Belgien" den Einsatz von Zwangsarbeitern. Das Reichsamt des Inneren griff den Vorschlag auf und ließ rund 60.000 Belgier deportieren, was international zu Protesten führte. Rund 12.000 Verschleppte starben.
Carl Duisberg engagierte sich in der vom antisemitischen „Alldeutschen Verband“ gesteuerten Kriegszielbewegung und forderte die Annexion des besetzten Belgien und von Nordfrankreich, etwas später auch „deutschen Lebensraum“ in Polen und Russland. Zudem befürwortete er den uneingeschränkten U-Boot-Krieg und lehnte Friedensverhandlungen vehement ab. 1917 trat er in die rechtsextreme „Deutsche Vaterlandspartei“ ein.
Durch die Lieferungen an das Militär stieg der Profit in ungeahnte Höhen. Entsprechend jubelte der BAYER-Chef im Juli 1915: „Sähen Sie jetzt einmal, wie es hier in Leverkusen aussieht, wie die ganze Fabrik umgekrempelt und umorganisiert ist, wie wir fast nichts mehr als Kriegslieferungen ausführen (...), so würden Sie Ihre helle Freude haben.“
Diese Rüstungsgeschäfte brachten Duisberg zum Kriegsende auf die Auslieferungslisten der Alliierten. Da er eine Anklage als Kriegsverbrecher fürchtete, floh er in die neutrale Schweiz. Wegen seiner guten Verbindungen – auch in die USA – wurde er jedoch nicht weiter belangt.
In den 20er Jahren erfüllte sich schließlich Duisbergs Lebenstraum, der Zusammenschluss der deutschen Chemie-Industrie zur IG FARBEN, deren Aufsichtsratsvorsitzender er dann auch wurde. Der BAYER-Generaldirektor haderte mit der Demokratie von Weimar und organisierte Spenden an konservative und nationale Parteien, spätestens seit 1930 auch an die NSDAP. 1931 verlangte er in einer Rede vor der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf die Schaffung eines „europäischen Wirtschaftsblocks von Bordeaux bis Odessa“ unter deutscher Dominanz. Von den Nationalsozialisten erhielten die IG FARBEN im Gegenzug für ihre Millionen-Spenden noch vor der so genannten „Machtergreifung“ Absatzgarantien für synthetischen Treibstoff und Kautschuk. In der Folgezeit kooperierte kein Unternehmen so eng mit dem Dritten Reich wie das Chemie-Kartell.

Kampagne geht weiter
BAYER setzt unbeirrt auf seinen einstigen Lenker. So veröffentlichte der Konzern zum 150. Geburtstag Duisbergs im September 2011 eine wahre Eloge. Von Duisbergs „Ziel, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern“ ist darin ebenso die Rede wie von seinem angeblichen sozialen Engagement sowie seiner Rolle als „Kunstliebhaber und –förderer“.
In der BAYER-Hauptversammlung im vergangenen April betrieb Marijn Dekkers dann reinsten Geschichtsrevisionismus. Auf einen Gegenantrag der CBG antwortete der Vorstandsvorsitzende, dass BAYER die Rolle von Duisberg im Ersten Weltkrieg umfassend aufgearbeitet habe. Dann dozierte Dekkers: „Die historischen Verdienste Carl Duisbergs sind weithin anerkannt. Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein und setzte sich für den Umweltschutz ein, lange bevor es gesetzliche Regelungen dazu gab“. Ein Hohn nicht nur angesichts von Duisbergs Widerwillen gegen Abwasser-Reinigung, die er als „Vergeudung von Nationalkapital“ ansah.
Für die Kampagne der CBG gibt es derweil in vielen Städten Unterstützung. In Marburg konnte eine ehemalige Chemie-Studentin erreichen, dass am dortigen Duisberg-Studentenwohnheim eine Plakette mit einer kritischen Würdigung angebracht wurde. In Frankfurt wurden rund um die Duisbergstraße Flugblätter verteilt, zudem kam – wie auch in Lüdenscheid – ein Antrag zur Namensänderung auf den Weg. Der Leverkusener Stadtrat befasste sich ebenfalls mit dem Thema, lehnte eine Umbenennung – wohl mit Rücksichtnahme auf den größten Steuerzahler – jedoch ab. Offiziell wurde die Absage mit Verweis auf die hohen Kosten begründet.
Jan Pehrke abschließend: „Carl Duisberg war ein überzeugter Nationalist, eine herrschsüchtiger Patriarch und ein erbitterter Feind der Gewerkschaften. Man kann Duisberg nur als ‚verbrecherisches Genie’ bezeichnen, das die Moral Zeit seines Lebens dem Geschäftssinn unterordnete.“ Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird die Kampagne daher fortführen. Als nächster Schritt ist ein Gegenantrag zur Hauptversammlung des Konzerns im Mai geplant. Von Philipp Mimkes

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[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Umbenennungskampagne erfolgreich
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund hatte das jetzt Erfolg (siehe auch SWB 1/15). Eine große Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken und Piraten stimmte dafür, die Carl-Duisberg-Straße in „Kleine Löwenstraße“ umzutaufen. Und auch Lüdenscheid möchte Duisberg nicht mehr ehren und suchte sich für einen Weg einen neuen Namenspatron. In anderen Orten, wie in Frankfurt, Dormagen, Bonn, Krefeld, Wuppertal, und Maxdorf/Ludwigshafen läuft die Kampagne unterdessen weiter.

Kampagne für Patent-Gesetz
Mit Patenten auf Pharmazeutika sichern sich BAYER & Co. Monopol-Profite. Dieses Vorgehen macht die Arzneien besonders für Menschen in Armutsregionen unerschwinglich. Viele Länder versuchen allerdings, ihrer Bevölkerung trotzdem den Zugang zu den benötigten Medikamenten zu sichern. So berief sich Südafrika im Jahr 2001 auf einen Ausnahme-Paragrafen des internationalen TRIPS-Patentschutzabkommens und führte Nachahmer-Präparate von AIDS-Medikamenten ein, was BAYER und 40 weitere Pharma-Riesen zu einer Klage veranlasste. 2008 beschloss der Staat deshalb, die Praxis durch ein Patent-Gesetz gerichtsfest zu machen. Zu einer Verabschiedung des Paragrafen-Werkes kam es jedoch noch nicht. Extrem-Lobbying von BAYER & Co. hat das bis jetzt verhindern können – allein der US-amerikanische Pillenhersteller-Verband PhRMA steckte 450.000 Dollar in eine PR-Kampagne gegen den Plan. (Ticker 2/14). Es gibt aber auch Gegenkräfte: Die AIDS-Initiative TREATMENT ACTION CAMPAIGN versammelte 50.000 Organisationen und Einzelpersonen hinter sich, um für das Gesetz – unter anderem durch einen Offenen Brief an den südafrikanischen Ministerpräsidenten Jacob Zuma – zu werben.

KAPITAL & ARBEIT

Plischke bald im Aufsichtsrat?
Lange Zeit war es für die Vorstandsvorsitzenden von BAYER & Co. Usus, nach ihrer Amtperiode als Firmenlenker den Posten des Aufsichtsratschefs zu übernehmen. 2009 hat die damalige Große Koalition diesem Automatismus jedoch einen Riegel vorgeschoben. Nach Ansicht von CDU und SPD standen die internen Lösungen einer wirklichen Kontrolle der Geschäftspolitik im Wege. Deshalb erlegten sie den wechselwilligen ManagerInnen eine zwei-jährige Karenzzeit auf. Äußerst widerwillig saß diese Werner Wenning ab, ehe er als Aufsichtsratsvorsitzender zum Leverkusener Multi zurückkehrte. Und jetzt richtet sich auch der 2014 pensionierte ehemalige Forschungsvorstand Wolfgang Plischke in der Warteschleife auf ein Comeback beim Pillen-Riesen ein. „Der Leverkusener Pharma-Konzern möchte auf seine Expertise und langjährigen internationalen Erfahrungen nicht verzichten“, vermeldet die Faz. Zu dieser „Expertise“ hatte es unter anderem gehört, trotz interner Warnungen so lange es nur irgend ging an dem Cholesterinsenker LIPOBAY festzuhalten, welcher dann schließlich bis zu seinem von den Behörden erzwungenen Vertriebsstopp über 100 Menschen den Tod brachte.

Multifunktionär Wenning
Mit seinem Posten als BAYER-Aufsichtsratschef fühlt sich Werner Wenning noch längst nicht ausgelastet. Dieselbe Position bekleidet er bei E.ON, und bei SIEMENS rückte er jüngst zum Aufsichtsratsvize vor. Einfache Mandate nimmt er zudem in den Kontrollgremien der DEUTSCHEN BANK und der Versicherungsgesellschaft TALANX wahr. Darüber hinaus hat Wenning Sitze in den Gesellschafter-Ausschüssen von HENKEL und FREUDENBERG.

ERSTE & DRITTE WELT

Afrika im Fokus
Auf der Suche nach Absatz-Gebieten hat der Leverkusener Multi einen neuen Kontinent entdeckt. „2014 steht eine Afrika-Strategie hoch oben auf der Agenda“, bekundete der Konzern unlängst (Ticker 3/14). Machte das Unternehmen dort 2012 einen Umsatz von 711 Millionen Euro, so erwartet es bis 2018 eine Steigerung auf über eine Milliarde Euro. In einzelnen Staaten rechnet es sogar mit einem Plus von über 30 Prozent. Die meisten Hoffnungen ruhen dabei auf dem Pharma-Sektor, der bereits jetzt für die größten BAYER-Einnahmen in Afrika sorgt. „Schon im vergangenen Jahrzehnt haben sich die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit in Afrika mehr als verdoppelt“, frohlockt der Pillen-Produzent. Vor allem mit Diabetika, Anti-Infektiva und Verhütungsmitteln macht er dort Geschäfte. Bei den Kontrazeptiva darf er dabei sogar auf die tatkräftige Unterstützung durch Entwicklungshilfe-Programme zur Familien-Planung bzw. Bevölkerungspolitik zählen. „Wir haben ein einzigartiges Portfolio, und unsere Mission ‚BAYER: Science For A Better Life’ steht für genau das, was Afrika braucht“, meint der Konzern. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE kommt da zu einer ganz anderen Einschätzung. Die Initiative untersuchte das Gebaren von BAYER & Co. in Uganda, das als beispielhaft auch für die Unternehmenspolitiken in anderen Ländern des Kontinents gelten kann, und stellt dem Konzern ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. So vermarktet dieser dort viele umstrittene und deshalb als irrational eingestufte Pharmazeutika: 21 von 49 Medikamenten fallen unter diese Kategorie. Zu den als unentbehrlich erachteten Mitteln des Global Players hingegen hat die Bevölkerung wegen der hohen Preise kaum Zugang; sie finden sich zumeist nur in Privatkliniken und Privat-Apotheken. Darüber hinaus bietet der Multi in dem Staat für die am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen kaum Arzneien an, weil er sich in Forschung & Entwicklung lieber auf die mehr Rendite versprechenden Mittel gegen westliche Zivilisationskrankheiten konzentriert. Ähnlich verhalten sich die anderen großen Pharma-Hersteller. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden rund eine Milliarde Menschen an Plagen wie Ebola, Tuberkulose, Flussblindheit oder Bilharziose, gegen die Big Pharma kein Mittel weiß.

Kein Moxifloxacin bei TBC
Die Pharma-Multis haben die ärmeren Staaten nicht in ihrer Kundendatei. Deshalb müssen öffentliche oder private Institutionen einspringen, um Medikamenten-Entwicklungen für Krankheiten zu fördern, die besonders häufig in sogenannten Entwicklungsländern auftreten. Eine solche Organisation ist die „Global Alliance for TB-Drug-Development“. Bill Gates, die Rockefeller Foundation, die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA und diverse andere Vereinigungen finanzieren im Rahmen des Verbundes die Suche nach neuen Tuberkulose-Behandlungsmethoden. So fließt auch Geld für die Erprobung einer Kombinationstherapie von Tbc-Arzneien mit BAYERs Antibiotikum AVALOX; speziell für diesen Forschungsansatz hatte die Stiftung von Bill und Melinda Gates im Frühjahr 2006 noch einmal 100 Millionen Dollar locker gemacht. Das Präparat sollte die Genesung beschleunigen, auf diese Weise die Bildung Antibiotika-resistenter Bakterienstämme eindämmen und so die Überlebenschancen der PatientInnen erhöhen. Dies schaffte das Mittel jedoch nicht: Die verkürzte Therapie wirkte sich negativ auf den Heilungsprozess aus und führte häufiger zu Rückfällen.

Indien weniger im Fokus
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Erprobungen in ärmere Länder aus. Besondern in Indien finden BAYER & Co. günstige Standort-Bedingungen vor. Dort locken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und fehlende Kontrollen. Die Risiken und Nebenwirkungen sind dementsprechend hoch. Allein von 2007 bis 2011 kamen 158 TeilnehmerInnen an klinischen Prüfungen mit BAYER-Präparaten ums Leben. Das bewog die indischen Behörden, strengere Regeln einzuführen. So machten sie es den Pharma-Riesen zur Pflicht, für alle etwaigen Gesundheitsstörungen ihrer ProbandInnen aufzukommen. Der Leverkusener Multi reagierte prompt: Er stornierte schon angesetzte Versuche mit seinem Gerinnungshemmer XARELTO.

BAYER’S TONIC in Indien
In ärmeren Regionen können die Menschen sich oft keinen MedizinerInnen-Besuch leisten. Die Pharma-Riesen reagieren darauf, indem sie ominöse Allheilmittel auf den Markt werfen. So vertreibt der Leverkusener Multi in „Entwicklungsländern“ etwa BAYER’S TONIC mit den Ingredienzien Leber-Extrakt, Hefe, Zucker und Alkohol als Stärkungsmittel. In Indien bewarb der Multi das Produkt ungeachtet seines Alkohol-Gehaltes von rund zehn Prozent speziell für Kinder. Erst nach Protesten von Gesundheitsinitiativen sah das Unternehmen davon ab und druckte ein Warnhinweis auf die Packung. Trotzdem empfehlen es ApothekerInnen aus alter Gewohnheit immer noch für diese Altersgruppe, wie Testkäufe der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gezeigt haben. Und das Versprechen, das Präparat ohne Alkohol herzustellen, hat der Konzern bis heute nicht eingelöst.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Eine kleine BAYER-Buße
BAYER war bereits an den Vorbereitungen zum Ersten Weltkrieg beteiligt und avancierte später zum wichtigsten Lieferanten chemischer Waffen. Generaldirektor Carl Duisberg fischte auch im „Menschenbassin Belgien“ nach ZwangsarbeiterInnen und formulierte die Kriegsziele mit. Der fatalen Rolle, die der Leverkusener Multi bei dem Waffengang spielte, stellte er sich im Gedenkjahr 2014 allerdings nicht. Bei der letzten Hauptversammlung vom CBGler Axel Köhler-Schnura mit der Kritik an Duisbergs Kriegsverbrechen konfrontiert, antwortete Unternehmenschef Marijn Dekkers: „Die historischen Verdienste Carl Duisbergs sind weithin anerkannt. Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein und setzte sich für den Umweltschutz ein, lange bevor es gesetzliche Regelungen dazu gab.“ Später im Jahr aber kam es doch noch zu einer kleinen Geste der Reue von Seiten des Global Players. Am Volkstrauertag beteiligten sich Christian Zöller und Iris Müller-Florath von der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA an einem Rundgang zu den Erinnerungsorten des Ersten Weltkriegs in Leverkusen, zu denen auch das Tor 4 des Chem„parks“ zählt. Dort hielt Zöller, der bei dem Unternehmen für den „Politik- und Bürgerdialog“ zuständig ist, eine Ansprache zur historischen Verantwortung des Konzerns. Als „Krieg der Chemiker“ bezeichnete Zöller darin den Ersten Weltkrieg und berichtete dann von BAYERs Chemiewaffen-Produktion.

KAPITAL & ARBEIT

Selbstbedienung im Ideen-Pool
Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit betont der Leverkusener Multi die Unverzichtbarkeit des Schutzes des geistigen Eigentums. An den Ideen seiner Beschäftigten vergreift der Konzern sich jedoch ganz unverblümt. So erklärt der Pharma-Riese frank und frei, dank der Verbesserungsvorschläge der Beschäftigten aus dem „BAYER Ideen-Pool“ bereits im ersten Jahr der Umsetzung über vier Millionen Euro eingespart zu haben. An Prämien zahlte er indessen nur rund 1,3 Millionen Euro aus.

Neue „Innovationsplattform“
Nicht nur qua Ideen-Pool (s. o.) beutet BAYER das Potenzial seiner Beschäftigten aus. Seit Mai 2014 betreibt der Leverkusener Multi eine sogenannte Innovationsplattform mit Namen „WeSolve“, auf der er die Belegschaft mit konkreten Fragestellungen konfrontiert. „Wie könnte eine Technologie aussehen, um Schädlingsbefall aus der Ferne zu erkennen?“, will der Konzern da beispielsweise von seinen Belegschaftsangehörigen wissen. Mit der Resonanz auf diese Maßnahme zur Abschöpfung von Wissen zeigt sich das Unternehmen angesichts von bisher 800 Beiträgen zufrieden. „Das Feedback ist sehr positiv“, lässt „Global Program Manager“ Puneet Kumar Srivastava verlauten.

POLITIK & EINFLUSS

„Lex BAYER“ verabschiedet
Über die marode Leverkusener Autobahn-Brücke, zu derem beklagenswerten Zustand BAYERs immenser Liefer-Verkehr nicht wenig beigetragen hat, dürfen keine schweren LKWs mehr fahren. Zum Gelände des Chemie-Multis müssen sie deshalb einen Umweg von ca. 20 Kilometern in Kauf nehmen. Ernst Grigat, bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA für die Chem-„Parks“ in Leverkusen und Dormagen verantwortlich, verfällt aus diesem Grund schon in Weltuntergangsstimmung. „Wenn nicht schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wird, fürchten wir, dass die Industrie verlagert wird. Damit ist das langsame Sterben der chemischen Industrie in Deutschland vorprogrammiert.“ Und die apokalyptischen Töne zeigen Wirkung. Grigat bekommt eine neue Brücke, und damit alles ganz schnell gehen kann, änderte die Bundesregierung Ende März 2015 sogar das Bundesfernstraßen-Gesetz. Dieses erschwert es den BürgerInnen nämlich, gegen die Planungen vorzugehen, indem es kurzen Prozess macht: Etwaige Einsprüche dürfen nur noch über eine Instanz gehen. Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD) verspricht sich davon einen Zeitgewinn von bis zu anderthalb Jahren. Ein Problem mit der Beschneidung der BürgerInnen-Rechte hat er nicht. Als wichtiger erachtet es der Sozialdemokrat, dass der Neubau steht, bevor die Rheinbrücke gar nicht mehr befahrbar ist. „Wir können es uns nicht leisten, durch Klagewellen das Risiko einer Vollsperrung einzugehen“, so Groschek. Sogar die zwischen der Brücke und dem Kreuz Leverkusen geplante acht-spurige Stelzen-Autobahn fällt unter die „Lex BAYER“, was die Stadtverwaltung an BAYERs Stammsitz erboste. „Im Leverkusener Rathaus herrscht Entsetzen über die Pläne“, vermeldete der Leverkusener Anzeiger. Es spreche überhaupt nichts dafür, die Klagerechte der Bürger in Sachen „Stelzen-Autobahn“ einzuschränken, gab das Blatt die Worte von Bau-Dezernentin Andrea Deppe wieder.

Groschek erhält Wunschliste
Der Leverkusener Multi trägt dank ganz legaler Steuertricks zwar kaum noch etwas zur Finanzierung des Gemeinwesens bei, dafür wachsen aber die Begehrlichkeiten. So sieht er den Staat nicht nur beim Bau neuer Brücken in der Pflicht (s. o.), ganz allgemein fordert der Konzern mehr Anstrengungen im Bereich „Infrastruktur“. Deshalb überreichte der Branchen-Verband „ChemCologne“ dem nordrhein-westfälischen Bauminister Michael Groschek schon im letzten Jahr eine Wunschliste in Form der Studie „Chemie-Logistik im Rheinland“. Aber nicht nur neue Bau-Maßnahmen mahnen BAYER & Co. darin an, sie beanspruchen auch ein Mitsprache-Recht bei den Projekten. „Für eine funktionierende Chemie-Logistik ist es wichtig, dass bei der Verkehrsinfrastruktur-Planung die besonderen Bedürfnisse der chemischen Industrie (Gefahrgut-Transport) berücksichtigt werden“, schreiben die Unternehmen Groschek ins Stammbuch.

Kraft weiht TDI-Anlage mit ein
Am 9. Dezember 2014 weihte der Leverkusener Multi in Dormagen seine neue Kunststoff-Anlage ein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Verbände hatten sich im Vorfeld gegen das Projekt ausgesprochen und ihre Kritik auf einem Erörterungstermin im Herbst 2011 vorgetragen. Die Coordination stieß sich vor allem am großen Ressourcen-Verbrauch der Fertigungsstätte und am avisierten Gebrauch des gefährlichen Giftgases Phosgen als Zwischenprodukt, ohne Schutzmaßnahmen durch eine Beton-Ummantelung der Produktionsstätte zu treffen. Darüber hinaus monierte sie den zu geringen Sicherheitsabstand zu Wohnsiedlungen und Verkehrseinrichtungen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gab all dem hingegen bei der feierlichen Eröffnung ihren landesmütterlichen Segen. Sie bescheinigte dem Global Player, mit der TDI-Produktion ein Signal für den Umweltschutz zu setzen. Und obwohl der Konzern gerade einmal drei Monate vorher die Trennung von seiner Plaste-Sparte bekanntgegeben hatte, weil sie seinen Rendite-Vorstellungen nicht mehr entsprach, stimmte für die Sozialdemokratin die Chemie. „Die Investition macht die Leistungsstärke des BAYER-Standortes deutlich. Es ist aber auch ein wichtiges Zeichen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Nordrhein-Westfalens als attraktiver Chemie-Standort“, bekundete sie.

Schöning im VFA-Vorstand
Klaus Schöning, Leiter von BAYER HEALTHCARE, hat einen Posten im Vorstand des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller errungen. Als einer der größten bundesdeutschen Arznei-Produzenten hat der Multi Schöning zufolge eine Art natürliches Recht auf einen solchen Sitz: „Daraus ergibt sich auch unser Anspruch, Verbandsarbeit aktiv mitzugestalten.“ Besonders aktiv will der Manager den Dialog mit Bundestagsabgeordneten und anderen wichtigen EntscheiderInnen in Berlin vorantreiben. „Diese Gespräche sind wichtig, um den Wert der Arzneimittelbranche und insbesondere unserer innovativen Medikamente für die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft deutlich zu machen“, so der Healthcare-Chef.

Regierung startet Pharma-Dialog
Im September 2014 hat die Bundesregierung den „Pharma-Dialog“ ins Leben gerufen. In einer konzertierten Aktion wollen das Gesundheits-, Wirtschafts- und das Forschungsministerium den Pillen-Produzenten bessere Rahmenbedingungen verschaffen. „Erklärtes Ziel des Dialogs ist die Stärkung des Pharma-Standortes Deutschland“, freut sich der Leverkusener Multi. Schon zwei Monate nach dem Start der Initiative durfte der Global Player Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zum Antrittsbesuch begrüßen und sich von ihm loben lassen: Als einen der „innovativsten Wirtschaftszweige unseres Landes“ bezeichnete Gröhe die Arznei-Branche. BAYER-Chef Marijn Dekkers möchte dafür allerdings mehr Anerkennung und kündigte an, diese bei den Pharma-Dialogen auch einzufordern. „Wenn uns Politik und Gesellschaft unterstützen, können wir weiterhin in Deutschland forschen, innovative Arzneimittel für die ganze Welt entwickeln und im globalen Wettbewerb vorne mitspielen“, sagte er mit einem kaum verhohlenen drohenden Unterton. Der Vorsitzende des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller“, Hagen Pfundner, hat derweil schon einen Akteur ausgemacht, der angeblich einen Keil zwischen Politik und Pharma-Konzerne treibt: die Krankenkassen. Durch ihre Dominanz bei den Preisverhandlungen für neue Medikamente würden sich „Politik und Industrie voneinander entfernen“, meint der Lobbyist. Aber er weiß Abhilfe. WissenschaftlerInnen sollen an den Gesprächen teilnehmen und den Einfluss von DAK & Co. reduzieren, rät Pfundner.

Kritik am AMNOG
Die PolitikerInnen erwarteten vom 2011 eingeführten Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) Einsparungen bei den Medikamenten-Ausgaben von bis zu zwei Milliarden Euro. Die Kosten/Nutzen-Bewertung von bereits zugelassenen Pillen sollte nämlich die Spreu vom Weizen trennen und die Pharma-Riesen bei Minderleistern oder 08/15-Produkten zu finanziellen Zugeständnissen zwingen. Die mit dem Paragrafen-Werk verbundene Hoffnung trog jedoch, nicht zuletzt, weil die schwarz-gelbe Koalition auf Druck der Pharma-Lobby von ihren Plänen abgerückt war, alle Arzneien einer Revision zu unterziehen und sich stattdessen auf neue Präparate beschränkte. BAYER & Co. reicht dies jedoch nicht. Sie fordern einen weiteren AMNOG-Rückbau. So stößt sich Frank Schöning von BAYER VITAL an dem, was das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) unter Zusatznutzen versteht. „Wenn kein Zusatznutzen festgestellt wird, bedeutet das nicht automatisch, dass ein Produkt keinen Zusatznutzen hat“, sagte er bei einem vom Leverkusener Multi anberaumten Presse-Gespräch und warf dem IQWIG vor, „patienten-relevante Endpunkte“ bei ihren Untersuchungen nicht in ausreichendem Maß zu berücksichtigen. Der BAYER-Manager hätte nämlich schon gerne einen Zusatznutzen für ein Produkt ausgewiesen bekommen, wenn es nicht mehr dreimal, sondern nur noch zweimal am Tag eingenommen werden muss. Hilfestellung leistete Schöning bei dem Termin die Geschäftsführerin des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Industrie“, Birgit Fischer. „Es besteht der Verdacht, dass es einzig und allein um die Reduzierung der Preise geht“, mit diesen Worten kritisierte die Lobbyistin das Bewertungsverfahren.

Mehr Gentech-Importe gefordert
Die europäischen Dachverbände der Futtermittel- und Fleisch-Industrie sowie der LandwirtInnen fordern die EU auf, mehr Importgenehmigungen für Gen-Pflanzen von BAYER, MONSANTO & Co. zu erteilen. Wenn nicht mehr Ackerblüten wie BAYERs T25-Mais oder die beiden Baumwoll-Arten T304-40 und LL25xGHB614 auf den Markt kommen und eingeführte Sorten konventioneller Art keine Spuren dieser Laborfrüchte enthalten dürfen, ist nach dem Horror-Szenario der Lobby-Organisationen die Nahrungsmittel-Sicherheit gefährdet.

Obamas Klima-Plan gefährdet
Die Obama-Administration bereitet einen „Clean Power Plan“ vor. Dieser will den Energie-Erzeugern vorschreiben, die Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent zu verringern. BAYER & Co. laufen Sturm gegen das Vorhaben, weil sie höhere Strom-Preise befürchten. Der Industrie-Verband „Chamber of Commerce“ legte umgehend eine Studie vor, um Stimmung gegen die Gesetzes-Initiative zu machen. 290 Milliarden Dollar müssten die VerbraucherInnen infolge des Obama-Projekts bis 2030 mehr für Energie zahlen, rechnete der Lobby-Club vor. Und auch die in Diensten der Konzerne stehende JuristInnen-Vereinigung „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) entfaltete sogleich Aktivitäten. In mehr als 12 Bundesstaaten schrieb die Organisation, welcher der Leverkusener Multi seit 1992 angehört, für republikanische PolitikerInnen Eingaben gegen den „Clean Power Plan“.

PROPAGANDA & MEDIEN

Marken-Pflege bei Facebook
„BAYER duldet keine Gesetzes-Verstöße bei der Vermarktung seiner Produkte. Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“, heißt es in einem Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Dennoch überschreitet er immer wieder die Grenzen des Erlaubten. So hat der Konzern die österreichische PR-Agentur Mhoch3 engagiert, um „Online-Reputationsmanagement“ zu betreiben und mittels gefaketer Postings Produkte des Unternehmens auf Facebook und in Foren anzupreisen (siehe auch SWB 1/15). In krudem Stil, der für Authentizität bürgen soll, ist auf chefkoch.de dann beispielsweise „Benny was hast du deiner katze letzt endlich gegeben damit die Flöhe verschwinden? Wir behandeln immer mitn Spot On von Bayer namens Advantage- kennst du das?...wünsch Euch viel Glück“ zu lesen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN geht gegen diese Werbe-Praxis von BAYER gerichtlich vor und hat Strafanzeige gestellt.

Greenwashing mit Merkel
Um sich trotz immensen Schadstoff-Ausstoßes als Umweltengel präsentieren zu können, unterstützt BAYER einige Naturschutzprojekte. Dabei erhielt der Konzern jetzt auch Schützenhilfe von der Bundeskanzlerin persönlich. Angela Merkel machte 2014 auf ihrem Weg nach Australien zum G20-Gipfel einen kurzen Stopp in Neuseeland und besuchte dort auch das vom Leverkusener Multi gesponserte „Motutapu Restoration Trust“-Projekt, das sich gefährdeter Vogel-Arten annimmt. „Das war eine hervorragende Gelegenheit, Angela Merkel zu zeigen, wie wir uns als Unternehmen für das Gemeinwohl einsetzen“, freute sich BAYERs Neuseeland-Chef Holger Detje.

Redwashing mit „Philos“-Preis
Blutern widmet BAYER besondere Aufmerksamkeit, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 80er Jahren Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen seine Präparate aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Deshalb erhalten die Bluter-Verbände viele Zuwendungen. Zu diesen zählt auch der „Philos“-Preis, mit dem der Pharma-Riese besondere Projekte auszeichnet. Im Februar 2015 überreichte er der „Interessensgemeinschaft Hämophiler“ für ihr Wochenend-Seminar „Hämophilie im Alter“ einen Scheck in Höhe von 10.000 Euro.

PR mit Präventionskampagne
Immer wieder führt der Leverkusener Multi Präventionskampagnen durch, die nur vordergründig der gesundheitlichen Aufklärung und der körperlichen Fitness dienen. Jüngstes Beispiel: Die gemeinsam mit der „Deutschen Schlaganfall-Hilfe“ und der „Deutsche Sporthochschule Köln“ initiierte Aktion „Rote Karte dem Schlaganfall“. Diese hat vielmehr nur den Zweck, ADALAT und XARELTO als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe zu bewerben und die Beziehungen zu den Kooperationspartnern zu vertiefen.

BAYER sucht den Diabetes-Star
Der Leverkusener Multi möchte Diabetes-Kranke schon möglichst früh binden und so den Absatz seines umstrittenen Diabetikums GLUCOBAY und seiner Blutzucker-Messgeräte erhöhen. Zu diesem Behufe ruft er zum „‚Fine Stars’-Modelcasting 2015“ auf. Dieses sucht nach Kindern und Jugendlichen mit Diabetes, die sich von ihrer Krankheit „nicht unterkriegen lassen und voll im Leben stehen“. Die GewinnerInnen dürfen dem Konzern dann als Diabetes-„BotschafterInnen“ dienen. Den Namen verdankt die Casting-Show der Giraffe Fine aus dem Kölner Zoo, für welche der Pharma-Riese 2008 werbewirksam eine Patenschaft übernommen hatte.

BAYER sponsert „Weltverhütungstag“
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht selbst heute noch großer Beliebtheit, denn sie eröffnet den Verhütungsmitteln des Konzerns gute Absatzchancen in den ärmeren Ländern. Darum ist der Pharma-Riese auch der Hauptsponsor des „Weltverhütungstages“, der 2014 sogar einen Aktionsplan verabschiedet hat, um BAYERs Produkt-Palette vorzustellen bzw. „den Bedarf nach korrekten, objektiven und leicht verfügbaren Informationen zum Thema Verhütung“ zu stillen.

Keine Angst vor Fortbildungskodex
Die „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittel-Industrie“ (FSA) hat einen neuen Transparenz-Kodex zum Umgang mit ÄrztInnen verabschiedet. Dieser schreibt die Veröffentlichung von finanziellen Zuwendungen oder geldwerten Leistungen vor, welche BAYER & Co. MedizinerInnen gerne für Fortbildungen, Beratungsleistungen und wissenschaftlich unsinnige Beobachtungsstudien, welche nur der Einstellung der PatientInnen auf das jeweilige Konzern-Präparat dienen, angedeihen lassen. Mit „nachteiligen nennenswerten Auswirkungen“ der Initiative rechnet der Pharma-Riese allerdings nicht. DoktorInnen, die keine „individuelle Transparenz“ wünschen, müssen nämlich nicht mit der Publizierung ihres Namens rechnen, da der Kodex viele Ausnahme-Regelungen vorsieht. Und dem Beispiel einiger Unternehmen, die MedizinerInnen für Vorträge künftig nicht mehr bezahlen wollen, mag der Global Player auch nicht folgen. „Bei Einhaltung der Transparenz-Regeln im Kodex spricht aus unserer Sicht nichts gegen eine angemessene Honorierung von ärztlichen Leistungen“, meint der Konzern.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2014 unterstützte die Stiftung unter anderem das „Junge Ensemble“ des Theas-Theaters in Bergisch-Gladbach, ein Ferien-Angebot des Bistums Magdeburg für sozial benachteiligte Kinder, den Jugendmigrationsdienst Wolfen und den Europa-Jugendbauernhof Deetz.

DRUGS & PILLS

Kein NEXAVAR bei Leberkrebs
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib ist bislang zur Behandlung von fortgeschrittenem Nierenkrebs, fortgeschrittenem Leberkrebs und einer bestimmten Art von Schilddrüsenkrebs, bei der zuvor eine Bestrahlung mit radioaktivem Jod keine Fortschritte erzielte, zugelassen. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu erweitern. So versuchte er jüngst, das gemeinsam mit dem Unternehmen ONYX entwickelte Medikament bei solchen Leberkrebs-PatientInnen zur Anwendung zu bringen, denen die ÄrztInnen alle Geschwüre entfernt hatten. Aber die entsprechenden Tests erbrachten kein positives Ergebnis. Zuvor war bereits eine andere Leberkrebs-Erprobung gescheitert, und auch bei Brust, Lungen-, Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs konnte NEXAVAR keine Therapie-Erfolge erzielen. Der Pillen-Riese bleibt aber beharrlich. „Obwohl wir vom Ausgang der Studie enttäuscht sind, wollen wir weiterhin das Potenzial des Wirkstoffes in allen Stadien von Leberkrebs untersuchen“, so der Pharma-Entwicklungschef Jörg Möller.

ESSURE 2.0
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich nach etwa drei Monaten die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich, und das dürfte sich in nächster Zeit auch nicht ändern. Der Leverkusener Multi arbeitet zwar gerade an einer Weiterentwicklung des Medizin-Produktes, aber um eine Veränderung des Risiko-Profils geht es ihm dabei nicht. Dem Konzern ist es vielmehr um eine schnellere Wirkung zu tun: Er will den Prozess beschleunigen, der die Einleiter-Zugänge versperrt. Entsprechende klinische Tests laufen bereits.

Ein bisschen Gender-Medizin
Die Schulmedizin begreift den Körper als Maschine, und Maschinen haben kein Geschlecht. Entsprechend stellen die Pharma-Konzerne für Männer und Frauen dieselben Medikamente her. Dabei differieren die Krankheiten und Krankheitsverläufe zum Teil sehr. So machen sich etwa die Symptome für einen Herzinfarkt bei weiblichen Personen anders als bei männlichen Personen bemerkbar. Jetzt will auch der Leverkusener Multi dem kleinen pharmakologischen Unterschied mehr Aufmerksamkeit widmen. Ein gemeinsam mit der Berliner Charité unternommenes Forschungsprojekt hat zu dem Sinneswandel geführt.

Neue XOFIGO-Studie
Der Leverkusener Multi sucht nach einer neuen Anwendungsmöglichkeit für sein gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickeltes Medikament XOFIGO. Bisher hat das Präparat eine Zulassung bei der Prostatakrebs-Art CRPC, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Dann soll eine radioaktive Bestrahlung mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid das Wachstum der Tumor-Zellen hemmen. Und jetzt testet der Pharma-Riese das Mittel in Kombination mit den Pharmazeutika Abirateron-acetat und Prednison bei Patienten, die sich noch keiner Chemo-Therapie unterzogen haben. Das Produkt vermag allerdings schon in seinem angestammten Gebiet nicht recht zu überzeugen. Bei den Klinischen Tests verlängerte es die Lebensdauer der Krebs-Kranken um noch nicht einmal drei Monate. In England übernimmt deshalb der dortige „National Health Service“ die XOFIGO-Behandlungskosten nicht.

Tests mit Prostata-Arznei
BAYER entwickelt gemeinsam mit dem finnischen Unternehmen ORION ein Medikament für Prostatakrebs-Patienten, die zwar noch keine Metastasen haben, aber erhöhte, nicht auf eine Behandlung mit Testosteron-Blockern reagierende PSA-Werte. Das Präparat soll die Arbeit des Androgen-Rezeptors stören und so die Bildung von Testosteron hemmen, welches das Tumor-Wachstum befördert. Die entsprechenden Tests der Phase III haben im Herbst 2014 begonnen.

Neue ADEMPAS-Studie
Bei der Arznei ADEMPAS handelt es sich um ein Mittel zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge die Bildung eines Enzyms stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Da der Leverkusener Multi aus Profit-Gründen ständig nach neuen Anwendungsmöglichkeiten für seine Arzneien sucht, will er das Präparat jetzt auch bei solchen CTEPH-PatientInnen einsetzen, bei denen eine Behandlung mit PDE-E-Hemmern keinen Erfolg gezeigt hat. Entsprechende Studien mit dem Mittel, dessen Wirkung der industrie-unabhängige Arzneibrief als „marginal“ bezeichnet, laufen zurzeit.

ALEVE doch nicht Klassenbester
Entzündungshemmende Schmerzmittel wie BAYERs ALEVE (Wirksubstanz: Naproxen) steigern bei längerer Einnahme das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere Herz-Kreislauf-Krankheiten mit möglicher Todesfolge deutlich. Einige neuere Studien hatten allerdings das Gefährdungspotenzial von ALEVE geringer als das der anderen Präparate eingeschätzt. Die US-Gesundheitsbehörde kündigte daraufhin an, dem Leverkusener Multi zu gestatten, dieses auf den Packungen zu vermerken, sollte sich der Befund bestätigen. Dies tat er allerdings nicht. Der FDA-Beratungsausschuss überprüfte die Untersuchungsergebnisse und konnte keine gravierenden Unterschiede zwischen den Mitteln feststellen.

Zulassung für Verhütungspflaster
Die Europäische Arzneimittel-Behörde EMA hat einem Verhütungspflaster von BAYER die Zulassung erteilt. Das Produkt enthält 0,55 mg des Hormons Ethinylestradiol und 2,1 mg des Hormons Gestoden. Damit überschreiten die Konzentrationen diejenigen von Kontrazeptiva in Pillen-Form. Dem Leverkusener Multi zufolge stellt das jedoch keine Gefahr dar, da die Wirkstoffe peu à peu über die Woche verteilt in den Organismus gelangen. Studien bescheinigen den Pflastern im Allgemeinen dagegen ein höheres Gefährdungspotenzial als anderen Verhütungsmethoden. Bei Vergleichsuntersuchungen mit Pillen und Vaginal-Ringen zeigten sie ein schlechteres Risiko-Profil.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben auf Obama-Agenda
Der US-Präsident Barak Obama hat eine landesweite Strategie gegen das Bienensterben angekündigt. „Das Problem ist ernst und stellt eine bedeutende Herausforderung dar, die im Interesse der Nachhaltigkeit unserer Nahrungsmittel-Produktion in Angriff genommen werden muss“, heißt es in dem „Presidential Memorandum“. Zu dem Maßnahmen-Katalog gehört auch, den Anteil zu untersuchen, den Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie die BAYER-Mittel PONCHO und GAUCHO an dem Verenden der Tiere haben. Vielen Initiativen geht der Schritt der Regierung indes nicht weit genug. Der US-amerikanische Ableger des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKES (PAN) und mehr als 125 weitere Gruppen appellierten an Obama, es seinen europäischen Kollegen gleichzutun und die gefährlichen Mittel umgehend aus dem Verkehr zu ziehen.

FENOMENAL nicht phänomenal
BAYERs vor einiger Zeit auf den Markt gebrachtes Antipilzmittel FENOMENAL (Wirkstoffe: Fosetyl und Fenamidone) ist alles andere als phänomenal. Das für Erdbeeren, Zierpflanzen und Ziergehölze bestimmte Pestizid hatte erhebliche Schwierigkeiten, seine Zulassung zu erhalten. So urteilte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) zunächst: „Für die Erdbeer-Indikationen konnte die hinreichende Wirksamkeit nicht belegt werden.“ Die vorgelegten Unterlagen schätzte das BVL als mangelhaft und unvollständig ein. Bei eigenen Labor-Untersuchungen ermittelte es deutlich höhere Rückstandswerte als der Leverkusener Multi. Auch bei der Abbau-Zeit kamen die WissenschaftlerInnen auf andere Zahlen als der Konzern. Zudem bemängelte das Amt zu alte Sicherheitsdatenblätter und das Fehlen von Material aus bundesdeutschen Feldversuchen zur Rückstandsbewertung. Das Risiko, dass sich die Rote Wurzelfäule und andere Pilz-Arten bald auf die Wirkstoffe einstellen und Resistenzen herausbilden könnten, schätzte es „beim Fosetyl gering, beim Fenamidone hingegen hoch“ ein. Überdies hatte der Agro-Riese dem Bundesamt zufolge eine viel zu hohe Dosierung empfohlen. Erst durch das Nachreichen von Dokumenten hat der Global Player dann grünes Licht für fast alle der beantragten Anwendungsgebiete erhalten.

Neues Reis-Herbizid
„Mit der Entdeckung der herbiziden Wirkung bestimmter Sulfonylharnstoff-Verbindungen (...) erfolgte ein Quantensprung in der chemischen Unkrautbekämpfung“, hielt noch 2012 eine vom staatlichen Julius-Kühn-Forschungsinstitut für Kulturpflanzen veranstaltete Konferenz fest, an der auch ein Vertreter des Leverkusener Multis teilnahm. Inzwischen ist der Ruhm der 1985 auf Sulfonylharnstoff-Basis eingeführten Stoffe allerdings verblasst. So trotzen etwa auf den Reisfeldern immer mehr Wildpflanzen den BAYER-Mitteln RAFT (Wirkstoff: Oxadiargyl), TOPSTAR (Oxadiargyl), SUNRICE (Ethoxysulfuron), WHIP SUPER (Fenoxaprop-p-ethyl) und RICESTAR (Fenoxaprop-p-ethyl). Doch der Agro-Riese will nun Abhilfe schaffen und vermarktet für Reis-Kulturen mit COUNCIL COMPLETE ein neues Produkt. In Südkorea schon zugelassen, erwartet der Konzern in Kürze weitere Genehmigungen in asiatischen Ländern für das Mittel mit den Ingredienzien Triafamone und Tefuryltrione. „Tefuryltrione bekämpft sehr effektiv Unkräuter, die gegen Herbizide aus der chemischen Klasse der Sulfonylharnstoffe resistent sind und sich auf den südkoreanischen Reisfeldern zunehmend ausbreiten“, verspricht der Konzern.

BAYER erforscht Resistenzen
Die oligopol-artigen Strukturen auf dem Agro-Markt schwächen die Innovationskräfte der Branche immens (SWB 1/14). So haben BAYER & Co. seit Dekaden kein neues Anti-Unkrautmittel mehr entwickelt. Die Folge: Schon 238 Wildpflanzen-Arten sind immun gegen die gängigen Chemie-Cocktails geworden. Der Leverkusener Multi räumt das sogar selber ein. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, sagt der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Jetzt will der Global Player seine Anstrengungen in dem Bereich jedoch intensivieren. Er eröffnet in Frankfurt ein Kompetenz-Zentrum für Unkraut-Resistenzen mit 12 Beschäftigen. Bis diese neue Mittel entwickelt haben, dürften allerdings noch einige Jährchen ins Land ziehen, wenn es ihnen denn überhaupt gelingt.

Bio boomt
Die Absatz-Chancen für Pestizide auf biologischer Basis vergrößern sich. ExpertInnen sagen für das Jahr 2020 ein Markt-Potenzial von drei Milliarden Dollar voraus. Darum baut BAYER mit Produkten wie dem Anti-Wurmmittel BIBACT und dem Anti-Pilzmittel CONTANS, dessen komplette Vertriebsrechte für Europa der Konzern sich im Oktober 2014 gesichert hat, das „Bio“-Segment zielstrebig aus. Auch in Forschung & Entwicklung investiert der Agro-Riese. So stehen am Standort West Sacramento schon 100.000 Bakterien-Stämme als Pflanzenschutz-Versuchsobjekte zur Verfügung. Der Leverkusener Multi hebt als Vorteile der Bio-Methode die sehr spezifische und deshalb Resistenz-Bildungen verhindernde Wirkungsweise sowie die flexiblen Einsatzmöglichkeiten bis zum Tag der Ernte hervor. Er will deshalb jedoch seinen Agrogift-Schrank nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. „Wir setzen auf integrierte Angebote für Nutzpflanzen. Also auf die Auswahl des passenden Saatguts und die beste Kombination aus chemischen und biologischen Produkten“, so BAYER-Manager Ashish Malik.

Pestizid-Gegnerin angegriffen
Die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung der Pestizid-Ausbringung – und zu einer Ausweitung der Gesundheitsschädigungen. Im argentinischen Ituzaingó etwa kommt ein Drittel der Neugeborenen mit Missbildungen zu Welt; bei 80 Prozent der BewohnerInnen wiesen WissenschaftlerInnen Rückstände von Agrochemikalien im Blut nach. Viele Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, haben daran einen Anteil, so etwa Glyphosate (GLYPHOS, USTINEX G), und Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER). Aber die Betroffenen setzen sich zur Wehr und gründen Initiativen wie die „Mütter von Ituzaingó“. Damit setzen sie sich jedoch Gefahren aus. So wurde die Aktivistin Sofia Gatica überfallen, und als Grund kommt für sie nur ihr aktuelles Engagement gegen eine Saatgut-Aufbereitungsanlage von MONSANTO in Frage.

Mehr Pestizide in Afrika
Auf der Suche nach Absatz-Gebieten ist der Leverkusener Multi in Afrika fündig geworden. Nicht nur mehr Pharmazeutika (siehe ERSTE & DRITTE WELT), sondern auch mehr Pestizide möchte BAYER auf dem Kontinent absetzen – bis 2020 strebt der Agro-Riese eine Umsatz-Verdoppelung an. Deshalb baut er seine Präsenz vor Ort aus. In Angola, der Elfenbeinküste, Nigeria und Tansania will er demnächst Repräsentanzen eröffnen.

PFLANZEN & SAATEN

Neuer Hybrid-Reis mit KAIIMA
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit dem israelischen Unternehmen KAIIMA AGRITECH vereinbart, um neue hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Reis-Sorten zu kreieren. Dabei kommt die von KAIIMA entwickelte, ohne Gentech-Verfahren auskommende EP-Technologie zum Einsatz, die den Pflanzen zu mehr Robustheit verhelfen soll, indem sie ihren Chromosomen-Satz vervielfacht.

Neuer Hybrid-Raps in Kanada
Der Leverkusener Multi hat in Kanada eine neue Art seines hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Raps’ der INVIGOR-Produktreihe herausgebracht, den er in Kombination mit seinem Ultragift Glufosinat vermarktet. Die Sorte soll den LandwirtInnen BAYER zufolge eine spätere und deshalb ertragreichere Ernte ermöglichen, weil sie über besonders stabile, dem Regen trotzende Schoten verfügt.

Neuer Weizen in Osteuropa
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen, die am meisten verbreitete Kulturpflanze der Welt, einen Schwerpunkt. Sieben Zuchtstationen unterhält BAYER mittlerweile; zudem kooperiert das Unternehmen mit vielen Weizenforschungsinstituten. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren. Spätestens dann soll auch die erste hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete und deshalb mehr Ertrag versprechende Sorte auf den Markt kommen. Und eine selbstentwickelte konventionelle Weizen-Art bietet der Global Player schon ab diesem Jahr an, vorerst allerdings nur in Osteuropa.

GENE & KLONE

BAYER-Raps kreuzt aus
Die Schweiz erlaubt keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Trotzdem entdeckten WissenschaftlerInnen dort Spuren von MS8, RF3 und MS8xRF3 – drei Sorten des BAYER-Genraps’ der INVIGOR-Produktlinie. Die ExpertInnen vermuten, dass die gegen das Ultra-Gift Glufosinat resistente Laborfrucht über den Baseler Rheinhafen mit einer Weizenlieferung aus Kanada in das Land gelangte. Demnach wäre dort ein guter Teil der Weizen-Ernte kontaminiert.

Verunreinigungen durch STARLINK
Zu den Erblasten, die BAYER 2001 mit dem Kauf von AVENTIS CROPSCIENCE übernahm, gehörte der Gen-Mais STARLINK. Dieser hatte ein Jahr zuvor für den ersten großen Gentechnik-Skandal in der Geschichte gesorgt. Obwohl nur in den USA und auch da lediglich als Futtermittel zugelassen, wies die Initiative GENETICALLY ENGINEERED FOOD ALERT (GEFA) Spuren der Laborfrucht in rund 300 Lebensmitteln nach. Allein der Lebensmittel-Konzern KRAFT musste daraufhin 2,5 Mio. Packungen Maismehl-Chips zurückrufen. AVENTIS blieb damals nichts anderes übrig, als die Gen-Pflanze vom Markt zu nehmen. Trotzdem treibt diese immer noch ihr Unwesen. So tauchte STARLINK Ende 2013 in saudi-arabischen Lebensmitteln auf.

Super-Pflanzen, Super-Unkräuter
Die gentechnische Veränderung beschleunigt das Wachstum von Ackerfrüchten. Wenn diese auskreuzen und ihre Eigenschaften auf Unkräuter übertragen, wie es häufig geschieht, gedeihen diese ebenfalls üppiger. Das hat ein US-amerikanisches WissenschaftlerInnen-Team um Allison Snow herausgefunden und in dem Fachjournal New Phytologist publiziert.

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Der Leverkusener Multi setzt besonders bei SURPASS und anderen Baumwoll-Pflanzen auf den Bazillus. Baumwollkapselbohrer & Co. können sich jedoch immer besser auf ihn einstellen, fünf von 13 Insekten-Arten kann er kaum mehr etwas anhaben. Zu diesem Befund kamen WissenschaftlerInnen des französischen Forschungsinstituts CIRAD und der „University of Arizona“ nach einer Auswertung entsprechender Studien. Brasilianische ForscherInnen von der Universität São Paulo um Juliano Ricardo Farias bestätigten die Resultate. Diese Situation zwingt die LandwirtInnen dazu, zusätzliche Insektizide einzusetzen. Die Behauptung von BAYER & Co., die Gentechnik würde den Pestizid-Verbrauch senken, erweist sich also wieder einmal als falsch.

Indien: Versuche mit Bt-Reis
Die Gentechnik ist in Indien sehr umstritten. Als einzige Laborfrucht darf auf den Äckern bisher die mit dem Insekten-Gift des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückte Baumwolle blühen. Vor allem zwischen Landwirtschafts- und Umweltministerium gab es immer wieder Auseinandersetzungen um die Risikotechnologie. Im Dezember 2013 musste jedoch die gentech-kritische Umweltministerin Jayanthi Natarajan ihren Rücktritt erklären. Seither hat sich das umweltpolitische Klima im Land geändert. Die Aufsichtsbehörde GEAC gab grünes Licht für rund 200 Feldversuche mit gentechnisch manipulierten Pflanzen, darunter auch für solche mit Bt-Reis aus dem Hause BAYER. Die Lobby-Organisation ABLE-AG, welcher der Leverkusener Multi, MONSANTO und andere Agro-Riese angehören, bedankte sich in einem Schreiben umgehend für das Entgegenkommen. Das letzte Wort in der Sache ist allerdings noch nicht gesprochen. Dem Obersten Gerichtshof des Landes liegt nämlich immer noch der Antrag zur Entscheidung vor, ein zehnjähriges Moratorium für Freisetzungsversuche zu verhängen.

Mehr Gentech mit CELLECTIS
Der Leverkusener Multi baut seine Kooperation mit dem US-Unternehmen CELLECTIS PLANT SCIENCE auf dem Gebiet der Gentechnik aus. CELLECTIS entwickelt für den Konzern neue Raps-Sorten und gewährt ihm Zugang zu neuen Technologien. Von diesen erwartet sich die BAYER-Forscherin Catherine Feuillet viel: „Sie ermöglichen so präzise Modifikationen des Genoms oder der Gene, dass Veränderungen des gesamten Pflanzen-Genoms vermieden werden.“

Neue Gentech-Baumwolle
In den USA bietet BAYER seit Neuestem sein Baumwoll-Saatgut der FIBERMAX-Produktreihe mit einer kombinierten Insektizid- und Herbizid-Resistenz an. Die Pflanzen trotzen sowohl Glyphosat als auch dem Antiunkraut-Mittel Glufosinat, weshalb die LandwirtInnen die entsprechenden Pestizide gleich im Doppelpack ausbringen können. Und die haben es in sich: Glyphosat steht im Verdacht, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Glufosinat wirkt ebenfalls reproduktionstoxisch. Zudem ist es imstande, Missbildungen bei Föten zu verursachen, Verhaltensstörungen hervorzurufen und die Entwicklung des Gehirns zu beeinträchtigen. Wegen dieser Risiken und Nebenwirkung muss die Substanz in Europa bis September 2017 vom Markt verschwinden.

Suche nach Signalstoffen
Der Leverkusener Multi hat mit TARGENOMIX, einer Ausgründung des „Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie“ eine Forschungskooperation vereinbart, um die Wirkungsweise von bestimmten Signalstoffen zu ergründen, die für das Gedeihen der Ackerfrüchte wichtig sind. Auf Basis dieser Erkenntnisse hofft der Agro-Riese dann, „innovative Lösungsansätze für den Pflanzenschutz und die Pflanzen-Gesundheit“ gewinnen zu können.

Wieder kein EYLEA-Zusatznutzen
BAYERs zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassene Augen-Arznei EYLEA (Ticker 2/12) erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. In den klinischen Prüfungen gelang es dem Gentech-Medikament mit dem Wirkstoff Aflibercept nicht, das NOVARTIS-Präparat LUCENTIS zu übertrumpfen, was der Leverkusener Multi auch selbst einräumen musste. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) mag ebenfalls partout keinen Zusatznutzen zu erkennen. Nachdem es schon bei der eigentlichen Makula-Degeneration keinen durch EYLEA bewirkten Therapie-Fortschritt festmachen konnte, gelang ihr das für das Anwendungsgebiet „diabetisches Makula-Ödem“ ebenso wenig. Der Pharma-Riese hat gegen die Entscheidung Einspruch eingelegt.

KOGENATE-Allergien
Gleich zwei Studien bescheinigten BAYERs Blutgerinnungspräparat KOGENATE und dem ebenfalls vom Leverkusener Multi entwickelten, seit geraumer Zeit aber von BEHRING vertriebenem Mittel HEXILATE NEXGEN eine mangelhafte Wirkung. Neue, vorher nicht behandelte Bluter-Patienten reagieren auf diese beiden Gentech-Mittel der zweiten Generation öfter allergisch als auf Blutprodukte der dritten Generation, so der Befund. Für den Bluter-Weltverband „World Federation of Hemophilia“ legt dieses Ergebnis nahe, die Pharmazeutika Menschen mit frisch diagnostizierter Hämophilie lieber nicht zu verschreiben. Die Organisation forderte daher die US-Gesundheitsbehörde FDA auf, die Daten umgehend zu überprüfen. Das europäische FDA-Pendant EMA wies indes BAYER und BEHRING an, auf dem Beipackzettel auf das erhöhte Risiko von Immun-Reaktionen hinzuweisen. Zudem kündigte die Behörde eine Überprüfung der in der Fachzeitschrift Blood veröffentlichten Expertisen an.

Neues KOGENATE
In den 1980er Jahren starben Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutpräparaten BAYERs, weil das Unternehmen die Pharmazeutika aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte, obwohl das verarbeitete Blut auch von Risiko-Gruppen stammte. Ende des Jahrzehnts brachte der Leverkusener Multi dann mit KOGENATE ein Produkt heraus, bei dem gentechnisch manipulierte Zellen das Plasma vervielfältigen, weshalb der Bedarf an Spenderblut drastisch sank. Und nun hat der Konzern für die KOGENATE-Version BAY 81-8973 die Vermarktungsgenehmigung erhalten, die gar keine menschlichen Blut-Bestandteile mehr enthält. Mit Risiken behaftet ist die Arznei dennoch, denn rund ein Drittel der Patienten mit Blutgerinnungsstörungen bildet Antikörper gegen die Mittel heraus und reagiert allergisch auf sie (s. o.). Darüber hinaus will der Leverkusener Multi noch in diesem Jahr den Zulassungsantrag für eine KOGENATE-Variante stellen, bei der sich nur die Darreichungsform ändert. Das Präparat hält sich länger im Körper, weshalb eine Infusion pro Woche reicht.

Engere Kooperation mit VENTANA
Der Leverkusener Multi weitet die Zusammenarbeit mit VENTANA auf dem Gebiet der Krebsforschung aus. Die ROCHE-Tochter soll für BAYER künftig Tests entwickeln, mit denen der Pharma-Riese kontrollieren kann, ob und wie die von ihm entwickelten Antikörper auf Tumor-Zellen wirken.

WASSER, BODEN & LUFT

PCB unter Tage
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. So schlummern in alten Bergwerksstollen bis zu 10.000 Tonnen PCB. Unter Tage war die Substanz als derjenige Bestandteil von Hydraulik-Ölen in Verwendung, der für die schwere Entflammbarkeit sorgte. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Als gefährlichen Sondermüll behandelten die Konzerne die Giftbrühe damals nicht. Die RAG beispielsweise vermag für gerade einmal zwei Prozent der zwischen 1979 und 1984 in den Saarbergwerken genutzten Öle Entsorgungsnachweise vorzuweisen. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Im Erdreich und in den Abwässern der Zechen finden sich ebenfalls PCB-Spuren. Damit nicht genug, könnten die Polychlorierten Biphenyle schon bald ans Tageslicht gelangen. Die RAG will sich nämlich das kostspielige Abpumpen des Grubenwassers sparen und hat deshalb bereits einige Maschinen abgestellt. Deshalb droht das Wasser die Stollen zu fluten, das PCB auszuspülen und ins Grundwasser, in Flüsse und Bäche weiterzuleiten. „Da tickt eine ökologische Zeitbombe“, so Steffen Potel vom BUND. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat jetzt erst einmal ein Gutachten über die Gefahren in Auftrag gegeben und die RAG angewiesen, keine weiteren Schächte unter Wasser zu setzen, bis das Ergebnis der Studie vorliegt.

Altlast in Krefeld
In Krefeld schlummert unter der 1980 errichteten Siedlung an der Mauritzstraße eine Altlast. In Stichproben-Untersuchungen wiesen GutachterInnen unter anderem Arsen, Blei, Chrom und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) nach. Wegen der hohen Konzentration riet ein Immunologe einem Anwohner sogar, seinen Keller nicht ohne Schutzmaske zu betreten. Der Grund und Boden, auf dem die Häuser entstanden, gehörte der BAYER-Immobiliengesellschaft. Vor Baubeginn hatte sie die Vertiefungen des Areals mit Material aus der nahe gelegenen städtischen Mülldeponie aufgeschüttet, die nicht zuletzt der Chemie-Multi nutzte. „Auch BAYER hat dort abgekippt. Ich habe es als Kind selbst gesehen“, erinnert sich Heike Hoffmann, die Vorsitzende des Bürgervereins Uerdingen. Nach Erschließung des Geländes parzellierte die Konzern-Tochter es und verkaufte nach und nach die einzelnen Grundstücke. Allzu schnell wuchsen die Häuser jedoch nicht. So kam es 1979 und dann noch einmal 1985 zu Unterbrechungen der Arbeiten. „Rita Thiele von den Grünen hat damals für einen Baustopp gesorgt. Wegen der Altlasten im Boden. Dann gab es eine Unbedenklichkeitsbescheinigung von der Stadt und von BAYER“, so der ebenfalls auf verseuchtem Grund und Boden lebende BAYER-Pensioniär Volkmar Sander. Um das Erdreich genauer zu untersuchen, finanziert das Land Nordrhein-Westfalen jetzt den größten Teil einer umfangreichen, 140.000 Euro teuren Studie – den Leverkusener Multi nimmt es dazu nicht in Haftung. Unterdessen melden sich bei den AnwohnerInnen schon Immobilien-SpekulantInnen, die ihre Chance wittern. „Ich habe gehört, dass Sie auf einem Drecksberg sitzen“ – mit diesen Worten wollte ein windiger Geschäftsmann dem ehemaligen BAYER-Werker Eduard Jansen schon sein Haus für den Schnäppchen-Preis von 60.000 Euro abkaufen.

Glyphosat in der Umwelt
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz. Aber auch die Laborfrüchte des Leverkusener Multis verfügen über eingebaute Resistenzen gegen die Substanz. Zudem enthalten BAYERs Ackergifte GLYPHOS und USTINEX G den Stoff. US-amerikanische WissenschaftlerInnen haben jetzt in einer großen Studie untersucht, inwieweit Glyphosat die Umwelt belastet. Das Ergebnis ist alarmierend: In zahlreichen Boden- und Wasserproben wiesen die ForscherInnen die Agro-Chemikalie nach.

GIFTIG, ÄTZEND, EXPLOSIV

BAYER braucht mehr Bisphenol
Das in BAYERs Bitterfelder Chemie-„Park“ ansässige japanische Unternehmen HI-BIS GmbH will die Bisphenol-Produktion verdoppeln und hat deshalb eine neue Fertigungsanlage errichtet. Es kommt damit der steigenden Nachfrage von Seiten des Leverkusener Multis nach, der nicht nur einen 10-Prozent-Anteil an HI-BIS hält, sondern auch als alleiniger Abnehmer der Chemikalie fungiert. Er benötigt sie als Vorprodukt für seinen Kunststoff APEC, der vornehmlich in der Medizin-, Licht- und Elektrotechnik und bei Haushaltsgeräten Verwendung findet. Problematisch ist der Einsatz von Bisphenol, wenn die menschliche Haut in Kontakt mit der Chemikalie kommt, wie das etwa bei Verpackungen für medizinische Geräte der Fall ist. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau nämlich Hormonen, was den menschlichen Stoffwechsel durcheinanderbringen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie zu Herz- und Lebererkrankungen führen kann.

Schärfere Bisphenol-Grenzwerte
Die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) hat das Gesundheitsrisiko neu untersucht, das von der auch von BAYER verwendeten und in Umlauf gebrachten Industrie-Chemikalie Bisphenol A (s. o.) ausgeht. Sie ermittelte mögliche Beeinträchtigungen der Funktionen von Leber, Nieren sowie Brustdrüsen und empfahl eine Absenkung der noch tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge von 50 Mikrogramm um den Faktor 10 auf fünf Mikrogramm. Weil Hinweise auf weitere Gesundheitsgefährdungen durch den Stoff vorliegen, will sie diesen Grenzwert als vorläufigen verstanden wissen. Nach Ansicht des Leverkusener Multi hingegen sind „keine schädlichen Wirkungen nachgewiesen“ bzw. besteht „lediglich ein geringes Gesundheitsrisiko“. „Obwohl es gar keinen Beweis für eine toxische Wirkung“ gebe, hätte die EFSA ihre Entscheidung „in einer äußerst konservativen Herangehensweise“ und „ausschließlich aus Gründen des vorsorgenden Gesundheitsschutzes“ getroffen, moniert der Multi. Die Aussagekraft der Niedrigdosen-Studien, auf welche sich die Behörde bei ihrem Votum stützte, zweifelt der Konzern an. „Niedrigdosis-Effekte sind unter Toxikologen heftig umstritten“, befindet er.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Neues Brandschutz-Konzept
Metall-Alkyle wie Triethylalumninium (TEA) oder Trimethylaluminium (TMA) entzünden sich bei Kontakt mit Luft oder Wasser sofort. Tritt der Ernstfall ein, kann deshalb nur Trockenlöschpulver oder Sand zum Einsatz kommen, was die Arbeit der Feuerwehr sehr erschwert. Bei BAYER liegt der letzte große Knall etwas mehr als fünf Jahre zurück. In dem Bergkamener Werk kam es am 5.9.09 zu einer großen Explosion und zwei kleineren Folge-Detonationen. Ausgelöst hatte die Kettenreaktion eine defekte Pumpe, die Metallalkyl-Reste aus einem Container absaugen sollte. Vier Beschäftigte erlitten damals einen Schock und mussten sich einer ärztlichen Behandlung unterziehen. Dass ihnen nicht mehr passiert ist, rechneten Sachverständige später einem „unheimlichen Glück“ zu. Nun will der Leverkusener Multi mehr Sicherheitsvorkehrungen in puncto „Metall-Alkyle“ treffen. Er hat für diese Stoffe, die als Katalysatoren oder zur Beschichtung von Kunststoffe dienen, ein neues Brandschutz-Konzept entwickelt. Um Leckagen zu vermeiden, empfiehlt der Verfasser der Handreichung, der BAYER-Ingenieur Armin Heyn, unter anderem die Lagerung in doppelwandigen Tanks aus Carbon-Stahl. Überdies hält er bei Teilen der Rohrleitungen ständige Schweißnaht-Überprüfungen für unabdingbar. Darüber hinaus sollten die Pipelines über vor Rost schützende Edelstahl-Halter verfügen. Auch dürften nur hermetisch dichte Pumpen zum Einsatz kommen. Zur Gewährleistung des Brandschutzes rät das Konzept-Papier dazu, die Tanks auf Betonsockel zu stellen, was im Falle eines Falles vor einer Unterfeuerung schützt. Zudem schlägt es die Errichtung von Brandschutzwänden zwischen den einzelnen Metallakyl-Behältnissen und eine Raumluft-Überwachung vor.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Brand in Knapsack
Am 21.10.14 kam es in einer Pestizid-Anlage von BAYER zu einem Brand. Der Stoff Methylphosphin trat aus und entzündete sich sofort. Über Kunststoff-Leitungen und Ummantelungen verbreitete sich das Feuer. Eine übelriechende Rauchwolke zog über die nahegelegenen Wohngebiete. Die Feuerwehr schloss eine Gefahr für die Bevölkerung trotzdem umgehend aus, was die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte. „Man kann nach einem solchen Vorfall nicht einfach Entwarnung geben. Niemand kennt die genaue Zusammensetzung der Brandgase, der Oxidationsprodukte und den Anteil an nicht verbranntem Methylphosphin. Von daher lassen sich langfristige Gesundheitsschäden der Anwohner nicht mit Sicherheit ausschließen“, erklärte die Coordination.

Natronlauge tritt aus
Am 21.12.14 entwichen aus einer Rohrleitungsanlage des Dormagener BAYER-Werk rund drei Kubikmeter einer 32-prozentigen Natronlauge. Als Ursache für den Austritt der stark ätzend wirkenden Substanz gibt der Leverkusener Multi eine defekte Dichtung an.

Kohlenmonoxid tritt aus
Im Antwerpener BAYER-Werk zerbarst am 16.9.14 ein Teil der Dichtung eines Wärmetauschers. Aus dem Leck treten mit den heißen Prozessgas-Strömen auch rund 150 Kilogramm Kohlenmonoxid aus. Der Leverkusener Multi musste die Anlage mit Stickstoff spülen, um das Entweichen noch größerer Stoffmengen zu verhindern.

2014: Sechs Transport-Unfälle
Für das Jahr 2014 verzeichnet BAYERs Geschäftsbericht sechs Transport-Unfälle. Am 6. Januar geriet in Brasilien ein LKW in einen Unfall und verlor 1.300 Kilogramm MDI-Kunststoff. Am 27.3. entweicht aus einem vom Brunsbütteler Werk kommenden Tankwagen der Kunststoff TDI. Am 13.5 trat in den USA aus einem Laster nach einem Zusammenstoß mit einem PKW Container-Heizflüssigkeit aus. Am 31. Juli starb in den USA ein LKW-Fahrer, als sein Fahrzeug von der Straße abkam und gegen einen Baum prallte. Dabei schleuderte die komplette Ladung Makrolon in einen Graben. Am 6.8. rann in den USA aus einem Transport-Fahrzeug Salzsäure, was eine mehrstündige Straßen-Sperrung nach sich zog. Und am 23.8 kam es in Indien zu einem Unfall, in dessen Folge 8.500 Kilo Polyol ins Freie geriet, das mit Sand und Absorptionsmitteln gebunden werden musste.

2014: Acht Lade-Unfälle
Für das Jahr 2014 verzeichnet BAYERs Geschäftsbericht acht Unfälle, die sich beim Be-, Ent- oder Umladen von Stoffen ereigneten. Am 10.4 liefen in einem US-amerikanischen Werk des Leverkusener Multis aus einem noch unter Druck stehenden Versorgungsschlauch 100 Liter einer Flüssigkeit aus. Am 6.6. trat in Pittsburgh bei der Einlagerung von Propylenoxid eine Leckage auf, aus der die krebserregende und das Erbgut schädigende Flüssigkeit entwich. Am 26.6 ereignete sich am südafrikanischen Standort Nigel beim Umfüllen einer Chemikalie eine Explosion geringeren Grades, eine sogenannten Verpuffung. Am 28.8. kippte in Australien auf einem Container-Ladedock ein Fass mit dem Kunststoff-Produkt Desmodur um und schlug leck; 250 Liter des Stoffes rannen heraus. Am 18.9. wurde im Hafen von Marseille ein Polyol-Container beschädigt, 24 Tonnen der Substanz drangen nach draußen. Am 7.10 gelangten beim Entladen eines Bisphenol-Containers ein bis zwei Kubikmeter der Chemikalie ins Freie. Am 21.11. riss in einer US-amerikanischen Niederlassung der Entlade-Schlauch eines Kunststoff-Behältnisses, woraufhin 190 Liter hinausflossen. Am 15.12. ereignete sich auf dem Gelände einer US-Fabrik des Leverkusener Multis ein Zwischenfall. Beim Umladen des Kunststoffes TDA kam es an einer Pumpendichtung zu einem Defekt, und 150 Liter des Produktes strömten aus.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Jobs, weniger Steuern?
Wuppertal, Standort von BAYERs Pharma-Produktion, erwägt, die Unternehmen mit Steuer-Anreizen zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu bewegen. Das Konzeptpapier „Wuppertal 2025“ sieht vor, den Gewerbesteuer-Satz von 490 auf 475 Prozentpunkte zu senken, falls die Firmen es schaffen, 5.000 neue Jobs einzurichten. Die „Industrie- und Handelskammer“ (IHK) zeigt sich allerdings nur wenig begeistert von der Idee. Ihrer Ansicht nach müsste vielmehr die Stadt in Vorleistung treten. „Sie sollte ein elementares Interesse daran haben, im Wettbewerb der Kommunen untereinander eine gute Position einzunehmen, was den Standort betrifft – und ohne Konditionen günstige Rahmenbedingungen anbieten“, so IHK-Geschäftsführer Uwe Mensch.

Mehr Salzsäure aus Wuppertal
BAYER erweitert am Standort Wuppertal eine Anlage, welche die bei der Kunststoff-Produktion anfallende Salzsäure aufbereitet, zwischenlagert und transportfertig macht.

Leerstand in Brunsbüttel
Die vielen Verkäufe von Teilgesellschaften haben den Flächenbedarf des Leverkusener Multis beträchtlich schrumpfen lassen. Um die Areale trotzdem auszunutzen,

[Luedenscheid] Carl Duisberg

CBG Redaktion

Presse Info vom 9. Dezember

Duisbergweg in Lüdenscheid wird umbenannt

ehem. BAYER-Chef für Zwangsarbeit und Giftgas verantwortlich

Die Stadt Lüdenscheid hat beschlossen, eine nach dem ehemaligen BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg benannte Straße umzubenennen. In der gestrigen Sitzung des Stadtrats stimmten alle Fraktionen einem entsprechenden Antrag zu (die einzige Gegenstimme kam vom Vertreter der NPD). Erst vor zwei Wochen war in Dortmund die Umbenennung der dortigen Carl-Duisberg-Straße beschlossen worden.

Das Lüdenscheider Stadtarchiv hatte zur Sitzung einen Bericht zum Leben Duisbergs vorgelegt. Hierin heißt es unter anderem:

=> Während des Ersten Weltkriegs wurde unter Duisbergs Vorsitz bei Bayer Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. Abfallprodukte der Chemischen Industrie, die mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfte, dienten als Rohstoffe. In Leverkusen war das u. a. Phosgen, ein Gas, das besonders grausam wirkt.

=> Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die gewaltsame Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. Dieses Vorgehen stellte auch nach damaliger Rechtsauffassung eindeutig einen Bruch des Kriegs- und Völkerrechtes dar

=> Duisberg hatte beste Kontakte zur OHL und war maßgeblich an der Ausarbeitung des sogenannten „Hindenburg-Programms“ beteiligt, dem Wirtschafts- und Rüstungsprogramm der Dritten OHL von 1916, das die Fokussierung der gesamten Wirtschaft auf die Rüstungsproduktion vorsah.

=> Die Einführung der 8h-Schicht für die Arbeiter der Bayer AG und die Einführung von Sozialversorgungssystemen (zunächst v.a. für die Verwaltungsmitarbeiter und Ingenieure der Firma), die ebenfalls als Verdienste angeführt werden, hatten jedoch weniger mit Duisbergs Wohlwollen gegenüber seinen Angestellten und Arbeitern zu tun, als vielmehr mit seinem Bestreben, den Einfluss der Gewerkschaften zu eliminieren, die er Zeit seines Lebens rigoros ablehnte.

=> Seine grundsätzlich positive Haltung zur Politik der Nationalsozialisten – spätestens seit Übernahme der Macht durch diese – wird deutlich aus einem Brief an den Kölner OB Dr. Günter Riesen vom 16.10.1933, zwei Jahre vor seinem Tod:
„Zeit meines Lebens habe ich dem Führerprinzip gehuldigt und mich stets zu dem Grundsatz bekannt ‚Geführt muss werden’ und so hoffe und wünsche ich, dass unter der zielbewussten Führung unserer bewährten Kämpen Hindenburg und Hitler unsereneue Regierung innen- und außenpolitisch von Erfolg zu Erfolg schreitet und es ihr glücken möge, durch straffe und unentwegte Schulung unseres Nachwuchses die Kräfte heranzuziehen und auszusondern, die durch Höchstleistungen (…) unter Beweis stellen, dass sie ein Anrecht auf Führerschaft besitzen. Nur auf diesem Wege wird unser geliebtes Vaterland den ihm gebührenden Platz an der Sonne unter den Nationen wieder erlangen und die unserem Volke durch Verleumdung und Lüge genommene Achtung unter den Kulturvölkern wieder erzwingen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert, die noch verbleibenden Carl-Duisberg-Straßen, unter anderem in Frankfurt, Bonn, Krefeld, Leverkusen und Dormagen, sowie das Wuppertaler Duisberg-Gymnasium nun umzubenennen.

=> Weitere Infos zur Kampagne

=> Die vollständige Stellungnahme des Stadtarchivs

4. Dezember 2014, Meinerzhagener Zeitung

Der „Duisbergweg“ soll aus dem Stadtbild verschwinden

Lüdenscheid - Der Straßenname „Duisbergweg“ soll aus dem Stadtbild verschwinden. Die politische Mehrheit dafür ist vorhanden. Am Montag steht das Thema auf der Tagesordnung des Rats (17 Uhr, Ratssaal).

Die Initiative geht zurück auf eine Antrag der Alternative für Lüdenscheid. Die Ampel-Mehrheit im Rat aus SPD, Grünen und FDP trage die Überlegung mit, sagte gestern für die SPD Fraktionschef Jens Voß nach Abstimmung auch mit den Ampelpartnern.
Für die Neubenennung der Straße zwischen Liebig- und Humboldtstraße sollten die Anwohner gebeten werden, entsprechende Vorschläge zu machen. Ein solchen Auftrag werde die SPD an die Verwaltung geben. „Bei einem solchen Verfahren sollte man die Anwohner einbeziehen“, so Voß. Im vorderen Teil der Straße liegen Eigentumswohnungen. Größere Anlieger, die sich dann ebenfalls auf eine Adressänderung einstellen müssten, sind die Agentur für Arbeit und die Arbeiterwohfahrt samt Kita und Mehrgenerationenhaus.

„Gemeinstes Zeug, das ich kenne“
Der Entscheidung zugrunde liegt eine historische Einordnung des Namensgebers Friedrich Carl Duisberg (geb. 29.9.1861 in Barmen, † 19.3.1935 Leverkusen) durch das Stadtarchiv. Duisbergs Wirken zeige durchaus positive Facetten. „Ohne Duisberg würden (Bayer) Werk und Stadt Leverkusen heute so nicht existieren“, bescheinigt ihm Stadtarchivar Tim Begler. Doch der Spitzenmanager der Chemiebranche zeichnet ebenso verantwortlich für die Produktion von Giftgas, für dessen Herstellung Abfallprodukte aus der Produktion verwendet werden konnten, unter anderem das grausam wirkende Phosgen. Duisberg setzte sich bei der Heeresleitung direkt für die Erprobung des Kampfstoffs ein („...das gemeinste Zeug, das ich kenne...“) und dafür, „die Gelegenheit dieses Krieges nicht vorübergehen zu lassen“.

CDU: Hinweis auf belgische Garnison
„Wir würden uns nicht verschließen“, macht auch CDU-Fraktionschef Oliver Fröhling im Rat angesichts der gestrebten Namensänderung deutlich. Aus den Reihen der Fraktion gebe es bereits auch Ideen zur Benennung der Straße. Die könnte nach dem belgischen König Baudouin benannt werden in Erinnerung an das deutsch-belgische Miteinander zur Zeit des in Lüdenscheid stationierten Militärs. Auch ein Standortkommandeur könnte Namensgeber sein, so die Überlegung. Von Florian Hesse

ausführliche Infos zu Duisberg

Carl Duisberg

CBG Redaktion

Presse Information vom 27. November 2014

Dortmund: Carl-Duisberg-Straße wird umbenannt

BAYER-Generaldirektor verantwortlich für Giftgas-Einsatz und Zwangsarbeit / Umbenennung auch in Wuppertal, Frankfurt, Bonn und Leverkusen gefordert

Die Dortmunder Carl-Duisberg-Straße wird in Kleine Löwenstraße umbenannt. Die Bezirksvertretung Innenstadt-West folgte damit am gestrigen Abend einer Empfehlung des Dortmunder Stadtarchivs. Keine der Fraktionen stimmte gegen eine Namensänderung.

Jan Pehrke, Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren, begrüßt das Votum: „Carl Duisberg, der geistige Vater der IG FARBEN, ging für Profite buchstäblich über Leichen. Wegen seiner Mitverantwortung für Gaskrieg, Zwangsarbeit und die enge Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime taugt er nicht als Vorbild für künftige Generationen. Auch die noch verbleibenden Carl-Duisberg-Straßen, unter anderem in Frankfurt, Bonn, Krefeld, Leverkusen und Dormagen, sowie das Wuppertaler Duisberg-Gymnasium sollten nun umbenannt werden.“

Das Dortmunder Stadtarchiv hatte die Umbenennung von sechs Straßen mit historisch belasteten Namensgebern vorgeschlagen. In der Bewertung von Duisberg schrieb das Stadtarchiv: „Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. (…) Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die - auch nach dem damals geltenden internationalen Kriegsrecht illegale - Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten.“ Die Überprüfung aller Dortmunder Straßennamen ging auf einen Antrag des früheren Ratsmitglieds Richard Kelber sowie eine Kampagne der Coordination gegen BAYER-Gefahren zurück.

Zum 150. Geburtstag von Carl Duisberg vor drei Jahren hatten sich unter anderem in Wuppertal, Leverkusen, Frankfurt und Marburg Initiativen gebildet, um Straßen, Schulen und Wohnheime, die den Namen des ehemaligen BAYER-Generaldirektors tragen, umzubenennen. Auch ein Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerwürde war gefordert worden. In Frankfurt läuft ein Umbenennungsverfahren der dortigen Duisbergstraße; in Marburg führte das Engagement dazu, am dortigen Carl-Duisberg-Haus eine Plakette mit einer „Kritischen Würdigung“ anzubringen.

Einige Stationen aus Duisbergs Leben:

=> Schon 1900 hatte Carl Duisberg rücksichtslos die Vermarktung von Heroin als angeblich harmlosem Hustenmittel betrieben. Als Wissenschaftler das Suchtpotenzial von Heroin anprangerten, äußerte Duisberg - zu diesem Zeitpunkt Prokurist bei BAYER -, man müsse die „Gegner mundtot schlagen“. Obwohl sich rasch die Gefahr der Abhängigkeit herausstellte, ließ Duisberg den gewinnbringenden Verkauf mehr als ein Jahrzehnt lang fortführen.

=> Im 1. Weltkrieg entwickelte Carl Duisberg gemeinsam mit Fritz Haber Giftgase wie „Grünkreuz“ und „Senfgas“, testete diese persönlich auf Truppenübungsplätzen und verlangte vehement ihren Einsatz. So heißt es in einem Brief Duisbergs an die Oberste Heeresleitung: „Dieses Chlorkohlenoxyd ist das gemeinste Zeug, das ich kenne. ... Ich kann deshalb nur noch einmal dringend empfehlen, die Gelegenheit dieses Krieges nicht vorübergehen zu lassen, ohne auch die Hexa-Granate zu prüfen“. Duisberg und Haber verstießen damit wissentlich gegen die Haager Landkriegsordnung.

=> Duisberg engagierte sich in der vom antisemitischen „Alldeutschen Verband“ gesteuerten Kriegszielbewegung. Er forderte die Annexion des besetzten Belgien und von Nordfrankreich, etwas später auch „deutschen Lebensraum“ in Polen und Russland. Besonders auffällig ist Duisbergs Hass auf das „englische Krämervolk“, das man notfalls völkerrechtswidrig - wie er selbst einräumte - aus der Luft bombardieren sollte.

=> Im Herbst 1916 beklagte Duisberg den Mangel an Arbeitskräften und forderte mit dem Ausspruch „Öffnen Sie das große Menschenbassin Belgien" den Einsatz von Zwangsarbeitern. Das Reichsamt des Inneren griff den Vorschlag auf und ließ rund 60.000 Belgier deportieren, was international zu Protesten führte. Rund 12.000 Verschleppte starben. Die Deportation gilt als Vorläufer des ungleich größeren Zwangsarbeiter-Programms im 2. Weltkrieg.

=> Duisberg forderte den uneingeschränkten U-Boot-Krieg, Friedensverhandlungen lehnte er vehement ab. 1917 trat er in die Deutsche Vaterlandspartei ein. Der Historiker Hans Ulrich Wehler nennt diese Partei eine „rechtsextreme Massenorganisation mit deutlich präfaschistischen Zügen“. Ihre Parolen waren, so Wehler, „eine „giftige Fusion“ aus Antisemitismus, Radikalnationalismus, Expansionismus und Reformblockade. Zum Kriegsende befand sich Duisberg auf den Auslieferungslisten der Alliierten. Da er eine Anklage als Kriegsverbrecher fürchtete, floh er in die neutrale Schweiz.

=> Während der Weimarer Republik organisierte Duisberg, inzwischen Aufsichtsratsvorsitzender der IG FARBEN, Spenden an nationalistische Parteien, ab 1930 auch an die NSDAP. Im Gegenzug für ihre Millionen-Spenden erhielt die IG FARBEN von den Nationalsozialisten Absatzgarantien für synthetischen Treibstoff und Kautschuk. Kein anderes Unternehmen kollaborierte in der Folgezeit so eng mit dem Dritten Reich wie die IG FARBEN.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren kommt zu dem Ergebnis: „Aus unserer Sicht muss Duisberg als verbrecherisches Genie bezeichnet werden. Duisberg war nicht nur ein `Kind seiner Zeit´, sondern trug entscheidend zu den mörderischen Entwicklungen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts bei. Daher sollten auch in anderen betroffenen Städten die politischen Instanzen und die Bürgerschaft aktiv werden.“

ausführliche Informationen zum Leben von Carl Duisberg

[Interview Bhopal] STICHWORT BAYER 04/2014

CBG Redaktion

30 Jahre Bhopal

„Es wird immer schlimmer“

Am 3. Dezember 2014 jährt sich der Tag der Katastrophe von Bhopal zum dreißigsten Mal. In einem Pestizid-Werk von UNION CARBIDE explodierten damals 25 bis 40 Tonnen der Chemikalie Methylisocyanat und bildeten eine Gaswolke, die sich über das Fabrik-Gelände und das anliegende Elendsviertel legte. Allein die sogenannte „Nacht des Massakers“ forderte 8.000 Menschenleben. Insgesamt starben etwa 20.000 InderInnen. Und noch immer fordert das Desaster Opfer, denn Sanierungsarbeiten fanden nicht statt. Anabel Schnura, Tochter von CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura, hat in einer Bhopaler Klinik ein dreimonatiges Praktikum absolviert und gibt Auskunft über die aktuelle Situation vor Ort.

Wo genau hast Du dein Praktikum gemacht?
Anabel Schnura: In Bhopal, in der „Sambhavna Trust Clinic“, die die Opfer von UNION CARBIDE behandelt. Sie betreut aber nicht nur die Leute vor Ort, sondern kämpft auch immer noch dafür, dass etwas passiert und die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden.

Die Klinik ist nur für die Bhopal-Opfer?
Ja, 29.000 sind dort registriert.

Es kommen immer noch neue dazu?
Ja, dadurch, dass es sich in den Genen festgesetzt hat und dass das Grundwasser verseucht ist. Heute sind es die Nachfolge-Generationen, die Probleme haben. Es sind größtenteils Atem-Probleme, Lungen-Probleme. Es gibt aber auch Fälle von Krebs und Blindheit.

Wie sah deine Arbeit konkret aus?
Wir haben mit den Health Workern zusammengearbeitet. Sie sind immer in die umliegenden Communities und Slums gegangen, um Aufklärungsarbeit zu machen für die Menschen vor Ort, die es nicht schaffen, in die Klinik zu kommen. Sie warnten sie unter anderem davor, das Wasser zu trinken und malten ihnen aus, was dann passieren kann: Hautausschläge und anderes.

Es gab nie Bestrebungen, die Böden zu reinigen und das Gelände insgesamt zu sanieren?
Nein, es sieht dort seit 30 Jahren noch genauso aus wie in der Nacht selber. Da wurde nichts gereinigt, da stehen immer noch die Chloroform-Flaschen herum, und direkt daneben die Slums. Und jetzt im Mai waren Wahlen, da durfte niemand das Gelände betreten, weil es immer noch zur Diskussion steht, was da jetzt passieren soll.

UNION CARBIDE hat auch nichts gemacht?
Das Unternehmen hat kleine Schadenersatz-Zahlungen geleistet, aber wirklich geschehen ist nichts. 2001 wurde UNION CARBIDE dann verkauft. Es gehört jetzt zu DOW CHEMICAL, und die sagen: „Wir haben damit nichts mehr zu tun.“ Weil deshalb die Chemikalien immer noch ins Grundwasser sickern, ist es verseucht. Und die Leute trinken das, denn Wassertanks gibt es nicht viele. Die waschen sich damit, die reinigen ihre Lebensmittel damit, alles.

Dann ist es ja eine unendliche Geschichte
Ja. In der Nacht selber und unmittelbar danach sind etwa 20.000 Menschen gestorben, und jetzt sind es 100.000, die betroffen sind. Es wird immer schlimmer. 2007 haben zwei Wissenschaftler eine Studie gemacht, um zu prüfen, welche Ausmaße die Kontaminierung des Bodens und des Grundwassers hat. Und wir haben das mit einem einfachen Kupferdraht-Test ein bisschen fortgeführt, wo man nur sehen kann, das ist kontaminiert oder nicht, den Umfang jedoch nicht bestimmen kann. Dass das Gebiet direkt drumrum verseucht ist, das ist klar, aber wir sollten jetzt prüfen, inwieweit das Gebiet noch größer geworden ist. Das hat zwar nicht so gut geklappt, weil reiner Kupferdraht schwer zu bekommen war, aber grundsätzlich ist das mittlerweile so ein großes Gebiet ... das verbreitet sich immer mehr.

Es wird auch nicht gesagt: Wenn wir schon nicht sanieren können, dann quartieren wir wenigstens die Bewohner um?
Bhopal hat 1,8 Millionen Einwohner. Da sind so viele Menschen auf so kleinem Raum, die kann man nicht mal eben umsiedeln. Bhopal ist durch Seen getrennt. Es gibt einmal die alte Stadt und einmal die neue Stadt. Die Explosion hat sich in der alten Stadt, dem Slum-Gebiet, ereignet. Die Leute, die dort leben, können es sich nicht leisten, dort wegzuziehen. Die Leute von der anderen Seite hingegen sagen, wir haben damit nichts zu tun, das ist deren Sache. Sie trauen sich gar nicht auf die Seite, wo sich die Explosion ereignet hat, weil dort die Kriminalität stärker ist und Armut herrscht. Und bei ihnen wird alles neu gebaut und schön gemacht.

Die Fabrik war wirklich mittendrin?
Ja, wir haben 500 Meter Luftlinie von dem alten Fabrik-Gelände gelebt. Wir haben es uns auch angeguckt. Es ist einfach eine riesige Ruine, mit einem Zaun drumrum, der aber überall Löcher hat. Und unmittelbar in der Nähe des Zauns wohnen dann die Leute in ihren Wellblechhütten. Sie bauen da auch ihre Lebensmittel an, und die sind natürlich auch alle verseucht. Viele Leute sind sehr unwissend. Wir haben einen älteren Mann kennen gelernt, der hat auf der anderen Seite von Bhopal gewohnt, war aber politisch interessiert und kannte auch die Geschichte von Bhopal. Er ging aber trotzdem jeden Tag in dem See, der verseucht ist, schwimmen, wo wir gesagt haben: Um Gottes Willen, das würden wir niemals tun!“. Sie machen alle auch ein bisschen die Augen zu und angeln dort ihren Fisch. Wir haben auch einmal Fisch dort gegessen, und wurden dann von einem Arzt gesehen und haben direkt einen auf den Deckel bekommen, wie wir denn den Fisch essen könnten!

Gibt es keine Parteien, die sagen, wenn wir an die Macht kommen, dann machen wir etwas?
Doch, die gibt es schon, aber die sind sehr klein. Die Frau des Klinik-Leiters ist in der AAP, der „Partei der kleinen Leute“. Die setzt sich dafür ein, dass Sanierungsarbeiten beginnen.

Und wie war es bei der letzten Wahl im Frühjahr?
Die AAP hat ein paar Prozent bekommen. Das ist nichts gewesen.
Wenn eine Partei in Bhopal sagt: „Wir wollen, dass hier endlich mal etwas geschieht“, dann könnte man doch eigentlich denken, dass sie Stimmen bekommt.
Die Leute in den Slums haben kaum Bildung, während die gebildeten Leute auf der anderen Seite die Augen verschließen und sagen: „Wir haben damit nichts zu tun, wir wohnen hier, wo es sicher ist“. Und da kommt dann so ein Modi und erzählt den Bauern: „Ich bring euch Strom und Wasser.“ Und dann glauben die das. Der ist im Fernsehen, der ist überall zu sehen, der macht tolle Plakate. Was soll ich da so eine kleine Frau wählen, die da mit dem Besen in der Hand steht und sagt: „Ich kämpfe für eure Rechte“, wo auf der anderen Seite jemand ist, der Geld hat und sagt: „Ich bring euch Strom und Wasser.“

Wird der 30. Jahrestag etwas an der Situation ändern?
Die Klinik hat schon vor, wieder große Aktionen zu machen. Sie hoffen, dass da mal was passiert. Aber ob sich etwas tut, weiß kein Mensch. Es bleibt auch abzuwarten, inwieweit die Behörden politische Betätigungen zulassen werden.

Vor fünf Jahren zum 25. Jahrestag fand eine große Rundreise der Bhopal-Initiative statt. Sie machten auch an den BAYER-Standorten in Leverkusen und im US-amerikanischen Institute Station, weil die dortige Fertigungsstätte ursprünglich UNION CARBIDE gehörte und das Schwester-Werk zur Fertigungsstätte in Bhopal war. Bei einer Explosion im Jahr 2008 wäre es dann auch fast zu einer ähnlichen Katastrophe gekommen.
Ja, sie haben schon mehrere Rundreisen unternommen, sie haben auch durch die USA schon mal eine Tour gemacht.

Du hast in dem Archiv der Klinik auch Material der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gefunden?
Ja, ich habe dort Veröffentlichungen der CBG entdeckt (1). Ich habe Sathyu, den Leiter der Klinik, auch darauf angesprochen, aber er hat es leider nicht richtig verstanden und erst ein paar Tage vor meiner Abfahrt realisiert, dass ich die Tochter von Axel bin und die Coordination unterstütze. Da ist bei ihm erst der Groschen gefallen: „Ooh, ich habe so viel Respekt vor der Arbeit, die die machen.“ Und er hat mir dann noch den CBG-Newsletter gezeigt, den er immer bekommt: „Hier, guck mal!“

(1) Es handelte sich dabei um ein Exemplar der Broschüre „Menschenrechts-Charta gegen Industrie-Gefahren“ und das Manuskript der Rede, die Axel Köhler-Schnura 1994 auf dem Bhopal-Tribunal gehalten hatte. Es wurde anlässlich des 10. Jahrestages vom „Permanent People’s Tribunal“, der Nachfolge-Einrichtung des Russell-Tribunals, abgehalten. Zum Abschluss präsentierten die TeilnehmerInnen den Entwurf der „Charter of Health, Safety and Environmental Rights of Workers and Communities“. Die CBG hat dann auch an der Endfassung mitgewirkt und den Text 1996 zweisprachig unter dem Titel „Menschenrechts-Charta gegen Industrie-Gefahren“ veröffentlicht.

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[Carl Duisberg] Dortmund: Stadtarchiv plädiert für Umbenennung der Carl-Duisberg-Straße

CBG Redaktion

ehem. BAYER-Direktor verantwortlich für Giftgas-Einsatz und Zwangsarbeit / Umbenennungen auch in Wuppertal, Frankfurt und Leverkusen gefordert

Presse Info, 11. Sept. -- Das Dortmunder Stadtarchiv schlägt die Umbenennung von sechs Straßen vor, deren Namensgeber historisch belastet sind. Neben den nationalsozialistischen Schriftstellern Karl Wagenfeld und Friedrich Castelle findet sich auch der frühere BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg auf der Liste. Der städtische Ausschuss für Anregungen und Beschwerden befürwortete die Empfehlungen in seiner Sitzung am Dienstag.

Jan Pehrke, Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren, begrüßt das Votum: „Carl Duisberg war der geistige Vater der IG FARBEN und ging für Profite buchstäblich über Leichen. Wegen seiner Mitverantwortung für Gaskrieg, Zwangsarbeit und die enge Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime taugt er nicht als Vorbild für künftige Generationen. Auch die noch verbleibenden Carl-Duisberg-Straßen im Land sowie das Duisberg-Gymnasium in Wuppertal sollten nun umbenannt werden“.

Wörtlich heißt es in der Stellungnahme des Archivs: „In der Bewertung der Person Carl Duisbergs durch das Stadtarchiv wurden durchaus auch die bis heute positiv zu wertenden Aspekte in seiner Lebensleistung berücksichtigt. Nichtsdestotrotz empfiehlt das Stadtarchiv, bei der Abwägung aller Aspekte des Lebens von Carl Duisberg, eine Umbenennung.“

Zur Begründung schreibt das Stadtarchiv: „Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. (…) Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die - auch nach dem damals geltenden internationalen Kriegsrecht illegale - Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. (…) Carl Duisberg war aktives Mitglied im antisemitischen Alldeutschen Verband. Als Patriarch lehnte er bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab. Er war von Beginn an Gegner der Weimarer Demokratie.“

Die Überprüfung aller Dortmunder Straßennamen geht auf einen Antrag des früheren Ratsmitglieds Richard Kelber zurück. Über die Änderungen der Straßennamen entscheiden nun abschließend die zuständigen Bezirksvertretungen. Betroffen wären zwischen 63 Anwohner/innen in der Castellestraße und 129 in der Stehrstraße. Die Umbenennung der Carl-Duisberg-Straße ist am einfachsten, da sie nur einen einzigen Anlieger hat – ausgerechnet das Carl Duisberg Centrum, das zudem am Ende des Monats schließt.

Zum 150. Geburtstag von Carl Duisberg vor drei Jahren hatten sich unter anderem in Wuppertal, Leverkusen, Frankfurt und Marburg Initiativen gebildet, um Straßen, Schulen und Wohnheime, die den Namen des ehemaligen BAYER-Generaldirektors tragen, umzubenennen. Auch ein Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerwürde war gefordert worden. In Frankfurt läuft das Umbenennungsverfahren der Duisbergstraße noch; in Marburg führte das Engagement immerhin dazu, am dortigen Carl-Duisberg-Haus eine Plakette mit einer „Kritischen Würdigung“ anzubringen.

weitere Informationen
=> vollständige Stellungnahme des Stadtarchivs
=> Kampagne zu Carl Duisberg
=> Ruhr Nachrichten: „Belastete Namenspaten“

Die Empfehlung des Dortmunder Stadtarchivs im Wortlaut (Auszug):

4. Carl-Duisberg-Straße (Stadtbezirk Innenstadt West) / benannt 1974

Namengeber: Friedrich Carl Duisberg
geb 29.09.1861 in Barmen (heute Wuppertal)
† 19.03.1935 in Leverkusen
Chemiker und Industrieller, Vorstandsvorsitzender

Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. In Leverkusen wurde u. a. Phosgen produziert, ein Giftgas, das in einem Lehrbuch folgendermaßen beschrieben wird: „Der Atem wird immer kürzer und stoßweiser, bis schließlich der Tod durch Ersticken eintritt. Das volle Bewusstsein bleibt auch bei dem schwersten Verlauf bis zum letzten Augenblick erhalten. Der Phosgentod ist also als ein ganz allmähliches Ertrinken im eigenen Blutserum aufzufassen.“
Duisberg gehörte auch - zusammen mit Walther Rathenau und Hugo Stinnes - zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die - auch nach den damals geltenden internationalen Kriegrecht illegale - Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. Zudem war er maßgeblich an der Ausarbeitung des sogenannten „Hindenburg-Programms“ beteiligt, dem Wirtschafts- und Rüstungsprogramm der Dritten Obersten Heeresleitung von 1916, das die Fokussierung der gesamten Wirtschaft auf die Rüstungsproduktion vorsah.
Carl Duisberg war aktives Mitglied im antisemitischen Alldeutschen Verband. Als Patriarch lehnte er bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab. Er war von Beginn an Gegner der Weimarer Demokratie.
In der Bewertung der Person Carl Duisbergs durch das Stadtarchiv wurden durchaus auch die bis heute positiv zu wertenden Aspekte in seiner Lebensleistung berücksichtigt.
Nichtsdestotrotz empfiehlt das Stadtarchiv, bei der Abwägung aller Aspekte des Lebens von Carl Duisberg, eine Umbenennung.
In Leverkusen und Wuppertal gibt es seit vielen Jahren politische Debatten über die Person Carl Duisbergs.

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG beim „March against MONSANTO“
Auch 2014 fand in vielen Städten der Welt wieder ein „March against MONSANTO“ statt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) beteiligte sich am 24. Mai in Düsseldorf an den Protesten. Der Leverkusener Multi unterhält nämlich schon lange gute Geschäftsbeziehungen zu dem Gen-Giganten, wie CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in seiner Kundgebungsrede erläuterte. So gründeten beide Konzerne in den 1960er Jahren das Gemeinschaftsunternehmen MOBAY, das unter anderem das berühmt-berüchtigte AGENT ORANGE herstellte. Zudem gewähren sich die Global Player gegenseitig Zugriff auf die Technologien, mit denen sie Genpflanzen immun gegen bestimmte Pestizide machen, um ihre Laborfrüchte durch Mehrfach-Resistenzen besser gegen Schadinsekten wappnen zu können. „Insofern ist der heutige ‚March against MONSANTO’ ebenso ein ‚March against BAYER’“, hielt Mimkes fest und vergaß mit BASF und SYNGENTA auch die anderen Mitglieder des Agro-Oligopols nicht.

NRW-Anfrage zu PCB
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. Deshalb finden quer durch die Republik aufwendige Sanierungen von Universitäten und Schulen statt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte zur Situation im Bund gemeinsam mit der Partei „Die Linke“ eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt (Ticker 2/14). Um den Stand der Dinge in Nordrhein-Westfalen zu erfahren, kooperierte die CBG mit den „Piraten“. Aber die Landesregierung in Düsseldorf zeigte sich auch nicht auskunftsfreudiger als die Große Koalition in Berlin. Sie wollte weder die Zahl der PCB-Vergifteten angeben noch die bisherigen Kosten der Renovierungsarbeiten beziffern. Auch sehen SPD und Grüne BAYER nicht in der Pflicht: „Zum Zeitpunkt der Abnahme der Bauvorhaben entsprachen die Ausführung und die Verwendung der Baumaterialien dem damaligen gesetzlichen Rahmen sowie den seinerzeit anerkannten Regeln der Technik. Für Schritte gegen die damaligen Hersteller von PCB-Produkten gibt es deshalb keine Veranlassung.“

Protest gegen NRW-Hochschulgesetz
Das von der rot-grünen NRW-Landesregierung geplante Hochschulzukunftsgesetz hatte ursprünglich Regelungen vorgesehen, die mehr Licht ins Dunkel von solchen Kooperationsverträgen bringen sollten, wie BAYER sie mit der Kölner Universitätsklinik abgeschlossen hat. Aber Kraft & Co. gaben dem Druck der Industrie nach und schwächten den entsprechenden Passus ab. Nach dem Willen der PolitikerInnen müssen die Partner nun erst nach dem Ende der Projekte Einblick in die Verträge gewähren. Auch bleibt es ihnen überlassen, wie viel sie preisgeben wollen. Darum unterstützte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Protest-Aktion von Studierenden-Organisationen und DGB-Jugend, die am 18. Juni anlässlich einer ExpertInnen-Anhörung zur Gesetzes-Novelle vor dem Düsseldorfer Landtag stattfand. Zudem hatte die CBG in der Sache schon Mitte März 2014 gemeinsam mit ATTAC, dem FREIEN ZUSAMMENSCHLUSS VON STUDENTINNENSCHAFTEN und anderen Gruppen einen Offenen Brief an Hannelore Kraft geschrieben.

Kritik auf BAYERs FACEBOOK-Seite
Der Leverkusener Multi muss sich auf seiner FACEBOOK-Seite ziemlich viel Kritik anhören. „Schade, dass eine so traditionsreiche Firma komplett auf die Natur und Umwelt pfeift. Hauptsache Gewinn, Gewinn und ... Gewinn“ heißt es da beispielsweise oder: „Nur noch Profite ohne Rücksicht auf die Umwelt und die Menschen. Macht endlich bezahlbare Medikamente“. Auch zu dem Prozess, den der Konzern zusammen mit SYNGENTA gegen die EU wegen des vorübergehenden Verbots von bienenschädigenden Pestiziden angestrengt hat, gibt es bissige Kommentare: „BAYER verklagt Europa, weil es ausnahmsweise einmal das Richtige tut und die Bienen schützen will. Unglaublich.“

Umbenennung von Duisberg-Straßen
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in ihren Städten vor. Leverkusen und Marburg lehnten das Begehr allerdings ab, in Dortmund und Frankfurt schweben die Verfahren noch.

KAPITAL & ARBEIT

BMS wickelt Standort Darmstadt ab
Im Rahmen des neuesten Rationalisierungsprogramms, das die Vernichtung von 700 Arbeitsplätzen vorsieht, reduziert BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) die Produktion von Kunststoff-Platten aus Polycarbonat. So beendet die Konzern-Sparte die Fertigung in Darmstadt und streicht damit 90 Stellen. Sie bekundet zwar, die Belegschaftsangehörigen nach Möglichkeit anderweitig im Unternehmen beschäftigen zu wollen, aber für alle dürfte sich kaum etwas finden. Darüber hinaus macht BMS den Standort in Peking dicht und plant, die in Australien und Neuseeland gelegenen Fertigungsstätten für LASERLITE-Platten abzustoßen.

Weniger Stimmen für Durchschaubare
Bei der letzten Betriebsratswahl am BAYER-Stammsitz Leverkusen verloren zwei der drei unabhängigen Gewerkschaftsgruppen innerhalb der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE an Boden. Die KOLLEGEN UND KOLLEGINNEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT büßten zwei Mandate ein und kamen nur noch auf drei Sitze. Die BASISBETRIEBSRÄTE mussten ebenfalls zwei von fünf Sitzen abgeben, nur das BELEGSCHAFTSTEAM konnte sich um einen Sitz steigern und verfügt nun über drei. Die restlichen der 37 Sitze holte die IG BCE. Die Wahlbeteiligung betrug 55,2 Prozent und ging damit um 3,8 Prozent zurück.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe für BAYER

  • 1


Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in die Projekte „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und „Competitive African Rice Initiative“ (CARE), in deren Rahmen der Leverkusener Multi die Vermarktung von hybridem, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Reis vorantreibt. Bis zu einem Drittel der Kosten buttert das BMZ dazu: 5,27 Millionen Euro. Das teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen mit. Maßnahmen, die verhindern, dass Schulungen von FarmerInnen zu reinen Werbeveranstaltungen der Agro-Riesen gerieren, hat sie kaum getroffen. „Bei durch Firmen-Personal durchgeführten Trainings agieren die Trainer als Vertreter des Projektes und nicht unter Firmen-Branding“, erklärt die Große Koalition, wobei „firmen-spezifische ‚Solutions’ lediglich als eine mögliche Option dargestellt werden“. Auch geht aus den Angaben der Großen Koalition hervor, wie spärlich BRIA, CARE & Co. die Bevölkerung vor Ort in ihre Planungen einbeziehen.

Entwicklungshilfe für BAYER

  • 2


Parallel zur „German Food Partnership“ (s. o.) hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, anderen Unternehmen und dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) jetzt auch die „German Healthcare Partnership“ (GHP) ins Leben gerufen. „Die GHP kombiniert die Kompetenzen und Ressourcen des privaten Sektors mit denen der Entwicklungszusammenarbeit“, heißt es auf der Website frank und frei. Zum Ziel hat die „strategische Allianz“ sich gesetzt, „den Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsleistungen in Entwicklungsländern und in aufstrebenden Märkten zu verbessern“. Und besonders auf diese aufstrebenden Märkte ist passenderweise auch BAYERs Afrika-Strategie ausgerichtet (siehe DRUGS & PILLS). Im Rahmen der GHP erhofft sich der Leverkusener Multi vor allem Entwicklungshilfe für seine Kontrazeptiva zur Familienplanung bzw. Bevölkerungskontrolle. Aber auch andere Absatzgebiete hat die GHP noch im Blick. So kümmert sie sich beispielsweise um „Business Opportunities in Healthcare in China“. Zudem hielt sie gemeinsam mit dem BDI und der „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ schon Konferenzen zu Ausfuhr-Krediten und Hermes-Bürgschaften ab. Sogar Verweise auf die vom BDI zur letzten Bundestagswahl erhobenen Forderungen nach besseren Risikoabsicherungsinstrumenten „insbesondere für den Krankenhaus-Systemexport“ finden sich auf den Seiten. Da wundert es kaum noch, dass als Repräsentant der „Public Private Partnership“ der BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber fungiert.

Konzern-Verbrechen leicht gemacht
Der Leverkusener Multi hat in seiner Geschichte vielfach gegen Menschenrechte verstoßen. Er benutzte Menschen aus der „Dritten Welt“ ohne deren Wissen als Versuchskaninchen für neue Pharma-Produkte, übte Druck auf GewerkschaftlerInnen aus und bediente sich der Kinderarbeit. Um solche Rechtsverstöße der Global Player besser ahnden zu können, hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen vor einiger Zeit „Guiding Principles on Business and Human Rights“ verabschiedet. Die EU hat ihre Mitgliedsstaaten daraufhin angehalten, eigene Aktionspläne zu erstellen. Während Länder wie die Niederlande schon ihre Gesetze geändert und Beschwerdestellen eingerichtet haben, tat die Bundesrepublik bisher nichts dergleichen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bekundete die Bundesregierung nun aber ihren Willen, die Regelung umzusetzen. Viel zu befürchten haben die Konzerne indes nicht. Um etwa der Kinderarbeit bei Subunternehmern Einhalt zu gebieten, derer sich BAYER CROPSCIENCE lange bediente (Ticker berichtete mehrfach) schweben der Großen Koalition nur „Dialogformate“ und die Unterstützung von Trainingsprogrammen vor. Haftungsregelungen plant sie auch nicht, da „es sich bei Subunternehmen begrifflich um rechtlich selbstständige Unternehmen handelt, auf die ein anderes Unternehmen keinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss ausüben kann“. SPD und CDU setzen generell darauf, „dass die Unternehmen freiwillig und aus eigener Verantwortung gesellschaftliche Verantwortung übernehmen“ und lehnen es daher auch ab, die Klage-Möglichkeiten wegen Verstößen gegen die Leitlinien des Industrieländer-Zusammenschlusses OECD zu verbessern. Dabei bestände gerade hier dringender Reformbedarf, denn bei der für solche Verfahren eingerichteten „Nationalen Kontaktstelle“, die bezeichnenderweise im Referat für Außenwirtschaftsförderung angesiedelt ist, handelt es sich um ein stumpfes Instrument. Keiner der beiden Fälle, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in der Vergangenheit dort vorbrachte – Repressionen BAYERs gegen Gewerkschaftler und Kinderarbeit bei BAYER-Zulieferern – hatte für den Leverkusener Multi irgendwelche Konsequenzen.

IG FARBEN & HEUTE

Bomben auf Leuna
Ohne die IG FARBEN hätte das „Dritte Reich“ keinen Krieg führen können. Der von BAYER mitgegründete Konzern produzierte unter anderem Waffen, Bomben und Benzin. Trotzdem zögerten die Westalliierten lange, Angriffe auf die Fabriken zu fliegen. Erst im Mai 1944 bombardierten sie die Leuna-Werke. Die USA, England und Frankreich fürchteten nach Stalingrad nämlich einen Vormarsch der Sowjetunion und bauten deshalb auf nationalsozialistische Schützenhilfe. „Es war durchaus im alliierten Interesse, dass die Wehrmacht in den folgenden zwölf Monaten über genügend Kampfkraft verfügte, um die Rote Armee auf dem Weg nach Westen zu bremsen und zu verschleißen“, mit diesen Worten zitiert Otto Köhler in seinem Artikel „Die Schlacht von Leuna“ Rolf-Dieter Möller vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam. Erst im Vorfeld der – von Stalin schon viel eher geforderten – Normandie-Invasion sollte die Kriegsmaschinerie der Nazis nach dem Willen der Alliierten ins Stocken geraten. Die Landung an der Küste Frankreichs begann knapp dreieinhalb Wochen, nachdem die US-Armee mit 800 Bombern Leuna attackiert hatte.

POLITIK & EINFLUSS

Grenzwert-Lockerungen via TTIP
Durch das Freihandelsabkommen der EU mit den USA droht eine Aufweichung der Pestizid- und Gentechnik-Gesetzgebung. BAYER & Co. investieren Unsummen in entsprechende Lobby-Aktivitäten. So fordert der US-amerikanische Agrarindustrie-Verband „Croplife“ im Zuge der Verhandlungen von Brüssel etwa, das bis Ende 2015 geltende Verbot der bienenschädigenden BAYER-Ackergifte PONCHO und GAUCHO aufzuheben und generell die Grenzwert-Regelungen zu lockern. Eine „moderne Risiko-Bewertung“ soll es stattdessen richten. Zudem streiten die Agro-Riesen dafür, nach US-amerikanischen Gepflogenheiten künftig Gentech-Rückstände in Lebensmitteln zu tolerieren und Kennzeichnungspflichten abzuschaffen. „BAYER und BASF handeln auf den Märkten in den USA und wollen nun in dem geheimen Handelsabkommen zwischen den USA und der EU das erreichen, was ihre Lobbyisten in Europa nicht geschafft haben“, kritisiert Jaydee Hanson vom CENTER FOR FOOD AND SAFETY.

USA: Mehr Energiespar-Subventionen?
BAYER unterstützt gemeinsam mit anderen im US-amerikanischen BDI-Pendant „U.S. Chamber of Commerce“ organisierten Unternehmen einen Gesetzes-Vorschlag, der gleichzeitig zu mehr Energie-Ersparnis und zu mehr Wettbewerbsfähigkeit führen soll. Der „Energy Savings and Industrial Competitiveness Act“ stellt den Konzernen nämlich Millionen-Subventionen in Aussicht, wofür diese allerdings andere Worte finden. Das Vorhaben ist geeignet, „Hindernisse beim Investieren in existierende Energie-Effizienz-Technologien abzubauen“, heißt es bei der „U. S. Chamber“. Einstweilen bleiben die Hindernisse jedoch noch bestehen, denn im Senat fand sich für das Paragrafen-Werk nicht die erforderliche Mehrheit. Das endgültige Aus bedeutet das allerdings noch nicht.

BAYER erpresst Subventionen
In den USA gelang es dem Leverkusener Multi zum wiederholten Mal, Gemeinden mit Abwanderungsplänen so unter Druck zu setzen, dass diese dem Konzern Subventionen gewähren. So stellte St. Joseph dem Unternehmen Mittel für eine Betriebserweiterung zur Verfügung, um es in der Stadt zu halten. „Die Gefahr war sehr real“, sagt der Stadtverwaltungsmitarbeiter Clint Thompson zu BAYERs Umzug-Gelüsten und nennt die milde Gabe ein „Joberhaltungsprogramm“. Dabei hatte der Global Player, als er dort im Jahr 2012 die Veterinär-Sparte des israelischen Pharma-Riesen TEVA übernahm, umgehend ein Rationalisierungsprogramm beschlossen, das am Standort die Vernichtung von 60 der 180 Arbeitsplätze vorsieht.

PhRMA fordert Strafen für Indien
Im März 2012 hat das „Indian Patent Office“ BAYERs Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (Ticker 2/12). Die Behörde berief sich dabei auf einen Ausnahme-Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS und begründete ihre Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Die Entscheidung hat Big Pharma in helle Aufregung versetzt und umgehend zu politischen Interventionen bei der Obama-Administration, dem US-amerikanischen Patentamt und beim Kongress veranlasst (Ticker 4/12). Und im Mai 2014 forderte der Industrie-Verband „Pharmaceutical Research and Manufacturers of America“ (PhRMA) die US-Regierung sogar auf, Indien auf die Liste der patentrechtlichen Schurkenstaaten zu setzen und Sanktionen gegen das Land zu beschließen.

BAYER kontrolliert sich selbst
Stillen bekommt Babys generell besser als Flaschen-Nahrung. Für Säuglinge in der „Dritten Welt“ bestehen darüber hinaus besondere Risiken. Da ihre Mütter aus Kostengründen oft zu wenig Milchpulver verwenden, leiden die Babys unter Mangelerscheinungen. In den armen Ländern erhöht sich durch diese Ernährungsform zudem das Infektionsrisiko, da zum Anrühren der Mixturen oft kein sauberes Wasser zur Verfügung steht. Darum erlauben viele Länder Werbung für Baby-Nahrung gar nicht oder nur unter strengen Auflagen, was BAYER und andere Konzerne 2006 schon zu einem Prozess gegen die philippinische Regierung bewogen hatte (Ticker 3/06). In Australien begutachtete lange eine unabhängige Monitoring-Gruppe die Reklame-Aktionen der Konzerne. Im Jahr 2010 rügte sie den Leverkusener Multi, weil dieser in einer Kampagne gegen eine mit dem Staat getroffene Vereinbarung verstoßen hatte, wonach die Hersteller darauf verzichten, ihre Erzeugnisse als dem Stillen gegenüber überlegen darzustellen. „NOVALAC-Mittel können helfen, das Schreien zu reduzieren und den Schlaf zu befördern und machen die Kinder zufrieden und die Eltern entspannter“, hatte der Pharma-Riese in der Werbung behauptet. So etwas dürfte dem Global Player bald wieder etwas leichter über die Lippen kommen. Australien hat nämlich das unabhängige Kontrollgremium abgeschafft und überlässt es in Zukunft der Industrie selber, sich auf die Finger zu schauen.

Nationale Anbau-Verbote
Bislang hat die Europäische Union zentral über die Zulassung von Genpflanzen entschieden. Brüssel plant jedoch, es ihren Mitgliedsländern künftig selber zu überlassen, ob sie die Labor-Kreationen wollen oder nicht. Nach der alten Regelung hatten es wegen vieler Gegenstimmen gerade einmal vier Sorten auf die EU-Felder geschafft. In der Hoffnung, künftig mit gentech-freundlichen Staaten besser ins Geschäft zu kommen, stritten BAYER & Co. deshalb heftig für die neue Lösung. Und ihr Lobby-Verband EuropaBio konnte seinen Einfluss bei der Umorientierung, die bereits in einen Gesetzes-Entwurf mündete, nicht zu knapp geltend machen. „Wie servil diese Lobby-Wünsche des Verbandes EuropaBio umgesetzt wurden, ist erschreckend“, sagt etwa der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. So müssen die Staaten erst einmal bei den Konzernen anklopfen und anfragen, ob die Unternehmen nicht vielleicht freiwillig von einer Vermarktung ablassen wollen. Und wenn diese die Bitte abschlagen, haben die Nationen gute – und vor allem gerichtsfeste – Gründe vorzulegen. Als besonders gut erwies sich bisher der Draht der Agro-Riesen zur britischen Regierung. EuropaBio hat Cameron & Co. sogar Tipps gegeben, wie die neue Gentech-Politik am besten zu verkaufen ist. Der Lobby-Club riet dazu, „der Botschaft einen starken ökologischen (aber natürlich auch innovationsfreundlichen und ökonomischen) Dreh zu geben. Die PolitikerInnen antworteten: „Wir würden das Wort ‚Schwerpunkt’ dem ‚Dreh’ vorziehen“, hatten aber grundsätzlich keine Einwände. Es stehen also blühende Gen-Landschaften zu erwarten, womit auch die Gefahr der Kontamination herkömmlicher Ackerfrüchte steigt. Darum optiert EuropaBio in dem Konzept-Papier „A new strategy for GM issues“ für einen „package deal“ und will die Renationalisierung des Zulassungsprozesses mit einer Aufhebung des Rückstandsverbotes in Lebensmitteln und Saatgut verknüpfen. Ob das Europäische Parlament den Einflüsterungen folgt und einer solchen Paket-Lösung zustimmt, dürften die nächsten Monate zeigen.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit üppig mit Agrar-Subventionen. Fast 180.000 Euro strich der Konzern 2013 ein. Das Geld dürfte hauptsächlich BAYERs Laarcher Hof in Monheim eingestrichen haben, der als klassischer Ackerbau-Betrieb firmiert, obwohl er nur eine Versuchsküche für die Pestizide des Konzerns ist.

PROPAGANDA & MEDIEN

Presserat-Beschwerde scheitert
Im September 2013 hatte der Spiegel kritisch über BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO berichtet und dabei auch auf Material der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zurückgegriffen. Das Blatt sprach mit Geschädigten und ExpertInnen, veröffentlichte die hohen Zahlen des „Bundesinstitut für Medizinprodukte und Arzneimittel“ über Todesfälle und schwere Nebenwirkungen und informierte über die aufwendige Kampagne zur Vermarktung des Mittels. Dem Leverkusener Multi passte das natürlich gar nicht. Er schaltete den Presserat ein und reichte eine Beschwerde gegen den Spiegel-Artikel ein. Der zuständige Ausschuss lehnte diese jedoch ab. Nach Ansicht des Gremiums hatte das Magazin weder unangemessen über medizinische Sachverhalte berichtet noch die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt.

274.000 Euro für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Über 274.000 Euro verteilte der Leverkusener Multi 2013 allein an die bundesrepublikanischen Verbände. Aber natürlich nicht an alle. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter-, Augen- und Lungenkrankheiten- sowie Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Und das ist gut angelegtes Geld: „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Dr. Gerd Glaeske einmal errechnet.

BAYER: Wir wollen nur informieren
Die NDR-Sendung „Profit auf Rezept“ dokumentierte umfassend, mit welchen Methoden die Pillen-Riesen ihre Medikamente vermarkten. BAYER & Co. schenken ÄrztInnen mit Werbung angereicherte Praxis-Software, veranlassen diese durch großzügig vergütete „Anwendungsbeobachtungen“, die PatientInnen auf bestimmte Arzneien einzustellen und versorgen Krankenhäuser kostenlos mit Pharmazeutika, um die Mittel dann anschließend auf die Rezeptblöcke der nachbehandelnden ÄrztInnen zu bekommen. Der Leverkusener Multi tat sich in der Reportage besonders als Sponsor eines verlockenderweise auf Sylt stattfindenden Anästhesie-Kongresses hervor, auf dem er kräftig die Werbe-Trommel für seinen umstrittenen neuen Gerinnungshemmer XARELTO rührte. Folglich sah sich der Pharma-Gigant durch den Bericht dann auch zu einer Stellungnahme gezwungen. „Die NDR-Reportage „Profit auf Rezept“ impliziert, dass viele Ärzte bestechlich sind und die Pharma-Industrie mit unlauteren Methoden ihre neuen Arzneimittel vermarktet“, konstatiert das Unternehmen. Und das sei natürlich nicht der Fall. BAYER mache nur „lautere Werbung mit produkt-bezogenen Informationen“, damit die DoktorInnen die Pillen auch bestimmungsgemäß einsetzen könnten. Anwendungsbeobachtungen erfüllen dem Global Player zufolge ebenfalls einen wichtigen Zweck, da sie angeblich „sicherheitsrelevante Erkenntnisse“ zu Tage fördern. Darüber hinaus verwahrte er sich gegen Kritik an XARELTO, wie sie in dem Feature der Vorsitzende der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“, Wolf-Dieter Ludwig, geäußert hatte. Der Konzern verwies stattdessen auf positive Bewertungen etwa von der „Deutschen Gesellschaft für Neurologie“ (DGN). Unerwähnt ließ die Aktien-Gesellschaft dabei allerdings, dass sie zu den Sponsoren der „Deutschen Gesellschaft für Multiple Sklerose“ gehört (s. o.), die im Beirat der DGN sitzt

BAYERs Kongress-Sponsoring
Es gibt kaum einen MedizinerInnen-Kongress, den der Leverkusener Multi nicht sponsert. 2014 „unterstützte“ er nach Informationen der Initiative BIOSKOP beispielsweise die NeurologInnen-Tagung in Marburg, den Berliner Diabetes-Kongress, den Berliner Krebs-Kongress, den „Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin“ in Wiesbaden und die Jahrestagung der „Deutschen Gesellschaft für Kardiologie“. Und oftmals belässt es der Pharma-Riese zu diesen Gelegenheiten nicht bei Ausstellungsständen, sondern hält auch noch Symposien ab (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

BAYER sponsert Arzneipreis-Studie
Die „UCL School of Pharmacy“ hat festgestellt, dass die Innovationskraft der Pillen-Riesen gefährdet ist, wenn diese nicht mehr Geld für ihre Erzeugnisse bekommen. Erkenntnisfördernd hat sich dabei die Finanzierung der Studie durch BAYER und NOVARTIS ausgewirkt. ÄRZTE OHNE GRENZEN kritisierten die „Reichtum macht erfinderisch“-These der UCL hingegen scharf und werteten sie als Teil einer breiter angelegten Kampagne für höhere Arznei-Preise. Die Organisation warf den Konzernen vor, trotz immenser Profite bei der Entwicklung wichtiger Medikamente, wie z. B. neuer Antibiotika, zu versagen und forderte die Unternehmen auf, ihre Geschäftspraxis zu ändern. „Es ist dringend nötig, dass BAYER, NOVARTIS und die Industrie als Ganzes Innovationsmodelle entwickeln, die neue Pharmazeutika für alle erschwinglich hält“, so die Sprecherin Katy Athersuch.

BAYER zeichnet Bluter-Film aus
Im Rahmen seiner image-fördernden Sponsoring-Aktivitäten finanziert der Leverkusener Multi auch den „Deutschen Hörfilm-Preis“ des „Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes“. Im März 2014 hat dieser nun ausgerechnet ein Werk ausgezeichnet, in dem der Pharma-Riese selber eine nicht gerade kleine Rolle spielt. „Blutgeld“ handelt nämlich von dem AIDS-Skandal, den HIV-verseuchte Blutprodukte von BAYER und anderen Konzerne in den 1980er Jahren ausgelöst haben, weil die Unternehmen die Präparate aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierte scharf gegen das soziale Marketing des Global Players: „Wie pervers ist das denn? Das Leben Tausender Bluter hätte gerettet werden können, wenn die Verantwortlichen bei BAYER damals rechtzeitig gehandelt hätten. Und heute werden die Opfer dazu missbraucht, dem Konzern durch ‚mildtätige Gaben’ ein menschliches Antlitz zu verleihen.“

Fortbildung von JournalistInnen
Krebs-Medikamente gehören zu den lukrativsten Pharma-Präparaten BAYERs. Darum ist dem Konzern an einer guten Presse gelegen. Um eine solche zu bekommen, unterstützt er Fortbildungsmaßnahmen für JournalistInnen. So stellte er der US-amerikanischen „National Press Foundation“ Geld zur Durchführung eines Programmes zur Verfügung, das SchreiberInnen im Dezember 2014 vier Tage lang die „Cancer Issues 2014“ nahebringen will.

Keine milde Reis-Gabe
Seit einiger Zeit vermarktet BAYER seinen hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Reis massiv und erhält sogar „Entwicklungshilfe“ (siehe ERSTE & DRITTE WELT). Um seine Produkte auf die Felder zu bringen, hat er Kooperationen mit staatlichen Stellen in Indonesien, Brasilien, Burma, China, Thailand, Vietnam und auf den Philippinen vereinbart. Und auch die Schäden, die der Taifun „Yolanda“ Anfang des Jahres in Südostasien angerichtet hat, nutzte der Leverkusener Multi zu Werbe-Zwecken. So spendete er 1.000 FarmerInnen insgesamt 20 Tonnen der Sorte ARIZE. Ob diese damit glücklich werden, steht allerdings dahin. So klagten etwa indonesische LandwirtInnen über ARIZE, weil er hohe Produktionskosten verursacht, schlecht schmeckt und anfälliger gegenüber Schadinsekten ist. Zudem ist der Hybrid-Reis auf die Bedürfnisse der industriellen Landwirtschaft zugeschnitten, weshalb die Initiative ALLIANCE OF AGRARIAN REFORM MOVEMENT bereits vor einem Bauernsterben warnte.

BAYER sammelt Unterschriften
Viele chemische Substanzen ähneln in ihrem Aufbau Hormonen und wirken auch vergleichbar. Darum können sie den menschlichen Hormonhaushalt stören und so den Organismus schädigen. Die Europäische Union arbeitet gerade an einer Schwarzen Liste solcher Stoffe. Da viele von ihnen in Pestiziden zum Einsatz kommen, fürchtet der Leverkusener Multi um seine Produktpalette. Zudem beklagt er „die völlig überzogenen Registrierungsanforderungen“ der EU im Allgemeinen und das von ihr vorübergehend verhängte Verbot der bienenschädigenden BAYER-Ackergifte PONCHO und GAUCHO im Besonderen. Der Konzern hat deshalb eine Kampagne ins Leben gerufen. Er warnt bei einer Fortführung der gegenwärtigen Pestizid-Politik nicht nur vor Betriebsverlagerungen und Arbeitsplatzverlusten in der Chemie-Branche, sondern auch vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der bundesdeutschen Landwirtschaft. Viele Bauern und Bäuerinnen vermochte das Unternehmen schon zu mobilisieren; 13.000 Unterschriften sammelte der Agro-Riese unter ihnen. „Die Bauernschaft ist aufgewacht“, bekundete der Deutschland-Chef von BAYER CROPSCIENCE, der passenderweise auch dem „Industrieverband Agrar“ vorsitzt, bei der Übergabe der Unterschriften-Listen an den Bauernverbandspräsidenten Joachim Rukwied. Und der bedankte sich artig beim Global Player: „Der Einsatz von BAYER bei dieser Aktion ist in der Branche vorbildhaft (...) Gegenüber den Gremien in Brüssel können wir ein eindeutiges Signal für den Pflanzenschutz setzen.“

BAYER bei der Fußball-WM
BAYER nutzte die Fußball-WM in Brasilien als Werbe-Auftritt für „Chemie im Alltag“. „Transparente MAKROLON-Massivplatten sorgen (...) dafür, dass die 70.000 Zuschauer im künftigen Estádio Nacional in der Hauptstadt Brasilia geschützt vor Sonne und Regen verfolgen können“, vermeldete der Konzern. In der heimatlichen „Bayarena“ musste der Hausherr eine ältere Version dieser Platten jedoch wegen Brandgefahr für teures Geld auswechseln. Aber nicht nur im „Estadio Nacional“ steckt Chemie made in Leverkusen. Auch im WM-Ball, in den Fußballschuhen und in der „Wäsche mit Kompressionsfunktion, die wie eine zweite Haut am Körper sitzt“, treibt sie ihr Unwesen.

Bienenweiden made by BAYER
Obwohl die hauseigenen Pestizide nun auch schon die hauseigenen Bienen dahingerafft haben (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE), leugnet der Leverkusener Multi immer noch beharrlich den Zusammenhang zwischen der Verwendung von Agro-Giften und dem Bienensterben. Stattdessen inszeniert sich der Konzern als Bienenkümmerer. Zu seinen „Bee Care“-Aktivitäten gehört neben dem Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen in einem Feldversuch (Ticker 4/13) auch die Unterstützung von Bienenweiden. „Allein in Deutschland und Österreich stellt BAYER im Rahmen des Projektes ‚Blühende Wege’ fast 30 Gemeinden und Städten das Saatgut kostenlos zur Verfügung“, verkündet das Unternehmen.

Extrem-Lobbyismus auf Hawaii
Auf Hawaii haben einige Regierungsbezirke strenge Auflagen zum Pestizid-Gebrauch erlassen. Darüber hinaus haben sie die Aussaat von Gen-Pflanzen verboten oder planen einen entsprechenden Bann. In eine Kampagne gegen diese Regelung steckten BAYER, MONSANTO & Co. 50.000 Dollar. Dabei bedienten die Konzerne sich auch ihrer Jura-Fabrik ALEC, die PolitikerInnen Paragrafen-Werke frei Haus liefert (Ticker 4/12). Für den besonderen Zweck hatte sie ein „Modell-Gesetz“ im Angebot, das es Bundesstaaten erlaubt, auf niedrigeren Ebenen erlassene Bestimmungen wieder aufzuheben. Auch die am 9. August auf der Insel anstehende Wahl ließen sich die Unternehmen viel kosten. Ihnen wohl gesonnene Kandidaten erhielten jeweils 5-stellige Beträge. Aber nicht nur auf Hawaii steigt die Zahl der Gentechnik-GegnerInnen. Zwei Bezirke des Bundesstaates Oregon votierten ebenfalls gegen die Laborfrüchte. In Jackson County erreichte eine von FarmerInnen initiierte Petition eine Stimmen-Mehrheit, obwohl die Multis wieder ein ALEC-Gesetz gegen das Ansinnen aufgeboten und rund 450.000 Dollar in Gegenpropaganda (BAYER-Anteil: 22.000 Dollar) investiert hatten. Und im Anschluss daran gelang es auch LandwirtInnen in Josephine County, ein entsprechendes Begehr durchzusetzen.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2013 unterstützte die Stiftung unter anderem die Bergkamener Down-Syndrom-Initiative, die in Wuppertal ansässige Ökumenische Telefon-Seelsorge, den Krefelder Mitmach-Bauernhof und den Verband der Funkamateure Moers. Über die Herbert-Grünewald-Stiftung gingen zudem Gelder an eine Schwimmgruppe für Menschen mit geistiger Behinderung, an den deutschen Gehörlosen-Sportverband sowie an das Inklusion beherzigende Fußball-Team einer Essener Hilfseinrichtung. Und den ASPIRIN-Sozialpreis des Jahres erhielt das Forschungszentrum Borstel für ihr Konzept zur Tuberkulose-Aufklärung.

TIERE & ARZNEIEN

Harmloses Tierarznei-Gesetz
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massenzucht fördert die massenhafte Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen welche die human-medizinischen Pendants der Mittel dann nicht mehr wirken. 2012 lag die Gesamtmenge der verabreichten Pharmazeutika dieser Medikamenten-Gruppe bei 1.619 Tonnen. Der Anteil der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, nahm dabei gegenüber dem Vorjahr um zwei auf zehn Tonnen zu. Die Politik hatte zwar eine Gesetzes-Verschärfung angekündigt, um den Verbrauch zu verringern, es blieb jedoch bei kosmetischen Maßnahmen. So sieht die neue „Tierarzneimittel-Mitteilungsdurchführungsverordnung“ lediglich ausgeweitete Dokumentationspflichten vor. Auf diese Weise hofft das Bundeslandwirtschaftsministerium LandwirtInnen, die sich besonders freigiebig im Umgang mit BAYTRIL & Co. zeigen, herausfiltern und zur Einsicht bringen zu können. An den Strukturen der Massentierhaltung aber will die Große Koalition nichts ändern. Zudem gilt das neue Paragrafen-Werk nur für Unternehmen mit mehr als 250 Mastschweinen und mehr als 1.000 Masthühnern bzw. -puten.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2013 hat der Leverkusener Multi mehr Tierversuche durchgeführt als 2012. Während der Konzern selber seine Experimente herunterfuhr und in den Laboren „nur“ noch 142.084 Ratten, Mäuse und andere Lebewesen traktierte (2013: 147.315), vergab er mehr Tests an externe Dienstleister, und dementsprechend stieg dort die Versuchstier-Zahl von 23.282 auf 30.203.

DRUGS & PILLS

Neuer YASMIN-Beipackzettel
Von Verhütungsmitteln der dritten Generation wie BAYERs YASMIN mit dem Wirkstoff Drospirenon geht ein höheres Thromboembolie-Risiko aus als von älteren Präparaten. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte im Zusammenhang mit YASMIN bereits 190 Sterbefälle. Die Europäische Arzneimittel-Behörde EMA hat die Präparate deshalb überprüft. Trotz ihrer Gefährlichkeit sieht die Einrichtung allerdings keine Veranlassung, die Mittel zu verbieten. Sie hat bloß veranlasst, auf den Beipackzetteln deutlicher vor den möglichen Nebenwirkungen zu warnen. Zudem kündigte die EMA eine Studie zum Gefährdungspotenzial des Inhaltsstoffs Chlormadinon an, der unter anderem in BAYERs ENRIQA enthalten ist. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) beließ es jedoch nicht dabei, den Durchführungsbeschluss der EU umzusetzen: Es sprach sich ausdrücklich für die Verschreibung von älteren, risiko-ärmeren Kontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel aus.

TRASYLOL: Vor Zulassung in Gebrauch?
Im November 2007 musste der Leverkusener Multi das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Mehrere Studien hatten die Gefährlichkeit des Medikamentes belegt. So analysierte der Harvard-Professor Alexander Walker die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und konstatierte im Falle einer Behandlung mit der Arznei eine erhöhte Sterblichkeitsrate sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herz-Erkrankungen. Die EU hob das Verbot 2012 jedoch wieder auf, und der Leverkusener Multi verkaufte das Medikament an das schwedische Unternehmen NORDIC. Aber der Pharma-Riese kann die Verantwortung für die Risiken und Nebenwirkungen des Pharmazeutikums nicht so einfach abschütteln. Auf der BAYER-Hauptversammlung Ende April 2014 konfrontierte die Australierin Jennifer Lloyd den Konzern mit dem Vorwurf, den Tod ihres Vaters verschuldet zu haben. Nachdem er 1978 in einem Melbourner Hospital TRASYLOL erhalten hatte, erlitt er eine Serie von Herzinfarkten und verstarb schließlich. Noch dazu war das laut Jennifer Lloyd zu einem Zeitpunkt, da das Mittel in dem Land noch gar keine offizielle Zulassung besaß. Auf eine Erklärung zu dem frühen Gebrauch oder gar auf ein Schuldeingeständnis wartete die junge Frau in Köln jedoch vergebens.

NEXAVAR-Studie scheitert
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib hat bislang eine Zulassung bei den Indikationen „fortgeschrittener Nierenkrebs“ und „fortgeschrittener Leberkrebs“. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu verbreitern. Ein Versuch mit dem Medikament zur ergänzenden Behandlung von solchen Leberkrebs-PatientInnen, denen die MedizinerInnen alle erkennbaren Tumor-Teile herausoperiert hatten, scheiterte allerdings: Die Arznei hat die Zeit bis zum Ausbruch neuer Karzinome nicht hinauszögern können. Vorher hatte NEXAVAR schon bei Haut-, Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs versagt.

ASPIRIN verhindert keine Infarkte
Der Einsatz von ASPIRIN bei chirurgischen Eingriffen kann das Risiko von Herzinfarkten nicht vermindern. Stattdessen steigt für die PatientInnen die Gefahr, Blutungen zu erleiden. Das ergab eine Studie, die das „Population Health Research Institute“ der „McMaster University“ durchführte.

FDA: Kein ASPIRIN gegen Infarkte
Seit Jahren versucht der Leverkusener Multi nun schon, seinen „Tausendsassa“ ASPIRIN trotz eher durchwachsener Bilanz (s. o.) als Mittel zur Herzinfarkt-Prophylaxe zu etablieren. Bei Menschen, die vorbelastet sind, hat der Konzern dafür schon grünes Licht bekommen. Jetzt wollte er aber das Indikationsgebiet ausweiten und von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Genehmigung dafür erhalten, das Medikament auch Gesunden zur Vorbeugung von Infarkten andienen zu können. Das lehnte die Behörde allerdings ab. „Nach einer sorgfältigen Überprüfung klinischer Studien kam die FDA zu dem Schluss, dass aus den Daten keine Empfehlung ableitbar ist, ASPIRIN Menschen zu verabreichen, die noch keinen Herzinfarkt oder Gehirnschlag erlitten und keine Herz/Kreislauf-Probleme haben“, sagte Dr. Robert Temple. Bei dieser Gruppe übersteige das Risiko von inneren Blutungen den Nutzen, so der Forschungsdirektor der Behörde.

ASPIRIN COMPLEX hilft nicht
Der Spiegel hat Peter Sawicki, den ehemaligen Direktor des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ gebeten, verschiedene Erkältungsmittel zu bewerten. BAYERs ASPIRIN COMPLEX mit den Inhaltsstoffen Acetylsalicylsäure und Pseudoephedrin-Hydrochlorid schneidet dabei nicht gut ab. Seine schleimhaut-abschwellende Wirkung lässt laut Sawicki zu wünschen übrig. Zudem leuchtet ihm nicht ein, warum ein Beutel des Mittels neunmal teurer ist als eine ASPIRIN-Tablette. Die „Stiftung Warentest“ kommt zu einem ähnlichen Urteil: „Eine nicht sinnvolle Kombination.“ Der Leverkusener Multi widerspricht da natürlich. Vom Spiegel zu einer Stellungnahme aufgefordert, verweist er auf positive Studien-Ergebnisse und betont, die Preise von ASPIRIN pur und ASPIRIN-COMPLEX seien nicht vergleichbar.

ASPIRIN bei Darmkrebs?
Nach zwei neueren Studien kann ASPIRIN bei bestimmten Menschen das Darmkrebs-Risiko reduzieren. Bei Personen mit einer größeren Menge des Enzyms 15-PGDH im Darm vermag der „Tausendsassa“ das Gefährdungspotenzial herabzusenken. Das berichteten – allerdings anhand relativ weniger Fälle – US-WissenschaftlerInnen in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine. Zu einem ähnlichen Ergebnis waren vorher schon britische ForscherInnen gekommen (Ticker 4/09). Sie rieten aber trotzdem von einer vorbeugenden Einnahme ab, da die Wirksubstanz schwere Nebenwirkungen wie Magenbluten hat.

Leberschäden durch XARELTO
Zu den häufigsten Nebenwirkungen von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zählen Blutungen. Aber auch Leberschädigungen treten oft auf. So erhielt die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA in den ersten zehn Monaten des Jahres 2013 320 diesbezügliche Meldungen von ÄrztInnen. Sieben tödliche Verläufe waren darunter und 26 Fälle von Leberversagen. „In der entsprechenden Fachinformation (...) findet man dazu keine deutliche Warnung“, kritisiert der Arzneimittelreport der Krankenkasse Barmer GEK. Der Leverkusener Multi weist dort lediglich darauf hin, dass PatientInnen mit Leber-Erkrankungen das Medikament nicht nehmen sollten.

XARELTO macht die Kassen arm
BAYERs umstrittener Gerinnungshemmer XARELTO (s. o.) gehörte 2013 zu den umsatzträchtigsten patentgeschützten Arzneimitteln in der Bundesrepublik. Mit Erlösen von 949 Millionen Euro – fast 200 Prozent mehr als 2012 – musste das Präparat mit dem Wirkstoff Rivaroxaban nur den beiden Rheuma-Mitteln HUMIRA und ENBREL den Vortritt lassen. Das Konkurrenz-Präparat PRADAXA mit dem Wirkstoff Dabigatran kam mit 86 Millionen Euro nicht annähernd in solche Regionen. Die Krankenkasse Barmer GEK, die nur für fünf Arzneien mehr ausgab als für das BAYER-Produkt und fast ein Prozent ihres Medikamenten-Etats in das Mittel investieren musste, schreibt dies bloß dem immensem Reklame-Aufwand des Konzerns zu. „Da Dabigatran länger auf dem Markt erhältlich ist und früher eine Zulassungserweiterung als Rivaroxaban bekommen hatte und da bis heute keine pharmakologischen Vorteile oder gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Wirkstoffen belegt wurden, kann diese extreme Steigerung bei Rivaroxaban nur durch Marketing- und Werbemaßnahmen zustande gekommen sein“, heißt es im „Arzneimittelreport 2014“.

Vitamin-Pillen helfen nicht
Der Leverkusener Multi preist seine ONE-A-DAY-Vitaminpräparate als wahre Wunderpillen an. Nach Angaben des Konzerns sollen sie gleichzeitig das Herz und die Immunabwehr stärken, den Augen gut tun und dem Körper zu mehr Energie verhelfen. Dank solcher Versprechungen finden diese Produkte und andere Nahrungsergänzungsmittel aus dem Hause BAYER reißenden Absatz. Im Geschäftsjahr 2013 machte das Unternehmen damit einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Das medizinische Urteil über die zusätzlich zur Nahrung eingenommenen Substanzen fällt allerdings verheerend aus. So kam ein ForscherInnen-Team der „Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health“ um Dr. Eliseo Guallar zu dem Schluss: „Wir glauben, dass es klar ist, dass Vitamine nicht helfen.“ Da ONE-A-DAY & Co. unter Umständen sogar noch negative Wirkungen entfalten können, forderte Guallar die VerbraucherInnen unmissverständlich auf, die Stoffe nicht mehr zu kaufen.

Schwanger trotz ESSURE
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, hat unter anderem Nebenwirkungen wie Blutungen, Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und kann Allergien auslösen. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass es die Eileiter verschließt, verrichtet zudem ihren Dienst nicht zuverlässig. Die Wahrscheinlichkeit, trotz ESSURE schwanger zu werden, liegt bei 9,6 Prozent. Das ergab eine Studie der „Yale School of Medicine“ unter Leitung von Aileen Gariepy.

BAYERs Afrika-Agenda
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). Nach einer vom „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) herausgegebenen – und vom Pillen-Riesen SANOFI gesponserten – Expertise haben diese nämlich ein Volumen von bis zu 160 Milliarden Dollar. Deshalb heißt es bei BAYER: „2014 steht eine Afrika-Strategie hoch oben auf der Agenda.“ Momentan setzt die Pharma-Sparte auf dem Kontinent 650 Millionen Euro um. Der Konzern erwartet durch eine anwachsende Mittelklasse jedoch deutlich bessere Zahlen, besonders in Kenia, Tansania, Kamerun, Nigeria, der Elfenbeinküste und Südafrika. Als Türöffner für die Ausweitung des Export-Geschäfts fungieren dabei oft staatliche Hilfsorganisationen. So hat der Leverkusener Chemie-Multi in Äthiopien mit der US-amerikanischen Entwicklungshilfe-Behörde USAID ein „innovatives Geschäftsmodell“ entwickelt. Die „Contraceptive Security Initiative“ sieht vor, Frauen „mit mittlerem Einkommen in vorerst elf subsaharischen Entwicklungsländern Zugang zu bezahlbaren oralen Kontrazeptiva“ zu verschaffen. Das Unternehmen stellt dafür die Pillen bereit, und die USAID zahlt für die Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zu den Mitteln. „Einen neuen strategischen Ansatz und einen innovativen Weg zur Erschließung der Märkte in Entwicklungsländern“ nennt der Pharma-Riese das Ganze.

BAYER kauft PatientInnen-Daten
Wissen ist Macht – darum interessiert sich BAYER sehr für PatientInnen-Daten. Bei der englischen Gesundheitsbehörde NHS erwarb der Leverkusener Multi Material, „um die Größe des britischen Marktes für Gebärmutter-Wucherungen zu erkunden“ und mit diesem Wissen „den Marketingstrategie-Prozess zu füttern“. Auch andere Firmen beteiligten sich am Großeinkauf, was auf der Insel einen großen Skandal auslöste. Der Pharma-Riese hat aber noch andere Informationsquellen. So ist er in der Bundesrepublik Kunde bei der Firma PHARMAFACT, welche die Rezepte der Krankenkassen auswertet. Darum weiß der Konzern ganz genau, wie das Geschäft mit seinen Arzneien so läuft und wie er seine Pharma-DrückerInnen präparieren muss. Manchmal weiß er es sogar genauer, als die Polizei erlaubt. PHARMAFACT gab nämlich bis 2012 widerrechtlich nicht nur anonymisierte Unterlagen heraus, sondern auch solche mit Namen von MedizinerInnen, so dass BAYER & Co. ganz genaue Informationen über die Verschreibungsgepflogenheiten in den einzelnen Praxen hatten. „Die Unterlagen, die uns in Auszügen zugespielt wurden, scheinen valide zu sein. Sie könnten einen der größten Daten-Skandale der Bundesrepublik im Medizinbereich aufdecken“, so das „Unabhängige Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein“ damals.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Tod durch Endosulfan
In Argentinien starb ein Junge durch eine Vergiftung mit dem eigentlich verbotenen Pestizid Endosulfan, das auf einer nahe der Wohnung der Familie gelegenen Tomaten-Plantage zum Einsatz kam. Gegen ihren Besitzer, der den früher auch in BAYER-Produkten wie MALIX, PHASER und THIODAN enthaltenden Wirkstoff ausbringen ließ, läuft in der Sache jetzt ein Strafverfahren.

Pestizide in Pollen
Ackergifte haben einen großen Anteil am weltweiten Bienensterben. Da wundert es nicht, dass GREENPEACE die Agro-Chemikalien auch in von den Bienen gesammelten Pollen aufspüren konnte. In 72 von 107 Proben fanden sich Pestizid-Rückstände. Unter den drei am häufigsten nachgewiesenen Wirkstoffen fanden sich zwei, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind: Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER) und Thiacloprid (CALIPSO, PROTEUS). Aber es waren auch noch andere vom Leverkusener Multi verwendete Substanzen im Blütenstaub enthalten wie Fenhexamid (TELDOR), Spiroxamine (PROSPER) und Trifloxystrobin (NATIVO, CORONET).

Pestizide in Zuchtblumen
GREENPEACE hat Zierpflanzen aus Garten-Centern und Baumärkten nach Pestizid-Rückständen untersucht. In 84 der 86 Proben wurde die Organisation fündig. Und am häufigsten führte die Spur nach Leverkusen: „In Anbetracht aller nachgewiesenen Pestizide kann der größte Produzent als BAYER CROPSCIENCE identifiziert werden, der sechs von 18 nachgewiesenen Pestizide produziert“, Am häufigsten stießen die WissenschaftlerInnen dabei auf die besonders für Bienen gefährlichen Neonicotinoide GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin), deren Gebrauch die EU vorerst stark eingeschränkt hat. In 43 bzw. sieben Prozent der untersuchten Blumen trieben diese Substanzen ihr Unwesen.

Pestizide im Salat
In der NDR-Sendung markt untersuchten JournalistInnen, wie viel Pestizid-Rückstände sich auf einem Blattsalat finden lassen. Sie behandelten einen Kopf mit dem BAYER-Insektizid CALYPSO und gaben ihn anschließend in ein Labor. Die WissenschaftlerInnen wiesen sechs Milligramm des Wirkstoffes Thiacloprid pro Kilo in der Probe nach – vier Milligramm mehr, als der Gesetzgeber erlaubt. Die Redaktion konfrontierte dann den Leverkusener Multi mit dem Ergebnis. Und der konnte sich das alles nur mit einer falschen Versuchsanordnung erklären: „Wir schließen aus dem von ihnen angegebenen sehr hohen Wert von sechs Milligramm pro Kilogramm, dass entweder die empfohlende Aufwandmenge überschritten worden ist oder die Analyse unmittelbar nach der Anwendung erfolgte.“ Da schloss der Konzern aber falsch: Das Fernseh-Team hatte sich genau an die Packungsanweisung gehalten und den Salat auch erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit zur Untersuchung gebracht.

Bienensterben comes home
Nun konnte der BAYER-Konzern die Wirkung seiner Pestizide auf das Leben der Bienen einmal aus erster Hand erleben. Von dem Bienensterben mit einer Million toten Tieren, zu dem es Ende März 2014 in Leverkusen kam, waren nämlich auch eigene Bestände betroffen. Und als Ursache stellten die Behörden zweifelsfrei BAYERs Pestizid-Wirkstoff Clothianidin fest, dessen Zulassung für bestimmte Anwendungen wegen seiner bienenschädigenden Effekte eigentlich noch bis zum Dezember 2015 ruht. Von der Varroa-Milbe, welche der Agro-Riese selber immer gerne für die Dezimierung der Gattung verantwortlich macht, war dagegen weit und breit nichts zu sehen. Aus welcher Quelle das Agro-Gift stammte, vermochten die Behörden in einer nachfolgenden Untersuchung allerdings nicht mehr zu ermitteln.

Neue Bienensterben-Studien
Die beiden BAYER-Pestizide PONCHO und GAUCHO gehören zur Gruppe der Neonicotinoide. Wegen ihrer Schädlichkeit für Bienen hat die EU sie 2013 für vorerst zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen. Diverse neue Studien belegen nun, wie richtig die Entscheidung war. Ein WissenschaftlerInnen-Team der Harvard University um Chensheng Lu setzte 12 Bienenvölker Neonicotinoiden aus und ließ sechs verschont. Den Sommer über passierte nichts, aber im Winter verwaisten sechs der mit den Pestiziden traktierten Bienenstöcke – für die ForscherInnen ein klares Zeichen für die Langzeitfolgen von PONCHO & Co. Zu einem ähnlichen Befund kommt die internationale WissenschaftlerInnen-Gruppe „Task Force on Systemic Pesticides“. Sie analysierte 150 Neonicotinoid-Studien und das Fazit lautete: Die Stoffe haben verheerende Auswirkungen nicht nur auf Bienen, sondern auch auf andere Insekten, Würmer und Vögel. Da die Chemikalien also den ganzen Naturkreislauf stören, fordert die Task Force ein weltweites Verbot der Substanz-Klasse. Caspar Hallmann von der niederländischen Radboud-Universität konnte die Schäden teilweise sogar genau beziffern. Nach seiner Untersuchung geht die Vogel-Population bei einer GAUCHO-Konzentration im Oberflächen-Gewässer von mehr als 20 Billionstel Gramm pro Liter um jährlich 3,5 Prozent zurück, weil das Gift den Tieren ihre Nahrungsgrundlagen raubt.

UBA für sparsamen Glyphosat-Gebrauch
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe zum Einsatz, aber auch in BAYER-Pestiziden wie GLYPHOS oder USTINEX. Zudem will der Multi es künftig gemeinsam mit der Gensoja-Sorte „FG 72“ sowie seinen genmanipulierten Baumwoll-Arten „GHB 614“, „GHB119“ und T304-40 vermarkten. Obwohl mehrere Studien Spuren des Giftstoffes im menschlichen Organismus gefunden hatten, stellte das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) der Substanz eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Das Umweltbundesamt (UBA) plädiert hingegen für eine sparsame Verwendung des Mittels, denn es trägt nach Ansicht des UBA-Chemieexperten Klaus Günter Steinhäuser wesentlich zur Reduzierung der Artenvielfalt bei.

Glyphosat-Gebrauch eingeschränkt
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat steht im Verdacht, Fehlbildungen hervorzurufen, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Das Verbraucherschutzministerium hat deshalb eine Ausbringungsbeschränkung für den auch in BAYER-Produkten vorkommenden (s. o.) Stoff erlassen. Es erlaubt die „Spätanwendung in Getreide“ nur noch auf Teilflächen. Dem Bundesrat geht das allerdings nicht weit genug. Die Länderkammer fordert ein umfassendes Verbot des Einsatzes der Substanz bei der Reife-Beschleunigung und darüber hinaus noch einen Glyphosat-Bann für den Haus- und Gartenbereich.

El Salvador bannt BAYER-Pestizide
Von 2007 bis 2011 gingen den Behörden in El Salvador 8.159 Meldungen über Pestizid-Vergiftungen ein. Darum zog das Land die Notbremse und verbot 53 Wirkstoffe. Der Bann betrifft auch viele Substanzen, die in BAYER-Mitteln Verwendungen finden wie etwa Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN), Glyphosat (GLYPHOS, USTINEX G), Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), Parathion-Methyl (ME 605 Spritzpulver) und Methamidophos (TAMARON). Kurz darauf verweigerten die USA die Freigabe von schon bewilligten Entwicklungshilfe-Geldern, weshalb nicht wenige UmweltaktivistInnen darin eine von BAYER & Co. veranlasste Strafaktion der Obama-Administration sehen.

Teilverbot für MESUROL
Das BAYER-Pestizid MESUROL darf nicht mehr als Mittel gegen Schnecken zum Einsatz kommen. Wegen der extremen Giftigkeit des Inhaltsstoffs Methiocarb hat die EU dem Produkt für diesen Anwendungsbereich die Zulassung entzogen.

BAYER goes bio

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Der Leverkusener Multi setzt in letzter Zeit vermehrt auf „bio“, da sich Schadinsekten und Unkräuter immer besser auf die handelsüblichen Pestizide einstellen. So kaufte er jetzt das argentinische Unternehmen BIAGRO, das biologische Saatgutbehandlungsmittel auf der Basis von Mikro-Organismen und Pilzen sowie Mittel zur Stärkung des Pflanzen-Wachstums produziert.

BAYER goes bio

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Der Global Player will die Produktion von Pestiziden auf biologischer Basis erhöhen. Um mehr Chargen seines Anti-Wurmmittels BIBACT und seines Anti-Pilzmittels CONTANS herstellen zu können, baut er seine Fertigungsstätte in Wismar aus. Auch die Forschungsaktivitäten am Standort plant der Leverkusener Multi zu erweitern. Noch machen BIBACT & Co. allerdings nur einen Bruchteil der Produktpalette von BAYER AGROSCIENCE aus.

GENE & KLONE

Die Gentech-Ökonomie
In ihrer Werbung für die Gentechnologie versprechen die Agro-Riesen gerne das Grüne vom Himmel bzw. der Erde. So sollen die Laborfrüchte nicht weniger als das Welthunger-Problem lösen helfen. Im Alltagsgeschäft hört sich das alles weit profaner an. In einem Patentantrag für ein gentechnisches Verfahren redet BAYER Klartext. „Transgene Pflanzen werden vor allem eingesetzt, um das Produktionspotenzial der jeweiligen Pflanzen-Sorte bei möglichst geringem Einsatz von Produktionsmitteln möglichst günstig zu nutzen“, heißt es dort ungeschminkt.

Neues Gentech-Soja
In den USA bringt BAYER 2015 die Genlabor-Frucht CREDENZ heraus und vermeint damit laut eigener Werbeaussage, die Sojabohne neu erfunden zu haben. Der Konzern vermarktet das Produkt in zwei Variationen, einmal mit einer Resistenz gegen das Pestizid Glyphosat und einmal mit einer gegen Glufosinat. Das ursprünglich von MONSANTO entwickelte Glyphosat ist seit 30 Jahren im Einsatz und steht im Verdacht, Fehlbildungen hervorzurufen, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Da viele Wildpflanzen dem Mittel inzwischen trotzen, hofft der Leverkusener Multi mit seinem noch gefährlicheren und deshalb in der EU nur noch bis 2017 zugelassenen Glufosinat in die Lücke vorstoßen zu können. Es dürfte jedoch nur eine Frage der Zeit sein, wann sich auch hier ein Gewöhnungseffekt einstellt.

Importgenehmigung für SYNT0H2
BAYER und SYNGENTA haben für ihr Gensoja SYNT0H2, das nicht nur gegen BAYERs Ultragift Glufosinat sondern auch gegen den Pestizid-Wirkstoff Mesotrione von SYNGENTA resistent ist, von den australischen Behörden eine Importgenehmigung erhalten.

Kein geringerer Pestizid-Verbrauch
Das US-amerikanische Landwirtschaftsunternehmen hat auf der Basis von Daten aus dem Jahr 2010 untersucht, ob die Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen zu einer Reduzierung des Pestizid-Verbrauchs geführt hat, wie BAYER & Co. es in ihren Produkteinführungskampagnen versprochen hatten. Das Ergebnis fällt wenig erfreulich für die Agro-Riesen aus. Bei den Herbiziden gingen zwar am Anfang die ausgebrachten Mengen tatsächlich zurück, in den letzten Jahren stiegen sie jedoch wieder. Die Unkräuter können sich nämlich immer besser auf die Gifte einstellen, welche die Konzerne im Kombipack mit den gegen die Produkte immunen Labor-Pflanzen vermarkten. Bei den Insektiziden notierte der Report hingegen einen nachhaltigeren Rückgang, aber hier dürfte das dicke Ende, da sich Baumwoll-Kapselwurm & Co. an die Agrochemikalien gewöhnen, erst noch bevorstehen. Zudem geht die Reduzierung nicht auf die Gentechnik zurück. Auch in der konventionell betriebenen Landwirtschaft landeten weniger chemische Keulen auf den Feldern.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYERs Energie-Mix
Der Strom, den der Leverkusener Multi an seinen Standorten selbst erzeugt, speist sich zu rund zwei Dritteln aus Erdgas und zu einem Drittel aus der besonders klimaschädigenden Kohle. Wie es um die Zusammensetzung der zugekauften Energie bestellt ist, machte der Konzern bisher nie öffentlich. Deshalb fragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der letzten Hauptversammlung im April 1014 nach. Das Unternehmen gab an, das übliche Großhandelsangebot zu beziehen und nannte folgende Zahlen für den Mix: 25,6 Prozent Braunkohle, 23,9 Prozent Erneuerbare Energien, 19,6 Prozent Steinkohle, 14,4 Prozent Atomenergie und 10,5 Prozent Erdgas.

„Dream Production“ geht in Serie
Der Leverkusener Multi entwickelte gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ ein Verfahren, um Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung zu nutzen (Ticker 1/10). Nach erfolgreicher Erprobung der „Dream Production“ errichtet BAYER nun in Dormagen für 15 Millionen Euro eine kleine Fertigungsstätte. Sie soll jährlich 5.000 Tonnen Polyole für die Polyurethan-Herstellung liefern. Der Pharma-Riese feiert diese Innovation als eine Großtat zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“. Und selbst bei der günstigsten Hochrechnung fallen die Ergebnisse bescheiden aus. Sollten wirklich einmal weltweit alle Kunststoffe nach dem neuen Verfahren hergestellt werden, so wären gerade einmal 178 Millionen Tonnen Kohlendioxid gebunden – 0,6 Prozent der jährlichen Emissionen. Darüber hinaus fällt bei der „Dream Production“ selber nicht wenig CO2 ab, da energie-aufwendige Abtrennungs-, Reinigungs- und Verflüssigungsprozesse nötig sind, ehe aus den Rauchgasen der Kohlekraftwerke ein Rohstoff für die Chemie-Industrie entsteht.

Noch mehr „Dream Production“?
Ein großangelegtes Forschungsprojekt will nach Möglichkeiten suchen, um aus Kohlendioxid und anderen bei der Stahl-Produktion entstehenden Prozess-Gasen chemische Grundstoffe zu gewinnen. Neben dem Leverkusener Multi, der die Erfahrungen mit seiner „Dream Production“ (s. o.) einzubringen gedenkt, sind unter anderem THYSSENKRUPP, SIEMENS, BASF, RWE, die Universitäten Bochum und Duisburg sowie die Fraunhofer- und die Max-Planck-Gesellschaft an dem Vorhaben beteiligt.

Brückenbau auf Deponie-Gelände
Die Deponie Dhünnaue diente BAYER von 1923 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Giftmüll-Schlucker. Danach ließ der Leverkusener Multi nicht nur Gras über die Sache wachsen, sondern auch 220 Wohneinheiten sowie eine Schule, einen Kindergarten und ein Altersheim. Die Folge: Allein in der Hauptschule am Rand des Geländes traten 15 Krebserkrankungen und fünf Todesfälle auf. Die notwendigen Sanierungsmaßnahmen begannen erst in den 1990er Jahren. Der Konzern trug das verseuchte Erdreich jedoch keineswegs ab und umschloss es auch nicht vollständig. Lediglich zum Rhein hin sicherte er die Altlast mit Spundwänden ab. Deshalb ist es erforderlich, stündlich 750 Kubikmeter verseuchtes Wasser abzupumpen und zu reinigen – über Jahrhunderte hinweg. Und deshalb müssen jetzt auch die Sondierungsarbeiten zum Bau einer Autobahn-Brücke auf dem Areal äußerst vorsichtig verlaufen. Jedes Bohrloch birgt bis zu zwei Tonnen Sondermüll, was die Beschäftigten dazu nötigt, einen Ganzkörperschutz zu tragen. Auch besteht die Gefahr, dass die im Erdreich schlummernden Chemikalien die Brücken-Fundamente angreifen. „Man muss genau erkunden, welche Stoffe da vorhanden sind“, so Manfred Curbach von der Technischen Universität Dresden. Und Sven Sieberth vom Landesbetrieb Straßenbau NRW sieht ebenfalls Schwierigkeiten: „Also es könnte sein, wenn man Bereiche freilegt, dass das Material, was im Moment standfest ist, und tragfähig ist, dass es durch Witterungseinflüsse wie Regen dann aufweicht und keinen tragfähigen Untergrund hinterlässt. Also das Worst Case Scenario wäre dann, dass man (...) im schlimmsten Fall eine Betonplatte über die Deponie legen müsste, also im Prinzip wie ein Brückenbauwerk. Aber das wollen wir nicht hoffen, weil das würde zu immensen Mehrkosten (...) führen.“ Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte schon bei Beginn der Arbeiten gefordert, den Leverkusener Multi an der Finanzierung zu beteiligen. Aber das lehnt das Land Nordrhein-Westfalen ab, da es der Bauträger sei, der in die bestehende Situation eingreife. Auch an die Aufstellung eines Mahnmales denkt Rot-Grün nicht. „Ich bitte um Verständnis, dass ich hinsichtlich Ihres Wunsches nach einem Gedenkstein für mögliche Opfer der seinerzeit betriebenen Deponie zuständigkeitshalber nicht tätig werden kann“, diese Antwort erhielt ein CBG-Aktivist aus dem Verkehrsministerium auf eine entsprechende Anfrage.

NANO & CO.

BAYER verkauft auch Nano-Patente
Vollmundig hatte das „Erfinder-Unternehmen“ BAYER 2003 die Nano-Technik gepriesen. Mit einem Marktvolumen von 200 Milliarden Euro rechnete der Konzern. Zehn Jahre später verkündete er seinen Ausstieg (Ticker 3/13), da „bahnbrechende Anwendungen für den Massenmarkt“ nicht in Sicht seien. Und 2014 beendete der Leverkusener Multi das Kapitel endgültig. Der Global Player verkaufte die Patente für die ehemalige „Zukunftstechnologie“ an die Bayreuther Firma FUTURE CARBON.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosion in Kolumbien
Auf dem Gelände des BAYER-Werk nahe der kolumbischen Stadt Cali kam es am 3. Juli 2014 zu einer Explosion. Drei Menschen zogen sich dabei Verletzungen zu und mussten zur Behandlung in ein Krankenhaus.

Aus undichtem Salzstock fließt Öl
Aus Kochsalz wird Sole gewonnen, ein wichtiger Grundstoff der Kunststoff-Produktion. Darum hält der Leverkusener Multi zehn Prozent der Geschäftsanteile an dem Förder-Unternehmen SGW. Dieses hat die beim Salz-Abbau entstehenden Hohlräume an Energie-Konzerne vermietet, die dort unterirdische Öl- und Gasreservoirs unterhalten. Im Münsterland bildete sich in einer 217 Meter unter der Erdoberfläche liegenden Rohrleitung eines Stollens ein Leck. Unmengen von Öl drangen daraus an die Oberfläche und überzogen große Areale mit einem schmutzigen Film. 10 Kühe, die das Gemisch tranken, mussten TierärztInnen einschläfern. 35.000 Tonnen Öl pumpten die Hilfskräfte ab und 1.000 Tonnen verseuchtes Erdreich entsorgten sie. Die SGW hatte schon zwei Monate vor dem Austritt einen Druckabfall in den Speichern bemerkt, aber keine entscheidenden Schritte in die Wege geleitet. Claudia Baitinger vom BUND erklärte zu der Umweltkatastrophe: „Ohne die unersättliche Gier nach Sole, die von den NRW-Chemiefirmen SOLVAY, BAYER und VESTOLIT/EVONIK hauptsächlich für die Herstellung des umweltproblematischen Kunststoffes PVC seit Jahrzehnten gebraucht wird, hätte es die Begehrlichkeiten, in den entstandenen Hohlräumen unter einem der ökologisch wertvollsten Naturschutz- und FFH-Gebiete NRWs riesige Öl- und Gasspeicher anzulegen, nicht gegeben. Bereits vo

[MSF] Hauptversammlung 2014

CBG Redaktion

29. April 2014

Bayer-Hauptversammlung in Köln:

Ärzte ohne Grenzen kritisiert Konzern-Chef Dekkers und fordert Umdenken bei Forschung und Entwicklung

Heute findet die Hauptversammlung des Pharmakonzerns Bayer in Köln statt. Auch Philipp Frisch, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland, nimmt teil und wird sprechen. Anlässlich der von Konzern-Chef Marijn Dekkers zum Jahreswechsel gemachten Äußerung, Bayer habe das Krebsmittel Nexavar „nicht für den indischen Markt entwickelt, sondern für Patienten im Westen, die es sich leisten können“ fordert Frisch ein grundsätzliches Umdenken und eine neue Prioritätensetzung in der globalen Gesundheitspolitik:

„Dekkers‘ Zitat fasst alles zusammen, was heute im globalen Gesundheitsbereich falsch läuft: Medikamente nur für Reiche, Forschung soll durch Monopolversprechen und Patente angereizt werden. Dabei wissen wir längst, dass das nicht funktioniert. Und auch, dass es nicht so sein muss. Längst gibt es alternative Forschungsanreize wie Prämien, öffentliche Forschung und Produktentwicklungspartnerschaften, die ganz ohne Patentmonopole auskommen.

Doch über Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit entscheidet heute noch immer millionenfach das Portemonnaie. Medikamente sind oft entweder unerschwinglich teuer - oder es gibt erst gar keine wirksame und sichere Therapie.

Unsere Mitarbeiter behandeln weltweit in mehr als 60 Ländern jährlich 285.000 HIV/Aids-Patienten mit antiretroviralen Medikamenten, über 30.000 Tuberkulose-Fälle sowie 1,6 Millionen Malaria-Patienten. Für Pharmaunternehmen sind diese Menschen als Abnehmer nicht interessant, daher findet für sie auch kaum Forschung statt.

Das heutige Patentsystem versagt auf ganzer Linie. Private Konzerne forschen primär nicht an den Krankheiten, die das größte Leid verursachen, sondern an denen, die den größten Gewinn versprechen. Von den 2000 bis 2011 neu zugelassenen 336 Wirkstoffen waren nur 4 wirksam gegen vernachlässigte Krankheiten – und das obwohl weltweit bis zu einer Milliarde Menschen an diesen leiden. Außerdem sorgen Marktmonopole, die Unternehmen durch Patente gewinnen, dafür, dass lebensnotwendige Medikamente für Millionen von Menschen unerschwinglich sind.

Wir brauchen endlich eine andere Prioritätensetzung in der Gesundheitspolitik. Im Rahmen der Weltgesundheitsorganisation wird schon seit Jahren über innovative Anreizmechanismen gesprochen, die ganz ohne Patentmonopole auskommen. Nicht zuletzt die Lobbymacht der Pharmaunternehmen und die Interessen der reichen Industrieländer, in denen diese ihren Sitz haben, verhindern bislang aber mutige Schritte.“

Sponsoring

CBG Redaktion

Presse Information vom 20. März 2014

BAYER sponsert Hörfilmpreis für ZDF-Film „Blutgeld“

Firma infizierte Tausende Bluter / „Opfer werden für Social Marketing missbraucht“

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband hat am Dienstag in Berlin den Deutschen Hörfilmpreis vergeben. In der TV-Kategorie konnte sich die ZDF-Produktion „Blutgeld“ durchsetzen. Hauptsponsor der Preisverleihung war neben der Firma Pfizer und der Aktion Mensch ausgerechnet die BAYER AG.

„Blutgeld“ erzählt die wahre Geschichte dreier Brüder, die an der Bluter-Krankheit leiden und durch verseuchte Gerinnungspräparate mit HIV infiziert werden. Die Hauptrolle in dem bewegenden Film spielt Max Riemelt.

Hintergrund der Handlung: bis Mitte der 80er Jahre wurden tausende Bluter mit HIV und Hepatitis-C infiziert, hauptsächlich durch Produkte von BAYER. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags kam zu dem Ergebnis, dass die Mehrzahl der Infektionen hätte verhindert werden können, da seit 1982 alle notwendigen Erkenntnisse über HIV vorlagen. Aus Profitgründen widersetzte sich die Industrie jedoch der Umstellung ihrer Produktion und der Vernichtung ungetesteter Präparate. Weltmarktführer für Gerinnungshemmer zu diesem Zeitpunkt war die BAYER-Tochter Cutter. Firmeninterne Memos hatten die Gefahren für Bluter frühzeitig benannt, ohne dass das Unternehmen daraus Konsequenzen zog.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Wie pervers ist das denn? Das Leben Tausender Bluter hätte gerettet werden können, wenn die Verantwortlichen bei BAYER damals rechtzeitig gehandelt hätten. Und heute werden die Opfer dazu missbraucht, dem Konzern durch „mildtätige Gaben“ ein menschliches Antlitz zu verleihen.“ Die CBG fordert eine angemessene Entschädigung aller infizierten Bluter (und ihrer Hinterbliebenen) durch BAYER sowie die Beendigung aller Social Marketing-Aktivitäten des Konzerns.

Andreas Bemeleit vom Netzwerk Robin Blood, in dem sich betroffene Bluter zusammengeschlossen haben, ergänzt: „Diese Spende ist ein weiterer Baustein der Pharmaindustrie, um die Verbände der Betroffenen zu beeinflussen. Mit direkten Spenden in fünfstelliger Höhe und regelmäßigen Zuwendungen versucht BAYER, sich als Wohltäter darzustellen. Solange auch Bluter-Verbände solche Spenden entgegen nehmen, ist die Vertretung der Interessen von Hämophilen nicht in der gebotenen Konsequenz möglich.“

Hörfilme sollen es blinden und sehbehinderten Menschen ermöglichen, Filme als Ganzes wahrzunehmen. Die Filme sind mit einer Audiodeskription versehen, die in knappen Worten zentrale Elemente der Handlung sowie Gestik, Mimik und Dekors schildert. Zur Jury des Hörfilmpreises gehörten Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, der blinde Kabarettist Dietrich Plückhahn, die Schauspielerinnen Brigitte Grothum und Eva Habermann, Schauspieler Roman Knižka, Moderatorin Nina Eichinger sowie Filmredakteur Lars-Olav Beier (Der Spiegel), Reinhard Glawe (Bert Mettmann Stiftung), Hans-Joachim Krahl (Präsidium des DBSV) und Filmproduzent und Regisseur Nico Hofmann.

weitere Informationen:
=> Hintergründe zum Aids/Bluter-Skandal
=> Kritik am Social Marketing von BAYER

[Jubiläum SWB] STICHWORT BAYER 01/2014

CBG Redaktion

30 Jahre SWB

BAYERs Schatten

Seit nunmehr 30 Jahren schon muss sich BAYER einer publizistischen Gegenmacht erwehren: Im Dezember 1983 brachte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit dem rundbrief den Vorläufer des heutigen Stichwort BAYER auf den Weg. Vom Äußeren her kaum wiederzuerkennen, zeigt sich auf der inhaltlichen Ebene eine bemerkenswerte Kontinuität. Themen der ersten Ausgabe wie Störfälle, gefährliche Chemikalien, Wasserverschmutzung und gesundheitsgefährdende Arzneitests beschäftigen die Redaktion nämlich noch immer. Es hat sich also allen Beteuerungen zum Trotz nicht viel getan beim Leverkusener Multi – einer der vielen Erkenntnisgewinne der Langzeitbeobachtung.

Der BAYER-Konzern investiert nicht nur sehr viel Geld in seine Geschäftstätigkeit, er gibt auch Unsummen dafür aus, diese Geschäftstätigkeit in einem möglichst guten Licht erscheinen zu lassen. 500 Angestellte beschäftigt das Unternehmen mittlerweile in seiner PR-Abteilung. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) war deshalb schon bald nach ihrer Gründung klar, dass es gilt, dieser Öffentlichkeitsarbeit eine Gegenöffentlichkeitsarbeit entgegenzusetzen. Also beschloss das Netzwerk, ein eigenes Organ zu entwickeln. Und im Dezember 1983 war es dann soweit. Die erste Ausgabe des rundbriefs erschien. „Klein und bescheiden ist er zwar, der erste rundbrief. Aber oho!“, schrieb CBG-Urgestein Axel Köhler-Schnura zur Premiere, „denn nichts fürchten die Verantwortlichen bei BAYER mehr als die Wahrheit. Und die wird im rundbrief zu lesen sein.“
Auf spärliche acht Seiten brachte es die Ausgabe damals, alles mit der Schreibmaschine geschrieben und einzig mit ein paar Karikaturen zur Auflockerung der Textblöcke versehen. Im Erscheinungsbild hat sich inzwischen so manches getan. Nach und nach fanden Fotos Eingang ins Heft, und ab 1987 wartete es mit einem richtigen Titelbild auf. Allgemein nahm das Layout immer professionellere Formen an. Im neuen Jahrtausend kam dann sogar noch Farbe ins Spiel. Peu à peu fanden sich auch die Elemente zusammen, die heute fester Bestandteil des Magazins sind: der „O-Ton BAYER“, die „Angespitzt“-Zeichnung, die Meinungsrubrik und der Name „Stichwort BAYER“. Vor 1985 hieß die Zeitschrift noch „BAYER-Kurier“. Doch diesen Namen machte der CBG die Zeitung Bayernkurier streitig. Die CSU-Postille aus München sah eine Verwechslungsgefahr mit ihrem Blatt gegeben und drohte bei Weiterverwendung des Titels mit einem teuren – Streitwert: 50.000 DM – Prozess, und da die Coordination das Risiko nicht eingehen wollte, musste sie sich geschlagen geben und das Kind anders nennen.
Inhaltlich zeigt sich hingegen eine bemerkenswerte Kontinuität. Die Themen des ersten Heftes wie Störfälle, Wasserverschmutzung, chemische Kampfstoffe, giftige Substanzen und gesundheitsgefährdende Arznei-Tests treiben die Redaktion noch immer um. So beschäftigt sich ein Artikel der vorliegenden Ausgabe mit den polychlorierten Biphenylen (PCB), einer chemischen Verbindung, deren Gefährlichkeit schon den ersten rundbrief alarmierte. Von Anfang an einen breiten Raum nimmt die Berichterstattung über die CBG-Aktionen zu den BAYER-Hauptversammlungen ein. Das Stichwort BAYER (SWB) druckt Reportagen über die Proteste vor den Kölner Messehallen sowie den Ablauf der AktionärInnen-Treffen und veröffentlicht die Reden der Konzern-KritikerInnen. Und selbstverständlich widmet sich das Magazin auch den anderen Baustellen der Coordination stets in aller Ausführlichkeit.
Aber das Stichwort BAYER spiegelt die Arbeit der CBG nicht nur wider, oft genug regt es Aktivitäten durch die Erträge seiner umfangreichen Recherchen auch erst an. Beispielsweise bot ein Text über die Zusammenarbeit des Leverkusener Multis mit zahlreichen Universitäten die Grundlage für die Transparenz-Initiative der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die eine Offenlegung des mit der Kölner Universität geschlossenen Forschungskooperationsvertrages verlangt und eine breite Resonanz gefunden hat. Zu den Kampagnen gegen den Blutverdünner XARELTO und die Verhütungsmittel der YASMIN-Gruppe gaben SWB-Texte ebenfalls den ersten Anstoß.
Eine große Aufgabe sieht das Magazin auch darin, die Sprechblasen, die BAYERs PR-Abteilung regelmäßig absondert, zum Platzen zu bringen. Die von den ÖffentlichkeitsarbeiterInnen am Schreibtisch entworfene schöne neue Welt der „Chemie-Parks“ mit ihren „Pflanzenschutzmittel“-Anlagen, ihrem „thermischen Recycling“ und der „Entsorgung“ von Produktionsrückständen, deren nachhaltige Idylle nur ab und zu einmal ein „Umweltereignis“ trüben kann, dekonstruiert das Stichwort BAYER permanent als eine Risikogesellschaft mit Pestizid-Fabriken inklusive Giftstoff-Verbrennung oder -Verklappung und Explosionen am laufenden Meter.
Der BAYER-Strategie, ihren Produkten durch eingekaufte WissenschaftlerInnen höhere Weihen zu verschaffen, arbeitet das SWB ebenfalls entgegen. Es hat Kontakte zu kritischen ForscherInnen aufgebaut, die den „Mietmäulern“ des Leverkusener Multis bei Bedarf ihre geballte Kompetenz entgegensetzen können. Im Redaktionsalltag sind über Recherchen, Nachdruck-Anfragen und die AutorInnen-Suche zudem vielfältige Verbindungen zu Initiativen oder EinzelkämpferInnen entstanden, weshalb das Stichwort im Netzwerk auch eine wichtige bündnispolitische Funktion erfüllt.
Die Zeitschrift vermag bei all solchen Bemühungen auf einem soliden Fundament aufzubauen. Über einen Ausschnittdienst erhält sie alle Artikel zugesandt, die in den bundesdeutschen Medien zum Global Player erschienen sind. Veröffentlichungen der Auslandspresse sammelt die Redaktion selber. Darüber hinaus bekommen die Redakteure häufiger BAYER-Interna von Whistleblowern zugespielt. Deshalb steht ihnen ein fast lückenloses Netz an Informationen zur Verfügung. Durch deren systematische Auswertung hat sich ein beeindruckendes Archiv aufgebaut, das über einen langen Zeitraum hinweg detailliert die Geschäftstätigkeit eines der größten Konzerne der Welt und deren unschöne Begleiterscheinungen dokumentiert.
Weltweit sucht das seinesgleichen und erweist seinen Nutzen Tag für Tag neu. Ereignet sich in einem Werk des Unternehmens eine Explosion, so ist das SWB imstande, gleich eine ganze Störfall-Liste zu präsentieren, die bis ins Jahr 1917 zurückreicht. Melden die Agenturen eine Preisabsprache des Leverkusener Multis mit anderen Konzernen, so hat das Stichwort gleich eine Aufstellung mit ähnlichen Kartell-Fällen parat. Und wenn eine Pille des Unternehmens wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen Schlagzeilen macht, so vermag das Stichwort auf der Stelle das Pharma-GAUs gewidmete Kapitel des „Schwarzbuchs BAYER“ zu präsentieren. Auf diese Weise vermittelt sich – bald auch lückenlos online, denn zum 30. SWB-Geburtstag gehen alle Ausgaben ins Netz – das Bild eines Global Players, der sich nicht hier und da mal einen Fehltritt leistet, sondern systematisch Mensch, Tier und Umwelt gefährdet, weil für ihn nur das zählt, was der frühere BAYER-Chef Manfred Schneider einmal mit den Worten ausdrückte: „Wir sind auf Profit aus. Das ist unser Job.“
Dank dieser Güte der Informationen greifen JournalistInnen bei ihren Recherchen häufig auf SWB-Material zurück wie zuletzt der Spiegel in seinem Beitrag über BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO. Auch erreichen das Stichwort BAYER immer wieder Gesuche um Nachdruck-Genehmigungen. Eine solche Wertschätzung macht es dem Magazin leicht, namhafte AutorInnen zu gewinnen: Jutta Ditfurth, Dorothee Sölle, Sven Giegold und Vandana Shiva haben schon für das SWB geschrieben. Außerdem legten bekannte Karikaturisten wie Berndt A. Skott, Kostas Koufogiorgos oder Carlos Latuff für das CBG-Organ Hand an. Bei den LeserInnen findet es ebenfalls viel Anklang. Schon rundbrief Nr. 2 durfte verkünden: „Der erste rundbrief hat zu unserer Freude ein riesiges Interesse gefunden. Täglich trudeln Abonnement-Bestellungen und Anfragen bei uns ein.“
Diese positive Resonanz blieb dem Magazin über die Jahre erhalten. Trotzdem plagen die SchreiberInnen auch immer wieder Selbstzweifel. „Betrachten die CBG-Mitglieder das Heft lediglich als Beigabe oder messen sie ihm einen eigenständigen Wert zu?“, „Wie intensiv lesen sie das Stichwort BAYER?“, „Wo liegen mögliche Schwachpunkte?“ – so lauteten einige der Fragen, die sich die Redaktion Ende 1999 stellte. Um Antworten zur „Leser/Blatt-Bindung“ zu erhalten, führte es unter den SWB-BezieherInnen eine Umfrage durch. Das Ergebnis schaffte es dann, die meisten Zweifel auszuräumen. „Stichwort BAYER mit großer Akzeptanz“, lautete das Resumee des damals hauptverantwortlichen Redakteurs Hubert Ostendorf. „SWB ist klasse, weiter so!“, „gut lesbar“ und „verständlich und sehr informativ“ hieß es unter anderem in den Zuschriften. Die einzelnen Rubriken und die Gesamtgestaltung des Heftes bekamen ebenfalls gute Noten. Nur vereinzelnd gab es Kritik wie „zu wenig abwechslungsreich“, „manchmal Quellen etwas genauer angeben“ oder „es wird viel Insiderwissen vorausgesetzt“. Hubert, der als gelernter Zeitungsmann mit großer Verve versucht hatte, das SWB zu professionalisieren und journalistischer zu machen, ohne ihm die politische Stoßrichtung zu nehmen, konnte seine Arbeit durch dieses Feedback bestätigt finden. Entsprechend erhöhte sich die Auflage stetig. Aktuell beträgt sie 6.200 Hefte. Die Zahl der AbonnentInnen stieg ebenfalls, auf 5.400 schraubte sie sich im Laufe der Jahre.
Allerdings bedeutete es von Anfang an einen ziemlichen Kraftakt, um zu diesen Resultaten zu kommen, denn es hängt weit mehr daran, als nur Artikel zu schreiben. Es gilt darüber hinaus Fotos zu machen, Karikaturen zu zeichnen und Anzeigen zu akquirieren. Und anschließend will das alles zusammen mit den Texten in Form gebracht und druckfertig gemacht werden. Verwaltungsaufgaben fallen ebenfalls reichlich an. Die AbonnentInnen-Datenbank erfordert Pflege, der Vertrieb läuft nicht von alleine, und ohne Werbung geht es auch nicht. Obwohl bei alldem viele fleißige Hände größtenteils ehrenamtlich mittun, verschlingt die Produktion ziemlich viel Geld. Die Abos allein bringen das nicht wieder herein; zudem bleibt dem Stichwort BAYER der Zugang zu lukrativen Werbeanzeigen – normalerweise Haupteinnahme-Quelle von Zeitschriften – verschlossen.
So also muss die CBG die Zeitschrift mittragen. Nur manchmal schulterten die „Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt“, der Ökofonds oder die Grünen diese Last mit.
Darum ist die Geschichte des Blattes verbunden mit Aufrufen, Förderabos zu zeichnen, unter Bekannten AbonnentInnen zu werben oder auch einfach nur Reklame für die Zeitschrift zu machen. Und Menschen, denen das Heft so am Herzen liegt, dass sie sich in besonderer Weise für die Arbeit der Redaktion engagieren möchten, fordert das SchreiberInnen-Team auf, dem „Stichwort BAYER“-Förderkreis beizutreten. Durch neue Förderer den Rücken gestärkt zu bekommen, wäre deshalb das schönste Geburtstagsgeschenk. Damit das Heft weiterhin das sein kann, als das es mein Vorgänger Hubert Ostendorf 1993 zum 10-jährigen Jubiläum bezeichnet hat: „ein Instrument wirksamer Kritik, wie es der Konzern in seiner über 125-jährigen Geschichte noch nicht gesehen hat“.
Von Jan Pehrke

[HIV / Bluter] STICHWORT BAYER 01/2014

CBG Redaktion

Blutige Geschichte

Dokumente zu HIV-Infektionen durch Cutter-Produkte

Zu Beginn der 1980er Jahre wurde AIDS erstmals beschrieben. Relativ schnell wurde klar, dass die Krankheit auch durch Blutprodukte übertragen wird. Die Bayer-Tochter Cutter versuchte zunächst, die Risiken zu verharmlosen. Trotz Kenntnis der verheerenden Folgen verkaufte sie vor allem in Entwicklungsländern den unsicheren Gerinnungsfaktor weiter. Jetzt – 30 Jahre später – sind eindeutige Belege endlich öffentlich zugänglich.

Insgesamt 58 Dokumente stellte das Drug Industry Document Archive (DIDA) der University of California ins Netz. Sie stammen aus 2008 erhobenen Sammelklagen von HIV-infizierten Bluterkranken gegen Cutter und andere Firmen in den USA. Die Kläger kamen aus Asien, Europa und den USA.
Menschen, die eine angeborene Störung der Blutgerinnung haben, sind oft lebenslang auf Arzneimittel aus Blutplasma (Faktor VIII oder IX) angewiesen.

Pharma-Kampagne warnte früh
Produkte aus menschlichem Blutplasma spielen in der Medizin eine wichtige Rolle. Kommerzielle Sammelsysteme und der internationale Handel mit Blut rückten jedoch erst angesichts des HIV-Risikos ins öffentliche Interesse. Dazu trug auch die Pharma-Kampagne bei. War doch der Blut-Handel eines der ersten Themen, mit dem sie sich intensiv auseinandersetzte. Dabei ging es auch um die unrühmliche Rolle von Cutter. Die Firma betrieb z. B. Plasma-Sammelstationen an der US-Grenze zu Mexiko und lockte so arme MexikanerInnen an. Viele Stationen in den USA befanden sich in Gebieten, wo Menschen unterhalb der Armutsgrenze lebten. Nicht nur die Ausnutzung von Notlagen kritisierte die Pharma-Kampagne, sie wies auch auf die gesundheitlichen Gefahren für die BlutplasmaspenderInnen und EmpfängerInnen von Blutprodukten hin. Gefordert wurde ein nicht-kommerzielles Sammelsystem, um die Risiken zu minimieren.1

Risiken waren bekannt
Das kommerzielle Sammeln von Blutplasma war nicht erst seit HIV/AIDS problematisch. Schon Jahre zuvor war deutlich geworden, dass Hepatitis B durch Blutprodukte übertragen werden kann und deshalb Spender, bei denen diese Erkrankung häufig ist, möglichst ausgeschlossen werden sollten.
Das kümmerte Cutter offensichtlich recht wenig. In den Gerichtsunterlagen findet sich ein Brief des Managers des Oakland Plasma Center, der seinem Vorgesetzten über eine Inspektion berichtete. Die Behörden beanstandeten, dass ehemalige Drogenabhängige spenden durften. Der Manager schrieb, das sei nach den Regeln von Cutter zulässig und außerdem bedeute ein Ausschluss, dass man viele SpenderInnen verlieren würde.2
Relativ früh war der Übertragungsweg von HIV erkannt. Es lag nahe, dass Maßnahmen, die eine Hepatitis B-Übertragung bei Gerinnungsfaktoren verhinderten, auch gegen HIV helfen würden.
Bereits im Januar 1982 schrieb J. Hjorth in einem internen Cutter-Memo: „Ein Hepatitis-sicherer Faktor IX der Behringwerke befindet sich in klinischen Studien in New York und Dr. Lou Aledort vom Mt. Sinai (Krankenhaus) stellt fest, dass es unethisch wäre, sobald dieses Produkt zugelassen ist, PatientInnen noch eine andere Therapie zu geben.“3 Allerdings stand bei Cutter nicht die Sorge um die Sicherheit der Kranken im Vordergrund. Denn es heißt weiter: „Ich gebe diese Information weiter, weil wir offensichtlich harten Wettbewerb zu befürchten hätten, wenn Hyland und Behringwerke uns mit Faktor VIII und Faktor IX zu weit voraus wären. Ich wäre sehr an ihrer Einschätzung interessiert, wann wir frühestens Produkte haben, die mit diesen beiden Produkten konkurrieren können.“
Cutter hatte die Entwicklung verschlafen. Ein Jahr später, im Januar 1983, drängte Cutter Mitarbeiter M. Mazen mit Blick auf AIDS, sich mit der Zulassung von sicheren Gerinnungsfaktoren zu beeilen. „Auch ohne harte Daten ist es sicher logisch, dass ein hitzebehandeltes Produkt, ohne die klinische Wirksamkeit zu opfern, potenziell sicherer ist als ein unbehandeltes.“4

Beschwichtigen statt handeln
Im Mai 1983 veröffentlichte Cutter in den USA eine neue Ausgabe seiner PatientInnenzeitschrift Echo für Bluterkranke. Einziges Thema: AIDS. „Wir von Cutter möchten Sie wissen lassen, dass ihr Wohlergehen unsere erste Sorge ist. Wir tun alles was möglich ist, (...) Vorsichtsmaßnahmen umzusetzen, mit dem Ziel, das Risiko für Personen mit Hämophilie zu minimieren.“ 5
Im Oktober 1983 wird bekannt, dass ein regelmäßiger Cutter-Blutspender an AIDS gestorben ist. Auch in der deutschen Bayer-Zentrale ist man beunruhigt. Der Cutter Öffentlichkeitsarbeiter versucht zu beruhigen.6 Man habe angekündigt, alle Produkte, die Blut von dem Spender enthielten, zurückzurufen. Seines Wissens seien keine Produkte nach Deutschland geliefert worden. Außerdem werde die PR-Agentur Hill-Knowlton eingeschaltet.

Wenns ums Geld geht ...
1983 kursierte bei Cutter ein ausführliches Memo, das die Risiken von AIDS und die Sicherheit von Cutter-Produkten thematisierte und offensichtlich der Außenverteidigung dienen sollte. Allerdings steht dort auch, dass bisher alle Bluterkranken, bei denen ein „AIDS-ähnliches Syndrom“ diagnostiziert wurde, Gerinnungsfaktoren erhalten hatten.7
Ende 1983 hatte Cutter endlich ein hitzebehandeltes Produkt am Markt. Doch die Einführung verlief nur schleppend und das alte Produkt wurde weiter verkauft. Während in den Industrieländern – wegen des öffentlichen Drucks die Umstellung langsam voranging, sah das im Fernen Osten ganz anders aus. Cutters Marketingplan für die Region spricht da Bände. Während der Verkauf in Neuseeland wegen AIDS zusammenbrach, wurde in Asien munter das alte Produkt weiterverkauft. Begründung: „AIDS ist in Asien noch kein großes Thema. Vielleicht weil der Region so viele andere Gesundheitsgefahren größere Sorgen bereiten. Das Hepatitis-Risiko amerikanischer Konzentrate ist keine so große Sorge in einer Region, wo Hepatitis B so prävalent ist.“ „Wenn wir Bedarf für das hitzebehandelte Produkt im Fernen Osten sehen, werden wir rasch handeln. Andernfalls werden wir versuchen weiterhin die Märkte mit billigem Standard Koate und Knyne zu dominieren.“8 Es ging nur ums Geld. Denn bereits 1984 hatte Cutter im Marketingplan festgestellt, ein Umtausch in sichere Produkte in Asien würde zwei Millionen US$ Verlust bedeuten, das mache man nicht.9

Komplizen der Industrie
Nicht nur die Hersteller von Blutprodukten handelten verantwortungslos. Auch die Aufsichtsbehörde FDA in den USA versagte. Das geht aus einem Cutter-Memo über ein Gespräch mit der FDA am 21. Dezember 1982 hervor. Damals war der Behörde die mangelnde Kontrolle Cutters, auf gesunde Spender zu achten, wohl doch zu viel geworden. Thema waren die Blutbanken an der mexikanischen Grenze und eine Sammelstelle mit einem hohen Anteil homosexueller Spender (die die höchste Rate von AIDS-Erkankungen aufwiesen). Dr. Donahue von der FDA verlangte von Cutter, wenigstens keine Spenden von Gefängnisinsassen mehr zu Gerinnungsfaktor zu verarbeiten. Dabei ging es ihm nach Ansicht von Cutter weniger darum, die Empfänger zu schützen als etwas gegen das in der Öffentlichkeit „gefühlte Risiko“ zu unternehmen.10 Donahue bat um einen Brief von Cutter als „Munition“ gegen weitere verpflichtende Kontrollmaßnahmen durch die FDA. Auch solle Cutter unbedingt zu einem öffentlichen Treffen der staatlichen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) kommen, da dort „die Demographie bezahlter Spender diskutiert“ würde.
Ein Treffen der Blutgerinnungsfaktor-Industrie mit der FDA im Mai 1985 zeigt, dass die Komplizenschaft mit den Herstellern anhielt. Damals hatten schon alle Firmen Produkte auf dem Markt, die Virus-inaktiviert waren. Dennoch waren die alten Produkte noch zugelassen. Dr. Harry Meyer forderte die Hersteller auf, freiwillig auf die Vermarktung dieser Produkte zu verzichten. S.J. Ojala von Cutter fasste die Diskussion so zusammen: „(Meyer) erklärte, obwohl die FDA die Zulassungen für ungültig erklären könnte, wolle er keine Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass die FDA diesen Zustand so lange geduldet hatte. Er wolle die Sache lautlos (Unterstreichung im Original) erledigen, ohne den Kongress, die medizinische Fachwelt und die Öffentlichkeit zu alarmieren.“11
Auch in Deutschland hatte die Aufsicht über die Industrie kläglich versagt. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages befasste sich ausführlich mit den Schwächen im System.12 Wie berechtigt die Forderungen der Pharma-Kampagne damals waren, zeigen die Erfahrungen aus Belgien und Norwegen. Dort wurden die Bluterkranken mit Gerinnungsfaktor versorgt, der aus freiwilligen Spenden aus dem eigenen Land stammte. Außerdem wurden nicht Tausende von Spenden zusammengekippt. So waren 1985/86 in Belgien 5,9% und in Norwegen 6,3% der Bluterkranken HIV-positiv, in Deutschland dagegen 47,4%.13
Autor: Jörg Schaaber, Buko Pharmakampagne

Die CBG und der Blutprodukte-Skandal

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat der Blutprodukte-Skandal ebenfalls von Anfang an beschäftigt – und er tut es bis heute. So setzt sie das Thema immer wieder auf die Agenda der BAYER-Hauptversammlungen. Schon in den 1990er Jahren kritisierte die Coordination die Skrupellosigkeit, mit welcher der Leverkusener Multi kontamierte Blutprodukte einsetzte, obwohl es längst Verfahren zur Inaktivierung des AIDS-Erregers gab, und bezeichnete das Vorgehen als das, was es auch ist: gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge. Zudem prangerte die CBG die von dem Unternehmen geübte Praxis an, zur Beschaffung des Rohstoffes „Blut“ sogar mit Diktatoren wie Anastasio Somoza, dem „Vampir von Nicaragua“, zusammenzuarbeiten. Wegen dieses Verhaltens forderte die CBG angemessene Entschädigungen und strafrechtliche Konsequenzen ein, wie sie auch ManagerInnen anderer an dem Pharma-GAU beteiligter Firmen über sich ergehen lassen mussten. Darüber hinaus suchte die Coordination den Kontakt mit Betroffenen wie Todd Smith und kooperierte mit ihnen. 1998 nahm der inzwischen verstorbene Smith sogar den langen Weg aus den USA auf sich, um zur BAYER-Hauptversammlung zu reisen. Schon an den Rollstuhl gefesselt konfrontierte er dort die Vorstandsriege und die AktionärInnen mit seinem Schicksal und griff die Geschäftspolitik scharf an. „Tausende von Blutern in den USA wurden durch BAYER-Produkte infiziert, viele Tausend weitere auf der übrigen Welt. Viele sind an AIDS gestorben, und viele haben Frauen und Kinder mit dieser Krankheit unwissentlich infiziert. All dieses Leid wurde durch ein Produkt ausgelöst, das hätte sicher sein können!“, kritisierte der US-Amerikaner. Er nannte den HV-BesucherInnen auch gleich den Grund für die mangelnde Sorgfaltspflicht. „Die bestehende Technik wurde nicht eingesetzt, da sich bei dem Verfahren die Menge des Plasmas auf ein Viertel reduziert hätte. Dementsprechend wären auch die Profite der Firma BAYER geschrumpft. Finanzielle Gründe waren also wichtiger als die Sicherheit der Patienten! Diese Entscheidung hat Tausenden von Blutern das Leben gekostet!“, so der Bluter damals. Der damalige Vorstandsvorsitzende Manfred Schneider reagierte darauf mit routinierten Beileidsbekundigungen, lehnte jedoch jegliche Verantwortung ab und sprach stattdessen von einem „tragische(n) Schicksal“. Mit ähnlichen Textbausteinen zogen sich dann seine Nachfolger aus der Affäre. Noch auf der letzten Hauptversammlung im April diesen Jahres wies BAYER-Chef Marijn Dekkers die Aufforderung des Bluters Andreas Bemeleit ab, die Kranken angemessen zu unterstützen, setzte sich aber dennoch als „verlässlicher Partner“ der Geschädigten in Szene.

1 BUKO Pharma-Kampagne (1982) Das Blut der Armen – Medikamente für die Reichen?
2 Ichikawa D (1981) Letter to R. Barden 19 May. Cutter Laboratories. Oakland Plasma Center. http:dida.library.ucsf.edu/pdf/zeu13j10
3 Hjorth J (1982) Cutter memo to M. Sternberg 27 January http:
dida.library.ucsf.edu/pdf/hgu13j10
4 Mazen M (1983) Chimp testing of hepatitis-safe Koate. Cutter memo to M M Sternberg. 4 Jan.
5 Cutter (1983) Foreword. Echo Vol 4, No. 1, May http:dida.library.ucsf.edu/pdf/lgu13j10
6 Modersbach RJ (1983) Cutter Memo an W Schmidt 31 Oct. www.baumhedlundlaw.com/hemophilia/exhibits/Exhibit-26-FNC.pdf
7 Ashworth JN (1983) Letter to B. Dyos 1 June http:
dida.library.ucsf.edu/pdf/igu13j10
8 Cutter (o.J.) 1985 Far East Region. Preliminary marketing plan. http:dida.library.ucsf.edu/pdf/kfu13j10
9 Cutter (o.J.) 1984 budget Far East. http:
dida.library.ucsf.edu/pdf/hfu13j10
10 Ojala (1982) Cutter memo: More AIDS and FDA. 21 Dec http:dida.library.ucsf.edu/pdf/weu13j10
11 Ojala SJ (1985) Cutter memo: Non-Heat Treat License. 30 May http:
dida.library.ucsf.edu/pdf/ofu13j10
12 Deutscher Bundestag (1994) Zweite Beschlußempfehlung und Schlußbericht des 3. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes. Drucksache 12/8591
13 Deutscher Bundestag (1994) aaO., S. 106

[ZDF Film] HIV-belastete Blutprodukte

CBG Redaktion

Presse Information vom 25. Oktober 2013

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Netzwerk Robin Blood (http:robinblood.org)

Montag, 20.15 Uhr: ZDF-Film zum Bluterskandal

„Verantwortliche in der Industrie zur Rechenschaft ziehen!“

Am kommenden Montag sendet das ZDF den Fernsehfilm „Blutgeld“. Erzählt wird die wahre Geschichte dreier Brüder, die an der Bluter-Krankheit leiden und sich durch verseuchte Gerinnungspräparate mit HIV infizieren. Die Hauptrolle in dem bewegenden Film spielt Max Riemelt. Der Produzent, Michael Souvignier, hatte vor einigen Jahren auch den TV-Film „Contergan – Eine einzige Tablette“ herausgebracht.

Hintergrund der Handlung: bis Mitte der 80er Jahre wurden tausende Bluter von den Herstellern, insbesondere dem BAYER-Konzern, wissentlich mit HIV und Hepatitis-C infiziert. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags kam zu dem Ergebnis, dass die Mehrzahl der Infektionen hätte verhindert werden können, da seit 1982 alle notwendigen Erkenntnisse über HIV vorlagen. Auch existierten bereits Sterilisierungsverfahren, um die Blutkonserven von Viren zu befreien. Aus Profitgründen widersetzte sich die Industrie jedoch der Umstellung ihrer Produktion und der Vernichtung ungetesteter Präparate.

Die BAYER-Tochter Cutter war zu diesem Zeitpunkt Weltmarktführer für Gerinnungshemmer. Diese wurden zu großen Teilen in den USA aus Spenderblut von Risikogruppen gewonnen, darunter Prostituierte, Gefängnisinsassen und Drogenabhängige. Zwar wurden die Gefahren für Bluter in firmeninternen Memos frühzeitig benannt, dennoch verzichtete die Firma aus Kostengründen auf den Einsatz von Sterilisierungsverfahren. Cutter bewegte darüber hinaus die übrigen Hersteller dazu, ebenfalls von einem Wechsel auf sicherere Verfahren abzusehen, und wirkte auf die Behörden ein, solche nicht verbindlich vorzuschreiben (dies führte 1994 zur Schließung des Bundesgesundheitsamts). Noch nach dem Verbot unbehandelter Blutprodukte in Europa exportierte Cutter übrig gebliebene Chargen nach Lateinamerika und Asien und verursachte damit wissentlich den Tod tausender Bluter.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) und das Netzwerk Robin Blood begrüßen, dass der ZDF-Film das Leid der Opfer veranschaulicht und die Rolle der Industrie kritisch beleuchtet. Zwar werden die verantwortlichen Firmen leider nicht beim Namen genannt, dennoch könne der Film – ähnlich wie im Fall Contergan – eine öffentliche Diskussion über die Entschädigung der Opfer initiieren. Während es für HIV-infizierte Bluter eine (wenn auch unzureichende) Stiftung gibt, gehen Hepatitis-Infizierte bislang vollkommen leer aus.

Andreas Bemeleit, Gründer des Netzwerks Robin Blood: „Die pharmazeutischen Unternehmen haben aus Profitgier unzählige Infektionen billigend in Kauf genommen. Die Bundesregierung hat seinerzeit ihre Aufsichtspflicht verletzt und sich zum Handlanger der Industrie gemacht“. Bemeleit, selbst Bluter, wurde durch Faktor VIII-Präparate mit HIV und Hepatitis-C infiziert. In der Hauptversammlung der BAYER AG hatte Bemeleit eine dauerhafte Entschädigungslösung gefordert, was vom Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers abgelehnt wurde.

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren ergänzt: „Die Verantwortlichen für diesen schrecklichen Skandal waren in erster Linie die Firmen Bayer, Baxter und Alpha. Obwohl die Unternehmen schon Mitte 1982 vor der Übertragung von HIV durch Blutprodukte gewarnt waren, verkauften sie bis 1984 unbehandelte Produkte. Das Leben Tausender von Bluter hätte gerettet werden können, wenn die Verantwortlichen rechtzeitig gehandelt hätten.“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kooperiert seit 25 Jahren mit HIV- und Hepatitis-infizierten Blutern. Neben Entschädigungen fordert die CBG eine strafrechtliche Verfolgung der Konzern-Verantwortlichen wegen wissentlicher Inkaufnahme der Infektionen sowie eine Übernahme der vollen Behandlungskosten durch die Firmen: „Die Verursacher der Infizierung Tausender Bluter profitieren bis heute vom Verkauf teurer Plasma-Medikamente und wälzen gleichzeitig die Behandlungskosten der von ihnen geschädigten Bluter auf die Allgemeinheit ab“, so Pehrke weiter. BAYER machte im vergangenen Jahr allein mit dem Bluter-Präparat Kogenate einen Umsatz von 1,18 Milliarden Euro.

Hintergründe zum Aids/Bluter-Skandal

Der Berliner Kurier und der Express greifen unsere Kritik auf://

HIV-Opfer durch Pharma-Pfusch

Wie im ZDF-Film „Blutgeld“: So schlecht geht es den Opfern

Manchmal möchte er zu den Sternen klettern. Über eine Leiter. Wie es sich sein Idol Vincent Freeman im Science-Fiction-Film „Gattacca“ von 1998 vornahm (gespielt von Ethan Hawke). Der Invalide in einer perfekten Gesellschaft. „Es erinnert mich an mein eigenes Schicksal. Ich wünschte, ich könnte mir eine Sternen-Leiter borgen.“ Er ist Bluter – und Opfer eines unfassbaren Medizin-Skandals.
Robert Kujat bewegt sich bedächtig. Das steckt so in ihm drin. Jede Verletzung kann tödlich sein. Er ist nicht nur Bluter. Robert Kujat ist an Aids und an Hepatitis C erkrankt. Er ist eines von 1500 Opfern, die in den 1980er Jahren über Blutkonserven mit dem Viren-verseuchten Faktor VIII versorgt wurden. Das damals als Wundermittel angepriesene Medikament entpuppte sich als Seuchen-Schleuder. Heute leben nur noch 400 Infizierte.
„Ich war zweieinhalb Jahre alt, als Ärzte feststellten, dass ich Bluter bin“, erzählt Robert Kujat. Er war mit dem Dreirad gestürzt, wäre fast verblutet.
Hämophilie, eine vererbbare Störung der Blutgerinnung, ist damals kaum behandelbar. Als ein aus menschlichem Blutplasma hergestelltes Faktorenkonzentrat (Faktor VIII oder auch Faktor IX) auf den Markt kommt, schöpfen viele Hoffnung. Auch Roberts Eltern. Was sie nicht ahnen können: Die Blutkonserven sind verseucht. Mit HIV-, mit Hepatitis-Viren.

„Ich habe mich infiziert, als ich etwa fünf Jahre alt war“, sagt Robert Kujat. Und fügt leise hinzu: „Meine Eltern wussten es. Doch sie haben es mir gegenüber geheim gehalten. Auch anderen haben sie nichts erzählt, aus Angst vor Ausgrenzung.“
Als er es selbst herausfindet, ist Robert Kujat 14 Jahre alt. „Ich hatte plötzlich Abschürfungen, die sehr schlecht verheilten und sich violett verfärbten.“ Die Diagnose verdrängte er erst einmal. „Als ich 18 war, habe ich es akzeptiert. Seitdem habe ich auch das Vollbild Aids. Ich bekam einen Hefepilz im Rachen und verlor 30 Kilogramm.“
Damals lag er sechs Wochen im Krankenhaus. „Ich habe noch mein Abitur gemacht, das Studium habe ich geschmissen. Ich hatte ja eine sehr schlechte Lebensperspektive.“
Dabei wollte er Luft- und Raumfahrttechnik studieren. Und ganz normal leben. „Gesund sein, eine Familie gründen.“ Eine Freundin hat er nie gehabt. „Seien wir doch ehrlich, ich bin ein Mängelexemplar. Wer will denn einen Mann ohne Perspektive?“
Dass er noch lebt, ist ein Wunder. Die Hepatitis hat seine Leber schwer geschädigt. Alle drei Monate geht er zum Arzt. Zur Kontrolle. „Ich lebe ziemlich in den Tag hinein, ich weiß ja nicht, in welcher Verfassung ich morgen bin.“
Der größte deutsche Pharma-Skandal seit Contergan: Das ZDF hat einen Film darüber gemacht („Blutgeld“, Montag, 20.15 Uhr). „Es ist gut, dass es diesen Film jetzt gibt“, sagt Kujat. „Ich habe heute noch eine Riesenwut. Es hat nie eine Verurteilung der involvierten Pharmahersteller gegeben.“
Der 34-Jährige, der nun in Berlin lebt, engagiert sich beim Betroffenen-Verband „Robin Blood“, auch „um Nachbesserungen bei den Zahlungen zu erreichen.“ „Meine Eltern bekamen damals Entschädigungszahlungen.“ Umgerechnet 49000 Euro. Schweigegeld. Robert Kujat erhält zudem monatlich 1500 Euro.
„Ich habe Angst vorm Sterben“, gibt er zu. Seit seinem 16. Lebensjahr beschäftigt ihn Kyronik. „Ich möchte mich nach meinem Tod einfrieren lassen. Ich werde dann in ein paar Jahrtausenden wieder zum Leben erweckt.“ Er will sich seine Träume erfüllen. So wie Vincent.

Bayer war Vorbild für Film - kein Geld mehr für Opfer?

Die Firma „Pharma“ im Film „Blutgeld“ hat ein reales Vorbild. „Wir haben dabei an Bayer gedacht, aber aus juristischen Gründen keine Namen genannt“, sagte einer der Macher.
Die Vorwürfe gegen den rheinischen Riesen sind nicht neu, werden . „Die Verantwortlichen für diesen schrecklichen Skandal waren in erster Linie die Firmen Bayer, Baxter und Alpha“, sagt Andreas Bemeleit, Gründer des Opfer-Netzwerks „Robin Blood“. „ Die pharmazeutischen Unternehmen haben aus Profitgier Infektionen billigend in Kauf genommen.“
In der Hauptversammlung der Bayer AG forderte Bemeleit, selbst Bluter, dauerhafte Entschädigungen , was abgelehnt worden sei.
Bayer-Sprecher Dr. Michael Thiel: „Die finanzielle Unterstützung betrug 2011 vier Millionen Euro. Darüber hinaus haben die Unternehmen in Aussicht gestellt, für die folgenden fünf Jahre weitere zwei Millionen pro Jahr zu leisten. Für 2012 und 2013 wurde Spenden von zwei Millionen gewährt.“ Von ANNE-KATTRIN PALMER und BERND PETERS

28.10.2013, Rhein Zeitung

Fernsehen: Opfern des Bluterskandals ein Denkmal gesetzt

Es war ein Arzneimittelskandal, der vor 20 Jahren die Republik erschütterte – vergleichbar wohl nur noch mit dem Conterganskandal: Mehr als 1800 Bluter hatten sich in den 80er-Jahren mit dem HI-Virus angesteckt.

Der Grund: Sie spritzten sich oft selbst ein Blutplasmakonzentrat, das die Pharmaindustrie aus dem Blut Tausender Spender hergestellt hatte und das von den Hämophiliezentren überall in der Republik an die Bluter weitergegeben wurde. Da diese Blutspenden bis 1985 nicht auf eine Infektion mit dem HI-Virus getestet wurden, war das Konzentrat oft verseucht.
Dabei hätte es bereits Ende 1982 eine – allerdings teurere – Alternative zu dem Medikament gegeben: ein mit Hitze behandeltes Konzentrat, in dem das HI-Virus abgetötet worden wäre. Mehr als 1000 Bluter sind deshalb bis heute an Aids gestorben. Der ZDF-Fernsehfilm „Blutgeld“ und die anschließende Dokumentation erzählen von diesem fürchterlichen Kapitel bundesrepublikanischer Gesundheitsgeschichte am heutigen Montag um 20.15 Uhr auf ergreifende Weise.
Produzent des Films ist der Kölner Michael Souvignier, der bereits mit „Das Wunder von Lengede“ und vor allem mit dem Zweiteiler „Contergan“ für Furore gesorgt hatte. Der Film erzählt die Geschichte der fiktiven Familie Seifert aus Siegburg, deren drei Söhne Ralf, Thomas und Stefan seit Geburt Bluter sind.
Als Ralf 1972 mit dem Fahrrad stürzt und das Blut aus seiner Wunde erst im Krankenhaus gestillt werden kann, erfährt die Familie dort von einer für Bluter bahnbrechenden neuen Behandlungsmethode in einer Klinik in Hannover. Dort bekommen die Patienten von Prof. Julius Schubert ein hoch dosiertes Konzentrat des im Körper von Blutern fehlenden Gerinnungsstoffes Faktor VIII. Sie können es quasi als Medikament mit nach Hause nehmen und es vorsorglich, aber vor allem bei Verletzungen spritzen, damit das Blut dann wieder gerinnen kann.
Die drei Seifert-Söhne holen sich das Präparat regelmäßig mit dem Auto aus Hannover. Wenn sie es in den Kofferraum gelegt haben, trinken sie erst einmal ein Bier, um auf ihr leichteres Leben mit der Bluterkrankheit anzustoßen. Was sie nicht ahnen: In den Medikamenten lauert später der Tod auf sie. Erst stirbt Anfang der 80er-Jahre Stefan.
Sein Bruder Thomas, der eine Krankengymnastikpraxis besitzt und eine Familie zu ernähren hat, will zunächst nicht wahrhaben, dass Stefan nicht an einer normalen Lungenentzündung gestorben ist, sondern Aids hatte. Es ist die Angst vor der Tabukrankheit Aids, die zu dieser Zeit noch als „Schwulenpest“ gilt.




Doch wenig später stirbt auch Thomas elendig. Kurz vor seinem Tod verspricht ihm sein Bruder, nicht mehr schweigen zu wollen. Zusammen mit der Ärztin Martina Meissner nimmt er den Kampf gegen Behörden und Pharmaindustrie auf. Der Film zeigt auf bedrückende Weise, wie Hunderte Bluter und ihre Familien in den 80er-Jahren nicht nur auf fahrlässige Weise mit der damals noch den sicheren Tod bringenden Viruserkrankung Aids infiziert wurden.
Er erzählt auch, wie viele von ihnen ihre Aids-Erkrankung aus Scham vor der gesellschaftlichen Ausgrenzung verschwiegen und so zum zweiten Mal Opfer der Pharmalobby wurden. Jeder der mehr als 1800 Infizierten erhielt ein Schweigegeld von 60 000 Euro, aber nur wenn alle einwilligten. Es gibt nur wenige, die wie Ralf Seifert zum Kämpfen bereit sind und dafür riskieren, sich in der Öffentlichkeit als HIVInfizierter erkennen zu geben.
Dieses nahezu unmenschliche Dilemma, in dem die infizierten Bluter steckten, beschreibt der Film auf atemberaubende Weise. Souvignier und sein Team setzen den Opfern und ihren Familien damit ein filmisches Denkmal, das längst überfällig gewesen ist. Stark ist der Film jedoch auch in den zwar rein fiktiven, aber sehr realistischen Szenen aus dem Bundesgesundheitsamt, das damals für die Zulassung des Blutermedikaments verantwortlich war.
Da sagt der Pharmalobbyist zynisch zum Mitarbeiter des Amtes: „Aids ist eine Naturkatastrophe. Wer ist schon schuld an einem Erdbeben? Diese Leute werden nicht lange genug leben, um Schadensersatzforderungen vor Gericht durchzusetzen.“ Da irrte er sich, zumindest zum Teil: Das Vorbild für die Filmfigur Ralf Seifert lebt noch heute. 2010 war in Medienberichten die Rede von 700 noch lebenden Betroffenen – dem medizinischen Fortschritt sei Dank.
Um das Leid der damals etwa 2300 Betroffenen zu lindern, wurde 1995 per Gesetz die „Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ geschaffen. Jeder HIV-Infizierte erhält seitdem monatlich 767 Euro, für Aidskranke sind es 1534 Euro. Nicht infizierte Kinder der betroffenen Patienten erhalten bis zum 25. Lebensjahr 512 Euro. Mehr als 250 Millionen Euro sind so bislang geflossen. Die Kosten teilen sich der Bund (40 Prozent), die Pharmaindustrie (36 Prozent), die Länder (20 Prozent) und Blutspendedienste des DRK (4 Prozent).
Die Zahlen sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele der mehr als 1000 verstorbenen Infizierten nur ein Schweigegeld bekommen haben – wenn sie dies denn akzeptiert hatten. Und die Verantwortlichen – an erster Stelle sind hier neben Pharmaindustrie und Krankenkassen die Bundesgesundheitsminister Heiner Geißler und Rita Süßmuth (beide CDU) zu nennen – wurden anders als beispielsweise in Frankreich nie zur Verantwortung gezogen.
Der Skandal flog erst Jahre nach den Infektionen auf. 1993 veröffentlichte der „Bonner Generalanzeiger“ eine Statistik des Bundesgesundheitsamtes, die sich jeder in einer Buchhandlung als Loseblattsammlung hätte bestellen können. Daraus ging hervor, dass es damals 1835 HIV-infizierte Bluter gab.

Erst der damalige Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) bat Opfer und Angehörige des größten Arzneimittelskandals seit Contergan um Verzeihung. Er löste das Bundesgesundheitsamt 1994 auf, entließ Spitzenbeamte und trug dazu bei, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss den folgenden Erkenntnissen:
• „Mindestens 60 Prozent der Opfer hätten durch rechtzeitige Maßnahmen gerettet werden können.“
• Seit der Jahreswende 1982/83 hätten alle Hersteller inaktivierte Faktor-VIII-Produkte im Angebot haben müssen, die mit Hitze behandelt waren und bei denen das HI-Virus abgetötet war. Alle anderen Medikamente hätten mit der ausdrücklichen Warnung vor einem Aidsrisiko an die Ärzte versehen werden müssen.
• Im Herbst 1983 hätten alle nicht Hitze behandelten Medikamente zurückgerufen werden müssen.
• Seit August 1984 seien „mit dem wissenschaftlichen Beweis der Ursächlichkeit“ des Virus für Aids „Entschuldigungen ausgeschlossen“ gewesen.
Die von Herstellern wie Bayer und den Ärzten vorgebrachte Rechtfertigung, dass ein Aidstest ja erst Mitte 1985 zur Verfügung stand, ist falsch. Aidsverdächtige Spender hätten auch schon vorher erkannt und ausgeschlossen werden können.
Der ZDF-Film zeigt, dass nicht die Gesundheit der Bluter im Vordergrund der Interessen von Politik, Pharmabranche und Krankenkassen stand, sondern Profitdenken und Vertuschung der eigenen Fehler. Es waren Fehler, die mehr als 1000 Menschen mit einem qualvollen Tod bezahlen mussten.

[150 Jahre] STICHWORT BAYER 04/2013

CBG Redaktion

150 Jahre BAYER

Von Aspirin bis Zyklon B

Vor 150 Jahren wurde die Firma „Friedr. Bayer et comp.“ gegründet. Die Bayer AG stieg in der Folge zu einem der größten Chemie- und Pharmakonzerne der Welt auf. Für Profite ging das Unternehmen immer wieder über Leichen. Kanzlerin Merkel hielt dies nicht davon ab, bei der Jubiläumsfeier persönlich zu gratulieren.

Von Philipp Mimkes

Am 1. August 1863 gründeten der Kaufmann Friedrich Bayer und der Färber Friedrich Weskott in Wuppertal-Barmen die Firma „Friedr. Bayer et comp“. Mit zunächst drei Mitarbeitern wurden Farbstoffe für die boomende Textilindustrie produziert.
Erst kurz zuvor war in England die Gewinnung synthetischer Farbstoffe aus Teer entwickelt worden. Da die deutschen Länder keine ausländischen Patente anerkannten, schossen überall Teerfarbenfabriken aus dem Boden. Fast alle deutschen Chemieunternehmen - neben Bayer auch BASF, Hoechst und Agfa – haben daher ihren Ursprung in der Herstellung von Farbstoffen.
Rasch setzte ein Konzentrationsprozess ein, den nur wenige Firmen überlebten. Bayer baute schon nach wenigen Jahren eine größere Fabrik in Wuppertal-Elberfeld und wurde 1881 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Zum Ende des Jahrhunderts hatte die Firma bereits mehrere tausend Mitarbeiter; zwei Drittel aller Farbstoffe weltweit wurden nun von deutschen Firmen erzeugt.
Noch im 19. Jahrhundert eröffnete Bayer die ersten Auslands-Repräsentanzen, zunächst in Russland, Lateinamerika und den USA, später auch in China und Japan. Auch die ersten Pharmaprodukte, Pestizide und Photochemikalien wurden in das Portfolio aufgenommen.

Hustenmittel Heroin
1884 trat der 22-jährige Chemiker Carl Duisberg in die Bayer AG ein. Bis zu seinem Tod im Jahr 1935 sollte er die Geschicke der Firma und die der chemischen Industrie insgesamt maßgeblich bestimmen.
Duisberg baute zunächst ein leistungsfähiges Pharma-Forschungslabor auf. Eine der ersten Entwicklungen war das Schmerzmittel Aspirin, das 1899 auf den Markt kam. In seinen Festschriften feiert der Konzern das Präparat heute als „Jahrhundertpharmakon“ - vollkommen zu Recht. Doch Aspirin ist nur das eine neue Medikament, das Bayer zu einem der führenden Pharma-Anbieter machte. Das andere Wundermittel verschweigt die Unternehmensgeschichte wohlweislich, obwohl es zum wirtschaftlichen Aufstieg mindestens ebenso viel beitrug: Heroin. Das „Beruhigungsmittel bei Husten“ wurde ebenfalls ab 1899 angeboten.
Im Jahr 1900 startete Bayer für die beiden Präparate einen bis dahin nie da gewesenen Werbefeldzug. Auf dem ganzen Globus wurden Anzeigen geschaltet, Ärzte wurden erstmals flächendeckend mit Gratisproben versorgt, und Niederlassungen von Brasilien bis China brachten die Präparate bis in die entlegensten Gebiete. Heroin wurde für eine breite Palette von Krankheiten beworben, darunter Multiple Sklerose, Asthma, Magenkrebs, Epilepsie und Schizophrenie.
Als Wissenschaftler auf das Suchtpotential des Tausendsassas hinwiesen, forderte Carl Duisberg, die Querulanten „mundtot zu schlagen“. Und weiter: „Wir dürfen nicht dulden, dass in der Welt behauptet wird, wir hätten unvorsichtigerweise Präparate poussiert, die nicht sorgfältig probiert sind“. Der sensationelle Erfolg verschaffte Carl Duisberg am 1. Januar 1900 den Vorstandsposten bei Bayer.

Umweltprobleme im 19. Jahrhundert
Schon der Aufbau der Chemie-Industrie führte zu großen Umweltschäden. Bereits im 19. Jahrhundert sah sich die Firma mit ersten Protesten und Klagen konfrontiert. So legten 23 Barmener Anwohner Einspruch gegen die Konzessionen für Friedrich Bayer ein. Sie befürchteten „Schäden an Gesundheit und Vegetation“ durch die Produktion von Zinn- und Eisenbeize, Indigokarmin und Blaupulver. Im Sommer 1864 musste das erst im Jahr zuvor gegründete Unternehmen die ersten Entschädigungen leisten. Immer mehr Beschwerden kamen in der Nachbarschaft auf, die Höhe der Abfindungssummen nahm zu. Die Firmenleitung reagierte mit einem ersten Umzug des Werks nach Wuppertal-Elberfeld.
Dort gingen die Probleme jedoch weiter, besonders wegen der Entsorgung giftiger Produktionsabfälle. Fabrikrevisionen im Jahr 1872 zeigten, dass Bayer es mit den Konzessionsauflagen nicht sonderlich genau nahm, was erneut zu Geldstrafen und sogar einem Eingreifen des Elberfelder Bürgermeisters führte. Eine Auseinandersetzung um austretende Dämpfe beschäftigte sogar das Ministerium für Handel und Gewerbe in Berlin. Einen Höhepunkt erreichten die Proteste im Juni 1889, als sich 66 Anwohner mit einem Protestschreiben an die Königliche Regierung wandten. Der Historiker Ralf Henneking vermutet, dass das Unternehmen vor behördlichen Inspektionen gewarnt wurde, weswegen die Strafzahlungen zum Ende des Jahrhunderts hin zurückgingen.
Durch die Tallage der Wuppertaler Fabrik waren die Expansionsmöglichkeiten begrenzt, weswegen ab 1895 der Bau des Leverkusener Werks vorangetrieben wurde. Auch hier gab es zunächst Konflikte mit Nachbarn und Behörden. So reichten Anwohner Beschwerden gegen die Errichtung von Salz- und Schwefelsäureanlagen ein, da sie durch die Abgase Gefahren für ihre Gesundheit befürchteten. In drei weiteren Fällen kam der Einspruch von Seiten der Stadt Köln, die eine Schädigung für ihr Stadtgebiet befürchtete. Einige Nachbarn zogen ihre Einwendungen freiwillig zurück, wahrscheinlich nach diskreten Geldzahlungen. Für die Landbesitzer wurde es ohnehin lukrativer, von den deutlich gestiegenen Grundstückspreisen zu profitieren, so dass Bayer nach und nach eine Fläche von fünf Quadratkilometern aufkaufen konnte. 1912 wurde der Firmensitz schließlich ganz nach Leverkusen verlegt.

Wasserverschmutzung
Von Anfang an versuchte die Firma Bayer, die Ausgaben für die Reinhaltung von Luft und Wasser zu minimieren. So kam eine Untersuchung der preußischen Regierung aus dem Jahr 1876 zu dem Ergebnis, dass die Wupper im Raum Barmen-Elberfeld „meistens einem Tintenstrom“ gleiche. Der Umzug nach Leverkusen wurde auch vor dem Hintergrund betrieben, dass der Rhein deutlich größere Mengen chemischer Abwässer aufnehmen konnte.
Die ersten Genehmigungen für die Abwassereinleitung in den Rhein enthielten jedoch noch die Bedingung, dass das Wasser frei von schädlichen oder übelriechenden Beimengungen und möglichst rein sein müsse. Behördliche Untersuchungen bemängelten, dass die Abwässer stark sauer reagierten. Die Unternehmensleitung versprach daraufhin, eine Abwasserkommission zu bilden und eine Selbstkontrolle vorzunehmen.
Stattdessen wurde jedoch zunächst ein Gutachten beauftragt, mit dessen Erstellung Curt Weigelt, ein langjähriger Lobbyist der chemischen Industrie, betraut wurde. Weigelt bezeichnete die Verunreinigung des Rheins denn auch als „unvermeidlich“; eine vorwärtsstrebende Industrie müsse die Kosten für die Abwasserreinigung so niedrig wie möglich halten und könne ohne das staatliche Zugeständnis einer „größeren Opferstrecke“ nicht auskommen. Carl Duisberg bekräftigte, dass technische Maßnahmen zur Abwasserreinigung eine „Vergeudung von Nationalkapital“ seien. Duisberg trat für die „Freiheit der fließenden Welle“ ein und forderte eine unbeschränkte industrielle Nutzung des Rheins. Auf Grundlage des Gutachtens teilte die Unternehmensleitung dem zuständigen Landrat mit, dass die Auflagen nicht erfüllt werden könnten. Die Konzessionen blieben dennoch bestehen.
Teile der damaligen Genehmigung haben Auswirkungen bis in die Gegenwart: so entnimmt allein das Leverkusener Werk dem Boden jährlich rund 85 Millionen Kubikmeter Grundwasser - mehr als der Trinkwasserbedarf der benachbarten Millionenstadt Köln. Während die Städte Köln und Düsseldorf mit hohem Kostenaufwand Wasser aus Rhein-Uferfiltrat gewinnen müssen, nutzt Bayer das weit sauberere Grundwasser. Aufgrund der alten „Wasserrechte“ musste das Unternehmen bis vor wenigen Jahren hierfür nicht einmal Abgaben leisten, weswegen Investitionen in wassersparende Technologien weitgehend unterblieben.

Sprengstoff und Giftgas
Im 1. Weltkrieg griff die deutsche Chemie-Industrie erstmals in den Lauf der Weltgeschichte ein. Aufgrund der englischen Seeblockade versiegte der Nachschub von Chile-Salpeter, der für die Produktion von Sprengstoff unabdingbar war. Eine für den Herbst 1914 geplante Offensive musste abgeblasen werden.
Zur Entschärfung der Lage richtete die Oberste Heeresleitung eine Salpeter-Kommission ein. Ende 1914 gaben Carl Bosch von der BASF und Carl Duisberg den Militärs das sogenannte „Salpeter-Versprechen“ und sicherten die Bereitstellung großer Mengen Ammoniumnitrat zu. Im Gegenzug erhielten die Firmen langfristige Abnahmegarantien und Darlehen in Millionenhöhe. Schon im Frühjahr 1915 konnte die Salpeter-Produktion aufgenommen werden, die Industrie hatte dadurch nach eigenen Worten „den Krieg gerettet“. Allein für das Ammoniak- und Salpeterwerk in Leuna wurden Reichskredite in Höhe von 432 Millionen Mark gewährt. Diese wurden sogar zurückgezahlt – allerdings erst 1923 auf dem Höhepunkt der Hyperinflation.
Historisch wichtig ist auch die Rolle von Bayer bei der Ausbeutung von Zwangsarbeitern. Im Herbst 1916 beklagte Carl Duisberg den Mangel an Arbeitskräften und forderte mit dem Ausspruch „öffnen Sie das große Menschenbassin Belgien“ den Einsatz von Zwangsarbeitern. Das Reichsamt des Inneren griff den Vorschlag auf und ließ rund 60.000 Belgier deportieren. Das Vorhaben scheiterte zwar größtenteils, unter anderem wegen eines Streiks der Belgier. Die Deportation gilt jedoch als Blaupause für das ungleich mörderischere Zwangsarbeiter-Programm im 2. Weltkrieg. Duisberg plädierte bis zuletzt dafür, die Arbeitsmöglichkeiten und die Lebensmittel in Belgien zu rationieren, um die „Arbeitslust“ der Belgier in Deutschland zu steigern.
Zur selben Zeit entwickelte Bayer chemische Kampfstoffe. Carl Duisberg war bei den ersten Chlorgasversuchen auf dem Truppenübungsplatz in Köln-Wahn persönlich anwesend und pries den Chemie-Tod begeistert: „Die Gegner merken und wissen gar nicht, wenn Gelände damit bespritzt ist, in welcher Gefahr sie sich befinden und bleiben ruhig liegen, bis die Folgen eintreten.“ Kurz darauf erfolgte der erste Einsatz durch das deutsche Heer im belgischen Ypern. Unter Duisbergs Leitung wurden bei Bayer weitere Kampfstoffe entwickelt: das weit giftigere Phosgen („Grünkreuz“), das bis heute als Vorprodukt von Kunststoffen produziert wird, und später Senfgas. Duisberg forderte vehement den Einsatz der Kampfstoffe: „Die einzig richtige Stelle aber ist die Front, an der man so etwas heute probieren kann und auch für die Zukunft nicht sobald wieder Gelegenheit hat, so etwas auszuprobieren. ... Ich kann deshalb nur noch einmal dringend empfehlen, die Gelegenheit dieses Krieges nicht vorübergehen zu lassen“. Insgesamt geht die Forschung von 60.000 Toten des von Deutschland begonnen Gaskrieges aus.

IG Farben
Die Krönung des Lebenswerks von Carl Duisberg war die 1925 erfolgte Gründung der IG Farben, dem damals größten europäischen Konzern und – nach Standard Oil – zweitgrößten der Welt. Der Zusammenschluss umfasste Bayer, BASF, Hoechst und einige kleinere Firmen. Duisburg wurde erster Aufsichtsratsvorsitzender.
Spätestens ab 1930 leisteten die IG Farben direkte Spenden an die NSDAP. Im Sommer 1932 schloss der langjährige Assistent Duisbergs, Heinrich Gattineau, mit Hitler und Rudolf Heß den sogenannten „Benzinpakt“. Die IG sicherte dem auf Autarkie versessenen Hitler die unbegrenzte Lieferung von Treibstoffen zu. Im Gegenzug erhielt die Firma nach 1933 Absatzgarantien für synthetischen Treibstoff und Kautschuk („Buna“). Eine gigantische Fehlinvestition der IG Farben - die aufwendige Kohlehydrierung war auf dem Weltmarkt bis dahin nicht konkurrenzfähig – amortisierte sich dadurch im Nachhinein.
In den folgenden Jahren kollaborierte kein anderes Unternehmen so eng mit dem Dritten Reich wie die IG Farben. Der 1936 verordnete Vierjahresplan zur Umstellung auf eine Kriegswirtschaft basierte größtenteils auf Vorschlägen der Firma; in der neu geschaffenen Vierjahresplanbehörde wurden hauptsächlich Vertreter der IG beschäftigt. Das Unternehmen war denn auch eng in den Eroberungskrieg des Dritten Reichs eingebunden. Der Konzern folgte der Wehrmacht in die eroberten Länder Europas und übernahm meist innerhalb weniger Wochen die dortige Chemie-Industrie, Kohlegruben und Ölquellen.
Als Teil der IG Farben beteiligte sich Bayer während des Krieges an den grässlichsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. So lieferte die Degesch, eine Tochterfirma von IG Farben und Degussa, das Zyklon B für die Gaskammern. Im Auftrag der IG wurden in Buchenwald und Auschwitz tödliche Experimente an Häftlingen durchgeführt, besonders mit Impfstoffen. Und die IG Farben ließen sich in Auschwitz eine riesige neue Fabrik von Sklavenarbeitern bauen. Im konzerneigenen Konzentrationslager Auschwitz-Monowitz kamen rund 30.000 Zwangsarbeiter ums Leben. Den Aufbau des benachbarten Vernichtungslagers Birkenau unterstützte die Firma finanziell und logistisch.
Wie eng der Austausch von Firma und KZ-Leitung war, belegt ein Zitat von Otto Ambros, Vorstandsmitglied des Technischen Ausschusses der IG Farben: „Unsere neue Freundschaft mit der SS wirkt sich sehr segensreich aus. Anlässlich eines Abendessens, das uns die Leitung des KZ gab, haben wir weiterhin alle Maßnahmen festgelegt, welche die Einschaltung des KZ-Lagers zugunsten der Buna-Werke betreffen“. Zur Behandlung der Zwangsarbeiter ordnete IG-Vorstandsmitglied Christian Schneider an: „Oberster Grundsatz bleibt es, aus den Kriegsgefangenen soviel Arbeitsleistung herauszuholen, als nur irgend möglich. Alle diese Menschen müssen so ernährt, untergebracht und behandelt werden, dass sie bei denkbar sparsamstem Aufwand die größtmögliche Leistung vollbringen“. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Arbeitssklaven betrug denn auch nur neun Monate.
Ohne die IG Farben hätte Auschwitz zweifellos nicht seine unvergleichliche Bedeutung als größtes Todeslager der Geschichte erlangen können.

Entnazifizierung
1952 wurden die IG Farben auf Verfügung der Alliierten in ihre ursprünglichen Bestandteile zerlegt. Die Bayer AG erhielt die Werke am Niederrhein und ein Stammkapital in Höhe von 388 Millionen Mark.
Zuvor hatte sich in den Nürnberger Prozessen ein eigenes Verfahren mit den Verbrechen der chemischen Industrie beschäftigt. Die zunächst sehr gründlichen Ermittlungen wurden jedoch wegen des aufkommenden Kalten Kriegs immer halbherziger geführt. Zudem hatten die IG Farben ab 1944 systematisch belastende Unterlagen vernichtet. Zwar werden im Urteil alle Verbrechen des Konzerns genannt: „a) die Rolle der I.G. bei dem Sklavenprogramm des Dritten Reiches, b) die Verwendung von Giftgas bei der Ausrottung von Konzentrationslagerinsassen, c) die Lieferung von giftigen Chemikalien der I. G. für verbrecherische medizinische Versuche an versklavten Personen, d) die unmenschliche Handlungsweise der Angeklagten in Zusammenhang mit dem Werk Auschwitz der I.G.“.
Dennoch wurden die Manager lediglich zu Haftstrafen von maximal acht Jahren verurteilt. Schon 1951 waren alle wieder auf freien Fuß und konnten ihre Karriere fortsetzen. So wurde Fritz ter Mer, der den Aufbau des Werks Auschwitz mitorganisiert hatte, nach seiner Haft Aufsichtsratsvorsitzender der Bayer AG. Für die Arbeitssklaven brachte ter Meer auch im Nachhinein wenig Mitgefühl auf: ihnen sei „kein besonderes Leid zugefügt worden, da man sie ohnedies getötet hätte“. Bayer benannte später sogar eine Studienstiftung in „Fritz-ter-Meer-Stiftung“.
Auch heute noch regt sich beim Konzern kein Unrechtsbewusstsein. So bezeichnet die von Bayer herausgegebene Festschrift Meilensteine die „Verstrickung“ der IG Farben im Dritten Reich schlicht als „Folge einer Zwangslage, in der die meisten nicht anders gehandelt hätten und gehandelt haben.“

Wiederaufstieg der großen drei
Bayer, BASF und Hoechst wurden zwar formal aufgespalten, stimmten aber ihre Geschäfte über Jahrzehnte hinweg eng aufeinander ab. So glückte in vielen Bereichen die Rückkehr an die Weltspitze. Der Leverkusener Konzern behauptete sich vor allem in den Segmenten Pestizide, Kunststoffe und Pharma und jüngst auch im Bereich Saatgut/Gentechnik (siehe „Chemie satt“, jW vom 8. Juli 2013). Der Verkauf von Basis-Chemikalien, Fotoprodukten und Farbstoffen hingegen wurde in den letzten zwei Jahrzehnten aufgegeben. Der Umsatz von Bayer stieg kontinuierlich auf heute 40 Milliarden Euro an.
Bis heute hat der Konzern zahlreiche hochproblematische Produkte im Sortiment. So schätzt die Weltgesundheitsorganisation die Zahl der jährlichen Pestizidvergiftungen auf bis zu 20 Millionen, rund 200.000 Fälle verlaufen tödlich. Für einen großen Teil der Vergiftungen sind Bayer-Produkte verantwortlich; mit einem Weltmarktanteil von rund 20% ist die Firma der zweitgrößte Pestizidhersteller der Welt. Obwohl das Unternehmen einräumt, dass „der sachgerechte Umgang mit Pflanzenschutzmitteln unter bestimmten Bedingungen in einigen Ländern der Dritten Welt nicht immer gewährleistet ist“, verkauft Bayer weiterhin hochgiftige Wirkstoffe, vor allem in Entwicklungsländern.
Historisch gesehen stammen die meisten Agrogifte aus der Giftgas-Forschung. Dr. Gerhard Schrader, der während des Dritten Reichs in den Wuppertaler Bayer-Laboren Kampfgase wie Sarin und Tabun entwickelt hatte, sattelte nach dem Krieg um und übernahm die Leitung der Pestizidabteilung. Ganz an den Nagel gehängt wurde die Herstellung von Giftgas jedoch nicht: während des Vietnam-Kriegs produzierte die von Bayer und Monsanto gegründete Firma Mobay das berüchtigte Entlaubungsmittel „Agent Orange“.
Und auch im Pharmabereich ging der Konzern immer wieder über Leichen. So wurde in den 80er Jahren etwa die Hälfte aller Bluter weltweit mit HIV oder Hepatitis C infiziert, ein Großteil durch Produkte des Weltmarktführers Bayer. Bestehende Inaktivierungsverfahren setzte der Konzern aus Kostengründen jahrelang nicht ein. Nach dem Verbot unbehandelter Blutprodukte in den USA und Europa wurden die übriggebliebenen Chargen nach Lateinamerika und Asien exportiert. Tausende Bluter bezahlten mit ihrem Leben.
Jüngere Pharma-Skandale verbinden sich mit dem Cholesterinsenker Lipobay, der trotz interner Warnungen auf den Markt gedrückt wurde und der den Konzern über eine Milliarde Entschädigungszahlungen kostete, sowie mit Antibabypillen der Yasmin-Gruppe. Die Einnahme der Pillen geht mit einem deutlich erhöhten Thrombose- und Schlaganfall-Risiko einher, mehrere hundert Frauen. Allein in den USA musste Bayer über eine Milliarde Dollar an Geschädigte und Hinterbliebene zahlen.

Historie weißgewaschen
Zum 150-jährigen Bestehen organisiert die Firma Bayer zahlreiche Festveranstaltungen mit prominenten Gästen. Ein eigens gebautes Luftschiff wirbt in allen fünf Kontinenten für den Konzern. Auch eine Ausstellung wurde von Leverkusen aus um die Welt geschickt.
Die Kehrseiten der Firmengeschichte werden in den zahlreichen Festschriften jedoch ausgeklammert. In der jüngsten Hauptversammlung wiesen Kritische Aktionäre zwar darauf hin, dass Bayer für Verbrechen wie Zwangsarbeit, Giftgas-Einsatz und Pestizidvergiftungen mitverantwortlich sei. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers bezeichnete den Hinweis jedoch als „schlichtweg abenteuerlich“. Das Unternehmen habe sich immer für Umweltschutz und zumutbare Arbeitszeiten eingesetzt, über die Geschichte werde „offen und transparent“ informiert.
Angela Merkel, die es sich bei der großen Geburtstagsfeier vor zwei Wochen in den Kölner Messehallen nicht nehmen ließ, persönlich zu gratulieren, schlug in dieselbe Kerbe: Bayer sei ein „wichtiges Standbein der deutschen Industrie“ und blicke auf eine „sehr beeindruckende Geschichte“ zurück. Kritische Fragen kamen in der Laudatio erwartungsgemäß nicht zur Sprache. Ein Offener Brief, in dem die Kanzlerin aufgefordert wurde, sich an der Weißwaschung der Firmenhistorie nicht zu beteiligen, blieb ohne Antwort.

150 Jahre BAYER

CBG Redaktion

Presse Information vom 15. Juli 2013
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Jubiläumsfeier in Köln / Laudatio von Kanzlerin Merkel

„Konzerngeschichte nicht weißwaschen!“

Rund 1.100 Gäste nehmen an der morgigen Feier zum 150. Geburtstag des BAYER-Konzerns in der Kölner Messe teil. Zu den Gratulanten gehören Bundeskanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) forderte die Kanzlerin in einem Schreiben auf, in ihrer Laudatio das lange Sündenregister des Unternehmens nicht auszuklammern.

Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „In den zahlreichen Publikationen zum BAYER-Jubiläum kommen Themen wie Umweltverseuchung, chemische Kampfstoffe, Pestizidvergiftungen oder die Rolle des Unternehmens im Nationalsozialismus nicht vor. Bundeskanzlerin Merkel darf bei dieser Weißwaschung nicht mitmachen!“.

BAYER war als Teil der IG FARBEN an den grässlichsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte beteiligt: die IG FARBEN lieferten Zyklon B für die Gaskammern, beteiligten sich an grausamen Menschenversuchen und ließen sich in Auschwitz eine riesige Fabrik von Sklavenarbeitern bauen. Im konzerneigenen Konzentrationslager Auschwitz-Monowitz kamen zehntausende Zwangsarbeiter ums Leben. Trotz dieser Verbrechen hat BAYER nie eine unabhängige Untersuchung der Firmen-Historie veranlasst.

Einige weitere Hintergründe zur BAYER-Geschichte:

=> Zeitgleich mit dem Schmerzmittel ASPIRIN brachte der Konzern HEROIN auf den Markt, u.a. als Hustenmittel für Kinder. Schon kurz nach der Markteinführung wiesen Ärzte auf das Suchtpotential hin. Trotzdem führte BAYER fünfzehn Jahre lang eine globale Werbekampagne für das neue Präparat durch. Während an den Siegeszug von ASPIRIN mit Ausstellungen und Forschungspreisen erinnert wird, wird das Stiefkind HEROIN heute verleugnet.

=> Der langjährige BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg beteiligte sich im 1. Weltkrieg persönlich an der Entwicklung von Giftgas und setzte den völkerrechtswidrigen Einsatz an der Front durch. Duisberg war mitverantwortlich für die Deportation zehntausender belgischer Zwangsarbeiter und forderte die Annexion von Belgien, Nordfrankreich sowie von (so wörtlich) „deutschem Lebensraum“ in Polen und Russland.

=> Die IG FARBEN, der Zusammenschluss der deutschen Chemie-Industrie, waren eng in den Eroberungskrieg des Dritten Reichs eingebunden. Der Konzern folgte der Wehrmacht in die eroberten Länder Europas und übernahm meist innerhalb weniger Wochen die dortige Chemie-Industrie, Kohlegruben und die Ölförderung.

=> In den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen beschäftigte sich ein eigenes Verfahren mit den IG Farben. Hierin wurde z.B. festgestellt: „Unstreitig sind verbrecherische Experimente von SS-Ärzten an Konzentrationslager-Häftlingen vorgenommen worden. Diese Experimente sind zu dem ausdrücklichen Zweck erfolgt, die Erzeugnisse der IG Farben zu erproben.“

=> Die in Nürnberg verurteilten Manager konnten nach Verbüßung ihrer Haftstrafe ihre Karriere ungehindert fortsetzen. So wurde Fritz ter Meer Aufsichtsratsvorsitzender von BAYER. Gegenüber den Zwangsarbeitern in Auschwitz äußerte er wenig Mitgefühl; ihnen sei „kein besonderes Leid zugefügt worden, da man sie ohnedies getötet hätte“. BAYER benannte eine Studien-Stiftung in „Fritz-ter-Meer-Stiftung“.

=> In den Laboren von BAYER wurde auch im Dritten Reich an chemischen Kampfgasen geforscht. Der Erfinder von SARIN und TABUN, Dr. Gerhard Schrader, leitete nach dem Krieg die Pestizidabteilung von BAYER.

=> Etwa die Hälfte aller Bluter weltweit wurde in den 80er Jahren mit HIV infiziert, ein Großteil durch Produkte von BAYER. Jahrelang setzte der Konzern die existierenden Inaktivierungsverfahren aus Kostengründen nicht ein. Noch nach dem Verbot unbehandelter Blutprodukte in den USA und Europa wurden übriggebliebene Chargen nach Lateinamerika und Asien exportiert. Tausende Bluter bezahlten dies mit ihrem Leben.

=> Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt die Zahl der jährlichen Pestizidvergiftungen auf bis zu 20 Millionen. Rund 200.000 Fälle verlaufen tödlich, dazu kommt eine hohe Dunkelziffer. Für einen großen Teil der Vergiftungen ist BAYER verantwortlich; die Firma ist mit einem Weltmarktanteil von rund 20% der zweitgrößte Pestizidhersteller der Welt. Obwohl das Unternehmen einräumt, dass „der sachgerechte Umgang mit Pflanzenschutzmitteln unter bestimmten Bedingungen in einigen Ländern der Dritten Welt nicht immer gewährleistet ist“, verkauft BAYER weiterhin hochgiftige Wirkstoffe, vor allem in Entwicklungsländern.

„Die 150-jährige Unternehmensgeschichte von BAYER wurde von Beginn an von Protesten begleitet. Bereits im 19. Jahrhundert gab es massiven Widerstand von Anwohnern und Belegschaft gegen die anhaltende Luft- und Wasserverschmutzung. In vielen Fällen konnte hierdurch ein besserer Arbeits- und Umweltschutz erkämpft werden. Der Widerstand gegen die zumeist rücksichtslose Konzernpolitik gehört untrennbar zur Geschichte von BAYER“, so Jan Pehrke vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren.

Die CBG führt das ganze Jahr über eine Kampagne zu den Schattenseiten der Konzern-Historie. Zeitungsartikel, Karikaturen und Berichte von Protestaktionen finden sich auf unserer Kampagnenseite.

[SOS] Konzernkritik vor dem Aus

CBG Redaktion

SOS

Lasst uns nicht untergehen!

Stürmische See.
Liebe Freundinnen und Freunde, unser konzernkritisches Schiffchen steuert durch stürmische See. Finanzkrise und Sozialabbau haben ein großes Leck gerissen: Viele Mitglieder mussten in den letzten Jahren ihre Beiträge reduzieren. Unsere Einnahmen sind auf das Niveau von vor zehn Jahren gesunken. Bei inzwischen erheblich gestiegenen Kosten. Dabei arbeiten wir fast vollständig ehrenamtlich.

Wir schöpfen mit aller Kraft, um dem Untergang zu entgehen.
Seit Beginn unserer Rettungskampagne haben wir 313 neue Mitglieder gewonnen. Hunderte von Solidaritätsschreiben gingen ein. 35 Förderer haben sogar als „Garant/innen“ Verantwortung übernommen, indem sie einen jährlichen Beitrag von mehr als 500 Euro zahlen. Dafür ein großes Dankeschön!

Doch noch drohen wir unterzugehen.
Einige langjährige Unterstützer/innen sind leider im vergangenen Jahr verstorben. Auch musste eine Mäzenatin ihre Hilfe einstellen. Uns fehlen daher noch 87 zusätzliche Förderer.

Deswegen müssen wir noch einmal fragen:
Wäre es Dir/Ihnen möglich, bei uns Mitglied zu werden? Wir können unter keinen staatlichen Rettungsschirm schlüpfen und erhalten auch von großen Stiftungen oder den Kirchen keine Unterstützung. Wir können nur mit der Hilfe unserer Mitglieder und Förderer überleben.

SOS - so können Sie helfen:
Wenn auch Sie meinen, nach 35 Jahren erfolgreicher Arbeit darf die Coordination gegen BAYER-Gefahren nicht untergehen, dann helfen Sie bitte:

=> werden Sie Fördermitglied (mtl. ab fünf Euro)
=> leisten Sie eine einmalige Spende
=> gewähren Sie uns ein zinsloses Darlehen oder zeichnen Sie eine 100-prozentig gesicherte Spareinlage bei ProSolidar (Infos unter info@ProSolidar.net)

Natürlich wissen wir, dass bei vielen unserer Fördermitglieder alle finanziellen Reserven ausgeschöpft sind. Fühlen Sie sich bitte nicht gedrängt, handeln Sie ganz nach Ihren Möglichkeiten. Wir wissen Ihre Unterstützung in jedem Fall sehr zu schätzen.

Mit herzlichen Soli-Grüßen

Axel Köhler-Schnura
Gründer und Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren

PRESSESTIMMEN
„Die Störfälle führten zur Gründung der längst legendären Coordination gegen Bayer-Gefahren.“
DIE TAGESZEITUNG

„Erhebt sich irgendwo auf der Welt Widerstand gegen eine neue Bayer-Fabrik, greifen die Mitarbeiter der Coordination in ihr Archiv und leisten den Widersachern des Konzerns Amtshilfe.“
DER SPIEGEL

„Die Initiative beobachtet den weltweit größten Pestizidhersteller seit mehr als 30 Jahren, prangert Missstände an und mobilisiert die Öffentlichkeit. Ein Fulltime-Job.”
GREENPEACE MAGAZIN

„BAYER hat die Gruppe wegen eines Flugblattes verklagt - und erst beim Bundesverfassungsgericht verloren.“
FRANKFURTER RUNDSCHAU

„Die Kritischen Aktionäre zeigen, dass es für AktionärInnen auch einen anderen Umgang mit Gewinn und Profit geben kann“, erklärte Axel Köhler-Schnura, Vorstandsmitglied der CBG. „Nämlich einen verantwortungsbewussten, der nicht rücksichtslos Mensch und Umwelt ausbeutet.“ Die CBG ist seit 1983 auf jeder Hauptversammlung des Bayer-Konzerns, wird dort von Hunderten Aktionären unterstützt und stellt mitunter die Mehrheit aller Redner.
HANDELSBLATT

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2013 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

EU stoppt GAUCHO & Co.
Seit 1998 setzt sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN für ein Verbot von BAYERs neonicotinoid-haltigen Pestiziden GAUCHO und PONCHO ein, weil diese mitverantwortlich für das weltweite Bienensterben sind. Endlich hatte die Kampagne Erfolg. Ende April 2013 verkündete die EU einen zunächst auf zwei Jahre befristeten Bann für die wichtigsten Anwendungsbereiche. Der Leverkusener Multi zeigt sich jedoch noch immer uneinsichtig. „Wir sind weiter überzeugt, dass Neonicotinoide sicher sind, wenn die Produkte vorschriftsmäßig eingesetzt werden“, erklärte der Konzern, der durch die Entscheidung Umsatz-Einbußen in Höhe von jährlich 80 Millionen Euro erleidet (siehe auch SWB 3/13).

The Jewish Chronical übt Kritik
Nicht nur die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN stößt sich an der Art und Weise, wie der Leverkusener Multi zu seinem 150-jährigen Bestehen mit seiner Vergangenheit umgeht und dunkle Kapitel wie die Entwicklung von Chemie-Waffen, die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen und den Bau eines firmen-eigenen KZs in Auschwitz einfach totschweigt. Nach der Lektüre der Firmen-Chronik zum Geburtstag wunderte sich auch die US-amerikanische Zeitung The Jewish Chronical über die Gedächtnis-Lücken des Konzerns und forderte: „BAYER sollte im Jubiläumsjahr die Shoah thematisieren“. Zu einer Zeit, da das Judentum in Deutschland denselben rechtlichen Status erlangt hat wie die christlichen Religionen und die Leugnung des Holocausts unter Strafe steht, „ist es immer noch legal, seine Verstrickung in den Holocaust oder den Grad seiner Zustimmung dazu herunterzuspielen“, staunt das Blatt.

Offener Brief in Sachen „Genreis“
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung für die gegen das hochgefährliche Herbizid Glufosinat (Produktname: LIBERTY) resistente Sorte vorlag. Rund 30 Prozent der US-amerikanischen Ernte war mit LL601-Reis verunreinigt. Der Leverkusener Multi musste den LandwirtInnen dafür Entschädigungen von über 500 Millionen Euro zahlen. Trotzdem stellte er sein Genreis-Geschäft nicht ein. So hält der Konzern den 2003 bei der EU-Kommission gestellten Antrag auf eine Einfuhr-Genehmigung für die Sorte LL62 weiterhin aufrecht. Nicht einmal die Tatsache, dass die EU Glufosinat wegen seiner gesundheitsschädlichen Wirkungen nur noch bis 2017 eine Zulassung gewährt, hat das Unternehmen davon abhalten können. Darum hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit dem GEN-ETHISCHEN NETZWERK einen Offenen Brief an die deutsche Verbraucherschutz-Ministerin Ilse Aigner sowie an den EU-Verbraucherschutz-Kommissar Tonio Borg geschrieben und die beiden darin aufgefordert, das BAYER-Begehr abzulehnen. „Es ist aus unserer Sicht unverantwortlich, im Ausland eine Anbau-Technik zu forcieren, die mit der Verwendung eines hochgiftigen und bei uns verbotenen Pestizids verknüpft ist“, heißt es darin unter anderem.

CBG fordert Glufosinat-Verbot
BAYERs Pestizid-Wirkstoff Glufosinat kann Missbildungen an Föten verursachen und das Gehirn schädigen. Die EU lässt deshalb 2017 seine Zulassung auslaufen. Darüber hinaus machte sie jetzt schon einmal strengere Auflagen für den Gebrauch des Mittels, das bundesdeutsche Äcker in Form von BASTA, HYGANEX oder RA-200-FLÜSSIG heimsucht und internationale in Form von LIBERTY oder gar in Kombination mit gegen die Substanz gen-immunisierten Pflanzen. „Nur durch Festlegung weiterer Einschränkungen“ sei es der Kommission möglich, die von der Agro-Chemikalie ausgehenden Gefahren zu reduzieren, hieß es zur Begründung. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, dem GEN-ETHISCHEN NETZWERK, dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK und dem BBU reicht dieser Schritt Brüssels jedoch nicht aus. „Die EU-Mitgliedsstaaten, so auch Deutschland, sollten jetzt eine klare Entscheidung treffen und glufosinat-haltige Mittel auf Grundlage der Verordnung vom Markt nehmen. Weiteres Herumdoktern mit Verwendungsbeschränkungen wäre aufgrund der hohen Risiken weder zu befürworten noch nachzuvollziehen“, heißt es in der gemeinsamen Presse-Erklärung der Verbände.

Kritik an Pharma-Tests
Dr. Wolf-Dieter Ludwig von der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ beklagt das Fehlen industrie-unabhängiger Arznei-Tests. Dem Mediziner zufolge hat es schwerwiegende Konsequenzen, dieses Feld komplett BAYER & Co. zu überlassen. „Dies führt dazu, dass zum Zeitpunkt der Zulassung häufig keine gesicherten Aussagen zur Wirksamkeit und Sicherheit neuer Arzneimittel unter Alltagsbedingungen (‚effectiveness’) möglich sind“, so Ludwig bei einem vom Deutschen Bundestag initiierten Fachgespräch zum Stand der Krebsforschung in Deutschland.

HCV-Patienten gehen leer aus
In den 1970er und 1980er Jahren hatten sich weltweit Tausende Hämophile durch Blutplasma-Produkte von BAYER und anderen Herstellern mit HIV und/oder Hepatitis C (HCV) infiziert. Während der Leverkusener Multi den Geschädigten in anderen Ländern hohe Summen an Schmerzensgeld zahlen musste, kam er in der Bundesrepublik glimpflich davon. AIDS-kranke Bluter erhielten Unterstützung von der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“, zu deren Kapital der Pharma-Riese lediglich neun Millionen Euro beisteuerte. Hepatitis-C-Patienten gingen zunächst ganz leer aus. Und noch heute empfangen von den 3.000 am Leben gebliebenen Kranken – 1.500 der Infizierten sind mittlerweile verstorben – nur 400 ein „Schmerzensgeld“; der Rest bezieht Sozialhilfe. Darum forderte der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Horst Schmidtbauer als Vorsitzender des Rates der Stiftung „Humanitäre Hilfe“ bei einem ExpertInnen-Gespräch des Gesundheitsausschusses des Bundestages: „Man muss (...) schnell zu einer Entschädigungslösung kommen, die auch den HCV-Infizierten noch Hilfe zukommen lässt“. Und an dieser Lösung muss sich BAYER nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN beteiligen.

DGB kritisiert Deutschland-Stipendien
Mit den Deutschland-Stipendien sollte sich die Industrie an den Bildungskosten beteiligten. Bei der Einführung gab es auch vollmundige Bekenntnisse, die wirkliche Unterstützung bleibt jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Das Bundesforschungsministerium ging von einer Förder-Quote von einem Prozent aus. Tatsächlich erhielten 2012 jedoch nur 0,6 Prozent der Studenten und Studentinnen finanzielle Zuwendungen. BAYER fördert gerade mal 100 Studierende – und noch dazu nicht irgendwelche. Wer in den Genuss des Geldes kommen will, muss schon zu den „exzellenten Naturwissenschaftlern“ gehören. Der „Deutsche Gewerkschaftsbund“ kritisiert neben der schwachen Beteiligung der Wirtschaft an dem Programm diese interessen-geleitete Auswahl der StipendiatInnen, denn nicht nur der Leverkusener Multi betrachtet das Deutschland-Stipendium als ein Mittel zur Gewinnung von Nachwuchs. Ein Großteil der von den Konzernen Bedachten studiert ein naturwissenschaftliches Fach, Wirtschaftswissenschaften oder Jura. Und zu allem Überfluss dürfen sich die Unternehmen sogar noch direkt an der Auswahl der KandidatInnen beteiligen, moniert der DGB.

BAYER raus aus den Schulen
Die DEUTSCHE UMWELTHILFE kritisiert BAYERs kostenlose LehrerInnen-Fortbildungen zum Thema „Gentechnik“. „Mit Veranstaltungen dieser Art versucht der Konzern immer wieder Einfluss auf Schüler zu nehmen, um so die nächste Generation reif für Genfood zu machen“, moniert der Verband und fordert: „BAYER raus aus den Schulen.“

Spanien: Protest gegen BAYER
Auch in Spanien regt sich Widerstand gegen den zunehmenden Einfluss von Konzernen auf Hochschulen. So haben Ende Februar 2013 Studierende der Universität Valencia eine Pestizid-Präsentation von BAYER auf dem Campus gestürmt und für eine längere Zeit unterbrochen.

EU lehnt CBG-Beschwerde ab
Die von BAYER in Dormagen gebaute Anlage zur Produktion des Kunststoffes TDI entspricht nicht dem neuesten Stand der Technik. So ummantelt der Multi die Fertigungsstätte nur mit Blech statt mit Beton. Zudem verzichtet der Konzern auf den Einbau einer Schutzwand, die bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte. Auch der hohe Ressourcen-Einsatz, das Fehlen von „Worst Case“-Szenarien sowie die Verwendung hochgefährlicher Zwischenprodukte wie Phosgen stoßen auf Kritik. Für das Bundesumweltministerium hatte die Fertigungsstätte dennoch „Vorbild-Charakter“, weshalb es die „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) anwies, dem Pharma-Riesen einen zinsgünstigen Kredit in Höhe von 150 Millionen Euro zu gewähren. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und der BUND sahen das als unrechtmäßige Subventionierung an und reichten eine entsprechende Beschwerde bei der EU ein. Brüssel gab dieser nicht statt, aber die Initiativen ließen sich nicht entmutigen. Sie zogen die Eingabe nicht zurück, sondern reicherten sie sogar noch mit weiteren Kritikpunkten an.

Zweite Uni-Anfrage mit der Piratenpartei
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) dringt darauf, Einzelheiten über die Forschungskooperation zu erfahren, die BAYER mit der Universität Köln vereinbart hat, denn sie fürchtet eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Im Frühjahr hatte sie dazu gemeinsam mit Piratenpartei NRW eine Anfrage an die nordrhein-westfälische Landesregierung gestellt, um deren Haltung zu dem Kasus zu erfahren. Die Antworten fielen nichtssagend aus, darum schoben die CBG und die Piraten noch einmal nach. Aber die Informationen flossen eher noch spärlicher. Ob Dritte wie etwa die BERTELSMANN-Stiftung an dem Vertragswerk mitgewirkt haben, ist Rot-Grün nicht bekannt. Die Wissenschaftsfreiheit sowie die negative Publikationsfreiheit, also die Veröffentlichung auch fehlgeschlagener Studien, sehen Kraft & Co. durch die Kooperation ebenfalls nicht gefährdet, davor bewahren gesetzliche Regelungen. Und die Erprobung von Präparaten, die keinen medizinischen Fortschritt darstellen? – kann nicht passieren, dafür sorgen schon die Ethik-Kommissionen. In solcher kaum noch zu überbietenden politischen Naivität geht die Landesregierung mit dem zunehmenden Einfluss von Konzernen auf die Hochschulen um.

KAPITAL & ARBEIT

16,6 Prozent mehr für den Vorstand
Der BAYER-Vorstand genehmigte sich ein sattes Gehaltsplus. Die Bezüge der vier Mitglieder stiegen im Geschäftsjahr 2012 um 16,6 Prozent auf fast 13 Millionen Euro. Allein der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers erhält über fünf Millionen Euro. Und dazu kommen für die Manager noch satte Pensionszusagen in Höhe von insgesamt 1,86 Millionen Euro.

Streit um Jubiläumsgeschenke
In diesem Jahr feiert der Leverkusener Multi sein 150-jähriges Bestehen. Aber was ist heutzutage nach all den Umstrukturierungsmaßnahmen eigentlich noch BAYER? Diese Frage entbrannte anlässlich der Jubiläumsgeschenke, die der Konzern seinen Beschäftigten machen wollte. Das Unternehmen gedachte die Goldmünze mit der Prägung „150 Jahre BAYER“ und das Jubiläumsbuch nämlich nicht allen Angestellten zukommen zu lassen. So sollten die KollegInnen der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA leer ausgehen. „Was das Geschenk angeht, so wurde entschieden, dass in Deutschland alle BAYER-Mitarbeiter ein Geschenk erhalten, die im Jubiläumsjahr 2013 bei BAYER bzw. einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft von BAYER arbeiten“, erklärte der Global Player. Die Unternehmen der CURRENTA-Gruppe hätten dagegen zahlreiche eigene Regelungen und eigene Identitäten, die unabhängig von BAYER bestünden, legte er dar. Der wirkliche Grund war allerdings profaner: Die CURRENTA hatte es abgelehnt, sich an der Umlage für die Präsente zu beteiligen. Die Entscheidung BAYERs löste einen Proteststurm aus. Den Ausschluss der CURRENTA-Belegschaftsangehörigen, „obwohl die meisten von ihnen vor dem Konzern-Umbau 20 oder sogar 30 Jahre lang für BAYER gearbeitet haben“, kritisierte der CURRENTA-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jörg Feldmann scharf. Und er erhielt Unterstützung von seinem BAYER-Kollegen Thomas de Win. Um weiteren Imageschaden abzuwenden, lenkte der Pharma-Riese deshalb schließlich doch ein und beschenkte auch seine verstoßenen Kinder.

Mehr Effizienz bei BMS
Der Gewinn der Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE sank im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vorjahres-Zeitraum um 27 Prozent auf 204 Millionen Euro. Deshalb kündigte der Konzern Veränderungen an. „Vor allem durch eine Verbesserung der Effizienz und durch höhere Auslastungsraten unserer Anlagen“ will das Unternehmen die Profite steigern. Größere Belastungen für die Belegschaft schloss BAYER-Chef Marijn Dekkers dabei aus. Bei den Rationalisierungen sei man „nicht so sehr auf Mitarbeiter und Mitarbeiter-Zahlen fokussiert“.

Tarifverträge immer noch Mangelware
Weltweit hat der Leverkusener Multi nur mit knapp der Hälfte seiner Beschäftigten Tarifverträge abgeschlossen. Während BAYER in Europa solche Vereinbarungen mit 88 Prozent der Belegschaftsangehörigen getroffen hat, beträgt die Quote in Lateinamerika 46, in der Asien/Pazifik-Region 15 und in den Vereinigten Staaten gar nur fünf Prozent.

Betriebsräte Mangelware
Über die Präsenz von Gewerkschaften an seinen Standorten macht der Konzern in seinem Nachhaltigkeitsbericht nur spärliche Angaben. In China haben mittlerweile 90 Prozent der Werke Beschäftigten-Vertretungen, in Japan schuf der Global Player sie erst 2012. Um veritable Betriebsräte dürfte es sich dabei jedoch nicht handeln. Solche Einrichtungen hat das Unternehmen nämlich – vor allem in den USA – immer wieder zu verhindern gewusst.

CAPGEMINI übernimmt IT-Dienste
Im vorletzten Jahr hatte die IT-Abteilung von BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) mit Rationalisierungsmaßnahmen begonnen und die Stellen von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen vernichtet. Im Rahmen dieses Programmes löste BBS 2012 auch ihre Niederlassung im indischen Mumbai auf und übertrug die Geschäfte an CAPGEMINI. Die Firma übernahm die 600 Beschäftigten und führt nun digitale Dienstleistungen für BAYER aus. Sogar Tätigkeitsfelder aus der Leverkusener Zentrale wanderten zu CAPGEMINI, was weitere 20 Arbeitsplätze kostete. Die Belegschaftsangehörigen sollen nach Versicherung des Gesamtbetriebsratschefs Thomas de Win jedoch „zukunftsfähige Jobs in unserem Unternehmen“ erhalten.

China: Lohnkosten steigen
Für den Leverkusener Multi erhöhen sich in China die Lohnkosten. Nach Angaben des BAYER-Managers Ulrich Liman sind beispielsweise die IngenieurInnen-Gehälter binnen weniger Jahre um 30 Prozent gestiegen. Für ihn stellt dies jedoch keinen Grund dar, die Aktivitäten in dem Land zu reduzieren: „Nach China muss man wollen und dann ein langfristiges Commitment fällen – oder man lässt es bleiben.“

BAYERs Jubilarverein schrumpft
Viele von BAYERs Ehemaligen haben sich im Jubilarverein zusammengeschlossen. Finanziert durch Mitgliedsbeiträge und Gelder vom Leverkusener Multi initiiert die Organisation Zusammenkünfte und Feste, bedenkt die Männer und Frauen mit Geburtstagsgeschenken und leistet Bestattungsbeihilfe. Aber die Mitgliederzahl schrumpft, momentan beläuft sie sich auf 15.000. Dafür sind nicht nur die Sterbefälle verantwortlich, viele treten auch aus Ärger über die nicht gerade beschäftigten-freundliche Geschäftspolitik des Konzerns aus. Zudem macht sich das wechselvolle Schicksal vieler Unternehmensteile bemerkbar, die der Global Player abgestoßen hatte. In ferne Länder abgewandert, Pleite gegangen oder um viele Sparten geschrumpft, gehen von DYSTAR, KRONOS TITAN oder AGFA nämlich keine Schecks mehr beim Jubilarverein ein. Und weil der Agro-Riese den Fehlbetrag nicht übernimmt, melden sich immer mehr Ex-Beschäftigte ab.

ERSTE & DRITTE WELT

Kontrazeptiva als Entwicklungshilfe
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson. Zur Freude des Leverkusener Multis teilen auch Bill Clinton und Bill Gates diese Ansicht. Hatte bereits die „Clinton Health Access Initiative“ große Mengen von BAYERs Hormon-Implantat JADELLE zu einem verbilligten Preis aufgekauft, so gelang dem Konzern am Rande des Londoner Familienplanungsgipfels ein weiterer Deal. Die „Bill & Melinda Gates Foundation“ erwarb 27 Millionen Einheiten des Kontrazeptivums und sorgte so dafür, dass der Konzern sich die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ weiter erschließen kann (siehe auch SWB 3/13.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Pharma-Versuche: Test the East
Immer schon hat der Leverkusener Multi seine Pharma-Tests gern in solchen Ländern durchgeführt, die als „Standort-Vorteil“ ein unerschöpfliches Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht bieten. Heute sind das vornehmlich Indien und andere Staaten der „Dritten Welt“. In den 1970er Jahren hatte es der Konzern da näher: Viele seiner klinischen Prüfungen fanden in der DDR statt. Dort erprobte er unter anderem das Antibiotikum CIPROBAY, das Diabetikum GLUCOBAY, das die Gehirn-Durchblutung fördernde Mittel NIMOTOP und das zur Blutstillung nach Bypass-Operationen zum Einsatz kommende TRASYLOL, das wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen von 2007 bis Anfang 2012 verboten war. Das 2006 von BAYER aufgekaufte Unternehmen SCHERING ließ in der DDR Tests mit der Kontrastmittel-Substanz Echosan, dem durchblutungsfördernden Wirkstoff Iloprost und der zur Behandlung von Depressionen vorgesehenen Labor-Entwicklung Rolipram vornehmen. Bis zu 800.000 DM zahlten die Pharma-Riesen pro Studie. Nach Recherchen des Spiegels fanden im anderen Deutschland ca. 600 Arznei-Versuche mit ungefähr 50.000 ProbandInnen statt. Und den ethischen Standards, wie sie 1964 die „Deklaration von Helsinki“ festschrieb, genügten die Experimente kaum. So konnten die ProbandInnen nie selber von den Testreihen profitieren. Sie handelten „fremdnützig“: weder sie noch ihr Land kamen später in den „Genuss“ der Pharmazeutika. Oftmals hatten die MedizinerInnen die Menschen noch nicht einmal darüber informiert, dass sie gerade an einer Pillen-Erprobung teilnehmen. NIMOTOP testete BAYER sogar an Alkoholikern in akutem Delirium. „Ich bin psychisch absolut weggedampft“, berichtete ein früheres Versuchskaninchen. Und da hatte er noch Glück. „Es hätte auch Tote geben können“, meint der Mediziner Ulrich Moebius. Bei TRASYLOL, das der Pharma-Riese im Osten auch als Mittel zur Konservierung von Organen, die für eine Transplantation vorgesehen waren, erprobte, wies er den verantwortlichen Arzt Dr. Horpacsy an, Stillschweigen über negative Resultate zu bewahren. So verschwieg dieser in einem späteren Aufsatz den völligen Verlust der Vitalfunktionen der Nieren unter TRASYLOL. Er vermeldete lediglich, die Gabe des Pharmazeutikums hätte nicht zu einer Verbesserung des Transplantat-Überlebens geführt, dafür hätte der Stoff jedoch einen positiven Effekt auf die Enzym-Werte des Organs gehabt. Der Global Player streitet eine solche Praxis ab. „Alle klinischen Prüfungen wurden und werden bei BAYER nach global einheitlichen Standards durchgeführt“, erklärt der Konzern. „Sofern im Auftrag unseres Unternehmens klinische Studien in der ehemaligen DDR durchgeführt worden sind, gehen wir davon aus, dass diese entsprechend der Deklaration von Helsinki sowie den Vorschriften des Arzneimittel-Gesetzes der ehemaligen DDR erfolgte“, heißt es weiter.

POLITIK & EINFLUSS

Unis: Geheimniskrämerei bleibt
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) führt zur Zeit einen Prozess, um Einzelheiten über die Forschungskooperation zu erfahren, die BAYER mit der Universität Köln vereinbart hat, denn sie fürchtet eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Und die CBG steht mit ihrer Forderung nach mehr Transparenz nicht allein. So brachten PolitikerInnen der SPD und anderer Oppositionsparteien Gesetzes-Initiativen in den Bundestag ein, die unter anderem eine Offenlegungspflicht der zwischen Hochschulen und Unternehmen getroffenen Vereinbarungen vorsahen. Die CDU/FDP-Koalition lehnte die Vorschläge allerdings ab.

4,5 Millionen Euro für Interpol
BAYER & Co. klagen seit geraumer Zeit über Umsatz-Einbußen durch Medikamenten-Fälschungen. Und auf normale Polizei-Arbeit vertrauen die Konzerne bei der Verbrechensaufklärung nicht mehr. Darum haben BAYER und andere Pillen-Riesen bei Interpol für 4,5 Millionen Euro ein „Pharmaceutical Crime Programme“ bestellt. „Die Unterstützung der 29 Unternehmen aus der Pharma-Branche ermöglicht es, eine Brücke zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zu bauen und hilft Interpol und seinen 190 Mitgliedsländern dabei, das Problem der Medikamenten-Fälschungen effektiver anzugehen“, so Interpol-Chef Ronald K. Noble zu dem Deal. Dem Leverkusener Multi reicht das aber noch nicht aus. Er hat darüber hinaus eine „Sicherheitspartnerschaft“ mit Kolumbien abgeschlossen und konnte bereits Vollzug melden: „Die Ermittler hoben sieben illegale Fabriken aus, in denen u. a. BAYER-Kontrazeptiva gefälscht worden waren.“ Mit China, Brasilien und den USA strebt der Global Player ähnliche Kooperationen an.

BAYERs Lobby-Büro zieht um
BAYERs Berliner „Verbindungsbüro“ hat neue Räumlichkeiten bezogen und auch einen neuen Namen erhalten. Kaum weniger anrüchig nennt es sich jetzt „Liaison Office Germany“. Die Aufgaben haben sich jedoch nicht geändert. „Da Gesetzgebung und Politik die Rahmenbedingungen unseres Geschäfts prägen, ist der vertrauensvolle Dialog mit den Entscheidern und Meinungsbildnern für unser Unternehmen von großer Bedeutung“, ließ der Ober-Liaisonier Dr. Stephan Schraff über Sinn und Zweck seiner Arbeit verlauten.

Blut für Öl
Anfang 2012 haben BAYER, BASF, THYSSENKRUPP und andere Unternehmen eine „Allianz zur Rohstoff-Sicherung“ gegründet, um den Konzernen den Zugriff auf Seltenen Erden, Wolfram, Kokskohle und andere immer schwerer zu beschaffene Substanzen zu erleichtern (SWB 2/12). Im Februar 2013 forderte Geschäftsführer Dierk Paskert die Bundesregierung auf, dazu auch militärischen Flankenschutz zu leisten. Er verwies auf die Präsenz der US-Armee am Persischen Golf sowie den Ausbau der chinesischen See-Streitkräfte und stellte fest: „Ein solch konsequenter Ansatz fehlt bei uns, ist aber sicherlich auch nicht eins zu eins zu kopieren.“

BAYER & Co. für Fracking
Die US-Konkurrenz der Chemie-Multis profitiert von neuen Erdgas-Fördertechniken. Das ebenso brachiale wie umweltschädliche Fracking, das mit Hilfe von Chemikalien Risse in unterirdischen Gesteinsschichten erzeugt, um so leichter Vorkommen zu erschließen, hat für einen Boom gesorgt und den Unternehmen so zu billiger Energie verholfen. Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) schlägt deshalb Alarm. „Dies beeinflusst die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen energie-intensiven Industrie und kann eine dauerhafte Umlenkung von Investitionen in Regionen mit niedrigeren Energie-Kosten bewirken“, droht VCI-Präsident Karl-Ludwig Kley. Erdgas hat nämlich einen bedeutenden Anteil am Strom-Mix der Branche; 15 Prozent des gesamten bundesdeutschen Verbrauches gehen auf das Konto von BAYER & Co. „Daher sind wettbewerbsfähige Gas-Preise für die chemische Industrie von großer Bedeutung“, so der VCI. Und aus diesem Grund fordert der Verband auch hierzulande einen Einstieg ins Fracking, aber natürlich „sicher und umweltschonend unter Beachtung aller rechtlichen Vorgaben“, wiegelt der Verband ab.

Baumann neuer DAI-Präsident
BAYERs Finanzvorstand Werner Baumann steht seit April 2013 dem „Deutschen Aktien-Institut“ (DAI) vor, das sich der Finanzmarkt-Interessen der großen Konzerne annimmt. „Wir treten für Kapitalmärkte ein, die Unternehmen alle Dienstleistungen bieten, die sie bei der Finanzierung unternehmerischer Vorhaben oder zur Absicherungen von Risiken benötigen. Dafür müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen. Diese zu gestalten, ist unser Ziel und unser Auftrag“, heißt es auf der DAI-Homepage zum Sinn und Zweck der Organisation.

Löhrmann bei BAYER
BAYER & Co. drängen darauf, die naturwissenschaftlichen Zweige der Schulen auszubauen, um die Rekrutierbasis für ihren ForscherInnen-Nachwuchs zu erhöhen. Zu diesem Zweck haben die Firmen 2008 die MINT-Initiative ins Leben gerufen, wobei MINT für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik steht. Als Schirmherrin konnten die Unternehmen Angela Merkel gewinnen. Und auch zum MINT-Tag, der am 18. April 2013 im Leverkusener Baykomm stattfand, hatte sich hoher Besuch angesagt. So schaute die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) vorbei und ließ sich von BAYER-Manager Wolfgang Plischke durch das Schülerlabor des Konzerns führen, wo der Biologie-Leistungskurs des Werner-Heisenberg-Gymnasiums gerade mit Gen-Tests zur Bestimmung des Erbgutes beschäftigt war.

Gauck bei BAYER
Auf 8,36 Millionen Tonnen beliefen sich BAYERs Kohlendioxid-Emissionen im letzten Jahr. Darüber redet der Leverkusener Multi in der Öffentlichkeit nicht so gern. Viel lieber fabuliert er über sein klima-neutrales Zukunftshaus-Programm. Vor solche Wohnstätten postiert der Konzern auch gern seinen hohen Besuch aus der Politik. Zuletzt durften Bundespräsident Joachim Gauck und die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) auf einer Bottroper Baustelle in die Kameras lächeln. „Ein großer Tag für ein beispielloses Projekt“, befand die Propaganda-Postille direkt nach dem Foto-Termin.

Duin bei BAYER
2013 fand die Verleihung des Meyer-Galow-Preises für Wirtschaftschemie in BAYERs Wuppertaler Forschungszentrum statt. In Vertretung der NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sprach Wirtschaftsminister Garrelt Duin das Grußwort.

Viele seltene Erkrankungen
Das seit 2011 geltende „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ zwingt BAYER & Co. dazu, den Krankenkassen höhere Rabatte einzuräumen und ihre neuen Erzeugnisse einer Kosten/Nutzen-Bewertung zu unterziehen. Laut Spiegel verhinderte allerdings Extrem-Lobbyismus allzu drastische Folgen für die Konzern-Kassen. So hielten sich CDU und FDP an einen Formulierungsvorschlag des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ und ersparten Pharmazeutika zur Behandlung von seltenen Krankheiten den Pillen-TÜV. Dabei vermehrten sich diese Medikamente auf dem Papier wundersam und machen nun rund ein Viertel aller Gesundheitsschädigungen aus. Zudem kann der Gemeinsame Bundesausschuss von MedizinerInnen, Krankenhäusern und Krankenkassen Arzneien dank der Intervention der Konzerne nicht mehr so einfach durchfallen lassen. Das geht fortan nur noch, „wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen ist“, und eröffnet den Pharma-Riesen so die Möglichkeit, die Entscheidungen mit Hilfe von gekauften MedizinerInnen vor Gericht anzufechten.

PROPAGANDA & MEDIEN

Marketing-Kosten: zehn Milliarden
Auf rund zehn Milliarden Euro belaufen sich bei BAYER die Kosten für Marketing und Vertrieb. Wie sich diese im Einzelnen aufschlüsseln, dazu wollte der Multi auf seiner Hauptversammlung Ende April 2013 in Köln keine genauere Auskunft geben. „Bitte haben Sie dafür Verständnis“, bürstete der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers eine entsprechende Frage mit Verweis auf das Betriebsgeheimnis ab. Nur soviel tat der Konzern kund: 40 Prozent des Etats entfällt auf den Arznei-Bereich. Aber die Pharma-VertreterInnen setzen die Milliarden nicht etwa ein, um die Pillen auf die Rezeptblocks der MedizinerInnen zu bekommen – nein, nach Auskunft Dekkers’ sorgen sie nur dafür, „dass Ärzte und Krankenhäuser immer auf dem Stand der medizinischen Forschung gehalten werden“.

„Kunststoffe sind sicher“
Angesichts der vielen Berichte über die Gefahren von Kunststoffen sahen sich BAYER & Co. bemüßigt, die JournalistInnen aufzuklären. So lud ihr Interessen-Verband „Plastics Europe“ zu einem Fachpressetag, „um für einen sachlichen Dialog zu werben“. Es wurde allerdings eher ein Monolog, denn auf Diskussionen ließen sich die Konzern-VertreterInnen nicht ein. „Entgegen weit verbreiteter Ansichten und Vorurteile sind Kunststoffe sicher. Das gilt auch für ihre Rohstoffe und Komponenten“, stellte Jacques Ragot von BAYER MATERIAL SCIENCE auf dem Podium ein für alle Mal klar.

Aus die Gen-Maus
Niedersachsens rot-grüne Landesregierung hat die Initiative „HannoverGEN“, die vier Modellschulen mit Gentechnik-Laboren ausgestattet hat, aus den Bildungseinrichtungen verbannt, weil sie zu einseitig für Industrie-Positionen warb. So ist der „HannoverGEN“-Initiator Hans-Jörg Jacobsen Vorstandsmitglied in dem von BAYER und anderen Multis geförderten „Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik“. Zudem unterstützte der „Verband der Chemischen Industrie“ das Schulprojekt. Für den Landwirtschaftsminister war deshalb das „Risiko zu hoch, dass Schüler im Unterricht nur einseitig informiert werden“.

Ausstellung im Umweltbundesamt
BAYER sponsert das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), um sich ein Öko-Image zu verschaffen. Im Rahmen dieser Kooperation veranstaltet der Konzern beispielsweise alljährlich einen Kinder-Malwettbewerb zum Thema „Naturschutz“. Eine Auswahl der Bilder schickt er dann regelmäßig auf Tournee. Von April bis Mai 2013 machte die Schau in Dessau beim Umweltbundesamt Station. Da ließ der Agro-Riese es sich nicht nehmen, zur Eröffnung Dirk Frenzel von der politischen Abteilung hinzubeordern und ihn das nur virtuell vorhandene „Grünbuch BAYER“ aufschlagen zu lassen. Das Unternehmen wisse, dass man zu den Problem-Verursachern zähle, wollte sich aber auch einen Namen als „Problemlöser“ machen, betonte er. Und konnte bei der Mitteldeutschen Zeitung bereits Vollzug melden. „Der Konzern für chemische und pharmazeutische Produkte hat auf seiner Agenda neben dem ökonomischen Erfolg den Umweltschutz weit nach oben gerückt“, vermeldete das Blatt.

BAYER zeigt Kunstsammlung
Die Schönen Künste setzen immer auch ihre millionen-schweren BesitzerInnen in ein schönes Licht und entheben sie so von der profanen Welt des Profites. Darum begann der ehemalige BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörder-Konzerns IG FARBEN hatte, schon 1912, Gemälde, Skulpturen und Plastiken zu sammeln. Und seine Nachfolger taten es ihm gleich. Auf diese Weise kam eine umfangreiche Sammlung mit Werken von Picasso, Kirchner, Chagall, Richter, Miró und anderen KünstlerInnen zusammen. Im März 2013 präsentierte der Leverkusener Multi eine Auswahl davon im Berliner Martin-Gropius-Bau und konnte sogar Kulturstaatsminister Bernd Neumann dafür gewinnen, die Ausstellung zu eröffnen. Arbeiten aus der Frühzeit von BAYERs Kunstsinnigkeit dürften dabei eher selten vertreten sein. Carl Duisberg war nämlich nicht immer sehr geschmackssicher und hatte unter anderem ein Faible für Fritz Klimsch, der von Goebbels als „der reifste unter unseren Plastikern“ bezeichnet wurde. So stellt im Jahr des 150-jährigen BAYER-Jubiläums auch diese Schau ein Beispiel für den selektiven Umgang des Konzerns mit seiner Geschichte dar.

Hämophilie-Verbände ausgezeichnet
Blutern gilt die besondere Aufmerksamkeit BAYERs, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Von den 57 Millionen Euro, die der Leverkusener Multi 2010 für „wohltätige Zwecke“ ausgab, erhielten Hämophilie-Organisationen mit 5,5 Millionen Euro fast zehn Prozent. Seit einiger Zeit verleiht der Leverkusener Multi auch den „Philos“-Preis für solche Projekte, „die dabei helfen, die alltäglichen Herausforderungen im Leben mit der Bluterkrankheit zu meistern“. Im Februar 2013 zeichnete er damit Projekte der „Interessensgemeinschaft Hämophiler“ (IGH), der IGH-Regionalgruppe „Selbsthilfe Hämophilie Südwest“ und der „Deutschen Hämophilie-Gesellschaft“ aus.

BAYER macht in Naturschutz
Das Ackerwildkraut ist eine aussterbende Art, weil die Pestizide von BAYER & Co. kein Kraut mehr so einfach wild auf dem Acker blühen lassen. Trotzdem oder gerade deswegen sponserte der Chemie-Multi eine von der „Stiftung Rheinische Kulturlandschaft“ ausgerichtete Tagung zum Ackerwildkraut-Schutz und konnte sogar ein Grußwort anbringen.

TIERE & ARZNEIEN

Enrofloxacin-Hühnchen
Mitte März 2013 gelangten rund 20 Tonnen Hühnchen-Fleisch aus Rumänien nach Nordrhein-Westfalen, dessen Antibiotika-Gehalt um ein Vielfaches über dem Grenzwert lag. Statt der erlaubten 100 Mikrogramm pro Kilo enthielt die Lieferung bis zu 2.770 Mikrogramm Enrofloxacin (unter anderem Wirkstoff von BAYERs BAYTRIL). Schon bei ordnungsgemäßem Gebrauch in der Tiermast stellen diese Präparate eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit dar. Durch den Verzehr des kontaminierten Fleisches kann sich der Antibiotika-Spiegel im Körper nämlich so erhöhen, dass die Mittel im Krankheitsfall nicht mehr helfen. Bei BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß, denn es hat mit CIPROBAY ein ebenfalls zur Wirkstoff-Gruppe der Fluorchinole gehörendes human-medizinisches Pendant.

TIERE & VERSUCHE

Klagerecht für TierrechtlerInnen
Nach dem Bundesland Bremen hat nun auch Nordrhein-Westfalen Tierschutzverbänden ein Klagerecht eingeräumt, „damit sie die Interessen der Tiere als deren Treuhänder nicht nur aussprechen, sondern erforderlichenfalls auch vor Gericht geltend machen und einklagen können“, wie es zur Begründung heißt. BAYER protestierte scharf gegen das Paragraphen-Werk. Der Konzern setzte ein Schreiben an den Landtag auf und warnte darin wegen der zu erwartenden Klageflut vor einer Verlagerung der Pharma-Forschung aus Wuppertal ins Ausland.

DRUGS & PILLS

EMA: grünes Licht für DIANE
In Deutschland und Frankreich hat BAYERs Hormon-Präparat DIANE 35 nur eine Zulassung als Mittel zur Behandlung von Haut-Krankheiten. Im Nachbarland haben jedoch mehr als 300.000 Frauen das Präparat mit den Wirkstoffen Ethinylestradiol und Cyproteronacetat auch zur Verhütung eingenommen – was dem Leverkusener Multi nur schwerlich entgangen sein dürfte. Vier von ihnen bezahlten das mit ihrem Leben, das Mittel hatte todbringende Thrombosen ausgelöst. Nach Bekanntwerden der Fälle zog die staatliche Arznei-Aufsicht ANSM das Pharmazeutikum aus dem Verkehr und forderte die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA auf, sich mit der Sicherheit von DIANE zu beschäftigen. Das hat die EMA auch getan. Bei der Indikation „Akne“ sei der Nutzen für bestimmte PatientInnen höher als das Risiko, Thrombosen oder Lungen-Embolien zu bekommen, urteilte die Behörde. Frankreich will sich diesem Spruch allerdings nicht fügen und das Produkt nicht wieder freigeben. Der Leverkusener Multi gab sich ob dieser Entscheidung überrascht: „Uns sind keine neuen oder wissenschaftlichen Erkenntnisse dahingehend bekannt, die das positive Nutzen/Risiko-Profil in Frage stellen.“

Noch mehr STIVARGA-Zulassungen
Der Leverkusener Multi erhält weitere Zulassungen für sein Krebsmedikament STIVARGA, das bisher in Japan und den USA bei PatientInnen mit fortgeschrittenem Darmkrebs, bei denen alle sonstigen Therapien versagt haben, zum Einsatz kommt. Ende Februar 2013 erteilte die US-Gesundheitsbehörde FDA eine Genehmigung für die Behandlung solcher Bindegewebe-Tumore des Magen-Darm-Traktes, gegen welche die Arzneien Imatinib und Sunitinip nichts ausrichten konnten. Zudem testet BAYER das Präparat mit dem Wirkstoff Regorafenib – eine Weiterentwicklung des NEXAVAR-Stoffes Sorafenib – als Medikament zur Therapie von fortgeschrittenem Leberkrebs. Ein Wundermittel hat der Pharma-Riese mit STIVARGA aber nicht entwickelt. So steigerte die Substanz bei den klinischen Prüfungen die Gesamtüberlebenszeit von Darmkrebs-Kranken gerade einmal um 1,4 Monate und schenkte ihnen bloß eine um 0,2 Monate längere Zeit ohne weiteres Tumor-Wachstum.

USA: Zulassung für XOFIGO
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat BAYERs gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelten Medikament XOFIGO eine Zulassung erteilt. Die Arznei ist zum Einsatz bei der Prostatakrebs-Art CRPC bestimmt, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Dann soll eine radioaktive Bestrahlung mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid das Wachstum der Tumor-Zellen hemmen. Bei den Klinischen Tests verhalf es den Patienten jedoch nur zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben.

NEXAVAR bei Schilddrüsenkrebs?
Der Leverkusener Multi hat für sein Medikament NEXAVAR bisher nur Zulassungen für die Behandlung bestimmter Formen von Nieren- und Leberkrebs erhalten. Als Medikament zum Einsatz bei Lungen, Haut-, Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs scheiterte das Präparat dagegen in den klinischen Prüfungen. Trotzdem versucht BAYER weiterhin mit allen Mitteln, das Anwendungsspektrum der Arznei zu erweitern. So strebt der Konzern im Moment eine Genehmigung für die Indikation „Schilddrüsenkrebs“ an.

INLYTA besser als NEXAVAR
Das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) hat PFIZERs Krebs-Präparat INLYTA bei der Indikation „Nieren-Tumor“ mit BAYERs NEXAVAR verglichen und ersterem eine Überlegenheit attestiert. Bei den Wirkungen auf das Gesamtüberleben und die Lebensqualität gab es keine großen Unterschiede, wohl aber bei den Nebenwirkungen. So verursachte NEXAVAR deutlich mehr unerwünschte Arznei-Effekte wie Hautausschlag, Haarausfall sowie Hand- und Fußschwellungen; nur Stimm-Störungen traten unter dem Mittel seltener auf als unter INLYTA.

BAYER kauft CONCEPTUS
Der Leverkusener Multi hat für 852 Millionen Euro das US-amerikanische Pharma-Unternehmen CONCEPTUS aufgekauft, das mit ESSENCE ein ohne Hormone auskommendes Produkt zur Sterilisation entwickelt hat. Setzen MedizinerInnen der Frau die kleine Spirale ein, wofür keine Vollnarkose nötig ist, so sorgen Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes, dass es die Eileiter verschließt. BAYER knüpft einige Erwartungen an ESSENCE. „Pro Familia“ urteilt derweil etwas vorsichtiger: „Bisherige Studien deuten darauf hin, dass die Technik sicher und vergleichsweise schonend ist. Über ihre längerfristigen Auswirkungen liegen noch keine Daten vor.“

BAYER kauft STEIGERWALD
Der Leverkusener Multi hat das Unternehmen STEIGERWALD gekauft, das mit 180 Beschäftigten Arzneimittel auf pflanzlicher Basis herstellt. Zur Produktpalette gehören unter anderem die Magen-Arznei IBEROGAST, das Antidepressivum auf Johanniskraut-Basis LAIF und Mittel gegen Husten, Schmerzen, Venenleiden, Leber-Beschwerden und Schlafstörungen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Pestizide im Kaffee-Anbau
Schon im Jahr 1999 berichtete Stichwort BAYER über die verheerenden Folgen von BAYER-Pestiziden im brasilianischen Kaffee-Anbau (SWB 1/99). Bis heute hat sich an der Situation nichts geändert, wie die ARD-Dokumentation „Bittere Ernte – Der hohe Preis des billigen Kaffees“ von Michael Höft und dessen Zeit-Artikel „Das Bella-Crema-Geheimnis“ dokumentierte. Eine Million Tonnen Agro-Chemie gelangte 2011 in dem südamerikanischen Land auf die Felder, dreimal so viel wie in den USA. Und immer mit dabei: Ackergifte made in Leverkusen. Der Autor stieß nicht nur auf BAYSISTON, sondern auch auf den Wirkstoff Endosulfan (u. a. enthalten in den BAYER-Mitteln MALIX, PHASER, THIODAN), obwohl der Multi bereits 2009 einen Verkaufsstopp angekündigt hatte. Schon Kinder müssen die Agro-Chemikalien auf den Plantagen ausbringen, oft ohne Schutzkleidung. „Wir haben das Gift einfach mit einer selbst gebauten Schaufel aus dem Eimer geholt und verteilt. Ich hatte nur eine Maske vor dem Mund, sonst gar nichts“, berichtete ein 40-jähriger Landarbeiter, der im Alter von elf mit der Feldarbeit begann. Heute leidet er wie so viele seiner Kollegen an Parkinson. Der Global Player streitet solche Risiken und Nebenwirkungen seiner Produkte aber ab. „Uns sind keine wissenschaftlichen Studien bekannt, die einen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und dem Risiko, an Parkinson zu erkranken, belegen“, erklärte ein Unternehmenssprecher in der Zeit.

Immer mehr Glufosinat
Immer mehr Unkräuter bilden Resistenzen gegen das MONSANTO-Herbizid ROUND-UP mit dem Wirkstoff Glyphosat aus. Das steigert die Markt-Chancen von BAYERs LIBERTY, das der Konzern bevorzugt in Kombination mit gentechnisch gegen das Mittel immun gemachten Pflanzen verkauft. Darum will der Leverkusener Multi weltweit die Produktion des LIBERTY-Wirkstoffes Glufosinat verdoppeln, obwohl dessen EU-Zulassung wegen seiner Gefährlichkeit 2017 ausläuft (siehe auch AKTION & KRITIK). Er erweiterte nicht nur seine Fertigungsstätte in Knapsack bei Köln (Ticker 2/13), sondern plant im US-amerikanischen Mobile sogar die Errichtung einer komplett neuen Herstellungsanlage.

Glyphosat im Urin
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe zum Einsatz, aber auch in BAYER-Pestiziden wie GLYPHOS oder USTINEX. Zudem will der Multi es künftig gemeinsam mit seinen genmanipulierten Baumwoll-Arten „GHB 614“, „GHB119“ und T304-40 vermarkten, die er zur Zeit noch in Freisetzungsversuchen testet. Im letzten Jahr hatten WissenschaftlerInnen der Universität Leipzig den Stoff im menschlichen Urin nachgewiesen (Ticker 4/12). Eine neue Untersuchung des BUND mit 182 GroßstädterInnen aus 18 Ländern bestätigte jetzt diesen Befund. Bei 90 Prozent der maltesischen StaatsbürgerInnen, 70 Prozent der deutschen und polnischen, 63 Prozent der niederländischen und 60 Prozent der tschechischen fand sich die Substanz wieder. Die geringsten Belastungen zeigten sich mit zehn Prozent bei BulgarierInnen und MazedonierInnen. „Es ist erschreckend, dass fast die Hälfte der Bewohner von Großstädten in Europa Glyphosat im Körper hat. Dabei ist Glyphosat nicht das einzige Pestizid, dem die Menschen ausgesetzt sind“, kommentierte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger das Resultat der Studie.

BAYER kauft PROPHYTA
Der Leverkusener Multi baut sein Geschäft mit Bio-Pestiziden aus, die ohne Chemie auskommen und stattdessen etwa mit Bakterien operieren. Nachdem der Agro-Riese im letzten Jahr das US-Unternehmen AGRAQUEST erwarb, kaufte er Anfang 2013 die bundesdeutsche Firma PROPHYTA. Der Betrieb mit Sitz in Malchow stellt unter anderem das Antiwurmmittel BIOACT und das Antipilzmittel CONTANS her. Daneben verfügt er über eine eigene Forschungsabteilung und hält auch Patente.

PFLANZEN & SAATEN

90 Forschungskooperationen
Nicht nur im Pharma-Bereich setzt BAYER bei der Forschung verstärkt auf die Zusammenarbeit mit Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen. Im Saatgut-Bereich existieren 90 solcher Kooperationen, die der Multi als äußerst ertragreich bewertet. Laut „Nachhaltigkeitsbericht 2012“ bildeten sie „bereits die Grundlage für die Neuentwicklungen des vergangenen Jahres“.

Eigene Raps-Sorten ab 2014
Im Pestizid-Bereich kann BAYER nicht weiter wachsen, da sich dort oligopolistische Strukturen herausgebildet haben und die Kartellbehörden den fünf marktbeherrschenden Agro-Riesen Zukäufe nicht so ohne Weiteres gestatten. Deshalb baut der Leverkusener Multi seit einiger Zeit sein Saatgut-Geschäft aus. So kündigte der Konzern für das nächste Jahr die Vermarktung einer eigenen Rapssorte an, die er im Kombipack mit seinen Ackergiften anbieten will.

Neue Saatgut-Verordnung
Anfang Mai 2013 hat die EU-Kommission einen Entwurf für eine neue Saatgut-Verordnung vorgelegt. Dieser stärkt die Position von Industrie-Saatgut und macht es alten und lokalen Sorten schwerer, einen Marktzugang zu erhalten, was die Artenvielfalt bedroht. Brüssel will BAYER & Co. sogar gestatten, die Qualitätskontrolle für ihre Produkte selber zu übernehmen. Aber gegen diese Pläne formiert sich Widerstand. SAVE OUR SEEDS und andere Organisationen haben eine Kampagne gestartet.

GENE & KLONE

Weitere Genreis-Funde
Im Jahr 2006 war BAYERs gentechnisch veränderter Langkorn-Reis „LL601“ weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung für die gegen das hochgefährliche Herbizid Glufosinat (Produktname: LIBERTY) resistente Labor-Frucht vorlag. Und Kontaminationen gibt es weiterhin. So fanden WissenschaftlerInnen der „Istanbul Technical University“ in Handelsreis, den die US-Unternehmen ARCHER DANIELS MIDLAND und BUNGE in die Türkei geliefert hatten, Spuren von LL601. Auch in den Jahren davor hatten WissenschaftlerInnen Rückstände aufgespürt. 2011 und 2012 wiesen ForscherInnen in EU-Proben jeweils einmal die Sorten LL601 und LL62 nach. 2008 stießen sie sieben Mal auf LL601 und einmal auf LL62.

Neue Freisetzungsversuche in Spanien
Spanien ist das Gentechnik-Eldorado der EU. 60 Freisetzungsversuche führte BAYER dort schon durch. Und in diesem Frühjahr beantragte der Konzern gleich vier neue Tests mit genmanipulierten Baumwoll-Pflanzen. Dabei handelt es sich um den glufosinat-resistenten LLCotton25, die glyphosat-resistente Art GHB614, die ebenfalls glyphosat-resistente, aber zusätzlich noch mit dem für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis (Bt) bestückte Sorte GHB119 und das glufosinat-resistente und Bt-bewehrte Produkt T304-40.

Zulassung für Gen-Soja beantragt
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Deshalb gehen die Multis nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen und gewähren sich gegenseitig Zugriff auf ihre Technologien. So hat der Leverkusener Multi mit SYNGENTA eine Soja-Art entwickelt, die gleichzeitig gegen die BAYER-Herbizide BALANCE (Wirkstoff: Isoxaflutole) und LIBERTY (Wirkstoff: Glufosinat) sowie gegen das SYNGENTA-Mittel CALLISTO (Wirkstoff: Mesotrione) immun ist. Für diese Mittel haben die beiden Konzerne nun unter anderem in den USA, der EU und Kanada einen Zulassungsantrag gestellt.

SMARTSTAX mit Glufosinat
Um Genpflanzen gegen solche Unkräuter und Schadinsekten zu wappnen, die sich an einzelne Mittel schon gewöhnt haben, immunisiert auch MONSANTO seine Labor-Früchte gleich gegen mehrere Agro-Chemikalien, damit die LandwirtInnen beim Sprühen nicht nur auf ein Mittel zurückgreifen können. So hat der Multi bei der EU die Import-Zulassung für die Genmais-Sorte SMARTSTAX beantragt, die gleich mit sechs Bt-Toxinen gegen den Maiszünsler und andere Insekten sowie mit Resistenzen gegen zwei Pestizide bewehrt ist. Bei einem der Ackergifte handelt es sich um BAYERs berühmt-berüchtigtes Glufosinat, dessen EU-Genehmigung wegen seiner Gefährlichkeit 2017 ausläuft (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Doch nicht nur das stößt auf Kritik. Die Initiative TESTBIOTECH moniert fehlende Untersuchungen zur Kombinationswirkung der Bt-Toxine und der Anti-Unkrautmittel; auch lägen keine Nachweise zur Umweltverträglichkeit vor. Die EU hatte ebenfalls Bedenken. Im ersten Durchgang lehnte Brüssel das Begehr MONSANTOs ab, Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung der Stimme.

Neue EYLEA-Indikationen gesucht
Das Vorgehen hat Methode: Kaum hat BAYER die Zulassung für ein Medikament zur Behandlung einer bestimmten Krankheit erhalten, da schaut der Konzern sich schon nach weiteren Verwendungsmöglichkeiten um. So geht er auch im Fall des Gentech-Augenpräparats EYLEA vor, das 2011 in den USA und 2012 in Europa eine Genehmigung zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erhalten hat. Zur Zeit laufen Anträge zur Anwendung von EYLEA bei einem Zentralvenen-Verschluss der Netzhaut sowie zur Gabe bei Flüssigkeitsansammlungen in der Makula-Region des Auges, die nach einem solchen Verschluss auftreten. Darüber hinaus führt der Pharma-Riese klinische Tests zu den Indikationen „diabetisches Makula-Ödem“ und „choroidale Neovaskularisation“, einer Gewebe-Wucherung am Seh-Organ, durch. Als Augen-Allheilmittel kommt der gemeinsam mit der Firma REGENERON entwickelte EYLEA-Wirkstoff Aflibercept aber nicht in Betracht. In den Tests, die zur ersten Zulassung führten, demonstrierte er lediglich seine Nicht-Unterlegenheit gegenüber Ranibizumab. Zudem traten während der Erprobungen Nebenwirkungen wie Bindehaut-Blutungen, grauer Star, Augenschmerzen, Glaskörper-Trübungen und Erhöhung des Augeninnendrucks auf.

EYLEA hat keinen Zusatznutzen
Seit einiger Zeit prüft das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG), ob neue Medikamente gegenüber schon gebräuchlichen einen Zusatznutzen aufweisen. Und nur wenn das der Fall ist, empfiehlt es eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Unlängst beschäftigte die Einrichtung sich auch mit BAYERs Gentech-Augenpräparat EYLEA. Das Mittel mit dem Wirkstoff Aflibercept hat in den Zulassungstests zwar nur seine Nicht-Unterlegenheit gegenüber Ranibizumab demonstriert, aber der Leverkusener Multi legte dem IQWiG zusätzliches Material vor. Darin versuchte er zu beweisen, dass unter Ranibizumab mehr Nebenwirkungen auftreten als unter Aflibercept. Da Ranibizumab öfter injiziert werden muss als Aflibercept und jede Spritze das Risiko von Augen-Entzündungen erhöht, weise Aflibercept das bessere Risiko-Profil auf, argumentierte der Konzern. Dem mochte das IQWiG jedoch nicht folgen. Bei dem Institut konnte die BAYER-Darstellung, „dass es unter einer erhöhten Anzahl von Injektionen zwangsläufig vermehrt zu okularen Schadensereignissen unter Ranibizumab im Vergleich zu Aflibercept kommt, anhand der Daten aus den beiden Zulassungsstudien VIEW 1 und VIEW 2 nicht nachvollzogen werden“. Darum attestierte es dem Präparat keinen Zusatznutzen.

Keine Zulassung für BAY 86-6150
Bei etwa einem Drittel der Bluter-Patienten nützen Gerinnungspräparate nichts, da ihr Organismus Antikörper gegen die Mittel herausbildet. Für diese Gruppe hat BAYER den Wirkstoff BAY 86-6150 entwickelt. In Tests aber stießen die Körper vieler Probanden auch diese Substanz ab. Darum brach der Leverkusener Multi die klinische Erprobung ab. „Die Sicherheit der Patienten ist unser wichtigstes Anliegen bei der Planung klinischer Studien und natürlich auch bei der Untersuchung von BAY 86-6150“, sagte Kemal Malik vom Leverkusener Multi und verkündete das Aus für die Arznei: „Wir beenden die Studie mit BAY 86-6150 aufgrund der aufgetretenen Sicherheitsbedenken.“

WASSER, BODEN & LUFT

Chemische Kampfstoffe im Meer
1936 erfand Gerhard Schrader, Forscher bei der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, den chemischen Kampfstoff Sarin. Auch sonst spielte der Leverkusener Multi bei der Entwicklung dieser Giftgase eine bedeutende Rolle. So basiert das von US-WissenschaftlerInnen zusammengebraute VX auf einem Patent des Konzerns. Und noch heute sorgen Sarin & Co. für Angst und Schrecken, nicht nur weil sie sich immer noch in vielen Waffen-Arsenalen befinden – der chilenische Diktator Pinochet verwendete es ebenso wie Saddam Hussein 1987 und 1988 bei seinen Attacken auf kurdische Dörfer und die japanische Aum-Sekte bei ihren Anschlägen von 1994 und 1995 –, sondern auch, weil die Substanzen alles andere als friedlich in Nord- und Ostsee schlummern. Durch das Salzwasser und die Korrosion treten die Stoffe nämlich aus. Für besonders betroffene Gebiete wie die Küste vor Helgoland fordern ExpertInnen schon ein Fischerei-Verbot, weil sich die Granaten in den Netzen verfangen könnten. Die Chemikalien gelangen sogar bis an die Strände. An manchen Orten führen Kampfmittel-Bergungsfirmen schon regelmäßige Patrouillen-Gänge durch. Nach ExpertInnen-Schätzungen liegen in der Nordsee 170.000 Tonnen und in der Ostsee 42.000 bis 65.000 Tonnen Chemie-Waffen. Die Nazis hatten die Munition kurz vor Kriegsende aus Angst vor Angriffen auf ihre Depots versenkt. Aber auch nach 1945 gelangten die Gifte noch ins Meer, da die Alliierten die Verklappung der deutschen Armee-Bestände angeordnet hatten. Und die Behörden wollen sie einstweilen in den Gewässern lassen, vor einer Bergung scheuen die Verantwortlichen wegen der damit verbundenen Gefahren zurück.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Chlor und kein Ende
„Eigentlich ist es eines Chemikers unwürdig, dass wir immer noch auf Chlor bauen“, beklagte der ehemalige BAYER-Vorständler Eberhard Weise. Und er tat dies bereits in einer Spiegel-Ausgabe von 1993, weshalb es heutzutage noch ein bisschen unwürdiger ist, weiter auf die Chlorchemie zu setzen, ohne nach Alternativen zu suchen. In einer Größenordnung von 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr produziert der Leverkusener Multi das gefährliche Gas aus der Gruppe der Halogene und zählt damit zu den größten Herstellern in Europa.

NANO & CO.

Ausstieg aus der Nano-Technik
Mit großen Worten pries das „Erfinder-Unternehmen“ BAYER 2003 die Nano-Technik. „Wenn wir lernen, Materialien bis in die atomare Ebene hinein zu verändern, dann können wir neue Wirkungen erzielen, Eigenschaften optimieren und dadurch völlig neue Möglichkeiten für alle Geschäftsfelder unseres Unternehmen eröffnen“, frohlockte der damalige Forschungsvorstand Udo Oels. Schon bis 2010 rechnete der Multi mit einem Marktvolumen von 200 Milliarden Euro für Nano-Produkte. Und die Bundesregierung steckte der Konzern mit seiner Begeisterung an. Mit neun Millionen Euro unterstützte diese den Global Player bei der Entwicklung von Carbon Nanotubes (CNT), Kohlenstoff-Röhrchen aus Nano-Materialien. Ungeachtet der Risiken – die winzigen Teilchen können beispielsweise ähnlich wie Asbest-Fasern die schützende Blut-/Hirnschranke überwinden – machte sich der Global Player ans Werk. Im Laufenburger Werk seiner ehemaligen Tochtergesellschaft HC STARCK oder in der Leverkusener Pilotanlage entwickelte er BAYTUBES-Prototypen zur Verwendung in Duftkapseln, Folien, Flüsterschotter, Eishockeyschlägern, Kathedern, Schläuchen, Windrad-Flügeln und Akkus. Allerdings begann es bald zu hapern. Das Leverkusener Technikum kam nicht richtig ans Laufen, und Abnehmer für sein neues Produkt fand BAYER auch nicht in genügender Zahl. So antwortete die Bezirksregierung 2011 der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die BAYER verdächtigte, bereits ohne Genehmigung BAYTUBES für den kommerziellen Gebrauch herzustellen und deshalb um Aufklärung bat: „Anfragen bei potenziellen Kunden haben inzwischen gezeigt, dass der Markt CNT-Material mit anderen Eigenschaften benötigt.“ BAYER habe „wegen der unzureichenden Nachfrage auf dem Markt“ nicht beantragt, Teile der Produktion zu verkaufen. Obwohl das Unternehmen in Tateinheit mit HC STARCK weiter den Ausbau des Laufenburger Nano-Werks betrieb und eine Produktionserweiterung beantragte, klangen seine Verlautbarungen zum Thema „Nano“ bald schon gedämpfter. „Es ist jedoch eine fatale Fehlinterpretation, dass wir diese Labor-Ergebnisse einfach in Produkte und Anwendungen übertragen können, die man morgen bei ALDI kaufen kann“, ruderte der Nano-Beauftragte Péter Krüger beim letzten „Inno.CNT“-Kongress zurück, wo sich selbst ForscherInnen vom Fraunhofer-Institute auf Durchhalte-Parolen beschränkten: „Wir dürfen mit den CNTs nicht zu früh aufgeben.“ Das hat der Leverkusener Multi ein paar Wochen später dann aber doch getan. Er hatte offenbar die Hoffnung verloren, gleichzeitig imstande zu sein, die komplexen Herstellungsprozesse zu beherrschen und einflussreiche Branchen für die neuen Materialien zu gewinnen. Erst verkaufte er sein Geschäft mit Nano-Silbertinten, dann verkündete er das Aus für den ganzen Zweig. „Bahnbrechende Anwendungen für den Massenmarkt“ seien nicht in Sicht, so BAYER-Manager Patrick Thomas zum Ausstieg aus der „Zukunftstechnologie“.

PLASTE & ELASTE

WM-Stadion mit MAKROLON
Auch BAYER ist bei der kommenden Fußball-WM in Brasilien mit von der Partie. „Transparente MAKROLON-Massivplatten sorgen (...) dafür, dass die 70.000 Zuschauer im künftigten Estádio Nacional in der Hauptstadt Brasilia geschützt vor Sonne und Regen verfolgen können“, vermeldet der Konzern. In der heimatlichen „Bayarena“ drohten diese jedoch für „einstürzende Neubauten“ zu sorgen. Sie entsprachen nämlich nicht den Brandschutz-Anforderungen. Deshalb bestand die Gefahr, dass sie durch Bengalos oder Feuerwerkskörper entflammen und dann auf die ZuschauerInnen niederstürzen. Aus diesem Grund musste BAYER 04 Leverkusen die Platten abbauen und sie durch solche aus einem widerstandsfähigerem MAKROLON ersetzen, was mehrere Millionen Euro verschlang. In Brasilien haben die Kosten für den Bau der WM-Arenen derweil schon zu Massen-Protesten mit bis zu 200.000 TeilnehmerInnen geführt. „Weniger Stadien, mehr Gesundheit“, forderten die DemonstrantInnen etwa.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Hacker attackieren BAYER
Im letzten Jahr verzeichnete der Leverkusener Multi einen Hacker-Angriff aus China mit dem Ziel, Industrie-Spionage zu betreiben. Auch EADS, THYSSENKRUPP und IBM zählten zu den Opfern. Zuvor schon musste sich BAYER des auf Produktionssteuerungssoftware von SIEMENS abgestellten Computer-Virus Stuxnet erwehren, der im Herbst 2010 auch in iranische Atomanlagen eingedrungen war.

STANDORTE & PRODUKTION

Projekt „Krämer-See“ passé
Die Stadt Monheim wollte den Krämer-See erschließen und dort einen Bade-Bereich einrichten. Dazu benötigte sie allerdings ein BAYER gehörendes Areal. Als der Konzern schriftlich seine Bereitschaft signalisierte, der Gemeinde das Gelände zu verkaufen, begann diese mit den Planungen. Anfang 2013 kam dann allerdings der Schock: Das Unternehmen zog die Zusage zurück. „Uns wurde mitgeteilt, dass BAYER die Fläche nun als besonders wertvoll einschätzt, da sie nie mit Kunstdünger behandelt wurde. Sie sei wichtig für zukünftige Forschungsprojekte und deshalb nicht zu verkaufen“, erklärte Monheims oberster Stadtplaner Robert Ulrich. Jahrelange Arbeit machte der Agro-Riese so zunichte.

Brunsbüttel: neue Energie-Gesellschaft
Der Leverkusener Multi hat am Standort Brunsbüttel eine eigene Energie-Gesellschaft gegründet und ihr die Verantwortung für die Versorgung des Chemie-„Parks“ mit Strom und für die dazu benötigte Infrastruktur übertragen.

Infrastruktur-Maßnahmen gefordert
Die von BAYERs ehemaligem Finanz-Chef Heribert Zitzelsberger in seiner Funktion als Staatssekretär im Finanzministerium maßgeblich mitgeprägte Unternehmenssteuer„reform“ des Jahres 2000 hat Staat, Land und Kommunen große Einnahme-Verluste beschert. Als eine Folge davon blieben nötige Investitionen in Straßen und Schienen-Wege aus, weshalb das nordrhein-westfälische Verkehrsministerium sogar unlängst zeitweilig die Rheinbrücke bei Leverkusen sperren musste. Nun bemängelt der Global Player aber gerade diese Nebenwirkung seiner nur noch spärlich fließenden Abgaben. So forderte Ernst Grigat, bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA für die Dormagener und Leverkusener Chem-„Parks“ verantwortlich, die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen auf, eine Generalüberholung der Verkehrswege im Land vorzunehmen. „Wir brauchen eine Runderneuerung der Infrastruktur, damit die Lage mitten in NRW auch weiterhin ein Standort-Vorteil bleibt“, so Grigat.

Leverkusens Image-Probleme
Die Stadt, in welcher der BAYER-Konzern seinen Stammsitz hat, verfügt über viele Parks, Wiesenflächen und Biotope. „Trotzdem hat Leverkusen es noch nicht ganz geschafft, sein Chemie-Image ganz über Bord zu werfen“, klagt Lothar Schmitz vom Gartenamt. In der Außenwahrnehmung überstrahlt nämlich der Agro-Riese alles und sorgt eher für graue denn für grüne Assoziationen. Dagegen will das Rathaus etwas tun. „Unser Stadt-Marketing ist in der Tat verbesserungswürdig“, sagt Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn (CDU). Aber für eine PR-Kampagne hat die Kommune kein Geld, hauptsächlich weil der Multi dank der von ihm mitgestalteten Unternehmenssteuer„reformen“ nicht mehr so viel Abgaben zahlt wie früher. So bleibt das Schicksal der Stadt doch unauflösbar mit BAYER verbunden.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYERs belgisches Steuer-Paradies
Nach einer Schätzung der EU-Kommission gehen den Mitgliedsstaaten alljährlich Einahmen in Höhe von ca. einer Billion Euro durch Steuerhinterziehung oder „ganz legale Steuertricks“ verloren. Die bundesdeutschen Finanzämter kommen dem nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans zufolge auf einen Fehlbetrag von 160 Milliarden Euro, nach Ansicht des SPD-Politikers größtenteils verursacht durch die großen Unternehmen, „die gezielt Steuer-Schlupflöcher in der Gesetzgebung ausnutzen“. BAYER geht zum Steuersparen nach Belgien. Das Land gewährt nämlich Zinsen auf Eigenkapital und lockt damit ausländisches Geld zur Steuer-Veranschlagung an. Deshalb verdoppelte der Leverkusener Multi 2011 das Eigenkapital seiner in Antwerpen ansässigen Tochter-Gesellschaft auf acht Milliarden Euro und konnte seinen Gewinn von 254,8 Millionen Euro fast komplett wieder mit nach Hause nehmen. Lediglich 10,8 Millionen Euro musste er im Nachbarstaat lassen – das entspricht einer Steuerquote von 4,3 Prozent. Zur Erklärung heißt es aus der Zentrale des Global Players lediglich: „BAYER nutzt wie einige andere Unternehmen das günstige makrowirtschaftliche Klima in Belgien, das durch den Abzug für Risikokapital geschaffen wurde.“ Da die Kritik an dieser Praxis der Unternehmen seit einiger Zeit zunimmt, planen die EU und die G8-Staaten Maßnahmen, um Steuer-Oasen zu schließen und umfassendere Auskünfte über das globale Steuer-Gebaren von BAYER & Co. zu erhalten. Konkrete Regelungen stehen bisher allerdings noch aus, und Extrem-Lobbyismus dürfte die schlimmsten Folgen für die Konzern-Kassen verhindern.

Standort-Nachteile durch Fracking
Die ebenso brachiale wie umweltschädliche Fracking-Technik, die mit Hilfe von Chemikalien Risse in unterirdischen Gesteinsschichten erzeugt, um so leichter Erdgas-Vorkommen zu erschließen, hat für einen Boom gesorgt und den US-amerikanischen Unternehmen zu billiger Energie verholfen. Der Leverkusener Multi sieht sich dadurch im Hintertreffen. „Die damit günstigeren Produktionskosten in den USA verschärfen natürlich in einigen Bereichen den Konkurrenz-Druck“, klagt BAYER-Chef Marijn Dekkers. Und natürlich erwartet er von der Bundesregierung, diesen Standort-Nachteil auszugleichen, indem diese den Konzernen zu (noch) günstigeren Strom-Tarifen verhilft.

Baumann warnt vor Abwertungsspirale
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise werten Staaten wie Japan und China ihre Währungen ab, um ihre Export-Kraft zu steigern. BAYER betrachtet das mit Sorge. „Ein Abwertungskrieg kennt am Ende nur Verlierer“, sagte Finanzchef Werner Baumann der Nachrichtenagentur dpa. Baumann konnte die Effekte für den Konzern sogar genau beziffern. Eine Aufwertung des Euro gegenüber dem Yen oder dem Yuan schlägt sich in den Bilanzen mit einem Minus von 70 Millionen Euro nieder, eine entsprechende Abwertung mit einem Plus von 70 Millionen. Darum hat das Unternehmen auch von der Euro-Schwäche profitiert. Sie trug ihm im letzten Jahr 400 Millionen Euro ein.

BAYER gegen Finanztransaktionssteuer
Das unkontrollierte Treiben auf den Finanzmärkten hatte einen großen Anteil am Ausbruch der jüngsten Wirtschaftskrise. Um den Handel wenigstens etwas zu regulieren, griff die EU einen Vorschlag von ATTAC auf und machte für die Mitgliedsländer den Weg zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer frei. BAYER & Co. wehren

Carl Duisberg

CBG Redaktion

Carl Duisberg, der ehem. BAYER-Generaldirektor, war verantwortlich für den Einsatz von Giftgas, die Verschleppung von Zwangsarbeitern und den Verkauf von Heroin als Hustenmittel (siehe Kampagne). Offensichtlich war er zudem für mehrere Verkehrsunfälle mit Todesfolge verantwortlich:

Leverkusener Anzeiger, 11. Juni 2013

Ein rechthaberischer Herrenfahrer

Wenn Carl Duisberg, der ehemalige Geheimrat des Bayer-Werkes, auf der Straße war, konnte es gefährlich werden. Das Archiv verzeichnete in der Akte „Verkehrsunfälle“ zwei Tote und einen Schwerverletzten. Von Thomas Käding

Leverkusen - Wer glaubt, dass es zu Duisbergs Zeiten langsam und gemütlich zuging, vertiefe sich in die Aufzeichnungen aus dem Werksarchiv. Der Geheimrat war fraglos ein sehr geachteter Mann. Aber man wusste auch, dass mit dem Vorstandschef nicht zu spaßen war. Weder im Werk („Der erste machte Alarm“), noch außerhalb.
Dass Duisberg über ein gelegentlich aufbrausendes Naturell verfügte, legt auch die Akte „Verkehrsunfälle“ nahe, die Werner Plumpe ausgewertet hat. Der Frankfurter Historiker arbeitet sich seit Jahren durch das Bayer-Archiv und kommt in dieser Sache zu dem Ergebnis: „Das Strafregister Duisbergs ist nicht lang, aber erheblich.“ Bei Unfällen mit den Limousinen, in denen sich der Geheimrat chauffieren ließ, starben zwei Menschen, einer wurde schwer verletzt. Über den Ausgang der Gerichtsverfahren gegen Duisbergs Fahrer schweigen die Akten. Dokumentiert ist aber, dass man mit dem Geheimrat an Bord oft viel zu schnell unterwegs war. Gegen Bußgeldbescheide sei Duisberg mit großer Energie vorgegangen, schreibt Plumpe und nennt ein harmloses Beispiel: eine Bußgeldandrohung der Hildener Polizei vom 12. Januar 1907 über drei Mark, weil an Duisbergs Limousine eine mehrtönige Hupe angebracht sei. Der Geheimrat antwortet natürlich nicht den Ordnungshütern, sondern schreibt gleich an den Hildener Bürgermeister.
In dem Brief leugnet er, eine vorschriftswidrige Hupe an seinem Auto zu haben – er könne das beurteilen, da sie oft genug benutzt werde. Überhaupt gibt Autofahrer Duisberg die verfolgte Unschuld: Die Polizei trete „bekanntlich den Automobilen in unnachsichtiger Weise entgegen“, beklagt sich das Mitglied des Kaiserlichen Automobilclubs zu Berlin. Mehrfach wehrte sich der Manager gegen den Vorwurf, zu schnell unterwegs gewesen zu sein. Orte durften seinerzeit nur in einer Geschwindigkeit passiert werden, die einem „mäßigen Trab“ entsprachen. Ob die stetigen Auseinandersetzungen mit der Polizei eher einem Hang zur Rechthaberei entsprangen, oder ob einer der bestbezahlten Industriemanager jener Zeit einfach nur geizig war, ist schwer zu beurteilen. Plumpe neigt der Knickerigkeits-Hypothese zu: So fetzte sich CD mit der Polizei, die ihm fünf Mark wegen des Befahrens einer gesperrten Straße abknöpfen wollte. Dorthin aber habe Duisberg seinen Fahrer nur dirigiert, weil er eine Brückenmaut von 20 Pfennig sparen wollte. „Selbst Park- und Halteverbote konnten Duisberg erheblich erzürnen“, schließt Plumpe aus dem Studium der Akten.
Und dann war da noch die Sache mit dem toten Hund: Am 22. Oktober 1912 ließen sich Carl Duisberg, seine Frau Johanna, Tochter Hildegard und Hausdame Minna Sonntag vom Chauffeur Hartung von Leverkusen nach Elberfeld fahren. Kurz hinter Haan überholte Hartung ein Pferdefuhrwerk der Brennerei Hoppenhaus, als ein Hund vor den Wagen sprang. Das Tier wurde überrollt, Hartung fuhr einfach weiter.
Die Hundebesitzer von der Brennerei reagierten mit einer saftigen Forderung: Duisberg sollte 150 Mark Schadenersatz bezahlen – das war ungefähr der Monatslohn eines Facharbeiters. Wenn nicht, gehe die Sache vor Gericht. „Bei Duisberg war man freilich mit einer derartigen Drohung an den Richtigen geraten“, schreibt Plumpe. Der Geheimrat dachte natürlich gar nicht daran, einfach so zu zahlen. Vor dem Amtsgericht Mettmann wurde drei Tage lang verhandelt – samt Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, und so fort. Duisbergs Chauffeur wurde neben zu schnellen Fahrens vorgeworfen, nicht ausreichend gehupt und somit den Tod des Hundes befördert zu haben: Das Tier verfügte über eine Polizeiausbildung und hätte auf das Hupen sofort reagiert, hieß es im Prozess.
Das Gericht sah es schließlich anders: Die Klage wurde abgewiesen. Der wehrhafte Automobilist Carl Duisberg war mal wieder davon gekommen.

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2013 TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Prozess wg. Uni-Vertrag
Im Jahr 2008 ging BAYER mit der Kölner Hochschule eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung ein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten die Organisationen eine Offenlegung des Vertrages und fanden dafür auch die Unterstützung des NRW-Datenschutzbeauftragten. Die Universität verweigerte das jedoch, weshalb die CBG die Hochschule im Mai 2011 verklagte. Anfang Dezember 2012 fand nun der erste Prozess-Termin statt. Ohne die Kooperationsvereinbarung selber gelesen zu haben und sich über das Votum des Datenschutzbeauftragten hinwegsetzend, lehnte der Richter das Begehr der Coordination ab. Das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz sehe im Gegensatz zu denen der meisten anderen Bundesländer Auskunftsbeschränkungen für den Bereich „Forschung und Wissenschaft“ vor, hieß es zur Begründung. Doch die CBG akzeptierte das Urteil nicht und ging in Berufung.

Kleine Anfrage mit der Piratenpartei
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) führt einen Prozess, um Informationen über das zwischen BAYER und der Universität Köln geschlossene Forschungsabkommen zu erhalten (s. o.). Der Landesdatenschutzbeauftragte hatte das Begehr unterstützt, das Kölner Verwaltungsgericht lehnte es allerdings ab, auf Ausnahmetatbestände für Forschung und Wissenschaft im nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetz verweisend (s. o.) Um jetzt die Position von SPD und Grünen zu dem Kasus in Erfahrung zu bringen, kooperierte die Coordination mit der Piratenpartei NRW und half bei der Abfassung einer Kleinen Anfrage zum Thema. „Warum hat die Landesregierung keine Anstrengungen unternommen, das Votum ihres Landesbeauftragten umzusetzen?“ und „Hält die Landesregierung eine Überarbeitung des Ausnahmetatbestands zu Forschungseinrichtungen und Hochschulen für sinnvoll, damit dieser nicht weiter dazu dient, der interessierten Öffentlichkeit Informationen zu Kooperationsverträgen zwischen Universitäten und Industrie-Unternehmen zu verwehren?“ wollen die PiratInnen darin unter anderem von Kraft & Co. wissen.

50 Einwendungen in Brunsbüttel
BAYER will am Standort Brunsbüttel die Produktion des Kunststoff-Zwischenprodukts MDI erweitern. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt das Vorhaben ab. Nach Ansicht der Coordination berücksichtigt das Projekt die Möglichkeit eines Austrittes großer Mengen des Giftgases Phosgen nicht in ausreichendem Maße. So will das Unternehmen die Anlage zwar mit einer Einhausung schützen, womit es einer langjährigen Forderung der Umweltverbände nachkommt, diese aber nicht aus Beton, sondern nur aus Blechplatten errichten. Zudem verzichtet der Konzern auf eine sogenannte Ammoniak-Wand als zweites Sicherheitssystem und hält bei den Planungen den Mindestabstand zu bewohnten Gebieten nicht ein. Die CBG hat beim schleswig-holsteinischen „Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume“ deshalb Einspruch gegen den Bau eingelegt und befindet sich damit in guter Gesellschaft. Insgesamt 50 Einwendungen gingen bei der Behörde ein. Mit den AktivistInnen vor Ort arbeitet die Coordination zusammen und gibt unter anderem ihre Erfahrungen aus den Auseinandersetzungen um die neue TDI-Anlage in Dormagen (siehe SWB 2/13) weiter.

Demonstration gegen PONCHO
Das BAYER-Pestizid PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin ist für das weltweite Bienensterben mitverantwortlich (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Darum haben im November 2012 US-amerikanische BienenzüchterInnen und UmweltaktivistInnen vor der Umweltbehörde EPA demonstriert und ein Verbot des Ackergiftes gefordert.

Dortmund: Duisbergstraße weg?
Immer noch sind in der Bundesrepublik zahlreiche Straßen nach BAYERs langjährigem Generaldirektor Carl Duisberg benannt, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörder-Konzerns IG FARBEN hatte. Aber seit einiger Zeit findet die Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nach Tilgung des Namens immer mehr AnhängerInnen. So liegt nun auch in Dortmund ein BürgerInnen-Antrag auf Umbenennung einer Straße vor. Die CDU wollte die Diskussion darüber in der Bezirksvertretung unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen, um die Persönlichkeitsrechte des längst Verstorbenen zu schützen, kam damit aber nicht durch. Die Partei stimmte dann allerdings dem Vorhaben zu, das Thema grundsätzlicher anzugehen. Sie einigte sich mit den Grünen und der SPD darauf, alle Straßennamen im Bezirk auf den Prüfstand zu stellen und historisch belastete auszutauschen.

Neue Kunststoffe braucht die Welt
Der Chemie-Professor Dr. Uwe Lahl von der TU Darmstadt hat bei einer Bundestagsanhörung eine Wende in der Chemie-Produktion gefordert. Ohne einen Verzicht auf fossile Kohlenstoffe als Basis der Herstellungsprozesse von BAYER & Co. ist Lahl zufolge eine Reduzierung der klima-schädigenden Kohlendioxid-Emissionen nicht zu erreichen. Unter der Devise „Neue Kunststoffe braucht die Welt“ plädierte der Abfalltechnik-Experte stattdessen für den Einsatz von Biomasse als Rohstoff und befürwortete auch entsprechende staatliche Vorgaben. Solche Eingriffe lehnt Gerd Romanowski vom „Verband der Chemischen Industrie“ allerdings kategorisch ab. Der „Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft“ genügt seiner Ansicht nach als Leitlinie für ein nachhaltiges Wirtschaften.

Umweltverbände kritisieren Pestizid-Plan
Die Bundesregierung hat den „Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ (NAP) überarbeitet. Nach Ansicht der Umweltverbände entspricht der neue Plan jedoch nicht den Erfordernissen. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK, BUND, NABU und GREENPEACE kritisieren in einer gemeinsamen Stellungnahme den Abschied von dem Ziel, den Gebrauch der Pestizide von BAYER & Co. zu reduzieren und seine Ersetzung durch die Empfehlung an die LandwirtInnen, nicht „vom notwendigen Maß“ abzuweichen. „Das ‚notwendige Maß’ wird der Umwelt wenig helfen“, halten die Organisationen fest. Im Einzelnen monieren die Verbände fehlende Anstrengungen zum Erhalt der Artenvielfalt im Allgemeinen und zum Schutz der Bienen vor den Agro-Chemikalien (siehe PESTIZIDE und HAUSHALTSGIFTE) im Besonderen. Zudem vernachlässigt der NAP nach Ansicht der Initiativen die Lebensmittelsicherheit, indem er Maßnahmen zur Eindämmung der Pestizid-Kombinationswirkungen unterlässt. Darüber hinaus fordern PAN & Co. eine konsequentere Förderung des Ökolandbaus und ein Kontrollprogramm zum Schutz von acker-nahen Kleinstgewässern vor den Gift-Einträgen.

Pestizid-Protest auf der Documenta
Die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung der Pestizid-Ausbringung – und zu einer Ausweitung der Gesundheitsschädigungen (siehe auch Ticker 2/07). Seit dem Soja-Boom der späten 90er Jahre steigen in den Dörfern nahe der Felder die Fälle von Krebs und anderen Krankheiten massiv an. Im argentinischen Ituzaingó etwa kommt ein Drittel der Neugeborenen mit Missbildungen zu Welt; bei 80 Prozent der BewohnerInnen wiesen WissenschaftlerInnen Rückstände von Agrochemikalien im Blut nach. Viele Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, haben daran einen Anteil, so etwa Glyphosate (GLYPHOS, USTINEX G), Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN), Methamidophos (TAMARON) und Monocrotophos (BILPHOS). Aber die Betroffenen setzen sich zur Wehr. So haben sich etwa in Ituzaingó, wo Endosulfan sogar das Trinkwasser verseucht, Frauen zu den „Mothers of Ituzaingó“ zusammengeschlossen. Die Initiative schrieb zahlreiche Petitionen an die Regierung und forderte Untersuchungen ein. Und im letzten Jahr besuchte sie die Documenta-Kunstausstellung in Kassel, um ihren Forderungen im Heimatland BAYERs Ausdruck zu verleihen.

Mehr Bisphenol-Maßnahmen gefordert
Im März 2011 hatte die EU die Verwendung der Chemikalie Bisphenol, zu deren Hauptproduzenten BAYER mit einer Jahresproduktion von rund einer Million Tonnen zählt, in Babyflaschen untersagt. Brüssel begründete dies mit den Risiken und Nebenwirkungen der Substanz wie Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Leber-Erkrankungen. Ende letzten Jahres weitete Frankreich die Reglementierungen aus. Der Staat beschloss einen Bisphenol-Bann für den gesamten Nahrungsmittel-Sektor, der 2015 in Kraft treten soll (Ticker 1/13). Der BUND forderte nun, es dem Nachbarland gleichzutun. „Das Verbot für Baby-Fläschchen war ein guter erster Schritt, aber er reicht nicht“, so die BUND-Aktivistin Sarah Häuser.

BAYTRIL: Aigner antwortet der CBG
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Mittel aus der Gruppe der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, waren mit acht Tonnen dabei. Der massenhafte Einsatz dieser Mittel in der Massenzucht fördert die massenhafte Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen die Antibiotika dann nicht mehr wirken. Bis zu 15.000 Menschen sterben in der Bundesrepublik an solche Infektionen. Bei BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß, denn CIPROBAY, sein Pendant für die Humanmedizin, entstammt ebenfalls aus der Gruppe der Fluorchinolone und hat sogar den Status eines Reserve-Präparats für besonders schwierig zu behandelnde Fälle inne. Wegen dieser bedrohlichen Lage sandte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Offenen Brief an die Adresse von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Die Coordination forderte die CSU-Politikerin darin auf, den Gebrauch von BAYTRIL in der Massentierhaltung zu verbieten und daran zu arbeiten, mittelfristig alle Antibiotika aus den Zuchtbetrieben zu verbannen. Darauf wollte Aigner sich jedoch nicht einlassen. Sie stritt in ihrem Antwort-Schreiben den Zusammenhang zwischen den 15.000 Toten und der Verwendung von BAYTRIL & Co. in den Mast-Anlagen ebenso ab wie den drastischen Anstieg der Gaben und den generellen Status von Fluorchinolonen als Reserve-Antibiotikum. Die Ministerin versicherte ansonsten aber, das Problem erkannt zu haben und verwies in diesem Zusammenhang auf die entsprechenden Passagen im Entwurf zum „16. Gesetz zur Änderung des Arzneimittel-Gesetzes“ (16. AMG-Novelle). Darin sieht der Gesetzgeber unter anderem die Etablierung eines Registrier- und Kontrollsystems vor. Zudem sollen sich die Massentier-HalterInnen künftig an bestimmten Richtmengen orientieren. „Ich bin mir sicher, dass die 16. AMG-Novelle einen deutlichen Beitrag zur Senkung der Antibiotika-Mengen in der Tierhaltung führen wird“, heißt es in dem Brief deshalb. Andere, die von der Bundesregierung drastischere Schritte verlangt hatten wie etwa der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel, sind sich da jedoch nicht so sicher.

CBG: Hepatitis nicht unvermeidbar
In den 1970er und 1980er Jahren hatten sich weltweit Tausende Hämophile durch Blutplasma-Produkte von BAYER und anderen Herstellern mit HIV oder Hepatitis C infiziert. Während der Leverkusener Multi den Geschädigten in anderen Ländern hohe Summen an Schmerzensgeld zahlen musste, kam er in der Bundesrepublik glimpflich davon. AIDS-kranke Bluter erhielten Unterstützung von einer Stiftung, zu deren Kapital der Pharma-Riese lediglich neun Millionen Euro beisteuerte. Hepatits-C-Patienten gingen sogar ganz leer aus, denn der damaligen Bundesregierung gelang es nicht, BAYER & Co. zu einem Entgegenkommen zu bewegen. Offiziell hieß es jedoch, die Situation der an Hepatits leidenden Bluter sei nicht mit der an AIDS leidenden zu vergleichen, daher sei die Ungleichbehandlung legitim. Daran halten CDU und FDP noch heute fest, obwohl sich die Therapie-Möglichkeiten für AIDS-PatientInnen inzwischen stark verbessert haben. Das geht aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervor. Darin bezeichnen CDU und FDP die erfolgten Hepatitis-Infektionen zudem als „ein unvermeidbares Ereignis“, ungeachtet der Tatsache, dass es bereits ab 1981 ein Präparat zur Deaktivierung der Viren gab – zu dessen flächendeckendem Einsatz die Aufsichtsbehörden sich jedoch nicht entschließen konnten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und die Geschädigten-Initiative ROBIN BLOOD kritisierten deshalb die Position der Bundesregierung. „Der Bundestags-Untersuchungsausschuss ‚HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte’ (Bundestagsdrucksache 12/8591) kam zu dem Ergebnis, dass ab Ende 1982 nahezu alle Infektionen hätten verhindert werden können. Es ist nicht hinnehmbar, wenn Behörden und Industrie nun versuchen, die Geschichte umzuschreiben“, so CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in der Presseerklärung. Und Andreas Bemeleit von ROBIN BLOOD pflichtete ihm bei: „Die pharmazeutischen Unternehmen haben aus reiner Profitgier unzählige Infektionen billigend in Kauf genommen. Die Bundesregierung hat seinerzeit ihre Aufsichtspflicht verletzt und sich zum Handlanger der Industrie gemacht. Der hilflos anmutende Verweis auf eine angebliche Schicksalhaftigkeit der Ereignisse zeigt, dass die Bundesregierung nicht gewillt ist, Verantwortung zu übernehmen und nicht fähig ist, ihre Positionen gegenüber der pharmazeutischen Industrie durchzusetzen.”

KAPITAL & ARBEIT

Machtzuwachs für Dekkers
In diesem Jahr geht der BAYER-Arbeitsdirektor Richard Pott in den Ruhestand und scheidet deshalb auch aus dem Vorstand aus. Die Nachfolge-Regelung – den Posten des 59-Jährigen erhält Michael Koenig – nutzte der Leverkusener Multi gleich zu einer Neuverteilung der Aufgaben in dem Gremium. So übernimmt der Ober-BAYER Marijn Dekkers zusätzlich den bisher von Pott betreuten Arbeitsbereich „Konzern-Strategie“ und erhält dadurch noch mehr Einfluss auf das Unternehmen.

Kein Weltbetriebsrat
Zwischen den Beschäftigten der inner- und außereuropäischen Niederlassungen macht der Leverkusener Multi große Unterschiede. So beklagte der kolumbianische Gewerkschaftler Guillermo Correa Montoya unlängst: „Ein anderes Beispiel ist die BAYER AG. Die hat eine Firmengeschichte von mehr als hundert Jahren in Kolumbien, aber weder im Werk Barranquilla noch in jenem in Cali gibt es eine Gewerkschaft. Das ist kein Zufall.“ Ein Weg hin zu mehr Gleichbehandlung bestände in der Einrichtung eines Weltbetriebsrats, wie ihn DAIMLER und VOLKSWAGEN bereits ins Leben gerufen haben. Aber beim Konzern gibt es derzeit keine solchen Bestrebungen.

Frauen bei Gehalt benachteiligt
Wenn sich bei BAYER Frauen für Führungspositionen bewerben, fordern sie nach Angaben der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden im Leverkusener Werk, Roswitha Süßelbeck, in der Regel weniger Geld als ihre männlichen Pendants. Und den Konzern freut diese Bescheidenheit. Oftmals musste deshalb der Betriebsrat intervenieren, um den Anspruch auf gleiches Geld für gleiche Arbeit durchzusetzen.

Weniger soziales Engagement
In unruhigeren Zeiten hat der Leverkusener Multi eine rege Sozialpolitik betrieben, damit die Beschäftigten nicht auf dumme Gedanken kommen. Seit einiger Zeit hält der Konzern das nicht mehr für nötig. So schloss er Bibliotheken, Schwimmbäder sowie das werkseigene Kaufhaus und fuhr die finanzielle Unterstützung von Sportvereinen drastisch zurück. Der lokale Kaninchenzüchter-Verein könne heute strategisch nicht mehr begründet werden, erklärte Dirk Frenzel, BAYERs Mann für Gesellschaftspolitik und Umwelt, bei einem Vortrag den Gesinnungswandel und gab offen zu: „Es ist weniger geworden.“ Da mussten die ZuhörerInnen ihm zustimmen. „Unsere Mutter BAYER existiert nicht mehr“, stellte etwa ein ehemaliger Beschäftiger des Global Players fest.

Manager, wechsel-dich
ManagerInnen ist es egal, was sie wo machen, nur ein Schritt auf der Karriere-Leiter muss es sein. Deshalb herrscht zur Zeit ein Kommen und Gehen in BAYERs Führungsetage. Pharma-Boss Jörg Reinhardt, der 2010 von NOVARTIS zum Leverkusener Multi gewechselt war, weil er bei seinem alten Arbeitgeber den begehrten Chef-Posten nicht ergattern konnte, hatte beim zweiten Anlauf mehr Glück und kehrt deshalb in die Schweiz zurück. Und die ebenfalls erst 2010 als Leiterin von BAYER CROPSCIENCE in die Dienste des Multis getretene Sandra Peterson war noch schneller wieder weg, um ihre Karriere beim US-Unternehmen JOHNSON & JOHNSON fortzusetzen.

ERSTE & DRITTE WELT

NEXAVAR-Urteil zeigt Wirkung
Im September 2012 erlaubte ein indisches Patent-Gericht der Firma NATCO PHARMA, eine preisgünstige Nachahmer-Version des patent-geschützten BAYER-Krebsmittels NEXAVAR herzustellen. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Nun zeigt die Entscheidung Wirkung. Immer mehr Pillen-Produzenten wenden sich von ihrer bisherigen Verkaufspolitik in den Schwellenländern ab. Sie gestatten Dritt-Firmen die Herstellung billigerer Versionen oder bringen sogar selber welche heraus. Der Leverkusener Multi hatte sich derweil schon im Vorfeld der Auseinandersetzung um NEXAVAR dazu durchgerungen, das Mittel bedürftigen InderInnen kostengünstiger zur Verfügung zu stellen. Solche „Good Will“-Aktionen ersetzen allerdings keine umfassenden Regelungen zu einer besseren Versorgung der Menschen in der „Dritten Welt“ mit dringend benötigten Medikamenten.

IG FARBEN & HEUTE

Preis nach Nazi benannt
BAYER vergibt eine Reihe von Auszeichnungen im Medizin-Bereich, um Kontakte zu WissenschaftlerInnen, Universitäten und anderen Forschungsstätten zu vertiefen, darunter auch den mit 75.000 Euro dotierten „Familie-Hansen-Preis“. Zur Ehre gereicht dieser den ForscherInnen jedoch kaum, denn der Stifter Kurt Hansen hat eine braune Vergangenheit. Er trat bereits im Jahr 1931 in die NSDAP ein und nahm bei dem von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzern IG FARBEN den Posten des Leiters der kriegswichtigen „Zentralstelle für Rohstoffbeschaffung“ ein. Wegen seiner Mitverantwortung für Kriegsverbrechen internierten die Alliierten Kurt Hansen deshalb gleich nach dem Krieg. Beim Leverkusener Multi konnte er seine Karriere dann aber bald schon wieder fortsetzen. Von 1961 bis 1974 war Hansen Vorstandsvorsitzender des Chemie-Multis, später saß der Manager dem Aufsichtsrat vor. Das Unternehmen machte ihn sogar zum Ehrenvorsitzenden. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verurteilt diesen unkritischen Umgang mit der Konzern-Historie forderte den Global Player auf, den Preis umzubenennen.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER-Manager sitzt Euro Chlor vor
Der Leverkusener Multi steht weiterhin in Treue fest zur Chlor-Chemie, obwohl Chlor-Verbindungen wegen ihrer Langlebigkeit zu den gefährlichsten Substanzen überhaupt gehören. In einer Menge von 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr produziert der Konzern das Gas aus der Gruppe der Halogene. Damit zählt er zu den größten Herstellern in Europa – und hat entsprechenden Einfluss. So wählte Euro Chlor, der europäische Verband der Chlor-Fabrikanten, den BAYER-Manager Andreas Amling zu ihrem neuen Vorsitzenden.

Regierung gegen Steuer-Transparenz
Multinational agierenden Konzernen wie BAYER bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, die unterschiedlichen Steuer-Gesetze der Länder auszunutzen, um Gewinne da anfallen zu lassen, wo die niedrigste Abgaben-Last lockt. So betreiben sie mit ihren Tochter-Unternehmen etwa einen internen Lizenz-Handel oder leihen sich von ihnen Geld und ziehen die anfallenden Zins-Zahlungen dann in der Bundesrepublik von ihren Gewinnen ab. Unterschiedlichen Schätzungen zufolgen entgehen dem Fiskus durch solche „Verschiebe-Bahnhöfe“ Beträge zwischen 60 und 190 Milliarden Euro. Die EU will den Unternehmen solche Kostensenkungsstrategien jetzt erschweren. Deshalb plant sie, BAYER & Co. zu einer Offenlegung ihrer Steuerzahlungen zwingen. Die Bundesregierung aber vertritt die Interessen der Multis und blockiert den Vorstoß.

Weniger Strom-Subventionen?
Mit der Ökosteuer wollte Rot-Grün 1999 Industrie und Privathaushalte durch eine Erhöhung der Energiekosten zu umweltschonenderem Verhalten anregen. Bei BAYER & Co. bleibt diese Lenkungswirkung allerdings aus, denn die Regierung Schröder gewährte den energie-intensiven Branchen wie der Chemie-, Bergbau-, Stahl- und Eisen-Industrie großzügige Ausnahmen, welche die gemeinen Strom-KundInnen per Umlage finanzieren. 2011 waren diese „milden Gaben“ 4,3 Milliarden Euro wert. Allein der „Spitzenausgleich“ erspart den Konzernen jährlich 2,3 Milliarden Euro – die dritthöchste in der Bundesrepublik gewährte Subvention. Die Chemie-Industrie ist da mit einer Milliarde Euro dabei. Jetzt will die Bundesregierung diese Zuwendungen allerdings um ca. 700 Millionen Euro kürzen. So plant sie, den Kreis der für den Strom-Ablass in Frage kommenden Unternehmen zu beschränken, die Firmen an den Netzkosten zu beteiligen und auch die Energie-Erzeugung durch eigene Kraftwerke abgabepflichtig zu machen. Aber Betriebe, die sich der Weltmarkt-Konkurrenz stellen müssen wie der Leverkusener Pharma-Riese, beabsichtigt die CDU/FDP-Koalition zu schonen. Trotzdem protestieren die Multis vehement gegen das Vorhaben, wobei die Gewerkschaft IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE sie unterstützt. Und am Stammsitz BAYERs in Nordrhein-Westfalen setzen sich die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (s. u.) für die Stromfresser ein. „Wer jetzt fordert, die energie-intensive Industrie stärker zu belasten, ist auf dem Holzweg“, so Duin.

Duin hält Rede beim VCI
Im Oktober 2012 stellte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) in Essen seine emphatisch „Studie“ benannte 20-Seiten-Schrift „Die deutsche Chemische Industrie 2030“ vor. Sie skizziert dabei unter den Überschriften „innovationsfreundliches Umfeld“ und „zerrissene Wertschöpfungsketten“ zwei unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten. Die Letztere entwirft dabei eine düstere Version von einer dank der bösen Energiewende darniederliegenden Chemie-Branche und verfolgt ganz gegenwärtige Zwecke: Es soll PolitikerInnen zu einer noch industrie-freundlicheren Haltung verleiten. Bei dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) bleiben da freilich kaum noch Wünsche offen: Er steuerte zu dem durchsichtigen Manöver des VCI die Festrede bei.

Duin bei „Zukunft durch Industrie“
Die Lobby-Vereinigung „Zukunft durch Industrie“, die BAYER zu ihren Mitgliedern zählt, will nach eigenem Bekunden „das Industrie-Verständnis in der Bevölkerung erhöhen“. Dem nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) scheint das ebenfalls ein wichtiges Anliegen zu sein. Er übernahm nämlich nicht nur die Schirmherrschaft des Zukunftsworkshops „Die Energiewende, ihre Folge-Wirkungen und Gestaltungsnotwendigkeiten“, sondern hielt – im freundlicherweise von der Düsseldorfer Bezirksregierung zur Verfügung gestellten – Plenarsaal auch die Eröffnungsrede.

Enquete-Kommission „Chemie“
Die nordrhein-westfälischen Grünen haben die Einrichtung einer Enquete-Kommission beantragt, die sich der „Zukunft der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf nachhaltige Rohstoff-Basen, Produkte und Produktionsverfahren“ widmen soll. Konkret stehen etwa Alternativen zum Öl, neue Speicher-Technologien und Werkstoffe sowie Verfahren zur Nachahmung umweltschonender natürlicher Prozesse auf der Agenda. Zugleich bekennt sich die Partei aber eindeutig zum Chemie-Standort NRW: „25 Prozent aller Arbeitsplätze in der chemischen Industrie in Deutschland befinden sich in NRW. Der Erhalt und die Zukunftsfestigkeit unserer industriellen Kerne, die uns besser als viele andere durch diese Krise gebracht haben, erhält damit eine herausragende Bedeutung für Nordrhein-Westfalen“. Sylvia Löhrmann & Co. wollen offensichtlich Ökonomie und Ökologie miteinander versöhnen. Ob das aber gelingen kann, daran bestehen ernste Zweifel.

Lütkes bei BAYER
Anfang Dezember 2012 weihte BAYER in Wuppertal das Technikum „Zellbiologie“ ein, in dem der Pharma-Multi biologische Wirkstoffe für klinische Tests herstellen will. Als Ehrengast konnte der Leverkusener Multi neben dem Wuppertaler Bürgermeister Peter Jung (CDU) auch die Präsidentin der Bezirksregierung Düsseldorf, Anne Lütkes (Grüne), begrüßen. Und vielleicht blieb ja für BAYER-Chef Marijn Dekkers ein wenig Zeit, um die Politikerin in Sachen „Kohlenmonoxid-Pipeline“ ins Gebet zu nehmen, denn es ist an der Behörde, das Röhren-Werk zu genehmigen.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER kauft Störfall-Bilder
Bilder von Chemie-GAUs machen sich gar nicht gut in der Presse. Darum hat der Leverkusener Multi die Rechte an den Fotos von der Explosion am US-amerikanischen Standort Institute, in deren Folge im August 2008 zwei Beschäftigte starben, aufgekauft, um sie aus dem Verkehr zu ziehen.

Neues Nachbarschaftsbüro
Um BAYERs Image steht es nicht zum Besten. Der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline schlägt viel Gegenwind entgegen und auch gegen neue Anlagen gibt es regelmäßig Einsprüche. Dagegen will der Konzern jetzt etwas tun und investiert in Öffentlichkeitsarbeit. So richtet er in Krefeld ein Nachbarschaftsbüro ein und bestallt Mario Bernards zum Leiter für „Politik- und Bürger-Dialog“.

BAYERs Pharma-Strategie in China
Eine neue Studie der BOSTON CONSULTING GROUP sieht das meiste Entwicklungspotential auf dem chinesischen Pharma-Markt in den ländlichen Regionen mit seinen Krankenhäusern und Gesundheitszentren. BAYER hat sich schon seit längerer Zeit darauf eingestellt. So unterhält der Pharma-Riese in den Hospitälern und Beratungseinrichtungen eigene „Health Houses“, die kostenlose MedizinerInnen-Besuche und Informationen zu Krankheiten wie Diabetes anbieten, um die Medikamente des Leverkusener Multis unters Volk bringen zu können. Über 400 solcher Häuser betreibt der Konzern mittlerweile. Zudem bietet er im Rahmen seines „Go West“-Programms abseits der Mega-Cities Fortbildungskurse für ÄrztInnen an (Ticker 1/13).

UmweltbotschafterInnen bei BAYER
Im Rahmen der Kooperation mit dem Umweltprogramm der UN, die ein zentrales Element innerhalb der Greenwashing-Aktivitäten BAYERs darstellt, lud der Multi 50 junge UmweltbotschafterInnen aus 19 Schwellen- und Entwicklungsländern zu Workshops, Diskussionen und Exkursionen nach Leverkusen ein. Anschließend sollen die EmissärInnen dann daheim von den vorbildlichen Umweltschutz-Praktiken des Pharma-Multis künden. Das dürfte ihnen jedoch schwer fallen – nicht nur im Hinblick auf den Ausstoß von klima-schädigendem Kohlendioxid, der sich dem neuesten Nachhaltigkeitsbericht zufolge auf 8,15 Millionen Tonnen im Jahr beläuft.

BAYERs Rotationskampagne
Immer mehr Unkräuter bilden Resistenzen gegen das Pestizid ROUND UP mit dem Wirkstoff Glyphosat aus, das der Hersteller MONSANTO bevorzugt in Kombination mit seinen gegen diese Substanz immunen Genpflanzen verkauft (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Schon seit geraumer Zeit versucht BAYER davon zu profitieren. So rief der Leverkusener Multi die Kampagne „Respect the Rotation“ ins Leben, die Lokaltermine auf von Wildpflanzen heimgesuchten ROUND-UP-Feldern ansetzt und eingekaufte AgrarwissenschaftlerInnen auftreten lässt. Diese raten den FarmerInnen dort dann zu mehr Flexiblität bei der Verwendung der Laborfrüchte und der dazugehörigen Agrochemikalien im Allgemeinen und zur LIBERTY-LINK-Serie des Leverkusener Multis im Besonderen.

Kooperation mit Web-Apotheke
Das dürfte den stationären Pharma-Handel aber gar nicht erfreuen: Der Leverkusener Multi arbeitet mit dem Internet-Unternehmen EASYAPOTHEKE zusammen, das in größeren Städten auch Filialen betreibt. Die beiden Kooperationspartner werben auf Großplakaten gemeinsam für BAYERs Sodbrennen-Arznei RENNIE. Zu den Risiken und Nebenwirkungen dieses Präparates gehören die Schädigung des Knochenbaus und die Förderung von Lungenentzündungen, weshalb WissenschaftlerInnen die viel zu häufige Verwendung von RENNIE und anderen Mitteln dieser Medikamenten-Gruppe kritisieren.

Medien-Preis für BAYER
„Ausgerechnet der BAYER-Konzern hat nach eigenen Angaben eine Auszeichnung für ein positives Medien-Image bekommen“, wunderte sich die Neue Ruhr Zeitung angesichts der vielen Negativ-Schlagzeilen zu der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline. Aber diese Berichte gehörten offenbar nicht zu den 19.230 Beiträgen über DAX-Unternehmen, welche die MEDIA TENOR INTERNATIONAL AG auswertete und zur Verleihung des Preises an den Leverkusener Multi bewogen. Der Geschäftsbericht und Artikel über die angebliche Innovationskraft des Konzerns gaben stattdessen den Ausschlag für die Entscheidung.

BAYER investiert in Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden nicht von ungefähr die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt. „Ich muss gestehen, wir fördern die Schulen nicht ganz uneigennützig. Wir sehen das als langfristige Investition“, so Stiftungsvorstand Thimo V. Schmitt-Lord. Ca. 500.000 Euro verteilt der Konzern Jahr für Jahr an Schulen in der Nähe seiner Standorte. So erhielt die Dormagener Realschule Hackenbroich unter anderem 5.000 Euro für das Projekt „Genetik schüler-orientiert“, das Gymnasium Brunsbüttel bekam gar 19.500 Euro zur Ausstattung eines Gen-Labors, die Monheimer Lise-Meitner-Realschule konnte 4.000 Euro für die Unterrichtseinheit „Nanotechnologie in Theorie und Praxis“ entgegennehmen und derselbe Betrag für dasselbe Thema floss dem Michael-Ende-Gymnasium in St. Tönis zu. Darüber hinaus vergibt der Pharma-Riese gemeinsam mit der Westdeutschen Zeitung auch noch den „Wuppertaler Schulpreis“ und mit dem Solinger Tageblatt den „Solinger Schulpreis“.

Erstes Baylab in Mexiko
An seinen bundesdeutschen Standorten unterhält der Leverkusener Multi bereits vier SchülerInnen-Labore. Im letzten Jahr hat der Konzern nun sein erstes Baylab außerhalb Deutschlands eingerichtet. Es steht im Kindermuseum von Mexiko-Stadt. Was der Global Player dort mit den Kleinen vorhat, spricht er ganz offen aus: „Das Baylab ermöglicht ihnen, die Faszination für Wissenschaft spielerisch zu erfahren und hautnah zu erleben, was unsere Mission ‚BAYER: Science For A Better Life’ bedeutet“. Wegen solcher Lehrpläne urteilte die Wirtschaftswoche einmal über die pädagogischen Bemühungen des Unternehmens: „Hier grenzt sinnvolle Lernhilfe an Lobbyismus.“

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2012 unterstützte die Stiftung unter anderem die Dormagener „Elterninitiative diabetischer Kinder“, ein Musical der „Initiative Down-Syndrom“, einen Fahrrad-Reparaturkurs in Leverkusen, eine Freilichtbühne in Werne, die Gründung der Pfadfinder-Gruppe „Novaesium“ und den Ausbau einer Schule in Guatemala.

BAYERs Gemüse-Forum
Der Leverkusener Multi baut sein Geschäft mit Gemüse-Saaten immer weiter aus und versucht, in der Nahrungsmittel-Wertschöpfungskette eine Schlüsselposition einzunehmen. Zu diesem Zweck organisiert er „Food Chain Partnerships“ zwischen LandwirtInnen, Verarbeitern, Im- und Export-Unternehmen sowie dem Handel. Im Dezember 2012 lud der Konzern all diese Akteure nach Monheim zum „Vegetable Future Forum“ ein und konnte als Gäste unter anderem VertreterInnen von NESTLE, METRO, SAP und RABOBANK begrüßen.

TIERE & ARZNEIEN

Noch mehr BAYTRIL
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Der massenhafte Einsatz dieser Mittel in der Massenzucht fördert die Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen die Antibiotika dann nicht mehr wirken. Bei BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß, denn CIPROBAY, sein Pendant für die Humanmedizin, entstammt ebenfalls aus der Gruppe der Fluorchinolone und hat sogar den Status eines Reserve-Präparats für besonders schwierig mit Antibiotika zu behandelnde Infektionen inne. Einen Umsatz von 166 Millionen Euro machte der Leverkusener Multi mit dem Präparat im vorvergangenen Jahr, 118 Millionen Euro davon mit MassentierhalterInnen. Heuer dürften es noch mehr werden, denn der Leverkusener Multi wirft immer mehr BAYTRIL-Variationen auf den Markt. Nachdem er 2012 in Europa die Zulassung für BAYTRIL MAX FOR PIGS erhalten hat, genehmigten die US-Behörden jetzt BAYTRIL 100 zur Behandlung von Atemwegserkrankungen bei Rindern und Kühen.

BAYTRIL-Resistenzen nehmen zu
In der Tiermast nehmen Resistenz-Bildungen gegen Antibiotika auf Fluorchinolone-Basis wie BAYERs BAYTRIL zu. „Diese sind bei Masthähnchen und Puten weit verbreitet, bei Rindern und Schweinen sind die Resistenz-Raten deutlich geringer“, antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen. Damit steigt auch die Gefahr der Übertragung von unbehandelbaren Krankheitskeimen auf den Menschen. Und im Fall von BAYTRIL ist dieses Risiko besonders hoch. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinole an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Konkrete Maßnahmen zur Einschränkung des Gebrauchs von Mitteln wie BAYTRIL in den Ställen wollen CDU und FDP trotzdem nicht vornehmen.

DRUGS & PILLS

58 XARELTO-Tote
Anfang des Jahres richtete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Anfrage an das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM), um etwas über die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zu erfahren (siehe auch SWB 2/13). Die Antwort war schockierend: 58 Meldungen über Todesfälle und 750 über schwere Nebenwirkungen wie Blutungen hatte das BfArM allein 2012 erhalten. Das Institut betont jedoch, dass „ein Kausalzusammenhang im Einzelfall nicht sicher belegt ist“ und bewertet das Risiko/Nutzen-Potenzial des Mittels weiterhin als „positiv“. Das Fachmagazin arznei-telegramm und die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ raten indes von dem Präparat ab.

FDA will weitere XARELTO-Daten
In den USA verzögert sich die Zulassung von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zur Nachbehandlung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie weiter (siehe auch SWB 2/13). Bereits im Februar 2012 hatte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in einem „Complete Response Letter“ Aufklärung über Todesfälle verlangt, die in den eingereichten Studien nicht dokumentiert sind, statt die Arznei zuzulassen. Anfang März 2013 stellte sie dem Konzern nun einen weiteren Brief mit der Aufforderung zu, fehlende Daten zum Sicherheitsprofil nachzureichen.

Neuer XARELTO-Test
BAYER lässt nicht locker. Obwohl der Gerinnungshemmer XARELTO viele Risiken und Nebenwirkungen hat (s. o.), testet das Unternehmen das Präparat für immer mehr Anwendungsgebiete. So begannen im März 2013 Phase-III-Studien mit XARELTO als Mittel zur Behandlung von Herzinsuffizienz bei gleichzeitig bestehender koronaler Herzkrankheit.

ONE-A-DAY-Pille schützt Herz nicht
Der Leverkusener Multi schreibt seinen Vitamin-Präparaten aus der ONE-A-DAY-Serie neben anderen medizinischen Wohltaten auch eine herz-stärkende Wirkung zu. Eine Studie der „Harvard Medical School“ mit den Vitaminen C und B sowie Beta-Carotin und einer Multivitamin-Kombination, an der 15.000 Männer teilnahmen, hat diese Aussage nun aber widerlegt. In der Vitamin-Gruppe traten der „Physicians Health Study II“ zufolge über einen Zeitraum von elf Jahren nicht weniger Herzinfarkte auf als in der Placebo-Gruppe. Zuvor hatten bereits andere Untersuchungen die Heil-Wirkungen der Produkte widerlegt. So wiesen finnische WissenschaftlerInnen sogar lungenkrebs-fördernde Effekte von Beta-Carotin nach, während ihre US-Kollegen bei ProbandInnen, die Beta-Carotin in Kombination mit Vitamin A eingenommen hatten, neben erhöhten Raten von Lungenkrebs auch solche von Herz/Kreislauf-Erkrankungen feststellten. Und nach einer 2011 im Journal of the American Medical Association veröffentlichten Expertise steigert Vitamin E das Risiko, Prostata-Krebs zu bekommen.

Netzhaut-Ablösungen durch CIPROBAY
Die Einnahme des BAYER-Präparats CIPROBAY und anderer Antibiotika auf Fluorchinolone-Basis kann zu Netzhaut-Ablösungen führen. Zu diesem Ergebnis kam eine ForscherInnen-Gruppe unter Leitung des Pharmazeuten Dr. Mahyar Etminan. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA sieht trotzdem keinen Anlass, die Fach-Informationen für MedizinerInnen zu aktualisieren. Sie will die Mittel zunächst nur unter verstärkte Beobachtung stellen und erst handeln, wenn weitere Untersuchungen den Befund bestätigen sollten.

Zuviel ANTRA im Einsatz
Krankenhaus-PatientInnen, die an Nieren-Erkrankungen, Gerinnungsstörungen oder an einer Blutvergiftung leiden, erhalten zum Schutz vor Blutungen der Magenschleimhaut oft Protonenpumpen-Inhibitoren wie BAYERs ANTRA mit dem Wirkstoff Omeprazol. Nach einer Untersuchung der Harvard University erfolgen die präventiven Gaben allerdings zu häufig. Nur bei 13 Prozent der Kranken mit einem erhöhten Blutungsrisiko mache die Einnahme Sinn, so die Wissenschaftler. Die Mittel haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen. Sie unterbinden die Magensäure-Produktion fast komplett, was nicht nur Bakterien ein gedeihlicheres Klima beschert und so den Ausbruch von Infektionen fördert, sondern auch die Kalzium-Gewinnung aus der Nahrung stört und auf diese Weise die Gefahr von Knochenbrüchen erhöht. Wegen solcher Gegenanzeigen warnen bundesrepublikanische MedizinerInnen bereits seit langem vor einem zu sorglosen Umgang mit den Präparaten, die hauptsächlich bei der Behandlung von Sodbrennen zum Einsatz kommen. Allerdings fruchteten ihre Warnungen nicht – seit einiger Zeit sind diese Medikamente nicht einmal mehr verschreibungspflichtig. Und nicht zuletzt deshalb verfünffachte sich der Verbrauch in den letzten zehn Jahren.

Neue Hormon-Spirale
BAYER bringt eine neue Hormon-Spirale mit dem Produkt-Namen JAYDESS bzw. SKYLA auf den Markt, die mit Levonorgestrel denselben Wirkstoff wie MIRENA hat, aber nicht mehr so einen großen Umfang hat. Als häufige oder sehr häufige Nebenwirkungen des Mittels zählt der Leverkusener Multi unter anderem Übelkeit, Unterleibs- und Kopfschmerzen, Schwindel, Durchfall und Menstruationsstörungen auf. Damit befindet JAYDESS sich ebenfalls in guter Gesellschaft mit MIRENA, unter deren Risiken und Nebenwirkungen mehr als jede zehnte Anwenderin leidet. 45.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte hat allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA schon erhalten. Erste Schadensersatz-Klagen beschäftigen bereits die Gerichte (siehe RECHT & UNBILLIG).

Frankreich verbietet DIANE
In Frankreich durften Frauen BAYERs Hormon-Präparat DIANE anders als hierzulande auch zur Schwangerschaftsverhütung einsetzen. Nach dem Bekanntwerden von vier Sterbefällen verbot die Aufsichtsbehörde ANSM das Mittel jedoch (siehe auch SWB 2/13). Auch die Niederlande sahen Handlungsbedarf. Mit Verweis auf zehn Tote hat das „Dutch Medicines Evaluation Board“ ÄrztInnen geraten, die Pille neuen PatientInnen nicht mehr zu verschreiben. Darüber hinaus wird die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA sich mit dem Fall „DIANE“ beschäftigen.

Schlechte Noten für ASPIRIN COFFEIN
Die Stiftung Warentest hat Mittel gegen Regelschmerzen getestet und BAYERs ASPIRIN COFFEIN dabei mit „ungenügend“ bewertet. Grund für die schlechte Note war der Koffein-Zusatz. Dieser könne dazu führen, dass die Patientinnen die Arznei länger als nötig einnehmen, befanden die TesterInnen und gaben eine „6“.

Neues Lungenhochdruck-Mittel
BAYER hat einen Zulassungsantrag für eine Arznei zur Behandlung von Lungenhochdruck gestellt. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge ein Enzym stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Der Leverkusener Multi erwartet von dem Mittel einen Umsatz von 500 Millionen Euro im Jahr.

ALPHARADIN-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelte ALPHARADIN. Es ist zum Einsatz bei der Prostatakrebs-Art CRPC bestimmt, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Dann soll eine radioaktive Bestrahlung mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid das Wachstum der Tumor-Zellen hemmen. Bei den Klinischen Tests verhalf es Männern jedoch nur zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Trotzdem hat BAYER für das Medikament nun die Zulassung beantragt.

DHG hilft bei ProbandInnen-Suche
Bluter-Verbände beschenkt BAYER reichlich, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. So spendete der Leverkusener Multi im vorletzten Jahr der „Deutschen Hämophilie-Gesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten“ (DHG) 20.000 Euro. Zudem nutzt der Konzern die DHG, um ProbandInnen für Arznei-Tests zu rekrutieren. „Liebes DHL-Mitglied, viele Hämophile leiden immer wieder unter Schmerzen (...) Daher ist die Verbesserung der Schmerz-Therapie für Hämophile ein wichtiges Anliegen“ – mit diesem Schreiben forderte die Gesellschaft ihre Mitglieder auf, an einem Medikamenten-Versuch teilzunehmen. Sie hielt es dabei noch nicht einmal für nötig, BAYERs Namen zu nennen.

Mehr Transparenz in den USA
In den USA müssen BAYER & Co. bald alle Zuwendungen an MedizinerInnen oder Kliniken der Behörde „Centers for Medicare and Medicaid“ melden, welche die Angaben dann im Internet veröffentlicht. Unter den „Physician Payment Sunshine Act“ fallen unter anderem Beratungshonorare, Bewirtungen, Geschenke, Spenden, Forschungsaufträge, Reise-Finanzierungen und das Sponsoring von Forschungsaktivitäten. Bei Verstößen gegen die Auflagen sieht das Gesetz Strafen von bis zu einer Million Dollar vor. Um sich hierzulande das Schicksal einer solchen Verordnung zu ersparen, gehen die Pharma-Riesen in die Offensive und kündigen eine freiwillige Selbstverpflichtung zu mehr Transparenz im Gesundheitswesen an.

326 Pharma-Kooperationen
„Heutzutage kann kein Unternehmen den Anspruch mehr haben, alles alleine erreichen zu können“, sagte BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke im November 2012 auf dem Presseforum „BAYER Innovations-Perspektive 2012“ zur Begründung dafür, immer mehr Forschungsaktivitäten ganz oder teilweise auszugliedern. Nach Plischkes Angaben hat allein die Pharma-Abteilung des Leverkusener Multis momentan schon 326 Kooperationsvereinbarungen mit Universitäten, Instituten oder anderen Firmen abgeschlossen.

BAYER & Co. sabotierten AMNOG
Nach dem Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz müssen die Pharma-Firmen mit ihren neuen Arzneien ein Verfahren durchlaufen, das Kosten und Nutzen der Präparate bewertet, und sich anschließend – wenn das Präparat nicht durchfällt – mit den Krankenkassen auf einen Erstattungsbetrag einigen. Diesen wollen BAYER & Co. jetzt aber im Falle eines Falles nicht angeben. Sie haben stattdessen vor, der „Informationsstelle für Arznei-Spezialitäten“ (IFA) ihre Wunsch-Kalkulation zu melden und die Differenz zur verhandelten Summe als Rabatt zu deklarieren. Damit bliebe dann die erstgenannte Zahl auf der IFA-Liste die Referenz-Größe, an der sich andere Länder bei der Festlegung ihrer Pillen-Preise orientieren. Die GesundheitspolitikerInnen reagierten erbost auf das Vorhaben. So kritisierte Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU: „Ich kann der Pharma-Industrie nur empfehlen, nicht – wie anscheinend geplant – aktiv gegen die Rechtsauffassung des Gesundheitsministers zu agieren. Das wäre ein Affront, der nicht ohne Folgen bleiben kann.“

Mehr Pillen in Russland
Der Leverkusener Multi will sein Pharma-Geschäft in Russland ausbauen und hat zu diesem Zweck einen Kooperationsvertrag mit dem einheimischen MEDSINTEZ-Konzern geschlossen. Die beiden Unternehmen beabsichtigen, auf dem Gebiet der diagnostischen Bildgebung sowie der Infektionen und der neurologischen Krankheiten zusammenzuarbeiten. Auch eine gemeinsame Vermarktung von Produkten streben die Multis an. „Die lokale Produktion unserer Präparate wird unsere Geschäftsentwicklung in diesem Wachstumsmarkt vorantreiben“, erklärte Pharma-Manager Andreas Fibig zu dem Deal.

Neue Krebs-Therapie?
Der Leverkusener Multi will wieder mal auf dem besten Wege sein, eine Krebs-Therapie auf Knopfdruck zu entwickeln. BAYERs Kooperationspartner vom „Deutschen Krebsforschungszentrum“ und vom Universitätsklinikum haben nämlich ein Enzym entdeckt, das eine große Rolle bei der Entstehung von Tumoren spielt. Und jetzt gilt es nur noch, einen Wirkstoff zu finden, der das Eiweiß HDAC11 blockiert, und schon ist der Krebs besiegt, frohlockt der Pharma-Multi. In der Praxis jedoch helfen die Mittel, die der Konzern bisher auf dieser Basis produziert hat, recht wenig. So verlängert BAYERs NEXAVAR das Leben der PatientInnen gerade einmal um zwei bis drei Monate und mutet ihnen dabei zudem noch starke Nebenwirkungen zu.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

EFSA: GAUCHO bienengefährlich
Zahlreiche Studien belegen die Bienengefährlichkeit von Pestizid-Wirkstoffen auf Neonicotinoide-Basis wie Imidacloprid (enthalten in BAYERs GAUCHO) und Clothianidin (PONCHO). Nun hat sich auch die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) der Sache angenommen. Sie untersuchte Imidacloprid und Clothianidin gemeinsam mit der SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam und bestätigte die bisherigen Resultate. „Die EFSA-Wissenschaftler haben etliche Risiken für Bienen durch drei Neonicotinoid-Insektizide ermittelt“, hieß es in einer Presse-Mitteilung. Die Europäische Kommission kündigte daraufhin an, über ein zunächst zweijähriges Verbot zu beraten. Der Leverkusener Multi aber zeigt sich immer noch beratungsresistent. Eine „allzu konservative Auslegung des Vorsorge-Prinzips“ warf er Brüssel vor. Dem Spiegel erklärte der Konzern derweil, das Bienensterben sei durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt und hielt fest, ein Bann der Mittel müsse „auf eindeutigen wissenschaftlichen Nachweisen“ basieren. Und nach Meinung von BAYERs europäischem Interessensverband ECPA hat die EFSA eben diese Nachweise nicht erbringen können, da sie nicht alle vorliegenden Studien mit in ihr Urteil einbezogen habe. Ob es aber tatsächlich zu einem Moratorium kommt, bleibt zweifelhaft, denn „Die Vertreter der EU-Staaten reagierten nach Angaben eines EU-Diplomaten verhalten auf die Vorschläge der Kommission“ wie dpa berichtete.

Hormonell wirksame Pestizide
Viele Pestizide wirken wie Hormone. Deshalb können sie den menschlichen Organismus aus dem Gleichgewicht bringen und zu Krebs, Stoffwechsel-Störungen, Unfruchtbarkeit und neurologischen Erkrankungen führen. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) hat jetzt eine Broschüre zu dem Thema veröffentlicht und in ihr auch die am häufigsten in Salat, Gurken und Tomaten nachgewiesenen Ackergifte mit solchen Nebenwirkungen aufgeführt. Unter ihnen befanden sich auch zahlreiche Substanzen aus dem Sortiment des Leverkusener Multis wie Propamocarb (enthalten in der Agro-Chemikalie VOLARE), Deltamethrin (K-OBIOL und PROTEUS), Bifenthrin (ALLECTUS), Cyproconazol (ALLO) und Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI).

Pestizide in Trauben
Das Chemische und Veterinär-Untersuchungsamt Stuttgart hat Tafeltrauben nach Pestizid-Rückständen untersucht. In 92 Prozent der einheimischen Früchte hat es Rückstände gleich von mehreren Agro-Chemikalien gefunden. Darunter waren auch viele Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten ihr Unwesen treiben. Mit Spiroxamin (enthalten in INPUT) spürten die WissenschaftlerInnen überdies eine Substanz auf, die hierzulande gar keine Zulassungen für Tafeltrauben-Kulturen hat. Und bei Proben aus der Türkei überschritten Carbendazim (enthalten in DEROSAL) und Chlorthalonil (enthalten in BAYERs PRONTO PLUS BRAVO-PACK) sogar die zulässigen Grenzwerte.

EU überprüft Chlorpyrifos
Der Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos, enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER, gehört zur Gruppe der Organophosphate und ist deshalb besonders gefährlich. So kann er neueren Untersuchungen zufolge die Entwicklung von Embryos im Mutterleib stören und bei den Kindern später Gehirnschäden verursachen. Die EU-Kommission hat sich jetzt entschlossen, die Substanz einem Prüfverfahren zu unterziehen, obwohl diese noch eine Zulassung besitzt, was ein absolutes Novum darstellt.

Immer mehr Herbizid-Resistenzen
Immer mehr Unkräuter widerstehen den Herbiziden der Agro-Riesen, weshalb die FarmerInnen immer höhere Dosen Agro-Chemie ausbringen müssen. Warum das so ist, darüber sprach BAYERs oberster Herbizid-Forscher Dr. Hermann Stübler Ende November 2012 auf einem Symposion des Leverkusener Multis ganz offen. Die Industrie habe seit über 25 Jahren kein neues Anti-Unkrautmittel mehr entwickelt, unter anderem weil sich auf dem Markt oligopolistische Strukturen verfestigt hätten und es deshalb immer weniger Forschung auf diesem Gebiet gebe. In die Bresche springen sollen nach Ansicht der Symposionsteilnehmer jetzt staatliche Wissenschaftseinrichtungen. So schlug der Leiter des Max-Planck-Institutes für molekulare Physiologie, Dr. Lothar Willmitzer, vor, seine Einrichtung könnte in Zukunft gemeinsam mit BAYER & Co. nach neuen Wirksubstanzen fahnden.

Neue Herbizid-Kooperation
Da die handelsüblichen Herbizide immer mehr Resistenzen ausbilden (s. o.), vereinbarte BAYER eine Forschungskooperation mit MENDEL BIOTECHNOLOGY, um neue Wirkstoffe auf der Basis von pflanzen-eigenen Genregulations-Mechanismen zu entwickeln.

LIBERTY-Verkauf boomt
2012 hat das warme Wetter in den USA zu früheren Spritzrunden mit dem MONSANTO-Herbizid ROUND-UP
geführt und noch mehr Wildpflanzen gegen die Substanz immun gemacht (s. o.). Darum landete eine erhöhte Dosis Agro-Chemie auf den Feldern. Die FarmerInnen griffen nämlich vermehrt zu BAYERs Anti-Unkrautmittel LIBERTY, dessen Wirkstoff Glufosinat die EU wegen seiner Gefährlichkeit bereits verboten hat, und bescherten dem Leverkusener Multi so blendende Absatz-Zahlen.

Mehr Glufosinat aus Knapsack
Immer mehr Unkräuter bilden Resistenzen gegen das MONSANTO-Herbizid ROUND-UP aus (s. o.). Das steigert die Markt-Chancen von BAYERs LIBERTY, das der Konzern bevorzugt in Kombination mit gentechnisch gegen das Mittel immun gemachten Pflanzen verkauft. Darum will der Leverkusener Multi in Knapsack bei Köln nun die Produktion des Wirkstoffes Glufosinat steigern, obwohl dieser wegen seiner Gefährlichkeit EU-weit seine Zulassung verloren hat. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte gegen die Entscheidung. „Es ist unverantwortlich, im Ausland eine Anbautechnik zu forcieren, die mit der Verwendung eines hochgiftigen und bei uns verbotenen Pestizids verknüpft ist. Das Schicksal der Landarbeiterinnen und Landarbeiter in Lateinamerika oder Asien ist dem Konzern augenscheinlich gleichgültig!“, heißt es in der Presseerklärung der Coordination.

Brasilien verbietet Aldicarb
Das BAYER-Pestizid Aldicarb, vermarktet unter dem Namen TEMIK, gehört als Organophosphat zur Gefahrenklasse 1a - und damit zur höchsten. Die EU hat das Ackergift deshalb schon im Jahr 2007 aus dem Verkehr gezogen, wogegen der Leverkusener Multi sich mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Im Herbst 2012 verhängte nun auch Brasilien ein Verbot. In den USA sind die Tage der Agro-Chemikalie ebenfalls gezählt. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA gewährt dem Mittel jedoch noch eine Gnadenfrist bis Ende 2014.

PFLANZEN & SAATEN

Nr. 6 im Saatgut-Geschäft
Seit einiger Zeit baut BAYER das Geschäft mit Saatgut aus. 820 Millionen Euro setzte der Leverkusener Multi 2011 in diesem Segment um. Damit nahm er unter den globalen Top-Produzenten die Position sechs ein.

GENE & KLONE

Neue EYLEA-Indikationen gesucht
Gerade erst hat der Leverkusener Multi die Zulassung für sein gemeinsam mit der Firma REGENERON entwickeltes Gentech-Augenpräparat EYLEA zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erhalten, da schaut er sich schon nach neuen Anwendungsgebieten um. Der Pharma-Riese stellte einen Antrag auf Genehmigung des Präparates zur Therapie von solchen Flüssigkeitsansammlungen in der Makula-Region des Auges, die nach einem Zentralvenen-Verschluss an der Netzhaut auftreten.

BAYER & Co. behindern Forschung
Die Patente, welche die Agro-Multis auf ihre Genpflanzen halten, gewähren ihnen weitgehende Rechte. So hat BAYER etwa durch das geistige Eigentum an der Sojabohne A5547-127 das Monopol auf die Untersuchungen von unvorhergesehenen Auskreuzungen dieser Labor-Frucht. Unabhängige WissenschaftlerInnen bleibt dagegen der Zugang zu dem Soja, Mais und Raps der Gen-Giganten versperrt. „Legal kann zu vielen kritischen Fragen keine wirklich unabhängige Forschung durchgeführt werden“, klagten deshalb ExpertInnen 2009 bei einer Anhörung der US-Regierung. Auf EU-Ebene stellt sich das nicht anders dar. Im vorletzten Jahr sah sich der damalige Verbraucherschutz-Kommissar John Dalli aus diesem Grund gezwungen, die Konzerne zu bitten, ForscherInnen ihre gen-manipulierten Arten zur Verfügung zu stellen, damit jene die Möglichkeit haben, selber Tests mit ihnen durchzuführen. Auf ein solches Goodwill ist die Europäische Union angewiesen, denn ein juristischer Anspruch auf eine Bereitstellung von A5547-127 und anderen Gen-Konstrukten besteht nicht.

WASSER, BODEN & LUFT

Gadolinium verunreinigt Gewässer
Nach einer Studie der Bremer „Jacobs University“ verunreinigt Gadolinium den Rhein. Der Wissenschaftler Prof. Dr. Michael Bau ermittelte von dem in BAYERs Röntgen-Kontrastmitteln GADOVIST und MAGNEVIST enthaltenen Stoff Konzentrationen, die mehr als das Zehnfache über den natürlichen lagen. „Erhöhte Gehalte an Gadolinium sind mittlerweile überall in der entwickelten Welt in Flüssen und vereinzelt auch im Trinkwasser zu finden“, hält Bau fest und forderte die Einführung eines Monitoring-Systems für diese zu den Seltenen Erden gehörende Substanz. Und dieses wäre umso nötiger, als der Stoff mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen behaftet ist (Ticker 3/11). So kann Gadolinium bei Nierenkranken ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge auslösen. Mit 230 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen sah sich der Pharma-Riese deshalb bereits konfrontiert; aktuell laufen noch 40 Prozesse (Stand: 12.2.13). Auch die Aufsichtsbehörden haben das Gefährdungspotenzial bereits erkannt. So hat die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA jüngst strengere Auflagen für den Gebrauch von GADOVIST & Co. erlassen.

Diuron verunreinigt Gewässer
Der Pestizid-Wirkstoff Diuron, den BAYER seit einiger Zeit in Deutschland nicht mehr vertreibt, verunreinigt in Tateinheit mit anderen Substanzen immer noch die Ruhr. „Die Belastung der Ruhr mit Mikro-Schadstoffen ist ein ernstes Thema“, sagt deshalb der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von den Grünen und kündigt politische Schritte an. An knapp zwei Prozent der Meßstellen überschritt Diuron die Grenzwerte.

Neue EU-Emissionsrichtlinie
Die neue Richtlinie der EU zu Industrie-Emissionen bleibt in ihren Vorschriften teilweise weit hinter den Standards auf anderen Kontinenten zurück. Während BAYER & Co. etwa in den USA nur drei Mikrogramm Quecksilber pro Kubikmeter Abluft ausstoßen dürfen, legt die Europäische Union einen Grenzwert von zehn Mikrogramm fest. Und bei Stickoxiden, von denen die Schlote der Industrie nun bereits schon seit 12 Jahren kontinuierlich höhere Mengen produzieren – BAYERs Wert für 2011: 3.700 Tonnen – wäre technisch längst weit weniger Belastung möglich, als Brüssel erlaubt. Darum forderten die Grünen und die Linkspartei, bei der Umsetzung der Direktive in nationales Recht schärfere Limits für Quecksilber und Stickoxide festzusetzen. Die SPD trat derweil dafür ein, die Umwelt-Auflagen für Müllmitverbrennungsanlagen, wie sie auch der Leverkusener Multi betreibt (SWB 3/11), denen für herkömmliche Müllverbrennungsanlagen anzugleichen, während sich Fachleute für härtere Auflagen Feinstaub und Ammoniak betreffend starkmachen. Die Regierungskoalition lehnte die Vorstöße jedoch ab.

BAYER-Chemie in Kosmetika
BAYER & Co. drängen mit ihrer Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So finden sich in Zahnpasten, Dusch-Peelings und Kontaktlinsen-Reinigern viele Kunststoff-Produkte. Der Leverkusener Multi produziert beispielsweise Polyurethane zur Verstärkung der Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups. Diese Substanzen können nicht nur Gesundheitsstörungen verursachen, sondern auch die Umwelt schädigen, denn sie passieren die Kläranlagen unbehelligt. CDU und FDP wollen dem vorerst nicht Einhalt gebieten. „Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Bedarf, weitergehende gesetzliche Regelungen zu treffen“, heißt es in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen. Merkel & Co. stellen lediglich vage Maßnahmen im Rahmen der EU-Meeresstrategie-Richtlinie in Aussicht.

Schon wieder eine Altlast
Unter dem Pflaster des ehemaligen BAYER-Autohofs in Leverkusen schlummern vermutlich giftige Abfälle aus der Frühzeit des Konzerns, denn das Kataster-Amt der Stadt weist das Areal als Altlasten-Verdachtsfläche aus. Der Vergessenheit entrissen wurde die chemische Zeitbombe, als die Kommune einen neuen Standort für ihre Feuerwehr suchte. Dafür hatte sie nämlich das Areal des Unternehmens in die engere Wahl genommen und genauere Erkundigungen über das Grundstück eingezogen. Die Feuerwehrleute reagierten alarmiert auf die Informationen und lehnen den Autohof als neue Heimstatt ab. „Wer garantiert, dass wir keine Spätfolgen erleiden, wenn wir auf verseuchtem Boden unseren Dienst verrichten“, fragte einer von ihnen in einem Brief, der dem Leverkusener Anzeiger zuging.

DEROSAL verunreinigt Gewässer
Der BUND, der NABU und andere Initiativen haben Kleingewässer in Brandenburg auf Pestizid-Rückstände untersucht und erhebliche Verunreinigungen festgestellt. Unter den nachgewiesenen Ackergiften befand sich auch Carbendazim, das in dem BAYER-Produkt DEROSAL enthalten ist und wegen seiner hohen Halbwertzeit eine große Umweltgefahr darstellt. „Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass eine unzulässig hohe Schadstoff-Belastung der Gewässer die Regel ist. Die Vorschriften zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sind folglich in hohem Maße unzureichend“, resümierte die Toxikologin Dr. Anita Schwaier vom Verein ZUKUNFT BIOSPHÄRE UND LEBENSRAUM.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

PCB-Grenzwerte waren zu hoch
Der Sonderkommission des Berliner Senats zur Prüfung gefährlicher Arbeitsstoffe zufolge galten in der Bundesrepublik lange Zeit zu lasche Werte für die „Maximale Arbeitsplatz-Konzentration“ (MAK) von Polychlorierten Biphenylen (PCB). Die ExpertInnen schlugen deshalb eine „drastische Absenkung des MAK-Wertes für höherchlorierte (...) Biphenyle von 0,1 auf 0,003 mg/m3“ vor. BAYER zählte lange zu den Hauptherstellern von PCB, die unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fanden. 1983 verbot der Gesetzgeber die Substanz. Aber die gesundheitsschädlichen Wirkungen der Substanz wie etwa Krebs machen sich nicht nur deshalb immer noch bemerkbar, weil sie zu den chemisch äußerst stabilen und sich in der Umwelt entsprechend langsam abbauenden Chlor-Verbindungen gehört und noch in zahlreichen alten Gebäuden steckt. Es kommen auch noch neue Belastungen hinzu, beispielsweise durch die PCB-Verbrennung in den Müll-Öfen des Leverkusener Multis.

Schlechte Noten für Körperlotion
Die „Stiftung Warentest“ hat BAYERs BEPANTHOL-Körperlotion mit „ungenügend“ bewertet, da sie bedenkliche Inhaltsstoffe wie potenziell krebserregende PEG-Derivate, giftige halogen-organische Verbindungen und andere gesundheitsschädliche Stoffe wie Paraffine und Silikone enthält.

NANO & CO.

Nano-Anlage genehmigt
Die Auftragsfertigung der Kohlenstoff-Nanoröhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES führt für den Leverkusener Multi seine ehemalige Tochterfirma H. C. STARCK in Laufenburg aus. Bislang betreibt das Unternehmen die Anlage nur im Test-Modus, es stellte beim Regierungspräsidium Freiburg jedoch einen Antrag auf einen Normalbetrieb nebst einer Kapazitätserweiterung von 30 auf 75 Tonnen im Jahr. Da die Nano-Technologie Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen lässt, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln, erhob nicht nur die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Einspruch gegen das Projekt. 61 Einwendungen gingen bei den Behörden ein. Das Regierungspräsidium schenkte den KritikerInnen jedoch keinen Glauben. Es folgte lieber den Ansichten des von H. C. STARCK angeheuerten Gutachters Helmut Greim, der BAYER bereits im Holzgifte-Prozess gute Dienste erwiesen hatte, und erteilte die Zulassung für den ersten Großversuch mit der Nano-Fertigung im „Multimillionen-Maßstab“ (O-Ton BAYER). Der BUND verurteilte die Entscheidung, während die in Baden-Württemberg jüngst zu Regierungsehren gekommenen Grünen sie guthießen. An der Genehmigung gebe es nichts zu bemängeln, schließlich hätten mehrere Gutachten erwiesen, dass die Produktion keine Gefahr darstelle, verlautete den Stuttgarter Nachrichten zufolge aus dem Landesumweltministerium.

CO & CO.

Lkw-Unfall an Pipeline-Strecke
Mitte Januar 2013 prallte auf der Erkrather Neandertal-Brücke ein Lkw gegen die Leitplanke. Ein Stahl-Seil verhinderte gerade noch, dass der Laster in die Tiefe stürzte. So fiel nur ein Teil der Ladung hinab – dorthin, wo knapp zwei Meter unter dem Boden BAYERs umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline verläuft. Wäre sie schon in Betrieb und auch der Lastkraftwagen von der Brücke gekippt, hätte es einen Super-GAU geben können. Darum reagierte die Bezirksregierung Düsseldorf prompt: „Auch dieser Lkw-Unfall wird von der Bezirksregierung nochmals in die Sicherheitsprüfung einbezogen.“ Der Leverkusener Multi hingegen bestritt ein solches Risiko und verwies auf ein Gutachten des Unternehmens TÜV, für welches auf Brücken „nach den bisherigen Prüfungen eine Gefährdung nicht gegeben“ sei. Erich Hennen von der Initiative CONTRA PIPELINE macht derweil sogar noch weiter Gefahrenpunkte an Verkehrsnetzen aus wie etwa bei Mündelheim, wo die Giftgas-Leitung die B 288 kreuzt.

Hohe Pipeline-Folgekosten?
Für Erkrath hat der Bau von BAYERs zwischen Krefeld und Dormagen verlaufender Kohlenmonoxid-Pipeline hohe Folgekosten. Bürgermeister Arno Werner nannte in dem Zusammenhang vor allem nötig gewordene Veränderungen bei der Feuerwehr wie die Einstellung von mehr Personal, die Verbesserung der technischen Ausstattung und den Bau einer neuen Wache. Allein letzteres wird nach seinen Angaben ca. 13 Millionen Euro verschlingen. Der Anti-Pipeline-Aktivist Uwe Koopmann wollte es genauer wissen und hakte bei der Feuerwehr nach. Diese dementierte allerdings die Angaben Werners. „Die Planungen der Feuerwehr stehen in keinem Zusammenhang mit der CO-Pipeline“, heißt es in dem Antwort-Schreiben.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

ULTRAVIST-Rückruf
BAYER musste eine Rückruf-Aktion für sein Röntgen-Kontrastmittel ULTRAVIST starten, weil einige Chargen Verunreinigungen aufwiesen.

STANDORTE & PRODUKTION

Dormagener TDI-Anlage genehmigt
Ende Dezember 2012 erteilte die Bezirksregierung Köln BAYER di