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[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2012 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Preis für die CBG
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und ihr Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura erhielten am 24. September 2011 den „Henry-Mathews-Preis“ der KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE. In der Laudatio hieß es: „Eine beeindruckende Anzahl von Aktionen hat eure konzernkritische Arbeit begleitet. Zum Beispiel im Jahr 2000, als ihr auf dem jährlich stattfindenden Gedenktag ‚Day of no Pesticides‘ an die Bhopal-Opfer des Giftgasunfalls in Indien 1984 erinnert habt und mit Giftspritzen, Kreuzen und Transparenten vor BAYER aufgetreten seid (...) Neben den Hauptversammlungs-Auftritten und Aktionen begleitet Ihr BAYER mit kritischen Analysen. Daneben unterstützt ihr weltweit Bürgerinitiativen, wenn sie in euer Aufgabenfeld gehören.“ Axel Köhler-Schnura dankte mit den Worten: „Ich wurde geehrt mit dem Henry-Mathews-Preis. Wofür? Für etwas, das doch selbstverständlich ist: Aufzustehen gegen Unrecht und Verbrechen. Und zwar so, wie es einem möglich ist. Dieser Preis steht Unzähligen zu. Und so sehe ich mich stellvertretend für all diese namenlosen Unbekannten, die tagtäglich das Gleiche tun wie ich“.

TDI-Anlage in der Kritik
Auf den von der Bezirksregierung Köln in der ersten Oktober-Woche 2011 einberufenen Erörterungsterminen zur Toluylendiisocyanat-Anlage, die BAYER in Dormagen plant, mussten sich die Konzern-Emissäre viel Kritik anhören (siehe auch SWB 1/12). Die VertreterInnen von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, dem BUND und der DORMAGENER AGENDA 21 beanstandeten die fehlenden Angaben zur Umweltbelastung, eine mangelhafte Störfall-Vorsorge und eine ungenügende, da nur mit Blech statt mit Beton vorgenommene Ummantelung der Produktionsstätte. Zudem verlangten sie den Einbau einer Schutzwand, die bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte. Die Bezirksregierung ließ das nicht unbeeindruckt. Sie dürfte das Projekt aber trotzdem genehmigen und im günstigsten Fall einige Nachbesserungen einfordern.

Duisbergs 150. Geburtstag
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Er war im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von Zwangsarbeitern. Zudem hatte er einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN. Da dem Ex-Chef des Leverkusener Multis trotz alledem immer noch in Ehren gedacht wird, startete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne. Sie forderte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen und Schulen, die Duisbergs Namen tragen, sowie den Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerschaft (siehe auch SWB 1/12).

Kritik an Kölner Universität
Der Politologe Thomas Kliche hat den Kooperationsvertrag der Universität Köln mit BAYER scharf kritisiert und als „korporative Korruption“ bezeichnet. „Forscher mit Geld von Unternehmen finden häufiger die gewünschten Wirkungen und interpretieren ihre Ergebnisse netter zugunsten der Pillen“, sagte Kliche in einem Interview mit der taz. Er monierte auch die immer stärkere Abhängigkeit der Hochschulen von Drittmitteln, weil das die Einrichtungen den Wünschen der Konzerne gegenüber gefügiger mache. Um Transparenz zu gewährleisten, forderte der Wissenschaftler deshalb die Offenlegung der Vereinbarung und ergänzte: „Aber damit kann es nicht getan sein, weil solche Abkommen ja oft bewusst unverfänglich formuliert werden. Auch die Rahmenbedingungen müssen sich ändern. Da könnten interessanterweise Arbeitnehmervertretungen in der Forschung helfen, denn sie stärken die unteren Ebenen gegen den sanften Erwartungsdruck von oben.“

Anfrage zu Kooperationsverträgen
Einen Kooperationsvertrag, wie ihn die Kölner Hochschule mit BAYER vereinbart hat (siehe oben), schließen immer mehr Universitäten mit Wirtschaftsunternehmen ab. Die Partei „Die Linke“ nahm die Zusammenarbeit der Berliner Humboldt-Universität mit der DEUTSCHEN BANK zum Anlass, eine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Diese sieht die Freiheit von Wissenschaft und Lehre durch solche Partnerschaften allerdings nicht gefährdet. Darum will sie auch keinen Handlungsbedarf erkennen, und zwar gerade im Namen dieser Freiheit. „Die grundgesetzliche garantierte Freiheit von Forschung und Lehre begrenzt die staatliche Einflussmöglichkeit“, so die CDU/FDP-Koalition. Auch an der Geheimhaltungspolitik, wie sie beispielsweise BAYER und die Kölner Uni mit Vehemenz verfechten, stört sie sich nicht. „Angesichts der vielfältigen Formen der Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie der zahlreichen rechtlichen Implikationen, z. B. mit Blick auf den Schutz personenbezogener Daten, den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder den Schutz geistigen Eigentums erachtet die Bundesregierung (...) eine generelle Pflicht zur Veröffentlichung von Kooperationsverträgen als rechtlich bedenklich“, heißt es in der Antwort.

Forscher warnt vor Glyphosat
Gentech-Pflanzen weisen Resistenzen gegenüber bestimmten Pestiziden auf und können auf den Feldern deshalb bis zum Abwinken mit ihnen besprüht werden. Das bekannteste Mittel ist Glyphosat, das hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz kommt. Der emeritierte US-Agrarwissenschaftler Don Huber hat den Präsidenten der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, jetzt in einem Brief eindringlich vor Glyphosat gewarnt, da es seiner Meinung nach zahlreiche Risiken und Nebenwirkungen hat. So kann es zum Absterben von Soja-Gewächsen und zum Verwelken von Mais führen. Zudem senkt es Huber zufolge die pflanzen-eigenen Widerstandskräfte. Deshalb riet der Forscher der EU, keine Laborfrüchte zuzulassen, die den Gebrauch von Glyphosat nach sich ziehen.

Demo gegen Patente auf Pflanzen
BAYER & Co. betreiben die Privatisierung der Natur nicht nur vermittels der Gentechnik. Sie streben auch immer mehr Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen wie z. B. Brokkoli an. So hat das Europäische Patentamt BAYER unlängst geistiges Eigentum auf eine besser vor Mehltau geschützte Gurke sowie auf eine Ackerfrucht mit erhöhter Stress-Resistenz zugesprochen. Doch gegen das Vorgehen der Konzerne erhebt sich Widerstand. Am 26. Oktober 2011 kam es vor dem Europäischen Patentamt in München zu einer Demonstration gegen den botanischen Imperialismus der Agro-Multis.

Naturland ohne Nano
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln BAYERs BAYTUBES und andere Nano-Produkte jedoch unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Wegen dieses Risiko-Profils hat sich der Ökoverband „Naturland“ entschieden, keine Lebensmittel, Kosmetika oder Verpackungsmaterialien auf Nano-Basis mit seinem Label zu versehen.

KAPITAL & ARBEIT

Erfolgreicher Arbeitskampf in Berkeley
Das BAYER-Werk in Berkeley gehört zu den wenigen US-Niederlassungen des Konzerns mit einer organisierten Arbeiterschaft. Darum gelang es in harten Tarifverhandlungen, die von Solidaritätsaktionen im ganzen Land begleitet waren, auch, deutliche Verbesserungen für die Beschäftigten zu erreichen. Die Gewerkschaft INTERNATIONAL LONGSHORE AND WAREHOUSE UNION (ILWU) vereinbarte mit der Betriebsleitung eine Entgelt-Steigerung von 3,1 Prozent über einen Zeitraum von vier Jahren, eine Begrenzung der Krankenversicherungskosten auf 18 Prozent des Gehalts sowie eine Sicherung der Arbeitsplätze. Donald Mahon von der ILWU sah den Erfolg als Bestätigung seiner Arbeit. „BAYER macht - so wie viele andere Unternehmen - Milliardenumsätze, aber damit sie den Arbeitern davon einen Teil abgeben, benötigt man gewerkschaftliche Organisation, Proteste sowie Druck von außerhalb und innerhalb der Werke“, so der Aktivist.

„Chemie Ost“ mit Entgelt-Angleichung
Im neuen Tarifvertrag für die ostdeutsche Chemie-Industrie ist es der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE gelungen, eine weitere Angleichung der Entgelte auf das West-Niveau zu erreichen. Gibt es bei den Eingangstarifen für verschiedene FacharbeiterInnen-Gruppen schon länger keine Unterschiede mehr, so soll nun auch die Differenz bei den vorgesehenen Erhöhungsstufen, die aktuell noch acht Prozent beträgt, schrumpfen. Zudem erweitert sich im Osten die Bemessungsgrundlage für die jährlichen Bonus-Zahlungen sukzessive, bis sie 2015 zum West-Wert von 95 Prozent des letzten Bruttogehaltes aufschließt.

IB BCE will Job-Garantie
Der Betriebsrat verhandelt mit der BAYER-Spitze über den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen bis 2015. „Wegen massiver Umstrukturierungen, Ausgliederungen von Unternehmensteilen und angedrohtem Arbeitsplatz-Abbau benötigen die Beschäftigten klare Perspektiven und dauerhaft gesicherte Arbeit“, erklärte Gesamtbetriebsratschef Thomas de Win von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Allerdings gestalten sich die Gespräche schwierig. Sie werden nicht wie eigentlich vorgesehen zum Jahresende 2011 enden, BAYER-Chef Marijn Dekkers kündigte eine Einigung erst für Mitte 2012 an. De Win indessen reicht die Job-Garantie nicht. Er forderte auch mehr Engagement für die Niederlassungen in der Bundesrepublik: „BAYER muss an allen deutschen Standorten investieren.“.

Lohnangleichung für LeiharbeiterInnen
Der Leverkusener Multi beschäftigt Hunderte von LeiharbeiterInnen. Ihre Lage dürfte sich bald bessern. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) erzielte mit dem „Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister“ nämlich eine Einigung über eine Lohnangleichung. Nach einem Zeitraum von drei Monaten sollen die ZeitarbeiterInnen sukzessive Zuschläge erhalten, bis ihr Entgelt dem der Stammbelegschaft entspricht, so die Regelung. Auch anderen Leiharbeitgebern will die IG BCE dieses Modell vorschlagen. Es tritt allerdings erst in Kraft, wenn es den anderen DBG-Gewerkschaften ebenfalls gelingt, das „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“-Prinzip durchzusetzen. Einigen von denen geht die Vereinbarung jedoch nicht weit genug. So lehnt etwa VER.DI die Stufenanpassung ab. „Da sich die Höhe des Lohns nach der Entleih-Dauer richtet, würden lediglich die Einkommensunterschiede zwischen Stammbelegschaft und Leiharbeitern zementiert“, konstatiert Jörg Wiedemuth von VERDIs tarifpolitischer Grundsatzabteilung. Zudem nimmt er es der IG BCE übel, den Leiharbeitsvorstoß nicht mit den anderen Gewerkschaften abgesprochen zu haben.

Auflösung der Diagnostika-Sparte
Seit dem 2006 erfolgten Aufkauf von SCHERING hat BAYER viele Arzneien des ehemaligen Berliner Pharma-Riesen ausgemustert. Der Konzern gab sich nämlich nicht dessen mit Umsatz-Erwartungen zufrieden. Während SCHERING neuen Produkten die Vorgabe von 100 Millionen Euro machte, erwartet der Leverkusener Multi 200 bis 300 Millionen. Neuester Coup: Der Konzern will die Sparte mit den ererbten Diagnostika-Produkten auflösen, die er schon länger vernachlässigt, weshalb bereits viele SCHERING-Ehemalige das Unternehmen verlassen haben. Das Geschäft mit den Röntgenkontrastmitteln MAGNEVIST und ULTRAVIST schlägt der Global Player seiner Tochterfirma MEDRAD zu; für sein noch nicht marktreifes Präparat zur Alzheimer-Früherkennung sucht er einen Käufer. Nach Angaben des Pillen-Herstellers stehen mit den avisierten Veränderungen 100 Arbeitsplätze zur Disposition.

Die letzten SCHERING-Mohikaner
Als der Leverkusener Multi 2006 SCHERING übernahm, stellte er den Beschäftigten Vorteile aus dem Zusammenschluss in Aussicht. Die Realität sah jedoch anders aus. 1.000 Belegschaftsangehörige mussten sofort gehen, und viele SCHERING-Präparate stampfte BAYER ein (s. o.). Mit dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers brachen dann noch härtere Zeiten an. Er tilgte den Namen SCHERING und unterstellte die Pillen-Schmiede direkt dem Kommando des Pharma-Chefs Jörg Reinhardt. Zudem verabschiedete er sich vom Ausbau des Berliner Standortes und ließ die dortigen Beschäftigten besonders hart unter seinem Arbeitsplatzvernichtungsprogramm leiden. Dies alles hatte Konsequenzen. Von den 96 Personen, die bei SCHERING einst in höheren Positionen tätig waren, arbeiten heute nach einer Berechnung des Betriebsrats gerade noch einmal vier für den Global Player, wie die Financial Times Deutschland berichtete.

Das Ende des Standortes Mishawaka
Im Zuge seines Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Jobs kostet, strukturiert BAYER auch das Pharma-Geschäft in den USA um. So stehen bei MEDRAD, der Tochter-Firma für Medizin-Produkte, 60 bis 70 Jobs zur Disposition. Zudem plant der Gen-Gigant an der Ostküste ein neues Pharma-Zentrum, was die Existenz der anderen sechs Standorte in der Region bedroht. Eines wickelt der Pharma-Riese bereits ab. Er kündigte an, seine Niederlassung in Mishawaka schließen zu wollen. Die 130 Belegschaftsangehörigen, die dort für SIEMENS Diagnostika-Geräte herstellten, können zum Münchner Unternehmen wechseln. Die restlichen 270 stehen vor einer ungewissen Zukunft. Der Leverkusener Multi machte ihnen zwar ein Weiterbeschäftigungsangebot, das allerdings fiel ziemlich vage aus.

BAYER verkauft VIVERSO
Der Leverkusener Multi hat seine Tochter-Gesellschaft VIVERSO für 75 Millionen Euro an die Firma NUPLEX verkauft. „Damit trennt sich BAYER MATERIAL SCIENCE von dem Geschäft mit bestimmten konventionellen Lackharzen, das nicht mehr zur aktuellen Strategie des Unternehmens passt“, verkündete der Global Player. Er vernichtet damit 165 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns. Die Beschäftigten müssen vorerst jedoch nicht um ihre Jobs fürchten. NUPLEX kündigte an, die komplette Belegschaft übernehmen zu wollen.

JENAPHARM: Nur noch Vertrieb
Bereits 2006 hatte der Leverkusener Multi die Forschungsabteilung seiner Tochter-Gesellschaft JENAPHARM dicht gemacht. Nun wickelt er auch noch die Entwicklungssparte ab und vernichtet so 40 Arbeitsplätze. Künftig kümmern sich die verbleibenenen 200 Beschäftigten nur noch um den Vertrieb von Kontrazeptiva, Testosteron-Präparaten und Mitteln gegen Hautkrankheiten.

DYNEVO am Ende
Im Jahr 2001 hatte BAYER die Werksdruckerei DYNEVO ausgegliedert. In der Folge reduzierte der Multi die Arbeitsplätze von 230 auf 150. Zuletzt wollte er die Gesellschaft an BERTELSMANN verkaufen. Aber die Verhandlungen scheiterten. Deshalb kündigte der Konzern jetzt an, den Betrieb dicht zu machen.

Frauenanteil: 17 Prozent
Aktuell beträgt der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei BAYER 17 Prozent. Der Leverkusener Multi hat sich zum Ziel gesetzt, diesen bis zum Jahr 2015 auf 30 Prozent zu steigern. Er will sich dabei allerdings nicht von der Politik auf die Sprünge helfen lassen. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers empfindet eine „gesetzliche Quote als nicht zielführend“.

Großverdiener Manfred Schneider
BAYERs Aufsichtsratschef Manfred Schneider bleibt König der Deutschland AG. Er sitzt nämlich nicht nur dem Kontrollgremium des Leverkusener Multis vor, sondern bekleidet diese Position auch bei LINDE und RWE. Einen einfachen Aufsichtsratssitz hat er zudem noch bei der ALLIANZ inne. Dafür streicht er insgesamt 1,1 Millionen Euro ein - so viel wie keiner seiner KollegInnen.

14,7 Millionen für Wenning
Der Leverkusener Multi sorgt für einen angenehmen Ruhestand seines Ex-Chefs Werner Wenning. 14,7 Millionen Euro hält er für dessen Lebensabend bereit - mehr haben nur MERCEDES und VW für ihre Ehemaligen übrig. Und Wennings Nachfolger Marijn Dekkers braucht sich ebenfalls keine Sorgen zu machen. Im letzten Jahr hat der Konzern schon über zwei Millionen Euro für seine Pension zurückgelegt, so viel wie kein anderes Dax-Unternehmen für seinen Vorstandsvorsitzenden.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien: 138 Arzneitest-Tote
Von 2007 bis 2010 starben in Indien 138 Menschen bei der Klinischen Erprobung von BAYER-Medikamenten (siehe auch SWB 1/12). Insgesamt kamen bei den Pillen-Prüfungen von Big Pharma in dem Zeitraum 1.600 ProbandInnen ums Leben. Nach Ansicht der Multis haben jedoch zumeist nicht die Medikamente, sondern Vorerkrankungen wie Krebs zum Ableben der ProbandInnen geführt. Die amtlichen Stellen machen ebenfalls nicht die Pharmazeutika im Allgemeinen verantwortlich. Von den 668 Sterbefällen im Jahr 2010 schreiben sie 22 der direkten Einwirkung der getesteten Substanzen zu. Darunter befinden sich fünf BAYER-Opfer, allein vier Tote forderte das Präparat XARELTO. Die Tests mit diesem Blutverdünnungsmittel hatte bereits die US-Gesundheitsorganisation PUBLIC CITIZEN beanstandet, da ProbandInnen, welche die Konkurrenz-Substanz Warfarin bekamen, nicht die optimale Dosis erhielten und sich so einem erhöhten Schlaganfall-Risiko aussetzten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat in einem Offenen Brief an BAYER die Praxis des Konzerns scharf kritisiert, immer mehr Tests in ärmere Länder zu verlegen, weil dort unschlagbare Preise, schnellere Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht locken, und eine umfassende Aufklärung über die Todesserie gefordert.

Kontrazeptiva-Kampagne in Afrika
Der Leverkusener Multi hat in Afrika eine Vermarktungsinitiative für seine Verhütungsmittel gestartet. Dazu ist er eine Partnerschaft mit der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID eingegangen, welche die Kosten für Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zu den Pillen übernimmt. Die gemeinsame „Contraceptive Security Initiative“ will allen Frauen „mit mittlerem Einkommen in vorerst elf subsaharischen Entwicklungsländern Zugang zu bezahlbaren oralen Kontrazeptiva“ verschaffen. Um die Armen geht es also nicht; und um besonders arme Länder auch nicht. Äthiopien hat BAYER als Ausgangspunkt der Kampagne gewählt, weil die Märkte des Landes relativ gut entwickelt sind und eine hohe Nachfrage nach YASMIN & Co. besteht. „Einen neuen strategischen Ansatz und einen innovativen Weg zur Erschließung der Märkte in Entwicklungsländern“ nennt der Pharma-Riese das Ganze.

Freude über hohe Agrar-Preise
Die durch Finanzmarkt-Spekulationen zusätzlich hochgetriebenen Agrar-Preise bedrohen die Ernährungslage der Menschen in der „Dritten Welt“. Der Leverkusener Multi hingegen freut sich über die Entwicklung, denn die Mehreinnahmen der großen landwirtschaftlichen Betriebe führen zu einem gesteigerten Saatgut- und Pestizidabsatz. „All das deutet auf einen recht positiven Branchenausblick für den Rest des Jahres hin“, sagte BAYER-CROPSCIENCE-Chefin Sandra Peterson deshalb im September 2011.

Unnütze BAYER-Pillen in Indien
Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE hat die Geschäftspolitik BAYERs und anderer Pillen-Multis in Indien untersucht und kam zu einem wenig schmeichelhaften Ergebnis. So bewertete die Initiative von den 39 Präparaten, die der Leverkusener Multi dort in 77 Dosierungs- und Formulierungsarten vertreibt, nur neun als unentbehrlich. 40 sah sie als rational und 28 als irrational an. Aber selbst bei den unentbehrlichen Medikamenten wie RESOCHIN mit dem Wirkstoff Chloroquin hapert es, denn als Malaria-Theapeutikum taugt es wegen vermehrt auftretender Resistenzen nur noch bedingt. Und bei den als rational eingestuften Arzneien bemängelt der BUKO den oft viel zu hohen Preis. Die Liste der irrationalen Pharmazeutika führt mit dem Kontrazeptivum DIANE 35 ein Produkt an, das in der Bundesrepublik seit 1994 keine Zulassung mehr hat, weil es in Verdacht steht, Krebs auszulösen. Wegen der Nebenwirkung „Thrombose“ folgt das Verhütungsmittel YASMIN. Das Diabetikum GLUCOBAY und der Blutdrucksenker XIRTAM finden sich wegen Zweifeln an ihrer Wirksamkeit in dieser Kategorie wieder. Die Vitamin-Trunks wie BAYER‘S TONIC, EDINOL oder SUPRADYN hält der BUKO hingegen nicht nur für völlig nutzlos, sondern auch für gefährlich, denn sie enthalten teilweise Alkohol und belasten darüber hinaus das ohnehin zumeist schmale Budget der Familien unnötig. Zu allem Überfluss greift BAYER bei der Reklame für diese heikle Produkt-Palette dann auch noch zu dubiosen Praktiken. Besonders kritisiert die Pharma-Kampagne die aggressive YASMIN-Vermarktung in indischen Privatkrankenhäusern und die Kontrazeptiva-Schleichwerbung im Internet.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Im Verbund mit Autokraten
In welchem Maße die von BAYER mitgegründeten IG FARBEN den Faschismus unterstützt haben, ist allgemein bekannt. Aber auch noch nach 1945 hielt es der Leverkusener Multi mit autoritären Regimes. So vollzog er in Südafrika bereitwillig die Apartheid mit und richtete in seinen Niederlassungen getrennte Kantinen und Toiletten für Weiße und Schwarze ein. Und 1978 klagte ein brasilianischer Gewerkschaftler über die Kollaboration von BAYER & Co. mit dem Militär-Regime: „Aus der Bundesrepublik Deutschland sind da insbesondere VW, DAIMLER-BENZ, MANNESMANN, KRUPP, BAYER, HOECHST, SIEMENS, BASF, VOIGT u. a. zu nennen. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen, zu der etwa 50 große westdeutsche Konzerne gehören, die in Brasilien die Privilegien genießen, die ihnen die Militärdiktatur einräumt.“ In Peru verstand sich der Konzern ebenfalls prächtig mit den Generälen, weil diese den Beschäftigten keinerlei Rechte zubilligten. 1977 schrieb deshalb die Gewerkschaft von BAYER INDUSTRIAL S.A. an ihre KollegInnen in der Bundesrepublik einen langen Brief. „Die geheiligten Rechte der Arbeiter werden von den Unternehmern verletzt, d. h. der 8-Stunden-Tag, das Streikrecht, die Vorlage von Lohnforderungen, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht, Vollversammlungen durchzuführen und uns politisch zu organisieren. Wir bitten Sie, diese unsere Situation in Ihren Veröffentlichungen zu berücksichtigen und Ihren Protest zu erheben gegen diese Angriffe auf die Arbeiterschaft, gegen die Verfolgung von Sozialkämpfern und Gewerkschaftsführern, die verhaftet wurden und noch im Gefängnis sitzen, die deportiert wurden oder einfach verschwunden sind“, hieß es in dem Schreiben.

Die CUTTER-Impfkatastophe
1955 kam es in den USA zu einem folgenschweren Ereignis. Ein Impfstoff der BAYER-Tochter CUTTER gegen Kinderlähmung löste ebendiese aus, da er einen nicht sachgemäß deaktivierten Erreger enthielt. Neun Menschen starben, über 40.000 entwickelten Polio-Symptome. Als „CUTTER-incident“ ging der Fall in die Geschichtsbücher ein. Ein andere Version des Vakzins forderte in der Bundesrepublik zwei Todesopfer; 48 Menschen infizierten sich.

IG FARBEN & HEUTE

Börse ohne IG FARBEN
Auch nach 1945 bestand die IG FARBEN weiter. Der Zustand „in Auflösung“ hielt jahrzehntelang an. Immer wieder fand sich eine Gelegenheit, um alte Ansprüche wahren oder - etwa nach der Wiedervereinigung - neue formulieren zu können. In den 1990er Jahren hielten sich windige Investoren wie der CDU-Großspender Karl Ehlerding zudem gütlich am noch verbliebenen Grundkapital. Immer wieder vergeblich hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gefordert, die IG FARBEN zu liquidieren und ihr Vermögen an die ZwangsarbeiterInnen auszuzahlen. Das langsame Sterben des Unternehmens läutete jedoch erst die finanzielle Schieflage der Beteiligungsgesellschaft WCM ein, die den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern zwang, Insolvenz zu beantragen. Und nun steht das entsprechende Verfahren vor dem Abschluss, weshalb die Insolvenz-Verwalterin Angelika Wimmer-Amend ein Ende der Börsen-Zulassung der IG FARBEN beantragte.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER bespitzelt die CBG
Der Leverkusener Multi lässt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bespitzeln. Er beauftragte das Kölner Unternehmen UNICEPTA - nach eigener Aussage die „Nr. 1 in Medienbeobachtung, Issue-Management und Pressearbeit“ - damit, Materialien über die CBG zu sammeln. Beschäftigte mussten sich in den Email-Verteiler der Coordination eintragen und Informationen anfordern. Darüber hinaus wertete die Online-Analyse-Abteilung die Web-Aktivitäten der CBG aus.

Staatssekretär bei „invite“-Einweihung
Helmut Dockter, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Forschungsministerium, wohnte der Eröffnung des Forschungszentrums „invite“ bei, das BAYER gemeinsam mit der Universität Dortmund betreibt. Die zu 70 Prozent aus Mitteln des Konjunkturpakets II finanzierte, 6,5 Millionen Euro teure Einrichtung soll Dockter zufolge helfen, den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu profitablen Produkten zu beschleunigen und so den trotz Konjunktur-Einbruch stabilen bundesdeutschen Industrie-Sektor weiter stärken. „Die Landesregierung will, dass diese Krisenfestigkeit erhalten bleibt“, so der Staatssekretär. Zu den Projekten von „invite“ zählt etwa die Entwicklung einer Produktionsstätte in modularer Form, deren einzelne Komponenten unabhängig voneinander ausgetauscht werden können. Sieben Chemie-Firmen gehören dabei zu den Kooperationspartnern, zahlen tut allerdings die EU. 30 Millionen Euro Fördergelder steuert sie bei.

Voigtsberger bei BAYER
Wo einst nur das BAYER-Werk seinen Sitz hatte, da befinden sich heute Niederlassungen von 38 Unternehmen. Und immer noch ist Platz im Leverkusener Chemie-„Park“ - zuviel Platz. Die Anwerbe-Politik des Konzerns verläuft nämlich nicht allzu erfolgreich, da sich die gesamte Chemie-Branche ähnlich wie der Multi „gesundschrumpft“. Er musste sogar schon mit Floristik-Studios als Mietern vorlieb nehmen. Da diese Klientel andere Bedürfnisse hat, veranstaltete der Global Player vor ein paar Jahren sogar einen Architektur-Wettbewerb zur Umgestaltung des Geländes (SWB 4/07). Jetzt hat sich das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium der Problematik angenommen, die sich an den anderen Standorten des Konzerns ähnlich darstellt. Es veranstaltete eine Konferenz zur Zukunft der Chemie-„Parks“. Diese fand Mitte November 2011 passender weise auch gleich am BAYER-Stammsitz statt. Der zuständige Minister Harry Voigtsberger (SPD) sprach dem Global Player in seiner Eröffnungsrede gleich Mut zu. „Chemie-‚Parks‘ haben sich bewährt. Sie werden auch weiterhin ein Zukunftsmodell sein, wenn sie sich den aktuellen Herausforderungen wie Energie-Effizienz sowie nachhaltige Entwicklung stellen“, befand er.

BAYER sponsert Regierung
Auch im jüngsten Sponsoringbericht der CDU/FDP-Koalition ist BAYER wieder prominent vertreten. Mit insgesamt rund 65.000 Euro griff der Konzern den jeweiligen Bundesregierungen von Januar 2009 bis Dezember 2010 unter die Arme. Er sponserte unter anderem Weihnachtskonzerte, Empfänge zum Tag der deutschen Einheit und einen Saatgut-Kongress. Auch die Landesregierungen „unterstützt“ der Leverkusener Multi. So erhielt die „Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund“ 8.000 Euro Zuschuss zum „Fest des Westens 2010“.

Dekkers VCI-Vize
Traditionell nehmen BAYER-Chefs Spitzenpositionen beim „Verband der Chemischen Industrie“ ein. Da macht auch der jetzige Vorstandsvorsitzende keine Ausnahme: Marijn Dekkers gehört neuerdings gemeinsam mit seinen Kollegen von MERCK und BASF zum Triumvirat der Vize-Präsidenten.

Dekkers im BDI-Präsidium
Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) hat BAYER-Chef Marijn Dekkers in seinen erweiterten Präsidiumskreis gewählt.

Gutes China, schlechtes Deutschland
BAYER-Chef Marijn Dekkers nutzte die Einweihung eines neuen Kunststoffwerkes in Shanghai, um die chinesische Führung zu loben und Kritik am Investitionsklima in der Bundesrepublik zu üben. „Insgesamt hat es die chinesische Regierung bisher immer verstanden, das Wachstum zu managen“, sagte der Vorstandsvorsitzende. Die Bundesrepublik hingegen nutze ihr wirtschaftliches Potenzial nicht, da es Usus sei, „nur noch auf die Vermeidung kleinster Risiken zu pochen“, wie Dekkers im Hinblick auf die umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline formulierte (siehe auch IMPERIUM & WELTMARKT).

Obama stoppt CO2-Vorstoß der EPA
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA wollte ab 2013 schärfere Kohlendioxid-Grenzwerte erlassen. Das aber verhinderte Barack Obama nach politischem Druck von Seiten der Konzerne. Vorher war es BAYER & Co. mit Verweis auf die schlechte Wirtschaftslage bereits gelungen, den Präsidenten von der Einführung eines Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten und sowie von dem Ziel einer ehrgeizigen Emissionsreduktion abzubringen (siehe Ticker 1/10).

BAYER & Co. für Beitragssenkungen
BAYER & Co. fordern eine Senkung der Rentenversicherungsbeiträge. Die „Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände“ tritt für eine stufenweise Reduzierung von 19,9 auf 19,1 Prozent ein. Das brächte der Wirtschaft eine Ersparnis von rund vier Milliarden Euro.

Keine Netzgebühren für BAYER & Co.
Das neue Energiewende-Gesetz befreit BAYER und andere energie-intensive Unternehmen rückwirkend ab Januar 2011 von den Netzgebühren. Es gehe darum, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern und gleichzeitig Industrieland zu bleiben, so begründet Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) laut stern die Subventionsmaßnahme. Zu zahlen haben das die Privathaushalte. Auf sie kommt nach einer Schätzung des „Bundes der Energieverbraucher“ eine Mehrbelastung von jährlich ca. einer Milliarde Euro zu. „Die Industrie massiv zu entlasten und allein die Kleinverbraucher die Zeche zahlen zu lassen, ist eine Dreistigkeit, die bisher ohne Beispiel ist“, protestiert deshalb Holger Krawinkel von der Verbraucherzentrale. Bleibt nur, auf ein Eingreifen der EU zu hoffen. Aber selbst dafür haben die Multis schon vorgesorgt. Sie fordern eine Ausgleichszahlung, falls Brüssel gegen die Ausnahmeregelung vorgehen sollte.

PROPAGANDA & MEDIEN

Die Dekkers-Inthronisierung
In der Fachzeitschrift prmagazin hat BAYERs Kommunikationschef Michael Schade aus dem Nähkästchen geplaudert. Er legte dar, wie umfassend die PR-Abteilung die Presse-Berichte über den neuen Konzern-Leiter Marijn Dekkers gelenkt hat. Als das Unternehmen die Nominierung bekannt gab und erste Artikel auftauchten, die das wenig schmeichelhafte Bild eines rücksichtslosen Sanierers zeichneten, ergriffen Schade & Co. sogleich Maßnahmen und diktierten 40 JournalistInnen eine nettere Story in den Schreibblock. Wenig später stellten sie den Schreiberlingen ihren Schützling bei einem Abendessen exklusiv vor. Das zweite Diner folgte dann kurz vor dem wirklichen Amtswechsel. Dekkers bekam dort die Gelegenheit, die ihm in den Mund gelegten Phrasen „Mehr Innovation, weniger Administration“ und „Evolution statt Revolution“ zu platzieren, die anschließend auch eine weite Verbreitung gefunden haben. Und momentan arbeitet Schade daran, seinem Chef trotz der verkündeten Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen das Image eines Jobkillers zu nehmen und vermeldet schon erste Erfolge. „Die mediale Platzierung von Herrn Dekkers gelingt immer besser“, sagt er mit Verweis auf ein Interview in der Wirtschaftswoche und einen Beitrag im Handelsblatt. Die Financial Times Deutschland hingegen ließ sich nicht so leicht einspannen. Ihr Journalist Klaus Max Smolka wollte einmal Details über Stellenstreichungen veröffentlichen, die ihm ein BAYER-Beschäftigter zugespielt hatte, und verärgerte damit den Multi nachhaltig. Auch generell „nimmt er wahr, dass der Konzern die Zügel anziehe, um die Berichterstattung zu steuern“, gibt das prmagazin dessen Worte wieder.

Medialer Gen-Gau
Unermüdlich arbeitet EuropaBio daran, die Akzeptanz für die umstrittene Gentechnik zu erhöhen. Und für den Herbst 2011 hatte sich der Lobbyverband von BAYER & Co. einen besonderen Coup ausgedacht: Prominente „Pro-Gentechnik-Botschafter“ sollten für die Risiko-Technologie Reklame machen. Einem internen Papier zufolge hatten sich Bob Geldorf und Kofi Annan bereits „interessiert“ gezeigt. Die Genannten wussten von ihrem Gentech-Glück jedoch noch gar nichts. „Herr Annan ist kein Botschafter für EuropaBio und hat keine Absicht, den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen zu fördern“, antwortete etwa ein Sprecher des ehemaligen UN-Generalsekretärs der englischen Zeitung The Guardian. Damit ging die PR-Offensive nach hinten los und entwickelte sich für EuropaBio zu einem medialen Gen-GAU.

Medialer Pipeline-GAU
Der Leverkusener Multi blickt neidvoll auf seinen Kölner Nachbarn SHELL. Der Öl-Konzern hatte es geschafft, ein mit der Gefährlichkeit von BAYERs zwischen Dormagen und Krefeld geplanter Kohlenmonoxid-Pipeline vergleichbares Projekt zu realisieren, ohne auf größeren Widerstand aus der Bevölkerung zu stoßen. Darum hat der Pharma-Riese die Leiterin der Abteilung „Corporate Policy and Advocacy“, Denise Rennmann, nebst anderen hochrangigen ManagerInnen zur Fortbildung in die Domstadt geschickt. „Wir haben mitgenommen, dass SHELL da sehr professionell kommuniziert hat“, resümierte BAYER-Sprecher Jochen Klüner. Der Global Player hatte nämlich frühzeitig das Gespräch mit AnwohnerInnen und Naturschutz-Initiativen gesucht, statt wie der Agro-Gigant allein auf Legislative und Judikative zu setzen. Bei ähnlich umstrittenen Vorhaben dürfte BAYER also zukünftig geschickter vorgehen. Darauf müssen sich alle Organisationen einstellen.

BAYERs EU-Lobbying
1,85 Millionen lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der EU nach eigenen Angaben jährlich kosten. Was BAYER mit dem Geld so alles veranstaltet, darüber gibt der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold auf seiner Homepage einen kleinen Einblick. Der Parlamentarier dokumentiert dort nämlich sämtliche Annäherungsversuche. Und auf der langen Liste darf der Pharma-Riese natürlich nicht fehlen. So wollte er Giegold eine aus Unternehmenssicht verfasste „Studie“ zu den anstehenden Finanzmarkt-Reformen vorstellen. Der Global Player nutzt nämlich so umstrittene Instrumente wie Derivate - eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber - und hat Angst vor Regulierungen. Zudem befürchtet der Pille-Riese, verschärfte Eigenkapital-Vorschriften für Banken könnten die Kreditvergabe erschweren. Auch die Meinung des Konzerns zum Grünbuch „Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme“ sollte sich der Parlamentarier auf BAYERs Wunsch anhören. Und solche Avancen dürfte der Pharma-Riese auch den KollegInnen des Grünen-Politikers immer wieder machen.

EU will Werbeverbot lockern
Unter massivem Lobby-Einsatz versucht BAYER in Tateinheit mit der gesamten Branche seit geraumer Zeit, das EU-weite Werbe-Verbot für Medikamente zu kippen, um unter dem Siegel der „PatientInnen-Information“ mit seinem Milliarden-Etat noch ein wenig mehr Marketing betreiben zu können. Ganz ist ihm das nicht geglückt, denn explizite Reklame erlaubt der Gesetzesvorschlag weiterhin nicht. Dafür legt er den Begriff „Information“ recht weit aus. Darunter fallen beispielsweise auch Patientenschicksale und Krankengeschichten. „Dies wäre eine nachträgliche Legalisierung dessen, was Arzneimittel-Hersteller seit einigen Jahren praktizieren. So existieren z. B. zur Männergesundheit zahlreiche Seiten zum Thema Testosteronmangel oder der so genannten erektilen Dysfunktion, die dann in einem Atemzug auch auf entsprechende Arzneimittel zur Behebung des Mangels verweisen“, kritisiert die BUKO-PHARMAKAMPAGNE mit Verweis auf BAYERs Methoden zur Vermarktung von NEBIDO, TESTOGEL und LEVITRA. Studien, Gutachten und wissenschaftliche Veröffentlichungen gelten ebenfalls nicht als Werbung, weshalb der Pharmakologe Gerd Glaeske schon Böses ahnt. „Es gibt sehr viele Gefälligkeitsgutachten von Wissenschaftlern, die Wünsche der Pharma-Industrie erfüllen“, so der Forscher von der Universität Bremen. Und zu allem Überfluss dürfen MedizinerInnen und ApothekerInnen zudem bald Broschüren der Pillen-Riesen an die PatientInnen verteilen.

BAYER sponsort Weltverhütungstag
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zum Behagen des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht sogar heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, sponsert er darum auch 2011 wieder den Weltverhütungstag, der vor allem Jugendliche ansprechen soll.

BAYER sponsert Studierende
Der Leverkusener Multi umwirbt schon Studierende als zukünftige BAYER-KundInnen. So spendiert er beispielsweise StudentInnen der Tiermedizin Sezierbesteck, damit sie später auch schön seine Veterinär-Arzneien verschreiben.

BAYER will Forschungssubventionen
Unermüdlich fordert der Leverkusener Multi Steuererleichterungen für seine Forschungsanstrengungen. „In Europa fehlt dieses Instrument außer in Deutschland nur noch in Schweden, Solwenien, Rumänien und den baltischen Staaten“, klagte BAYERs Forschungsvorstand Wolfgang Plischke. In dem Interview mit dem Magazin GoingPublic drohte er in seiner damaligen Funktion als Vorstandsvorsitzender des vom Pharma-Riesen gegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ bei Nichtgewährung dieser Subvention sogleich mit Abwanderung. „Die Unternehmen können dieses Ungleichgewicht bei ihren Standort-Entscheidungen nicht ignorieren“, so Plischke.

200.000 Euro für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Über 200.000 Euro verteilte der Leverkusener Multi 2010 allein an die bundesrepublikanischen Verbände. Aber natürlich nicht an alle. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter- und Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Und das ist gut angelegtes Geld: „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Dr. Gerd Glaeske einmal errechnet. International greift der Pharma-Riese noch tiefer in die Tasche. So bedachte er die Blutergesellschaften rund um den Globus 2010 mit über fünf Millionen Euro. Aber diese PR-Maßnahme ist auch bitter nötig. In den 1990er Jahren starben nämlich Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Pillen-Herstellers, weil er sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatte.

45.000 Euro an Krankenhaus
Im letzten Jahr hat der Leverkusener Multi 45.000 Euro an das Klinikum Bremen-Mitte gespendet, ein weiteres Krankenhaus der Stadt erhielt immerhin noch 5.000 Euro. Auch andere Multis zeigten sich großzügig. Die Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper hätte diese Zahlen am liebsten unter Verschluss gehalten, die Veröffentlichung verdankt sich allein der Beharrlichkeit der HUMANISTISCHEN UNION. Für den Pillen-Multi dürfte sich die Investition lohnen. „Ein Pharma-Unternehmen wie BAYER zahlt das nicht aus gutem Willen zur Förderung eines guten Zwecks, die erwarten eine Gegenleistung“, kommentiert der Pharmakologe Peter Schönhöfer das Sponsoring.

45.000 Euro an „Arche“
BAYERs BEPANTHEN-Kinderförderung unterstützt seit längerem das Kinder- und Jugendwerk „Die Arche“, das dem evangelikalen Verband „Deutsche Evangelische Allianz“ angehört, und investiert damit in das SozialarbeiterInnen-Image des Konzerns. Wie im letzten Jahr honorierte er die Rückgabe einer leeren und den Erwerb einer neuen Packung der BEPANTHEN-Wundsalbe mit einem Euro für „Die Arche“. 45.000 Euro kamen so zusammen. Für die Verbreitung des PR-Coups sorgte als Medienpartner dann das Blatt Frau im Spiegel.

Umweltschutz-Studien bei BAYER
Als „Bluewashing“ kritisieren die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen die Strategie der Konzerne, sich durch Kooperationen mit den Vereinten Nationen ein gutes Image zu verschaffen. Der Leverkusener Multi tut dies hauptsächlich durch ein Sponsoring der UNEP, des Umweltprogramms der UN. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit besuchten im Herbst 2011 50 Studierende aus Afrika, Asien und Lateinamerika Leverkusen, um ausgerechnet bei BAYER Studien zum Thema „Nachhaltigkeit und Umweltschutz“ zu betreiben.

Pestizid-Entlastungsstudie
BAYER & Co. behagt das schlechte Image ihrer Ackergifte nicht. Deshalb hat ihr „Industrieverband Agrar“ (IVA) bei Professor Harald von Witzke von der Berliner Humboldt-Universität eine Entlastungsstudie bestellt. Und Witzke, der schon häufiger vom Leverkusener Multi und anderen Unternehmen gesponserte Expertisen durchgeführt hatte und auch bereits als Autor des BAYER-Magazins re:source hervortat, lieferte das gewünschte Ergebnis. „Studie belegt Wohlstandsgewinn durch moderne Landwirtschaft“, konnte der IVA vermelden. Die Agrochemikalien schalten Unkraut, Pilze und Schadinsekten aus und bescheren den konventionell arbeitenden LandwirtInnen so eine viel reichere Ernte als den Biobauern und -bäuerinnen, so das Resultat der Forschungsarbeit. Witzke hatte sogar eine Zahl parat: Auf vier Milliarden Euro bezifferte er den Pestizid-Mehrwert. „Diese Studie darf nicht folgenlos bleiben“, forderte IVA-Geschäftsführer Volker Koch-Achelpöhler daraufhin, „... Es wird Zeit, auch jene Risiken klar zu benennen, die durch den Verzicht auf den modernen Pflanzenschutz erwachsen“.

Tag der offenen Tür
Mit dem Image des Leverkusener Multis ist es wegen umstrittener Vorhaben wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und anderer Großprojekte nicht zum Besten bestellt. Darum unternimmt er viele Anstrengungen zur Rettung seines Rufes. Eine Gelegenheit dazu bot der „Tag der offenen Tür“, den BAYER und andere Chemie-Konzerne im „Jahr der Chemie“ mit besonders großem Aufwand gestalteten. In Leverkusen schaute sogar der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers persönlich vorbei, um „Chemie zum Anfassen“ zu präsentieren und Lust auf das „BAYER-Wissenschaftsabenteuerland“ zu wecken. Das größte Abenteuer boten dort Sängerinnen, welche die Forschungsphilosophie des Pharma-Riesen in Lied-Form vortrugen. Ansonsten gab es noch Chemie„park“-Führungen, Austellungen, Labor-Experimente, Hüpfburgen, Kakerlaken-Wettrennen, Flohzirkusse und TiermedizinerInnen-Sprechstunden.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Bei BAYER ist die Zahl der Tierversuche im Geschäftsjahr 2010 gegenüber 2009 von 171.251 auf 171.627 gestiegen. 92 Prozent davon unternahm der Leverkusener Multi mit Ratten und Mäusen, fünf Prozent mit Fischen und Vögeln und 0,6 Prozent mit Hunden, Katzen und Affen. Dazu kommen noch die Experimente, die der Konzern von externen Forschungszentren machen lässt. Sie wuchsen besonders stark an und erhöhten sich von 5.793 auf 19.785. „Der Anstieg ist durch die Tatsache zu erklären, dass wir mit einem Nutztier-Projekt in die finale Entwicklungsphase gekommen sind und gesetzlich geforderte Studien durchgeführt haben“, so das Unternehmen zur Begründung.

DRUGS & PILLS

YASMIN bleibt auf dem Markt
Auch in den USA sehen sich BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie wegen ihrer Nebenwirkungen zunehmender Kritik ausgesetzt. Neuere Studien weisen ein bis um den Faktor 3,3 erhöhtes Risiko für Thromboembolien aus. 190 Todesfälle binnen der letzten zehn Jahren listet die US-Gesundheitsbehörde FDA auf. Darum hat sie sich Anfang Dezember mit dem Fall „YASMIN“ befasst. Mit 15 zu 11 Stimmen votierten die von der FDA berufenen ExpertInnen knapp dafür, das Mittel auf dem Markt zu lassen. Die Behörde dürfte den Leverkusener Multi nun lediglich auffordern, auf den Verpackungen dringlicher vor den Gesundheitsgefahren zu warnen. Ähnlich defensiv verfuhr bereits das hiesige „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“.

Erweiterte XARELTO-Indikation
Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat das BAYER-Präparat XARELTO, bisher zur Thrombose-Vorbeugung nach schweren orthopädischen OPs im Einsatz, jetzt auch als Mittel zur Schlaganfall-Vorbeugung zugelassen. Sie setzte sich damit über viele, auch interne Bedenken hinweg. Eigene MitarbeiterInnen hatten sich noch Anfang September 2011 gegen die Genehmigung ausgesprochen, weil die von BAYER eingereichten Studien ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken aufwarfen. Zudem konnten sie im Vergleich zum bislang gebräuchlichen Wirkstoff Warfarin keinen therapeutischen Zusatznutzen entdecken. Aber die FDA setzte sich über diese Einwände hinweg. Nicht einmal Meldungen über Sterbefälle bei der Klinischen Erprobung des Mittels in Indien (siehe ERSTE & DRITTE WELT) konnten sie umstimmen. Der Institution waren derartige Zwischenfälle bekannt, wie sie der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mitteilte: „Die Ärzte-Information führt Tod als mögliche Nebenwirkung auf, die während der Klinischen Tests mit XARELTO auftrat“. Bei Zulassungen gelte es immer, zwischen Wirksamkeit und Sicherheit eines Medikamentes abzuwägen, so die Behörde weiter. Dank dieser Abwägung zu Gunsten der Wirksamkeit und zu Lasten der Sicherheit kann der Leverkusener Multi mit einem XARELTO-Umsatz von zwei Milliarden Euro rechnen.

ALPHARADIN-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelte ALPHARADIN, das vermittels radioaktiver Strahlung das Wachstum von Prostatatumor-Zellen hemmen soll. Männern, bei denen eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, verhalf es in einem Klinischen Test zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Trotzdem will BAYER für das Medikament im nächsten Jahr die Zulassung beantragen.

TRASYLOL-Wiederzulassung in Kanada
Im November 2007 musste BAYER das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Mehrere Studien hatten die Gefährlichkeit des Medikamentes belegt. So analysierte der Harvard-Professor Alexander Walker die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und konstatierte im Falle einer Behandlung mit TRASYLOL eine erhöhte Sterblichkeitsrate sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herzerkrankungen. „2.653 Patienten mussten zur Dialyse und 2.613 Patienten starben“, hieß es in der Expertise. Trotz dieses Befundes hat Kanada der Arznei zur Versorgung von PatientInnen nach Bypass-Operationen eine Wiederzulassung erteilt. „Nach einer sorgsamen Überprüfung kam Health Canada (die staatliche Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) zu dem Schluss, dass der Nutzen von TRASYLOL die Risiken übersteigt“, hieß es zur Begründung. Zahlreiche MedizinerInnen mochten sich diese Meinung nicht anschließen und protestierten gegen die Entscheidung.

Lieber kein ASPIRIN COMPLEX
In unendlichen Variationen bietet der Leverkusener Multi seinen „Tausendsassa“ ASPIRIN mittlerweile an. So gibt es ASPIRIN COMPLEX zur Behandlung von Erkältungssymptomen seit Kurzem auch zum Anrühren mit heißem Wasser. Die unabhängige Fachzeitschrift arznei-telegramm rät von dem Mittel mit der Wirkstoff-Kombination Acetylsalicylsäure und Pseudoephedrin allerdings ab. Vor allem am Nutzen des Amphetamin-Abkömmlings Pseudoephedrin zweifelt das Magazin, weil es gegen eine verstopfte Nase nicht so gut wirkt wie andere Wirkstoffe und zudem noch mehr Nebenwirkungen hat. Als solche zählt die Zeitschrift Angstzustände, Schlaflosigkeit, Halluzinationen, Herzrasen und steigender Blutdruck auf. Sogar ein Herzinfarkt ist der Publikation zufolge belegt.

Keine Packungsbeschränkung für ASPIRIN
Immer mehr Menschen nehmen ASPIRIN ein, was vor allem der BAYER-Werbung geschuldet ist. Dem Konzern gelingt es mit seinen Kampagnen, das Präparat nicht mehr nur als Schmerztablette, sondern auch als Mittel zur Herzinfarkt-Prophylaxe zu vermarkten. Aber mit den Umsätzen (aktuell 776 Millionen Euro), steigen auch die Zwischenfälle. Dr. Friedrich Hagenmüller von der Hamburger Asklepios-Klinik schätzt die Zahl der Todesopfer durch die ASPIRIN-Nebenwirkung „Magenbluten“ allein in der Bundesrepublik auf 1.000 bis 5.000. Da er zudem den Nutzen des „Tausendsassas“ bei der Schmerzbehandlung anzweifelt, setzt er sich für eine Handelsbeschränkung ein. Die forderte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) ebenfalls. Es trat dafür ein, die rezeptfrei abgegebenen Packungen von ASPIRIN und ähnlichen Produkten so zu verkleinern, dass sie nur noch für vier Tage reichen. Danach sollten die PatientInnen die Medikamente bloß noch auf Rezept bekommen. Dieser Vorschlag konnte vor dem auch mit Pharma-VertreterInnen besetzten „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ allerdings nicht bestehen.

Doping mit ASPIRIN
ASPIRIN erfreut sich auch im Sport-Bereich zunehmender Beliebtheit. Besonders vor strapaziösen Marathonläufe greifen die TeilnehmerInnen gerne zu dem Tausendsassa oder zu anderen Schmerzmitteln. Nach einer Untersuchung des Pharmakologen Dr. Kay Brune nahmen beim Bonn-Marathon 2009 fast zwei Drittel der LäuferInnen ASPIRIN oder ähnliche Präparate ein. Unter der sportlichen Belastung steigt die Gefahr noch einmal stark an, dass die Nebenwirkungen durchschlagen, denn der Körper versorgt während dieser Zeit die für die Entgiftung zuständigen Nieren und den Magen/Darm-Trakt weniger mit Blut als üblicherweise. Die Folge: Nierenschäden und Magengeschwüre. „Manche Sportler müssen sogar unmittelbar nach der sportlichen Höchstleistung operiert werden und verlieren Teile ihrer inneren Organe“, so Brune.

LEGANTO neu auf dem Markt
BAYER bringt das bisher unter dem Namen NEUPRO bekannte Pflaster unter der Bezeichnung LEGANTO neu heraus. Eine entsprechende Kooperation mit dem NEUPRO-Hersteller UCB gab der Leverkusener Multi im Sommer 2011 bekannt. Das mit dem dopamin-ähnlich wirkenden Rotigotin versehene Pflaster ist zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms und zur Therapie von Parkinson im Frühstadium zugelassen. In einem späterem Stadium der Krankheit dürfen es die MedizinerInnen nur gemeinsam mit einem anderen Medikament verwenden. In Tests zeigte sich das Mittel bei dieser Indikation der Substanz Ropinirol unterlegen. Die „European Medicines Agency“ ließ das Medikament, zu dessen Nebenwirkungen Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerz und Übelkeit zählen, aber trotzdem zu.

VFA beklagt sinkende Pillen-Preise
Das 2010 erlassene „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ hat die Pillen-Preise bis zum Jahr 2013 auf dem Stand von August 2009 eingefroren und den Hersteller-Rabatt für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent erhöht. Das hat nach Berechnungen des „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ (VFA), den BAYER gegründet hat, die Arzneien im Durchschnitt um drei Prozent billiger gemacht, was zu entsprechenden Mindereinnahmen bei den Pharma-Multis geführt hat. Allein das neue Rabatt-Reglement kostet die Konzerne 1,5 Milliarden Euro.

Personalisierte Medizin floppt
Die personalisierte Medizin, also die Entwicklung einer passgenauen, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichteten Therapie-Form, erfüllt die in sie gesteckten Erwartungen nicht. „Die Sache ist komplizierter als gedacht“, räumt BAYERs Pharma-Forscher Jörg Müller ein. Besonders bei Herz/Kreislauf-Erkrankungen hapert es noch. „Kardiologische Erkrankungen sind auf molekularer Ebene viel weniger erforscht, als das bei Krebs-Indikationen der Fall ist“, stellt sein Kollege Helmut Haning fest. Zudem ist „Personalisierte Medizin“ oftmals nur ein Euphemismus für ein dem Großteil der PatientInnen nicht zumutbares Medikament. Wenn eine Arznei in einem Klinischen Test bei der Mehrheit der ProbandInnen keine positiven Effekte zeitigt, picken sich die Pharma-Multis die Minderheit heraus und deklarieren die Pille als maßgeschneidert für ebendiese Gruppe. Das hat auch der Leverkusener Multi vor. Da sein Pharmazeutikum XARELTO bei der Indikation „Thrombose“ in Tests nicht besser als die bisherige Standardmedikation abschnitt, will er sich nun diejenigen TeilnehmerInnen herausfiltern, bei denen es doch anschlug, um wenigstens ein personalisiertes XARELTO für dieses Anwendungsgebiet herausbringen zu können.

Neuer Anlauf für Positivliste?
Viele GesundheitsministerInnen haben sich schon bemüht, die unübersehbare Menge der auf dem Markt befindlichen Arzneimittel durch eine Positivliste zu beschränken. Allesamt scheiterten sie jedoch am Widerstand von BAYER & Co. Jetzt unternehmen CDU und FDP einen neuen Anlauf. Die Parteien wollen parallel zum LandärztInnen-Gesetz einen Modellversuch starten, der die MedizinerInnen auf die Verordnung bestimmter, in einem Katalog festgehaltener Arzneien verpflichtet. Warnungen vor einer „standardisierten Kochbuch-Medizin“ ließen da nicht lange auf sich warten, und allen bisherigen Erfahrungen nach zu urteilen, dürfte das Projekt keine großen Chancen haben.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endosulfan-Verbot beschlossen
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan in anderen Ländern ebenfalls nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Und jetzt darf der Multi auch gar nicht mehr anders: Die 133 der „Stockholmer Konvention“ angeschlossenen Staaten haben sich zu einem weltweiten Bann entschlossen. Allerdings gestalteten sich die Verhandlungen schwierig, und Indien, China und Uganda stimmten der Einigung nur gegen die Gewährung von Ausnahmegenehmigungen zu. Ganz verschwindet das Ultragift damit also nicht.

PFLANZEN & SAATEN

Zugriff auf Hybridreis-Zucht
Ende September 2011 erwarb BAYER Zugriffsrechte auf das Hybridreis-Zuchtprogramm der brasilianischen Firma FAZENDA ANA PAULA. Bei Hybrid-Reis handelt es sich um solche Pflanzen, welche die LandwirtInnen nicht wiederaussäen können, was die Abhängigkeit von den Konzernen steigert (siehe auch SWB 1/10). Darum engagiert sich der Leverkusener Multi auch stark auf diesem Gebiet. Er hat in Ländern wie Indonesien, Brasilien, Burma, China, Thailand, den Philippinen und Vietnam Kooperationen mit den Regierungen vereinbart hat, um ARIZE und andere Sorten durchzusetzen. Bauern und Bäuerinnen haben mit ihnen denkbar schlechte Erfahrungen gemacht. So klagen etwa indonesische FarmerInnen über ARIZE, weil er hohe Produktionskosten verursacht, schlecht schmeckt und anfälliger gegenüber Schadinsekten ist. Da der Agro-Riese das Produkt zudem auf die industrielle Landwirtschaft zugeschnitten hat, warnt die Initiative ALLIANCE OF AGRARIAN REFORM MOVEMENT im Land bereits vor einem Bauernsterben durch ARIZE & Co.

Mehr Bioscience
BAYER entwickelt pro Jahr mehr als 100 neue Pflanzen- und Gemüsesorten. Und es sollen noch mehr werden. Der Konzern kündigte nämlich an, seine Forschungsausgaben in der Sparte „Bioscience“ bis 2015 auf 400 Millionen Euro zu verdoppeln. Und neben neuen Gentech-Arten (siehe GENE & KLONE) will der Agro-Multi mit diesem Geld auch mehr Saatgut und auf konventionellem Wege veränderte Ackerfrüchte entwickeln.

Weizen-Kooperation mit Uni
Der Leverkusener Multi hat mit der US-amerikanischen „South Dakota State University“ eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet „Weizen-Saatgut“ vereinbart. Nach dem Vertrag gewähren sich die Partner gegenseitig den Zugriff auf ihr Zuchtmaterial, was dem Konzern die Möglichkeit eröffnet, neue Sorten zu entwickeln. Das gewachsene Interesse des Global Players an der weltweit am häufigsten angebauten Kulturpflanze belegen auch neuere Kooperationen mit dem französischen Unternehmen RAGT, der australischen Forschungseinrichtung „Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation“ (CSIRO), mit dem israelischen Biotech-Betrieb EVOGENE und der Universität von Nebraska sowie der Erwerb zweier Zuchtprogramme von ukrainischen Gesellschaften. Der erste Weizen made by BAYER ist für das Jahr 2015 angekündigt.

Weizenzucht-Zentrum in Gatersleben
BAYER errichtet im Biotech„park“ Gatersleben ein Europäisches Weizenzucht-Zentrum und verstärkt damit sein Engagement auf diesem Gebiet (s.o.) weiter. Auf dem Gelände, auf dem sich auch das „Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzen-Forschung“ befindet, hat der Multi Großes im Sinn. „Unser Team im Europäischen Weizenzucht-Zentrum wird erstklassige, an europäische Bedingungen angepasste Sorten entwickeln. Mit diesen Sorten und unserem führenden Portfolio an Pflanzenschutz-Produkten werden wir in Zukunft Lösungen für eine nachhaltige Getreide-Produktion von der Aussaat bis zur Ernte anbieten können“, erklärte der Agro-Riese. Ähnliche Zentren wie das in Gatersleben plant er in den USA, in Australien, Asien und Lateinamerika. Und um auch den ganzen Nutzen aus der Wertschöpfungskette „Weizen“ ziehen und die LandwirtInnen in eine größere Abhängigkeit treiben zu können, fordert der Global Player auch für nicht per Gentechnik entwickelte Ackerfrüchte eine Patent-Regelung ein (siehe Ticker 4/11).

GENE & KLONE

BAYER testet Krebsmittel
Das Biotech-Unternehmen MORPHOSYS hat einen Antikörper zur Tumor-Behandlung entdeckt und will ihn gemeinsam mit BAYER bis zur Produktreife entwickeln. Die Klinischen Tests der Phase I haben im Herbst 2011 begonnen. Die bisherigen Erfahrungen machen allerdings skeptisch. Bislang ist es dem Leverkusener Multi noch nie gelungen, ein Krebspräparat auf den Markt zu bringen, welches das Leben der PatientInnen mehr als drei Monate verlängert.

BAYER-Gensoja nicht zugelassen
Ein ExpertInnen-Gremium der EU konnte sich nicht über die Zulassung von BAYERs Gensoja der BASTA-Produktreihe einigen. Deshalb muss sich jetzt eine höhere Instanz mit dem Fall beschäftigen. Die COORDINATON GEGEN BAYER-GEFAHREN tritt schon seit längerem für ein Importverbot ein. Die Pflanze ist nämlich durch eine auf gentechnischem Wege eingebaute Resistenz auf den Gebrauch des hochgefährlichen Herbizides Glufosinat abgestimmt, dessen Gebrauch die Europäische Union ab 2017 verboten hat.

Mehr Gentech-Forschung
BAYER will die Forschungsausgaben im Bereich „Bioscience“ bis zum Jahr 2015 auf 400 Millionen Euro verdoppeln. Da sich die Hälfte der Projekte in dieser Sparte mit der „grünen Gentechnik“ befasst, dürfte deshalb in Zukunft mit mehr Laborfrüchten made by BAYER zu rechnen sein.

Neues Gentech-Verfahren
Durch die Nutzung einer Technologie, die das US-Unternehmen PRECISION BIOSCIENCE entwickelt hat, ist es BAYER-ForscherInnen gelungen, eine neue Erbanlage in eine bereits gen-veränderte Pflanze einzubauen. „Durch die zielgenaue Integration vorteilhafter Pflanzen-Eigenschaften lässt sich die Produktentwicklung vereinfachen und die Zeit bis zur Marktreife verkürzen“, jubiliert der Konzern.

WASSER, BODEN & LUFT

„Map Ta Phut“-Gesetz scheitert vorerst
Im thailändischen Map Ta Phut liegt eine der größten Industriezonen der Welt. Sie sollte noch größer werden, aber den AnwohnerInnen reichten schon die bisherigen Umweltbelastungen. Sie klagten, und 2009 gab ein Gericht ihnen Recht. Es stoppte 76 Bauvorhaben, darunter zwei des Leverkusener Multis, der seine Bisphenol- und seine Polycarbonat-Produktion erweitern wollte (SWB 1/11). Inzwischen ist das Moratorium wieder aufgehoben. Die Regionalregierung versprach jedoch einen besseren Gesundheitsschutz. Eine unabhängige Kommission erarbeitete dann auch einen Gesetzesvorschlag. Der allerdings fand im September 2011 nicht die Gnade der Politik. Sie gab eine Überarbeitung in Auftrag, was die Initiative EASTERN PEOPLE‘S NETWORK zu herber Kritik veranlasste.

Kooperation mit der Müll-Mafia
BAYER und andere bundesdeutsche Unternehmen haben in den 1960er bis 1980er Jahren die Dienste der Mafia in Anspruch genommen, um ihren Giftmüll zu entsorgen. Die Abfälle landeten zunächst in Afrika. Als es dort zu Protesten kam, versenkte die kriminelle Vereinigung die Produktionsreste mitsamt Schiffen einfach auf hoher See. Ca. 30 von ihnen schlummern heute noch auf dem Meeresgrund. „Es war ein weitverzweigtes Netzwerk. Ein internationales Netzwerk, bestehend aus Drecksarbeitern und Saubermännern, bis in höchste politische Ebenen vernetzt, mit Ausläufern auf dem ganzen Erdball“, sagt der Journalist Sandro Mattioli, der gemeinsam mit seinem Kollegen Andrea Palladino über diesen Fall das Buch „Die Müllmafia“ geschrieben hat. Ernsthafte Bemühungen, diesen Skandal aufzudecken, gab es nur in den 1990er Jahren - und der damalige Hauptermittler Natale de Grazia bezahlte das mit seinem Leben.

Dormagen: Aus für Müllkraftwerk
Der Leverkusener Multi hat Planungen für ein Müllkraftwerk in Dormagen aufgegeben, da das zu erwartende Abfall-Volumen nicht ausreicht, um es rentabel betreiben zu können. Auch in Brunsbüttel stocken die Vorbereitungen für einen solchen Ofen, der mehr Schadstoffe produziert als herkömmliche Rückstandsverbrennungsanlagen, weshalb die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Bau-Bestrebungen bereits seit längerem kritisiert (siehe SWB 1/08).

BAYER initiiert „CleantechNRW“
Unter Nachhaltigkeit versteht der Leverkusener Multi vor allem Ressourcen-Effizienz. Aber die Umwelt profitiert im Gegensatz zum Unternehmensetat nicht unbedingt von einem sparsamen Umgang mit den Rohstoffen. So lobt sich der Konzern zwar immer wieder selbst dafür, den Energie-Einsatz pro Produktionseinheit heruntergefahren zu haben, schweigt aber lieber über den trotzdem in absoluten Zahlen gestiegenen Kohlendioxid-Ausstoß. Da wundert es nicht, dass sich der auf BAYERs Initiative hin entstandene Verbund „CleantechNRW“ auch diesem Paradigma verschrieben hat. „Ich bin überzeugt, dass CleanTechNRW einen hervorragenden Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts NRW leisten kann. Auch, weil es sich mutig und klar zu bestimmten Zukunftsthemen bekennt - wie dem Klimawandel und der Ressourcen-Effizienz“, sagt etwa BAYER-Chef Marijn Dekkers. Neben solchen Projekten will sich das Cluster vor allem der Entwicklung von Batterien für Elektroautos und der Gewinnung von Wasserstoff und Methan aus gasförmigen Abfallstoffen widmen.

BAYER sieht Energiewende skeptisch
Der Leverkusener Multi vermag dem Ausstieg aus der Atomkraft nichts Positives abgewinnen, weil er höhere Energiekosten befürchtet. Auf die Frage des Magazins Process: „Könnte die Energiewende im Hinblick auf eine energie-effiziente Produktion zum Antrieb werden?“ antwortete BAYER-Chef Marijn Dekkers: „Daran glaube ich nicht. Wäre es so, müssten sich alle Mitbewerber um deutsche Standorte reißen, um in den Genuss dieser ‚Antriebskräfte‘ zu kommen.“

Plan B zum Gaskraftwerk
Nach massiven Protesten musste TRIANEL darauf verzichten, auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld ein klima-schädigendes Kohlekraftwerk zu errichten. Nun plant BAYER gemeinsam mit TRIANEL ein Gas- und Dampfkraftwerk. Aber so ganz in trockenen Tüchern ist das Vorhaben noch nicht. „Ob dieses Projekt wirtschaftlich umsetzbar ist, wird sich im Laufe der Projekt-Entwicklung zeigen“, heißt es von Seiten des Leverkusener Multis. Darum hält er sich auch die Alternative einer „Eigenlösung“ offen und hat bei der Bezirksregierung einen Genehmigungsantrag zum Bau einer gas-betriebenen Kessel-Anlage gestellt.

Emissionshandel ohne Effekt
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einem bestimmten Volumen zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen. Aber die disziplinarische Wirkung dieser Maßnahme hält sich in Grenzen. Die Unternehmen erhalten nämlich immer noch viel zu viel Gratis-Lizenzen zur Klimaschädigung. 1,97 Milliarden Tonnen Kohlendioxid dürfen sie 2013 ungestraft ausstoßen, nur geringfügig weniger als momentan (2,08 Milliarden Tonnen). So kann der Leverkusener Multi munter seinen CO2-Ausstoß steigern (aktuell 8,5 Millionen Tonnen), „ohne in größerem Umfang Zertifikate zukaufen zu müssen“, wie es im Nachhaltigkeitsbericht heißt.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER drittgrößter Chlorproduzent
Chlor-Verbindungen gehören zu den gesundheitsschädlichsten und umweltbelastendsten Substanzen überhaupt. Trotzdem unternimmt BAYER kaum Anstrengungen, das Gas als Grundstoff für Chemie-Produkte wie etwa Polyurethan zu ersetzen. So stellen in Europa nur noch DOW CHEMICAL und SOLVAY mehr Chlor her als der Leverkusener Multi. Auf eine Jahres-Kapazitä

[Marketing] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

BAYERs Marketing-Offensive

Mehr Werbung, weniger Innovation

Fast neun Milliarden Euro gab der Leverkusener Multi im letzten Jahr für Werbung, „Kundenberatung“, Pharma-ReferentInnen und sonstige Vertriebskosten aus. Und es darf noch ein bisschen mehr sein. BAYER-Chef Marijn Dekkers will den Marketing-Etat weiter erhöhen und das Geld dafür durch Arbeitsplatzvernichtung „erwirtschaften“. „Die neuen Produkte müssen schließlich auch verkauft werden“, meint er. Die Westdeutsche Zeitung fürchtet nicht zu Unrecht schon das Schlimmste. „Das riecht nach Mauscheleien zwischen Pharma-Firmen, Ärzten und Apothekern. Davon sollte Dekkers lieber die Finger lassen“, rät das Blatt.

„Meine größte Aufgabe als CEO von BAYER ist es, unsere Innovationskraft zu stärken und die Vermarktung unserer Innovationen zu verbessern“, sagte der neue Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers bei seinem ersten großen öffentlichen Auftritt im Dezember 2010. Taten sind den Worten jedoch nur teilweise gefolgt. Die Innovationskraft stärkte der Konzern-Chef nicht. Mit 3,1 Milliarden Euro bewegen sich die Forschungsausgaben 2011 nur auf demselben Niveau wie im Vorjahr. Zudem schließt Dekkers eigene Entwicklungsabteilungen und bedient sich mehr außer Haus bei Firmen, die ein Präparat liefern, das bloß noch des Feintunings bedarf. Dafür kündigte er eine drastische Erhöhung der Marketing-Aufwendungen an. „Die neuen Produkte müssen schließlich auch verkauft werden“, so lautet die Begründung.
Doch das kostet. Darum kündigte der BAYER-Boss in einem Atemzug mit der Verkaufsoffensive und einem größeren Engagement in den Schwellenländern ein 800 Millionen Euro schweres Rationalisierungsprogramm an, das an den alten Standorten 4.500 Arbeitsplätze vernichtet. Und um bereits ein wenig von dem neuen Geist zu künden, legte er sich marketing-technisch schon einmal ziemlich ins Zeug und warb mit dem Slogan „Mehr Innovation, weniger Administration“ für das Sparpaket.

Vertriebskosten: 9 Mrd.
Dabei gibt der Global Player schon jetzt mehr als genug für Werbe-Maßnahmen aus. Auf 8,8 Milliarden Euro beliefen sich die Vertriebskosten 2010 - eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 11 Prozent! Nach den Herstellungskosten nimmt dieser Posten damit den zweiten Rang unter den Ausgaben des Unternehmens ein. Für Forschung & Entwicklung und Verwaltungsaufgaben (1,6 Milliarden) wendet es bedeutend weniger auf. Unter „Vertriebskosten“ subsummiert BAYER zwar auch die physische Distribution der Güter, die Lagerhaltung sowie Provisions- und Lizenz-Zahlungen, aber das reine Marketing macht den größten Teil der Summe aus. Der Vertriebsinnen- und -außendienst, also Pharma-DrückerInnen & Co., war dem Pillen-Riesen über vier Milliarden Euro (2009: 3,75 Mrd.) wert, „Werbung und Kundenberatung“ zwei Milliarden Euro (2009: 1,86 Mrd.). „Sonstige Vertriebskosten“ schlugen mit einer Milliarde zu Buche. „Der Anstieg ist im Wesentlichen auf höhere Vertriebskosten bei HealthCare zurückzuführen“, heißt es im Geschäftsbericht, ein Viertel des Arznei-Umsatzes reinvestierte der Multi in diesen Bereich. Teuer kam ihn vor allem die Lancierung neuer Medikamente. So dürfte dann auch die bevorstehende Markteinführung von XARELTO, das der Konzern trotz nur wenig überzeugender Test-Ergebnisse auch als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe einsetzen will, einer der Hauptgründe für den nochmals aufgestockten Werbe-Etat sein.

Werbung vor Gericht
Die Ausführungen zu den Vertriebskosten nehmen in dem 628 Seiten starken Geschäftsbericht zusammengerechnet nicht einmal eine Seite ein. Darum hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den BAYER-Hauptversammlungen immer wieder nach einer genaueren Aufschlüsselung der Zahlen verlangt. Aber der Vorstand mauerte und verwies auf das Geschäftsgeheimnis. Er hatte dafür gute Gründe, denn nicht immer bewegen sich die Reklame-Aktivitäten des Arznei-Herstellers im Rahmen des gesetzlich Erlaubten. Darum kam der Westdeutschen Zeitung auch gleich bei Dekkers Bekanntgabe der Werbe-Offensive ein Verdacht: „Das riecht nach Mauscheleien zwischen Pharma-Firmen, Ärzten und Apothekern“.
Mit solchen und anderen Mauscheleien tat sich BAYER auch in den vier Jahren seit der letzten Recherche von Stichwort BAYER (siehe SWB 4/07) nur allzuoft hervor. So setzte der Konzern etwa einen bundesweiten ASPIRIN-Preis von exakt 4,97 Euro durch. Der Leverkusener Multi schloss zu diesem Behufe Verträge mit mehr als 11.000 Apotheken und gewährte ihnen einen Rabatt von drei Prozent, wenn sie die „unverbindliche Preisempfehlung“ des Global Players als verbindlich ansahen. In Tateinheit mit anderen Unternehmen gelang es ihm sogar, die Apotheker-Verbände dazu zu bewegen, diese Lösung auf die gesamte Pillen-Produktpalette auszudehnen. Aber das Bundeskartellamt deckte schließlich beide Vergehen auf und verhängte Strafen. Der ASPIRIN-Deal kostete BAYER über zehn Millionen Euro, das zweite Delikt ahndete die Behörde weniger streng: 465.000 Euro forderte sie von den Arznei-Produzenten ein.
Gegen die Reklame für den Tausendsassa mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure schritten die zuständigen Institutionen ebenfalls schon des öfteren ein. So untersagte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA BAYER 2008, eine Kombination von ASPIRIN mit dem Nahrungsergänzungsmittel Phytosterol als „best of both worlds“ zu bewerben. Nach ihrem Befund war das Ganze weniger als die Summe seiner Teile - das Phytosterol hob nämlich die Effekte der Acetylsalicylsäure auf. Und 2009 verboten staatliche Stellen in Brasilien die ASPIRIN-Kampagne „Eine Welt für weniger Schmerz“, weil sie zu einem unsachgemäßen Gebrauch des Medikamentes animierte und seine Risiken und Nebenwirkungen verharmloste.
Dies tat auch ein TV-Spot von 2008, der das Kontrazeptivum YAZ aus der YASMIN-Produktfamilie anpries. Er stellte positive Nebenwirkungen der Pille auf Akne und das prämenstruelle Syndrom heraus, die es nicht gab, und vergaß darüber die weniger positiven Nebenwirkungen zu erwähnen, die es tatsächlich gab. „Das ist besonders besorgniserregend, weil einige dieser Risiken erheblich, sogar lebensbedrohlich sind“, urteilte die FDA im Wissen um damals fast 100 Todesfälle allein in den USA. Der Pharma-Riese musste deshalb für 20 Millionen Dollar eine Gegendarstellung in eigener Sache produzieren. Eine Lehre war ihm das jedoch nicht. Schon bald darauf schritt die Behörde wegen eines gesponserten Links zu einer verharmlosenden YAZ-Werbung wieder ein. Und in diesem Jahr sah das Selbstkontroll-Organ der britischen Pharma-Industrie, die „Prescription Medicines Code of Practice Authority“ (PMCPA), Handlungsbedarf: BAYER hatte in dem Land YASMIN als Mittel mit dem Zusatznutzen „gegen Akne“ und „gegen Wassereinlagerungen“ beworben, um dann im Kleingedruckten „Akne“ und „Wassereinlagerungen“ als mögliche Nebenwirkungen aufzuführen. Als „hochgradig unethisch“ empfand das die PMCPA und wies den Global Player zurecht.

Marketing-Maßnahmen für die Hormonspirale MIRENA und das Potenzmittel LEVITRA beanstandeten die Aufsichtsbehörden ebenfalls bereits. So richtig teuer wurde aber nur eine irreführende Werbung für das Vitamin-Präparat ONE-A-DAY. 3,3 Millionen Dollar kostete es den Leverkusener Multi, das Mittel zur Prostatakrebs-Vorbeugung zu empfehlen, obwohl es das Risiko für diese Krankheit erhöht

World Wide Werbung
Als neuen Tummelplatz für Marketing-Aktivitäten hat BAYER seit einiger Zeit das Internet entdeckt; immer mehr Geld fließt in diesen Bereich. Und auch im World Wide Web ist das Unternehmen schon unangenehm aufgefallen. So intervenierte die US-Gesundheitsbehörde nicht nur wegen eines gesponserten Links zu einer YAZ-Website, welche die Gefahren des Mittels verschwieg (s.o.), sondern auch wegen eines solchen zu einer MIRENA- und zu einer LEVITRA-Seite. Die PMCPA hingegen rügte den Multi dafür, die Kommunikationsplattform Twitter dafür genutzt zu haben, verbotenerweise für verschreibungspflichtige Arzneien wie LEVITRA und die Multiple-Sklerose-Arznei SATIVEX zu werben. Und das „Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz“ strengte auf Initiative der BUKO PHARMA-KAMPAGNE hin ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Pillen-Produzenten wegen unsachgemäß informierender Web-Auftritte der Verhütungsmittel VALETTE und PETIBELLE an. Die Behörde stellte es jedoch wieder ein.
Dabei hat schon die pure Existenz dieser Internet-Plattformen ein Geschmäckle - zumindest in der Bundesrepublik. Hierzulande verbietet das Gesetz es nämlich, für verschreibungspflichtige Arzneien offensiv Verkaufsförderung zu betreiben. Deshalb tarnen sich die Kontrazeptiva-Seiten auch als Informationsangebote und versprechen etwa „Alles über die Pille und mehr“. Sie vermeiden es tunlichst, sich nach den Verhütungsmitteln zu benennen und heißen unverfänglich einfach www.pille.com oder ähnlich, haben jedoch trotz aller Ratgeber-Anmutung nur den einen Zweck: den Absatz von YASMIN & Co. zu erhöhen.
Für BAYERs Potenz-Pille LEVITRA erfüllt LoveGent, das „Emag für den Gentleman 2.0“, diesen Zweck. Es kommt als Männermagazin daher, bietet einschlägige Artikel zu den Themen „Die schnelle Nummer“, „Männerspielzeug“ oder „Prostitution“ nebst „Experten“-Rat von Prof. Dr. Frank Sommer. Der Produktname fällt nie. Es ist nur allgemein von Potenzmitteln die Rede, selbstverständlich unter Ausklammerung ihrer Nebenwirkungen wie Hör- und Sehschäden oder temporärer Gedächtnisverlust, und bloß im Kleingedruckten findet sich ein Hinweis auf die BAYER-Tochter JENAPHARM als Urheberin der Seite.
Dafür verweist ein Link auf www.testosteron.de, eine sich ähnlich tarnende Website des Pharma-Riesen. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Testosteronmangel als Krankheit für ein in die Jahre kommendes starkes Geschlecht zu etablieren und im gleichen Atemzug die entsprechenden Pillen an den Mann zu bringen. „Dabei ist weder belegt, ob Testosteron gegen die Beschwerden hilft, noch sind die Langzeit-Risiken einer Testosteron-Behandlung geklärt“, kritisiert der BUKO das Portal.
Auch in anderen Ländern ist die direkte Arzneimittel-Werbung verboten, aber auch dort findet der Pillen-Mogul „kreative Lösungen“. In Indien etwa, wo der Staat nur Aufklärungskampagnen zulässt, klärt der Konzern zum Weltverhütungstag mit zwei Aufklärerinnen auf, die just so heißen wie seine Verhütungsmittel. „Ganz subtiles Product Placement“ nennt das der BUKO in seiner Broschüre „Um jeden Preis“.

Graubereiche
Aber Graubereiche des Marketings erschließt sich das Unternehmen nicht nur im Internet. Auch in der realen Welt operiert es gerne in diesem Bereich. So engagiert BAYER MedizinerInnen für so genannte Beobachtungsstudien, etwa mit dem Multiple-Sklerose-Präparat BETAFERON. Die ÄrztInnen entlocken ihren PatientInnen ein paar Angaben zur Verträglichkeit des Medikamentes und füllen einen kleinen Fragebogen aus. Einen wissenschaftlichen Wert hat das Ganze nicht - nur einen betriebswirtschaftlichen. In Wirklichkeit dienen die Anwendungsuntersuchungen nämlich nur dazu, die Kranken auf die neue Arznei einzustellen. Dafür erhalten die DoktorInnen dann bis zu 1.000 Euro - „Fangprämien“ hat sie ein ehemaliger Krankenkassen-Chef deshalb auch genannt.
Und die zahlreichen Pharma-ReferentInnen, welche die Praxen heimsuchen, bringen ebenfalls immer etwas mit. Einer der DrückerInnen der Firma GERMAN REMEDIES, die in Indien für BAYER, BOEHRINGER und andere Hersteller Arzttermine wahrnimmt, plaudert gegenüber dem BUKO ganz offen über das Investitionsmodell. „Als Faustregel gilt: Ein Arzt muss uns zehnmal so viel einbringen, wie wir in ihn investieren. Wir stecken pro Jahr oft fünf Millionen Rupies (ca. 75.000 Euro, Anm. SWB) in einen Arzt oder eine Ärztin, und jetzt können Sie sich ausrechnen, wie viel wir an ihm oder ihr verdienen“, so der Außendienstler.
Darüber hinaus hält sich der Leverkusener Multi die MedizinerInnen-Schar durch die finanzielle Unterstützung ihrer Kongresse und medizinischen Fachgesellschaften gewogen. Zudem bietet er für sie Fortbildungsveranstaltungen an, deren Erkenntniswert sich umgekehrt proportional zu ihrem Freizeitwert verhält. So lud der Konzern 2009 etwa 700 FrauenärztInnen ins Berliner Hotel Andel‘s zu den „GynSights“ ein, um die DoktorInnen über das Neueste in der Kontrazeptiva-Produktpalette - das Verhütungsmittel QLAIRA - zu unterrichten und ihnen die Stadt zu zeigen. Auch um die geistige Entwicklung von JournalistInnen kümmert sich der Global Player. Für die MedienarbeiterInnen hält er - selbstverständlich kostenlose - Seminare bereit, in denen sie lernen können, was BAYER so unter angemessener Berichterstattung versteht. Und wer das schon gut beherrscht, der darf auf einen der zahlreichen Preise hoffen, mit denen das Unternehmen die publizistische Landschaft pflegt.
Ebenso fragwürdig erscheint das Sponsoring von Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen. Über 200.000 Euro verteilt der Leverkusener Multi allein an die bundesrepublikanischen Verbände. Aber natürlich nicht an alle. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter- und Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Und das ist gut angelegtes Geld: „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Gerd Glaeske einmal errechnet. International greift der Pharma-Riese noch tiefer in die Tasche. So bedachte er die Blutergesellschaften rund um den Globus 2010 mit über fünf Millionen Euro. Aber diese PR-Maßnahme ist auch bitter nötig. In den 1990er Jahren starben nämlich Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Pillen-Herstellers, weil er sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatte.

Für alle diese Aktivitäten haben die rund 4.000 im Marketing beschäftigten Angestellten der Gesundheitssparte bald noch mehr Ressourcen zur Verfügung. In der Abteilung für freiverkäufliche - und deshalb - frei bewerbbare - Medikamente ist das Ganze seit Kurzem auch Chefsache. Mit Erica Mann leitet „Consumer Care“ nämlich zum ersten Mal jemand, der über ein Diplom in Marketing-Management als Qualifikation verfügt. Während Mann und ihrer Mannschaft alle Reklame-Wege offenstehen, müssen sich die KollegInnen aus dem Bereich der rezeptpflichtigen Arzneien noch mit allerlei Restriktionen herumschlagen. Darum setzt sich BAYER auch vehement für eine Ausweitung der Marketing-Zone ein. Unter massivem Lobby-Einsatz versucht der Konzern in Tateinheit mit der gesamten Branche seit geraumer Zeit, das EU-weite Werbe-Verbot zu kippen, um unter dem Siegel der „PatientInnen-Information“ mit seinem Milliarden-Etat noch ein wenig mehr Marketing betreiben zu können. Von Jan Pehrke

Xarelto

CBG Redaktion

Presse Information vom 10. November 2011
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

Xarelto: Bedenken nicht ausgeräumt

Trotz interner Warnungen hat die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) eine Zulassung des Gerinnungshemmers Xarelto zur Schlaganfall-Prävention erteilt. Nach Auffassung der Coordination gegen BAYER-Gefahren wurden die Bedenken bezüglich der Sicherheit des Medikaments jedoch nicht ausgeräumt. Bei Studien mit dem BAYER-Präparat war es mehrfach zu Todesfällen gekommen.

Erst im September kamen Berater der amerikanische Food and Drug Administration (FDA) zu dem Ergebnis, dass Xarelto keine Vorteile gegenüber dem seit langem etablierten Gerinnungshemmer Warfarin (in Deutschland: Marcumar) bietet. Die von BAYER eingereichten Studien warfen ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken auf. Nach Aussage der Experten zeigte die von BAYER eingereichte Studie (Rocket-AF) nur deshalb eine vergleichbare Wirksamkeit von Warfarin und Xarelto, da die mit Warfarin behandelten Patienten nicht die optimale Dosis erhalten hatten. Außerdem waren mehrere Probanden nach dem Absetzen von Xarelto gestorben.

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die zahlreichen Meldungen über Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden lassen die Genehmigung von Xarelto zur Schlaganfall-Prophylaxe nicht ratsam erscheinen. Wir fordern grundsätzlich, dass Präparate, die gegenüber älteren Mitteln keinen Vorteil bieten, nicht zugelassen werden. Xarelto ist hierfür ein Paradebeispiel.“

Die US-Initiative Public Citizen kritisiert überdies, dass bei den BAYER-Studien vor allem Versuchsteilnehmer in Entwicklungsländern nicht richtig mit Warfarin eingestellt wurden. So bekamen nur 36 Prozent der indischen Probanden eine angemessene Warfarin-Therapie und setzten sich so einem erhöhten Schlaganfall-Risiko aus. Darüber hinaus rügt die Gruppe die Darreichungsform. Die Proband/innen mussten die ganze Dosis auf einmal einnehmen, was mit höheren Gefahren verbunden ist als eine Verteilung über den Tag. Einzig marketing-technische Erwägungen vermutet Public Citizen hinter dieser Wahl und riet der FDA wegen solcher Verstöße gegen medizinische und ethische Standards von einer Zulassung ab.

In Indien waren mindestens vier Proband/innen bei Xarelto-Studien ums Leben gekommen. Das Präparat soll daher in den USA mit einem Warnhinweis versehen werden, wonach Patienten das Medikament nicht ohne ärztliche Rücksprache absetzen sollen, da sonst das Risiko von Schlaganfällen steigt. BAYER hatte den Hinterbliebenen der in Indien Verstorbenen jeweils bloß 5.250 Dollar Entschädigung gezahlt.

In Europa ist Xarelto bislang nur zur Thrombose-Prophylaxe nach schweren orthopädischen Operationen zugelassen. Der Zulassungsprozess gestaltete sich wegen der vielen Nebenwirkungen und der ungeklärten Langzeitwirkung von Beginn an schwierig. Um den Umsatz zu steigern, hatte Bayer zusätzlich einen Zulassungsantrag für die weitaus lukrativere Schlaganfall-Prophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern gestellt. Vorhofflimmern ist eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen, allein in Europa sind davon mehr als 6 Millionen Menschen betroffen.

Auch als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen möchte BAYER das Präparat einsetzen. Gegenüber bislang verwendeten Medikamenten konnte jedoch auch für diese Anwendung kein Vorteil gezeigt werden. Die sogenannte Magellan-Studie war laut BAYER lediglich darauf ausgelegt, bei mehr als 3.400 teilnehmenden Patienten nachzuweisen, dass Xarelto der Vergleichsmedikation „nicht unterlegen ist“. Selbst nach Aussage von BAYER wies das Präparat jedoch „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“ auf.

weitere Informationen:
=> Public Citizen: Xarelto approval for stroke prevention rejected
=> Xarelto: Todesfälle in Indien

Wirtschaftswoche, 7. September 2011

FDA zweifelt an neuem Medikament

Schwarzer Tag für Bayer

Die US-Zulassungsbehörde FDA hat Zweifel an einem neuen Bayer-Medikament. Die Aktie des Leverkusener Pharma- und Chemiekonzerns verlor zeitweise um zwölf Prozent.

Eine Verzögerung – oder gar eine spätere Ablehnung – würde für Bayer und den neuen Konzernchef Marijn Dekkers ein ziemliches Desaster bedeuten. Entwickelt wurde Xarelto im wesentlichen am Forschungs- und Entwicklungsstandort Wuppertal. Für ihre Arbeit wurden die Forscher sogar vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet. Erst kürzlich besuchte Nachfolger Christian Wulff das Team in Wuppertal.
Bayer-Chef Dekkers hatte sich vor einigen Wochen im WirtschaftsWoche-Interview optimistisch über Xarelto geäußert: „Wir sind sehr zuversichtlich und rechnen unverändert mit einer Markteinführung im dritten oder vierten Quartal 2011 – schließlich haben wir das Präparat an 65 000 bis 70 000 Patienten getestet.“
Nun könnte alles anders kommen. Die FDA verlangt bessere Informationen zu Xarelto. Die Experten argwöhnen auch, dass Bayer einen Vergleichstest mit dem Standardmedikament Warfarin nicht fair und adäquat durchgeführt haben könnte, um Xarelto einen Vorteil zu verschaffen.
Das Leverkusener Unternehmen geht dagegen weiterhin von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis von Xarelto im Vergleich zu Warfarin aus. Zudem verursache Xarelto weniger Blutungen.
„Wir freuen uns auf eine offene und produktive Diskussion mit den FDA-Beratern und vertrauen auf die Ergebnissse der Rocket-AF.Studie“, sagt Bayer-Entwicklungschef Kemal Malik. Ob ihm die Diskussion am Ende auch noch Freude macht, wird sich zeigen.
Doch auch, wenn Xarelto noch zeitig den Markt erreicht, wird das Geschäft für Bayer nicht einfach werden: Ein Konkurrenzpräparat von Boehringer Ingelheim ist bereits auf dem Markt. Und ein vielversprechendes Mittel der US-Konzerne Pfizer und Bristol Myers Squibb zur Schlaganfall-Prophylaxe befindet sich gleichfalls in der Entwicklung.
Einen solchen Rückschlag hat die Bayer-Aktie seit drei Jahren nicht mehr erlebt. Am Dienstagnachmittag war an den Börsen durchgedrungen, dass Experten der US-Zulassungsbehörde FDA Zweifel an Bayers geplantem Spitzenmedikament Xarelto hegen. Für Bayer ist Xarelto, das gegen Schlaganfälle vorbeugen soll, das wichtigste Medikament seit Jahren. Die Bayer-Manager haben jährliche Spitzenumsätze von zwei Milliarden Euro schon ziemlich fest einkalkuliert. Nach den bisherigen Planungen soll das Mittel gegen Ende des Jahres auf den Markt kommen.
Am Donnerstag tagt nun bei der FDA in Silver Spring im US-Bundesstaat Maryland ein mit hochrangigen Medizinern besetztes Beratergremium. Dann fällt eine Vorentscheidung darüber, ob sich die‚ Einführung des Bayer-Medikaments verzögert. Endgültig wird die FDA Anfang November entscheiden. Die FDA ist allerdings nicht an die Empfehlungen des Beratergremiums gebunden; tatsächlich folgt sie diesen jedoch häufig. Von der europäischen Zulassungsbehörde EMEA, wo Bayer Xarelto gleichfalls zur Zulassung eingereicht hat, ist noch keine entsprechende Reaktion überliefert. von Jürgen Salz (Düsseldorf)

DIE ZEIT, 04. November 2011

Warnung mit der Roten Hand

Neue Blutverdünner waren die Hoffnung für Bayer und Boehringer. Nun könnten sie sich als großer Reinfall erweisen.

Lieselotte Bettermann (Name geändert) ist eine rüstige Rentnerin. Eine, die auch mit 84 Jahren noch gerne verreist und sich ihr Alter ebenso wenig anmerken lässt wie die beiden Schlaganfälle, die sie erlitten hat. Nun gut – ein paar Zugeständnisse macht sie inzwischen doch: Sie ist in eine Seniorenwohnanlage im Hamburger Süden gezogen, und jeden Montag kommt eine Putzfrau und hilft ihr, ihren kleinen Haushalt in Schuss zu halten. Und wegen ihrer Herzrhythmusstörungen schluckt sie Arzneien, die verhindern, dass sich in ihrem Herzen erneut Blutgerinnsel bilden und ins Gehirn wandern. Jeder weitere Schlag, das weiß sie, könnte sie zum Pflegefall machen.
Allein hierzulande gibt es laut Deutscher Schlaganfall-Gesellschaft knapp eine Million Patienten wie Lieselotte Bettermann. Insgesamt sollen in der alternden industrialisierten Welt neun Millionen Menschen unter dem sogenannten Vorhofflimmern leiden und einer Schlaganfall-Prophylaxebedürfen. Bis zu zehn Milliarden Euro pro Jahr, so schätzen Analysten, ließen sich auf diesem Markt verdienen, weshalb sich gleich mehrere Pharmariesen – darunter auch Bayer aus Leverkusen und Boehringer Ingelheim – auf die Suche nach neuen Pillen machten. So viel Aufbruchstimmung gab es seit der Entdeckung der Statine als Cholesterinsenker vor zwanzig Jahren nicht.
Und tatsächlich schafften es die zuletzt wenig erfolgverwöhnten deutschen Arzneihersteller, den anderen zuvorzukommen: Boehringer konnte seine Pille namens Pradaxa bereits einführen. Und das Bayer-Produkt Xarelto ist ebenfalls marktreif: Die US-Gesundheitsbehörde etwa will am kommenden Freitag über ihre Zulassung entscheiden. »Schön, dass in diesem wichtigen Therapiegebiet zwei Unternehmen aus Deutschland die Nase vorn haben«, triumphierte Boehringer-Chef Andreas Barner noch im April in der Wirtschaftswoche.
Doch seither haben sich die Aussichten deutlich eingetrübt. So kam es in Asien – wo Boehringer das Mittel schon im Frühjahr einführte – bald zu unerfreulichen Nebenwirkungen. In Japan, wo bis August 14 Todesfälle registriert wurden, schlug die Gesundheitsbehörde zuerst Alarm, Australien folgte im Oktober. In Europa verschickte Boehringer vergangenen Donnerstag auf Betreiben der Europäischen Arzneimittelagentur ebenfalls sogenannte Rote-Hand-Briefe zur Warnung an die Ärzteschaft. Der Hersteller bestätigte, dass auch in Deutschland und anderswo in Europa Todesfälle gemeldet wurden. Wie viele, wollte Boehringer-Sprecher Reinhard Malin unter Verweis auf die laufende »Einzelfallprüfung« nicht sagen. Die Zahl von 50 Todesfällen weltweit sei, so Malin, aber »vermutlich die richtige Größenordnung«.
Und bei Bayer läuft die Sache auch nicht ganz rund. So entspann sich unter den Beratern der US-Gesundheitsbehörde Anfang September eine Debatte über die Wirksamkeit von Xarelto. Die Zulassungsempfehlung gab es mit Gegenstimmen.
»Das alles mindert die Chancen von Bayer und Boehringer«, urteilt Pharmaanalyst Karl-Heinz Scheunemann von der Landesbank Baden-Württemberg. »Die Idee, dass die Deutschen den Markt unter sich aufteilen, dürfte sich als Illusion erweisen.« Auch Ulrich Huwald von der Privatbank Warburg meint: »Der Durchmarsch wird wohl nicht stattfinden.«
Das Problem: Die deutschen Hersteller sind dringend auf Erfolge angewiesen. Seit Bayer vor zehn Jahren den Cholesterinsenker Lipobay wegen Nebenwirkungen vom Markt nahm, hat der Konzern keine Bestseller hervorgebracht, und selbst die Übernahme des Wettbewerbers Schering 2006 kann die Lücke wohl nicht dauerhaft füllen. Beim Familienkonzern Boehringer, wo gerade mehrere Pillen Billigkonkurrenz bekamen, hängt die Zukunft erst recht an dem neuen Produkt.
Noch dramatischer sind die jüngsten Entwicklungen allerdings für die Patienten. In wenigen Feldern der Medizin würden Innovationen »sehnlicher erwartet« als bei den Gerinnungshemmern, sagt Joachim Röther. Er ist Chefarzt an der Asklepios Klinik im Hamburg-Altona. Die Notaufnahme unten im Erdgeschoss des Krankenhauses ist eine der am stärksten frequentierten Ambulanzen in Deutschland, auch an diesem Abend ist der Computertomograf noch in Betrieb.
Rund tausend Schlaganfälle werden hier jedes Jahr behandelt. Viele davon wären durch Vorbeugung zu vermeiden, sagt Röther, im Nebenamt Präsident der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft. Doch die bisher gängige Pille Marcumar, die vor vielen Jahrzehnten vom Schweizer Pharmakonzern Roche entwickelt wurde, ist bei den Patienten unbeliebt. Es hat sich herumgesprochen, dass die Substanz zunächst als Rattengift patentiert worden war und dass sie – falsch dosiert – auch Menschen töten kann. Und weil die Arznei auf bestimmte Lebensmittel mit Wirkungsschwankungen reagiert, ist es nicht leicht, sie richtig zu dosieren. Rund die Hälfte derer, die die Pille eigentlich brauchten, verzichten deshalb darauf.
Lieselotte Bettermann ist eine davon. »Mit Marcumar hätte ich mit Salat und grünem Gemüse aufpassen und mir ständig Blut abnehmen lassen müssen«, sagt sie, und dass sie als Diabetikerin schon genug Aufwand dieser Art betreibe. Sie entschied: »Ich schlucke lieber ASS.« Tatsächlich kann Acetylsalicylsäure – besser bekannt unter dem Namen Aspirin – nicht nur Schmerzen lindern, sondern auch die Verklumpung der Blutplättchen bremsen – die Wirkung ist jedoch schwächer.
Möglicherweise lag es daran, dass Frau Bettermann im Mai dieses Jahres mit einem zweiten, glücklicherweise leichten, Schlaganfall in Röthers Notaufnahme landete. »Behandlung mit Marcumar wurde ausdrücklich nicht gewünscht« steht in ihrer Patientenakte. Auch die neue Pille Pradaxa – seit September in deutschen Apotheken zu haben – lehnt sie ab.
Möglicherweise eine weise Entscheidung: Denn die Patienten, die in Asien nach der Einnahme von Pradaxa starben, waren Menschen, deren Nieren – aufgrund hohen Alters oder einer Erkrankung wie Diabetes – nicht gut funktionierten. So sammelte sich der Gerinnungshemmer in ihrem Körper an, sie starben an inneren Blutungen.
In dem Warnbrief, den der Hersteller nun im Auftrag der Gesundheitsbehörden verschickte, werden die Ärzte deshalb aufgefordert, bei Patienten über 75 Jahren regelmäßig die Nieren zu testen – und gegebenenfalls auf eine Verordnung zu verzichten. Weil das Schlaganfallrisiko ab diesem Alter steigt, trifft das die Kernzielgruppe.
Lutz Hein, Pharmakologe von der Uni Freiburg, fordert deshalb: »Hier müssen zunächst einmal mehr Erfahrungen gesammelt werden, um die Blutungen auch zu beherrschen.« Zwar bergen alle Gerinnungshemmer ein gewisses Blutungsrisiko – und zumindest bei der leichteren Pradaxa-Dosis ist dieses sogar »um etwa 20 Prozent niedriger« als bei der gängigen Arznei, wie Boehringer-Chef Andreas Barner zur Verteidigung der Pille anführt. Doch anders als bei Marcumar gibt es für die neuen Pillen eben noch kein Gegenmittel.
Bei Boehringer schlägt man vor, die Patienten an die Dialyse zu legen, um den Blutverdünner auszuwaschen. Bei akuten Blutungen oder auch Notfall-Operationen dürfte dieses Verfahren aber zu langsam sein. Bei Bayer hingegen scheint man zumindest eine heiße Spur zu verfolgen: Das Medikament aus Leverkusen blockiert einen anderen Blutgerinnungsfaktor und lässt sich durch Gabe bestimmter menschlicher Enzyme offenbar wieder ausschalten.
Diese Nachricht dürfte auch die amerikanischen Wettbewerber Pfizer und Bristol-Myers Squibb erfreuen. Sie arbeiten nämlich gemeinsam an einem fast baugleichen Gerinnungshemmer wie Bayer. Zwar war das Projekt von so viel Rückschlägen begleitet, dass es in der Fachwelt zwischendurch fast nicht mehr ernst genommen wurde. Dann allerdings landete das Duo einen Paukenschlag: Auf einem Kongress Ende August in Paris präsentierten die Amerikaner eine Studie, die nahelegt, dass ihre Pille sowohl in der Wirksamkeit als auch bei der Sicherheit allen anderen überlegen ist. Sie soll allerdings frühestens im nächsten Jahr in die Apotheken kommen.
Auch vom anderen Ende der Welt droht Konkurrenz. Der japanische Arzneihersteller Daiichi Sankyo arbeitet ebenfalls an einem Gerinnungshemmer. Dass das Mittel den Markt noch später erreicht, scheint Europa-Geschäftsführer Reinhard Bauer wenig anzufechten. »Wir haben uns bewusst Zeit gelassen«, sagt der Deutsche, der vorher lange bei Bayer gearbeitet hat. »Am Ende kommt es auf die Qualität an«, sagt er selbstsicher.
Die Zeit, als sich Deutschland Apotheke der Welt nannte, scheint endgültig vorüber. Doch so ärgerlich die Konkurrenz für Bayer und Boehringer ist, so sehr profitieren Patienten wie Lieselotte Bettermann, wenn sie zu besseren Pillen führt.
Natürlich nur, wenn sie sie auch einnehmen. Von Jutta Hoffritz

[Pharmatests] Pharmatests in Indien

CBG Redaktion

Presse Informationen vom 25. Oktober 2011
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Offener Brief an BAYER-Chef Marijn Dekkers

Indien: Todesfälle bei Pharma-Studien

Immer mehr Pharma-Studien werden nach Indien verlagert. Die Zahl der Geschädigten nimmt von Jahr zu Jahr zu. Im Zeitraum von 2007 bis 2010 starben 1.600 Inder/innen bei klinischen Studien, allein 138 bei Tests der Firma BAYER. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert in einem Brief an den Vorstandsvorsitzenden Aufklärung.

Im vergangenen Jahr starben nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums 668 Menschen bei Pharma-Tests. In den Jahren zuvor war die Zahl stark gestiegen - von 137 im Jahr 2007 auf 288 (2008) und 637 (2009). Ein Großteil der Studien wurde im Auftrag von internationalen Firmen wie Novartis, Pfizer und Merck durchgeführt. Allein bei der Durchführung klinischer Studien von BAYER kamen innerhalb von vier Jahren 138 Versuchspersonen ums Leben.

Die Todesfälle sind zum Teil auf Vorerkrankungen der Probanden zurückzuführen, z.B. Krebs. Offiziell wurden aber im vergangenen Jahr 22 Fälle tödlicher Nebenwirkungen bestätigt, darunter vier bei Studien für das Thrombosemittel Xarelto von BAYER (Wirkstoff Rivaroxaban). Da die Daten auf Angaben der Pharmafirmen basieren und keine unabhängigen Kontrollen durchgeführt werden, dürften die tatsächliche Zahlen weit höher liegen. BAYER hat den Hinterbliebenen der Xarelto-Opfer Entschädigungen von durchschnittlich 5.250 Dollar gezahlt.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hat heute in einem Offenen Brief an den BAYER-Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers Aufklärung verlangt. In dem Schreiben heißt es: „Wir fordern Sie auf, alle relevanten Daten zu klinischen Studien in Indien in den vergangenen fünf Jahren offen zu legen“. Die CBG fragt u.a. nach Zahl und Dauer der Studien, den untersuchten Medikamenten, den beauftragten Subunternehmen sowie nach der Häufigkeit von Nebenwirkungen und Todesfällen.

Momentan hat BAYER in Indien Studien mit der Krebs-Arznei Nexavar, dem Augen-Präparat VEGF und dem Bluter-Medikament Kogenate beauftragt. Gerade abgeschlossen hat BAYER Versuche mit dem Potenzmittel Levitra, dem Diabetikum Glucobay, der Hormon-Spirale Mirena und den Röntgen-Kontrastmitteln Gadovist und Ultravist. Aktuell sucht der Konzern neue ProbandInnen für weitere Erprobungen von Xarelto, Glucobay, Gadovist, Kogenate, Nexava und VEGF sowie von dem Antibiotikum Avelox und dem umstrittenen Bluthochdruck-Präparat Xirtam. Die Umsetzung der Tests erfolgt durch indische Firmen wie CSC Pharmaceuticals, Parexel oder Igate.

Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Wieder einmal geht BAYER über Leichen. Goldene Bilanzen stehen über Menschenleben. Für den schnellen Profit im Pharmageschäft müssen bevorzugt die Ärmsten der Armen grausame Schicksale erleiden - von schweren lebenslangen Gesundheitsschäden bis hin zum Tod." Vertreter der Coordination hatten das Thema bereits in der Hauptversammlung des Konzerns vor Tausenden von Aktionären diskutiert. Der damalige BAYER-Chef Werner Wenning verweigerte jedoch eine Beantwortung der Fragen und versicherte, keine Test-Person wäre zu Schaden gekommen. Die nun veröffentlichten Zahlen widerlegen diese Behauptung.

Aufgrund der niedrigen Kosten, der Englischkenntnisse der Bevölkerung, die große Masse an ProbandInnen und der laxen Aufsicht stieg die Zahl der Studien in Indien in den vergangenen Jahren drastisch an. Im vergangenen Jahr wurden dort fast 2.000 Tests gemeldet. Die Testpersonen sind überwiegend extrem arm und analphabetisch; in vielen Fällen werden Einverständniserklärungen von Dritten unterzeichnet. Die eigentlich für die Kontrolle zuständigen Ethik-Kommissionen bestehen oft nur auf dem Papier.

Auch in weiteren Ländern mit großen Armutspopulationen wie Kolumbien, Pakistan, Moldawien, die Philippinen, China oder Russland führt BAYER Pharma-Tests durch. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert eine nicht-Anerkennung pharmakologischer Studien, die nicht von unabhängiger Seite überprüft werden.

weitere Informationen:
=> Novartis, Pfizer, Bayer: Trial-related deaths in India
=> Artikel “BAYER globalisiert Arzneitests”
=> Rede in BAYER-Hauptversammlung

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2011 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Einwendung gegen TDI-Anlage
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat bei der Bezirksregierung Köln eine Einwendung gegen das Vorhaben von BAYER, in Dormagen eine neue Anlage zur Herstellung des Kunststoffes TDI zu bauen, eingereicht. Die CBG hält die Produktion, bei der 60 Tonnen des Giftgases Phosgen, 25 Tonnen Ammoniak, 2.900 Tonnen TDI und mehr als 1.000 Tonnen Dichlorbenzol zum Einsatz kommen, für zu risikoreich. Sie schätzt zudem die mit dem Betrieb verbundenen Umweltbelastungen als zu hoch ein und kritisiert den zu geringen Abstand der Fertigungsstätte zu Wohnsiedlungen. Darüber hinaus moniert die Coordination das Fehlen eines „Worst-Case-Szenarios“ und den Verzicht auf Schutzmaßnahmen wie dem Vorhalten einer Ammoniak-Dampfwand zur Neutralisierung austretenden Phosgens.

CBG verklagt Uni Köln
Vor drei Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. „Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“, jubilierte der damalige Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP). Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und anderen Initiativen machte das eher Angst. Die Gruppen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten sie eine Offenlegung des Vertrages und bekamen dafür auch die Unterstützung des nordrhein-westfälischen Datenschutzbeauftragten. Die Universität blieb jedoch bei ihrer Verweigerungshaltung. Aus diesem Grund hat die CBG die Hochschule im Mai 2011 verklagt. Die RichterInnen erweiterten das Verfahren noch auf den Leverkusener Multi, der mit FRESHFIELDS und REDEKER gleich zwei der teuersten Kanzleien mit seiner Verteidigung beauftragte. REDEKER verfügt dabei schon über Erfahrungen auf dem Gebiet: Das Büro verteidigte Angela Merkel bei ihrem Ansinnen, keine näheren Informationen zu dem von ihr ausgerichteten Geburtstagsdinner für den Banker Josef Ackermann geben zu wollen. Die beiden Forschungspartner betreiben derweil selbst in den Mühlen der Justiz ihr Versteckspiel weiter. So weigerten sie sich sogar, dem Verwaltungsgericht das Corpus delicti, den Vertrag, zukommen zu lassen. Sie erwägen überdies, ein „in camera Verfahren“ zu beantragen, das eigentlich nur eröffnet wird, wenn eine Veröffentlichung „dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde“ - also den Rang eines Staatsgeheimnisses besitzt.

UNEP antwortet der CBG
Seit Jahren kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) dafür, mit dem Umweltsünder BAYER zu kooperieren. Jetzt reagierte die Organisation auf die Vorwürfe. Chemikalien tragen zur Anhebung des Lebensstandards bei, können aber auch negative Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit von Menschen haben, heißt es in dem Brief an die CBG. Deshalb bemühe sich die UNEP sehr, die chemische Industrie auf diese Gefahren aufmerksam zu machen und eine Balance zwischen Kosten und Nutzen zu finden. „Unsere Partnerschaft stellt BAYERs Umweltverhalten in den Mittelpunkt und gemahnt BAYER an seine Verantwortung für die Umwelt. Es gehört zu unserer Philosophie, mit Privatunternehmen zusammenzuarbeiten und sie zu einer Veränderung ihrer Umweltpolitik zu bewegen“, schreibt UNEP-Direktor Achim Steiner. Ein Einwirken des Leverkusener Multis auf den Kurs der UNEP findet Steiner zufolge nicht statt: „Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, Ihnen zu versichern, dass BAYER weder in die Projekte der UNEP oder ihre Aktivitäten im Kinder- und Jugendbereich eingebunden ist noch die Ergebnisse der UNEP-Arbeit beeinflusst“.

Botschaft antwortet der CBG
Im thailändischen Map Ta Phut liegt eine der größten Industriezonen der Welt. Sie sollte noch größer werden, aber den AnwohnerInnen reichten schon die bisherigen Umweltbelastungen. Sie klagten, und 2009 gab ein Gericht ihnen Recht. Es stoppte 76 Bauvorhaben, darunter zwei des Leverkusener Multis, der seine Bisphenol- und seine Polycarbonat-Produktion erweitern wollte (SWB 1/11). Inzwischen ist das Moratorium wieder aufgehoben und alles läuft seinen gewohnten kapitalistischen Gang. Erst im Frühjahr trat aus einem BAYER-Werk giftiges Phenol aus (SWB 3/11). Wegen der bedenklichen Situation vor Ort hat sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN an die deutsche Botschaft in Thailand gewandt. Aber diese sieht keinen Handlungsbedarf. Sie räumte sogar ein, sich in Abstimmung mit BAYER & Co. und den EU-Staaten für ein Ende des Bau-Verbots eingesetzt zu haben und sieht in Map Ta Phut ansonsten alles im grünen Bereich. Die Regierung des Landes bemüht sich nach der Einschätzung von Botschafter Hanns H. Schumacher, die Umweltstandards zu verbessern, wobei ihr die Entwicklungshilfe-Organisation „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ mit Rat und Tat beiseite stehe. Schuhmacher fühlt sich deshalb auch nicht bemüßigt, bundesdeutsche Unternehmen zu einer Verringerung ihrer Schadstoff-Emissionen zu veranlassen. „Der deutschen Botschaft liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Bestimmungen der thailändischen Umweltgesetzgebung von den deutschen Firmen nicht eingehalten würden. Persönlich füge ich hinzu: Die Fa. BAYER THAI hat sich in Map Ta Phut äußerst korrekt verhalten“. So bekommen die doppelten Standards dann auch noch den amtlichen Segen.

Protest beim BBS-Sommerfest
Im Rahmen seines Kostensenkungsprogramms gliedert der Leverkusener Multi Teile seiner IT-Sparte BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) aus und vernichtet so die Arbeitsplätze von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen (siehe auch Ticker 3/11). Darum konnte das BBS-Sommerfest auch nicht festlich verlaufen. 350 Beschäftigte nutzten den Anlass, um gegen die Rationalisierungsmaßnahmen zu protestieren.

Kindergarten-Bau scheinheilig
Der Leverkusener Multi feiert den Bau neuer Betriebskindergärten in Monheim und Leverkusen als nachhaltige Maßnahme. Dagegen erhebt sich allerdings Kritik. „BAYER hatte sich vor einigen Jahren seiner Kindergärten/Kindertagesstätten entledigt. Sie gingen weitgehend im Roten Kreuz auf. Vor diesem Hintergrund halte ich es für scheinheilig, sich so öffentlichkeitswirksam als sozialer Konzern darzustellen“, heißt es in einem Leserbrief an die Rheinische Post.

Wasserversorger gegen Biosprit
Seit Jahr und Tag klagen die Wasserversorger über die hohe Verunreinigung des Trinkwassers mit Pestiziden und Nitraten, die aufwendige Reinigungsprozeduren erforderlich macht. Umso skeptischer sehen sie den Trend zum Anbau von Energie-Pflanzen zur Produktion von Biosprit. Durch die Ausweitung von Ackerflächen und die von den Biosprit-Bauern und -Bäuerinnen intensiv eingesetzten Agro-Chemikalien befürchten die Wasserwerke nämlich einen nochmaligen Anstieg der Belastung.

BAYER gehackt
Die politische HackerInnen-Gruppe „Anonymus“ hat das Computer-System BAYERs gestört. Der Konzern musste deshalb zeitweilig Websites vom Netz nehmen. Als Grund für die Tat führte die Organisation unter anderem „die Beschäftigung von Nazi-Verbrechern“ und die Herstellung gesundheitsschädlicher Pharma-Produkte an.

CBG beim Kirchentag
Auch 2011 war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) wieder auf dem evangelischen Kirchentag vertreten, der dieses Mal vom 1. bis zum 5. Juni in Dresden stattfand. Die Coordination teilte sich einen Stand mit der SOLIDARISCHEN KIRCHE und stellte ihre Kampagne gegen die Industrie-Chemikalie Bisphenol A vor, die schon zu einem Teilerfolg führte. Die EU untersagte nämlich Anfang des Jahres die Verwendung der hormon-aktiven Substanz in Babyflaschen, um möglichen Gesundheitsschäden vorzubeugen.

Erinnerung an Zitzelsberger
In einem Zeitungsbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung erinnerte der ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann noch einmal an die 1999 vorgenommene Plünderung öffentlicher Kassen durch eine Unternehmenssteuerreform der besonderen Art. „Der ehemalige Steuerabteilungsleiter der BAYER AG Zitzelsberger war der eigentliche Urheber dieser angeblich strategischen Großmutsregelung“, schreibt Naumann und fährt fort: „Nicht nur die Minister, auch die meisten Berliner Wirtschaftskorrespondenten hatten die Pressemitteilung des Finanzministers zur Steuerreform auf Seite zwölf überlesen: ‚Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen, die eine Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft hält, sind nicht steuerpflichtig‘. Die Regelung hatte obendrein rückwirkenden Charakter. Die Unternehmen durften bereits mit vierzig Prozent versteuerte, aber einbehaltene Gewinne der Jahre 1999 und 2000 im Nachhinein mit lediglich 25 Prozent versteuern - und Rückforderungen an den Fiskus stellen: rund 400 Millionen Euro zu ihren Gunsten. Eine ‚linke‘ Regierung subventionierte also das deutsche Großkapital.“

BARMER kritisiert YASMIN & Co.
Nach den Zahlen des neuesten Arzneimittelreports der BARMER GEK finden sich unter den 20 am häufigsten verordneten Verhütungsmittel 50 Prozent mit hormonellen Wirkstoffen, die gegenüber älteren Mitteln ein höheres Risiko-Profil aufweisen. Darunter fallen auch BAYERs Drospirenon-haltige Kontrazeptiva aus der YASMIN-Familie, die binnen der letzten zehn Jahre allein in den USA für 190 Todesfälle verantwortlich waren. Die Krankenkasse macht die hohe Werbeetats von BAYER & Co. für die gefährliche Schieflage verantwortlich und empfiehlt: „Ärztinnen und Ärzte sollten nicht den Werbeaktionen und dem ‚Marketinggeklingel‘ pharmazeutischer Unternehmer folgen – allen voran die BAYER AG, sondern der Frau gut verträgliche und bewährte Mittel ohne neue Risiken anbieten“.

Kritik an „personalisierter Medizin“
BAYER & Co. haben eine neue Marktlücke entdeckt: die personalisierte Medizin. Worunter Laien eine passgenaue, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichtete Therapie-Form verstehen, versteckt sich oft nur die schlechte alte Gentechnik mit ihrer Suche nach krankheitsrelevanten Molekülen. Die Version 2.0 ist bloß den aktuellen Herausforderungen angepasst. Die Bundesrepublik und viele andere Länder haben seit einiger Zeit nämlich Kosten/Nutzen-Beurteilungen für neue Arzneien vorgeschrieben und nur für solche, die bei Menschen mit seltenen Erkrankungen zur Anwendung kommen, Ausnahmen gemacht. Darüber hinaus gelten für diese Medikamente vereinfachte Zulassungsbedingungen. Und wie das Pillenbranchen-Leben so spielt: Plötzlich entdecken Kongresse rund um den Globus rare Gebrechen und noch rarere Arzneien, die so genannten orphan drugs. Die Zahl der Zulassungsanträge für die Spezialpillen stieg in Europa von 72 im Jahr 2000 auf 174 im Jahr 2010. ForscherInnen warnen bereits vor dem Boom. „Wir sollten keine Zeit damit verschwenden, die personalisierte Medizin als wissenschaftliches Etikett zu etablieren“, schreibt eine kanadische MedizinerInnen-Gruppe um George Browman im Canadian Medical Association Journal. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE kritisiert überdies die weit gefasste Definition von orphan drugs, die sogar Krebsmedikamente umfasse, „deren therapeutischer Nutzen gegen Null geht“.

ImkerInnen demonstrieren in Wien
Am 6. Juli 2011 demonstrierten ImkerInnen in Wien vor der Staatsoper gegen das weltweite Bienensterben, für das Pestizide mitverantwortlich sind. Ein UN-Bericht zum Thema erwähnt die betreffenden Wirkstoffe sogar namentlich. „Verschiedene Studien haben die Giftigkeit von Chemikalien wie Imidacloprid (Wirkstoff von BAYERs GAUCHO, Anm. SWB), Clothianidin (Wirkstoff von BAYERs PONCHO, Anm. SWB), Thiamethoxam und verwandten Inhaltsstoffen für Tiere nachgewiesen“, heißt es in dem Report. Auch der Bienensterben-Report des Europäischen Parlamentes gibt Substanzen aus der Gruppe der Neonicotinoide wie Imidacloprid und Clothianidin eine Mitschuld an dem Desaster.

Zwei Imker im Hungerstreik
Zwei italienische Imker haben mit einem Hungerstreik gegen das von BAYER-Pestiziden wie GAUCHO und PONCHO mitverursachte Bienensterben protestiert.

Schwarzbuch „Facebook“
Eine Engländerin hat die Facebook-Seite des Leverkusener Multis dazu genutzt, sich mit der unheilvollen Geschichte des Konzerns zu befassen. Sie erinnerte an die grausamen Menschenversuche, welche die von BAYER mitgegründeten IG FARBEN während des Faschismus‘ mit KZ-Häftlingen durchführten. „Das ist inzwischen breit aufgearbeitet und dokumentiert“, lautete der einzige Kommentar des Unternehmens dazu.

KAPITAL & ARBEIT

Standort-Sicherungsvertrag verlängert
Die BAYER-Geschäftsleitung und der Gesamtbetriebsrat haben sich darauf geeinigt, den Ende 2012 auslaufenden „Standort-Sicherungsvertrag“ vorzeitig zu verlängern. Betriebsbedingte Kündigungen sind jetzt bis Ende 2015 ausgeschlossen. Dafür verlangte der Konzern allerdings auch Gegenleistungen. Die Gewerkschaften mussten sich zu „Kostenstrukturen auf Markt-Niveau“ und zu einer „verstärkte(n) Ausrichtung der Arbeitsbedingungen auf Flexibilität und Mobilität“ bekennen.

BAYERs Verwaltungsreform
Im letzten Jahr kündigte der Leverkusener Chemie-Multi ein 800 Millionen Euro schweres Rationalisierungsprogramm an, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet. Im Rahmen dieser Maßnahme führt der Leverkusener Multi bei seinen ausländischen Gesellschaften jetzt eine Verwaltungsreform durch und legt zentrale Bereiche wie „Personal“, „Finanzen“ und „Einkauf“ zusammen. Zunächst will der Konzern die neue Struktur in Brasilien, Südeuropa und Italien testen.

BAYER VITAL schließt Vertrieb
BAYER VITAL gibt den Vertrieb seiner Medikamente an einen externen Dienstleister ab und stellt damit 100 Arbeitsplätze zur Disposition. Nicht einmal betriebsbedingte Kündigungen wollte die Sparte des Leverkusener Multis für rezeptfreie Medikamente ausschließen. Die Distributionsgeschäfte übernimmt ab Januar 2013 die Firma PHARMLOG, an der BAYER VITAL Anteile hält.

Viele ManagerInnen unzufrieden
In seinem letzten Geschäftsbericht wertete der Leverkusener Multi eine Befragung unter seinen Angestellten aus und konstatierte, „dass sich die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten - deutlich mehr als 80 Prozent - in einem hohen Maße mit BAYER verbunden fühlt und das Unternehmen insgesamt als attraktiven Arbeitgeber schätzt“. Der „Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der Chemischen Industrie“ kam da zu anderen Ergebnissen. Nach seiner Untersuchung sind viele Spitzenkräfte des Konzerns unzufrieden. Diese gaben dem Unternehmen nur die Gesamtnote „Drei minus“. Damit belegte der Global Player unter 25 Chemie-Firmen den wenig schmeichelhaften Rang 16. Das Jobstreichungsprogramm von Marijn Dekkers, seine bloß halbherzigen Bekenntnisse zur Kunststoff-Sparte und seine Einlassungen zu einer möglichen Pharma-Fusion haben offensichtlich auch Top-ManagerInnen verunsichert.

Leiharbeitsurteil ohne Folgen
Im letzten Jahr hat das Bundesarbeitsgericht der „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP) ihre Tariffähigkeit abgesprochen. Als Konsequenz aus dem Urteil müssen Verleihfirmen, deren Angestellte für den Gotteslohn malochen, Sozialbeiträge in Millionen-Höhe nachzahlen. Die knapp 200 LeiharbeiterInnen bei CURRENTA, dem mehrheitlich zu BAYER gehörenden Betreiber des Leverkusener Chemie-„Parks“, sind von dem Richterspruch allerdings nicht betroffen. „Wir arbeiten nicht mit Zeitarbeitsfirmen zusammen, die mit der CGZP Tarifverträge abgeschlossen haben“, erklärte Sprecher Jürgen Gemke. Ob das auch für die Muttergesellschaft gilt, sagte er nicht.

Chemie-Sozialpartner für Tarifeinheit
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) fordert gemeinsam mit dem „Bundesarbeitgeber-Verband Chemie“ eine gesetzliche Verankerung der Tarifeinheit. „Eine Spaltung der Belegschaften durch das Aufkommen neuer Sparten-Gewerkschaften in der Chemie würde eine Fortsetzung der innovativen Tarifpolitik für die ganze Branche unmöglich machen. Dabei hat die gemeinsame Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise erst kürzlich eindeutig unter Beweis gestellt, wie wichtig ein effektives und verlässliches Tarifsystem für die Sicherung von Standort und Beschäftigung ist“, heißt es in der Erklärung. Die Tarifeinheit ist derzeit von zwei Seiten her gefährdet. Einerseits von konzern-freundlichen Gewerkschaften und aus den Unternehmensverbänden austretenden Firmen und andererseits von „Besserverdiener“-Gewerkschaften“ wie dem „Marburger Bund“. Die einen unterbieten die den DGB-Gewerkschaften ausgehandelten Tarife und die anderen überbieten sie. Eine Aufgabe der Tarifeinheit dürfte Entsolidarisierungstendenzen verstärken, deshalb bleibt sie - trotz aller Kritik am DGB im Allgemeinen und an der IG BCE im Besonderen - eine wichtige Errungenschaft. Die gemeinsame Initiative von Gewerkschaftsbund und „Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände“ für ein entsprechendes Paragrafen-Werk brach allerdings im Juni 2011 auseinander. VER.DI wollte berechtigterweise den Passus nicht mittragen, der Konkurrenz-Gewerkschaften das Streikrecht nimmt.

„Verantwortliches Handeln“ ohne BAYER
Großkonzerne wie BMW, BASF, DEUTSCHE BANK und VOLKSWAGEN haben ein „Leitbild für ein verantwortliches Handeln in der Wirtschaft“ veröffentlicht. BAYER gehörte nicht zu den Unterzeichnern. Zu Prinzipien wie „Wirtschaft muss dem Wohl der Menschen dienen“, „Unzureichende Leistung darf nicht belohnt werden“ und „Verantwortlicher, wirtschaftlicher Wettbewerb muss immer auch die Lebensbedingungen nachfolgender Generationen achten“ mochte sich der Leverkusener Multi offenbar nicht bekennen. Auch das Angebot, sich dem Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen „noch aktiver“ zu stellen, scheint nicht im Sinne des Konzerns gewesen zu sein.

Etwas mehr Lehrlinge
Die Anzahl der Auszubildenden bei BAYER steigt 2011 gegenüber dem Vorjahr leicht von 904 auf 924. Das ist jedoch gar nichts im Vergleich zur Vergangenheit: Im Jahr 1990 fingen beim Leverkusener Multi noch 1.600 Stifte an. Zudem sind heutzutage rund ein Drittel der Neuen bloß Lehrlinge zweiter Klasse. Entweder nehmen sie am Starthilfe-Programm teil, das lediglich auf eine künftige Lehre vorbereitet, oder sie gehören zu denjenigen, die der Konzern im Rahmen der „Ausbildungsinitiative Rheinland“ über Bedarf überbetrieblich und damit ohne Berufsaussichten beim Unternehmen mit ausbildet.

Keine ChemikantInnen übernommen
BAYER hat keine/n der ChemikantIn übernommen, die in Leverkusen eine Lehre begonnen hatten. Vier Wochen vor der Abschluss-Prüfung teilte der Multi den Auszubildenen diesen Beschluss in einem formlosen Schreiben mit und forderte sie auf, sich bei der „Agentur für Arbeit“ zu melden.

ERSTE & DRITTE WELT

Freihandel: Indien wehrt sich
Die Europäische Union schließt fleißig Handelsabkommen ab (SWB 2/11). Deren Agenda - strengere Patent-Regime, freiere Marktzugänge, mehr Investitionsschutz, Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen und verbesserter Zugriff auf Rohstoffe - haben BAYER & Co. entscheidend mitbestimmt. Derzeit finden Verhandlungen mit Indien statt. Aber die Gespräche verlaufen stockend. Die EU verlangt nämlich über die international geltenden TRIPS-Vereinbarungen hinausgehende Patentrichtlinien, was im Fall von Peru und Kolumbien schon erfolgreich war. Das hätte besonders für die Herstellung billiger Medikamente in dem südasiatischen Land verheerende Folgen, denn deren Produktion würde sich durch einen längeren Schutz des geistigen Eigentums und einen verzögerten Zugriff auf Test-Daten erheblich verzögern. Indien droht so seinen Ruf als „Apotheke der Dritten Welt“ zu verlieren - allein ÄRZTE OHNE GRENZEN bezieht 80 Prozent seiner Aids-Medikamente preiswert aus dem südasiatischen Staat und versorgt damit rund 160.000 PatientInnen. Darum erklärte die indische Regierung auch im April 2011: „Der Premierminister bestätigte in aller Klarheit, dass Indien keine Verpflichtung eingehen wird, die TRIPS oder das indische Recht überschreiten“.

POLITIK & EINFLUSS

BDI für Steuer-Erleichterungen
Im Jahr 2008 hatte die Bundesregierung mal wieder die Unternehmenssteuern gesenkt und aus kosmetischen Gründen im Gegenzug ein paar Schlupflöcher gestopft. So nahm sie BAYER & Co. die Möglichkeit zu Verlustverrechnungen bei Firmenaufkäufen. Manche Unternehmen hatten darin nämlich ein veritables Steuerspar-Modell ausgemacht. Sie erwarben gezielt verschuldete Firmen und verrechneten deren Defizit dann mit den eigenen Gewinnen. Nach diesen alten Zeiten sehnt sich der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) wieder zurück. Er appellierte an die Bundesregierung, die „Versagung der Verlustnutzung“ bei Akquisitionen wieder aufzugeben, „um die Konkurrenz-Fähigkeit des deutschen Steuersystems wiederherzustellen“ und „wirtschaftlich sinnvolle Investitionen, Transaktionen und wirtschaftliche Neustrukturierungen ohne besonderen Rechtfertigungsbedarf zuzulassen“. Im Rahmen der Konjunkturpakete II und III hatte die Große Koalition das Steuersparmodell via „Sanierungsklausel“ schon wieder revitalisiert, aber die EU-Wettbewerbsbehörde sah darin eine unerlaubte Subvention und intervenierte. Jetzt will die Bundesregierung im Rahmen einer „Neuordnung der Verlustverrechnung“ eine Lösung suchen, die auch eine Erweiterung der Möglichkeiten zur Verrechnung von Gewinnen und Verlusten zwischen Mutter-Gesellschaften und ihren ausländischen Töchtern umfasst. „Das Unternehmenssteuerrecht soll weiter modernisiert und international wettbewerbsfähig gestaltet werden“, erklärten Schäuble & Co.

Griechenland-Konferenz des BDI
BAYER hat so einige Außenstände bei griechischen Hospitälern. Andere bundesdeutsche Konzerne warten ebenso noch auf ihr Geld. Darum haben die Unternehmen ein Interesse an der ökonomischen Gesundung des Landes - allerdings mit einer Therapie made in Germany. Um über diese zu beraten, hat der „Bundesverband der bundesdeutschen Industrie“ (BDI) Ende Juli 2011 eine Investoren-Konferenz einberufen. Konkrete Zusagen machte der Verband zwar nicht, er stellte aber 50 Milliarden unter der Bedingung in Aussicht, dass der Staat für mehr Rechtssicherheit sorge. Bei diesem Unterfangen bekommt Athen Amtshilfe aus Berlin. Das Bundeswirtschaftsministerium will der Regierung von Premierminister Papandreou bei der „Reform“ von Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden helfen. Auch zu Privatisierungen darf Griechenland Rat erwarten. Durch die Privatisierungen in der ehemaligen DDR habe Deutschland hier besondere Erfahrung, meint Wirtschaftsminister Philipp Rösler laut Financial Times Deutschland. Darüber hinaus hat sein Ministerium eine Export-Initiative gestartet, welche auch das Gesundheitswesen umfasst. Da das südosteuropäische Land zudem über viele gut ausgebildete junge Menschen verfügt, sieht Volker Treier vom „Deutschen Industrie- und Handelskammertag“ hier eine Chance für Unternehmen wie BAYER.

BAYER & Co. gegen Nano-Gesetze
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln diese oft unbekannte Eigenschaften. So auch das Nano-Produkt BAYERTITAN T, dem es im Gegensatz zu größeren Titandioxid-Partikeln gelingt, die Luft/Blut-Schranke zu überwinden und sich in den Organen anzureichern (siehe auch NANO & CO.) Darum wollen die Regierungen spezielle Sicherheitsvorschriften für die Winzlinge erlassen. BAYER & Co. geben sich gesprächsbereit, betreiben aber de facto Obstruktionspolitik. Sie treten für eine Definition von Nano-Materialien ein, unter die möglichst wenig Substanzen fallen. Zudem wehren sich die Konzerne dagegen, die EU-Chemikalienordnung, die Prüfungen für gefährliche Stoffe vorschreibt, um Vorschriften für Nano-Teilchen zu erweitern. „Die Industrie-Teilnehmer blockieren eine fachliche Diskussion mit dem Verweis auf die bestehende Ordnung“, erbost sich deshalb eine Wissenschaftlerin, die mit UnternehmensvertreterInnen in einem ExpertInnen-Gremium der Europäischen Union zusammensaß.

EU-Unternehmenssteuer
BAYER & Co. fordern seit längerem eine einheitliche Unternehmenssteuer innerhalb der EU. Im März 2011 hat der EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta der Öffentlichkeit einen ersten Entwurf vorgestellt. Durch den Wegfall von Verwaltungskosten und eine bessere Möglichkeit, Gewinne und Verluste von Mutter- und Tochtergesellschaften miteinander zu verrechnen, rechnet er mit Steuer-Ersparnissen von rund zwei Milliarden Euro für die Unternehmen.

EU-Lobbying kostet ca. 2 Millionen
1,85 Millionen Euro lässt der Leverkusener Multi sich seine Lobbying-Aktivitäten in Brüssel kosten. Das geht aus Angaben im Lobby-Register der Europäischen Union hervor. Schwerpunkte der Arbeit bilden dabei laut BAYER Einflussnahmen auf Gesetzes-Initiativen, die Pharma-Produkte, Pestizide, Saatgut und Chemikalien betreffen.

Energiewende à la BAYER
Anders als viele mittelständische Betriebe hat der Leverkusener Multi seine Chlor-Herstellung immer noch nicht komplett auf ein Verfahren umgestellt, bei dem kein giftiges Quecksilber als Produktionsrückstand mehr anfällt. Er betreibt in Krefeld seit 2010 lediglich eine Pilotanlage, die mit der Sauerstoffverzehrkathoden-Technik arbeitet. Trotzdem feiert der Multi sich als Innovator und meldet sogleich Ansprüche an. Statt regenerative Energien zu fördern, sollte die Bundesregierung lieber Projekte wie die neue Chlor-Fertigung unterstützen, meint BAYER-Manager Tony Van Osselaer: „Wenn die Politik einen Förder-Schwerpunkt auf Produktionsverfahren mit deutlich verbesserter Energie-Effizienz setzen würde, sähe ich riesige Einspar-Potenziale“. Die Umrüstung alter Fertigungsstätten kostet nämlich viel Geld und steht der Vermarktung der BAYER-Entwicklung im Wege. Bei Chlorfabrik-Neubauten laufen die Geschäfte dem Konzern zufolge dagegen besser.

BAYER droht mit Abwanderung
Die Energiewende im Allgemeinen und der Atom-Ausstieg im Besonderen behagt dem Leverkusener Multi nicht. BAYER-Chef Marijn Dekkers befürchtet höhere Stromkosten und drohte in einem WirtschaftsWoche-Interview schon mit Abwanderung. „Deutschland wird als Produktionsstandort für die energie-intensive Industrie immer unattraktiver. Die Energie-Preise werden weiter steigen, dabei haben wir bereits heute die höchsten in der EU. Es ist wichtig, dass wir im Vergleich mit anderen Ländern wettbewerbsfähig bleiben. Ansonsten kann sich ein globales Unternehmen wie BAYER überlegen, seine Produktionen in Länder mit niedrigeren Energie-Kosten zu verlagern“, so der Konzern-Boss.

Christian Wulff bei BAYER
Ende Mai 2011 besuchte Bundespräsident Christian Wulff BAYERs Pharma-Werk in Wuppertal. Dabei ließ er sich in die Produkteinführungskampagne für das nicht gerade überragende Test-Ergebnisse aufweisende Medikament XARELTO (siehe auch DRUGS & PILLS) einspannen, das der Pillen-Riese als Schlaganfall-Mittel vermarkten will. Der Konzern bestätige damit seinen Ruf als Apotheke der Welt, so Wulff, der dem Global Player trotz eines umfassenden Arbeitsplatzvernichtungsprogramms auch gleich noch ein Nachhaltigkeitsprädikat ausstellte. „BAYER ist kein Konzern, der auf das schnelle Geld aus ist, BAYER denkt in langen Zeiträumen“, lobte er. Zum Dank dafür musste er sich mal wieder die alte BAYER-Leier anhören, die Forschung brauche mehr Subventionen aus Steuer-Mitteln.

Telefonat mit Röttgen
Vom Leverkusener Anzeiger zu seinen interessantesten beruflichen Erfahrungen als Leiter des Leverkusener Chemie-„Parks“ von BAYER befragt, antwortete der nach China wechselnde Klaus Schäfer: „Neu war die Erfahrung mit Politikern. Wir mussten denen klar machen, dass Chemie-„Parks“ zu unserem Industrie-Standort dazugehören und auch wir eigene Interessen haben“. Die letzte Nachhilfestunde von ihm erhielt Umweltminister Norbert Röttgen zum Thema „Erneuerbare-Energien-Gesetz“.

Klimaschutz-Gesetz aufgeweicht
Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte bei ihrem Amtsantritt 2010 ein Klimaschutz-Gesetz angekündigt - angesichts eines NRW-Anteils an den bundesweiten Kohlendioxid-Emissionen von 33 Prozent eine überfällige Maßnahme. Im ersten Entwurf nahm sich Rot-Grün vor, den CO2-Ausstoß im Land bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 90 Prozent zu senken. Ein Klimaschutzplan sollte regeln, wieviel jede Branche noch emittieren darf und auch als Maßstab für die Bewilligung neuer Anlagen dienen. Sofort nach Bekanntwerden des Vorhabens brach allerdings ein Sturm der Entrüstung los (Ticker 2/11). Er legte sich nicht mehr und führte schließlich zu „Nachbesserungen“. Die überarbeitete Fassung formuliert nur noch ein Reduktionsziel von „mindestens 80 Prozent“. Zudem verspricht sie, die Veränderungen „wettbewerbsneutral zu gestalten“ und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Darüber hinaus musste Umweltminister Johannes Remmel auf die Möglichkeit verzichten, über das Planungsrecht für den Bau besonders klima-schonender Industrie-Anlagen und Kraftwerke sorgen zu können. Trotzdem geben BAYER & Co. sich damit nicht zufrieden und fordern weitere Korrekturen.

IG BCE gegen Emissionshandel
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in bestimmten Mengen zu gestatten. Alles, was über ein festgelegtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen, weil sie dafür Verschmutzungsrechte kaufen müssten. Bevor die Unternehmen allerdings wirklich zur Kasse gebeten werden, will die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE die Regelung schon wieder abschaffen. Nach Ansicht des IG-BCE-Chefs Michael Vassiliadis gelang es nicht, den Emissionshandel auf große Länder wie die USA, Japan und Australien auszudehnen, wodurch die europäischen Multis einen Wettbewerbsnachteil erleiden würden. Deshalb plädiert er dafür, die Versteigerung von Verschmutzungszertifikaten im Jahr 2020 auslaufen zu lassen und die energie-intensive Industrie für ihre Mehrausgaben durch die 2005 eingeführte Maßnahme zu entschädigen.

BAYER-Mann VSW-Vorsitzender
Der „Verband für Sicherheit in der Wirtschaft“ (VSW) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Unternehmenssicherheit unter anderem im Computerbereich zu fördern. Den Vorsitz des nordrhein-westfälischen VSW-Ablegers hat im Mai 2011 Michael Sorge übernommen, der beim Leverkusener Multi für die „Corporate Security“ zuständig ist.

Voigtsberger als BAYER-Lobbyist
Über die „Bedeutung und Zukunft der Chemie-Industrie in NRW“ sprach NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) vor einiger Zeit bei der Zusammenkunft des nordrhein-westfälischen Chemie-Verbundes „ChemCologne“ im Leverkusener Baykomm (Ticker 3/11). Und diese liegt ihm wirklich sehr am Herzen. So kritisierte er den von CDU und FDP beschlossenen Atom-Ausstieg: „Bei der Energiewende lässt Berlin die energie-intensiven Unternehmen in Deutschland im Stich“. Zudem warf der SPD-Politiker Schwarz-Gelb vor, Verhandlungen mit der EU über eine Erlaubnis, den Konzernen Strompreis-Beihilfen gewähren zu können, nicht voranzutreiben.

Kerber neuer BDI-Geschäftsführer
Der bisherige Hauptgeschäftsführer des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“ (BDI), Werner Schnappauf, musste Ende März 2011 seinen Posten räumen. Er übernahm die politische Verantwortung dafür, dass die Äußerung des damaligen Wirtschaftsministers Rainer Brüderles bei einer BDI-Präsidiumssitzung, das verkündete Atom-Moratorium sei nur aus taktischen Gründen wegen der bevorstehenden Landtagswahlen erfolgt, in die Öffentlichkeit drang. Ihm folgte Markus Kerber nach, der über beste Verbindungen in die Politik verfügt. Bis zu seinem Wechsel zum Lobby-Club leitete er im Bundesfinanzministerium die Abteilung für Grundsatzfragen.

BAYER & Co. gegen Atomausstieg
BAYER & Co. kritisieren den Atomausstieg. „Die deutlich erkennbare politische Absicht, in einem beispiellos beschleunigten Verfahren einen finalen und irreversiblen Schlusspunkt für die Nutzung von Kernenergie in diesem Land zu fixieren, erfüllt mich zunehmend mit Sorge“, bekundete Hans-Peter Keitel vom „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) in einer Presseeerklärung. Der BDI befürchtet nämlich einen Anstieg der Energie-Preise und sieht die Versorgungssicherheit gefährdet. „Wir verlangen Alternativen, die Wirtschaft, Verbraucher und Klima nicht über Gebühr belasten“, heißt es deshalb in dem Papier.

Wirtschaftsrat für AKW-Plebiszit
Der CDU-Wirtschaftsrat, dessen Umweltkommission der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup vorsteht, wollte den Atomausstieg durch eine Volksabstimmung verhindern. Dafür konnte sich allerdings noch nicht einmal die Spitze der eigenen Partei erwärmen. „Auf einem Irrweg“ befand sich der Wirtschaftsrat nach Ansicht des Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder. Der Vorschlag bringe die Diskussion über eine künftige Energie-Politik überhaupt nicht weiter, befand der Christdemokrat und fragte sich: „Ich bin gespannt, ob der Wirtschaftsrat Volksentscheide beispielsweise in der Debatte um Mindestlöhne akzeptieren würde“.

Bleiben die NRW-Hochschulräte?
In den Hochschulräten als neuen Aufsichtsgremien der Universitäten sitzen zu einem Drittel VertreterInnen von Unternehmen. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. So ist BAYER-Vorstand Richard Pott im Hochschulrat der Universität Köln vertreten, mit welcher der Konzern auch eine umfassende Forschungskooperation unterhält (SWB 2/09). Im Wahlkampf hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Hochschulräte noch als Beispiele für eine „Privatisierung der Hochschulen“ kritisiert und eine Reform angekündigt. Geschehen ist bisher jedoch noch nichts. „Wir möchten über die Hochschulräte nicht herausgelöst entscheiden, sie sind Teil des Hochschulgesetzes. Und darüber wollen wir erst einmal einen breiten Dialog anstoßen, um dann eine Entscheidung zu fällen“, verlautet nun aus der Staatskanzlei.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER pflegt Kontakte

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Mit dem Image des Leverkusener Multis in der Region ist es seit einiger Zeit nicht mehr zum Besten bestellt. Umstrittene Projekte wie die Kohlendioxid-Pipeline und Kohlekraftwerke sorgen neben der kontinuierlichen Arbeitsplatzvernichtung für eine schlechte Presse. Darum geht der Konzern vermehrt in die Offensive. So veranstaltete er im August 2011 eine Sommertour für JournalistInnen, PolitikerInnen, WirtschaftsvertreterInnen und StadtverwaltungsbeamtInnen auf dem Monheimer Gelände von BAYER CROPSCIENCE. Dabei sprach das Unternehmen ganz offen aus, was Sinn der Übung war: Kontaktpflege.

BAYER pflegt Kontakte

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Da BAYERs Chemie-„Parks“ in Leverkusen, Dormagen und Krefeld bei den AnwohnerInnen nicht gerade in hohem Ansehen stehen, setzten sie sich zur Nachbarschaftspflege als Wohltäter in Szene. So lobte die 60-prozentige Konzern-Tochter CURRENTA als Betreiber der Industrie-Areale den Preis „Nachbarschafft Hilfe“ aus. Um der Gute-Onkel-Aktion möglichst viel Resonanz zu verschaffen, ließ die CURRENTA die Menschen an den Standorten online über die Vergabe von 10.000 Euro an Vereine oder soziale Einrichtung entscheiden. 120.000 Personen nutzten diese Gelegenheit, allerdings handelten viele von ihnen unsozial und betrieben Vereinsmeierei in eigener Sache. „Leider gab es ein paar Unterstützer, die sich mit unfairen Mitteln beteiligt haben“, musste BAYER einräumen.

Malwettbewerb mit der UNEP
BAYER sponsert das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), um sich ein Öko-Image zu verschaffen. Im Rahmen dieser Kooperation veranstaltet der Konzern auch einen Malwettbewerb. Im Jahr 2011 nahmen 8.000 Kinder an ihm teil.

1. Klimaschutz-Tag
Am 29. Mai 2011 veranstaltete BAYER in Leverkusen den „1. Klimaschutz-Tag“. „Mit unseren zahlreichen Aktionen für Groß und Klein wollen wir das Umweltbewusstsein der Besucher schärfen und zeigen, wie BAYER sich für den Schutz des Klimas einsetzt“, erklärt der Konzern. Aber weder „Kasper, der Energiesparer“ noch Verweise auf Wärmedämmung made by BAYER vermochten zu verdecken, was die nüchternen Zahlen des jüngsten Nachhaltigkeitsberichtes ausweisen: Der Global Player steigerte im letzten Jahr den Ausstoß des klima-schädigenden Kohlendioxids um 400.000 Tonnen auf 8,5 Millionen Tonnen.

Gentechnik für AnfängerInnen
Spielerisch lernen bei BAYER bereits die Kleinsten den Umgang mit der Gentechnik. Bei einer Wissenschaftsnacht „durften“ 140 sechs- bis 13-jährige Schülerinnen im Leverkusener Kommunikationszentrum des Konzerns auf die Frage: „Warum ist die Tomate rot und rund, die Kiwi grün und borstig?“ die Antwort „Das liegt am Erbgut“ finden, indem sie die Früchte unter fachlicher Anleitung auseinander nahmen.

Ausstellung im NRW-Landtag
Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), der Lobbyclub von BAYER & Co., durfte den nordrhein-westfälischen Landtag als Propaganda-Forum nutzen. Der NRW-Ableger des VCI zeigte dort im Juli 2011 die Ausstellung „Innovationen der chemischen Industrie“. Bei der Eröffnung konnte er Gäste wie die Landeswissenschaftsministerin Svenja Schulze begrüßen, deren Wege sich öfters mit denen der BAYER-ManagerInnen kreuzen.

DRUGS & PILLS

USA: XARELTO zugelassen
Während das BAYER-Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) in der EU schon länger zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zugelassen ist, zögerte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA lange mit der Genehmigung. Zu schwer wogen die Bedenken gegen das Mittel, welches das Blutgerinnungsenzym Thrombin hemmt, wegen des erhöhten Risikos für Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie der ungeklärten Langzeitwirkung. Jetzt scheinen die Vorbehalte überwunden: Die FDA gab grünes Licht für XARELTO. Für den Leverkusener Multi stellt das allerdings nur einen ersten Schritt dar. Er setzt alles daran, das Mittel auch zur Schlaganfall-Prophylaxe einsetzen zu können, obwohl es selbst nach eigener Aussage „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“ aufweist (Ticker 3/11).

XARELTO-Hängepartie
Die US-Zulassung von XARELTO als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe gestaltet sich schwierig. MitarbeiterInnen der Gesundheitsbehörde FDA hatten sich Anfang September 2011 gegen die Genehmigung ausgesprochen. Die von BAYER eingereichten Studien warfen ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken auf. Zudem konnten sie im Vergleich zum bislang gebräuchlichen Wirkstoff Warfarin keinen therapeutischen Zusatznutzen entdecken. Trotzdem entschloss sich das BeraterInnen-Gremium der Behörde, eine Zulassungsempfehlung auszusprechen. Neun Mitglieder votierten dafür, zwei dagegen, und eine Person enthielt sich. Die endgültige Entscheidung über XARELTO fällt im November 2011.

BETAFERON-Rückruf
In den USA bestückt BAYER die Packungen seines Multiple-Sklerose-Medikamentes BETAFERON mit alkohol-haltigen Pads zur Haut-Desinfektion. Weil viele dieser Pads mit einem Bazillus verunreinigt waren, der lebensgefährliche Krankheiten übertragen kann, musste der Leverkusener Multi eine Rückruf-Aktion starten.

ADALAT + Antibiokum = gefährlich
BAYERs Bluthochdruck-Mittel ADALAT und BAYMYCARD können in Kombination mit bestimmten Antibiotika gesundheitsgefährdende Wirkungen entfalten. Nehmen PatientInnen die Kalzium-Antagonisten gemeinsam mit den Wirkstoffen Erythromycin oder Clarithromycin ein, so besteht die Gefahr einer zu starken Absenkung des Blutdrucks. Die beiden Antibiotika-Wirkstoffe hemmen nämlich ein Leberenzym, das Arzneien abbaut, was zu einer Überdosis ADALAT im Organismus führt. Das ergab eine Studie von WissenschaftlerInnen der Universität Toronto unter Leitung von David Juurlink.

QLAIRA gegen HMB
Warum eigentlich mühsam Heilmittel für existierende Krankheiten erfinden, wenn man auch Krankheiten für schon existierende Heilmittel erfinden kann, fragt sich der Leverkusener Multi immer öfters. Jetzt hat sein ForscherInnen-Geist wieder etwas Neues entdeckt: schwere Menstruationsblutungen. Eine standesgemäße Abkürzung hat der Konzern für dieses „Leiden“ mit HMB bereits ebenso wie mit dem BAYER-Verhütungsmittel QLAIRA ein adäquates Gegenmittel. Über die Nebenwirkung „Thrombose“, welche bei den Schwesterprodukten aus der YASMIN-Familie schon zu Todesfällen geführt hat, weiß der Pharma-Riese dagegen nichts. Das könnte „nur in großen epidemiologischen Studien geklärt werden“, lässt er verlauten.

Endgültiges Aus für Männer-Pille
Im Jahr 2002 stellte BAYER die Forschung an der Pille für den Mann ein, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO mit über einer Million Dollar gesponsert hatte. Weil der Konzern der Einrichtung etwas schuldig war, überließ er ihr aber das haus-eigene Testosteron-Präparat NEBIDO für Versuchsreihen, nicht ohne sich dafür die Zusicherung auszubedingen, Einblick in die Studien-Unterlagen nehmen zu können. Im Erfolgsfall wäre der Pharma-Riese damit wieder am Drücker. Dieser ist jedoch nicht eingetreten. Die WHO brach die Studie im Sommer 2011 ab, weil bei zehn Prozent der Probanden Nebenwirkungen wie Depressionen, Gewichtszunahme und Akne aufgetraten waren.

BAYER kauft Antibiotikum
Der Leverkusener Multi entwickelt immer weniger Arzneien selbst und kauft stattdessen Forschungserträge von außerhalb zu. So hat er die Rechte für den Antibiotika-Wirkstoff Torezolid erworben, der gerade die zweite Phase der klinischen Tests durchläuft. Die mittels eines biotechnologischen Verfahrens gewonnene Substanz gehört zu der neuen Antibiotika-Klasse der Oxazolidinone, die Bakterien angeblich in einem sehr frühen Stadium zu Leibe rücken kann.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

19 Tote durch Endosulfan
2010 starben in Benin 19 Menschen durch ein Pestizid; 161 Personen vergiftete es insgesamt. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OBEPAB handelte es sich dabei höchstwahrscheinlich um das in dem Staat verbotene Endosulfan. Obwohl die Substanz, die BAYER nach eigenen Angaben seit zwei Jahren nicht mehr vertreibt, inzwischen vor einem weltweiten Bann steht, ist sie immer noch in Umlauf. Über schwarze Kanäle gelangte das Ackergift nach Benin, wo es in Lagerhallen Maniok, Bohnen, Mais und Getreide vor Schadinsekten schützen sollte. Der Verzehr der belasteten Lebensmittel führte dann zu der Katastrophe.

Verzicht auf Klasse-1-Pestizide
Der Leverkusener Multi nimmt bis Ende 2012 seine Pestizide der höchsten Gefahrenklasse vom Markt. Damit kommt der Konzern einer langjährigen Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nach - allerdings mit über zehn Jahren Verspätung. Versprochen hatte das Unternehmen diesen Schritt in seinem Geschäftsbericht von 1995 nämlich schon für das Jahr 2000. Darum begrüßte die CBG die Ankündigung in einer Presseerklärung zwar, kritisierte jedoch, „dass sich der Konzern erst entschloss, diese chemischen Zeitbomben auszumustern, als sie nicht mehr genügend Profit abwarfen“.

BVL geht gegen RODINO vor
Das „Bundesamt für Verbraucherschutz“ (BVL) hat BAYERs Antiunkraut-Mittel RODINO sowie weiteren Pestiziden mit dem Wirkstoff Clomazone vorläufig die Zulassung entzogen. Vorausgegangen waren Beschwerden von AnwohnerInnen landwirtschaftlicher Nutzflächen, die über gesundheitliche Probleme geklagt hatten. Bereits vor drei Jahren hatten die Behörden die Anwendungsbedingungen für Clomazone-haltige Mittel verschärft, denn diese haben „die kritische Eigenschaft, nach der Spritzung auf den Boden noch ungezielt weiter verdriften zu können“, wie die „Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft“ festhält. Allerdings haben BAYER & Co. Widerspruch gegen die Entscheidung des BVL eingelegt, weshalb die Agrochemikalien vorerst weiter im Umlauf bleiben. Darum fordert das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN): „Die deutsche Bundesregierung muss endlich gesetzgeberisch den Zulassungsbehörden den Rücken stärken, damit die Behörden sich gegen die ökonomischen Interessen multinationaler Konzerne durchsetzen können!“

Parkinson durch Pestizide
Es wird immer amtlicher: Pestizide können Parkinson verursachen. Was viele Studien belegen, dringt mittlerweile auch bis zu den Berufsgenossenschaften durch. Sie haben nun bereits zum vierten Mal Parkinson bei LandwirtInnen, die viel mit Ackergiften umgehen, als Berufskrankheit anerkannt.

Alzheimer durch Pestizide
Pestizide können die Alzheimer-Erkrankung befördern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der französischen Wissenschaftlerin Isabelle Baldi. Die Forscherin machte mit LandarbeiterInnen, die in unterschiedlich starker Weise Ackergiften ausgesetzt sind, über einen Zeitraum von über vier Jahren hinweg Alzheimer-Früherkennungstests. Dabei stellte Baldi fest, dass bei Personen, die viel in Kontakt mit den Agro-Chemikalien kamen, die kognitiven Leistungen doppelt so stark nachließen wie in den Vergleichsgruppen.

PFLANZEN & SAATEN

Weizen-Kooperation mit RAGT
Der Leverkusener Multi hat mit dem französischen Unternehmen RAGT eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet „Weizen-Saatgut“ vereinbart. Die beiden Konzerne wollen gemeinsam neue Arten entwickeln und ihr Wissen teilen. Der Agro-Riese erhält Zugriff auf das Winterweizen-Zuchtmaterial der Firma und gewährt ihr im Gegenzug das Recht auf Nutzung von bestimmten Pflanzen-Eigenschaften made by BAYER. Das gewachsene Interesse des Global Players an der weltweit am häufigsten angebauten Kulturpflanze belegen auch Kooperationen mit der australischen Forschungseinrichtung „Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation“ (CSIRO), mit dem israelischen Biotech-Betrieb EVOGENE und der Universität von Nebraska sowie der Erwerb zweier Zuchtprogramme von ukrainischen Gesellschaften.

BAYER für Patente auf Pflanzen
Nicht nur auf gen-manipulierte Ackerfrüchte, sondern auch auf mittels konventioneller Verfahren gezüchtete erheben die Konzerne Patentansprüche. So bekam der Leverkusener Multi unter anderem ein Schutzrecht auf eine herbizid-resistente Mais-Art zugesprochen und will gerade Methoden zur Züchtung von Pflanzen, die zur Agrodiesel-Produktion dienen, als geistiges Eigentum schützen lassen. Der traditionelle Sortenschutz, der ebenfalls die Verfolgung kommerzieller Interessen gewährleistet, reicht dem Agro-Multi nicht aus. Er reklamiert umfassendere Rechte für sich. „Der Sortenschutz hat Grenzen, da Erfindungen meist nicht sorten-spezifisch sind, sondern vielmehr in viele Sorten eingebracht werden können“, erklärte BAYER-CROPSCIENCE-Sprecher Richard Breum.

NUNHEMS wächst und wächst
BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS expandiert beständig. Nachdem sie im US-amerikanischen Parma und in Monheim die Betriebsstätten ausbaute und im spanischen Cartagena ein Forschungszentrum eröffnete, erweitert das Unternehmen nun auch seine Kapazitäten im niederländischen Leudal. Dort plant NUNHEMS neue Labore für DNA-Analysen, molekulare Züchtungen und Saatgut-Experimente.

GENE & KLONE

Genreis-Rückstände in China
Im Jahr 2006 tauchte gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in den Supermärkten auf. In keinem Land der Erde lag zu diesem Zeitpunkt eine Zulassung der Sorte mit der Bezeichnung LL 601 vor. Rund ein Drittel der US-amerikanischen Ernte war verunreinigt. Die EU und Japan stoppten daraufhin alle Importe aus dem Land, die betroffenen LandwirtInnen blieben auf ihrer Ernte sitzen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Und die Laborfrucht treibt immer noch ihr Unwesen. Im Februar diesen Jahres fand sich die Laborfrucht, die gegen das Herbizid LIBERTY resistent ist, weshalb die LandwirtInnen die Pflanze mit großen Mengen des Pestizids behandeln können, in chinesischem Supermarkt-Reis wieder.

T25-Rückstände im Saatgut
Das niedersächsische Umweltministerium hat bei einer Untersuchung Spuren von BAYERs in Europa nicht zugelassenem Genmais der Sorte „T25“ in konventionellem Mais-Saatgut aus Ungarn entdeckt.

Keine Grenzwert-Erhöhung
Immer wieder stoßen die Labore auf Rückstände der Gen-Pflanzen von BAYER & Co. in konventionellem Saatgut (s. o.) Darum setzten die Agro-Multis alles daran, den Grenzwert zu erhöhen. In der Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner fanden sie auch eine Mitstreiterin. Aber ihre Initiative, das strikte Verbot von Verunreinigungen aufzuheben und Gen-Spuren in geringen Mengen zuzulassen, scheiterte im Bundesrat.

Gentech-Paradies Spanien
Spanien ist das Gentech-Paradies der EU. 85 Prozent aller Laborfrüchte Europas erblühen dort. Da darf der Leverkusener Multi mit seinen Produkten natürlich nicht fehlen. Er führte oder führt dort noch 48 Freisetzungsversuche durch, die meisten davon mit Baumwoll-Arten, aber auch solche mit Raps, Mais oder Soja.

EU lässt Gen-Baumwolle nicht zu
Die AgrarministerInnen der Europäischen Union konnten sich nicht darauf verständigen, BAYERs gegen das Anti-Unkrautmittel Glyphosate resistenter Gentech-Baumwolle „GHB 614“ eine Import-Genehmigung zu erteilen. Eine endgültige Entscheidung fällt nun die EU-Kommission.

Argentinien lässt Gen-Soja zu
Argentinien hat BAYERs Gen-Soja der LIBERTYLINK-Baureihe zugelassen. Die Laborfrucht ist gegen das in Europa bald nicht mehr zugelassene Glufosinat resistent, weshalb die LandwirtInnen das Pestizid in großen Mengen verwenden können, ohne die Nutzpflanze zu schädigen - dafür aber Flora und Fauna in ihrer Umgebung umso mehr.

Protest gegen BAYER-Patent
Das Europäische Patentamt hat BAYERs weitreichenden Patent-Antrag auf stress-resistente Pflanzen genehmigt. Das „EP1616013“ umfasst das Verfahren, das entsprechende DNA-Molekül, die Pflanzen-Zelle, die Samen, die Anwendungen bei gentechnischen oder konventionellen Züchtungen sowie die Pflanze selber. Der Leverkusener Multi hat den Schutz auf geistiges Eigentum erhalten, obwohl viele der vom Konzern dargelegten Verfahren seit langem Anwendung in der Praxis finden. Darüber hinaus untersagt das Europäische Patentübereinkommen eigentlich Ansprüche auf Züchtungen, die auf dem Weg der Kreuzung und Selektion zustande kommen. „Die Europäischen Patentgesetze müssen endlich verändert werden, damit solche Patente nicht mehr möglich sind (...) Ansonsten ist der Ausverkauf der natürlichen Lebensgrundlagen an Konzerne wie BAYER und MONSANTO die Folge“, so kritisieren die Initiativen KEIN RECHT AUF LEBEN und KEINE PATENTE AUF SAATGUT die Entscheidung der Behörde in einer Presseerklärung.

Gentech-Steroide von BRAIN
Der Leverkusener Multi benötigt Steroide für seine Hormon-Präparate und als Pharma-Zwischenprodukte. Ihre Herstellung erfolgt mit Hilfe von Mikroorganismen. Diese lässt BAYER jetzt gentechnisch von der BRAIN AG optimieren. „Unter Anwendung moderner, molekularbiologischer Techniken innerhalb der System-Biologie ist es uns möglich, gezielt in das Genom von Produktionsstämmen einzugreifen, um einzelne, die Produktausbeute limitierende Gene auszutauschen oder zu modellieren“, erklärte das Zwingenberger Unternehmen.

Neues Krebsmittel im Test
Der Leverkusener Multi hat mit Tests für eine neue Krebs-Arznei begonnen. Ein Antikörper soll im Gegensatz zu Chemo-Therapien, die nicht nur Tumorzellen, sondern auch gesundes Gewebe zerstören, gezielt vom Krebs befallene Zellen aufspüren und dann das mitgeführte Zellgift Monomethylauristatin E (MMAE) zum Einsatz bringen. Der Leverkusener Multi kooperiert bei den Versuchen mit dem Unternehmen SEATTLE GENETICS, welches das MMAE entwickelt hat. Das Versprechen, Krebs-Präparate mit passgenauen Antikörpern zu entwickeln, hat der Pharma-Riese bisher nicht einlösen können. Sein Medikament NEXAVAR schafft es kaum, die Lebenserwartung der PatientInnen merklich zu erhöhen, kostet aber Unsummen (SWB 4/10)

ALPHARADIN bei Prostata-Krebs?
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelte ALPHARADIN, das vermittels Alpha-Strahlen das Wachstum von Prostatatumor-Zellen hemmen soll. Männern, bei denen eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, verhalf es in einem Klinischen Test zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Ihre durchschnittliche Überlebenszeit betrug 14 Monate, diejenige der Placebo-Gruppe 11,2 Monate. Und sogar noch an dieser Zahl bestehen Zweifel, denn die Pharma-Hersteller gehen bei der Auswahl von ProbandInnen für ihre Arznei-Tests ziemlich selektiv vor. Wie jetzt eine Auswertung von 164 Studien ergab, bevorzugen sie jüngere Personen. Während 74 Prozent der Darmkrebs-Erkrankten über 65 sind, kommen nur 40 Prozent der Studien-TeilnehmerInnen auf dieses Alter - und haben entsprechend bessere Überlebenschancen. Trotzdem kommentierten die Zeitungen das Ergebnis der BAYER-Untersuchungen mit Überschriften wie „Hoffnung für Prostatakrebs-Patienten“.

BAYER erwirbt Lizenz für Hemmstoff
Hemmstoffe oder Antikörper, die gezielt auf Tumor-Zellen einwirken, gelten dem Leverkusener Multi als Wundermittel gegen Krebs, auch wenn die auf dieser Basis entwickelten Medikamente das Leben der Betroffenen bisher kaum länger als zwei Monate verlängern konnten. BAYER setzt jedoch unverdrossen weiter auf diese Therapie-Form und erwarb von der Universität Münster die Lizenz für einen entsprechenden Eiweißstoff.

Keine Suche mehr nach Zielmolekülen
Einkaufstouren wie solche bei der Universität Münster (s. o.) dürfte der Leverkusener Multi künftig öfters unternehmen. Der Konzern löste nämlich seine Forschungsabteilung auf, die nach krankheitsrelevanten Zielmolekülen suchte, um sie dann - so jedenfalls die graue Gentechnik-Theorie - mit passgenau entwickelten Antikörpern oder Hemmstoffen ausschalten zu können.

WASSER, BODEN & LUFT

Aus für Kohlekraftwerk
Die jahrelangen Proteste gegen das auf dem Krefelder Chemie-„Park“ des Leverkusener Multis geplante Kohlekraftwerk, das seine Tochterfirma CURRENTA betreiben sollte, haben sich ausgezahlt. Der Energie-Versorger TRIANEL beugte sich dem Druck der Öffentlichkeit und entschied sich für eine umweltschonendere Variante: ein Gas- und Dampfkraftwerk (siehe auch SWB 4/11). Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) begrüßt diesen Schritt; sie sieht Gas als Brückentechnologie hin zu einer wirklich umweltschonenden Stromerzeugung an. Allerdings kritisiert die CBG die Dimensionen der Anlage. Sie ist für 1.200 Megawatt ausgelegt und übersteigt damit die Kapazität des ursprünglich avisierten Kohlekraftwerks bei weitem. Deshalb produziert sie mehr klima-schädigendes Kohlendioxid als nötig und erreicht einen geringeren Wirkungsgrad als kleinere Kraftwerke.

Umweltgefährdende Müllmitverbrennung
Aus Kostengründen verfeuern BAYER & Co. in ihren Brennöfen zur Energie-Gewinnung nicht nur Steinkohle, sondern auch Müll. Auf 5,1 Millionen Tonnen kommen die Betriebe allein in Nordrhein-Westfalen pro Jahr. Am Standort Krefeld plant der Leverkusener Multi sogar, den Anteil auf 25 Prozent zu erhöhen (Ticker 3/11). Da diese Art des „Recyclings“ nicht den modernen Standards beispielsweise der Rauchgas-Behandlung entspricht, gelangen große Konzentrationen von Dioxinen, Furanen und Schwermetallen in die Umwelt, was nur eine Ausnahme-Regelung in der Bundesimmissionsschutz-Verordnung gestattet. Dagegen wollen die Grünen in NRW nun vorgehen. Sie planen eine Verschärfung der Grenzwerte und streben über eine Bundesratsinitiative auch eine bundesweite Lösung an.

Mehr Sondermüll-Verbrennung
Der Leverkusener Multi will die Kapazität seiner Sondermüll-Verbrennungsanlage in Leverkusen um 40.000 Tonnen auf 120.000 Tonnen steigern. Damit nimmt auch die ohnehin schon hohe Belastung der Umwelt mit Stoffen wie Kohlendioxid, Stickoxiden, Quecksilber, Arsen und Cadmium zu. Der BUND kritisiert vor allem das Fehlen von Vorrichtungen zur Reduktion der Stickoxid-Emissionen sowie die zu niedrig angesetzte und deshalb zu mehr Schadstoff-Ausstoß als nötig führende Temperatur zur Klärschlamm-Verbrennung. Auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt die Pläne ab. „In NRW gibt es keinen Bedarf für weitere Verbrennungskapazitäten - schon jetzt werden zur Auslastung der bestehenden Anlagen große Mengen Müll aus dem Ausland akquiriert. Immer neue Verbrennungsanlagen verhindern zudem den Einstieg in eine ökologisch sinnvolle Kreislaufwirtschaft“, so CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in einer gemeinsam mit dem BUND, dem NABU und der LANDESGEMEINSCHAFT NATURSCHUTZ und UMWELT veröffentlichten Presseerklärung.

BAYERs CO2--Recycling
Im Februar 2011 nahm BAYER eine Pilotanlage in Betrieb, die den Einsatz von Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großtat zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10). Und selbst bei der günstigsten Hochrechnung fallen die Ergebnisse bescheiden aus. Sollten wirklich einmal weltweit alle Kunststoffe nach dem neuen Verfahren hergestellt werden, so wären gerade einmal 178 Millionen Tonnen Kohlendioxid gebunden - 0,6 Prozent der jährlichen Emissionen. Darüber hinaus fällt bei der „Dream Production“ selber nicht wenig CO2 ab, da energie-aufwendige Abtrennungs-, Reinigungs- und Verflüssigungsprozesse nötig sind, ehe aus den Rauchgasen der Kohlenkraftwerke ein Rohstoff für die Chemie-Industrie entsteht.

Neue Grundwasser-Verordnung
Im Herbst 2010 trat eine neue Grundwasser-Verordnung in Kraft. Sie vermag es allerdings nicht, die Belastungen der aquatischen Ökosysteme durch die Ackergifte von BAYER & Co. zu senken. „Es gibt keine bundesweit einheitlichen Mindeststandards zur Dokumentation, Reduzierung oder Behebung bedeutender Verunreinigungsquellen, dadurch können die nun für Grundwasser geltenden Pestizid- und Biozid-Grenzwerte nicht wirken“, kritisiert das PESTIZIDS-AKTIONS-NETZWERK (PAN).

Baugenehmigung in Cambridge
Bis zum Jahr 2003 betrieb BAYER im englischen Hauxton nahe Cambridge ein Werk. Bei der Schließung hinterließ der Konzern in Boden und Grundwasser jede Menge Altlasten. Trotzdem sollen auf dem Gelände Wohnhäuser entstehen. Eigentlich hätte der Leverkusener Multi die Sanierung übernehmen müssen, ihm gelang es jedoch, diese Aufgabe auf den Investor HARROW ESTATES abzuwälzen. Entsprechend demotiviert und erst auf politischen Druck hin machte dieser sich ans Werk. Er entschloss sich, das Erdreich abzutragen, zu säubern und wieder in die Grube zurückzuverfrachten. Dabei erwachten zwischenzeitlich auch die Schadstoffe zu neuem Leben und verursachten bei mehr als der Hälfte der 402 AnwohnerInnen Atemprobleme, Kopf- und Halsschmerzen sowie andere Gesundheitsstörungen. Darüber hinaus kam erst im Zuge der Arbeiten das ganze Ausmaß der Verschmutzung ans Tageslicht. Deshalb bat HARROW den Gemeinderat, einer Sanierung light zuzustimmen, was dieser auch tat. Nun befinden sich Boden um bis 500 Mal höhere Rückstände von Dicambe, Ethofumesate und anderen Chemikalien als ursprünglich vorgesehen - eine große Bedrohung nicht nur für das Grundwasser. Entsprechend empört reagierten die AnwohnerInnen. Das hielt die Kommune jedoch nicht davon ab, HARROW ESTATES eine Baugenehmigung für das Areal zu erteilen.

NANO & CO.

Gefährliches BAYERTITAN T
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln diese oft unbekannte Eigenschaften. So auch das Nano-Produkt BAYERTITAN T, das als Aufheller in Wandfarben, Zahnpasta und Tabletten oder als UV-Filter in Sonnencremes Verwendung finden kann. Im Gegensatz zu größeren Titandioxid-Partikeln gelingt es dem Stoff nämlich, die Luft/Blut-Schranke zu überwinden und sich in den Organen anzureichern. Es „muss von einer möglichen, wenn auch minimalen, systemischen Verteilung der Partikel über den Blutkreislauf ausgegangen werden“, resümiert Maja Eydner ihren Tierversuch, ohne darin einen besonders beunruhigenden Befund zu sehen. Wolfgang Kreyling vom Helmholtz-Zentrum München, der im Auftrag des Bundesumweltamtes eine Nano-Studie mit Titan-Partikeln von DEGUSSA/EVONIK durchführte und eine weite Streuung der Teilchen in Lunge, Leber, Niere, Herz und Gehirn beobachtete, kommt da zu anderen Schlussfolgerungen. Angesichts von 4,5 Milligramm Titandioxid, das der Mensch täglich aufnimmt, warnt er: „Wenn auch davon nur ein Prozent im Körper verbleibt, so kommt damit im Laufe der Zeit und damit im Laufe des Lebens eine beträchtliche Summe zusammen, die durchaus bedenkenswert ist“. Eine frühere Untersuchung (Ticker 3/11) hatte bereits die tödliche Wirkung von Nano-Teilchen aus Titandioxid auf Mikro-Organismen wie Wasserflöhe nachgewiesen.

Risiko-Analysen „zwingend nötig“
Bundesumweltminister Norbert Röttgen erachtet Risiko-Analysen für Nano-Produkte als „zwingend nötig“, wie er bei der Vorstellung des Abschlussberichtes der 2006 vom damaligen Umweltminister Sigmar Gabriel einberufenen „NanoKommission“ deutlich machte. BAYER und die anderen Hersteller sind da anderer Meinung.
Sie wehren sich gegen ein zentrales Register, wie es für Chemikalien bereits existiert (siehe auch POLITIK & EINFLUSS). „Vertreter der Industrie halten die vorhandenen Produktlisten und -register (...) für ausreichend“, heißt es in der Publikation mit dem Titel „Verantwortlicher Umgang mit Nano-Technologien“. Auch einer Kennzeichnungspflicht mochten die Unternehmen nicht zustimmen. Überraschenderweise sprachen sie sich aber nicht gegen politische Rahmensetzungen aus: „Die NanoKommission ist sich bewusst, dass in nächster Zeit Regulierungsfragen Vorrang vor Konzepten haben werden, die auf freiwilligen Maßnahmen der Industrie aufbauen“.

400 Millionen für Nano-Forschung
Die Bundesregierung will die Nano-Forschung von BAYER & Co. jährlich mit 400 Millionen Euro fördern. Das beschlossen CDU und FDP im Rahmen ihres „Aktionsplans Nanotechnologie 2015“. Der „Verband der Chemischen Industrie zeigte sich hellauf begeistert: „Mit ihrem ‚Aktionsplan Nanotechnologie 2015‘ kann die Bundesregierung die europäische Spitzenposition Deutschlands in dieser zukunftsweisenden Technik ausbauen“.

Nano-Pestizid RAXIL
Der Leverkusener Multi verwendet die Nano-Technologie auch in der Pestizid-Produktion. So enthält das Saatgutbehandlungsmittel RAXIL MD Substanzen in Nano-Größe. Das macht das Mittel BAYER zufolge feiner, dünner, stabiler in der Wirkung - und giftiger, denn der Stoff kann direkt in die Zellen der Pflanzen eindringen wie auch in diejenigen von Insekten oder - über die Nahrungskette - von Menschen. Trotz dieser Risiken gibt es kein spezielles Zulassungsverfahren für Ackergifte auf Nano-Basis. Einen entsprechenden Antrag der Grünen hatte das Europäische Parlament in der letzten Legislatur-Periode abgelehnt.

CO & CO.

Berufungen im Pipeline-Verfahren
Am 25. Mai 2011 hatte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht die Inbetriebnahme von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline untersagt, weil die Rohrleitung nicht ausreichend vor Erdbeben gesichert ist. Allerdings bestätigten die JuristInnen die Rechtmäßigkeit der Enteignungen entlang des Streckenverlaufes. Deshalb kündigten die Anwohner, die dagegen geklagt hatten, gleich nach der Urteilsverkündigung an, in Berufung zu gehen. Gleiches tat Ende August 2011 auch die Düsseldorfer Bezirksregierung. Ihre Begründung lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor.

Mangelnder Rostschutz
An fünf Stellen der zwischen Krefeld und Dormagen verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline muss BAYER schon Reparatur-Arbeiten vornehmen, obwohl die Bauarbeiten kaum abgeschlossen sind. Eine Überprüfung hatte nämlich Mängel an den Isolierungen festgestellt, die den Rostschutz gefährden.

STANDORTE & PRODUKTION

„Pharma-Campus“ verschoben
BAYER hatte in Berlin viel vor. Im letzten Jahr kündigte der Leverkusener Multi an, das Gelände der 2006 erworbenen SCHERING AG für 500 Millionen Euro zu einem „Pharma-Campus“ umbauen zu wollen. Doch unter dem neuen Chef Marijn Dekkers ging der Konzern immer mehr auf Distanz zu dem Projekt. Mitte Juli 2011 gab er schließlich bekannt, die Pläne zunächst für zwei Jahre ruhen zu lassen. Ob sie überhaupt noch realisiert werden, st

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2011 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

TESTBIOTECH kritisiert EFSA
Der Verein TESTBIOTECH hat Kritik an der Art und Weise, wie die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA die Risiken der Laborfrüchte von BAYER & Co. beurteilt, geübt. So unterlässt es die EFSA, die unlängst durch ihre Verfilzung mit den Gen-Giganten für Schlagzeilen sorgte (Ticker 2/11), die Wechselwirkung zwischen dem Erbgut der Pflanze, dem eingebauten Gen und der Umwelt zu untersuchen. Auch fehlen der Behörde klare Kriterien für ein Negativ-Urteil, monierte die Initiative.

CBG verlangt Phosgen-Verzicht
Der Leverkusener Multi will in Brunsbüttel und Krefeld seine Polycarbonat-Produktion erweitern, dabei aber weiterhin das gefährliche Vorprodukt Phosgen verwenden, obwohl es bereits seit langem Alternativ-Verfahren gibt. Dagegen hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit dem BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ protestiert. „Die Phosgen-Chemie gehört nach Atomkraftwerken zu den risiko-reichsten Technologien in Deutschland. Fukushima zeigt, dass das Undenkbare möglich ist! Das Risiko, jährlich Hunderttausende Tonnen eines Giftgases zu produzieren, ist schlichtweg zu hoch - zumal es Alternativen gibt. Wir fordern, dass neue Werke nach dem neuesten Stand der Technik gebaut werden müssen“, heißt es in der Presseerklärung.

Leserbrief zu Phosgen-Produktion
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte in Presse-Erklärungen die von BAYER in Brunsbüttel und Krefeld geplante Ausweitung der Polyurethan-Produktion kritisiert, weil der Leverkusener Multi dabei weiterhin auf ein Verfahren mit dem Giftgas Phosgen setzt, obwohl Alternativen bestehen (s. o.). Daran knüpfte eine Leserin der Brunsbütteler Zeitung an. Sie schrieb dem Blatt: „Ich frage mich, ob der Brunsbütteler Bevölkerung eigentlich bekannt ist, was BAYER dort plant und welche Auswirkungen das hochgiftige Phosgen-Gas haben kann. Dieses Gas - im 1. Weltkrieg als Kampfgas genutzt - ist für den Menschen schon in geringsten Dosen tödlich! Es ist bekannt, dass von BAYER in Brunsbüttel viele oder sehr viele Arbeitsplätze abhängen und daher evtl. niemand so recht wagt, etwas dagegen zu sagen. Aber eventuell toten - vielleicht vielen toten - Menschen nützen irgendwelche Arbeitsplätze dann auch nichts mehr“.

CBG-Leserbrief an die SZ
Der BAYER seit langen Jahren besonders zugetane Journalist Stefan Weber von der Süddeutschen Zeitung verfasste für die Serie „Starke Marken“ eine halbseitige ASPIRIN-Eloge, ohne sich weiter den Risiken und Nebenwirkungen des „Tausendsassas“ zu widmen. Das tat dann die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in einem Leserbrief. „Der Wirkstoff greift tief in den biochemischen Haushalt des Körpers ein und kann u. a. Blutungen im Magen-Darm-Trakt und Magengeschwüre verursachen. Trotzdem versucht die BAYER AG das Präparat als ‚Wunderpille‘ zu vermarkten - zum Beispiel mit der website WonderDrug.com. Von den Gefahren findet sich in der Werbung kein Wort. Dabei sterben in den USA mehr Menschen an ASPIRIN-Nebenwirkungen als beispielsweise an HIV oder Verkehrsunfällen“, heißt es in der Zuschrift.

Proteste vor Brüsseler BAYER-Büro
Die TeilnehmerInnen der „Europäischen Saatguttage“, die Mitte April 2011 in Brüssel stattfanden, haben auch vor BAYERs Brüsseler Niederlassung demonstriert. Der Leverkusener Multi gehört nämlich zu den Hauptprofiteuren der von der EU geplanten Novelle des Saatgutrechts, will diese den LandwirtInnen doch untersagen, selber Saatgut in Verkehr zu bringen und so das Monopol der Agro-Riesen zementieren. Noch dazu sollen wichtige Prüfungen künftig in den Händen von BAYER & Co. oder in denen der von Industrie-VertreterInnen durchsetzten „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ liegen (siehe auch Ticker 2/11). Zum Zeichen des Protestes gegen das Projekt haben die AktivistInnen den Europa-ParlamentarierInnen außerdem 51.416 Unterschriften übergeben.

KAPITAL & ARBEIT

Pharma-Fusion unter Gleichen?
Mit schöner Regelmäßigkeit stellt BAYER-Chef Marijn Dekkers Unternehmensteile zur Disposition. Hatte er im März 2011 die Bereitschaft erkennen lassen, die Kunststoff-Sparte zu veräußern, falls der Konzern Geld für eine Akquisition benötige, so zeigte er sich zwei Monate später gegenüber Veränderungen im Pharma-Bereich aufgeschlossen. „Wir würden möglicherweise einen Zusammenschluss unter Gleichen in der Healthcare-Sparte erwägen“, sagte er nicht irgendwo, sondern bei einem Besuch der Finanzagentur BLOOMBERG in New York. Bei einem solchen Joint-Venture wäre es leichter, die Prämie für die AktionärInnen zurückzuverdienen als bei Übernahmen, führte der Holländer laut Financial Times Deutschland aus. Allerdings stellt sich bei Deals dieser Art oftmals keine echte Parität ein. Einer der Partner ist nicht selten ein wenig gleicher als der andere.

„Pharma-Campus“ schrumpft
Als der Leverkusener Multi 2006 SCHERING übernahm, stellte er den Beschäftigten Vorteile aus dem Zusammenschluss in Aussicht. Die Realität sah jedoch anders aus. 1.000 Belegschaftsangehörige mussten sofort gehen. Mit dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers brachen dann noch härtere Zeiten an. Er tilgte den Namen und unterstellte die Pillen-Schmiede direkt dem Kommando des Pharma-Chefs Jörg Reinhardt. Auch von dem Job-Abbau, den Dekkers kurz nach seinem Amtsantritt ankündigte, sind die BerlinerInnen in besonders hohem Ausmaß betroffen. Das alles „kann man nicht als Erfüllung der Zusage werten“, warf eine Angestellte dem Vorstandsvorsitzenden auf der Hauptversammlung im April 2011 deshalb vor. Sie fragte den Holländer ebenfalls nach der Zukunft der hochtrabenden „Pharma-Campus“-Pläne, in die nicht zuletzt der Senat der Hauptstadt große Hoffnungen steckt, weil er sich davon eine Sogwirkung auf andere Unternehmen verspricht. Der Ober-BAYER drückte sich um eine klare Antwort. Aber zwei Wochen später wurde der Konzern deutlicher. Er präsentierte eine deutlich abgespeckte Version des Masterplans; der Bau eines Hochhauses steht jetzt nicht mehr zur Debatte.

BAYER gliedert BBS aus
Der Leverkusener Multi gliedert Teile seiner IT-Sparte BAYER BUSINESS SERVICES aus; künftig übernimmt eine SIEMENS-Tochter die Dienstleistungen. Durch diese Maßnahme vernichtet BAYER im Konzern-Verbund die Arbeitsplätze von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE kritisierte diesen Schritt deshalb scharf. „Offensichtlich verstehen die Arbeitgeber unter Wettbewerbsfähigkeit nur die Maximierung betriebswirtschaftlicher Kennziffern, mit denen sie die Finanzmärkte begeistern wollen“, so Reiner Hoffmann, Landesbezirksleiter der Gewerkschaft.

Job-Streichungen in Emeryville
Auch über sein im November 2010 beschlossenes Rationalisierungsprogramm hinaus vernichtet der Leverkusener Multi noch Arbeitsplätze. So stellt er die Fertigung des Multiple-Sklerose-Wirkstoffs Betaferon im US-amerikanischen Emeryville ein. Künftig übernimmt BOEHRINGER für BAYER die Herstellung. Die meisten der 540 Beschäftigten verlieren durch diese Maßnahme ihren Job. Damit bleibt der Konzern seiner Devise treu, bevorzugt Produktionen zu schließen, in denen sich Betriebsgruppen von Gewerkschaften konstituieren wollen. In Emeryville hatte das Unternehmen die Gründung hintertrieben, indem es mit Stellen-Streichungen drohte und die Beschäftigten-VertreterInnen als „Schmarotzer“ diffamierte, die es nur auf die Beiträge der Belegschaftsangehörigen abgesehen hätten.

Job-Streichungen in Leverkusen
Auch am Stammsitz Leverkusen streicht BAYER Stellen. Nach Informationen der Gewerkschaften will der Konzern 61 Arbeitsplätze in den der Geschäftsführung zuarbeitenden Corporate Centern vernichten.

Fabrik-Verkauf in Norwich
Im Rahmen seines Rationalisierungsprogramms will sich BAYER von seiner Pestizid-Fabrik im englischen Norwich trennen und stellt damit 280 Arbeitsplätze im Konzern zur Disposition. Der Leverkusener Multi, der 2010 noch elf Millionen Pfund in den Standort investiert hatte, sucht Werksleiter Tim Green zufolge einen Interessenten für die Produktionsanlagen. Er dürfte allerdings selbst kaum daran glauben, auch einen zu finden, denn als Käufer kämen nur vier, fünf Konzerne aus dem exklusiven Club des Agrochemie-Oligopols in Betracht - und nach Neuerwerbungen steht denen im Moment nicht der Sinn. Es besteht also die Gefahr, dass von Norwich nur eine Mensch, Tier und Umwelt schädigende Altlast übrig bleibt, wofür die Fertigungsstätte in Hauxton nahe Cambridge ein warnendes Beispiel abgibt (Ticker 2/10).

4,1 Prozent mehr Lohn
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE hat sich mit dem „Arbeitgeberverband Chemie“ auf eine Lohnerhöhung in Höhe von 4,1 Prozent geeinigt. Nach Berechnungen der KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener Werk, bleiben davon inflationsbereinigt zwei Prozent übrig. Auszubildende erhalten nach dem neuen Tarifvertrag, der eine Laufzeit von 15 Monaten hat, 35 Euro mehr. „Das Ergebnis ist weder überragend, noch ist es schlecht, es bewegt sich in einer Größenordnung, die man im Allgemeinen als moderat bezeichnen kann“, resümieren die Durchschaubaren das Ergebnis. Ihrer Ansicht nach fehlten auf der Verhandlungsagenda die Themen „gleicher Lohn für LeiharbeiterInnen“ und „Festgeld-Erhöhung“, also das Streiten für die Anhebung des Tarifs um einen bestimmten Betrag, was mehr Verteilungsgerechtigkeit verspricht. Von einem prozentualen Zuwachs profitieren die oberen Einkommensgruppen nämlich mehr als die unteren.

Zehn Millionen für den Vorstand
Der Vorstand des Leverkusener Multis darf sich über üppige Bezüge freuen. Mehr als zehn Millionen Euro strich die Riege im Geschäftsjahr 2010 ein - über eine Million Euro mehr als 2009. Allein BAYER-Chef Marijn Dekkers erhielt fast vier Millionen Euro. Erstmals orientiert sich die Hälfte der variablen Vergütung an der Entwicklung der BAYER-Aktie während eines Zeitraums von drei Jahren, aber gnädigerweise hat der Konzern zweien seiner Vorstände für die „System-Umstellung“ noch einen Aufschlag von fünf Prozent gewährt.

BAYER zahlt Ex-Manager Entschädigung
BAYERs Top-ManagerInnen können mit einer Lohnfortzahlung im Ausscheidungsfall rechnen. Weil die Führungskräfte nicht direkt vom Leverkusener Multi zur Konkurrenz wechseln dürfen, erhalten sie dafür beim Abschied eine Art Schmerzensgeld. So zahlte der Global Player seinem im April 2010 ausgeschiedenen Finanz-Vorstand Klaus Kühn laut Geschäftsbericht 765.000 Euro „als Entschädigung für dieses Wettbewerbsverbot“.

BAYER gliedert Werksschutz aus
BAYER CROPSCIENCE hat am Stammsitz Monheim den Werksschutz ausgegliedert. Fortan übernehmen - wie bereits im Brunsbütteler BAYER-Werk - Beschäftigte des Sicherheitsunternehmens VSU diese Aufgabe. „Damit leisten wir einen Beitrag zur Verbesserung der Kosten-Situation an den rheinischen und niederrheinischen BAYER-Standorten“, so die Landwirtschaftssparte zur Begründung des Schrittes. Betriebsrat und Chemie-Gewerkschaft kritisieren die Maßnahme scharf. „Wir schätzen, dass die immerhin über eine formale Ausbildung verfügenden künftigen Werksschützer einen Stundenlohn zwischen zwölf und dreizehn Euro erhalten. Das liegt deutlich unter der niedrigsten Lohnstufe, in die zum Beispiel Produktionshelfer in der Chemischen Industrie eingestuft werden“, moniert der Betriebsratsvorsitzende Oliver Zühlke. Von „Lohndumping in stark sensiblen Tätigkeitsfeldern“ spricht er deshalb. Die 17 bisherigen WerksschützerInnen erhalten nach BAYER-Angaben andere Job-Angebote im Konzern.

Wenning EON-Aufsichtsratschef
Der ehemalige BAYER-Chef Werner Wenning wäre nach seiner Amtszeit am liebsten bruchlos Aufsichtsratsvorsitzender beim Leverkusener Multi geworden. Das erlauben jedoch die Gesetze nicht mehr. Also trainiert er bis zur Rückkehr an die alte Wirkungsstätte schon einmal bei anderen Konzernen. So leitet er seit 2010 den EON-Aufsichtsrat und sitzt bei der DEUTSCHEN BANK, HDI und TALANX in den Kontrollgremien. Darüber hinaus gehört er den Gesellschafter-Ausschüssen von HENKEL und BAYER Leverkusen an und ist Vize-Präsident des „Verbandes der Chemischen Industrie“.

Neues Projekt der BASIS-BETRIEBSRÄTE
Mitglieder der BASIS-BETRIEBSRÄTE, einer alternativen Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, haben das Projekt „Wechselwirkung LEV“ ins Leben gerufen. Es hat sich zum Ziel gesetzt, ein gemeinsamer Anlaufpunkt für Erwerbslose, prekär Arbeitende und regulär Beschäftigte in der Stadt zu werden. „Alle Leute, die unbequem sind, die raus sind aus dem Chemie-„Park“ oder in sonstiger Weise nicht der Gewerkschaft angepasst sind“, sollen dort nach den Worten des Mitinitiators Nikolaus Roth zusammenkommen. Auch der Zersplitterung der BAYER-Belegschaft, die sich inzwischen auf die unterschiedlichsten Tochter-Gesellschaften mit den unterschiedlichsten Arbeitsbedingungen verteilt und so die oppositionelle Betriebsratsarbeit erschwert, will Roth durch die „Wechselwirkung LEV“ entgegenwirken.

ERSTE & DRITTE WELT

Immer mehr Menschenversuche
BAYER & Co. gehen in immer früheren Test-Phasen dazu über, Medikamente an Menschen zu erproben. Die Pharma-Riesen wollen schneller belastbare Informationen über die Praxis-Tauglichkeit einer neuen Arznei erhalten und so Entwicklungskosten sparen. Als Reservoir für die Versuchsreihen dienen vornehmlich die Länder der „Dritten Welt“. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Zu einem der beliebtesten Staaten für dieses Geschäft hat sich mittlerweile Indien entwickelt. BAYER lässt dort unter anderem das Multiple-Sklerose-Medikament BETAFERON, die Hautgeschwür-Arznei IMPAVIDO sowie vier Krebs-Präparate großflächig erproben.

Klagerecht für BAYER & Co.
Die Europäische Union schließt fleißig Freihandelsabkommen ab (SWB 2/11). Die Verträge mit Kolumbien, Peru und Südkorea sind schon unterschrieben, ein Abschluss mit Indien steht noch in diesem Jahr an. BAYER & Co. haben die Agenda der EU bei den Verhandlungen entscheidend mitbestimmt und profitieren entsprechend von den Ergebnissen wie strengere Patent-Regeln, freiere Marktzugänge, mehr Investitionsschutz, Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen und verbesserte Zugriffe auf Rohstoffe. Und jetzt geht die EU noch einen Schritt weiter. Sie räumt den Konzernen bei bilateralen Investitionsabkommen ein Klagerecht gegen Umwelt- und Sozialgesetze der Vertragspartner ein. „Diese Investitionsabkommen hebeln die Demokratie aus. Konzerne haben dadurch häufig mehr Rechte als Regierungen. Sie sind eine Gefahr für jede ökologische und soziale Politik und das öffentliche Interesse“, kritisiert deshalb Roland Süß von ATTAC.

POLITIK & EINFLUSS

Üppige Parteispenden des VCI
Der Leverkusener Multi spendet in der Bundesrepublik nicht selber an politische Parteien, um den Eindruck direkt gekaufter Entscheidungen zu vermeiden. Er überlässt diesen Job dem „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Die jüngst veröffentlichen Rechenschaftsberichte von CDU, SPD und FDP weisen für das Wahlkampf-Jahr 2009 üppige Zuwändungen von Seiten des Lobby-Clubs aus. Die ChristdemokratInnen bekamen 228.000 Euro, die Liberalen 118.000 Euro und die SozialdemokratInnen 56.000. Bündnis 90/Die Grünen und „Die Linke“ erhielten nichts.

Dekkers bei Merkel
Kaum hatte Marijn Dekkers beim Leverkusener Multi den Chef-Sessel übernommen, da machte er auch schon seinen Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Visite „diente dem gegenseitigen Kennenlernen, aber auch bereits der ersten Diskussion wichtiger politischer und wirtschaftlicher Fragen“, hielt BAYERs Propaganda-Postille direkt fest.

Yu Zhengsheng bei BAYER
Im April 2011 besuchte Yu Zhengsheng, der Parteisekretär von Shanghai, BAYERs Konzern-Zentrale in Leverkusen und sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers und anderen Managern über die Bauvorhaben des Global Players in China.

Krüger im Wissenschaftsministerium
Obwohl Nano-Teilchen eine asbest-ähnliche Wirkung entfalten können, hat die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze die neue Technologie zur Chef-Sache erklärt und fördert Forschung & Entwicklung in diesem Bereich mit 50 Millionen Euro bis 2050. Da bleiben wiederholte Treffen mit BAYER-ManagerInnen nicht aus. So lud sie im Mai 2011 den „Expertenkreis Nano-Technologie zu einem „Runden Tisch“ ins Wissenschaftsministerium ein, dem auch Péter Krüger von BAYER MATERIAL SCIENCE angehört. Zum Sinn und Zweck des Meetings erklärte dieser: „Die Nanotechnologie gehört zu den Zukunftsthemen schlechthin. Es wird erwartet, dass im Jahr 2015 die Eigenschaften von 15 bis 20 Prozent der weltweit produzierten Güter wesentlich durch Nano-Technologie bestimmt sein werden. Dabei liegt es auf der Hand, dass echte Entwicklungsoptionen über die Grenzen von rein technologischen und ökonomischen Aspekten hinaus gedacht werden müssen.“

SPDlerInnen bei BAYER
Im Januar besuchten hochrangige nordrhein-westfälische SPD-Landespolitiker das Bergkamener BAYER-Werk. Der Fraktionsvorsitzende Norbert Römer, der wirtschaftspolitische Sprecher Thomas Eiskirch und der Wahlkreis-Abgeordnete Rüdiger Weiß lobten trotz eines Kohlendioxid-Ausstoßes von acht Millionen Tonnen im Geschäftsjahr 2009 die Umweltschutz-Anstrengungen des Leverkusener Multis und versicherten dem Konzern ihren Beistand bei so umstrittenen Projekten wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und Kohlekraftwerken. „Speziell forschungsorientierte Unternehmen geben vielfach positive Impulse für die gesamte Gesellschaft. Deshalb braucht die Politik gerade dort starke Partner“, so Römer.

Weiter Druck auf Remmel
Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte bei ihrem Amtsantritt 2010 unter anderem ein Klimaschutz-Gesetz angekündigt - angesichts eines NRW-Anteiles an den bundesweiten Kohlendioxid-Emissionen von 33 Prozent eine überfällige Maßnahme. Nach einem ersten Entwurf nimmt sich Rot-Grün vor, den CO2-Ausstoß im Land bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 90 Prozent zu senken. Ein Klimaschutzplan soll regeln, wieviel jede Branche noch emittieren darf und auch als Maßstab für die Bewilligung neuer Anlagen dienen. Sofort nach Bekanntwerden der Pläne brach ein Sturm der Entrüstung los (Ticker 2/11), der sich auch nicht mehr legte. So gab „Unternehmer NRW“, der Interessensverband von BAYER & Co., ein Gutachten in Auftrag, das in dem Paragraphen-Werk einen Verstoß gegen die Verfassung sah. Die politischen Interventionen verfehlen ihren Einfluss auf die SozialdemokratInnen nicht. Deren wirtschaftspolitischer Sprecher Thomas Eiskirch, gern gesehener Gast bei BAYER (s. o.), erklärte bereits: „Ein Klimaschutzziel von 80 bis 90 Prozent gibt es so im Gesetz nicht“. Das Vorhaben dürfte den Landtag also kaum ohne „Nachbesserungen“ passieren.

Voigtsberger bei BAYER
Der NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) besuchte die Zusammenkunft des nordrhein-westfälischen Chemie-Verbundes „ChemCologne“ im Leverkusener Baykomm und hielt dort einen Vortrag zum Thema „Bedeutung und Zukunft der Chemie-Industrie in NRW“.

Birgit Fischer neue VFA-Chefin
Die frühere BAYER-Angestellte Cornelia Yzer musste den GeschäftsführerInnen-Posten beim „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller (VFA), den der Leverkusener Multi mitgegründet hat, räumen (Ticker 2/11). Die Pharma-Riesen werfen ihr vor, die im Zuge des „Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ (AMNOG) beschlossene Erhöhung des Krankenkassen-Rabattes für neue Medikamente ebenso wenig verhindert zu haben wie ein Ende der Preisfindung nach Gutsherren-Art und eine Kosten/Nutzen-Bewertung für Medikamente. Ihr folgt die frühere SPD-Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen, Birgit Fischer, nach, die das AMNOG in ihrer früheren Position als Chefin der BARMER-Krankenkasse noch als zu industrie-freundlich kritisiert hatte. BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke erklärte in seiner Funktion als VFA-Vorsitzender die überraschende Personalie mit der Notwendigkeit, den Dialog mit allen AkteurInnen der Gesundheitsbranche zu intensivieren. Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn vermutet indes ganz andere Motive hinter der Verpflichtung Fischers: „Da wettet ein Verband 30 Monate vor der Bundestagswahl gegen die amtierende Regierung auf einen Wechsel“.

Große Entrup „econsense“-Boss
Wolfgang Große Entrup ist der Umweltpolitiker des Leverkusener Multis. Er steht dem BAYER-Stab „Politik und Umwelt“ vor und leitet die Umweltkommission beim CDU-Wirtschaftsrat, den industrie-hörige ChristdemokratInnen in den 1960er Jahren präventiv aus Angst vor einem Linksschwenk Konrad Adenauers gegründet hatten. Seit kurzem hat Große Entrup noch einen Posten inne. Er hat den Chefsessel bei „econsense“ eingenommen, einer auf anti-ökologisches Lobbying spezialisierten Ausgründung des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“.

Thomas sitzt „Plastics Europe“ vor
Patrick Thomas, der Chef von BAYER MATERIAL SCIENCE, hat den Vorsitz des Verbandes „Plastics Europe“ übernommen, der die Interessen der Kunststoff-Hersteller auf europäischer Ebene vertritt.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit üppig mit Agrar-Subventionen. 183.000 Euro strich der Konzern im letzten Jahr ein. Das Geld dürfte wie ehedem BAYERs Laarcher Hof in Monheim bekommen haben, der als klassischer Ackerbau-Betrieb firmiert, obwohl er nur eine Versuchsküche für die Pestizide des Konzerns ist.

BAYERs Griechenland-Geschäfte
Von dem Geld im zweistelligen Millionen-Bereich, das griechische Hospitäler ihm schuldeten, musste der Leverkusener Multi jüngst rund 20 Prozent abschreiben. Trotzdem will der Konzern auf diesen Markt auch künftig nicht verzichten, darum lässt er seinen KundInnen ab 2010 ein Jahr Zeit, ihre Rechnungen zu begleichen.
Andere bundesdeutsche Unternehmen warten ebenfalls auf Überweisungen aus dem südosteuropäischen Land, weshalb BAYER & Co. natürlich ein vitales Interesse an den Zahlungsfähigkeit gewährleistenden Milliarden-Krediten haben.

Politikbrief mit Prominenten
„Mit dem BAYER-Politikbrief ‚Beitrag‘ bringen wir unsere Expertise in die politische Debatte in Deutschland ein“, so charakterisiert der Leverkusener Multi Sinn und Zweck seiner Publikation, die sich an „politische Entscheider auf Bundes- und Landesebene sowie Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“ wendet. Eine weitere Funktion der Veröffentlichung ist es, Personen mit einflussreichen Posten als AutorInnen zu gewinnen. So schreibt im neuesten Politikbrief mit Namen „re:source“ Achim Steiner vom Umweltprogramm der UN, dessen offizieller Partner BAYER ist, über den Klimagipfel von Kopenhagen. Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft prophezeit: „In der Krise erneuert sich die Wirtschaft“ und Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE unterbreitet den Lösungsvorschlag: „Mit Forschung und Sozialpartnerschaft aus der Krise“.

PROPAGANDA & MEDIEN

5,5 Mio. an Hämophilie-Verbände
Bluter-Verbände beschenkt BAYER reichlich, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Von den 57 Millionen Euro, die der Leverkusener Multi 2010 für „wohltätige Zwecke“ ausgab, erhielten Hämophilie-Organisationen fast zehn Prozent: 5,5 Millionen Euro, wie BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Hauptversammlung im April 2011 bekannt gab.

Kraft zeichnet Baykomm aus
BAYER gehörte 2006 zu den Sponsoren der Kampagne „Land der Ideen“, welche die Fußball-Weltmeisterschaft dazu nutzte, um für den Industrie-Standort zu werben. Der PR-Betrieb hat die Ball-Treterei sogar überlebt und veranstaltet zum Beispiel noch den Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Als einen dieser Orte haben die InitiatorInnen nun mit dem Baykomm das Kommunikationszentrum des Leverkusener Multis ausgezeichnet - sie wissen offenbar, was sie ihren Geldgebern schuldig sind. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft überreichte die Auszeichnung und pries das Propaganda-Forum des Konzerns dafür, „Besucher jeglichen Alters mit Wissenschaft und Forschung vertraut zu machen“.

Dekkers kritisiert Sicherheitsdenken
BAYER-Chef Marijn Dekkers kritisiert das angeblich übertriebene Sicherheitsdenken in der Bundesrepublik. Die Reaktion auf die Atom-Katastrophe in Japan hält er für überzogen, und eine andere Risiko-Kultur, wie sie der BOSCH-Vorstandsvorsitzende Franz Fehrenbach gefordert hat, braucht es für die Chemie seiner Meinung nach nicht. Die Branche habe ihre Lektion seit Seveso und Bhopal gelernt, meint der Holländer - trotz der Großexplosion in BAYERs Bhopal-Referenzwerk Institute vom August 2008. Nur etwas kleinlaut räumte Dekkers ein: „Aber auch für uns gilt: Ein Restrisiko lässt sich leider niemals ganz ausschließen“. In der Gentechnik hat der Konzern damit schon Bekanntschaft machen müssen. Im Jahr 2006 suchte gentechnisch veränderter Langkorn-Reis des Gen-Giganten weltweit die Supermärkte heim. Trotzdem bekennt sich der Ober-BAYER weiterhin wacker zu dieser Technologie. „Weltweit haben Menschen inzwischen mehr als zwei Billionen Mahlzeiten mit gentechnisch veränderten Produkten verzehrt, ohne dass sie irgendwelche Schäden erlitten hätten“, so der Manager.

Dekkers für Forschungsförderung
Hatte schon der frühere BAYER-Chef Werner Wenning bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit für eine steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsausgaben geworben, so erweist sich Marijn Dekkers als würdiger Nachfolger. In einem Handelsblatt-Beitrag forderte er die Politik angesichts der andernorts schon lange üblichen Forschungsförderung zum Handeln auf und sparte selbst mit Drohungen nicht: „Es liegt auf der Hand, dass solche Unterschiede auch bei Standort-Entscheidungen den Ausschlag geben können“. Umgekehrt wird für ihn kein Schuh draus: Dem Vorstoß der Bundesregierung, innerhalb der EU für einen Subventionsabbau auf diesem Sektor zu werben, kann Dekkers nichts abgewinnen.

BAYER „bester Apotheken-Partner“
Die Pharma-DrückerInnen des Leverkusener Multis leisten in den Pharmazien ganze Arbeit. Das sehen jedenfalls die ApothekerInnen so, die sich an der Umfrage des Branchenblattes PharmaRundschau beteiligten. Sie zeigten sich mit der persönlichen Betreuung durch die Außendienst-MitarbeiterInnen, dem Service und der Leistungsfähigkeit des Konzerns zufrieden und wählten den Pillen-Riesen in den Kategorien „Schmerzmittel“ und „Antipilzmittel“ zum „besten Apotheken-Partner“. Zweite Plätze gab es jeweils beim DiabetikerInnen-Bedarf, bei der Wund- und Brandversorgung sowie bei den Grippe- und Magen/Darmmitteln. Ein Grund für den innigen Bund dürften die hohen Preise der BAYER-Mittel sein, die den PharmazeutInnen hohe Margen versprechen. Im Fall von ASPIRIN hatten 11.000 von 21.000 bundesdeutschen Apotheken im Jahr 2007 sogar Kartell-Absprachen mit dem Pharma-Riesen getroffen und sich dazu verpflichtet, keine Billig-Angebote zu machen, wenn der Hersteller ihnen dafür im Gegenzug großzügige Rabatte gewährt. Darüber hinaus pflegt der Global Player die pharmazeutische Landschaft auch noch mit einem Schulungs- und Forschungszentrum.

BAYER VITAL stockt Werbeetat auf
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat 2010 nach Angaben des Fachmagazins Healthcare Marketing allein in der Bundesrepublik mit 54,39 Millionen Euro bedeutend mehr für Reklame ausgegeben als im Vorjahr. Nur KLOSTERFRAU investierte mehr. TV-Werbung und Anzeigen in Publikumszeitschriften schluckten dabei den Löwen-Anteil des Etats, aber immerhin schon sieben Prozent der Aufwändungen flossen in den Online-Bereich.

GynäkologInnen preisen YASMIN
BAYER sponsert die kanadische GynäkologInnen-Gesellschaft großzügig. Zum Dank dafür griffen die MedizinerInnen beim Verfassen einer Aufklärungsschrift über Verhütungsmittel auf Werbematerial des Leverkusener Multis zurück. Sie übernahmen einzelne Passagen sogar wortwörtlich und priesen YASMIN & Co. als Mittel gegen Akne und Migräne. Über die Embolie-Gefahr, die von den Mitteln ausgeht - allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte in den letzten zehn Jahren 190 Sterbefälle - fand sich natürlich nichts in der Broschüre.

US-Star preist BEYAZ
Trotz zahlreicher Todesfälle setzt BAYER weiter auf Kontrazeptiva aus der YASMIN-Familie. Weil für die Präparate der Patentschutz ausläuft, bringt der Leverkusener Multi nun Varianten mit geringfügigen Abweichungen auf den Markt. So hat er in den USA für BEYAZ die Zulassung erhalten, das zusätzlich zu dem berühmt-berüchtigten YAZ-Wirkstoff Drospirenon noch Vitamine aus dem B-Komplex enthält, um einer angeblichen Unterversorgung bei späteren Schwangerschaften und daraus resultierenden Geburtsfehlern vorzubeugen. Für die Produkteinführungskampagne in den USA hat der Konzern die Schauspielerin und Moderatorin Vanessa Minnillo verpflichtet.

LoveGent wirbt für LEVITRA
Mit einem „Emag für den Gentleman 2.0“ wirbt BAYER im Internet für seine Potenz-Pille LEVITRA. Einschlägige Artikel auf LoveGent zu den Themen „Die schnelle Nummer“, „Männerspielzeug“ oder „Prostitution“ und der eingekaufte „Experten“-Rat von Prof. Dr. Frank Sommer sollen den Kundenstamm für sein Lifestyle-Präparat erweitern. Angaben zu den Risiken und Nebenwirkungen des Präparats wie temporärer Gedächtnisverlust, zeitweilige oder dauerhafte Hörschäden, Sehstörungen bis zum Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen finden sich deshalb auf der Website nicht.

Etikettenschwindel mit „Was ist was“
Der vom Leverkusener Multi mitgegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ nutzt die Popularität der Kindersachbuch-Reihe „Was ist was“, um Reklame für die Pharma-Riesen zu machen. „Was ist was - Wie entsteht ein Medikament?“ heißt das Machwerk ohne Risiken und Nebenwirkungen. In einer Auflage von 30.000 Exemplaren gedruckt, wollen BAYER & Co. damit vor allem Schulklassen beglücken; im offiziellen Buchhandel vertreibt es der TESSLOFF-Verlag nicht. „Die Pharma-Industrie ist sehr stark daran interessiert, eine wissensneutrale Marke wie ‚Was ist was‘ zu nutzen“, sagt die Verlagssprecherin zu dem Deal, der dem Haus durchaus „Bauchschmerzen“ bereitet habe.

Mehr Marketing, weniger Forschung
Aller Lippenbekenntnisse zur Wichtigkeit der Forschung zum Trotz erhöht der Leverkusener Multi die entsprechenden Ausgaben 2011 nicht. Er friert sie stattdessen bei 3,1 Milliarden Euro ein. Zudem nimmt der Konzern auch noch Umschichtungen im Etat vor und knappst mehr Geld für das Marketing ab. „Die neuen Produkte müssen schließlich auch verkauft werden“, so BAYER-Chef Marijn Dekkers. Die Westdeutsche Zeitung beschleichen da böse Ahnungen. „Bei der intensiveren Vermarktung von Medikamenten will er einen weiteren Schwerpunkt setzen. Das riecht nach Mauscheleien zwischen Pharma-Firmen, Ärzten und Apothekern. Davon sollte Dekkers lieber die Finger lassen“, schreibt das Blatt.

Mehr Arzneien für „Nutztiere“
„Während wir in der Vergangenheit den Hobbytieren größere Priorität eingeräumt haben, verstärken wir seit einigen Jahren wieder deutlich unser Engagement im Nutztier-Bereich“, sagt BAYERs Tiergesundheitschef Thomas Steffens. Zu diesem Behufe hat der Leverkusener Multi eine „Nutztier-Akademie“ gegründet mit Fortbildungsveranstaltungen für TierärztInnen und LandwirtInnen, ein neues Web-Portal aufgebaut und zu dem Podiumsgespräch „Gesunde Tiere, gesunde Lebensmittel“ mit „80 Meinungsbildnern aus Politik, Wissenschaft, Verbänden und Medien“ geladen.

Noch mehr „Global Compact“
Mit BAYER, DAIMLER/CHRYSLER, SHELL und 47 anderen Global Playern unterzeichnete der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan Ende Juli 2000 in New York den „Global Compact“, eine unverbindliche Vereinbarung zur Umsetzung internationaler Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards (Ticker 4/00). Im Gegenzug berechtigt die Unterschrift BAYER & Co., mit dem UN-Emblem für Konzern-Produkte zu werben und so „Bluewashing“ zu betreiben. Mehrmals kritisierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Zusammenarbeit des „Global Compact“ mit BAYER, aber die Organisation stieß sich weder an Kinderarbeit bei den indischen Zulieferern des Multis noch an seinem Katastrophen-Management nach der Explosion im Instituter Werk. Und weil eine so verstandene Nachhaltigkeit den Unternehmen richtig Spaß macht, beschlossen sie auf ihrem jährlichen Klassentreffen beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos eine Ausweitung ihrer Nichtaktivitäten und starteten im Beisein von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Initiative LEAD.

BMZ fördert Kontrazeptiva-Absatz
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung BAYERs erfreut sich diese Ansicht auch heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, sponsert das Unternehmen seit geraumer Zeit die „Deutsche Stiftung Weltbevölkerung“. Diese öffnet im politischen Berlin nämlich Türen. So hat der Pharma-Riese gemeinsam mit der Stiftung einen parlamentarischen Abend veranstaltet, an dem Gudrun Kopp (FDP), parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungshilfe-Ministerium, teilnahm. Und die Liberale brachte gleich die frohe Kunde mit, dass die Regierungskoalition 400 Millionen Euro „vor allem für Vorhaben zur Förderung der Familienplanung und Frauengesundheit“ bereitstellen will. Internationale Geld-Töpfe kann das Unternehmen ebenfalls anzapfen: Die UN bestellte jüngst Pillen für 25 Millionen Dollar beim Pharma-Riesen (Ticker 4/10).

Deutschland-Stipendium mit BAYER
Die PolitikerInnen flankierten die Einführung von Studien-Gebühren mit der Versicherung, gemeinsam mit der Wirtschaft Modelle zur Studien-Förderung zu entwickeln. Löhnen dürfen die Studierenden zwar mittlerweile, wenn auch einige Bundesländer das Bezahlsystem wieder abgeschafft haben, aber mit dem Studier-Sponsoring hapert es noch gewaltig. So kommen an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität gerade einmal 70 von 42.790 Immatrikulierten in den Genuss des so genannten Deutschlandstipendiums. Mit dieser Private-Public-Partnership zwischen Bundesforschungsministerium und Wirtschaftsunternehmen wollte Ministerin Annette Schavan eine „neue Ära der Stipendienkultur“ begründen, viel mehr als eine PR-Maßnahme für die ihre Portokasse öffnenden Konzerne sprang allerdings nicht dabei heraus. Mit gerade einmal 9.000 Euro engagiert sich BAYER in München. Eine „subventionierte Werbekampagne“ nennt das Webportal telepolis das Deutschland-Stipendium deshalb.

Neue „Pro Industrie“-Kampagne
Die massenhafte Kritik an Großprojekten wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und Kohlekraftwerken hat den Leverkusener Multi dazu bewogen, eine Gegen-Kampagne zu starten. Der Konzern gehört zu den Mitinitiatoren der „Knechtstedener Erklärung“, die dem schlechten Image von BAYER & Co. im Raum Neuss/Dormagen entgegentreten will. „Die Akzeptanz in der Bevölkerung für unsere Industrie zu stärken und auszubauen, stellt das gemeinsame Ziel aller Beteiligten dar, damit unser Wohlstand auch in Zukunft erhalten werden kann“, heißt es in dem Papier.

TIERE & ARZNEIEN

Bakterien im Fleisch
Die in der Massentierhaltung massenhaft verwendeten Antibiotika von BAYER & Co. lassen immer mehr Krankheitserreger immun gegen die Mittel werden. Darum breiten sich Bakterien-Stämme im Fleisch stark aus. In den USA fanden ForscherInnen Ableger des Staphylococcus aureus in fast der Hälfte aller Proben. In Holland stießen WissenschaftlerInnen in 40 Prozent der Ställe auf Infektionsträger. Besonders in Schweinen siedelten sie sich gerne an; 80 Prozent der Tiere beherbergten Keime. Auslauf fanden diese dann allzu oft im Organismus von LandwirtInnen und Stallpersonal. Aber auch über die Nahrungskette können sie in den menschlichen Körper gelangen. Und es fällt immer schwerer, Staphylococcus & Co. dort unschädlich zu machen, denn die Antibiotika-Wirkstoffe aus der Human-Medizin haben für sie schon in den Tierfabriken ihren Schrecken verloren.

BAYCOX für Schafe
Die Behörden haben BAYCOX, BAYERs Mittel zur Therapie der von Parasiten ausgelösten Krankheit Kokzidiose, jetzt auch zur Behandlung von Schafen zugelassen. Laut Aussage des Konzerns genügt das Schlucken einer einzigen Dosis, „um die Kokzidiose erfolgreich zu bekämpfen und wirtschaftliche Schäden zu beschränken“.

Forschung an Altem
Forschung bei BAYER hat nicht unbedingt den Zweck, Neues zu entwickeln. Wenn der Ablauf der Patent-Laufzeit von Arzneien und damit Konkurrenz von Nachahmer-Präparaten droht, bemüht sich der Leverkusener Multi stets mit großem Aufwand, kleine Veränderungen in der Rezeptur oder der Verabreichungsform vorzunehmen, um erneut den lukrativen Schutz des geistigen Eigentums reklamieren zu können. „Schon heute geben wir rund ein Drittel unseres Forschungs- und Entwicklungsbudgets dafür aus, unser bestehendes Sortiment zu verteidigen“, sagt BAYERs Tiergesundheitschef Thomas Steffens.

DRUGS & PILLS

Todesfälle durch CIPROBAY
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, kann tödlich wirken. Die US-Gesundheitsbehörde FDA registrierte in den letzten zehn Jahren 1.000 Sterbefälle und 14.000 schwere Nebenwirkungen durch Arzneien aus dieser Medikamenten-Gruppe. Ihr englisches Pendant weist von Januar 2000 bis März 2011 46 Tode aus. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und andere Organ-Schädigungen verantwortlich. In den USA musste der Leverkusener Multi deshalb bereits im Jahr 2008 Warnhinweise auf den Packungen anbringen.

Neue Studien bestätigen YASMIN-Risiko
Gleich zwei neue Studien aus Neuseeland und den USA haben BAYERs Verhütungsmittel YASMIN und anderen drospirenon-haltigen Pillen ein erhöhtes Thrombose-Risiko bescheinigt und damit die Ergebnisse älterer Untersuchungen bestätigt. Bis um den Faktor drei steigt unter YASMIN im Vergleich zu älteren Präparaten die Wahrscheinlichkeit, sich einen Venen-Verschluss zuzuziehen, so die WissenschaftlerInnen, die nur die Daten von Frauen ohne Vorerkrankungen und Belastungsfaktoren wie Übergewicht ausgewertet haben. Der Leverkusener Multi bescheinigt ihrer Arbeit trotzdem „bedeutende Mängel“.

Neuer YASMIN-Beipackzettel
Alles, was vom YASMIN-Skandal mit seinen über 190 Toten allein in den USA übrig bleibt, ist ein neuer Beipackzettel. Nachdem das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfARM) von BAYER verlangt hatte, in den Packungsbeilagen auf eine erhöhte Thrombose-Gefahr hinzuweisen, was der Pharma-Riese nach Informationen der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-GESCHÄDIGTER immer noch nicht umgesetzt hat, erhob nun auch die „Europäische Arzneimittelagentur“ (EMA) eine entsprechende Forderung. Die Auswertung zweier neuer Studien zu den Risiken und Nebenwirkungen (s. o.) von YASMIN & Co. hatte die Behörde dazu veranlasst.

XARELTO verursacht Blutungen
BAYERs ganze Hoffnungen in der Pharma-Sparte ruhen auf dem Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban), das bisher EU-weit zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zugelassen ist. Wenn das Mittel zusätzlich noch Genehmigungen als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen und als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe bekommt, dann rechnet der Leverkusener Multi mit einem jährlichen Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro. Die Testergebnisse eröffnen allerdings keine allzu rosigen Zukunftsaussichten. Im Vergleich zur Thrombose-Standardmedikation schnitt das Mittel in puncto „Wirksamkeit“ nicht besser ab. Weniger Nebenwirkungen hatte es auch nicht. Einziger Vorteil: XARELTO „hat das Potenzial, für den Patienten angenehmer zu sein“ (O-Ton BAYER), weil es als Tablette verfügbar ist und nicht gespritzt werden muss. Schlaganfälle vermied das Präparat ebenfalls nicht häufiger als das Mittel der Wahl Warfarin, was dem BOEHRINGER-Konkurrenzprodukt PRADAXA sehr wohl gelang. Bei Hospital-PatientInnen mit internistischen Erkrankungen verursachte die Arznei mehr Blutungen als die Vergleichssubstanz Enoxaparin, weshalb der Pharma-Riese selbst einräumen musste: „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“. Das Unternehmen will sich aber noch einmal über die Studien-Daten der KrankenhäuslerInnen beugen und die PatientInnen-Gruppen herausfiltern, bei denen XARELTO gut anschlug - um daraus doch noch einen neuen Absatzmarkt zu generieren.

Erica Mann leitet „Consumer Care“
Die Südafrikanerin Erica L. Mann leitet künftig BAYERs Gesundheitssparte „Consumer Care“, die Abteilung für rezeptfreie Medikamente. Mann kann sowohl auf einen Studienabschluss in Chemie als auch auf ein Diplom in Marketing-Management verweisen - eine Traumkombination für den Multi. Auch ihr Engagement bei Lobby-Organisationen wie dem südafrikanischen Verband der Pharma-Hersteller PMA oder dem „Internationalen Verband der Babynahrungs-Produzenten“ dürfte sie für höhere Aufgaben beim Pillen-Riesen empfohlen haben.

USA: GADOVIST-Zulassung erhalten
Der Leverkusener Multi hat für sein Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST eine Zulassung in den USA erhalten. MedizinerInnen dürfen das Präparat künftig bei Magnetresonanz-Tomographien des zentralen Nervensystems einsetzen, obwohl die Anwendung mit Risiken behaftet ist. GADOVIST enthält nämlich - wie auch das andere BAYER-Kontrastmittel MAGNEVIST - Gadolinium, das bei Nierenkranken ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge auslösen kann. Mit 230 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen (Stand: 1.2.11) sieht der Pharma-Riese sich deshalb konfrontiert. Auch die Aufsichtsbehörden haben das Gefährdungspotenzial bereits erkannt. So hat die Europäische Arzneimittel-Agentur EMEA jüngst strengere Auflagen für den Gebrauch solcher Medizinprodukte erlassen.

Pharma-Paradies Bundesrepublik
Während eine kleine Packung ASPIRIN in Griechenland nicht einmal einen Euro kostet, müssen VerbraucherInnen hierzulande dafür mehr als fünf Euro zahlen. „Der Hersteller BAYER orientiert sich an dem, was der Verbraucher bereit ist, dafür auszugeben - und schöpft natürlich das Maximum ab“, kritisiert der Gesundheitsökonom Gerd Glaeske die Preis-Politik des Pharma-Riesen, die sich nicht bloß auf seine Schmerzmittel beschränkt.

BAYERs Gesundheitsreform-Kosten
Noch immer erreicht kaum ein Wirtschaftszweig die Traum-Renditen der Pharma-Branche. Aber weltweit wird die Luft ein bisschen dünner, weil immer mehr Regierungen die Extra-Profite etwas beschneiden. Auf der Hauptversammlung im April 2011 bezifferte BAYER-Chef Marijn Dekkers die Verluste durch solche Maßnahmen im abgelaufenen Geschäftsjahr hierzulande auf 11 Millionen Euro und weltweit auf 165 Millionen. Für das laufende Jahr rechnet er mit Einbußen von 30 bzw. 300 Millionen Euro.

BAYER entwickelt Fett-Spritze
Der Leverkusener Multi will ein neues Lifestyle-Präparat auf den Markt bringen. Seine Tochtergesellschaft INTENDIS hat mit dem Unternehmen KYTHERA einen Vertrag zur Entwicklung einer Substanz geschlossen, die - unter die Haut gespritzt - kleinere Fettpolster auflösen soll.

Forschungskosten hochgerechnet
800 Millionen Dollar kostet die Entwicklung eines neuen Medikamentes laut Angaben der Pharma-Riesen. Diese Zahl, die das industrie-nahe „Tufts Center for the Study of Drug Development“ ermittelte, rechtfertigt nach Ansicht von BAYER & Co. die in der Branche üblichen hohen Umsatz-Renditen. Sie hat nur einen Schönheitsfehler: Sie stimmt nicht. Die US-ForscherInnen Rebecca Warburton und Donald Light haben einmal nachgerechnet und kommen nur auf 43,4 Millionen Dollar - eine um das 18fache niedrigere Summe. Das Tufts Center hat nämlich nur den eher seltenen Fall einer von der Grundlagen-Forschung bis zur Zulassung komplett von Big Pharma allein bewältigten Entwicklung zugrunde gelegt, mit einer viel zu hohen Zahl von Medikamenten-TesterInnen operiert und zu viele Test-Flops eingepreist. Und dann addierte das Institut auf den ermittelten Wert als „fiktive Kapitalkosten“ auch noch das hinzu, was die eingesetzten Millionen eingebracht hätten, wenn die Konzerne sie an der Börse investiert hätten statt in Arzneien.

Mehr Pharma-Kooperationen
Entgegen vollmundiger Bekundungen zur Stellung der Forschung im Unternehmen will BAYER-Chef Marijn Dekkers vermehrt Leistungen von außen zukaufen. „Wir wollen uns stärker als Partner für Pharma-Firmen positionieren, die ein Präparat in der späten Phase der klinischen Entwicklungen haben“, sagte er der Zeitschrift Capital.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endosulfan-Verbot in Argentinien?
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Jetzt aber scheinen die Stunden des Ultragifts endgültig gezählt. Die „Stockholmer Konvention“ hat sich nach harten Verhandlungen dazu durchgerungen, seinen 133 Mitgliedsstaaten eine Beschlussvorlage für einen weltweiten Bann vorzulegen. Und Argentinien hat bereits reagiert: Das Parlament muss sich mit einem Verbotsantrag beschäftigen.

Pestizide greifen Gehirn an
In einer Langzeitstudie haben französische WissenschaftlerInnen die Auswirkungen der Pestizide von BAYER & Co. auf neuronale Prozesse untersucht. Das Ergebnis ist schockierend: Bei dem Teil der 614 ProbandInnen, der über einen längeren Zeitraum hinweg Agro-Giften ausgesetzt war, ließen Gedächtnis- und Konzentrationsfähigkeit deutlich stärker nach als bei den in gesünderer Umgebung arbeitenden VersuchsteilnehmerInnen. „Frappierend“ nannte die Forscherin Isabelle Baldi diesen Befund.

EU lässt Carbendazim wieder zu
Im Jahr 2009 hatte die Europäische Union eine strengere Pestizid-Verordnung verabschiedet. Ab dem 14.6.11 sollten mit Glufosinat, Carbendazim, Mancozeb, Tebuconazole, Bifenthrin und Thiacloprid unter anderem sechs Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit keine Zulassung mehr erhalten. Für Carbendazim, das der Leverkusener Multi unter dem Produktnamen DEROSAL vermarktet, macht Brüssel jetzt jedoch eine Ausnahme. Kurz vor Ablauf der Frist gewährte die EU-Kommission dem Ackergift eine Zulassungsverlängerung. Es gäbe „annehmbare Anwendungen“, erklärte sie und berief sich dabei ausgerechnet auf Studien der Agro-Riesen sowie auf eine Expertise der von Industrie-VertreterInnen durchsetzten „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (siehe auch TICKER 2/11).

GENE & KLONE

USA: BAYER kontrolliert sich selbst
In den USA dürfen BAYER & Co. die Umweltverträglichkeitsprüfungen für ihre Genpflanzen künftig selber durchführen. Das Landwirtschaftsministerium hat das zunächst auf zwei Jahre befristete Pilot-Projekt gestartet, weil es die Selbstkontrolle für „schneller, effizienter und kostengünstiger“ hält. Nur gar keine Tests wären noch ökonomischer.

Bt im menschlichen Körper
BAYER & Co. haben in viele ihrer Pflanzen-Arten mittels gentechnischer Verfahren den Bacillus thuringiensis (Bt) eingeschleust, um Schadinsekten abzutöten. Das Gift bleibt jedoch nicht in den Laborfrüchten. So wiesen ForscherInnen Rückstände im menschlichen Körper und sogar im Leib von Ungeborenen nach. Die Behauptung der Industrie, der Bazillus würde durch die Magensäfte zersetzt, entpuppte sich damit als Mär.

Genreis-Kooperation mit BASF
Der Genreis-Skandal von 2006 - damals tauchte eine nicht zugelassene Art weltweit in Supermarkt-Packungen von UNCLE BEN & Co. auf - hält BAYER nicht davon ab, weiterhin auf dieses Produkt zu setzen. Ende 2010 gab er eine Kooperation mit BASF bekannt. Die beiden Konzerne wollen aus BAYERs hybrider, also nicht für die Wiederaussaat geeigneter Sorte ARIZE und ertragssteigernden Genen made by BASF eine neue Reis-Pflanze kreieren.

Kooperation mit DUPONT
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Deshalb gehen BAYER & Co. nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen und gewähren sich gegenseitig Zugriff auf ihre Technologien. Nach Lizenzabkommen mit MONSANTO, SYNGENTA und DOW AGRO SCIENCES hat der Agro-Riese nun schon den zweiten Vertrag mit DUPONT geschlossen. Nach dieser Vereinbarung kann der zu PIONEER HI-BRED gehörende Konzern künftig BAYERs gegen das Herbizid Glufosinat resistente LIBERTY-LINK-Kreation nutzen und der Leverkusener Multi im Gegenzug bestimmte Raps-Zuchten von DUPONT.

Kooperation mit SYNGENTA
Nicht nur Schadinsekten (s. o.), sondern auch Unkräuter gewöhnen sich immer schneller an das Pestizid-Einerlei, mit dem die LandwirtInnen ihre Genpflanzen bearbeiten müssen. Darum strebt der Leverkusener Multi auf diesem Gebiet ebenfalls Kooperationen an. So will er mit SYNGENTA eine Soja-Art entwickeln, die gleichzeitig gegen die BAYER-Herbizide BALANCE (Wirkstoff: Isoxaflutole) und LAUDIS (Wirkstoffe: Isoxadifen-ethyl und Tembotrione) sowie gegen das SYNGENTA-Mittel CALLISTO immun ist. Mit dem neuen Präparat rechnen sich die beiden Agro-Riesen nun Chancen bei LandwirtInnen aus, „die zunehmend mit Problemen durch resistentes Unkraut konfrontiert sind“.

Gen-Baumwolle nicht zugelassen
Die AgrarministerInnen der Europäischen Union konnten sich nicht darauf verständigen, BAYERs gegen das Anti-Unkrautmittel Glyphosate resistenter Gentech-Baumwolle „GHB 614“ eine Import-Genehmigung zu erteilen. Eine endgültige Entscheidung fällt nun die EU-Kommission.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft HORNBECK
Der Leverkusener Multi hat das US-amerikanische Saatgut-Unternehmen HORNBECK erworben. Der Konzern stärkt damit nach eigener Aussage vor allem das Geschäft mit Soja-Bohnen weiter, denn HORNBECK hatte für diese Ackerfrucht ein eigenes Zuchtprogramm entwickelt.

Neues Saatgut-Labor in Singapur
Der Leverkusener Multi baut sein Saatgut-Geschäft kontinuierlich aus (s. o.). Im Zuge dieser Strategie hat er jetzt in Singapur ein neues Saatgut-Forschungslabor eröffnet. In dem 20 Millionen Euro teuren Bau will der Konzern an neuen Sorten basteln, die Schadinsekten sowie anderem Unbill besser trotzen, einen höheren Nährwert haben und sich leichter lagern und verarbeiten lassen.

WASSER, BODEN & LUFT

Genpflanzen-Gift im Wasser
Haben die LandwirtInnen ihre Mais-Felder abgeerntet, so landen viele Reste wie Stängel, Blätter oder Kolben in den Flüssen. Handelt es sich dabei um Gen-Mais, der mit dem Gift des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt ist, wie etwa BAYERs Sorte T25, dann kommt dabei auf die Gewässer viel Unbill zu. US-WissenschaftlerInnen untersuchten Wasser in der Nähe der Mais-Äcker und wiesen in 23 Prozent aller Proben die Bt-Substanz nach.

CO2 als Rohstoff?
Im Februar 2011 nahm BAYER eine Pilotanlage in Betrieb, die den Einsatz von Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großaktion zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10). Als der BAYER-Manager Peter Vanacker in einem Interview gefragt wurde, wieviel CO2 die „Dream Production“ dem Recycling denn zuführe, gab er sich dann auch kleinlaut: „Genaue Zahlen möchten wir nicht veröffentlichen“.

Neue Abwasser-Behandlungsanlage
Die größere Auslastung des Bergkamener BAYER-Werkes seit 2004 hat auch das Volumen der Produktionsrückstände erhöht. Das machte den Ausbau der Abwasser-Behandlungsanlage unvermeidlich. Nach Angaben des Konzerns wäscht sie so rein, dass das Unternehmen das Wasser anschließend direkt in die Lippe einleiten kann. Auch vor Lecks sollen die Becken durch die Verwendung massiverer Werkstoffe wie Beton und mehr Kontrollmöglichkeiten besser geschützt sein.

Quecksilber-Ausstoß: 11,5 kg
Seit einiger Zeit führt der Leverkusener Multi in seinen Nachhaltigkeitsberichten den Quecksilber-Ausstoß nicht mehr an und macht nur noch Angaben zu den Schwermetall-Emissionen insgesamt. Auf der Hauptversammlung im April 2011 nach den konkreten Zahlen gefragt, gab BAYER-Chef Marijn Dekkers die Menge des in die Gewässer eingeleiteten Ultragiftes mit 11,5 Kilogramm an.

PCB is coming home
BAYER gehörte lange zu den Hauptherstellern von Polychlorierten Biphenylen (PCB), einer Krebs erregenden Chlorverbindung. Erst 1983 hat der Konzern die Produktion des Ultragiftes eingestellt, das unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fand. Aber die gesundheitsschädlichen Folgen der Chemikalie machen sich immer noch bemerkbar. So ergab eine Untersuchung von Beschäftigten der Dortmunder Entsorgungsfirma ENVIO eine hochgradige PCB-Kontamination. 95 Prozent der Belegschaft wiesen Konzentrationen im Blut auf, die bis zum 25.000fachen über dem zulässigen Grenzwert lagen. Das ENVIO-PCB landete schließlich wieder beim Absender - in den Verbrennungsöfen des Leverkusener Multis, wie BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Hauptversammlung im April 2011 der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bestätigte.

BAYER will mehr Müll verheizen
Der mehrheitlich BAYER gehörende Chemie„park“-Betreiber CURRENTA möchte am Standort Krefeld die Preise für die Energie-Gewinnung senken und plant deshalb, 16.000 Tonnen Müll anstelle von Steinkohle zu verheizen. Was das Unternehmen als Recycling-Maßnahme zur Schonung der Umwelt verkauft, erweckt den Zorn der städtischen Grünen. „Die von CURRENTA großmundig propagierte Linie, mit der Erhöhung der Müllverbrennung werde die Energie-Erzeugung im Unternehmen umweltfreundlicher, entbehrt bei genauem Hinsehen jeder Grundlage“, kritisiert der Ratsherr Rolf Rundmund angesichts des erhöhten Schadstoff-Ausstoßes durch die Reste-Verwertung.

Altlast in Newburgh
Von den 1950er bis 1970er Jahren lud die STAUFFER CHEMICAL COMPANY auf einer städtischen Deponie nahe Newburgh Fässer mit Polychlorierten Biphenylen, Chrom, Blei und anderen Giftstoffen ab. Lange schon halten viele Behältnisse den Chemikalien nicht mehr stand. Durch Lecks gelangten die Substanzen in den Boden. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA wies BAYER und DUPONT als Nachfolger von STAUFFER an, die Müllhalde zu sanieren. Anderthalb Jahre werden die Arbeiten mindestens in Anspruch nehmen.

NANO & CO.

Nano-Kooperation mit HYPERION
Nano-Teilchen können eine asbest-ähnliche Wirkung entfalten, zu den Zellkernen vordringen oder die Blut/Hirn-Schranke überwinden. Trotz dieser Risiken und Nebenwirkungen setzt der Leverkusener Multi auf die Technologie und geht auf internationaler Ebene Kooperationen ein, um seine BAYTUBES-Röhrchen auf den Weltmarkt zu bringen. So hat der Global Player eine Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Unternehmen HYPERION vereinbart. Da große Industrie-Zweige wie die Fahrzeug- und Flugzeug-Branche sich zu BAYERs Leidwesen den neuen Materialien gegenüber noch wenig aufgeschlossen zeigen (Ticker 2/11), will der Konzern mit seinem US-amerikanischen Partner nun künftig selber Produkte auf Basis von Nano-Röhrchen entwickeln, um mit den Prototypen das Geschäft anzukurbeln.

Nano-Teilchen töten Wasserflöhe
Immer mehr Alltagsprodukte enthalten Nano-Partikel, also mikroskopisch kleine Stoff-Komponenten. So befinden sich in Sonnenmilch Nano-Teilchen aus Titandioxid. Und diese Winzlinge können Mikro-Organismen schaden, deren Entwicklungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Das haben ForscherInnen des Institutes für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau festgestellt. Sie gaben die Sonnenmilch ins Wasser und beobachteten, wie Wasserflöhe darauf reagieren. Das Ergebnis: „90 Prozent der Tiere starben“, so Studienleiter Ralf Schulz. Das Titandioxid setzte sich auf der Chinin-Hülle der Flöhe fest und verhinderte ihre Häutung. Welche Wirkung die in den Naturkreislauf eingespeisten Kleinstteilchen von BAYER & Co. auf andere Lebenwesen und Pflanzen haben, vermochten die WissenschaftlerInnen nicht zu sagen. „Hier besteht noch ein enormer Forschungsbedarf“, meint Schulz.

CO & CO.



Gericht stoppt CO-Pipeline
Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat am 25. Mai 2011 die Inbetriebnahme von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline wegen ihrer mangelnden Erdbeben-Sicherheit untersagt. Es erklärte den Planfeststellungsbeschluss zu der zwischen Dormagen und Krefeld verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline für „rechtswidrig und vorerst nicht vollziehbar“. Die Anti-Pipeline-Initiativen werteten das Urteil als „Etappen-Sieg“. Am Ziel wähnen sie sich aber noch nicht. Die JuristInnen haben nämlich die Rechtmäßigkeit der Enteignungen entlang des Streckenverlaufes bestätigt, welche die staatlichen Stellen mit den höheren, dem Allgemeinwohl dienenden Zwecken des Leitungsverbundes begründet hatten. Zudem haben sie den Streckenverlauf trotz bestehender Alternativen abgesegnet und sich auch nicht an den teilweise schon rostenden Bau-Teilen gestört. Darum wollen die Anwohner, die gegen ihre Zwangsenteignung geklagt hatten, das Urteil nicht akzeptieren und in Berufung gehen.

PLASTE & ELASTE

Unsichere BMS-Zukunft
Obwohl BAYER-Chef Marijn Dekkers sich bei seinem Amtsantritt zur Kunststoff-Abteilung BAYER MATERIAL SCIENCE bekannt hatte, bleiben selbst führende ManagerInnen skeptisch. „Ich glaube nicht, dass ich meine Rente noch unter dem Namen BAYER beziehe“, vertraute eine führende BMS-Kraft der Financial Times Deutschland schon im letzten Herbst an. Dabei hatte Dekkers da noch gar keine Zweifel an seiner Treue zu „Plaste & Elaste“ aufkommen lassen. „Wenn aber für eine sehr große Akquisition ein bedeutender Geldbetrag aufgebracht werden muss, so wären wir bei dieser extremen Option bereit, eine Sparte zu veräußern“ - dieses Statement gab der Vorstandsvorsitzende erst ein paar Monate später ab.

Öl-Kosten steigen
Erdöl stellt für die Chemie-Konzerne die mit Abstand wichtigste Rohstoff-Quelle dar. Der Leverkusener Multi braucht das „Schwarze Gold“ vor allem für seine Kunststoff-Produktion. Die zunehmende Knappheit der Ressource und die Entwicklungen in Nordafrika haben zu einem kräftigen Preisanstieg geführt, dessen Folgen der Pharma-Riese genau beziffern kann: Steigen die Kosten für einen Barrel Öl um zehn Dollar, so schlägt das beim Global Player mit einer Mehrbelastung von 200 Millionen Euro zu Buche.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Berufskrankheiten 2010: 13 Fälle
Seit langem macht der Leverkusener Multi in seinen Nachhaltigkeitsberichten keine Angaben mehr zu den von den Berufsgenossenschaften anerkannten Berufskrankheiten. Die letzten Informationen dazu stammen aus dem Jahr 2000. Damals waren es 130 Erkrankungen, die meisten von Asbest oder Lärm-Exposition ausgelöst. Auf der Hauptversammlung im April 2011 nach den aktuellen Zahlen gefragt, führte BAYER-Chef Marijn Dekkers drei Fälle in der Bundesrepublik und zehn im Rest der Welt an. So wenige dürften es jedoch kaum sein.

STANDORTE & PRODUKTION

Weniger Geld für Sport und Kultur
Im Zuge seines im November 2010 beschlossenen Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet (siehe auch SWB 2/11), will BAYER nach Informationen der Gewerkschaft IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE auch sein Sport- und Kultursponsoring reduzieren.

BAYER investiert in Wuppertal
Der Leverkusener Multi investiert 2011 in seinen Standort Wuppertal 95 Millionen Euro. Das Geld fließt in neue Forschungs- und Produktionsanlagen, ein Blockheizkraft-Werk und den Ausbau bereits existierender Fertigungsstätten. Die teuerste Einzelinvestition stellt mit einem Volumen von 35 Millionen Euro die Errichtung des Technikums „Zellbiologie“ dar, in dem der Pharma-Multi biologische Wirkstoffe für klinische Tests herstellen will.

BAYER baut in Dormagen
Der Chemie-Multi errichtet in Dormagen ein Technikum zur Erprobung neuer Verfahrensweisen bei der Produktion der Kunststoffe Toluylendiisocyanat (TDI) und Diphenylmethandiisocyanate (MDI). Alternativen zur ultra-gefährlichen Basis-Substanz Phosgen (siehe AKTION & KRITIK) sucht der Leverkusener Multi allerdings nicht.

Leverkusen in Finanznot
Im Frühjahr verkündete BAYER den größten Umsatz in der Firmen-Geschichte. An der Stadt Leverkusen geht dieser Geldregen allerdings vorbei. Sie muss einen Gewerbesteuer-Rückgang von über zehn Millionen Euro auf 72 Millionen Euro hinnehmen und sieht sich zu einem umfassenden Sparprogramm gezwungen.

Kooperation mit Duisburger Hafen
BAYERs Chemie-„Park“ in Uerdingen und die Duisburger Hafengesellschaft DUISPORT haben eine Zusammenarbeit vereinbart. Der Leverkusener Multi will künftig 50 Prozent der Kapazität des Container-Terminals nutzen, den DUISPORT in Hohenbudberg baut, und so mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern.

Neue Anlage in Ankleshwar
BAYER hat im indischen Ankleshwar eine neue Fertigungsstätte zur Produktion von Polyisocyanaten in Betrieb genommen, die als Basismaterial zur Herstellung von Lacken, Kleb- und Dichtstoffen dienen. Mit mehr als 5.000 Anlagen gehört die Stadt zu den größten Chemie-Clustern in ganz Asien. Das indische „Central Pollution Control Board“ stuft Ankleshwar deshalb als giftigste Region des ganzen Landes ein. Der Leverkusener Multi trägt nicht wenig dazu bei. Er betreibt an dem Ort nämlich auch noch sieben Pestizid-Fabriken. In einer von ihnen brach im letzten Jahr ein Feuer aus, was einen Ingenieur das Leben kostete (Ticker 2/10). Welches Sicherheitsrisiko diese Produktion darstellt, war schon vorher bekannt. So hatte das Umweltministerium der Region Gujarat bereits seit längerem eine Stilllegung gefordert.

IMPERIUM & WELTMACHT

Hilken neuer CURRENTA-Leiter
Günter Hilken hat von Klaus Schäfer die Leitung des Chemie„park“-Betreibers CURRENTA übernommen, der in Besitz des Leverkusener Multis und seiner Chemie-Abspaltung LANXESS ist.

BAYER übernimmt HORNBECK
BAYER hat das US-amerikanische Saatgut-Unternehmen HORNBECK gekauft (siehe auch PFLANZEN & SAATEN).

Chinas Fünfjahresplan lockt
China will mit seinem neuen Fünfjahresplan den Lebensstandard seiner Bevölkerung weiter anheben, um sozialen Unruhen vorzubeugen. Der Staat hat sich unter anderem die Erhöhung der Mindestlöhne, die Angleichung der Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie Investitionen in den Umweltschutz vorgenommen. Und der Leverkusener Multi findet Gefallen an dieser Planwirtschaft. „Ob beim Ausbau der Infrastruktur oder der umweltfreundlichen Energie-Versorgung - BAYER hat die passenden Angebote“, frohlockt China-Chef Michael König.

ÖKONOMIE & PROFIT

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Steuerlast sinkt kontinuierlich
BAYER zahlt immer weniger Abgaben. Beliefen sich die Ertragssteuern zwischen 1997 und 2000 noch auf rund eine Milliarde Euro, so zahlte der Konzern für das Geschäftsjahr 2009 bloß noch 511 Millionen Euro und für 2010 gar nur noch 411 Millionen Euro. Dazwischen lag der Wechsel von BA

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2011 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Kritik an Nano-Grenzwerten
Nano-Partikel, wie sie bei der Produktion von BAYERs Nanotubes anfallen, können über die Atemwege in den menschlichen Organismus gelangen und dort einen ähnlichen Schaden anrichten wie früher Asbest-Fasern. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und der BUND haben deshalb den beim Konzern geltenden Grenzwert von 0,05 mg pro Kubikmeter Raumluft als zu hoch kritisiert. Dabei erfuhren die Verbände Unterstützung vom renommierten Arbeitsmediziner Prof. Dr. Rainer Frentzel-Beyme. „Der von der Firma BAYER empfohlene Grenzwert ist angesichts des Fehlens epidemiologischer Daten als völlig willkürlich anzusehen. Die vom NRW-Umweltministerium vorgelegte Empfehlung ist daher als realitätsfern und industriefreundlich abzulehnen“, erklärte Frentzel-Beyme.

Windeler will andere Arznei-Studien
Der neue Leiter des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG), Jürgen Windeler, hat sich gegen die gängige Methode, bei Arznei-Tests die neuen Mittel mit Placebos zu vergleichen, gewandt. Nach Ansicht Windelers müssten sich die Innovationen von BAYER & Co. vielmehr der Konkurrenz der bisher etablierten Pillen stellen. „Wenn es Standard-Methoden gibt, ist es sinnvoll, ein neues Verfahren gegen die Standard-Methode zu untersuchen, sich für den Zusatznutzen zu interessieren. Da tun sich natürlich Anbieter schwer, wenn es bei diesen Standard-Therapien um unmittelbare Konkurrenz-Produkte einer anderen Firma geht“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt. Von den unlängst eingeführten Nutzenbewertungen für Medikamente verlangte er, wirklich belastbare Fakten über die Verbesserung der Lebensqualität und das Sinken der Sterblichkeitsrate zu liefern, statt den Wirksamkeitsnachweis einfach nur über Laborwerte zu führen. Auch die bei BAYER sehr beliebten Anwendungsuntersuchungen dürften nicht in die Beurteilung einfließen. Diese Beobachtungsstudien, bei denen die Pharma-Multis ÄrztInnen Geld für das Ausfüllen eines kleinen Fragebogens bezahlen, das in Wirklichkeit als Prämie für Neuverordnungen des Medikaments dient, hält Windeler für reine Werbeveranstaltungen. „Anwendungsbeobachtungen sind Marketing und für die Nutzenbewertung nicht brauchbar“, so der IQWIG-Chef.

BUKO kritisiert BAYER-Werbung
Der Pharma-Brief Spezial „Schöne neue Pharmawelt“ der BUKO PHARMA-KAMPAGNE widmet sich den kruden Marketing-Methoden der Pillen-Multis und kritisiert in diesem Zusammenhang auch BAYERs Testosteronpillen-Reklame. Die Website www.testosteron.de wirbt dem BUKO zufolge bei Männern ab 40 für Hormon-Präparate als Allheilmittel gegen nachlassende Libido, Müdigkeit und Unkonzentriertheit, obwohl die Wirksamkeit nicht belegt und die Langzeitrisiken nicht systematisch erforscht sind. Die Seite www.get-back-on-track.com betreibt der Leverkusener Multi dagegen nicht mehr. Ob das an der Kritik der Zeitschrift Gute Pillen - schlechte Pillen lag oder am Einschreiten der Aufsichtsbehörden, vermochten die Pharma-KritikerInnen nicht zu sagen, nur dass der Konzern unter der Adresse www.devultaenlajugada.com (Zurück ins Spiel) Lateinamerikanern in den besten Jahren immer noch mit ähnlichen Methoden einzureden versucht, an Testosteron-Mangel zu leiden. Wie unverantwortlich ein solches Vorgehen ist, zeigte sich vor kurzem in den USA. Dort mussten WissenschaftlerInnen eine Testosteron-Studie abbrechen, weil Probanden Herz/Kreislauf-Probleme bekommen hatten und eine Testperson sogar an einem Herzinfarkt gestorben war (SWB 1/11).

Verlängerte Werkbank Bitterfeld
Der Leverkusener Multi hält seine Bitterfelder, Jenaer und Weimarer Werke für einen Teil der blühenden Pharma-Landschaft in den neuen Bundesländern. Für Karl-Heinz Paqué, Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Magdeburg, stellt die Niederlassung aber nur eine verlängerte Werkbank BAYERs dar, von der keine Innovationskraft ausgeht. „Natürlich sind viele Industrie-Ansiedlungen zunächst einmal nicht mehr als moderne Produktionsstätten für Standardisiertes. Der BAYER-Konzern lässt im Osten ASPIRIN herstellen. An neuen Pharma-Produkten geforscht wird aber in Leverkusen“, mit diesen Worten kritisierte der Forscher die nicht nur vom Pharma-Riesen praktizierte ost-westliche Arbeitsteilung.

Tierversuch statt Tiermodell
Eine Leserbrief-Schreiberin kritisierte den verharmlosenden Ausdruck „Tiermodell“, mit dem der Leverkusener Multi Tierversuche umschreibt. „Die weitaus unpassendere Wortwahl liegt in dem Begriff ‚Tiermodelle‘, der in der Aussage des Pharma-Konzerns BAYER zitiert wird - BAYER vermeidet es eindeutig, die Forschungen als das zu bezeichnen, was sie sind, nämlich Tierversuche“, heißt es in der Zuschrift an die Braunschweiger Zeitung.

NABU-Kritik an Bienenmonitoring
Im Jahr 2004 startete ein Projekt zur Untersuchung des Bienensterbens, getragen zur einen Hälfte von BAYER und anderen Pestizid-Herstellern und zur anderen von Bundeswirtschaftsministerium, Bieneninstituten und ImkerInnen-Verbänden. Bei der Zusammensetzung der Beteiligten wenig überraschend, stellte der 2011 erschienene Abschlussbericht des „Deutschen Bienenmonitorings“ die Varroa-Milbe als Hauptursache der Dezimierung der Völker dar und nicht etwa Agrochemikalien. Dazu waren allerdings einige wissenschaftliche Verrenkungen nötig, wie die Umweltinitiativen NABU und BUND kritisieren. „Das gegenwärtig in der Bundesrepublik durchgeführte Bienenmonitoring ist nicht in der Lage, die wahren Ursachen des Bienensterbens aufzudecken. Zu wenige Bienenvölker wurden für die Untersuchungen ausgewählt, die Anwendung von Pestiziden auf den anliegenden Feldern wird erst gar nicht untersucht und die statistischen Methoden sind wissenschaftlich zweifelhaft. Das ist schlechte Wissenschaft“, so NABU-Vizepräsident Christian Unselt.

KAPITAL & ARBEIT

Sparprogramm: neue Details
BAYER hat neue Details der im November 2010 annoncierten Rationalisierungsmaßnahme bekannt gegeben, die 4.500 Beschäftigte ihre Jobs kostet (siehe auch SWB 2/11). Unter den 700 Stellen-Streichungen in der bundesrepublikanischen Pharma-Sparte hat die SCHERING-Belegschaft am meisten zu leiden. Sie muss die Vernichtung von 500 Arbeitsplätzen verkraften. BAYERs US-amerikanische Pillen-Sparte steht ebenfalls vor gravierenden Einschnitten. So stehen bei MEDRAD, der Tochterfirma für Medizinprodukte, 60 bis 70 Jobs zur Disposition. Zudem plant der Multi an der Ostküste ein neues Pharma-Zentrum, was die Existenz der anderen sechs Standorte in der Region bedroht. Der US-Ableger von BAYER CROPSCIENCE entsorgt derweil 300 Arbeitsplätze und schreckt dabei nicht einmal vor Werksschließungen zurück. Unter anderem macht er die Pestizid-Anlage in Woodbine (Georgia) dicht.

CGZP keine Gewerkschaft
Der Leverkusener Multi beschäftigt hunderte von LeiharbeiterInnen. Teilweise arbeiteten diese nach dem von der „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP) abgeschlossenen Tarifvertrag zu einem Gotteslohn von 5,20 Euro brutto (SWB 4/08). Der DEUTSCHE GEWERKSCHAFTSBUND hält diese Gewerkschaft mangels Masse organisierter LeiharbeiterInnen allerdings für nicht tariffähig und zog vor Gericht. Anfang Januar 2011 gaben die RichterInnen dem DGB Recht und erkannten der CGZP den Gewerkschaftsstatus ab. Die CGZP-LeiharbeiterInnen bei BAYER haben deshalb ab sofort Anspruch auf Bezahlung nach dem normalen Chemie-Tarif. Die Verleihfirmen müssen derweil Sozialbeiträge nachzahlen, und sollte es einige Unternehmen inzwischen nicht mehr geben, steht der Pharma-Riese als Entleiher in der Pflicht.

Nur noch 904 Lehrlinge
Die Zahl der beim Global Player eine Lehre beginnenden Jugendlichen ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Gab es 1990 in den Werken der BAYER AG noch 1.600 Neue, so reduzierte der Konzern ihre Anzahl bis 2010 auf 930. Zudem sind ein Drittel nur Lehrlinge zweiter Klasse: 152 Personen nehmen an dem Starthilfe-Programm teil, das nur auf eine künftige Lehre vorbereitet, und 156 bildet der Leverkusener Multi über Bedarf und damit ohne Berufsaussichten beim Unternehmen im Rahmen der „Ausbildungsinitiative Rheinland“ aus. Der Pharma-Riese hingegen vermag in den Zahlen keinen Abwärtstrend zu erkennen: „Bei BAYER bleibt die Zahl der Ausbildungsplätze auf einem konstant hohen Niveau“.

Ja zu Beistandskassen-Kürzungen
Die Mitglieder-Versammlung der BAYER-Beistandskasse hat den 2007 irregulär gefassten Kürzungsbeschlüssen (Ticker 2/10) - an der Sitzung hatten nur 26 der 90.000 Versicherten teilgenommen - nachträglich zugestimmt. Der Vorstand darf jetzt ganz legal die Gewinnzuschläge streichen und stattdessen ein Bonus-Sterbegeld ausschütten, was die bisher durchschnittlich ausgezahlte Summe von 6.000 Euro um bis zu 2.000 Euro reduzieren kann. 504 Anwesende akzeptierten die Begründung des Vorstandes, die schwindenden Einnahmen wegen der Überalterung der Mitglieder würden eine andere Lösung nicht zulassen; 57 stimmten gegen den Vorschlag.

Neuer Betriebskindergarten
Nicht nur in Monheim (Ticker 1/10), sondern auch in Leverkusen errichtet der Chemie-Multi eine neue Betreuungseinrichtung für Kinder. Sinn der Übung ist „Mitarbeiter an das Unternehmens zu binden. Und wir wollen bei potenziellen Bewerbern punkten“, wie Personalchef Richard Pott erläutert, der dann auch höchstselbst dem Kindergarten vorstehen wird. Als Betreiber fungiert, wie seit 1999 bei allen BAYER-Kindergärten, das „Deutsche Rote Kreuz“, womit der Konzern sich das Zahlen des Chemie-Tarifs erspart. Trotzdem droht das Haus eine BAYER-Brutstätte zu werden. Im „Haus der kleinen Forscher“ sollen die Kleinen schon einmal fleißig experimentieren, und für die Globalisierung werden sie ebenfalls schon frühzeitig fit gemacht: Zweimal pro Woche bekommen sie Englisch-Unterricht. Das Angebot an Plätzen steigt durch den Bau im Carl-Duisberg-Park kaum, denn gleichzeitig schließen die Horte am Kurtekottenweg und an der Carl-Rumpff-Straße. Zudem fällt damit auch ein Betreuungsangebot für GrundschülerInnen weg.

Keine Jobs für Bachelors
Die Studienreform mit ihren Bachelor- und Master-Abschlüssen geht nicht zuletzt auf Forderungen der Industrie zurück. Mit einer „Bachelor-Welcome-Erklärung“ verpflichteten BAYER und andere Konzerne sich deshalb, auch für die entsprechenden Arbeitsplätze zu sorgen. Nach einer Untersuchung der Universität des Saarlandes haben sie das jedoch nicht getan. Gerade einmal sechs Prozent der Stellenangebote für Bachelors entsprechen den Erwartungen, welche die Firmen geweckt haben. „Der unmittelbare Karrierestart als Bachelor bleibt ebenso ein Traum, wie das Versprechen der Unternehmen unerfüllt bleibt, einen gezielten Direkteinstieg als Willkommensgeschenk für Bachelors anzubieten“, kritisiert Studien-Leiter Christian Scholz.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien: 462 Arzneitest-Tote
Die Pharma-Multis verlegen immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Zu einem der beliebtesten Staaten für dieses Geschäft hat sich mittlerweile Indien entwickelt. BAYER lässt dort unter anderem das Multiple-Sklerose-Medikament BETAFERON, die Hautgeschwür-Arznei IMPAVIDO sowie vier Krebs-Präparate großflächig erproben. Wie lebensgefährlich die Arbeit der Versuchskaninchen ist, machen Zahlen des indischen Gesundheitsministeriums deutlich: Allein im ersten Halbjahr 2010 starben 462 Personen bei den Arznei-Tests. Die Regierung, welche die Entwicklung des Landes zu einem Versuchslabor für Big Pharma bislang nach Kräften gefördert hat, kündigte zwar strengere Auflagen an, Gesetzeskraft haben die entsprechenden Regelungen aber bisher nicht erlangt. Die Aufsichtsbehörde DCGI hat jedoch die Modalitäten der Arznei-Erprobungen geändert. So müssen die Unternehmen, welche im Auftrag von BAYER & Co. Pillen testen, für eventuelle Zwischenfälle nun auch selber die Verantwortung übernehmen.

Biopirat BAYER
„Unser Plan: Weltweit als Spezialist für natürliche Inhaltsstoffe aus tropischen Pflanzen zu gelten, die in Arzneien, Kosmetika und Beauty-Produkten Anwendung finden“ - diese Unternehmensphilosophie verkündet die französische BAYER-Tochter SERDEX auf ihrer Homepage (siehe auch SWB 2/11). Um den Plan zu erfüllen, hat die Firma bereits 2.000 Tropen-Pflanzen gesammelt, analysiert und ihrer Substanz-Bibliothek zugeführt. Als „das Resultat vieler Jahre Forschungsarbeit in Ostafrika und besonders Madagaskar“ bezeichnet der Betrieb seine „Ethno-Botanik“-Kollektion stolz. Bei seinen Expeditionen hat SERDEX unter anderem aus dem asiatischen Wassernabel, der Vernonia-Pflanze und chinesischem Ginseng lukrative Vorprodukte gemacht, mit denen sie unter anderem die Kosmetik- und Gesundheitsindustrie beliefert.

POLITIK & EINFLUSS

Lascheres Pestizid-Gesetz?
Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner beabsichtigt, die Zulassungsbedingungen für Pestizide in der Bundesrepublik aufzuweichen. Sie plant in einem Gesetz-Entwurf, Agro-Chemikalien den Zugang zu einem vereinfachten Verfahren zu gewähren, wenn diese in einem anderen EU-Land bereits genehmigt sind. Zudem will die CSU-Politikerin dem Bundesumweltamt das Vetorecht nehmen, von dem die Behörde bislang nicht wenig Gebrauch gemacht hat. Im Jahr 2010 hatte diese bei 32 von 150 Anträgen, die das Aigner-Mininsterium bereits durchgewinkt hatte, massive Einwände geltend gemacht und bestimmte Anwendungen abgelehnt. Florian Schöne vom NATURSCHUTZBUND DEUTSCHLAND kritisiert das Vorhaben deshalb scharf: „Die Gefahr ist, dass in Zukunft das hohe deutsche Verbraucherschutz-Niveau ganz erheblich verwässert wird, indem Altwirkstoffe aus anderen Mitgliedsstaaten, die also in hohem Maße toxisch oder krebserregend oder anderweitig gefährlich sind, plötzlich auch auf dem deutschen Markt zugelassen werden“.

Gegenwind für Remmel
Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte bei ihrem Amtsantritt 2010 unter anderem ein Klimaschutz-Gesetz angekündigt - angesichts eines NRW-Anteiles an den bundesweiten Kohlendioxid-Emissionen von 33 Prozent eine überfällige Maßnahme. Nach einem ersten Entwurf nimmt sich Rot-Grün vor, den CO2-Ausstoß im Land bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 90 Prozent zu senken. Ein Klimaschutzplan soll regeln, wieviel jede Branche noch emittieren darf und auch als Maßstab für die Bewilligung neuer Anlagen dienen. Sofort nach Bekanntwerden der Pläne brach ein Sturm der Entrüstung los. Der grüne Umweltminister Johannes Remmel wurde als „Klima-Taliban“ tituliert, und BAYER & Co. sahen einmal mehr den Industrie-Standort NRW in Gefahr. Das blieb nicht ohne Wirkung. Die SPD erklärte umgehend, dem Umweltministerium keinen Einfluss auf Genehmigungsverfahren gestatten zu wollen. „Es wird ein abgestimmtes Vorgehen gegen diesen Vorstoß geben“, verlautete aus dem Wirtschaftsministerium.

Wirtschaftsrat gegen Windkraft & Co.
Der Wirtschaftsrat der CDU, bei dem Wolfgang Große Entrup genauso wie bei BAYER für die Umweltpolitik zuständig ist, hat Studien kritisiert, welche die Komplett-Umstellung der bundesdeutschen Stromversorgung auf regenerative Energien bis zum Jahr 2050 für möglich halten. Die damit angeblich verbundenen hohen Kosten seien ein „massiver Wettbewerbsnachteil“ für die Wirtschaft, warnte der Rat und sprach sich einmal mehr für Kohle und Kernkraft als Alternativen aus.

Yzer abgesägt
BAYER & Co. haben ihre Chef-Lobbyistin vor die Tür gesetzt. Die frühere BAYER-Angestellte Cornelia Yzer verlässt den vom Leverkusener Multi mitgegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller (VFA) zum 1. Juni 2011. Die Pharma-Riesen werfen ihrer Interessensvertreterin vor, ihre Interessen nicht genügend in das „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ (AMNOG) eingebracht zu haben. Ein Einfrieren der Arznei-Preise auf dem Stand von August 2009 bis zum Jahr 2013, eine Erhöhung des Krankenkassen-Rabattes für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent, ein Ende des Preisfindung nach Gutsherren-Art und eine Kosten/Nutzen-Bewertung für Medikamente - das alles hätte nach Ansicht der Unternehmen nicht sein müssen. „Yzer hat einen Fehler nach dem anderen gemacht. Es war unvorstellbar, dass sie das AMNOG überlebt“, zitiert Spiegel Online einen Insider.

EFSA in ILSI-Hand
Von der Unterwanderung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA durch VertreterInnen des „International Life Science Institute“ (ILSI), das unter anderem BAYER, MONSANTO und COCA COLA finanzieren, sickern immer mehr Details durch. Neben der inzwischen zurückgetretenen Verwaltungsratschefin Diána Bánáti standen oder stehen immer noch das Verwaltungsratsmitglied Milan Kovac, Raymon Boobis von der Pestizid-Abteilung, Harry Kuiper von der Gentechnik-Abteilung, Gijs Kleter aus dem Prüfungsausschuss und Laurence Castle aus dem Bisphenol-A-Gremium mit dem ILSI in Verbindung. Und zu allem Übel leisten andere Industrie-Verbände den ILSIlerInnen noch Gesellschaft. So saß auch Susan Barlow vom Europäischen Chemie-Verband CEFIC mit Castle in der Bisphenol-Runde, die verharmlosende Risiko-Analysen veröffentlichte.

Aquino bei BAYER
Im Rahmen seiner Greenwashing-Aktivitäten kooperiert der Leverkusener Multi auch mit der UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen. So führt er beispielsweise gemeinsam mit der UNEP Wettbewerbe durch und prämiert Umweltideen. Auf den Philippinen zeichnete der Konzern ein Umweltradio und ein mobiles Puppentheater, das ökologische Themen auf die Bühnenbretter bringt, aus. Und zur Feier des Tages erschien sogar der philippinische Präsident Benigno S. Aquino III.

Svenja Schulze bei BAYER
In ihrer kurzen Amtszeit hat es die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze schon auf drei Begegnungen mit BAYER-Managern gebracht. Bei der Dortmunder Nano-Konferenz traf sie auf Raul Pires (siehe NANO & CO.). Anfang Oktober 2010 besichtigte die SPD-Politikerin die Bauarbeiten zum Forschungszentrum INVITE, das der Leverkusener Multi mit der Technischen Universität Dortmund und mit freundlicher Unterstützung des Konjunkturpaketes II errichtet. Und im Februar 2011 nahm sie an der feierlichen Inbetriebnahme einer Pilotanlage teil, die ein Kohlendioxid-Recycling im Rahmen der Kunststoff-Fertigung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großaktion zur Rettung des Klimas. Allerdings kann die Plaste-Produktion nicht einmal einen Bruchteil der acht Millionen Tonnen CO2 aufnehmen, die der Konzern jährlich ausstößt. Deshalb beurteilt die Fachwelt solche Vorstöße auch skeptisch. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10).

Löhrmann bei BAYER
Mitte Februar 2011 besuchte die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann den Leverkusener Multi. Die Grünen-Politikerin wohnte einer Qualifizierungsrunde für die Chemie-Olympiade bei und zeigte sich angetan. „In einer Welt, in der Wissen immer mehr eine zentrale Ressource darstellt, verdienen Leistungen, wie die heute von den Schülerinnen und Schülern gezeigten, ein ganz großes Lob. Ich freue mich sehr darüber, dass die BAYER-Stiftung hier so vorbildlich aktiv ist und die Jugendlichen fördert“, erklärte Löhrmann.

„Unternehmenspreis 2010“ für BAYER
Das Land Nordrhein-Westfalen findet nichts dabei, wenn SchülerInnen Chemie in den Laboren der BAYER AG lernen. Im Gegenteil: 2007 rief es sogar die Aktion „Wir wollen: Wirtschaft für Schule in NRW“ ins Leben. In deren Rahmen verleiht die jeweilige Landesregierung alljährlich einen Unternehmenspreis. 2010 erhielt ihn der Leverkusener Multi für sein „besonders innovatives und überregionales Engagement“. „Der intensive Kontakt zu Unternehmen in der Region“ ist für die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann sogar ein wichtiger Bestandteil der Bildungsgerechtigkeit.

Kein Lobbyregister
Die Initiative LOBBYCONTROL hatte in den Petitionsausschuss des Bundestages den Vorschlag zur Einführung eines LobbyistInnen-Registers eingebracht. Die Gruppe wollte so ein kleine Bresche in den Lobby-Dschungel schlagen. Aber obwohl mehr als 8.700 Menschen die Forderung unterstützen und die EU eine solche Liste bereits eingeführt hat, lehnte die Bundesregierung das Begehr ab. Die EmissärInnen von BAYER & Co. dürfen ihrer Einflussarbeit also weiterhin ganz ungestört nachgehen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Kampagne gegen MIC-GegnerInnen
Nach dem Störfall im Werk Institute, bei dem im August 2008 zwei Beschäftigte starben, hatte BAYER die PR-Firma ANN GREEN COMMUNICATIONS mit dem medialen Krisen-Management beauftragt. Ein Teil der Strategie des Unternehmens bestand dann darin, langjährige KritikerInnen der Produktion von Methylisocyanat (MIC) wie die Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC oder den Journalisten Ken Ward von der Lokalzeitung The Charleston Gazette zu diskreditieren. „Wir sollten versuchen, die PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC zu marginalisieren und als irrelevant erscheinen zu lassen. Dies sollte gerade in der aktuell schwierigen ökonomischen Situation möglich sein, in der Arbeitsplätze so viel zählen“, heißt es in einem Strategie-Papier, das auch Maßnahmen gegen The Charleston Gazette vorsah. Als der Leverkusener Multi sich zu einem baldigen MIC-Produktionsstopp bereit erklären musste und sich mit - letztlich erfolgreichen (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) - Forderungen zu einem sofortigen Ende der Fertigung konfrontiert sah, lief die Schmutzkampagne nach dem Drehbuch der PR-Fachleute auf Hochtouren an. Ken Ward etwa wurde persönlich dafür angegriffen, „verantwortlich für Entlassungen“ zu sein. Zudem ließ der Konzern in großen Zeitungsanzeigen die Belegschaft sprechen und Klage führen, dass in „ökonomisch schweren Zeiten eine kleine Gruppe lautstarker Anwohner“ Stimmungsmache gegen MIC betreibe. An einem Autokorso zum Erhalt der Produktion nahmen jedoch nur ein paar Dutzend Menschen teil.

SCHERING heißt jetzt BAYER
Als der Leverkusener Multi im Jahr 2006 das Berliner Pharma-Unternehmen SCHERING schluckte, ließ er den Namen unangetastet, um die Beschäftigten nicht mit „Herr im Haus“-Gesten zu düpieren. Die Sparte firmierte fortan unter „BAYER SCHERING PHARMA“. Unter dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers ist für solche Sentimentalitäten kein Platz mehr. Er läutete das endgültige Ende der Ära SCHERING an, um das Auftreten des Konzerns zu vereinheitlichen: „Wir haben unser Portfolio gründlich analysiert und dabei festgestellt, dass die Vielfalt der Marken im BAYER-Konzern zu einer Verwässerung der Dachmarke geführt hat“.

BAYER ehrt Medizin-Journalisten
Die Prozesse der Opfer von SCHERINGs Schwangerschaftstest DUOGYNON und die Leiden der Geschädigten von BAYERs Verhütungsmittel YASMIN fanden eine breite Medien-Resonanz. Aber es gibt auch noch Medizin-BerichterstatterInnen, die nicht über die Pharma-GAUs der Pillen-Multis informieren. Für sie hat der Leverkusener Multi den Europäischen Journalistenpreis ins Leben gerufen. Die letzten Auszeichnungen erhielten Martin Thür für einen TV-Beitrag über Doping und Hellmuth Nordwig für eine Hörfunk-Sendung zum Thema „Medikamenten-Fälschungen“.

BAYER schreibt an Rundfunkrat
Dem Leverkusener Multi berichtete der WDR-Hörfunk zu kritisch über „50 Jahre Pille“ im Allgemeinen und das BAYER-Verhütungsmittel YASMIN im Besonderen. Folglich setzte er gleich einen an den Rundfunkrat und den Hörfunk-Direktor adressierten Beschwerde-Brief auf.

Testosteron-Beratungsmobil
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen. Zu diesem Behufe schickt BAYER jetzt ein Testosteron-Beratungsmobil auf Reisen. Mit an Bord: Der eingekaufte „Experte“ Dr. Falk Ochsendorf, ein Dermatologe mit Zusatzausbildung in Männerheilkunde. Und Ochsendorf sagt, wofür der Konzern ihn bezahlt. Der Mediziner will sogar von einer lebensverlängernden Wirkung von NEBIDO und TESTOGEL wissen. Von Nebenwirkungen wie Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen oder Brust-Wachstum schweigt er hingegen.

Web 2.0 als Werbe-Plattform
Der Leverkusener Multi war 2010 Gastgeber der Konferenz „Digital Pharma Europe“ und demonstrierte damit sein verstärktes Interesse am Web 2.0 als Werbe-Plattform. „Social Media bietet die Chance eines direkten Dialogs und echter Interaktion. Web 2.0 eröffnet einen Zugangskanal zu Ärzten, medizinischen Fachkräften und Patienten, sofern wir mit ihnen in ein direktes Gespräch eintreten können, um uns als vertrauenswürdiger und offener Partner zu etablieren“, schwärmte der BAYER-Manager Andreas Fibig im Blatt Healthcare Marketing über die neuen Möglichkeiten im Netz.

LandwirtInnen bei BAYER
Um die Beziehungen zu seinen Pestizid-KundInnen zu pflegen, lädt der Leverkusener Multi auch immer wieder LandwirtInnen zu Betriebsbesichtungen ein. So besuchte im letzten Sommer eine BäuerInnen-Vereinigung aus Westfalen den BAYER-Standort Monheim.

Fahrradtour für JournalistInnen
Der breite Widerstand gegen die Kohlenmonoxid-Pipeline und das auf dem Krefelder BAYER-Gelände geplante Kohlekraftwerk haben den Chemie-Multi alarmiert. Nun versucht er die Skepsis gegenüber seinen neuen Projekten abzubauen und startet eine Medien-Offensive. So lud er im Sommer 2010 mehr als 30 JournalistInnen zu einer Besichtigungstour ein. Chemie„park“-Leiter Ernst Grigat führte durch das Leverkusener Werksgelände und demonstrierte den ReporterInnen, wieviel Augenmerk der Konzern doch auf die Sicherheit legt. Luftmesswagen, ein üppig ausgestatteter „Gerätewagen Gefahrgut“, den Ernstfall testende Explosionssimulierer, Sprengräume zur exakten Analyse gefährlicher chemischer Stoffe und Gütertransport-Kontrollen - all das durften die ReporterInnen in Augenschein nehmen. Und die Überzeugungsarbeit fruchtete. „Die Sicherheit steht über allem“, überschrieb der Leverkusener Anzeiger seinen Artikel zum Thema. Die lange Unfallliste 2010 mit ihren Verletzten und Schadstoff-Austritten spricht da eine andere Sprache.

Hormon-Kampagne lanciert
Anfang März 2011 kündigte eine australische Supermarkt-Kette an, künftig kein Fleisch von Rindern mehr zu verkaufen, welche ihre HalterInnen mit Wachstumshormonen behandelt haben. Bald darauf erschien in der Tageszeitung eine ganzseitige Anzeige, auf der 35 WissenschaftlerInnen dieses Vorgehen als „schlecht für die Umwelt, schlecht für die Menschen und schlecht für die Tiere“ kritisierten. Aus eigenen Stücken taten sie das jedoch nicht. „Animal Health Alliance“, der Industrie-Verband von BAYER & Co., bezahlte die Kampagne.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern intern immer unsozialer wird, Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“. 2010 gab es unter anderem Geld für Heimkinder in Uruguay, die Renovierung eines Schulgebäudes in Guatemala, Führungen durch das Römerlager in Oberaden, Armenspeisungen in Frankreich, Hausaufgabenhilfe in Wiesdorf, Lebensmittel-Herstellung in Togo, die „Leverkusener Tafel“, eine Physik AG in Leverkusen, ein Aufklärungsprojekt der Türkischen Jugend in Dormagen und die „Stiftung gegen Gewalt an Schulen“. Darüber hinaus soll der ASPIRIN-Sozialpreis das Bild vom barmherzigen Samariter BAYER in die Welt tragen. 2010 hat der Leverkusener Multi die Auszeichnung an das „Trauerhaus“ verliehen, das Kinder betreut, die Mutter oder Vater verloren haben.

BAYER fördert Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt, „denn ein Land, das wie Deutschland über keine reichen Bodenschätze verfügt, ist in seiner wirtschaftlichen Entwicklung vordringlich auf die geistige Kreativität angewiesen“, so BAYERs Oberkommunikator Michael Schade zur nicht gerade uneigennützigen Motivation der Bildungsoffensive des Unternehmens. Im Jahr 2010 verteilte der Konzern den Etat von 500.000 Euro unter anderem auf das Albert-Einstein-Gymnasium in Rumeln, das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld, die Kölner Gemeinschaftsgrundschule An den Kaulen, ein Biotechnologie-Projekt am Gymnasium Brunsbüttel, eine Gesamtschule in Wuppertal und eine Grundschule in Babelsberg. Darüber hinaus vergab die Foundation Stipendien.

Betriebsame SchülerInnen-Labore
Vier SchülerInnen-Labore unterhält der Leverkusener Multi mittlerweile. „Wir wollen jungen Menschen die Faszination Naturwissenschaften frühzeitig näher bringen“, erklärt BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke den Sinn der Übung. Weniger Faszinierendes wie etwa die Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnologie steht daher nicht auf dem Lehrplan. Stattdessen untersuchen die ElevInnen das Erbgut von Raps, entwickeln ein Computermaus-Gehäuse, wohnen der Produktion von Agro-Sprit bei oder experimentieren mit Bakterien.

„Duales Lernen“
Die Konzerne erobern mehr und mehr die Klassenräume. So haben BAYER & Co. in Berlin mit dem Senat einen Ausbildungsvertrag geschlossen. Er sieht vor, die städtische Wirtschaft eng an die vor der Berufswahl stehenden SchülerInnen heranzuführen. Praktika und Betriebserkundungen sollen ein „Duales Lernen“ ermöglichen und den Unternehmen passgenaue Lehrlinge liefern. „Es ist richtig, die Wirtschaft mit den Schulen im Bereich der Berufsorientierung eng zu vernetzen. Davon erhoffen wir uns, dass mehr Schüler als heute die Schule ausbildungsreif verlassen“, sagte Christoph von Knobelsdorff von der Industrie- und Handelskammer zum Sinn der Übung.

TIERE & ARZNEIEN

Trennung von Veterinär-Sparte?
Der neue BAYER-Chef Marijn Dekkers kennt kein Pardon. Erst kündigte er die Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen an, dann stellte er die Zukunft der Kunststoff-Sparte in Frage und jetzt ist auch die Veterinär-Abteilung dran. Hier stelle sich die Frage, ob das BAYER-Geschäft mit einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro nach der Fusionswelle unter den Konkurrenten nicht zu klein sei, so Dekkers‘ Worte laut Associated Press. Eine Entscheidung in der Sache kündigte der Holländer bis spätestens März 2012 an.

Schlechte Noten für Flohmittel
Ökotest hat BAYERs Antiflohmittel für Hunde und Katzen schlecht bewertet, weil sie Nervengifte enthalten. ADVANTAGE, ADVOCATE und das BOLFO-Zeckenhalsband erhielten ein „ausreichend“; BOLFO-Puder, -Spray und -Shampoo bekamen die Note „mangelhaft“.

Kau-Tabletten für Tiere
BAYER hat von der US-amerikanischen Firma PIEDMONT PHARMACEUTICALS die Lizenz für ein Verfahren erworben, das es ermöglicht, Arzneimittel für Tiere in Form von Kau-Tabletten zu entwickeln.

Milben-Mittel gekauft
Die BAYER-Insektizide PONCHO und GAUCHO mit dem Wirkstoff Imidacloprid haben Millionen Bienen den Tod gebracht. Der Leverkusener Multi streitet das jedoch ab und macht stattdessen die Varoa-Milbe verantwortlich. Jetzt will der Konzern mit dieser Diagnose auch noch Geld verdienen: Er kaufte von dem britischen Unternehmen EXOSECT ein Produkt, das gegen die Insekten-Art vorgeht.

DRUGS & PILLS

Tod durch YASMINELLE
BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Produktfamilie bringen immer mehr Menschen den Tod. Anfang Februar 2011 starb eine Österreicherin an den Folgen einer Embolie. Obwohl sie den Blutgefäß-Verschluss in einem Krankenhaus erlitt, konnten die ÄrztInnen sie nicht retten. Wie viele andere junge Frauen hatte die 21-Jährige sich YASMINELLE verschreiben lassen, um ihr Gewicht zu reduzieren. Allein in den USA verloren in den letzten Jahren mindestens 140 Frauen durch YASMIN und 50 durch YAZ ihr Leben.

Neue YAZ-Version
BAYERs Verhütungsmittel der YASMIN-Produktfamilie sehen sich wachsender Konkurrenz durch Nachahmer-Produkte gegenüber. Also entwickelt der Leverkusener Multi leicht abgeänderte Versionen, um länger von den patent-geschützten Höchstpreisen profitieren zu können. YAZ mit Vitamin B ist bereits zugelassen; für eine Version, die es erlaubt, die Regelblutungen zu steuern und die Zahl der Menstruationstage zu reduzieren, hat der Konzern gerade einen Genehmigungsantrag gestellt. Eines bleibt jedoch immer gleich: Das im Vergleich zu Pillen früherer Generationen erhöhte Thromboembolie-Risiko, das allein in den USA bislang zu 190 Toten geführt hat.

Hoffnungen auf XARELTO
BAYERs ganze Hoffnungen in der Pharma-Sparte ruhen auf dem Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban), das bisher EU-weit zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zugelassen ist. Wenn das Mittel zusätzlich noch Genehmigungen als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen und als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe bekommt, dann rechnet der Leverkusener Multi mit einem jährlichen Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro. Nach Ansicht von Finanz-AnalystInnen spiegelt sich diese Erwartung schon im Aktien-Kurs wider und macht 10 bis 20 Prozent des Börsenwertes aus. Die Testergebnisse eröffnen allerdings keine allzu rosigen Zukunftsaussichten. Im Vergleich zur Thrombose-Standardmedikation schnitt das Mittel in puncto „Wirksamkeit“ nicht besser ab. Weniger Nebenwirkungen hatte es auch nicht. Einziger Vorteil: XARELTO „hat das Potenzial, für den Patienten angenehmer zu sein“ (O-Ton BAYER), weil es als Tablette verfügbar ist und nicht gespritzt werden muss. Schlaganfälle vermied das Präparat ebenfalls nicht häufiger als das Mittel der Wahl Warfarin, was dem BOEHRINGER-Konkurrenzprodukt PRADAXA sehr wohl gelang. Die deutlichsten Unterschiede zeigten sich im Preis. Warfarin kostet in den USA 25 Cent, XARELTO will BAYER hingegen für sechs Dollar pro Tablette auf den Markt bringen. Die Zulassungsanträge hat der Global Player im Januar 2011 bei der europäischen Arzneimittelbehörde gestellt. Die USA hingegen tun sich einstweilen noch mit dem XARELTO-Einsatz bei OPs schwer. Die zuständigen Stellen zögern mit der Zusage, weil von der Arznei ein erhöhtes Risiko für Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden ausgeht und seine Langzeitwirkung nicht geklärt ist.

Neue MAGNEVIST-Auflagen
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMEA hat neue Auflagen für den Gebrauch von Gadolinium-haltigen Röntgen-Kontrastmitteln wie BAYERs MAGNEVIST erlassen. Da die Medizinprodukte bei Nierenkranken eine Fibrose auslösen können, ein mitunter lebensbedrohliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, müssen die MedizinerInnen vor der Anwendung von MAGNEVIST & Co. nun bei ihren PatientInnen die Nierenfunktionen überprüfen. Darüber hinaus riet die EMEA zu einer möglichst niedrigen Dosierung und untersagte, die Untersuchung binnen einer Woche zu wiederholen. Zuvor hatte bereits die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ähnliche Anweisungen gegeben, denn auch in den Vereinigten Staaten häuften sich die Meldungen über Zwischenfälle. Allein der Leverkusener Multi sieht sich bereits mit über 300 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen konfrontiert.

USA: GADOVIST-Zulassung beantragt
BAYER hat für sein Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST eine Zulassung in den USA beantragt. Das für die Magnetresonanz-Tomographie des zentralen Nervensystems bestimmte Produkt enthält wie MAGNEVIST Gadolinium und dürfte deshalb auch dasselbe Risiko-Profil haben: Es kann bei Nierenkranken zu einem unkontrollierten Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge führen (s. o.).

ASPIRIN gegen Krebs?
Nach der Untersuchung eines Forscherteams um Peter M. Rothwell von der Universität Oxford vermindert die Einnahme des ASPIRIN-Wirkstoffes Acetylsalicylsäure das Krebsrisiko. Wer das Präparat fünf Jahre lang täglich schluckte, reduzierte das Sterberisiko um 21 Prozent, so der Wissenschaftler. Er hatte allerdings ein ganz anderes Studien-Ziel. Rothwell wollte den Einfluss des „Tausendsassas“ auf Herz/Kreislauferkrankungen ermitteln, weshalb der Mediziner nicht auf Daten zum individuellen Krebsrisiko der PatientInnen zurückgreifen konnte. Zudem reicht eine Nachbeobachtungsphase von vier Jahren nicht aus, um eine Tumor-Gefährdung auszuschließen, wie andere ÄrztInnen kritisierten. Darüber hinaus sprechen die Resultate aus dem Untersuchungsschwerpunkt gegen seine Empfehlung, ASPIRIN zu Präventionszwecken einzusetzen. So sehr nämlich die Krebs-Gefahr sank, so sehr stieg die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Der Nebenwirkung „Blutungen“ sind die ÄrztInnen sicherheitshalber erst gar nicht nachgegangen. Auch bestätigen andere Studien den Befund von Rothwell nicht. Weder die „Nurses‘ Health Study“ noch die „Iowa Women’s Health Study“ oder die Untersuchung der „American Cancer Society“ bestätigen die Oxforder Ergebnisse. Das nährt den Verdacht, dass Rothwells Beziehungen zu BAYER seine Objektivität beeinflusst haben, führt der Professor für den Leverkusener Multi doch gerade eine andere ASPIRIN-Forschungsarbeit durch. Und sein Teamkollege Tom W. Meade erhielt ebenfalls schon Schecks vom Pharma-Riesen.

Zulassung für Marijuana-Spray
In Großbritannien hat BAYER die Zulassung für das Marijuana-Spray SATIVEX erhalten, dessen Vertriebsrechte der Konzern vom Hersteller GW PHARMAZEUTICALS erworben hatte. Das für Multiple-Sklerose-PatientInnen bestimmte Mittel soll Begleiterscheinungen der Krankheit wie Spastiken, Inkontinenz und Schmerzen lindern.

Fünf Pillen in zehn Jahren
In den letzten zehn Jahren schafften es gerade mal fünf neue Medikamenten-Entwicklungen von BAYER in die US-amerikanischen Apotheken, obwohl der Konzern für Forschung & Entwicklung in dieser Dekade 16,8 Milliarden Dollar ausgab.

Wehrmedizin an Kölner Uni
Die Kölner Universität, mit deren medizinischer Fakultät BAYER im Jahr 2008 eine Zusammenarbeit vereinbart hat, betreibt auch Wehrmedizin. Zu diesem Zweck arbeitet die Hochschule mit zwei Einrichtungen der Bundeswehr zusammen, dem „Institut für Pharmakologie und Toxikologie“ und dem „Institut für Mikrobiologie“. Diese Institutionen testen unter anderem die Auswirkungen von biologischen und chemischen Waffen wie Milzbrand-Erregern und Senfgas und entwickeln Behandlungsmethoden. Die Studierenden der Universität kritisieren diese Kooperation und sprechen sich für die Aufnahme einer Zivilklausel in die Grundordnung der Bildungseinrichtung aus, die Forschung zu militärischen Zwecken untersagt.

Comeback für die Männer-Pille?
Im Jahr 2002 stellte BAYER die Forschung an der Pille für den Mann ein, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO mit über einer Million Dollar gesponsert hatte. Weil der Konzern der Einrichtung etwas schuldig war, überließ er ihr aber das haus-eigene Testosteron-Präparat NEBIDO für Versuchsreihen, nicht ohne sich dafür die Zusicherung auszubedingen, Einblick in die Studien-Unterlagen nehmen zu können. Im Erfolgsfall wäre der Pharma-Riese damit wieder am Drücker. Auch an der Universität Münster laufen entsprechende Tests mit dem BAYER-Mittel, das der Konzern bisher als Therapeutikum gegen die selbst erfundene Krankheit „Testosteron-Mangel“ vermarktet und das zahlreiche Nebenwirkungen hat. Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen und Brust-Wachstum gehören dazu.

Griechenland zahlt mit Anleihen
Das überschuldete Griechenland kann seit geraumer Zeit die Arznei-Rechnungen seiner Krankenhäuser nicht mehr begleichen. Der Leverkusener Multi beklagt Außenstände im zweistelligen Millionen-Bereich, weshalb BAYERs einstiger Pillen-Chef Arthur Higgens in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des europäischen Pharma-Verbandes EFPIA in der Vergangenheit bereits Gespräche mit der griechischen Regierung führte. Jetzt zeichnet sich eine Lösung ab. Der Staat wies seine Spitäler an, die Rechnungen mit zinslosen Anleihen zu begleichen. Für die Pillen-Riesen bedeutet das ein Verlust-Geschäft: Sie müssen durchschnittlich ein Fünftel ihrer Forderungen abschreiben.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben: UN alarmiert
Die UN hat im März 2011 einen alarmierenden Bericht über die Globalisierung des Bienensterbens vorgelegt, das bis nach Asien und Afrika reicht. Weil „von den 100 Nutzpflanzen, die 90 Prozent der Nahrungsmittel weltweit beisteuern, mehr als 70 durch Bienen bestäubt werden“, wie der Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Achim Steiner, ausführt, bedroht das Verschwinden der Populationen mittlerweile auch die Ernährungssicherheit. Neben zerstörten Lebensräumen und Viren macht die UN für das beängstigende Phänomen vor allem Pestizide verantwortlich - und namentlich die von BAYER. „Verschiedene Studien haben die Giftigkeit von Chemikalien wie Imidacloprid (Wirkstoff von BAYERs GAUCHO), Clothianidin (Wirkstoff von BAYERs PONCHO), Thiamethoxam und verwandten Inhaltsstoffen für Tiere nachgewiesen“, heißt es in dem Report.

Aus für Methylisocyanat (MIC)
Anfang des Jahres konnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einmal die Früchte ihrer Arbeit ernten: Am 11. Januar 2011 gab der Leverkusener Multi bekannt, am US-Standort Institute die Produktion und Lagerung des Bhopal-Stoffes Methylisocyanat (MIC) und des Giftgases Phosgen einstellen zu wollen (siehe auch SWB 2/11). Eine entsprechende Forderung hatte die CBG nicht nur auf den BAYER-Hauptversammlungen immer wieder erhoben. Noch kurz vor der schrecklichen Explosion im August 2008, bei der zwei Arbeiter ihr Leben verloren und beinahe ein MIC-Behälter in die Luft geflogen wäre, hatte die Coordination vor den Sicherheitsrisiken der Anlage gewarnt. Als „unbegründet“ wies das Unternehmen das zurück. Es musste erst der Ernstfall eintreten, um den Global Player mit anderthalb Jahren Verzögerung zur Vernunft zu bringen. Aber es bleibt noch etwas zu tun, denn BAYER will die Fertigung nicht gleich beenden. Die CBG, die während der Kampagne immer eng mit der vor Ort tätigen Initiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC (PCMIC) kooperierte, unterstützt deshalb den Versuch der US-amerikanischen AktivistInnen, vor Gericht einen sofortigen MIC-Herstellungsstopp zu erreichen. Am 25. Februar 2011 erzielten sie einen ersten juristischen Erfolg. Ein Richter untersagte dem Leverkusener Multi vorläufig, die gefährliche Chemikalie noch 18 Monate weiterzuproduzieren. Und drei Wochen später verkündete BAYER das endgültige Ende von MIC.

Weltweites Aus für Endosulfan?
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Jetzt aber scheinen die Stunden des Ultragifts endgültig gezählt. Die „Stockholmer Konvention“ hat sich nach harten Verhandlungen dazu durchgerungen, seinen 133 Mitgliedsstaaten eine Beschlussvorlage für ein weltweites Verbot vorzulegen.

Pestizide gefährden Artenvielfalt
Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisiert die Gefährdung der Artenvielfalt durch Pestizide. Die Agro-Chemikalien wirken nämlich nicht nur gegen die so genannten Zielorganismen, sondern gegen so gut wie alles, was kreucht, fleucht oder wächst. In der konventionellen Landwirtschaft haben die Gifte nur noch Erbarmen mit zwei bis neun „Ackerbegleit-Pflanzen“, und das Verschwinden der übrigen hat wiederum Auswirkungen auf die Fauna. Carbofuran, dessen Produktionsstopp der Leverkusener Multi vor anderthalb Jahren angekündigt hat, tötete sogar schon Adler. Und gelangen Wirkstoffe wie das auch in BAYER-Mitteln enthaltene Glyphosat in Gewässer, so ändert das ihre mikrobiologische Zusammensetzung und nimmt damit Lebewesen ihre Futterquellen. Als Konsequenz aus diesem Anschlag auf die Biodiversität fordert PAN unter anderem mehr Ökoanbau, Pufferzonen zu Gewässern und strengere Zulassungsbedingungen.

GAUCHO auf Ross-Kastanien
Das BAYER-Insektizid GAUCHO mit dem Wirkstoff Imidacloprid hat Millionen Bienen den Tod gebracht. Trotzdem kam Imidacloprid nach einer langen Kontroverse in der Stadt Bonn zum Einsatz, um gegen die Rosskastanien anfallende Miniermotte vorzugehen. Und dann wirkte das Pestizid noch nicht einmal.

BBKA beendet Kooperation
Obwohl die BAYER-Pestizide GAUCHO und PONCHO sowie andere Agro-Chemikalien den Tod von Millionen Bienen verursachten, hat der britische ImkerInnenverband „British Beekeepers Association“ (BBKA) ihnen das Prädikat „bienenfreundlich“ verliehen. Für diesen Persilschein zahlten ihm die Konzerne 17.500 Pfund. Auf Druck seiner Mitglieder, die den Verlust unzähliger Völker durch GAUCHO & Co. zu beklagen haben, musste der Verband die lukrative Kooperation im Herbst 2010 allerdings beenden.

PONCHO-Verbot gefordert
Als BAYER in den USA eine Erweiterung der Zulassung für sein Pestizid PONCHO beantragte, führte die US-Umweltbehörde EPA eigene Tests durch. Die Ergebnisse unterschieden sich markant von denen der Studien, die der Leverkusener Multi zur Erlangung der Genehmigung vorgelegt hatte. Daraufhin guckten sich die ForscherInnen die BAYER-Untersuchung noch einmal genauer an und entdeckten frappierende Mängel. Vor allem der Teil, mit dem der Konzern dem Mittel das Etikett „bienenverträglich“ verschaffen wollte, verstieß gegen wissenschaftliche Standards. Die EPA-ExpertInnen hielten dagegen fest: „Toxizitätsstudien mit Honigbienen zeigen, dass Clothianidin hoch toxisch ist“. Im letzten Herbst gelangte das Dokument mit dem harschen Urteil in die Öffentlichkeit, und sofort forderten das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), BEYOND PESTICIDES und mehrere ImkerInnen-Verbände ein PONCHO-Verbot, wie es in der Bundesrepublik und einigen anderen europäischen Ländern für die Ausbringung auf bestimmten Kulturpflanzen bereits gilt.

Mit TEMIC gegen Löwen
In Afrika vergiften Wilderer Raubtiere und Raubvögel unter anderem mit dem BAYER-Pestizid TEMIC und tragen so zum Aussterben der Arten bei.

TEMIC vergiftet 14 Menschen
Im US-amerikanischen Lee County kamen 13 Jäger und ein 11-jähriger Junge ins Krankenhaus, weil sie nach einem Kontakt mit dem BAYER-Pestizid TEMIC (Wirkstoff: Aldicarb) an Vergiftungserscheinungen litten. Ihr Gesundheitszustand stabilisierte sich bald, aber vier ihrer Hunde starben durch die Agrochemikalie, die der Leverkusener Multi wegen seiner Gefährlichkeit nur noch bis 2014 vermarkten will.

Vogelsterben durch GAUCHO & Co.
Insektizide wie BAYERs GAUCHO, das zur Gruppe der Neonicotinoide gehört, töten nicht nur Schadinsekten und Bienen. Sie sorgen auch für eine Dezimierung der Vogelbestände: Unmittelbar, indem die Pestizide Amsel, Fink und Star vergiften, und mittelbar, indem sie ihnen die Insekten als Nahrungsgrundlage rauben. So nahm in Großbritannien die Population der Haussperlinge seit 1977 um 68 Prozent ab. Die Anzahl der Schwalben sank seit 1994 um 41 Prozent und die der Stare um 26 Prozent. Der holländische Toxikologe Henk Tennekes tritt deshalb für ein Verbot von GAUCHO & Co. ein. „Neonicotinoide wirken wie Krebs verursachende Chemikalien, für die es keine die Sicherheit garantierenden Grenzwerte geben kann“, so der Wissenschaftler.

Missbildungen durch Glyphosat
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in MONSANTOs ROUND UP, aber auch in BAYER-Mitteln enthalten ist, hat bei Neugeborenen in Argentinien, die in der Nähe von Soja-Feldern zur Welt kamen, zu Missbildungen geführt. Daraufhin untersuchten WissenschaftlerInnen die Wirkungsweise und fanden heraus, dass die Agro-Chemikalie schon bei Konzentrationen von zwei Milligramm pro Kilogramm Nahrungsmittel Schäden verursachen kann. In der EU liegt der Soja-Grenzwert bei 20 Milligramm pro Kilogramm.

Neues Reis-Fungizid
In Japan hat BAYER die Zulassung für das Fungizid ROUTINE (Wirkstoff: Isotianil) erhalten, das für einen Einsatz im Reis-Anbau bestimmt ist.

Verringerung des Sortiments
Der Leverkusener Multi führt 98 Pestizide in seinem Sortiment und kündigte an, diese Zahl zu verringern. 21 Agrochemikalien will BAYER in den nächsten vier Jahren ausmustern - sei es durch die Einstellung der Produktion oder durch Verkauf - und sieben neue Mittel auf den Markt bringen.

Verkauf von Ultra-Giften
Im Rahmen der Verkleinerung seines Pestizid-Sortiments (s. o.) entledigt sich der Leverkusener Multi seiner beiden Ultra-Gifte NEMACUR und MOCAP. Besonders NEMACUR war in der Vergangenheit für zahlreiche Vergiftungen verantwortlich. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte diesen Schritt. „BAYER hätte die Produktion längst einstellen müssen, statt diese Ultra-Gifte jetzt noch profitabel zu verramschen“, heißt es in der Presse-Erklärung der CBG zum Thema.

GENE & KLONE

Mehr Gentech im Futter
Bislang durften Futtermittel-Importe in die EU-Länder keinerlei Spuren von Gentech-Pflanzen aufweisen. Ende Februar 2011 hat die Europäische Union die Regelung allerdings gekippt und einen Höchstwert von 0,1 Prozent festgelegt. Sogar innerhalb des Staatenbundes noch nicht einmal zugelassene Sorten dürfen nun die Grenzen passieren. Brüssel beugte sich damit dem Druck der Landwirtschaftsverbände und Agro-Multis. Diese malten ein Horror-Szenario mit Versorgungsengpässen und Preissteigerungen aus, falls die EU nicht „Ja“ zu „ein bisschen Gentech“ im Tierfutter sagt. Obwohl die LobbyistInnen Beweise dafür schuldig blieben, konnten sie sich durchsetzen. „Die heutige Entscheidung verstößt einmal mehr gegen das Vorsorge-Prinzip. Gen-Pflanzen, die nicht für den menschlichen Verzehr getestet wurden, haben nichts in unserer Nahrungsmittelkette zu suchen“, kritisierte Stephanie Töwe von GREENPEACE die Entscheidung.

EVOGENE sucht nach Weizen-Genen
Der Leverkusener Multi hat für 12 Millionen Dollar 5,5 Prozent des israelischen Biotech-Unternehmens EVOGENE erworben. Zudem beauftragte der Konzern EVOGENE mit der Suche nach Genen, die für Weizen bessere Erträge, ein besseres Wachstum oder eine erhöhte Widerstandsfähigkeit versprechen. Nach entsprechendem Reis-Erbgut fahnden die Israelis für BAYER schon seit längerem.

Keine Gentechnik in NRW
Das Land Nordrhein-Westfalen, Stammsitz des Leverkusener Multis, gehört seit diesem Jahr zu dem Netzwerk europäischer Regionen, die auf Gentechnik verzichten. Der Düsseldorfer Landtag stimmte im Januar 2011 einem entsprechenden Antrag der SPD zu.

Nutzlose Genom-Entschlüsselung
Vor zehn Jahren gelang die Entschlüsselung des menschlichen Genoms, und die ForscherInnen weckten große Erwartungen hinsichtlich des damit verbundenen medizinischen Fortschritts. Diese haben sich allerdings nicht erfüllt. „Daten, überall Daten, aber kein einziges Produkt“, beklagt sich etwa ein Unternehmenssprecher. Auch für den damaligen Projektleiter und heutigen Chef des US-amerikanischen „National Institute of Health“, Francis S. Collins, hatte die Kartographierung des Erbguts bislang keinen direkten Einfluss auf die Gesundheit der meisten Menschen, weshalb Harold Varmus, der Direktor des Nationalen Krebsforschungsinstituts der USA, schlicht resümiert: „Das Genom fördert die Wissenschaft, nicht die Medizin“.

PFLANZEN, SAATEN & DÜNGER

BAYER experimentiert mit Düngern
BAYER CROPSCIENCE testet neuen Dünger. Der Konzern experimentiert derzeit in Voiswinkel nahe Bergisch-Gladbach mit unterschiedlichen Kali/Phosphat-Kombinationen.

NUNHEMS wächst und wächst
BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS expandiert beständig. Nachdem sie im US-amerikanischen Parma für 15 Millionen Dollar ihr Werk ausbaute und im spanischen Cartagena ein Forschungszentrum eröffnete, erweitert das Unternehmen nun auch seine Kapazitäten in Monheim. Die Labore wachsen um das Dreifache, um DNA-Analysen, zellbiologischen Experimenten und der molekularen Züchtung, die auf Erbgut-Untersuchungen, nicht aber auf Gen-Transfers basiert, mehr Platz zu bieten.

WASSER, BODEN & LUFT

Wassercent wieder da
Der Durst von BAYER ist enorm. Allein am Standort Leverkusen verbraucht der Multi jährlich 130 Millionen Kubikmeter. Um diese Gelüste ein wenig zu zügeln, hatte die rot-grüne Landesregierung 2004 den Wassercent eingeführt. Die Konzerne liefen Sturm gegen diese Regelung, weshalb Schwarz-Gelb sie nach dem Machtwechsel 2005 zum Auslaufmodell machte. Die Neuauflage von Rot-Grün revidierte das jedoch wieder und erhöhte die Abgabe sogar noch leicht. Erwartungsgemäß empörte sich BAYER zugleich über diese „vollkommen unnötige Sonderlast“ und nannte sie eine Gefahr für den Industriestandort NRW und die internationale Wettbewerbsfähigkeit.

MAGNEVIST im Berliner Grundwasser
Gadolinium-haltige Röntgen-Kontrastmittel wie BAYERs MAGNEVIST (siehe auch DRUGS & PILLS) fanden sich im Berliner Grundwasser wieder. Das Medizinprodukt kann bei Nierenkranken eine Fibrose auslösen, ein mitunter lebensbedrohliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, weshalb europäische und US-amerikanische Aufsichtsbehörden unlängst strengere Auflagen für die Anwendung erlassen haben.

Deponie-Sicherung in Rheinberg
Noch voraussichtlich bis Ende 2012 wird die Sicherung der Deponie Rheinberg dauern, in der 40.000 Tonnen Rückstände aus der von BAYER bis 2002 betriebenen Titandioxid-Produktion schlummern. ArbeiterInnen ziehen in die Giftmüll-Halde eine Tonschicht ein und verlegen ein Drainage-System, um eine Verunreinigung des Grundwassers zu verhindern. Zum Abschluss decken sie das Chemie-Grab mit riesigen Gewebe-Planen ab. Anschließend soll dann Gras über die ganze Sache wachsen. Eine wirkliche Sanierung der Deponie mit einer Entfernung des verseuchten Erdreiches kam aus Kostengründen nicht in Betracht, und auf die Idee, vom Leverkusener Multi eine Kostenbeteiligung zu verlangen, verfielen die verantwortlichen PolitikerInnen nicht. Ähnliche Maßnahmen zur Mumifizierung von Konzern-Altlasten waren jüngst auch in Wuppertal und in Wolfenbüttel erfolgt.

Gas statt Kohle?
Der Stadtwerkeverbund TRIANEL überprüft seine umstrittenen Pläne, auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld ein Kohlekraftwerk mit einem Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen zu errichten. Stattdessen diskutiert er den Bau eines Gas/Dampf-Kraftwerks. Dabei spielen allerdings nicht nur ökologische Erwägungen wie die bessere Energie-Effizienz dieser Alternative und ihre Möglichkeit, flexibler auf die stark schwankenden Einspeisungen regenerativ erzeugten Stroms zu reagieren, eine Rolle, sondern auch die Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Die dadurch zusätzlich auf den Markt kommenden Strommengen machen die Dreckschleudern nämlich unnötig und den Betrieb unwirtschaftlich. Sollte die Bundesregierung ihre Atompolitik infolge der Ereignisse in Japan allerdings grundlegend ändern, ständen die Aktien für ein Kohlekraftwerk wieder besser.

Mehr Müllverbrennung
Im Jahr 2009 hat der Leverkusener Multi 914.000 Tonnen Abfall produziert. Aber in seinen Müllverbrennungsanlagen entsorgt der Konzern nicht nur eigene Hinterlassenschaften. Der Pharma-Riese ist vor einiger Zeit auch in das lukrative Geschäft mit dem Müll eingestiegen und übernimmt Fremdaufträge. Für das alles reichen die vorhandenen Öfen nicht mehr aus. Deshalb will der Global Player die Kapazität seiner Leverkusener Anlage erweitern und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Infolgedessen darf sich die Stadt bald wohl über noch mehr Feinstaub, Schwefeldioxid, Hydrogenchlorid, Chlorwasserstoff, Stickoxide, Fluorkohlenwasserstoffe, Cadmium, Thallium und Quecksilber in Wasser, Boden und Luft freuen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BPA in Babyflaschen verboten
BAYER ist einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, die unter anderem in Baby-Flaschen und Konservendosen Verwendung findet und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe SWB 4/10). Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die seit Jahren für ein Verbot der Substanz eintritt, konnte nun einen Erfolg erringen: Zum 1. März 2011 untersagte die EU Bisphenol A in Babyflaschen. Die CBG fordert nun weitere Schritte: „Bisphenol A muss endlich aus allen Produkten des täglichen Bedarfs verschwinden. Hormonaktive Substanzen haben in Produkten wie Trinkflaschen, Spielzeug und Konservendosen nichts verloren! Die Leugnung der Risiken durch die Hersteller darf nicht zur weiteren Gefährdung der Verbraucherinnen und Verbraucher führen“, so Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination.

PCB-Nachwirkungen
BAYER gehörte lange zu den Hauptherstellern von Polychlorierten Biphenylen (PCB), einer Krebs erregenden Chlorverbindung. Erst 1983 hat der Konzern die Produktion des Ultragiftes eingestellt, das unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fand. Aber die gesundheitsschädlichen Folgen der Chemikalie machen sich immer noch bemerkbar. So ergab eine Untersuchung von Beschäftigten der Dortmunder Entsorgungsfirma ENVIO eine hochgradige PCB-Kontamination. 95 Prozent der Belegschaft wiesen Konzentrationen im Blut auf, die bis zum 25.000fachen über dem zulässigen Grenzwert lagen. Und der ENVIO-Konzern, der das PCB-belastete Material zurück zum Absender brachte und in BAYER-Verbrennungsöfen entsorgte, ist kein Einzelfall. Auch bei REMONDIS, der Firma RICHTER sowie bei der Entsorgungsgesellschaft des Regionalverbandes Ruhrgebiet ergaben Überprüfungen unzulässig hohe PCB-Werte.

Erste REACH-Etappe absolviert
Verhindern konnten BAYER & Co. die Ende 2006 verabschiedete, REACH genannte Chemikalien-Richtlinie der EU nicht, die Unternehmen erreichten jedoch wichtige Aufweichungen. So müssen die Konzerne nicht alle ihre Chemikalien auf gesundheitsgefährdende Wirkungen hin untersuchen, sondern nur noch 30.000. Der Leverkusener Multi hat jetzt die erste Auflage von REACH erfüllt und für seine 125 Stoffe, deren Jahresproduktion über 1.000 Tonnen liegt, Unterlagen erstellt.

Phosgen-Produktion steigt
BAYER will am Standort Brunsbüttel mehr Polyurethan-Kunststoff herstellen und plant deshalb eine Kapazitätserweiterung des Werkes. Mit der Erhöhung des Produktionsvolumens steigt auch die Menge des für den Fertigungsprozess benötigten Phosgens, eines der gefährlichsten Giftgase überhaupt. Es gibt zwar bereits Möglichkeiten, Polyurethane ohne Phosgen zu fabrizieren, aber der Leverkusener Multi ignoriert diese Alternativen. Darum kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN das Vorhaben des Unternehmens. „Wir fordern den Konzern auf, die technisch machbare Produktion von Polyurethan ohne Phosgen zur Serienreife zu bringen. Vorher sollten keine neuen Anlagen genehmigt werden, denn bei einer Lebensdauer der Anlagen von 30-35 Jahren würde diese gefährliche Produktionsweise sonst für Jahrzehnte festgeschrieben!“

NANO & CO.

50 Millionen für die Nano-Technik
Nordrhein-Westfalen fördert die Nano-Technologie trotz ihrer Risiken massiv. Darum gehört das Bundesland neben der Wirtschaftsförderung Dortmund und „NanoMikro + Werkstoffe.NRW“ auch zu den Mitveranstaltern der „Nano-Konferenz“, die nun bereits zum dritten Mal in Dortmund stattfand. Über die dort von NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze in Aussicht gestellten Fördermittel von 50 Millionen Euro bis 2050 dürfte sich BAYERs Tagungsteilnehmer Raul Pires sehr gefreut haben.

Nano-Absatz stockt
Der Leverkusener Multi klagt über den mangelnden Absatz seiner CNT-Röhrchen aus Nano-Material namens BAYTUBES. Um die Zukunft der Zukunftstechnologie scheint es also nicht allzu gut bestellt zu sein. Hatte bereits die Bezirksregierung auf eine Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zur kommerziellen Nutzung erklärt, BAYER hätte noch keinen entsprechenden Antrag gestellt, weil „der Markt CNT-Material mit anderen Eigenschaften benötigt“, so bestätigt nun auch der Konzern selber die Schwierigkeiten. „Die klassischen Anwender wie Fahrzeug- oder Flugzeug-Industrie sind sehr konservativ, was neue Materialien betrifft“, klagte der Manager Raul Pires. Deshalb hat das Unternehmen einen Strategie-Wechsel vorgenommen: Es will künftig nicht bloß das Nano-Pulver, sondern gleich ganze Komponenten zur Weiterverarbeitung anbieten.

BAYER forscht an Nano-Pille
BAYER forscht gemeinsam mit der Aachener „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule“ an einer Nano-Verhütungspille. Die WissenschaftlerInnen wollen ein Hormon-Depot im Körper anlegen, das sich in einer Nano-Gelschicht befindet und den Wirkstoff regelmäßig abgibt.

Nano-Poren zum Kühlen
Der Leverkusener Multi will von den skandalträchtigen Produktions- und Vertriebsmethoden der Nahrungsmittel-Industrie profitieren. „Da der Weg von Lebensmitteln zum Verbraucher immer länger wird“, entwickelt BAYER einen Hartschaum aus Kunststoff, dessen Dämmleistung Nano-Poren verbessern sollen.

Nano-Kooperation mit TOYOTA
Nano-Teilchen können eine asbest-ähnliche Wirkung entfalten, zu den Zellkernen vordringen oder die Blut/Hirn-Schranke überwinden. Trotz dieser Risiken und Nebenwirkungen setzt der Leverkusener Multi auf die Technologie und organisiert den weltweiten Vertrieb seiner Produkte. So vermarktet das japanische Unternehmen TOYOTA BAYERs Nano-Röhrchen mit dem Produktnamen „BAYTUBES“ im asiatischen Raum.

AGRO & SPRIT

Agro-Sprit aus Holz und Stroh?
Der Leverkusener Multi forscht gemeinsam mit der Universität Gießen, dem Unternehmen EVONIC und der Fraunhofer-Gesellschaft daran, aus Stroh und Holz Agro-Sprit zu gewinnen. Zu diesem Zweck soll Ende 2012 in Sachsen-Anhalt eine Cellulose-Raffinerie entstehen.

Mehr Öl im Raps
Der Agrosprit-Boom nimmt immer mehr Ackerflächen in Anspruch und verdrängt so die Kulturpflanzen von den Feldern, weshalb die Preise für Nahrungsmittel steigen. Daran stört sich der Leverkusener Multi jedoch nicht. Er stellt sich stattdessen auf den Markt ein und kreiert Pflanzen, die sich besonders gut im Tank machen. So entwickelt er gemeinsam mit dem chinesischen „Oil Crops Research Institute“ eine Raps-Sorte, die viel Öl enthält. Im Zuckerrohr-Bereich läuft ein entsprechendes Projekt mit dem brasilianischen „Zentrum für Zuckerrohr-Technologie“. Und bereits im Angebot hat der Multi den öl-reichen Gentech-Raps INVIGOR.

CO & CO.

Wieder Erdabsenkungen
Immer wieder kommt es entlang der Trasse von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline zu Erdabsenkungen. In Erkrath und rund um Ratingen bildeten sich teilweise 80cm tiefe Krater. Der Bauherr WINGAS nennt die während der Bauarbeiten ausgehobene und wieder verfüllte Erde als Ursache für die Löcher, weil der Boden durch diesen Prozess an Festigkeit verliere. Der Leverkusener Multi hält das erneute Desaster für „einen normalen Vorgang beim Pipeline-Bau“ und „unbedenklich“. Die Bezirksregierung hingegen hat eine Untersuchung der Vorgänge angekündigt, um mögliche Sicherheitsrisiken für den Betrieb der Giftgas-Leitung aufzuspüren.

Mangelhafte Abdichtungen
Entlang der Strecke von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline ragt an der Bundesstraße 8 nahe des Landhauses Milser eine Messstation völlig ungeschützt aus dem Erdreich. Nach Ansicht von Erich Hennen, Sprecher der Duisburger BÜRGERINITIATIVE CONTRA PIPELINE, kann es dadurch zu Rost- oder anderen Korrosionsschäden kommen. Die mangelhafte Abdichtung der Enden des die Pipeline umgebenden Mantelrohres an gleicher Stelle kritisiert Hennen ebenfalls und fordert aus Sicherheitsgründen einen Aushub der Rohrleitung vom Landhaus bis zur Haltestelle Kesselberg.

Signalstörungen
Ein „klares Signal für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen“ wollten CDU und FDP Mitte November 2010 im Düsseldorfer Landtag hören. In ihrem Antrag forderten sie ein Bekenntnis zum Dattelner Kohlekraftwerk und zu BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline ein. Aber das bekamen sie nicht nur von SPD, Grünen und Linkspartei nicht, auch vier Mettmanner Abgeordnete aus den eigenen Reihen blieben stumm.

CO-Verhandlung im Mai
Vom 23. bis zum 27. Mai 2011 verhandelt das Düsseldorfer Verwaltungsgericht

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2010 Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Protest-Lauf von PRIMODOS-Opfern
Der hormonelle Schwangerschaftstest PRIMODOS der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Die Opfer des auch unter dem Namen DUOGYNON vermarkteten Produkts fordern den Konzern auf seinen Hauptversammlungen regelmäßig auf, Entschädigungen zu zahlen, aber der Leverkusener Multi weigert sich konsequent. In England nutzen die Geschädigten deshalb einen vom Pharma-Riesen gesponsorten 10-km-Langstreckenlauf, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Sie liefen mit, verteilten Flugblätter und hielten entlang der Strecke Pappen mit Aufschriften wie „Warum wurden wir als Versuchskaninchen benutzt?“ hoch. Zudem setzten sie den Schlusspunkt des Sport-Events. Der Aktivist Karl Murphy kam nämlich nach knapp zwei Stunden als Letzter ins Ziel. Zu dieser Zeit wollten die VeranstalterInnen eigentlich längst die Siegerehrung durchgeführt haben, aber nach Protesten der ZuschauerInnen mussten sie noch ein geschlagenes Stündchen auf Murphy warten.

Anfrage wg. DUOGYNON/PRIMODOS
Grüne Bundestagsabgeordnete haben in Kooperation mit der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und Geschädigten des Schwangerschaftstest PRIMODOS (s. o.) eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Diese hielt sich jedoch bedeckt. Die Regierungskoalition wusste nichts über die Verschreibungshäufigkeit und die Zahl der Geschädigten. Das aus dem Jahr 1980 stammende Urteil, die PRIMODOS-Opfer nicht zu entschädigen, mochte sie nicht kommentieren. Auch sahen sich CDU und FDP nicht in der Lage, Auskünfte über die Fakten-Grundlage der im Jahr 1975 getroffenen Entscheidung zu geben, PRIMODOS trotz bedenklichen Sicherheitsprofils nicht die Zulassung als Schwangerschaftstest zu entziehen.

Datenschützer für Offenlegung
Vor zwei Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. „Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“, jubilierte Innovationsminister Andreas Pinkwart damals. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und anderen Initiativen machte das eher Angst. Die Gruppen befürchteten eine Ausrichtung der Pharma-Forschung nach Profit-Vorgaben, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten sie eine Offenlegung des Vertrages. Das verweigerte die Universität aber mit Verweis auf das Forschungs- und Geschäftsgeheimnis. Die CBG schaltete daraufhin den nordrhein-westfälische Landesbeauftragten für Datenschutz ein, der das Begehr der Gruppen prüfte und für rechtmäßig erklärte. „Auf der Grundlage der mir vorliegenden Erkenntnisse gehe ich (...) von einem Informationszugangsanspruch aus“, heißt es in dem Schreiben. Die Kölner Hochschule nahm das jedoch nicht zum Anlass, ihre Position zu revidieren und blieb bei ihrer Verweigerungshaltung: „Der Rechtsansicht des Landesbeauftragten wird nicht gefolgt“. Unterdessen hat die CBG sich an die nordrhein-westfälische Forschungsministerin Svenja Schulze (SPD) gewandt und sie aufgefordert, „der Rechtsansicht der Landesbeauftragten“ Geltung zu verschaffen.

22.233 KraftwerksgegnerInnen
Im Frühjahr hatte TRIANEL offiziell den Genehmigungsantrag für das auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld geplante Kohlekraftwerk gestellt. Weil die Anlage auf einen Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen kommt und die Umwelt darüber hinaus mit Feinstaub, Schwermetallen und Radioaktivität belastet, erhoben über 22.000 Privatpersonen, Nachbarstädte und Initiativen, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, bei der Bezirksregierung Einspruch gegen das Projekt.

Einspruch gegen Antwerpener Kraftwerk
Gegen das vom Energie-Riesen E.ON auf dem Antwerpener Werksgelände von BAYER geplante Kohlekraftwerk haben GREENPEACE, der WWF und der niederländische Umweltverband BBLV wegen des zu erwartenden Ausstoßes von Kohlendioxid und anderen Stoffen offiziell Einspruch eingelegt.

Offener Brief wg. CO-Pipeline
Aus Protest gegen die von BAYER zwischen Dormagen und Krefeld geplante Kohlenmonoxid-Pipeline haben Kinder- und JugendmedizinerInnen aus der Region jetzt schon ihren zweiten Offenen Brief geschrieben, adressiert an BAYER, den Ministerpräsidenten, den Landtag und die Bezirksregierung. Bis auf eine Ausnahme unterzeichnete die komplette Innung, denn die ÄrztInnen sehen im Fall einer Leckage keine Rettungsmöglichkeiten. Gerade einmal zwei Sauerstoff-Überdruckkammern für die Behandlung von Vergifteten gebe es in ganz Nordrhein-Westfalen, kritisierten sie. Auch an dem Gefahrenabwehrplan ließen die Unterzeichner kein gutes Haar. „Es gibt nur eine einzige Prävention, und die ist, dass die Pipeline nicht in Betrieb gehen darf, so Dr. Martin Terhardt. BAYER hingegen blieb unbeeindruckt. Das Schreiben enthalte „mehrere längst widerlegte Behauptungen“, meinte der Konzern und schwelgte weiter in Pipeline-Poesie: „Für die CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen wurde ein Sicherheitskonzept entwickelt, das die bisherigen Standards und gesetzlichen Regelungen übertrifft. Im normalen Leitungsbetrieb ist ein Austreten von CO auszuschließen“.

Feuerwehr kritisiert CO-Pipeline
Die Feuerwehren in der Region sind nach Ansicht des Kreisbrandmeisters Friedrich-Ernst Martin nicht auf einen Pipeline-Unfall vorbereitet. So schaffen es ihre Spezialgeräte nur, die Feuerwehrleute 45 Minuten mit Sauerstoff versorgen. „Das ist viel zu wenig Zeit, um Menschenleben in einem großen Wohnhaus retten zu können“, so Martin. Auch an Spezialfahrzeugen, die es erlauben, direkt zum Ort des Gasaustritts vorzudringen, fehlt es seiner Meinung nach - und an Personal sowieso.

Steinbrück kritisiert CO-Pipeline
Der den Wahlkreis Mettmann im Bundestag vertretende Peer Steinbrück (SPD) hat BAYER scharf für die Unregelmäßigkeiten beim Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline kritisiert. „Wer eine gültige Planfeststellung so oft ändert oder jedenfalls nicht so erfüllt, wie er müsste, ist entweder verrückt oder allzu couragiert“, konstatierte der Ex-Finanzminister.

Quecksilber-Anfrage
BAYER gehört zu den letzten Konzernen, die ihre Chlor-Produktion so umstellen, dass dabei kein giftiges Quecksilber mehr anfällt (SWB 3/09). Was aber geschieht mit den Rückständen, immerhin mehrere 100 Tonnen? Das wollte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN von der Bezirksregierung wissen. Diese „dankt für Ihre kritischen und nachvollziehbaren Fragen“ und „versichert, dass diese im Rahmen der behördlichen Anlagen-Überwachung angemessene Berücksichtigung finden werden“. Antworten konnte die Bezirksregierung jedoch nicht geben. Wo das Quecksilber einmal landet, vermochte sie nicht zu sagen, da der Umbau noch bevorstehe. Immerhin ist Versorge für die Gesundheit der Beschäftigten getroffen: Sie müssen sich regelmäßigen Quecksilber-Tests unterziehen.

UN übt Konzern-Kritik
Die Vereinten Nationen werfen den großen Konzernen der Welt schwere Versäumnisse beim Umweltschutz vor. Allein die 3.000 wichtigsten Unternehmen sollen Umweltschäden von jährlich knapp zwei Billionen Euro verursachen; das Artensterben sei 100-mal schneller als es die Evolution vorgibt, so die UN. „Der Raubbau an der Natur durch die Wirtschaft setzt sich seit Jahren ungebremst fort. Das natürliche Kapital der Welt wird im großen Stil vernichtet“, konstatierte Achim Steiner, Leiter des UN-Umweltprogramms UNEP, in der Süddeutschen Zeitung und kritisierte: „In vielen Konzernen gilt noch immer die Devise: Natürliche Ressourcen sind unerschöpflich. Dabei müssen wir längst schmerzhaft spüren, dass das nicht mehr stimmt“. Steiner verlangte ein Einpreisen dieser negativen Ökobilanz in die Geschäftsbilanzen und forderte die Politik zum Umdenken auf. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN forderte allerdings auch ihn zum Umdenken auf, da seine Organisation mit einem der größten Übeltäter zusammenarbeitet. „Wir begrüßen die unmissverständlichen Aussagen von Achim Steiner zur mangelnden Verantwortung multinationaler Unternehmen. Die UNEP muss hieraus Konsequenzen ziehen und endlich die unselige Kooperation mit dem BAYER-Konzern beenden. BAYER als einer der größten Hersteller von Pestiziden und gentechnisch verändertem Saatgut gehört zu den Verursachern des Artensterbens“, heißt es in der Presseerklärung der CBG.

Persilschein für PONCHO & Co.
Pestizide gefährden das Leben von Bienen massiv. So hat BAYERs Saatgut-Beize PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin vor zwei Jahren ein Massensterben verursacht, weshalb in vielen Ländern Verbote erfolgten und hierzulande die Zulassung für Mais-Kulturen einstweilen ruht. Die Bundestagsfraktion der GRÜNEN hat diese „Risiken und Nebenwirkungen“ zum Anlass für eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung genommen. Die Partei wollte wissen, welche Maßnahmen CDU und FDP zum Schutz der Tiere vor BAYERs PONCHO und ELADO sowie anderen Ackergiften schon ergriffen haben und welche sie in Zukunft noch planen. Für eine spezielle Überwachung dieser Produkte sah die schwarz-gelbe Koalition jedoch keinen Anlass. Nach der Risiko-Bewertung der Mittel durch die Aufsichtsbehörde würden keine „Anhaltspunkte für eine Schädigung von Bienenvölkern vorliegen“, antworteten Merkel & Co.

Protest gegen Pestizid-Ausbringungen
Nicht nur die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung des Pestizid-Gebrauchs. Auch die Umstellung auf das Direktsaat-Verfahren, für das die LandwirtInnen den Boden nicht mehr umpflügen müssen, sorgt für mehr Agrochemie auf den Feldern - und damit auch für mehr Gesundheitsschädigungen. Viele Wirkstoffe, die auch Bestandteile von BAYER-Mitteln sind, haben daran einen Anteil, so etwa das in GLYPHOS und USTINEX G enthaltene Glyphosat. Im argentinischen San Jorge etwa häufen sich die Asthma- und Krebsfälle. Zudem leiden immer mehr Männer unter Unfruchtbarkeit. Viviana Peralta wollte das nicht länger hinnehmen. Sie startete eine Unterschriften-Kampagne, zog vor Gericht und erreichte einen Teilerfolg. Die RichterInnen untersagten eine großräumige Ausbringung der Ackergifte und ordneten die Einrichtung einer Schutzzone an.

Boykott des Runden Tisches
Beim „Runden Tisch zur Pflanzen-Genetik“, den Forschungsministerin Annette Schavan deckt, haben KritikerInnen nicht viel zu sagen. Da die Initiativen nicht länger als Feigenblatt dienen wollten, haben sie nach dem letzten Treffen im September 2009 einen neun Punkte umfassenden Anforderungskatalog zur Sicherheit der Risikotechnologie formuliert, an dem die Bundesregierung sich orientieren sollte. Diese war jedoch nicht dazu bereit, ernsthaft über eine systematische Erfassung der gesundheitlichen Risiken von Genpflanzen, die Untersuchung von Wechselwirkungen der Laborfrüchte mit Pestiziden und eine Standardisierung der Zulassungstests zu diskutieren. Deshalb sagten die im DEUTSCHEN NATURSCHUTZRING organisierten Verbände ihre Teilnahme am „Runden Tisch“ vom Juli 2010 ab.

Mediziner kritisiert Industrie-Einfluss
Der Hannoveraner Medizin-Professor Dr. med. Arnold Ganser hat bitter das Fehlen einer von Big Pharma unabhängigen Arzneimittel-Forschung beklagt. „Durch die Hürden der Gesetzgebung, die durch Druck von seiten der Industrie durchgedrückt worden ist, sind heutzutage Arzneimittel-Studien ohne Unterstützung der Pharma-Industrie kaum mehr möglich. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die zur Zulassung führenden und von der Pharma-Industrie üppig mit Geld unterstützten klinischen Studien nicht unbedingt das Optimum der therapeutischen Wirkung, sondern eher das Optimum des finanziellen Gewinns zum Ziel haben“, schreibt er in einem Leserbrief an die Faz. Im Interesse der „Gesundheit der Bürger“ fordert er deshalb die Politik auf, aktiv zu werden und den Einfluss von BAYER & Co. zu begrenzen.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifverträge für 56 %
Nur bei 56 Prozent aller BAYER-Belegschaftsangehörigen ist ihr Entgelt durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen gesichert. Für Beschäftigte in Europa beträgt die Quote 88 Prozent, in Lateinamerika/Afrika/Nahost 42 Prozent, in der Asien/Pazifik-Region 18 Prozent und in Nordamerika 14 Prozent.

PRONOVA schluckt DER PARTNER
Mitte 2007 schloss sich BAYERs Betriebskrankenkasse mit der FORTISNOVA BKK zur PRONOVA BKK zusammen. Seither schluckt sie kleinere Kassen. So verleibte die PRONOVA sich bereits FORD & RHEINLAND und GOETZE & PARTNER ein. Und im April 2010 folgte schließlich DER PARTNER. Mit nunmehr 660.000 Versicherten gehört BAYERs ehemalige Versorgungseinrichtung mittlerweile zu den 25 größten Krankenkassen der Bundesrepublik.

Wenning verdient 3,57 Millionen
Im Krisenjahr 2009 hat BAYER-Chef Werner Wenning mit 3,57 Millionen Euro 90.000 Euro weniger verdient als 2008.

Vorstandsvergütung nicht populär
Den BAYER-AktionärInnen sind die hohen Bezüge des Vorstands nicht ganz geheuer. Während die Hauptversammlungen der anderen 29 Dax-Unternehmen die Gehälter der Chef-Etagen mit Zustimmungsraten von bis zu 99,93 Prozent absegneten, votierten beim Leverkusener Multi lediglich 95,25 Prozent für die Millionen-Gagen. Nur sieben Konzerne erzielten noch schlechtere Ergebnisse.

Pharma-Umstrukturierungen
Wirtschaftskreise üben seit längerem Kritik an der angeblich immer noch nicht abgeschlossenen Integration des 2006 gekauften Pharma-Riesen SCHERING in den BAYER-Konzern und machen „Doppelstrukturen und überflüssige Hierarchie-Ebenen“ aus. Das veranlasste den Leverkusener Multi jetzt zu Umstrukturierungen. So hat er bei BAYER SCHERING PHARMA die Geschäftsfelder Spezialmedizin und Diagnostik sowie Frauengesundheit und Allgemeinmedizin zusammengelegt. Die neue Abteilung „BAYER Medical Care“ soll vor allem den Absatz von Blutzucker-Messgeräten befördern, bei denen BAYERs Marktanteile massiv eingebrochen waren. Mit „Innovationen“ wie dem DIDGET (siehe PROPAGANDA & MEDIEN), computer-kompatiblen Apparaturen und Technologie-Partnerschaften bei Diagnostika-Neuentwicklungen will das Unternehmen verlorenes Terrain zurückerobern. Zudem hat der Global Player als neue Pharma-Führungsebene ein „Executive Committee“ eingeführt, das vor allem im angelsächsischen Raum verbreitet ist. „Es trifft die wichtigsten Entscheidungen, braucht aber anders als der Vorstand nicht dem Aufsichtsrat Rede und Antwort stehen“, benennt die Financial Times Deutschland die „Vorteile“. Die Zeitung gibt sich damit allerdings nicht zufrieden und erwartet vom neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers eine umfassende Neu-Organisation der Sparte.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER & Co. bei Niebel
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel betrachtet das Ministerium nicht länger als „Weltsozialamt“, sondern als Wirtschaftsförderungsamt. Deshalb hat er im März den „Bundesverband der Deutschen Industrie“ zu einem Roundtable-Gespräch eingeladen. „Dies ist der Beginn eines fortlaufenden Dialogs mit der Wirtschaft“, erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp und ließ keinen Zweifel daran, dass sie BAYER & Co. für die wahren EntwicklungshelferInnen hält. „Das Know-How deutscher Unternehmen wird in vielen Entwicklungsländern dringend gebraucht“, so Kopp. Auch der „Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft“ durfte bei Niebel schon vorsprechen. Der „Verband entwicklungspolitischer deutscher Nichtregierungsorganisationen“ kritisierte diesen Politikwechsel. Er verlangte, sich auf die Grundbedürfnisse der Menschen in den armen Ländern nach einer ausreichenden Gesundheits- und Nahrungsmittelversorgung zu konzentrieren statt auf die Grundbedürfnisse der bundesdeutschen Wirtschaft.

Neues Lateinamerika-Konzept
Die schwarz-gelbe Koalition hat ein neues Lateinamerika-Konzept erstellt, das ganz auf die Bedürfnisse von BAYER & Co. zugeschnitten ist. „Die Bundesregierung unterstützt die deutsche Wirtschaft bei der Erschließung des Potenzials Lateinamerikas. Sie misst der Beteiligung der Wirtschaft bei der Auswahl und Definition der Maßnahmen eine zentrale Rolle zu“, heißt es in dem Text.

Proteste gegen „Maiz Solidario“
Das Entwicklungshilfe-Programm „Maiz Solidario“ will Millionen Kleinbauern und -bäuerinnen der Chiapas-Region in den Genuss der industriellen Landwirtschaft bringen. Aber diese können auf Ackergifte und auf hybrides, also nicht für die Wiederaussaat geeignetes Saatgut sowie auf Genpflanzen gut verzichten. Deshalb protestieren sie gegen den Anschluss an den Agro-Weltmarkt mit all seinen negativen Folgen für die Nahrungssouveränität, die Gesundheit und die Umwelt.

Millionengeschäft mit der UNFPA
In seinem Nachhaltigkeitsbericht verbucht der Leverkusener Multi seine Kooperation mit dem „UN Population Fund“ (UNFPA) als zivilgesellschaftliches Engagement. Die Zusammenarbeit dient aber ausschließlich dem Zweck, neue Absatzmöglichkeiten für seine Kontrazeptiva zu finden. Die UN handelt nämlich immer noch nach der vom ehemaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson formulierten Devise „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“ und verteilt unter den Armen der Welt Verhütungsmittel en masse. Deshalb hatte der seit 2006 zu BAYER gehörende SCHERING-Konzern schon früh entsprechende Kontakte geknüpft (SWB 4/06). Diese zahlen sich auch heute noch aus. Bei empfängnisverhütenden Mitteln steht der Pharma-Riese an der Spitze der UNFPA-Lieferliste; für 25 Millionen Dollar kauften die Vereinten Nationen 2009 in Leverkusen ein.

8.000 asiatische Versuchskaninchen
Der Leverkusener Multi verlegt immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Allein in Asien setzen sich zur Zeit 8.000 Personen den Risiken und Nebenwirkungen von neuen BAYER-Arzneien aus.

POLITIK & EINFLUSS

Pott Kölner Hochschulrats-Vorsitzender
Der Leverkusener Multi hat mit der Kölner Universität im Jahr 2008 eine umfangreiche Forschungskooperation im Medizin-Sektor vereinbart, über deren genaue Modalitäten sowohl Hochschule als auch BAYER jede Auskunft verweigern (siehe AKTION & KRITIK). Die fürsorgliche Belagerung der Bildungseinrichtung durch den Multi spiegelt sich auch auf der Verwaltungsebene wider. So hat der Konzern-Manager Richard Pott den Vorsitz des Hochschulrats übernommen.

Konzerne starten Energie-Kampagne
Auf großflächigen Anzeigen haben BAYER-Chef Werner Wenning, EON-Vorstand Johannes Teyssen, Josef Ackermann von der DEUTSCHEN BANK und über 30 andere Manager die Energiepolitik der Bundesregierung angegriffen. Sie kritisierten geplante Maßnahmen wie die Brennelemente-Steuer und die Streichung der Ökosteuer-Ausnahmeregelungen für energie-intensive Branchen wie die Chemie und verlangten ein Bekenntnis zu Atom- und Kohlekraftwerken. „Damit die Preise für alle bezahlbar bleiben, können wir bis auf Weiteres nicht auf kostengünstige Kohle und Kernenergie verzichten“, schreiben die Bosse. Hauptsache billig, meinen sie also und nennen das „Mut zum Realismus“. Bei Zuwiderhandlungen drohen die Millionäre wieder einmal mit Unbill für den Standort Deutschland. Ursprünglich drohte auch Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE mit. Aber dann fehlte sein Konterfei doch, wofür es unterschiedliche Erklärungen gibt. Laut Süddeutscher Zeitung hat der RWE-Vorstandsvorsitzende Jürgen Großmann den Gewerkschaftler ohne dessen Wissen zum Bundesgenossen gemacht und vom verdutzten ArbeiterInnen-Vertreter kurz vor Toresschluss eine Absage erhalten. Nach Informationen der Rheinischen Post hingegen zog Vassiliadis seine Unterschrift erst zurück, nachdem VERDI-Chef Frank Bsirske seine Teilnahme verweigert hatte, da der IG BCEler inner-gewerkschaftlichen Twist vermeiden wollte. Auch unter den Konzernen selber herrscht nicht immer solch eine traute Eintracht. So haben große Stromkunden wie BAYER wegen der hohen Abgabe-Preise immer wieder mit den Strom-Anbietern gehadert und sogar Anspruch auf Teile des Extra-Profites von 66 bis 84 Milliarden Euro erhoben, den die AKW-Laufzeitverlängerung RWE & Co. in die Kassen spült (Ticker 2-3/10).

BAYER & Co. gegen Finanzmarkt-Reformen
Auch BAYER nutzt die umstrittenen Instrumente, die der Finanzmarkt bietet. So hat der Konzern Geld in Derivaten angelegt, die eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber sind. Der Leverkusener Multi weist dabei das Motiv „Spekulation“ weit von sich. „Derivate Finanzinstrumente werden dabei fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktion abgeschlossen“, heißt es im Geschäftsbericht. Aber die Interessen der SpekulantInnen sind auch die Interessen BAYERs. Darum hat der Leverkusener Multi in Tateinheit mit BMW, DAIMLER, ROLLS ROYCE und anderen Unternehmen an die EU appelliert, den Derivate-Markt nicht zu regulieren. Die Konzerne rechnen damit, im Falle einer solchen Reform nicht mehr so schnell an Finanzierungsmöglichkeiten zu kommen wie ihre US-amerikanische Konkurrenz und befürchten Wettbewerbsnachteile. In ihrer Eingabe sprechen sie allerdings nicht nur pro domo, sondern haben das große Ganze im Blick und entwerfen ein Horrorszenario. „Statt die nächste Krise zu verhindern, könnten sie die nächste Krise auslösen“, mit diesen Worten warnen BAYER & Co. die EU-Kommission vor strengeren Finanzcasino-Spielregeln.

Aus für Ökosteuer-Ausnahmen?
Die strom-intensivsten Branchen wie z. B. die Chemie-Industrie müssen relativ gesehen am wenigsten Ökosteuer zahlen. Nach erfolgreichen Interventionen von BAYER & Co. hatte die rot-grüne Koalition ihnen 1999 bei der Verabschiedung des Gesetzes großzügige Ausnahmeregelungen eingeräumt, die den Konzerne bis zu neun Milliarden Euro ersparen. Diese Subventionen will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble jetzt um 2,5 Milliarden abbauen, was einen Sturm der Entrüstung auslöste. „Was da im Bundesfinanzministerium geplant wird, ist ein Anschlag auf Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze dieser Branchen“, sagte nicht etwa BAYER-Chef Werner Wenning, sondern Michael Vassiliades von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Aber selbstverständlich kritisierten auch Chemie-Bosse das „Gesetz zur Reduzierung der Subventionen der ökologischen Steuerreform“. Von „Gift für den Aufschwung“ sprachen sie - und werden sicherlich auch erhört werden.

CDU-Wirtschaftsrat für Sozialkürzungen
Der Wirtschaftsrat der CDU, bei dem Wolfgang Große Entrup genauso wie bei BAYER für die Umweltpolitik zuständig ist, hat massive Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich gefordert. Im Etat von Ursula von der Leyen sieht er ein Einsparpotenzial von 40 Milliarden Euro. Das Budget ihres Kollegen Philipp Rösler will das Gremium durch eine forciertere Abwicklung des paritätisch von Beschäftigten und Unternehmern finanzierten Krankenversicherungssystems und die Ausklammerung der Zahnbehandlungskosten aus dem Erstattungskatalog der Krankenkassen entlasten.

Obamas Klimaschutz-Politik scheitert
Barack Obama trat mit einer ehrgeizigen Klima-Politik an. So wollte er die US-amerikanischen Kohlendioxid-Emissionen gegenüber 2005 um 17 Prozent reduzieren und einen den Ausstoß senkenden Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten einführen. Aber BAYER & Co. liefen Sturm gegen die angeblich gerade in Krisenzeiten kontraproduktive „Klima-Steuer“ und setzten sich durch. Erst änderten die DemokratInnen ihren Gesetzes-Entwurf, strichen die Passagen über Kohlendioxid-Obergrenzen und den Emissionshandel, dann gaben sie das Projekt im Juli 2010 schließlich ganz auf. „Wir wissen, dass wir nicht genug Stimmen haben“, so Harry Reid, der Fraktionsvorsitzende der DemokratInnen im Senat, zur Begründung.

BDI gegen EU-Klimaschutzpläne
8,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat BAYER im Geschäftsjahr 2009 produziert. Um den Klimawandel nicht werter zu befördern, müsste der Konzern seinen Ausstoß drastisch reduzieren. Das jedoch lehnt er ab. In Tateinheit mit den anderen im „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) organisierten Unternehmen sprach sich der Leverkusener Multi gegen Pläne europäischer UmweltministerInnen aus, die Treibhausgas-Emissionen innerhalb der EU bis zum Jahr 2020 nicht mehr nur um 20 Prozent, sondern um 30 Prozent zu senken. „In Zeiten, in denen ganze Branchen schwerer zu kämpfen haben denn je zuvor, gefährdet jede zusätzliche Belastung den Aufschwung“, ließ der BDI verlauten.

BDI für Steuerentlastungspläne
Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) hat sich mit dem Steuerrecht befasst und nicht weniger als 170 Vereinfachungsvorschläge eruiert. Selbstverständlich geht es dabei überhaupt nicht um eine Senkung der Abgabe-Lasten, sondern nur um eine „Reduzierung unnötiger Bürokratie“. Als zu bürokratisch empfinden BAYER & Co. etwa die Steuern auf Verlagerungen von Betriebsteilen ins Ausland und das mit Steuer-Paradiesen wie Singapur vereinbarte Anrechnungsverfahren, das die dortigen Sätze auf das bundesdeutsche Niveau hebt (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

BAYER spendet an UN
Mit BAYER, DAIMLER/CHRYSLER, SHELL und 47 anderen Global Playern unterzeichnete UN-Generalsekretär Kofi Annan Ende Juli 2000 in New York den „Global Compact“, eine unverbindliche Vereinbarung zur Umsetzung internationaler Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards (Ticker 4/00). Im Gegenzug berechtigt die Unterschrift BAYER & Co., mit dem UN-Emblem für Konzern-Produkte zu werben. Das lassen die Unternehmen sich auch etwas kosten. 1,7 Millionen Dollar spendeten sie im Jahr 2009 dem „Global Compact“ für seine diversen Projekt. BAYER fand sich in der Gruppe der Konzerne, die 1.000 bis 5.000 Dollar gaben. Solch einen Wohltäter möchte die UN nicht verlieren. Während sie bereits 1.300 Firmen wegen Verstoßes gegen den Werte-Kanon ausschloss, weigert sie sich bisher standhaft, einer Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nachzugeben und dem Leverkusener Multi wegen des Störfalls in Institute und dem nachfolgenden desaströsen Katastrophen-Management die Rote Karte zu zeigen (Ticker 1/10).

Lobbyismus als Dienstleistung
In wichtigen Hauptstädten wie Berlin, Brüssel, Washington und Peking unterhält der Leverkusener Multi mittlerweile so genannte Verbindungsbüros. „Wir bei BAYER verstehen uns als Bestandteil der Gesellschaft und sehen es daher als unsere Pflicht, uns in die gesetzgeberischen Entscheidungsprozesse einzubringen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning zur Begründung. Und seine oberste Einbringerin in Berlin, Patricia Solaro, betrachtet sich nicht als schnöde Lobbyistin; ihrem Verständnis nach hat sie eine Service-Funktion. „Wir sind Dienstleister für die Politiker, das bedeutet, wir müssen komplexe Sachverhalte aus den Bereichen ‚Pharma‘, ‚Gesundheit‘ und ‚Chemie‘ verständlich darstellen“. Im Moment gibt die Dame den Abgeordneten Nachhilfe in „steuerlicher Forschungsförderung“ (s. u.), „Bildungsförderung“ und „Ordnungspolitik“.

BAYERs Beitrag
„Mit dem BAYER-Politikbrief ‚Beitrag‘ bringen wir unsere Expertise in die politische Debatte in Deutschland ein“, so charakterisiert der Leverkusener Multi Sinn und Zweck seiner neuen Publikation, die sich an „politische Entscheider auf Bundes- und Landesebene sowie Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“ wendet. Die neueste Ausgabe ist dem derzeitigen politischen Lieblingsthema des Konzerns, der steuerlichen Absetzbarkeit von Forschungsaufwendungen, gewidmet. BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke zeigt den PolitikerInnen dort auch gleich, wie es gehen kann, und „entwirft eine steuerliche Förderung für Deutschland“. Um seinen Worten Gehör zu verschaffen, hat der Konzern sich prominenten Beistandes versichert. Jürgen Mlynek von der Helmholtz-Gesellschaft, der österreichische Finanzminister Josef Pröll und Christof Ernst und Friedrich Heinemann vom „Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung“ unterstützten BAYERs dreistes Subventionsbegehr.

BAYERs Lobby-Akademie
2009 hat BAYER in Kooperation mit dem „European Training Institute“ die „Brussels Academy“ gegründet. Die Einrichtung hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Schulungskursen Lobby-Techniken zu vermitteln. Zudem will sie „die Lücke zwischen Unternehmen und der Zivilgesellschaft“ schließen und baut zu diesem Zweck Beziehungen mit Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und VerbraucherInnen-Organisationen auf. Der WORLD WILDLIFE FUND (WWF) ist dem Leverkusener Multi schon ins Netz gegangen und bereitet für den „Civil Society Council“ eine Diskussionsrunde zum Thema „Wissenschaft und Regulierungen“ vor.

Bund gründet Rohstoffagentur
Die Versorgung mit Öl und anderen zur Neige gehenden Rohstoffen bereitet BAYER & Co. zunehmend Sorge, weshalb ihr Druck auf die Politik zunimmt, die Ressourcen-Versorgung sicherzustellen (SWB 1/10). Um dies besser gewährleisten zu können, hat die Bundesregierung im Juni 2010 die „Deutsche Rohstoffagentur“ gegründet.

Tajani besucht BAYER
Der EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie, Antonio Tajani von Berlusconis rechtspopulistischem „Haus der Freiheiten“, besuchte im März 2010 den BAYER-Stammsitz Leverkusen. „BAYER macht in der Unternehmensphilosophie und in den Produkten ein starkes Engagement für Innovation und Nachhaltigkeit deutlich“, zeigte sich der Politiker beeindruckt. In Begleitung des alten BAYER-Bekannten Herbert Reul (CDU), der dem EU-Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie vorsitzt, erörterte Tajani mit Vorständler Wolfgang Plischke und anderen Managern Brüssels neue Industriepolitik-Strategie „Europa 2020“ sowie BAYERs Lieblingsthemen „Patentschutz“ und „Steuererleichterungen für Forschungsleistungen“.

Shouwen Wang besucht Chemie„park“
Im letzten Jahr haben die BAYER-Chemie„parks“ in Leverkusen, Dormagen und Krefeld ein Kooperationsabkommen mit einem chinesischen Pendant, dem „Nanjing Chemical Industry Park“ geschlossen und einen Informationsaustausch, gemeinsame Weiterbildungsaktivitäten sowie eine Überlassung von Beschäftigten vereinbart. Im Rahmen dieses „Joint Ventures“ besuchte der Nanjinger Bürgermeister Shouwen Wang im April 2010 mit zehn chinesischen Managern den Leverkusener Chemie„park“. Gastgeschenke wie Ansiedlungsversprechen chinesischer Betriebe hatte er allerdings nicht im Gepäck.

Schmitt im Dormagener Stadtrat
Bernhard Schmitt ist nicht nur der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von CURRENTA, dem Gemeinschaftsunternehmen von BAYER und seiner Chemie-Abspaltung LANXESS, er gehört auch dem Dormagener Stadtrat an und sitzt dort der SPD-Fraktion vor.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER sponsert Kindertheater-Projekt
Im Rahmen des „social sponsoring“ arbeitet der Leverkusener Multi seit längerem mit dem Kinderhilfswerk „Die Arche“ zusammen, das der evangelikalen „Deutschen Evangelischen Allianz“ angehört. Als neuestes Projekt fördert BAYER ein Theater-Angebot für 100 Kinder.

Biodiesel-PR in rumänischer Zeitung
Nicht nur die Sindelfinger Zeitung hat einen PR-Text von DAIMLER, der ein gemeinsam mit BAYER durchgeführtes Biodiesel-Projekt in den höchsten Tönen lobt, ohne Verweis auf die Quelle abgedruckt und ihm dadurch journalistische Weihen verliehen, was der Publikation dank der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eine Rüge des Presserates einbrachte (SWB 2-3/10). Auch das rumänische Blatt Curierul National hat sich für diese Schleichwerbung hergegeben.

500 Millionen Pfund für Pillenwerbung
Für Pillenwerbung in Europa, Asien und Lateinamerika gibt BAYER jährlich 500 Millionen Pfund aus. Die USA einbezogen, dürfte noch einmal ein erkleckliches Sümmchen dazukommen. Dort ist nämlich Reklame für verschreibungspflichtige Medikamente erlaubt.

BAYER VITAL stockt Werbeetat auf
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat im letzten Jahr nach Angaben des Fachmagazins Horizont 51,9 Millionen Euro für Reklame ausgegeben, fast 8,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Nur KLOSTERFRAU und BOEHRINGER INGELHEIM investierten mehr. TV-Werbung und Anzeigen in Publikumszeitschriften schlucken dabei den Löwen-Anteil des Etats. Immer größere Summen fließen jedoch ins Internet. Der Leverkusener Multi platziert fleißig Banner im Umfeld von Gesundheitswebseiten und sorgt dafür, dass GOOGLE vornehmlich BAYER findet. „Suchmaschinen-Marketing“ heißt das im Fachjargon.

Spielend den Blutzucker messen
BAYER will junge DiabetikerInnen mit dem Blutzucker-Messgerät DIDGET zur regelmäßigen Blutkontrolle anregen. Zu diesem Zweck enthält es ein extra für diese Altersgruppe unter den Blutzucker-Kranken entwickeltes Spiel, das NINTENDO-kompatibel ist und für gute Werte und regelmäßige Blutzucker-Checks Bonus-Punkte vergibt.

Ferien bei BAYER
Wenn das keine Alternative zu Sommer, Sonne & Strand ist: „Pünktlich zum Ferien-Start öffnet BAYER CROPSCIENCE für jugendliche Naturwissenschaftsfans sein Schülerlabor „Baylab Plants“, vermeldet die Rheinische Post. Und es haben sich wirklich ein paar Sonnen-AllergikerInnen gefunden, die es auch sonst nicht so mit der Natur haben und meinen, ihr auf die Sprünge helfen zu müssen, indem sie am Erbgut von Pflanzen herumdoktorn und etwa versuchen, Raps zu „verbessern“, damit er als Biokraftstoff besser in die Tanks passt. Über die Risiken und Nebenwirkungen des Agro-Sprits wie die Gefährdung der Ernährungssicherheit durch das Verdrängen von Anbaufläche für Nahrungsmittel-Grundstoffe erfuhren die SchülerInnen während ihrer „Betriebsferien“ natürlich nichts.

TIERE & ARZNEIEN

USA schränken Antibiotika-Gaben ein
BAYERs Geschäft mit dem Tier-Antibiotikum BAYTRIL (Wirkstoff: Fluorchinolon) läuft prächtig. Die ZüchterInnen verabreichen es ihrem Vieh nämlich nicht nur im Krankheitsfall, sondern routinemäßig zur Mast. Die massenhafte Gabe von Antibiotika in der Massentierhaltung birgt allerdings große Gefahren, denn Krankheitskeime können Resistenzen gegen die Mittel ausbilden und - wenn sie in den Nahrungskreislauf gelangen - z. B. schwere Magen/Darm-Infektionen auslösen, gegen die Human-Antibiotika auf Fluorchinolon-Basis wie BAYERs CIPROBAY dann machtlos sind. Aus diesem Grund hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde jetzt die Empfehlung ausgesprochen, BAYTRIL & Co. nur noch bei Gesundheitsschädigungen zu verabreichen.

DRUGS & PILLS

140 YASMIN-Tote
Nach Recherchen des schweizer TV-Magazins 10vor10 hat BAYERs Antibaby-Pille YASMIN in den USA den Tod von 140 Frauen verursacht; YAZ ist für weitere 50 Sterbefälle verantwortlich. 10.000 Spontanmeldungen über unerwünschte Nebenwirkungen von Kontrazeptiva gingen bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA binnen der letzten zehn Jahre ein. In der Bundesrepublik starben alleine im letzten Jahr fünf Personen an den Nebenwirkungen von BAYERs Verhütungsmitteln. Für die Pharma-Riesen ist das kein Grund zur Beunruhigung. Spontanmeldungen hätten keine Aussagekraft, wenn es um das Risiko eines Medikamentes ginge, wiegelten die Pillen-Produzenten gegenüber 10vor10 ab und hielten weiter am positiven Nutzen/Risiko-Profil ihrer Produkte fest.

YAZ gegen Regelschmerzen
Ungeachtet der schweren Nebenwirkungen von YASMIN und YAZ (s. o.) sucht BAYER neue Anwendungsmöglichkeiten für die Pillen, da ihr Patent ausgelaufen ist und Nachahmer-Präparate auf den Markt drängen. So hat der Leverkusener Multi in Japan eine Zulassung für YAZ als Mittel zur Behandlung von Regelschmerzen erhalten.

Krebs durch KINZAL?
BAYERs KINZAL (Wirkstoff: Telmisartan) und andere Bluthochdruck-Medikamente aus der Gruppe der Angiotensin-Antagonisten können das Krebsrisiko erhöhen. Das ergab eine Studien-Auswertung der „Case Western Reserve University“ unter Leitung von Ilke Sipahi. Bei ProbandInnen, die Angiotensin-Antagonisten einnahmen, bildeten sich deutlich mehr Tumore heraus als bei Testpersonen, die Betablocker, ACE-Hemmer oder Placebos schluckten. „Als beunruhigend und provokativ“, bezeichnete der Kardiologe Steven Nissen von der „Cleveland Clinic“ die Ergebnisse. Er vermutet, dass diese „Nebenwirkung“ schon in den Klinischen Prüfungen auftrat und fordert BAYER & Co. auf, die entsprechenden Unterlagen öffentlich zu machen.

Gelenk-Probleme durch ADALAT
Blutdruck-Senker aus der Gruppe der Kalzium-Antagonisten wie die BAYER-Mittel ADALAT und BAYMYCARD führen zu Wasserablagerungen und können so - trotz parallel eingenommener Entwässerungsmittel - Arthrosen in den Gelenken verschlimmern und die Herausbildung von offenen Stellen im Knöchelbereich befördern.

XARELTO bei Thrombosen?
Während die US-Behörden immer noch zögern, dem BAYER-Medikament XARELTO die Genehmigung zu erteilen, weil von ihm ein erhöhtes Risiko für Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden ausgeht und seine Langzeitwirkung nicht geklärt ist, gab die EU bereits 2009 grünes Licht. Sie ließ die Arznei mit dem Wirkstoff Rivaroxaban zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zu. Das reicht dem Leverkusener Multi jedoch nicht. Er möchte das Mittel nur allzu gerne als allgemeines Thrombose-Therapeutikum einsetzen und führt auch entsprechende Versuche durch. Im August vermeldete der Konzern einen durchschlagenden Erfolg, woraufhin der Unternehmenswert an den Börse gleich um zwei Milliarden Euro auf 40 Milliarden Euro stieg. Bei Licht besehen bleibt von dem blendenden Resultat allerdings nicht viel übrig, denn die Latte hing nicht sehr hoch. Die Studie war laut BAYER nämlich nur darauf ausgelegt, „bei mehr als 3.400 teilnehmenden Patienten nachzuweisen, dass Rivaroxaban der Vergleichsmedikation nicht unterlegen ist“. Dieses Klassenziel hat XARELTO erreicht, weshalb auf die Krankenkassen in Kürze wieder ein klassisches „Me too“-Produkt zukommen dürfte.

Kein ASPIRIN bei Hautkrebs
Nach einer Studie des australischen „Queensland Institute of Medical Research“ von 2006 senkt BAYERs ASPIRIN die Gefahr, an Hautkrebs zu erkranken. Eine neue Untersuchung, welche die Fachzeitschrift Archives of Dermatology veröffentlichte, bestätigte diesen Befund allerdings nicht. Sie konnte keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme von ASPIRIN und einem verminderten Hautkrebs-Risiko erkennen.

Starke VIADUR-Nebenwirkungen
Mehrere Studien haben gefährliche Nebenwirkungen von BAYERs VIADUR und anderen Medikamenten zur Prostatakrebs-Behandlung festgestellt, die mittels Hormonen für eine Schrumpfung der Prostata-Drüse sorgen. Den WissenschaftlerInnen zufolge führten diese Arzneien zu Todesfällen, Herzinfarkten, Schlaganfällen oder Diabetes. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA kündigte daraufhin genauere Untersuchungen an.

Warnung vor Testosteron-Pillen
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen, obwohl die Testosteron-Werte von Männern ab 40 nur um ein bis zwei Prozent pro Jahr sinken. Das englische Fachmagazin Drug and Therapeutics Bulletin hat MedizinerInnen jetzt eindringlich davor gewarnt, sich in die Werbe-Maßnahmen einbinden zu lassen. Wegen Nebenwirkungen wie Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen oder Brust-Wachstum riet die Publikation zu äußerster Vorsicht beim Verschreiben der Mittel.

BAYER & Co. bezahlen ÄrztInnen
Nach einer Umfrage der Universität Mainz unter ÄrztInnen erhielt im Jahr 2007 jeder zweite der Befragten Zahlungen von der Pharma-Industrie. BAYER & Co. honorierten vor allem die als Wissenschaft getarnten Anwendungsbeobachtungen von Medikamenten, die nur dem Zweck dienen, die PatientInnen auf das getestete Präparat umzustellen. Aber auch für BeraterInnen-Tätigkeiten, Vorträge oder Aufsätze in Fachzeitschriften investierten die Konzerne Geld.

Russland reguliert Pharma-Markt
BAYER ist die Nummer fünf auf dem russischen Pharma-Markt. In Zukunft dürfte der Rubel aber nicht mehr so rollen. Die Regierung will nämlich die Preise regulieren und dabei den einheimischen Pillen-Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Den Global Playern bleibt also nur, künftig vor Ort zu produzieren oder aber Allianzen mit russischen Firmen einzugehen.

Chinas Pharma-Markt wächst
China eifert den USA nach und integriert mehr Menschen in das Krankenversicherungssystem. Dem Leverkusener Multi wachsen so 200 Millionen neue KundInnen zu, die der Konzern binnen der nächsten fünf Jahre mit 20 neuen Arzneien begrüßen will. Der Chef von BAYERs chinesischer Pharma-Sparte, Chris Lee, rechnet mit einem Pillen-Markt, dessen Volumen sich von heute bis zum Jahr 2020 fast um das Zehnfache auf 220 Milliarden Dollar vergrößern wird.

Indiens Pharma-Markt wächst
Der Leverkusener Multi rechnet mit stark wachsenden Pillen-Umsätzen in Indien. Bei Steigerungsraten von jährlich 14 Prozent prognostiziert der Konzern für 2012 ein Markt-Volumen von 82 Milliarden Dollar (2007: 42 Milliarden). Darum hält er nach günstigen Zukäufen Ausschau und verdreifacht die Zahl seiner Pharma-ReferentInnen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endgültiges Aus für Tolylfluanid
Vor drei Jahren hatte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Zulassung für BAYERs Pestizid-Wirkstoff Tolylfluanid ausgesetzt, den der Agro-Riese unter den Produkt-Namen EUPAREN M WG, FOLICUR EM und MELODY MULTI vermarktet (Ticker 2/07), da die Substanz bei der Trinkwasser-Aufbereitung ultragiftige Stoffe bilden kann. Benutzen die Wasserwerke bei der Reinigung nämlich Ozon, so kann es mit einem Abbauprodukt von Tolylfluanid reagieren und auf diesem Weg das gesundheitsgefährdende Nitrosamin produzieren. Diese Sachlage bewog die EU jetzt, die Agro-Chemikalie ganz zu verbieten.

Aldicarb raus aus USA
Das BAYER-Pestizid Aldicarb, vermarktet unter dem Namen TEMIK, gehört als Organophosphat zur Gefahrenklasse 1a - und damit zur höchsten. Die EU hat das Ackergift deshalb schon im Jahr 2007 aus dem Verkehr gezogen, wogegen der Leverkusener Multi sich mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA sieht jetzt ebenfalls Handlungsbedarf, weil die Agro-Chemikalie die Lebensmittel-Sicherheit gefährdet. Sie gewährte dem Agro-Riesen jedoch noch eine Gnadenfrist bis Ende 2014.

Alt-Pestizide in Nepal
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Agro-Multis - gefördert von „Entwicklungshilfe“-Programmen - „Drittweltländer“ großzügig mit Ackergiften versorgt. Die Folge: Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation der UN lagern dort über eine halbe Million Tonnen Alt-Pestizide, schlecht gesichert in lecken Behältern, zerrissenen Tüten und geplatzten Säcken. Altlasten made by BAYER sind nach GREENPEACE-Angaben in rund 20 Ländern vertreten. Unter anderem auch in Nepal. Vor neun Jahren begann die Umweltorganisation dort, Bestände zu sichern (SWB 4/01). Methyl Parathion, Solbar und Quecksilberchlorid aus den Werken des Leverkusener Multis verpackten die Umweltschützer zusammen mit Ackergiften anderer Firmen transportfertig in Spezialfässer. Aber immer noch ticken in dem Land chemische Zeitbomben. Im Moment setzt gerade die Asien-Sektion des PESTIZID-AKTIONS-NETZWERKs (PAN) die Arbeit von GREENPEACE fort und füllt Agro-Chemikalien von BAYER & Co. in dickwandige Behältnisse um.

Weniger Pestizide verkauft
Im Jahr 2009 schlug die Wirtschaftskrise auch auf den Pestizid-Markt durch, der um ca. zehn Prozent auf 37,7 Milliarden Dollar schrumpfte. Die Erlöse von BAYER CROPSCIENCE vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen gingen deshalb um 5,9 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro zurück.

GAUCHO & Co. noch gefährlicher
Eine Untersuchung des niederländischen Toxikologen Dr. Henk Tennekes stellt den beiden Pestizid-Wirkstoffen Imidacloprid (enthalten in BAYERs GAUCHO) und Thiacloprid (Produktname: PROTEUS) ein noch schlechteres Gesundheitszeugnis aus als frühere Studien. „Das Risiko von Pestiziden wie Imidacloprid und Thiacloprid wird wahrscheinlich enorm unterschätzt, besonders für Wasserlebewesen und Bodenorganismen. Die bislang gültigen Grenzwerte wurden weitgehend aus Kurzzeit-Tests abgeleitet. Würde man Langzeit-Versuche durchführen, könnten schon bei wesentlich geringeren Konzentrationen verheerende Schäden auftreten. Damit kann erklärt werden, wieso schon geringe Mengen Imidacloprid längerfristig Bienensterben verursachen können“, so der Wissenschaftler. Der Wissenschaftler zeigte sich äußerst besorgt über die hohen Ackergift-Konzentrationen in Oberflächen-Gewässern. So ergaben Messungen der niederländischen Umweltbehörde Imidacloprid-Belastungen weit oberhalb des EU-Grenzwertes für Trinkwasser von 0,1 µg/l pro Liter (µg/l): Bis zu 320 Mikrogramm pro Liter wiesen die BeamtInnen nach.

BAYER kritisiert Pestizid-Gesetz
Im Jahr 2009 hat die EU eine strengere Pestizid-Verordnung verabschiedet. Nach der neuen Regelung erhalten mit Glufosinat, Carbendazim, Mancozeb, Tebuconazole, Bifenthrin und Thiacloprid sechs Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, keine Zulassung mehr. Der Leverkusener Multi ist darüber not amused. Er wirft der Europäischen Union eine „Überinterpretation des Vorsorge-Prinzips“ vor und sieht die Produktivität der Landwirtschaft wegen angeblichen Giftmangels schwinden.

Krebs durch BAYGON
In der Chiapas-Region hat die indigene Bevölkerung 2004 BAYERs Agrochemikalie BAYGON (Wirkstoff: Lindan) dazu benutzt, um die Kopfläuse ihrer Kinder zu behandeln, was zu einer deutlich gestiegenen Krebsrate geführt hat.

Bauernsterben durch Endosulfan
Jahrelang hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im letzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09). Aber vorher gab es noch einmal eine Überdosis Chemie. Das Unternehmen warf alle Restbestände auf den Markt, was zu hohen Belastungen führte. Besonders hart traf es brasilianische Bio-LandwirtInnen. Ihre Soja-Ernte weist so große Endosulfan-Rückstände auf, dass sie unverkäuflich ist. 300 Bauern und Bäuerinnen droht deshalb die Pleite.

Moskito-Netze mit Deltamethrin
BAYER hat Moskito-Netze entwickelt, in deren Fasern der Pestizid-Wirkstoff Deltamethrin eingearbeitet ist. Das soll die Mücken, die Malaria übertragen, unschädlich machen. Allerdings bergen die „Life-Nets“ mit ihrem nicht abgeschirmten textilen Gift-Reservoir auch selber Gesundheitsgefahren, besonders für Kinder.

Pyrethroide im Blut
Eine neue US-amerikanische Untersuchung stellte eine hohe Belastung der Bevölkerung durch Insektizide auf Pyrethroid-Basis fest. So fanden sich in 70 Prozent der Urin-Proben Spuren von Mitteln wie BAYERs BAYTHROID oder BULLDOCK; bei Kindern waren die Konzentrationen besonders hoch. Welche Gesundheitsgefahr von den Stoffen ausgeht, legte 2008 eine Studie der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA dar (Ticker 3/08). Die Expertise machte die Pyrethroide für 20 Todesfälle und 22.500 zum Teil schwerwiegende Vergiftungen zwischen 1997 und 2007 verantwortlich.

ADHS durch Pestizide?
Eine neue Untersuchung von Maryse F. Bouchard und anderen ForscherInnen hat einen Zusammenhang zwischen erhöhter Pestizid-Belastung und der Anfälligkeit für die Aufmerksamkeitsdefizit-Störung ADHS festgestellt. So erhöht sich für Kinder mit auffälligen Agrochemie-Konzentrationen im Urin die Gefahr, an ADHS zu erkranken, um mehr als 50 Prozent.

Chlorpyrifos-Belastungen in Ägypten
Pestizide sind Nervengifte und können deshalb neurologische Gesundheitsschäden verursachen. Solche weisen nach einer neuen Untersuchung Beschäftigte im ägyptischen Baumwollanbau auf. Die ForscherInnen führten das auf den Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos zurück, der auch in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER enthalten ist. Die Chlorpyrifos-Werte der LandarbeiterInnen überschritten die Hintergrund-Belastung der US-Bevölkerung um das 1.300fache.

GENE & KLONE

LIBERTY ist überall
BAYERs genmanipulierter Raps LIBERTY LINK, der gegen das Unkrautmittel Glufusinat immun ist, hat sich in den USA weitflächig ausgekreuzt. An Straßenrändern weitab von den Gentech-Feldern untersuchten ForscherInnen 406 wild wachsende Rapspflanzen, und in nicht weniger als 347 von ihnen stießen sie auf Resistenzen gegen Glufosinat und/oder MONSANTOs Glyphosat. Vor solch einer unkontrollierten Ausbreitung hatten Gentechnik-GegnerInnen immer wieder gewarnt, aber Wirtschaft und Politik blieben tatenlos.

Kein Genreis in Brasilien
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung vorlag. Damit verursachte der Leverkusener Multi den größten Gen-Gau der Nuller-Jahre. Trotzdem hält er unverdrossen an seinem Labor-Reis fest. In Brasilien musste der Konzern sich jetzt aber dem Widerstand von LandwirtInnen, VerbraucherInnen und UmweltschützerInnen beugen: Er zog wegen der „Notwendigkeit, den Dialog mit den Hauptbeteiligten der Reis-Produktionslinie in Brasilien zu erweitern“ den Genehmigungsantrag für die gegen das hochgefährliche Herbizid Glufosinat (Produktname: LIBERTY) resistente Sorte „LL62“ vorerst zurück.

Abkommen mit SYNGENTA
Der Leverkusener Multi kann seine Baumwoll-Pflanzen bald mit neuen Genen bestücken. Er hat von SYNGENTA eine Lizenz zur Nutzung zweier Proteine erworben, die gegen den Baumwollkapselbohrer und die Tabakknospen-Eule wirken sollen.

Mehr Schadinsekten durch Bt-Pflanzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis ein, um Schadinsekten zur Strecke zu bringen. Nach einer Langzeit-Studie chinesischer WissenschaftlerInnen sieht die Bilanz allerdings nicht so gut aus. Die ForscherInnen untersuchten Felder mit Bt-Baumwolle und stellten zwar eine abnehmende Zahl von Maiszünslern fest, dafür aber eine Zunahme von Weichwanzen und anderen Organismen.

Gen-Versuche im Müritzkreis
Im Müritzkreis, wo jetzt Freisetzungsversuche mit der BASF-Kartoffel AMFLORA stattfinden, haben nach Informationen der BI MÜRITZREGION - GENTECHNIKFREI WissenschaftlerInnen in der Vergangenheit auch gentechnisch manipulierte Raps- und Kartoffelsorten von BAYER getestet.

Kein NEXAVAR bei Lungenkrebs
BAYERs extrem teure und das Leben von Nieren- und Leberkrebs-PatientInnen nur minimal verlängernde Gentech-Arznei NEXAVAR (siehe auch SWB 4/10) scheitert bei immer mehr Versuchen, das Anwendungsspektrum zu erweitern. Nach negativ verlaufenden Tests bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs kam jetzt auch das Aus bei Lungenkrebs.

WASSER, BODEN & LUFT

Pestizide belasten Gewässer
Dem Bewirtschaftungsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für seine Gewässer zufolge belasten Pestizide die Flüsse immer noch massiv. Zahlreiche Pestizid-Wirkstoffe, die auch in BAYER-Ackergiften enthalten und teilweise gar nicht mehr zugelassen sind, verletzten die Umweltqualitätsnorm. So überschritten die Werte für Endosulfan, Diuron, Dichlorprop, Fenthion, MCPA, Mecoprop, Diazinon und Glyphosat mehrmals im Jahr das Limit. Diese Belastungssituation entspricht nicht den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Deshalb will die Politik auch auf Zeit spielen und die Umsetzung verzögern. „Viele Maßnahmenträger haben bei genereller Zustimmung zu den Bewirtschaftungszielen Finanzierungs - und Planungsvorbehalte vorgetragen“, heißt es in dem noch von Umweltminister Eckhard Uhlenberg verantworteten Bericht, weshalb „Fristverlängerungen vorgesehen sind“.

Bisphenol A belastet den Rhein
BAYER ist einer der größter Hersteller der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, die unter anderem in Baby-Flaschen und Konservendosen Verwendung findet und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe SWB 4/10). Zu allem Unglück verunreinigt die Substanz laut Bewirtschaftungsbericht des NRW-Umweltministeriums auch den Rhein, wobei die Konzentration an mehreren Messstellen sogar die Orientierungswerte - Grenzwerte gibt es für den Stoff nicht - überschritten hat.

Jede Menge Kohle
Bei der Strom-Gewinnung setzt BAYER immer noch sehr stark auf die klima-schädliche Kohlekraft. An der Gesamtsumme der erzeugten Energie von 48.124 Terajoule hatte die Steinzeit-Technologie 2009 mit 17.000 Terajoule hinter Erdgas mit 29.400 Terajoule den größten Anteil.

8,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid
Trotz markanter Produktionsdrosselungen infolge der Wirtschaftskrise hat BAYER 2009 den Kohlendioxid-Ausstoß kaum minimieren können. Er betrug 8,1 Millionen Tonnen und sank damit gegenüber dem Vorjahr nur um 0,56 Millionen Tonnen. Mit 4,83 Millionen Tonnen hatte BAYER MATERIAL SCIENCE den größten Anteil daran.

Antwerpen: Anhörung wg. Kraftwerk
Der Energie-Riese E.ON will auf dem Antwerpener Werksgelände von BAYER das größte Kohlekraftwerk der Benelux-Staaten errichten. Der Rat der Stadt hatte sich wegen der Emission klimaschädlicher Gase und gesundheitsgefährdender Stoffe allerdings gegen das Mammutprojekt ausgesprochen. Darum kam es jetzt zu einer Anhörung. Dabei hat E.ON zwar angeboten, den avisierten CO2-Ausstoß in Höhe von sechs Millionen Tonnen etwas zu drosseln, das Projekt aber für unabdingbar erklärt, weil sonst das BAYER-Werk in seinem Bestand gefährdet wäre. Eine solche Horrorvision entwarf Konzern-Chef Werner Wenning auf der letzten Hauptversammlung im April 2010 nicht. Seiner Ansicht nach fällt das Bau-Vorhaben von E.ON nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Zudem deutete das Unternehmen an, zur Not auch mit einem umweltfreundlichen Gas/Dampf-Kraftwerk leben zu können.

Kraftwerk: Dachau beteiligt sich nicht
Hinter TRIANEL, dem Bauherrn des auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld geplanten Kohlekraftwerkes, stehen 47 Stadtwerke aus der Bundesrepublik, der Schweiz und Österreich. Im Falle des am Standort des Global Players anvisierten Projektes allerdings nicht so ganz. In Dachau hat ein Bürgerentscheid sich nämlich gegen die Beteiligung der örtlichen Stadtwerke an dem Bau ausgesprochen, woraufhin diese den Vertrag mit TRIANEL kündigten.

Modernes Kraftwerk in Leverkusen
Auch am BAYER-Standort Leverkusen stand kurz die Errichtung eines Kohlekraftwerks zur Diskussion. Der Multi hat sich jedoch eines Besseren belehren lassen und baut jetzt ein umweltschonendes Gas/Dampf-Kraftwerk. Warum nicht gleich so, und warum nicht auch woanders?

BAYER produziert mehr FCKW
2009 stieg bei BAYER die Produktion von FCKW und anderen ozon-abbauenden Stoffen um zwei Prozent auf 17,5 Tonnen. Abermals trägt die Hauptverantwortung dafür das Werk im indischen Vapi. Dessen bereits 2008 angekündigte Modernisierung will der Leverkusener Multi nun stufenweise durchführen und bis 2015 beendet haben.

Weniger Stickstoffoxid-Emissionen
Im Jahr 2009 hat BAYER mit 3,5 Tonnen 400 Kilogramm weniger Stickstoffoxid in die Luft geblasen als im Vorjahr. Die Werte für Kohlenmonoxid gingen um 300 Kilogramm auf 1,4 Tonnen zurück und die für Schwefeloxide um 400 Kilogramm auf 2,8 Tonnen. Die Feinstaub-Emissionen verharrten dagegen unverändert bei 200 Kilogramm.

Wasser-Belastung konstant hoch
Nur „konjunkturell bedingt“ sank dem Leverkusener Multi zufolge die Wasser-Belastung durch seine Werke im Jahr 2009 etwas. Diese leiteten 726 Tonnen anorganischer Salze in die Flüsse ein (2008: 812 Tonnen), 1,35 Tonnen Kohlenstoff (2008: 1,59 Tonnen), 740 Kilogramm Phosphor (2008: 780 Kilogramm), 640 Kilogramm Stickstoff (2008: 670 Kilogramm) und neun Kilogramm Schwermetall (2008: 10,4 Kilogramm).

Weniger, aber gefährlicherer Abfall
Im Jahr 2009 hat der Leverkusener Multi 914.000 Tonnen Abfall produziert, 163.000 Tonnen weniger als 2008. Dafür stieg aber der Anteil gefährlicher Hinterlassenschaften von 365.000 auf 375.000 Tonnen. Das Ziel, die Menge der gesundheitsschädlichen Rückstände auf 2,5 Prozent pro Tonne Verkaufsprodukt zu senken, hat der Leverkusener Multi damit verfehlt. Er macht dafür den 2006 erfolgten Erwerb von SCHERING, die ausgeweitete Pestizid-Produktion sowie - paradoxerweise - den Mengenrückgang bei der Kunststoff-Herstellung verantwortlich, der laut BAYER „das Verhältnis von gefährlichem Abfall zur Produktionsmenge weiter verschlechtert hat“.

CO & CO.

Kontroverse um Alarmplan
Das „Worst Case Scenario“ des Leverkusener Multis für einen Pipeline-Unfall stößt auf große Kritik (Ticker 2/3-10). René Schubert von der Ratinger Feuerwehr etwa prangerte die mangelhafte Ausstattung der Schieberstationen an, so habe das Unternehmen aus Kostengründen auf die Installation von Windmessern verzichtet, weshalb die Feuerwehr bei einem GAU auf den Wetterdienst angewiesen sei. Zudem kalkulierten die Hochrechnungen zum möglichen Umfang eines Gas-Austrittes extreme Wetterlagen nicht ein, so Schubert. Dieses monierte auch der Kreis Mettmann. Zudem sahen die Verantwortlichen nicht ein, warum von einem Zwischenfall zunächst BAYER und dann erst die betroffenen Regionen erfahren sollen. Den Regierungspräsident Jürgen Büssow störten die Bedenken nicht weiter. Er erklärte die Arbeit an dem Gefahrenabwehrplan kurzerhand für beendet. Nur eine Abstimmung der Landkreise mit der Bezirksregierung sei zu seiner Absegnung erforderlich, nicht aber ihre Zustimmung, stellte Büssow klar. Erst nach massiven Protesten an seiner gutsherrlichen Art bequemte er sich dazu, den Mettmanner Landrat Thomas Hendele noch einmal zu einem Meinungsaustausch zu treffen.

Vassiliadis für CO-Pipeline
Michael Vassiliadis, Chef der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE, hat sich die Argumente BAYERs in Sachen „Kohlenmonoxid-Pipeline“ zu Eigen gemacht und warnt vor einem Scheitern des Projektes. „Das würde die Attraktivität des Standortes deutlich verringern. Zug um Zug würden Produktionsanlagen unter Druck geraten und irgendwann verlagert“, drohte er in einem Interview mit der Rheinischen Post.

Treffen mit BAYER ohne Ergebnis
Anfang Juni 2010 haben sich VertreterInnen von Anti-Pipeline-Initiativen mit Emissären von BAYER getroffen. Zu einem konkreten Ergebnis führten die Gespräche allerdings nicht. „In den grundsätzlichen Fragen und in der Bewertung von Alternativen konnte keine Annäherung erreicht werden“, erklärte der Leverkusener Multi nach dem Meeting.

NANO & CO.

Bezirksregierung antwortet
BAYER betreibt in Leverkusen und in Laufenburg Versuchsanlagen zur Fertigung von Nano-Kohlenstoffröhrchen. Die Winzlinge können ungeahnte Folgen für Mensch, Tier und Umwelt haben. So gibt es beispielsweise Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung. Trotzdem haben die Verantwortlichen die Fertigungsstätten mit der Begründung, es handele sich nur um Test-Betriebe, in vereinfachten Verfahren ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen genehmigt. Ein bereits abgeschlossener Liefervertrag mit der HIRTENBERGER PROSAFE SAFETY TECHNOLOGY GmbH und Aussagen von BAYER wie „Durch die Inbetriebnahme der weltgrößten Pilotanlage für BAYTUBES mit einer Kapazität von 200 Jahrestonnen kommt BAYER MATERIAL SCIENCE der großen Nachfrage einen erheblichen Schritt entgegen“, wecken allerdings Zweifel am Status der Fabriken. Und die Antwort der Kölner Bezirksregierung auf eine entsprechende Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) vermochte diese auch nicht auszuräumen. Die Behörde schrieb zum Laufenburger Werk nämlich: „Nach Mitteilungen des Regierungspräsidiums Freiburg und der Fa. HC STARCK werden die in der CNT-Versuchsanlage seit 2007 bis heute hergestellten Carbon-Nanotubes (...) für Anwendungstests an Dritte veräußert“.

USA genehmigen BAYTUBES
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA hat BAYER eine Genehmigung zur Vermarktung seiner Nano-Röhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES (s.o.) erteilt, obwohl von den Winzlingen erhebliche Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen können.

BAYTUBES in Flugzeugen
Obwohl BAYER seine BAYTUBES noch gar nicht vermarkten darf (s.o.), häufen sich die Meldungen über Geschäftsabschlüsse. So wurde der Leverkusener Multi mit SOLAR IMPULSE handelseinig und rüstet den Akku eines per Sonnenenergie betriebenen Flugzeugs mit Nano-Röhrchen aus.

PLASTE & ELASTE

Kunststoff in Sonnencremes
Auf der Suche nach neuen Vermarktungsmöglichkeiten für seine Kunststoffe hat der Leverkusener Multi Sonnencremes entdeckt. Ein bisschen Plaste in die Tube, und schon erhöht sich der Sonnenschutzfaktor - das wollen BAYER-ForscherInnen im Labor herausgefunden haben. Darüber hinaus plant der Konzern mit seinen Polyurethanen auch die Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups zu verstärken und Haaren mehr Halt zu verleihen (Ticker 1/09). Die Kunststoff-Nebenwirkungen wie Krebs, Allergien oder Schädigungen der Atmungsorgane stören bei diesem Business-Plan nicht.

IMPERIUM & WELTMARKT

Peterson folgt auf Berschauer
Die seit 2005 beim Leverkusener Multi beschäftigte US-Amerikanerin Sandra E. Peterson übernimmt den BAYER-CROPSCIENCE-Vorsitz von Friedrich Berschauer, der in Ruhestand geht. Mit den bundesdeutschen Verhältnissen ist Peterson trotz ihrer Herkunft bestens vertraut. Die ehemalige Unternehmensberaterin von MCKINSEY machte ihren College-Abschluss mit einer Untersuchung über die bundesdeutsche Chemie-Industrie und arbeitete im Rahmen eines Stipendiums der Robert-Bosch-Stiftung 1984/85 beim „Bundesverband der Deutschen Industrie“ und im Bundesfinanzministerium.

Reinhardt folgt auf Higgins
Der NOVARTIS-Manager Jörg Reinhardt übernimmt den BAYER-HEALTHCARE-Vorsitz von Arthur Higgins, der sich Hoffnungen auf den Posten des Vorstandsvorsitzenden gemacht hatte und nach der Nominierung von Marijn Dekkers kündigte.

Weintritt folgt auf Stegmüller
Volker Weintritt wird neuer Leiter des Brunsbütteler BAYER-Werkes. Sein Vorgänger Roland Stegmüller wechselt nach China und übernimmt den Chefposten der Shanghaier Niederlassung.

BTS-Regionalbüro in Singapur
BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS), die hauptsächlich für den Anlagenbau zuständige BAYER-Sparte, richtet seit einiger Zeit rund um den Globus Regionalbüros ein. So entstanden neue Repräsentanzen in Mumbai und Singapur, weitere will BTS schon bald in Brasilien und Russland eröffnen.

Kooperation mit EQUITY
Beim Leverkusener Multi haben die Störfälle im letzten Jahr markant zugenommen (s. u.). Mit der haus-eigenen BAYKBIS-Software zur Inspektion von Industrie-Anlagen kann es also nicht allzu weit her sein. Sie ist offensichtlich nicht in ausreichendem Maße fähig, Schwachpunkte zu identifizieren. Trotzdem vermarktet der Konzern die Technologie großflächig und versucht Kunden aus der Öl-, Pharma-, Chemie oder Gasbranche zu gewinnen. Im März hat er nun ein Kooperationsabkommen mit einem anderen Hersteller von solchen Programmen unterzeichnet, der EQUITY ENGINEERING GROUP. Deren „API RBI-Software ist der industrielle Standard im Bereich Anlagen-Risikomanagement“, heißt es in der entsprechenden Pressemeldung. Jetzt wollen BAYER und EQUITY die beiden Systeme kombinieren und damit auch die Anforderungen an risiko-basierte Inspektionen (RBI) erfüllen, die das „American Petroleum Institute“ 1993 für Sicherheitschecks von Anlagen der Öl- und Chemie-Industrie formuliert hat. Das Institut dürfte seine Ansprüche allerdings noch einmal überprüfen, denn offensichtlich haben sie nicht ausgereicht, um die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko zu verhindern.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Mehr Störfälle
Die Zahl der Störfälle bei BAYER hat 2009 markant zugenommen. Der Nachhaltigkeitsbericht listet für das Jahr mehr Unfälle auf, als bisher bekannt wurden und verzeichnet 13 „Umweltereignisse“, bei denen es zu einem Austritt gefährlicher Substanzen kam. Im Vorjahr waren es „nur“ neun.

Phosgen-Austritt in Dormagen
Im Dormagener Werk trat nicht bloß am 27.11.09, sondern bereits am 14.1.09 Phosgen aus. Um zu verhindern, dass die hochgiftige Chemikalie an die Luft gerät, musste der Leverkusener Multi eine Dampfwand aus - ebenfalls gesundheitsschädlichem - Ammoniak aufziehen.

LKW-Unfall in Kanada
Am 12.3.09 verunglückt in Kanada ein mit BAYER-Pestiziden b

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/03 2010

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Protest gegen Anlagen-Inbetriebnahme
Die Behörden hatten BAYERs Anlage zur Produktion von Nano-Kohlenstoffröhrchen nach einfachem Baurecht genehmigt (Ticker 1/10). Obwohl Nano-Teilchen ungeahnte Folgen für Mensch, Tier und Umwelt haben können, interessierten Fragen zur Umweltverträglichkeit sowie zum Katastrophen-, Arbeits- und Immissionsschutz nicht. Dagegen haben die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, der BUND und der BUNDESVERBAND BÜRGERINITIATIVEN UMWELTSCHUTZ in einer gemeinsamen Stellungnahme protestiert. „Bei allem Respekt: ein Bauamt ist nicht in der Lage, die Risiken von neuartigen Stoffen zu prüfen. Wir fordern ein Genehmigungsverfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit sowie eine toxikologische Bewertung der in Leverkusen produzierten Nanotubes!“, heißt es in der Erklärung der Verbände.

Einwendung gegen Kohlekraftwerk
TRIANEL plant auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld ein Kohlekraftwerk. Von CURRENTA, der Tochterfirma des Pharma-Riesen betrieben, soll es BAYER und andere Unternehmen mit Energie versorgen. Im Frühjahr stellte TRIANEL nun offiziell den Genehmigungsantrag. So einfach dürfte der jedoch nicht durchgehen. Nicht nur die Nachbarstadt Düsseldorf und der NIEDERRHEINISCHE UMWELTVEREIN (gemeinsam mit dem BUND) haben nämlich eine gegen das Projekt gerichtete Einwendung - wie es im Behörden-Deutsch heißt - formuliert, sondern auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Zur Begründung der Ablehnung führte die Coordination unter anderem die immensen Kohlendioxid-Emissionen, den Ausstoß von Feinstaub, Quecksilber und anderen Schwermetallen sowie radioaktiver Substanzen und den hohen Wasserverbrauch an.

CBG will Bisphenol-Verbot
Angesichts der Bestrebungen in mehreren europäischen Ländern, den Anwendungsbereich der gefährlichen Chemikalie Bisphenol A einzuschränken, hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gefordert, in der Bundesrepublik entsprechend vorzugehen. „Bisphenol A muss nun endlich aus Trinkflaschen, Spielzeug und Lebensmittel-Verpackungen verschwinden“, verlangte CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes mit Verweis auf das Gefährdungspotenzial der Substanz. Da Bisphenol A hormon-ähnlich wirkt, kann der Stoff zu Schädigungen des Nervensystems, Entwicklungsstörungen, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen. Diese Risiken und Nebenwirkungen haben jüngst auch das Umweltbundesamt dazu bewogen, für gesetzliche Maßnahmen einzutreten. „Die vorliegenden Kenntnisse sollten ausreichen, die Verwendung bestimmter Bisphenol-haltiger Produkte aus Vorsorgegründen zu beschränken“, heißt es in einer neuen Veröffentlichung der Behörde.

Initiativen gegen Hybrid-Reis
Die Agro-Multis investieren Millionen in Hybrid-Reis, den die LandwirtInnen nicht wiederaussäen können, was die Abhängigkeit von den Konzernen steigert (siehe auch SWB 1/10). Auch sonst machen die FarmerInnen eher schlechte Erfahrungen mit diesen Sorten. So klagen Bauern und Bäuerinnen in der indonesischen Region Gorontalo über BAYERs ARIZE, weil er hohe Produktionskosten verursacht, schlecht schmeckt und gegenüber Schadinsekten anfälliger ist. Da der Leverkusener Multi in Ländern wie Indonesien, Brasilien, Burma, China, Thailand, den Philippinen und Vietnam Kooperationen mit den Regierungen vereinbart hat, setzen sich die hybriden Arten trotzdem immer mehr durch. Und damit auch die industrielle Landwirtschaft, denn für Kleinbauern und -bäuerinnen lohnen sich die Investitionen nicht. Darum warnen jetzt mehrere asiatische Initiativen wie die indonesische ALLIANCE OF AGRARIAN REFORM MOVEMENT und die SOUTH EAST ASIA REGIONAL INITIATIVES FOR COMMUNITY EMPOWERMENT vor einem Bauernsterben durch ARIZE & Co.

Demonstration in Lyon
Im französischen Lyon haben Beschäftigte des dortigen BAYER-Werks gemeinsam mit Belegschaftsmitgliedern anderer Firmen gegen eine Erhöhung des Renten-Eintrittsalters und für eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums demonstriert. Ca. 16.000 Menschen nahmen an den Protesten teil.

Kritik an Hochhaus-Leuchtreklame
BAYERs mittels 5,6 Millionen Leuchdioden zum größten Werbeträger der Welt umgerüstetes altes Verwaltungszentrum stößt zunehmend auf Kritik. „Wie passt diese Geld- und vor allem Energieverschwendung zu den derzeitigen Diskussionen und Bemühungen, den drohenden Klimawandel zu verlangsamen“, fragt eine Leserin des Leverkusener Anzeigers angesichts eines Stromverbrauches von 1.800 Kilowattstunden am Tag. Eine andere empört sich: „Die wunderbare Aussicht bis nach Köln und zur Bergisch-Neukirchner Kirche fand ich allerdings verschandelt durch das verstörende, nervende, „völlig bescheuerte“ dauernde Aufblitzen der bunten Farben der BAYER-Hochhausfassade“. Mit der Frage „Gibt es irgendetwas, das die Firma BAYER dazu bewegen könnte, diesen Unfug zu lassen?“ endet ihr Leserbrief.

Akzeptanz steht auf dem Spiel
„Vielleicht hätte Werner Wenning nicht auf die Analysten und andere Gurus des Marktes hören sollen, als er beschloss, den BAYER-Konzern kunstvoll zu filetieren (...) Denn während es an anderen BAYER-Standorten ‚nur‘ um Großprojekte wie ein Kraftwerk oder eine Kohlenmonoxid-Pipeline geht, gegen die sich erbitterter Widerstand formiert hat, steht in Leverkusen mehr auf dem Spiel: die Akzeptanz des Unternehmens, das die Keimzelle für diese Stadt gelegt hat“, schreibt der Leverkusener Anzeiger in einem Kommentar und begrüßt die jüngste „Charme-Offensive“ des Multis.

YASMIN-Artikel ohne Preis
Der Leverkusener Multi sponsert den Preis des „Verbandes deutscher Medizin-Journalisten“ für Artikel über Pharma-Themen und sitzt auch in der Jury. Das hielt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nicht davon ab, einen Text über die mitunter tödlichen Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs Verhütungsmitteln einzureichen. Überraschenderweise erhielt dieser jedoch keine Auszeichnung. Das Gremium teilte der CBG jedoch mit, sie solle sich „davon nicht entmutigen lassen und für 2010 einen neuen Versuch starten“.

Presserat gibt CBG Recht
Die Sindelfinger Zeitung hatte einen PR-Text von DAIMLER, der ein gemeinsames Projekt des Automobil-Herstellers mit BAYER zum Anbau einer Pflanze für die Biodiesel-Produktion in den höchsten Tönen lobt, 1:1 abgedruckt, ohne auf die Quelle zu verweisen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN rief daraufhin den Presserat an, der dem Medium auch umgehend eine Rüge erteilte. „Die in Richtlinie 7.2 geforderte besondere Sorgfalt im Umgang mit PR-Material wurde bei dieser Veröffentlichung grob missachtet“, urteilte das Organ (SWB 2-3/10).

KAPITAL & ARBEIT

Magerer Tarifabschluss
Der diesjähriger Tarifabschluss für die Chemie-Industrie fiel äußerst mager aus. Erstmals gab es überhaupt keine prozentuale Entgelt-Erhöhung, sondern lediglich eine Einmalzahlung. Diese beträgt 550 Euro für Normalbeschäftigte - SchichtarbeiterInnen erhalten 611 bis 715 Euro. Nur wenn die Geschäfte von BAYER & Co. in diesem Jahr allzu gut gehen sollten, steht noch einmal ein „Konjunkturbonus“ bis zu 260 Euro in Aussicht. Für die Unternehmen hat eine solche Einmalzahlung ein großen Vorteil, denn „diese geht nicht dauerhaft in die Tarifbasis ein“, wie der „Bundesarbeitgeberverband Chemie“ in seiner Erklärung zum Tarifabschluss erfreut feststellt.

Betriebsratswahl 2010
Bei der diesjährigen Betriebsratswahl im Leverkusener BAYER-Werk konnten die linken Listen hinzugewinnen und der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE Stimmen abnehmen. Die IG BCE erhielt 26 Sitze, Die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT kamen auf fünf Sitze, die BASIS-BETRIEBSRÄTE auf vier Sitze und das BELEGSCHAFTSTEAM errang einen Sitz. Bei der CURRENTA, ein Joint-Venture des Leverkusener Multis und seiner Chemie-Ausgründung LANXESS, sieht es sogar noch besser aus. Dort gewann die IG BCE nur 50 Prozent der Stimmen, weshalb es bloß zu einer hauchdünnen Mehrheit im Betriebsrat reichte (12 von 23 Sitzen). Die BASIS-BETRIEBSRÄTE erlangten 31 Prozent und das BELEGSCHAFTSTEAM 19 Prozent. Jetzt muss die IG BCE mit den BASIS-VertreterInnen kooperieren. Nach Ansicht des Leverkusener Anzeigers hat die Chemie-Gewerkschaft das den von ihr mitgetragenen Ausgliederungen zu verdanken. In deren Folge brachen für die Beschäftigten nämlich harte Zeiten an. „Sie entfernten sich Jahr für Jahr mehr vom komfortablen Chemie-Tarif. Dass eine solche Entwicklung auch der maßgeblichen Gewerkschaft angekreidet wird, kann niemanden wundern“, schreibt das Blatt.

BAYER trennt sich von Job@ctive
Das Buch „Arm durch Arbeit“ von Marcus Breitscheidel hat BAYERs hauseigene Zeitarbeitsfirma Job@ctive berühmt-berüchtigt gemacht (SWB 4/08). Der Journalist hatte sich nämlich undercover über den Personaldienstleister bei der Pillen-Produktion des Leverkusener Multis verdingt und dafür nur einen Hungerlohn erhalten. 6,24 Euro brutto zahlte ihm JOB@CTIVE dafür und damit 1,14 Euro weniger als der Zeitarbeitstarifvertrag eigentlich vorsieht. „Wir sind hier im ehemaligen Ostteil der Stadt, und somit gilt der Osttarif“, bekam Breitscheidel zu hören. Jetzt will der Global Player für die Lohndrückerei offensichtlich nicht mehr persönlich haften: Er verkaufte das Unternehmen an die HANFRIED GmbH, die auch die 230 bei Job@ctive unter Vertrag stehenden BilligjobberInnen übernimmt.

BMS trennt sich von Testcenter
BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) hat seinen Testcenter an UNDERWRITERS LABORATORIES verkauft und ist nun einer der größten Kunden des US-Unternehmens, das alle 65 Beschäftigten übernommen hat.

Weniger Bonus für BMS-Beschäftigte
Seitdem der Leverkusener Multi sich eine Holding-Struktur gegeben hat, agieren die einzelnen Teil-Gesellschaften formal selbstständig. Darum entwickeln sich auch die Belegschaften auseinander. So fallen die Bonus-Zahlungen für die Beschäftigten von BAYER MATERIAL SCIENCE, der von der Wirtschaftskrise am härtesten betroffenen Sparte, um ein Drittel geringer aus als die ihrer Pharma- oder Cropscience-KollegInnen.

Baumann verkauft BAYER-Aktien
Die BAYER-ManagerInnen müssen nicht allein von ihrem üppigen Fixgehalt leben. Sie werden auch in Aktien bezahlt und können diese bei Gelegenheit zu Geld machen. Diese Möglichkeit nutzte Werner Baumann gleich in den ersten Wochen seiner Zeit als BAYER-Vorstand. Er verkaufte 8.000 Papiere des Konzerns und erhielt dafür 450.400 Euro. Das geht aus Informationen des Leverkusener Chemie-Multis hervor, der verpflichtet ist, der Börsenaufsicht größere Deals seiner Besserverdienenden zu melden, da bei solchen Transaktionen immer der Verdacht des Insiderhandels besteht.

Schlechte Frauenquote
Auf der diesjährigen Hauptversammlung nach dem Anteil der Frauen in Führungspositionen befragt, gab Konzern-Chef Werner Wenning die Zahlen bekannt. Auf der obersten Management-Ebene beträgt die Quote zwei Prozent, auf der darunterliegenden 12,7 Prozent, der nächstfolgenden 17,8 Prozent und auf der vierthöchsten 25 Prozent.

Schneider verdient 1,1 Millionen
Der ehemalige BAYER-Boss Manfred Schneider ist mit Aufsichtsratschefsesseln beim Leverkusener Multi, bei RWE und LINDE sowie mit einfachen Mandaten bei DAIMLER und TUI der mächtigste und auch einkommensstärkste bundesdeutsche Konzern-Kontrolleur. Im Geschäftsjahr 2009 strich er 1,143 Millionen Euro ein - 145.000 Euro mehr als 2008.

Beistandskassen-Versammlung unrechtmäßig
Die BAYER-Beistandskasse hatte 2007 Einschnitte beim Sterbegeld, das durchschnittlich ca. 6.000 Euro beträgt, vorgenommen (Ticker 3/08). Die Abschläge können bis zu 2.000 Euro - also ein Drittel der Summe - betragen. Die Mitgliederversammlung fällte diese Entscheidung faktisch ohne die Mitglieder, denn der Vorstand setzte diese nicht über den brisanten Tagesordnungspunkt in Kenntnis. So nahmen nur 26 Personen an der einstündigen Sitzung teil, die für die rund 90.000 Versicherten den Gewinnzuschlag in Höhe von 25 Prozent strich. Deshalb fochten einige Kassen-Angehörige den Beschluss an. Im Februar 2010 bekamen sie endgültig Recht zugesprochen. Jetzt muss die Beistandskasse ihre Mitglieder erneut über die Kürzungen abstimmen lassen.

ERSTE & DRITTE WELT

Bio-Pirat BAYER vertreibt Indigene
In Chiapas wachsen die letzten Urwälder Mexikos. Dort lockt BAYER & Co. ein breites Reservoir an unbekannten Stoffen, die zur Arzneimittel-Produktion dienen könnten. Zudem haben Agro-Multis das Gebiet zur Kultivierung von Palm-Öl zur Biodiesel-Produktion auserkoren. Es gibt nur ein Problem: In der Region leben auch Menschen. Aber dieses behebt die mexikanische Regierung gerade. Sie bietet hunderte von Soldaten und Polizisten auf, um für die Konzerne den Weg freizumachen. Über 40 Dörfer hat sie auf diese Weise schon zerstört.

Kommt das Biopiraterie-Abkommen?
BAYER betrachtet die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen lediglich als Rohstoff-Reservoir und plündert sie ohne Rücksicht auf Verluste aus (s. o.) So produziert der Pharmariese das Diabetes-Mittel GLUCOBAY mittels eines Bakteriums, das aus dem kenianischen Ruiru-See stammt, ohne dem ostafrikanischen Land auch nur einen Cent dafür zu bezahlen (siehe SWB 1/06). Zudem durchsucht der Leverkusener Multi die Weltmeere gemeinsam mit dem Unternehmen MAGELLAN BIOSCIENCE GRUPPE INC. nach Mikroorganismen, deren Abwehrstoffe sich zur Herstellung neuer Pestizide eignen. Vielleicht kann er das demnächst nicht mehr ganz so ungehindert tun. Im Oktober 2010 steht nämlich die Unterzeichnung des Anti-Biopiraterie-Protokolls an. Aber die Lobbygruppen der Industrie wehren sich vehement gegen allzu verbindliche Regelungen. So weigern BAYER & Co. sich, künftig bei Patent-Anmeldungen Zertifikate über den legalen Erwerb der Ausgangsstoffe vorzulegen. Zudem wehren die Konzerne sich dagegen, Krankheitserreger, die sie zur Produktion von Impfstoffen brauchen, in das UN-Abkommen aufzunehmen.

WHO unter Einfluss
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat in einem Report Vorschläge für eine die Gesundheitsversorgung in den Staaten der „Dritten Welt“ verbessernde Arznei-Forschung gemacht. Eine Reform des Patentrechts, eine Förderung des Technologie-Transfers oder eine Forschungsabgabe der Konzerne gehörte allerdings ebenso wenig dazu wie mehr Geld für die Erforschung seltener Krankheiten. Der Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. hatte sich also wieder einmal als erfolgreich erwiesen. „Das Gesamtergebnis befindet sich in Übereinstimmung mit den meisten Industrie-Positionen in dieser Sache“, urteilte der „Internationale Verband der Forschenden Arzneimittel-Industrie“ (IFPMA). Weil die Lobby-Organisation sich illegal Zugang zu dem Entwurf verschafft hatte, leitete die WHO-Generaldirektorin Margaret Chan allerdings Ermittlungen ein und drohte sogar mit der Aufhebung der Immunität von WHO-Beschäftigten. Die Delegierten der „Entwicklungsländer“ bekamen die Dokumente indes erst unmittelbar vor dem anberaumten Arbeitstreffen zu Gesicht und weigerten sich aus diesem Grund, den Abschlussbericht zu unterzeichnen. Ob sie bis zur offiziellen Vorstellung der WHO-Pläne noch Veränderungen durchsetzen können, bleibt abzuwarten.

EU betreibt Patent-Politik
Seit die Verhandlungsrunden der Welthandelsorganisation WTO zur weiteren Erleichterung des Warenverkehrs gescheitert sind, betreibt Brüssel eine eigene Wirtschaftspolitik im Dienste von BAYER & Co.. Bei den Verhandlungen zu bilateralen Abkommen mit Kolumbien, Indien und den Andenstaaten widmet sie dem „Schutz des geistigen Eigentums“ große Aufmerksamkeit und verlangt eine Verlängerung des Patentschutzes (Ticker 1/10). In Peru hätte BIG PHARMA gerne vier Jahre mehr. Wie die beiden Nichtregierungsorganisationen OXFAM und HEALTH ACTION INTERNATIONAL ausgerechnet haben, würde das die Arzneimittel-Kosten um 459 Millionen Dollar erhöhen.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER Top-Lobbyist in den USA
Kein anderer bundesdeutscher Konzern gibt in den USA so hohe Summen für Lobby-Arbeit aus wie BAYER. 23 Millionen pumpte der Pharma-Riese dort seit 2006 in die Pflege der politischen Landschaft. Allein im letzten Jahr investierte der Leverkusene Multi 8,5 Millionen Dollar. Dabei ging vor allem Obamas Gesundheitsreform ins Geld, bei der es galt, das Schlimmste zu verhindern (siehe SWB 2/10). Nicht zuletzt zu diesem Behufe erweiterte der Pharma-Riese den MitarbeiterInnenstab seines Washingtoner Büros für „Legislative Affairs“ um vier Beschäftigte auf nunmehr 10.

BAYER & Co. schreiben Brandbrief
CDU und FDP hatten die Wunschliste der Konzerne in ihrem Koalitionsvertrag gewissenhaft abgearbeitet - bis auf einen Punkt. Sie wollten nur mittelständischen Betrieben Steuernachlass für ihre Forschungsausgaben gewähren, nicht aber den Global Playern, wie BAYER-Chef Werner Wenning immer wieder gefordert hatte, weil diese angeblich 85 Prozent aller Investitionen in dem Bereich aufbringen. Ende April 2010 schrieb Wenning in dieser Sache gemeinsam mit 17 weiteren Industrie-Bossen einen Brandbrief an die Bundesregierung. Darin verlangen die Manager nicht weniger als einen zehn-prozentigen Steuer-Abschlag auf Forschungskosten. Mit Verweis auf die in anderen Ländern angeblich übliche Subventionspraxis heißt es in dem Schreiben: „Deutschland muss gleichziehen, damit Unternehmen ihre Forschungszentren in Deutschland ausbauen oder ansiedeln und hier ihr innovatives Potenzial entfalten“. Von einem Steuergeschenk reden die Vorstandsvorsitzenden dabei natürlich nicht.

Etwas weniger Derivat-Regulierung
Auch BAYER nutzt die umstrittenen Instrumente, die der Finanzmarkt so bietet. So hat der Konzern Geld in Derivaten angelegt, die eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber sind. Der Leverkusener Multi weist dabei das Motiv „Spekulation“ weit von sich. „Derivate Finanzinstrumente werden dabei fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktionen abgeschlossen“, heißt es im Geschäftsbericht. Aber wo die Absicherung endet und die Spekulation beginnt, ist nicht immer leicht zu bestimmen. Das Unternehmen flankiert nämlich nicht ein bestimmten Deal mit dem Kauf von Derivaten, sondern schätzt das Volumen seiner Auslandsgeschäfte ab und erwirbt dann die Papiere. Auch sonst teilt BAYER die Interessen der SpekulantInnen, da sie Liquidität in die Märkte bringen, wie es heißt. Deshalb hat sich der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning gegen eine strengere Regulation ausgesprochen. Und Finanz-Vorstand Klaus Kühn erklärte in der Börsen-Zeitung: „Ich hoffe sehr, dass man für die Industrie in diesem Zusammenhang Ausnahmen schafft“. Das tat die Bundesregierung dann auch. Nach einer „ExpertInnen-Anhörung“ änderte sie den Kabinettsbeschluss. Der Entwurf des „Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte“ sieht jetzt kein direktes Verbot von spekulativen Währungsderivaten mehr vor, er behält sich ein solches lediglich vor.

Kühn hakt beim Ministerium nach
Die Konzerne treibt ständig die Furcht vor feindlichen Übernahmen um. Um das „Anschleichen“ möglicher Käufer per Aktien-Erwerb zu verhindern, forderte BAYER-Chef Werner Wenning bereits 2008 gemeinsam mit seinen KollegInnen in einem Offenen Brief an den damaligen Finanzminister Peer Steinbrück strengere Kapitalmarkt-Regelungen mit Offenlegungspflichten über Besitzverhältnisse. Bislang hat sich allerdings nach Meinung des Leverkusener Multis noch nicht viel getan. Auf die Frage der Börsen-Zeitung: „Haben Sie im Finanzministerium noch einmal nachgehakt?“, antwortete der Finanzvorstand Klaus Kühn: „Das schon, aber es ist noch nichts Konkretes passiert“. Aber das wird schon noch.

Die Parteien-Spenden des VCI
Der Leverkusener Multi spendet in der Bundesrepublik nicht mehr selbst für Parteien, er tut dies nur in Tateinheit mit anderen Chemie-Unternehmen. Dann aber nicht zu knapp. Im Jahr 2008 ließ der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) der CDU laut Rechenschaftsbericht des Bundespräsidenten 120.000 Euro zukommen und der SPD 35.000 Euro.

BAYER mietet Rüttgers
Von dem Spenden-Skandal um Jürgen Rüttgers, den die CDU den Unternehmen in Partner-Paketen mit Einzelgesprächs-Zuschlägen von 6.000 Euro zwecks Wahlkampf-Finanzierung angeboten hat, ließ BAYER sich nicht von einem Auftritt beim CDU-Zukunftskongress abhalten. Der Leverkusener Multi mietete für 8.000 Euro einen Stand und konnte Rüttgers bei seinem obligatorischen Rundgang auch von den tollen Investitionen am Standort Dormagen berichten - ganz ohne Zuzahlung, wie BAYERs Energie- und NRW-Beauftragter Wilfried Köplin versicherte. Extras „seien nicht angeboten worden. Die hätten wir auch nicht angenommen“, so Köplin laut Kölner Stadtanzeiger.

Schavan besucht BAYER
Die bundesdeutschen Multis suchen auf ihren großen Absatzmärkten auch immer die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen. Die Bundesregierung erleichtert ihnen das, indem sie regelmäßig Gipfeltreffen mit VertreterInnen von Wirtschaft und Wissenschaft ausrichtet. Das „Deutsch-Brasilianische Jahr für Wissenschaft, Technologie und Innovation“ eröffnete Bundesforschungsministerin Annette Schavan am 14. April 2010 in São Paulo. Daneben fand sie noch Zeit, die Niederlassung des Leverkusener Multis in der Stadt zu besuchen, der gerade eine Kooperation mit dem brasilianischen „Zentrum für Zuckerrohr-Technologie“ vereinbart hat (siehe GENE & KLONE).

Buirer CDU besucht BAYER
Der Ortsverband Buir der CDU hat im März dem Monheimer BAYER-Werk einen Besuch abgestattet. Er besichtigte das Forschungszentrum und die Institute für Pestizid-Entwicklung.

Emissionsrechte für Gentech-Pflanzen?
Auch die Landwirtschaft produziert klima-schädliche Gase. Deshalb gibt es Überlegungen, die Agrar-Industrie in den Emissionshandel einzubeziehen und den Ausstoß von Methan, Distickstoffmonoxid oder anderen Stoffen kostenpflichtig zu machen, wenn er bestimmte Grenzen übersteigt. In diese Diskussion haben sich jetzt auch BAYER & Co. eingeschaltet. Die Konzerne wollen ihre Genpflanzen in der Klima-Bilanz der LandwirtInnen als Aktiva verbuchen lassen. Weil die Bauern und Bäuerinnen die Laborfrüchte ohne Pflügen und Umgraben aussäen können, tragen diese zu einer nachhaltigen Bodenbewirtschaftung bei, argumentieren die Global Player. In den USA haben BAYER, MONSANTO und andere Agro-Riesen die Lobby-Firma NOVECTA engagiert, um die PolitikerInnen in diesem Sinne zu beeinflussen. Darüber hinaus warben die Multis auf der Klima-Konferenz in Kopenhagen und bei der UN-Welternährungsorganisation FAO für ihr Projekt, das den gen-manipulierten Pflanzen zusätzliche Absatzmärkte erschließen würde.

Obamas Gentech-Fans
Barack Obama hat einige Schlüsselpositionen an Personen mit guten Kontakten zu den Gentech-Multis vergeben. Landwirtschaftsminister Thomas Vilsack ernannte der Industrie-Verband „Biotechnology Industry Organisation“ wegen seiner Verdienste für die Gentechnik bereits 2001 zum „Governor of the Year“. Das neu gegründete „Nationale Institut für Nahrung und Landwirtschaft“ leitet mit Roger Beachy ein ehemaliger MONSANTO-Forscher, und in der Handelsbehörde kümmert sich bald Islam Siddiqui von der Agromulti-Organisation „CropLife America“ um die Landwirtschaftspolitik, wenn sich der Senat nicht doch noch den Protesten von GREENPEACE, PESTICIDE ACTION NETWORK und anderen Initiativen beugt.

EU Weltspitze im Patentschutz
Dank der Lobby-Aktivitäten des „Europäischen Verbandes der Forschenden Pharma-Unternehmen“ (EFPIA) erhalten BAYER & Co. nirgendwo so lange Patentschutz für ihre Präparate wie in der EU. Während die USA Monopolrechte für neue Medikamente nur ca. 8 Jahre gewähren, billigt die Europäische Union BAYER & Co. seit 2004 durchschnittlich elf Jahre zu.

Jugend forscht für BAYER
Der Nachwuchs-Wettbewerb der Stiftung „Jugend forscht“ hat seit neuestem einen wissenschaftlichen Beirat. In diesem sitzt auch BAYERs Forschungsvorstand Wolfgang Plischke, weshalb er die Jugend jetzt direkter für den Leverkusener Multi forschen lassen kann. „Aufgabe des wissenschaftlichen Beirats ist es, relevante Themen und Trends zu identifizieren sowie konkrete Empfehlungen zur künftigen Ausrichtung von ‚Jugend forscht‘ im Rahmen der Nachwuchsförderung in Deutschland auszusprechen“, erklärt die Stiftung nämlich.

PROPAGANDA & MEDIEN

UNICEPTA bereitet Interviews vor
Der Leverkusener Multi hat zwar eine gut besetzte Presseabteilung, aber trotzdem holt sich der Konzern zusätzlich noch Fremd-Expertise ins Haus. So hat das Medienbeobachtungsunternehmen UNICEPTA bei BAYER ein eigenes Büro mit drei Beschäftigten und übernimmt Sonderaufträge. Wenn es beispielsweise eine Interview-Anfrage gibt, checkt UNICEPTA den Journalisten vorher genau aus, „um zu antizipieren, wie er denkt“, vermeldet das prmagazin.

BAYER wirbt um Akzeptanz
Was seine Akzeptanz bei der Bevölkerung angeht, fühlt der Leverkusener Multi sich angesichts der Proteste gegen seine Kohlekraftwerk- und Pipeline-Pläne wieder in die alten Hochzeiten der Umweltbewegung versetzt. „Vielleicht erleben wir nach den siebziger Jahren jetzt wieder eine Phase, in der sich die Chemische Industrie erklären muss“, sagt der Leverkusener Chemie„park“-Leiter Ernst Grigat. „Kritische Gruppen werden zum Risiko für den Industrie-Standort NRW“, warnt er. Deshalb startet der Konzern jetzt eine „Charme-Offensive“ (Leverkusener Anzeiger) und macht auf BürgerInnen-Nähe (siehe auch AKTION & KRITIK). So stellt er die alljährlichen BesucherInnen-Tage unter das Motto „Sicherheit, Energie und Umwelt“ und heißt dort angeblich auch KritikerInnen willkommen.

Große Spende an Bluter-Verband
Weltweit infizierten sich in den 80er Jahren Tausende Bluter durch Blutprodukte von BAYER & Co. mit AIDS oder Hepatitis C. Sie wurden Opfer der Profitgier der Konzerne, denn diese hatten sich aus Kostengründen lange Zeit geweigert, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Seit dieser Zeit sieht der Leverkusener Multi sich zu vertrauensbildenden Maßnahmen gezwungen, um die Patienten wieder für sich zu gewinnen. So spendet er den Bluter-Organisationen regelmäßig hohe Beträge. So erhielt der US-amerikanische Verband im April 2010 einen Scheck über 250.000 Dollar.

Große Spende an ImkerInnen-Verband
Pestizide von BAYER und anderen Herstellern stellen eine Landplage für Bienen dar und sorgen regelmäßig für Sterbewellen. Da gilt es, sich des Wohlverhaltens der BienenzüchterInnen-Verbände zu versichern. In England tut BAYER das durch regelmäßige Spenden. So erhält die „British Bee Keepers Association“ jährlich 17.000 Pfund und zeichnet die Ackergifte des Konzerns dafür im Gegenzug mit ihrem Gütesiegel aus. Nach Protesten aus den eigenen Reihen und einigen kritischen Tageszeitungsartikeln hat die Organisation diese Kooperation jedoch aufgekündigt.

Rheinische Post wirbt für BAYER
Der Pharma-Riese spielt seinem Stammsitz Leverkusen seit längerer Zeit übel mit. Das Werk schrumpft und schrumpft und damit auch die Zahl der Arbeitsplätze, die Gewerbesteuer fließt nur noch spärlich und die vielbeschworene BAYER-Familie wird dysfunktionaler und dysfunktionaler. Deshalb hat der Multi im letzten Jahr unter dem Motto „Leverkusen und BAYER. Ein starkes Team“ eine Image-Kampagne mit Anzeigen, lokaler Internet-Seite und Foto-Wettbewerben begonnen. 2010 setzt der Konzern sie fort. So veranstaltete er gemeinsam mit der Rheinischen Post auf einer ganzen Zeitungsseite den Quiz „Sind Sie ein Leverkusen-Experte?“, der eigentlich „Sind Sie ein BAYER-Experte?“ heißen müsste. Fragen nach BAYERs „Hilfsprogramm“ für benachteiligte Jugendliche, dem BAYER-Kulturprogramm, dem BAYER-Erholungshaus und dem Spitznamen der Frau von BAYERs ehemaligem Generaldirektor Carl Duisberg lassen jedenfalls arge Zweifel an der journalistischen Unabhängigkeit des Blattes aufkommen.

BAYER bildet JournalistInnen fort
Die Konzerne setzen seit einiger Zeit an den Quelle an, um ihr Bild in der Öffentlichkeit zu bestimmen: Sie bilden JournalistInnen aus bzw. weiter. Während BASF, SIEMENS und RWE die „Initiative Wissenschaftsjournalismus“ ins Leben gerufen haben, bietet BAYER Fortbildungen an. Der Leverkusener Multi lud MedienarbeiterInnen zu dem kostenlosen Seminar „Von den Fakten zur Story - Themen finden und platzieren“ ein.

Gentechnik-PR bei Preisverleihung
Der Leverkusener Multi nutzte die Verleihung des Otto-Bayer-Preises an den Entwicklungsbiologen Dr. Detlef Weigel (Ticker 1/10), um Propaganda für die grüne Gentechnik zu machen. Wohlweislich wählte der Konzern Berlin als Ort für den feierlichen Festakt und redete den PolitikerInnen ins Gewissen. „Es gilt, das gesamte Spektrum der Möglichkeiten zu nutzen, um Ernten vor Krankheiten, Schädlingen, Unkraut und Umwelteinflüssen zu schützen, die Erträge zu erhöhen und die Eigenschaften der Pflanzen zu verbessern“, mahnte BAYER-Chef Werner Wenning. Und der BAYER-Aufsichtsrat und Gentechnik-Multifunktionär Ernst-Ludwig Winnacker versicherte treuherzig: „Ich selbst wäre der Erste, der sich bei einer Gefahr für Leib und Leben für einen Verzicht auf die entsprechende Technologie aussprechen würde“.

TIERE & VERSUCHE

171.251 Tierversuche
Auf der diesjährigen Hauptversammlung nach Tierversuchen bei BAYER befragt, gab Konzern-Chef Werner Wenning die Zahlen bekannt. Demnach hat das Unternehmen im Jahr 2009 171.251 Experimente mit Lebewesen durchgeführt, 93 Prozent davon mit Ratten und Mäusen.

DRUGS & PILLS

GADOVIST jetzt auch für Kinder
BAYERs Kontrastmittel GADOVIST ist seit Anfang des Jahres auch für Kinder über sieben Jahren zugelassen. Der Leverkusener Multi hatte das hauptsächlich bei Magnetresonanz-Tomographien verwendete Mittel in einer Studie mit nur 140 jungen TeilnehmerInnen getestet und keine größeren Unverträglichkeiten festgestellt. Die Risiken und Nebenwirkungen blieben offenbar im Rahmen dessen, was der Beipackzettel aufzählt: Übelkeit und Erbrechen, Schock-Reaktionen, Herz/Kreislauf-Probleme, Atemwegsbeschwerden und Hautausschläge.

GADOVIST für Mammographien?
Der Leverkusener Multi will sein Kontrastmittel GADOVIST (s. o.) auch bei Mammographien zum Einsatz kommen lassen und hat mit Klinischen Tests der dritten und letzten Phase begonnen.

Hör-Schädigungen durch ASPIRIN
ASPIRIN und andere Schmerzmittel steigern die Wahrscheinlichkeit, eine Hörschädigung zu erleiden, um 30 Prozent. Das ergab eine im American Journal of Medicine (Nr. 123) veröffentlichte Studie. Die Präparate stören die Synthese des Gewebe-Hormons Prostaglandin, was zu einer Unterversorgung der Hörzellen mit Blut führt. Eingeschränktes Hörvermögen und Hörstürze können die Folge sein.

BAYER lanciert ASPIRIN COFFEIN
Der Leverkusener Multi hat mit ASPIRIN COFFEIN eine neue Version des Wirkstoff-Mixes Acetylsalicylsäure/Koffein herausgebracht. BAYER zufolge sorgt das Koffein für eine schnellere Aufnahme der Acetylsalicylsäure und verstärkt seinen pharmazeutischen Effekt. Fachleute warnen allerdings vor den Kombinationspräparaten, weil sie die Nieren schädigen, zu Abhängigkeit führen und Dauerkopfschmerz verursachen können. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) hat deshalb bereits 1997 die Forderung nach einer Verschreibungspflicht für solche Medikamente aufgestellt - und diese im letzten Jahr erweitert. Mittlerweile verlangt das BfArM, gar keine Schmerzmittel-Großpackungen mehr ohne Rezept auszugeben (Ticker 1/10).

Immer noch keine XARELTO-Zulassung
Während die Europäische Union BAYERs XARELTO bei schweren orthopädischen OPs zur Thrombose-Prophylaxe bereits zugelassen hat, verzögert sich die US-Genehmigung weiter. Wegen des erhöhten Risikos von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie ungeklärter Langzeitwirkung hatte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA Anfang 2009 weitere Unterlagen über die Verträglichkeit des Medikamentes angefordert (Ticker 1/09). Und der Leverkusener Multi hat erhebliche Mühe, diese bereitzustellen. Zunächst wollte er sie im Herbst 2009 übergeben, aber daraus wurde nichts. Auch bei der Bilanz-Pressekonferenz im Februar gab es nichts Neues zum Stand der Dinge. „Im Laufe dieses Jahres erwarten wir neue, wichtige Studiendaten“, erklärte BAYER-Chef Werner Wenning dort nur lapidar.

XARELTO: Krankenhäuser zögern
BAYER hat Schwierigkeiten bei der Vermarktung seines bei schweren orthopädischen OPs zur Thrombose-Prophylaxe eingesetzten Präparates XARELTO. Krankenhäuser zögern nämlich mit der Bestellung, weil sie das Preis/Leistungsverhältnis nicht überzeugt. Überlegen zeigt sich das Mittel nämlich nur in der Darreichungsform: Die MedizinerInnen können XARELTO in Tablettenform verteilen und brauchen es nicht zu spritzen.

Neue LEFAX-Version
BAYER bietet LEFAX, das gegen Blähungen, Völlegefühle und Druckbeschwerden helfen soll, jetzt auch in Granulatform und mit Zitronengeschmack an. Das dürfte jedoch nichts an dem vernichtenden Urteil ändern, das der „Arzneiverordnungsreport ‘97“ über das Präparat fällte. Das Buch bescheinigte dem Produkt mit dem Wirkstoff Simethicon völlige Wirkungslosigkeit und riet: „Aus diesem Grund empfiehlt es sich, den Einsatz dieses Mittels als Placebo-Medikation auf besondere Einzelfälle zu beschränken“.

Sonderstatus für CIPROBAY-Version
Pharma-Konzerne entwickeln lediglich Medikamente zur Therapie der verbreitetsten Gesundheitsstörungen, weil nur das genügend Profit verspricht. Sie betrachten es nicht als ihre Aufgabe, Arzneien zur Behandlung von möglichst vielen Beschwerden zu erfinden. Deshalb müssen die GesundheitspolitikerInnen Mittel zur Therapie seltener Krankheiten subventionieren. Diese Aufgabe erfüllt die Verleihung des Orphan-Drug-Status (orphan = engl. Waise). Einen solchen Status verlieh nach der europäischen Arzneimittelbehörde EMA nun auch ihr US-amerikanisches Pendant FDA einer gepimpten Version des altbekannten BAYER-Antibiotikums CIPROBAY. Als Trockenpulver, das zum Inhalieren geeignet ist, will der Multi es künftig gegen chronische Lungeninfektionen einsetzen. Zur Orphan Drug geadelt, kommt das neue alte Medikament jetzt in den Genuss einer schnelleren Genehmigung und verminderter Zulassungsgebühren. Zudem kann der Pharma-Riese sich über eine längere Patentlaufzeit freuen.

AVELOX schädigt Leber
Nach zahlreichen Meldungen über Leberschäden durch sein Antibiotikum AVELOX musste der Leverkusener Multi bereits 2008 der Aufforderung des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte“ nachkommen und die europäischen MedizinerInnen und PatientInnen ausdrücklich auf diese Nebenwirkung hinweisen. Anderswo verschwieg der Konzern den unerwünschten Arznei-Effekt jedoch weiter. In Kanada allerdings hat es damit jetzt ein Ende. MedizinerInnen informierten die Gesundheitsbehörde „Health Canada“ über die Gegenanzeige, weshalb BAYER sich gezwungen sah, vor Gesundheitsrisiken für die Leber durch AVELOX zu warnen.

NEXAVAR bei Darmkrebs?
Der Leverkusener Multi versucht unentwegt, das Anwendungsspektrum seiner zur Behandlung von fortgeschrittenem Nieren- und Leberkrebs zugelassenen Gentech-Arznei NEXAVAR zu erweitern. Für die Indikation „Darmkrebs“ hat gerade die dritte und letzte Testphase begonnen. Entsprechende Versuche laufen auch zur Therapie von Schilddrüsen-, Brust- und fortgeschrittenem Lungenkrebs; bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs versagte das Medikament dagegen bereits.

YASMIN-Beipackzetteländerungen
Zeitungsmeldungen über bisweilen sogar tödlich verlaufende Nebenwirkungen von BAYERs Antibaby-Pille YASMIN haben die Öffentlichkeit im letzten Jahr schockiert. Doch alles, was vom Skandal übrig bleibt, ist ein anderer Beipackzettel. Der Leverkusener Multi muss künftig in Europa und in den USA auf das Risiko von Thromboembolien hinweisen. Er zeigt sich jedoch weiterhin uneinsichtig, zweifelt die Ergebnisse neuer Studien zu dieser Gesundheitsgefährdung an und sieht noch Diskussionsbedarf, „bevor eine endgültige Aussage über das Thrombose-Risiko unter YASMIN getroffen werden kann“.

Neues Verhütungsmittel
Der Leverkusener Multi hat für sein Verhütungsmittel NATAZIA, das er in Europa unter dem Namen QLAIRA vermarktet, auch in den USA eine Zulassung erhalten. Die neue Pille mit den Wirkstoffen Estradiol und Dienogest bewirbt der Multi ebenfalls wieder als Lifestyle-Präparat, das angeblich Gewichtszunahmen verhindert. Über Risiken und Nebenwirkungen wie Thrombosen, die bei dem Kontrazeptivum YASMIN bereits zu Todesfällen geführt haben (SWB 3/09), weiß der Pharma-Riese hingegen angeblich nichts. Das könnte „nur in großen epidemiologischen Studien geklärt werden“, lässt er verlauten.

Neue Herz-Medikamente
Der Leverkusener Multi entwickelt zur Zeit drei neue Wirkstoffe zur Behandlung von Herz-Krankheiten. Eine Substanz soll die Produktion von Guanosinmonophosphat anregen, das die Blutgefäße erweitert und schützt. Von einem anderen Stoff erhoffen sich die Arznei-ForscherInnen eine Hemmung des den Herzmuskel angreifenden Aldosterons und von einem weiteren die Blockade des gefäß-verengenden Hormons Vasopressin.

BAYER kontrolliert sich selbst
Die Risiken und Nebenwirkungen von Medikamenten sorgen für fünf Prozent aller Krankenhaus-Einweisungen. Das bewog Brüssel zum Handeln. Die EU plant Reformen zur Arzneimittel-Sicherheit. Allerdings will sie BAYER & Co. die Aufgabe anvertrauen, die Schadensmeldungen zu sammeln, auszuwerten und dann an staatliche Stellen weiterzureichen, was die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE kritisiert. „Man kann von ihnen wohl kaum erwarten, dass sie sich allein am VerbraucherInnenschutz orientieren und die Interessen ihrer Anteilseigner an einem möglichst hohen Umsatz ignorieren“, schreibt die Initiative in ihrem Pharma-Brief. Auch das Bestreben der Europäischen Union, die Zulassungsverfahren zu beschleunigen, dürfte kaum zu einem besseren Schutz der PatientInnen führen (s. u.).

Beschleunigte Pillen-Zulassungen
Die EU will die Zulassungsverfahren für Arzneimittel beschleunigen. Künftig brauchen BAYER & Co. weder die Wirksamkeit noch die Unbedenklichkeit ihrer Medikamente vor der Genehmigung zu belegen - die entsprechenden Daten können nachgereicht werden. Und falls die Hersteller der Aufforderung nicht nachkommen, droht ihnen - anders als in den USA - nicht einmal ein Entzug der Vermarktungsrechte.

Tests mit Tabakpflanzen-Impfstoff
Der Leverkusener Multi hat Klinische Tests mit einem Arzneistoff begonnen, den Tabakpflanzen produzieren. Bei dem Verfahren zur Herstellung eines Antikörper-Impfstoffes zur Behandlung eines Lymphsystem-Krebses tauchen die PharmakologInnen die Tabakpflanzen in ein Bakterien-Bad, wodurch sich das Antikörper-Erbgut überträgt und seine Arbeit in der Botanik aufnimmt (Ticker 3/08). Diese von BAYER als „extrem preisgünstig“ gepriesene Herstellungsart hat die Firma ICON GENETICS entwickelt, was sie die Selbstständigkeit kostete: 2006 verleibte sich der Multi das Biotech-Unternehmen ein.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Brasilien:Aktivist ermordet
Als Sprecher der Gemeinde von Sãl João do Tomé und Präsident einer Vereinigung von kleinen LandwirtInnen hatte sich José Maria Filho (Zé Maria) unermüdlich gegen den Einsatz von Ackergiften auf den großen Plantagen engagiert und sogar ein Verbot von Sprühungen aus dem Flugzeug durchgesetzt. Das bezahlte er jetzt mit seinem Leben. Am 21. April 2010 erlag José Maria Filho den 19 Schuss-Verletzungen, die ihm Unbekannte beigebracht hatten.

Sonderzulassung für SANTANA
BAYERs Saatgut-Beize PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin hat vor zwei Jahren ein massives Bienensterben verursacht, weshalb in vielen Ländern Verbote erfolgten und hierzulande die Zulassung für Mais-Kulturen einstweilen ruht. Der Leverkusener Multi leugnet jedoch den Zusammenhang. Er führt stattdessen technische Fehler beim Beiz-Prozess, veraltete Sämaschinen und das Wirken der Varroa-Milbe als Gründe für die Dezimierung der Bienenvölker an und drängt auf Wiederzulassung des Giftes. Im Frühjahr errang der Konzern einen Teil-Erfolg. Die Behörden erteilten BAYERs Clothianidin-Granulat SANTANA eine - zeitlich und regional begrenzte - Sondergenehmigung. Das alarmierte den DEUTSCHEN IMKERBUND. Er forderte, den Einsatz von Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide wie SANTANA oder PONCHO zu unterbinden, „solange ein Schutz der Bienen nicht gewährleistet ist“.

ImkerInnen warnen vor PROTEUS
Die BAYER-Insektizide PONCHO und GAUCHO haben Millionen Bienen den Tod gebracht. Von dem neuen, ebenfalls zur Gruppe der Neonicotinoide gehörenden Mittel PROTEUS mit den Wirkstoffen Thiacloprid und Deltamethrin befürchten die BienenzüchterInnen vom französischen Verband UNAF deshalb wieder das Schlimmste. „Es besteht aus zwei für Bienen gefährlichen Substanzen“, stellt die Imkerin Sophie Dugué fest und kritisiert die Zulassungsbehörden des Landes für ihre Entscheidung, das Pestizid zu genehmigen.

Deutschland: große Bienenverluste
Der Imker Manfred Gerber hat auf der letzten BAYER-Hauptversammlung dargelegt, wie dramatisch das Bienensterben im letzten Winter verlief. In der Bundesrepublik sind zwischen 30 und 60 Prozent der Bienenvölker verendet - 20 bis 50 Prozent mehr als üblich. Wie der DEUTSCHE IMKERBUND forderte Gerber deshalb das Verbot aller Ackergifte auf Neonicotinoid-Basis wie BAYERs PONCHO, GAUCHO und SANTANA, deren Gebrauch bislang nur eingeschränkt ist.

USA: große Bienenverluste
ImkerInnen verlieren immer viele Bienenstämme über den Winter. Dieses Mal lagen die Verluste unter denen der letzten beiden Jahre, jedoch immer noch mehr als 10 Prozent über dem Normalwert. Viele Bienenzüchter machen die Pestizide dafür verantwortlich; die BAYER-Mittel PONCHO und GAUCHO sind inzwischen berühmt-berüchtigt. Der größte Bienenzüchter des Bundesstaates Pennsylvania zog daraus die Konsequenz, mit seinen Bienen erstmals nicht mehr zur Orangen-Blüte nach Florida aufzubrechen. „Die Chemikalien, die sie dort benutzen, machen etwas, das das Immunsystem der Bienen zerstört“, so Dave Hackenberg.

Schweiz: große Bienenverluste
Im vorletzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Andere Länder reagierten hingegen nicht. Nach einem Massentod von Bienen in Österreich, Kroatien und Japan (Ticker 3/09) beklagten deshalb nun auch ImkerInnen in der Schweiz große Verluste.

Fischsterben in Australien
Vor anderthalb Jahren gingen Bilder von verendeten Fischen und solchen mit zwei Köpfen oder anderen Deformationen durch die australische Presse. Sie stammten vom Noosa-Fluss, der an große Nuss-Plantagen grenzt. Die dort ausgebrachten Pestizid-Mengen - unter anderem die auch in BAYER-Produkten verwendeten Wirkstoffe Endosulfan, Carbendazim und Beta-Cyfluthrin - galten sofort als Grund für das Fischsterben. Die Behörden untersagten den Gebrauch zwar nicht umgehend, gaben aber eine Untersuchung in Auftrag. Die Ergebnisse bestätigen nach Aussagen des beteiligten Wissenschaftlers Dr. Matt Landos jetzt den Anfangsverdacht. Allerdings herrscht unter den ForscherInnen keine Einigkeit. Die industrie-freundlichen unter ihnen führen andere Erklärungen an wie Hitzestress oder Sauerstoffmangel, weshalb der Abschlussbericht kaum zu einem eindeutigen Urteil kommen dürfte.

Wirkungslose Anti-Unkrautmittel
Der Dauer-Einsatz von Herbiziden auf den Feldern macht Unkräuter im Laufe der Zeit resistent gegen die Mittel. So können sich Ackerfuchsschwanz und Windhalm immer ungestörter ausbreiten. BAYERs ECONAL versagte bereits 2004 seinen Dienst, und nun tut sich auch ATLANTIS deutlich schwerer mit den Wildgräsern. Die über den Boden wirkenden Mittel CADOU und MALIBU zeigen ebenfalls deutliche Verschleiß-Erscheinungen. Die Aussicht auf ungehinderten Wildwuchs bezeichnete der Landwirtschaftskammer-Berater Dr. Manfred Bartels in dem Wochenblatt Land & Forst als „Horrorvision“. Eine „Verführung durch die modernen Möglichkeiten der Landtechnik und des Pflanzenschutzes“ machte er für die Misere verantwortlich.

Vereinfachte Biozid-Zulassung?
Die EU plant, die Zulassung von Haushaltsinsektiziden und anderen Bioziden zu vereinfachen und den VerbraucherInnenschutz im Namen des „Bürokratie-Abbaus“ den Industrie-Interessen zu opfern.

GENE & KLONE

Individuelle Krebstherapien
BAYER hat einen Kooperationsvertrag mit dem US-amerikanischen Biotech-Unternehmen PROMETHEUS unterzeichnet, weil die Firma ein Verfahren zur Bestimmung des Aktivitätszustandes von Tumor-Zellen entwickelt hat. Mit Hilfe dieser Technologie will der Leverkusener Multi seine Krebsmedikamente so veredeln, dass sie genau auf den Gesundheitszustand der PatientInnen abgestimmte Therapien ermöglichen.

Fast 6 Millionen Euro für BETAFERON
BAYERs gentechnisch hergestelltes BETAFERON gehört zu den Arzneien, die den Krankenkassen die größten Kosten verursachen. Die Ausgaben für das Multiple-Sklerose-Präparat lagen 2008 bei 5.852.470 Millionen Euro - nur für drei Medikamente mussten DAK & Co. mehr zahlen.

Mehr Gentechnik, mehr Pestizide
Entgegen den Behauptungen von BAYER & Co. senkt die grüne Gentechnik den Pestizid-Verbrauch nicht. Das ergab eine neue Studie von Charles Benbrook, einem ehemaligen Mitarbeiter des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums. Benbrook zufolge hat sich die verwendete Gift-Menge seit der Markteinführung gentechnisch manipulierter Pflanzen um 145.000 Tonnen erhöht. Die Wirksamkeit der Substanzen, welche die Hersteller gemeinsam mit den gegen sie resistenten Ackerfrüchten vermarkten, hat über die Jahre erheblich nachgelassen, weshalb die LandwirtInnen nach den Beobachtungen des Experten zusätzlich zu anderen Mitteln greifen müssen. Im Jahr 2008 brachten sie 28 Prozent mehr Agro-Chemikalien aus als ihre nicht auf die grüne Gentechnik setzenden KollegInnen.

BAYER & Co. gegen EU-Richtlinie
Bislang dürfen Ackerfrüchte-Importe in die EU-Länder keinerlei Spuren von Gentech-Pflanzen ohne Brüsseler Zulassung aufweisen. Diese Regelung wollen Landwirtschaftsverbände und Agro-Multis allerdings kippen. Sie verweisen auf massive Engpässe in der Futtermittel-Versorgung, vor allem weil die US-FarmerInnen nicht mehr für ihr Soja bürgen können, und warnen vor Preis-Steigerungen für Nahrungsmittel. Beweise bleiben sie allerdings schuldig. Sogar das Fachblatt Agra-Europe muss festzustellen, dass die „von Brüssel gefahrene ‚Nulltoleranz-Politik‘ bisher keinen Niederschlag in den US-Statistiken findet; die amerikanischen Sojaschrot-Exporte sollen gegenüber 2008/09 sogar leicht steigen“. So hat die Kampagne zuvorderst den Zweck, die Marktchancen für die Risiko-Technologie zu erhöhen und image-schädigende Gen-GAUs künftig zu vermeiden. Der Skandal um den Supermarkt-Reis, in dem sich 2006 BAYERs noch nirgendwo zugelassene LL601-Sorten fanden, wäre dann nämlich von einem Tag auf den anderen keiner mehr.

Gentech-Zuckerrohr zu Agrosprit
Der Agrosprit-Boom nimmt immer mehr Ackerflächen in Anspruch und verdrängt so die Kulturpflanzen von den Feldern, weshalb die Preise für Nahrungsmittel steigen. BAYER profitiert seit längerem von der Situation. So bietet der Agro-Riese den Biosprit-Baronen mit dem Gentech-Raps INVIGOR maßgeschneiderte, besonders viel Öl produzierende Pflanzen an. Und jetzt bedient der Agro-Multi sich beim Agrosprit-Geschäft auch noch der Gentechnik. Gemeinsam mit dem brasilianischen „Zentrum für Zuckerrohr-Technologie“ will er gentechnisch manipulierte Zuckerrohr-Sorten entwickeln, die eine besonders gute Ernte versprechen und so in der Weiterbearbeitung besonders viel Biokraftstoff abwerfen.

WASSER, BODEN & LUFT

USA: BAYER Top-Luftverschmutzer
BAYER ist in den USA zum größten Luftverschmutzer aufgestiegen. Hatte der Leverkusener Multi in der letzten Liste des „Political Economy Research Institutes“ aus Massachusetts noch den vierten Rang eingenommen, so arbeitete er sich nun bis zur Top-Position vor. 326,6 Tonnen Schadstoffe blies der Multi 2009 in die Luft und 4.028 Tonnen ließ er verbrennen. Aber nicht die absoluten Zahlen gaben den Ausschlag, da lagen nämlich einige Konzerne noch vor BAYER. Die WissenschaftlerInnen bewerteten stattdessen das von den Hinterlassenschaften ausgehende Gesundheitsrisiko - und hier konnte keiner den Pharma-Riesen übertrumpfen. Ausschlaggebend dafür waren wieder einmal die Produktionsanlagen in Baytown, die den Müll-Öfen Jahr für Jahr mehr als 1.000 Tonnen des krebserregenden Stoffes Toluylen-Diamin (TDA) zuführen.

BAYER Top-Wasserverbraucher
209 Millionen Kubikmeter Wasser verbrauchen BAYERs Produktionsstätten in Nordrhein-Westfalen jährlich. Das hatte im letzten Herbst eine Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ergeben. Wie groß der Durst des Brunsbütteler Werkes ist, brachte die CBG im Frühjahr 2010 in Erfahrung: fast 30 Millionen Kubikmeter.

Neue TDI-Produktionsanlage
Die Produktion des Kunststoffes Toluoldiisocyanat (TDI) stellt ein großes Sicherheitsrisiko dar, da zu seiner Herstellung das Ultragift Phosgen benötigt wird. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat angesichts zahlreicher Störfälle mit Phosgen-Austritt immer wieder auf die Gefährdungen aufmerksam gemacht. Bei den Plänen zu einer neuen TDI-Anlage in Dormagen berücksichtigt BAYER diese Bedenken teilweise. Der Leverkusener Multi will die Fertigungsstätte einhausen und die Wände mit Sensoren versehen, die bei minimalsten Phosgen-Emissionen anschlagen. Aber gebannt hat er die Gefahr damit noch nicht. So kam es Ende 2009 in der Pilotanlage zu einer Freisetzung von Phosgen (Ticker 4/09). Zudem finden sich in den Unterlagen zu dem Vorhaben, die der Konzern der Bezirksregierung vorlegte, keine detailliertere Angaben zum Schadstoff-Ausstoß und zur Beschaffenheit der Produktionsrückstände, wie die Coordination in einer Stellungnahme kritisierte. Auch forderte sie mit Verweis auf eine Explosion im Baytowner TDI-Werk Informationen darüber, wie das Unternehmen künftig die Entstehung von Überdruck im Reaktor zu verhindern gedenkt.

EU-Bodenschutz-Richtlinie blockiert
Die Industrie-Produktion und das, was davon übrig bleibt, setzt den Böden immens zu. Die Konzerne haben gemeinsam mit der Landwirtschaft allein in Europa ca. 3,5 Millionen Grundstücke verunreinigt. Beim aktuellen BAYER-Sanierungsfall „Wolfenbüttel“ wird es nach Schätzungen von ExpertInnen noch ca. 50 Jahre dauern, die Hinterlassenschaften des stillgelegten Werkes zu beseitigen (SWB 1/10). Wegen dieser bedrohlichen Lage sah die EU bereits vor einiger Zeit Handelsbedarf und bereitete eine Bodenschutz-Richtlinie vor. Aber die Multis liefen Sturm gegen die Regelung und hatten Erfolg. Die Bundesrepublik legte im März 2010 zusammen mit vier anderen Ländern ein Veto ein und blockierte damit das Paragrafen-Werk wieder einmal.

Hauxton bereitet Kopfschmerzen
Im englischen Hauxton nahe Cambridge hinterließ der Global Player nach der Schließung eines Pestizid-Werkes verbrannte Erde: jede Menge Altlasten im Boden und im Grundwasser. Jetzt will der Investor HARROW ESTATES trotz der Proteste vieler AnwohnerInnen auf dem verseuchten Gelände eine Wohnsiedlung errichten. Erst nach massivem Druck erklärte das Unternehmen sich zu grundlegenden Sanierungsmaßnahmen bereit. Diese bereiten den HauxtonerInnen nun im wahrsten Sinne des Wortes Kopfschmerzen. Was die Aushub-Arbeiten zu Tage fördern, stinkt nämlich erbärmlich und löst bei vielen Menschen Kopfschmerzen, Rachen-Entzündungen und Atemprobleme aus.

Klimawandel im Geschäftsbericht
In den USA findet der Klimawandel Eingang in die Geschäftsberichte der Konzerne. Die Börsenaufsicht SEC hat BAYER & Co. aufgefordert, mögliche Auswirkungen der Erderwärmung auf die Unternehmenspolitik in ihre Bilanzen aufzunehmen. Wenn nämlich ein Multi etwa besonders viel klima-schädigendes Kohlendioxid ausstößt wie BAYER mit derzeit 7,57 Millionen Tonnen pro Jahr, dann muss er mit umweltpolitischen Maßnahmen rechnen, welche die Gewinne schmälern könnten.

Vassiliadis für Kohlekraftwerke
Michael Vassiliadis, der Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE, hat sich für den Bau von Kohlekraftwerken ausgesprochen und sich damit hinter entsprechende Planungen BAYERs für den Krefelder Chemie„park“ gestellt. Der Kohlendioxid-Ausstoss ist für den Gewerkschaftler kein Problem, da setzt er auf die unterirdische Speicherung, obwohl die Technologie sich noch nicht einmal in der Erprobungsphase befindet.

Antwerpen gegen Kohlekraftwerk
Der Energie-Riese EON plant auf dem Antwerpener Werksgelände von BAYER das größte Kohlekraftwerk der Benelux-Staaten zu errichten. Es kann 1.100 Megawatt Strom im Jahr produzieren - und sechs Millionen Tonnen Kohlendioxid, nicht weniger als zehn Prozent des Gesamtaufkommens in Belgien. Dazu will es der Rat der Stadt aber nicht kommen lassen. Er hat sich wegen der Emission klimaschädlicher Gase und gesundheitsgefährdender Stoffe gegen das Mammutprojekt ausgesprochen.

BAYER gegen Kohlekraftwerk
Ursprünglich wollte der Pharma-Riese in Krefeld den Energiebedarf nicht mit einem Kohlekraftwerk, sondern umweltpolitisch korrekt mit einer Dampf/Kraft/Wärme-Koppelungsanlage decken. „BAYER plant mittelfristig die Errichtung einer Dampf/Kraft/Wärme-Koppelung am Standort Uerdingen“, kündigte die Firma WINGAS in einem Antrag zum Bau von Leitungen an, welche das dafür erforderliche Gas liefern sollten. Aber ein Großteil der Pipelines wurden nie verlegt. Der Leverkusener Multi gab das Projekt nämlich aus Kostengründen auf und setzte auf die etwas billigere und mehr als nur etwas umweltschädlichere Kohlekraft. Heute will der Konzern von den Plänen nichts mehr wissen und leugnet den Zusammenhang von Gas-Verbund und Kraft/Wärme-Koppelung. Das Vorhaben sei nur eines von acht Argumenten für die Leitung gewesen, behauptet Mark Mätschke von der BAYER-Tochter CURRENTA, und für die künftige Energie-Versorgung hätte es damals sogar 19 Optionen gegeben.

Eine Millionen Tonnen CO2 mehr
BAYER hat in den USA eine Salpetersäure-Anlage gekauft, die der Klima-Bilanz teuer zu stehen kommt: Sie stößt im Jahr eine Millionen Tonnen Kohlendioxid aus.

Quecksilber-Ausstoß: 77 Kilogramm
BAYER gehört zu den letzten Chlor-Herstellern, die noch das veraltete Amalgam-Verfahren einsetzen. Nicht zuletzt deshalb fallen hohe Quecksilber-Emissionen an. Im Jahr 2008 betrug der Ausstoß des gefährlichen Schwermetalls 77 Kilogramm, ca. 74 Kilogramm in die Luft und drei Kilogramm in die Gewässer. Nach einer Kleinen Anfrage der Grünen, zu der eine Presse-Information der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN den Anstoß gegeben hatte, musste der Leverkusener Multi die von ihm bislang als vertraulich eingestuften Werte preisgeben. Ob sich die Quecksilber-Bilanz stark verbessert, wenn der Konzern wie angekündigt seine Technologie zur Chlor-Produktion umstellt, bleibt abzuwarten.

Wasserverschmutzer BAYER
Die nordrhein-westfälische Landesregierung beantwortete eine Kleine Anfrage der Grünen (s. o.) und listete auf, was BAYER MaterialScience allein in Krefeld so alles in die Gewässer eingeleitet hat: 100 Kilogramm Stickstoff, 8 Kilogramm Arsen, 105 Kilogramm Chrom, 239 Kilogramm Kupfer, 58 Kilogramm Nickel, 51,5 Kilogramm Blei, 639 Kilogramm Zink (jeweils inklusive Stoff-Verbindungen), sowie 493 Kilogramm Dichlormethan, 3.000 Kilogramm halogenierte organische Verbindungen wie Chlor, Brom und Jod und 133.777 Kilogramm organischen Kohlenstoffs allein im Jahr 2008.

BAYER & Co. wollen AKW-Profite
BAYER & Co. haben ausgerechnet, was den Stromriesen die Laufzeit-Verlängerung für ihre 17 Atomkraftwerke an Extra-Profiten bringt: 66 bis 84 Milliarden Euro. Und von diesem Kuchen wollen die Konzerne etwas abhaben. Mit Verweis auf die im Vergleich zur europäischen Konkurrenz angeblich höheren Energie-Kosten erhebt der bei BAYER für Energie-Politik zuständige Wilfried Köplin Ansprüche auf einen Preis-Nachlass: „Wir erwarten keinen vollständigen Ausgleich unserer Mehrbelastung, sondern eine signifikante Milderung unseres Standort-Nachteils“.

Bt-Gift in Gewässern
BAYER & Co. bauen in ihre Gentech-Pflanzen gern den giftigen Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Allerdings bleibt das Toxin nicht an seinem Bestimmungsort. Wie US-ForscherInnen herausfanden, wird es oft vom Winde verweht und gelangt so in Gewässer, wo es Fische und andere Lebewesen gefährdet. Auch das „Bundesamt für Naturschutz“ und das Land Brandenburg haben die Gefahr erkannt und wollen die Wasserverschmutzung durch Genmais-Streu nun untersuchen.

Radioaktiver Müll von BAYER
Im Pharma-Bereich arbeitet der Leverkusener Multi auch mit radioaktivem Material. Er setzt es beispielsweise bei bildgebenden Diagnose-Verfahren als Marker ein oder verwendet es bei der Therapie von Erkrankungen des Lymphsystems zur Zerstörung befallener Zellen. Am Standort Berlin fielen auch bei Umbau-Maßnahmen strahlende Abfälle an. Die Produktionsrückstände des Konzerns landen regelmäßig im „Helmholtz-Zentrum für Material und Energie“, das dem Land Berlin als Zwischenlager dient, bis es in Salzstöcken verschwindet

Müllkraftwerk in Bitterfeld
Müll heißt jetzt „erneuerbare Energie“ - jedenfalls bei BAYER & Co.. Sie führen ihre Produktionsrückstände nämlich neuerdings gerne Müllkraftwerken zu und nennen das „thermische Verwertung“, weil dabei ein wenig nutzbare Wärme-Energie entsteht. In viel größeren Mengen entstehen jedoch chlorierte Kohlenwasserstoffe, Schwefeldioxid, Kohlendioxid, Feinstaub und andere Substanzen. Aber den Leverkusener Multi stört das nicht. Er betreibt in Brunsbüttel ein Müllkraftwerk, befeuert eines in Bitterfeld und plant in Dormagen ein neues.

CO & CO.

Neue CO-Anlage
Der Leverkusener Multi will in Dormagen eine Kohlenmonoxid-Anlage bauen, um den durch die Erweiterung der TDI-Produktion erhöhten Bedarf zu decken (s. o.). Warum er eine solche nicht auch in Krefeld errichtet und stattdessen eine 67 Kilometer lange Pipeline quer durch Nordrhein-Westfalen legt, weiß nur der Konzern allein. Zudem wird mit dem neuesten Vorhaben BAYERs Argumentation in Sachen „CO-Leitung“ hinfällig. „Bislang wurde das ganze Projekt damit gerechtfertigt, dass die Überschüsse, die in Dormagen entstehen, in der Uerdinger Kunststoff-Produktion dringend benötigt würden und deshalb dorthin geleitet werden müssten. Jetzt braucht man in Dormagen plötzlich mehr CO, als dort zur Zeit überhaupt anfällt. Warum dann noch eine CO-Transportleitung nach Uerdingen mit den unkalkulierbaren Risiken“, fragt Dieter Donner, Koordinator der Anti-Pipeline-Initiativen.

Landtag für CO-Pipeline
Auf Antrag der Grünen stimmte der nordrhein-westfälische Landtag Ende März 2010 nochmals über BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline ab. Eine mega-große Koalition aus CDU, SPD und FDP befürworteten den Bau der 67 Kilometer langen Leitung von Dormagen nach Krefeld. Allerdings gab es ein paar Abtrünnige: Vier CDU-Abgeordnete aus dem Kreis Mettmann und vier SPD-Abgeordnete aus Duisburg gesellten sich zu den Grünen und der Linkspartei und lehnten das Projekt ab.

Bombenreste gefunden
Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte der Firma WINGAS als Bauherr von BAYERs umstrittener Kohlenmonoxid-Pipeline vorgeschrieben, den Boden vor Beginn der Verlegungsarbeiten mit Detektoren nach Fliegerbomben und anderen Kampfmitteln zu durchsuchen. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung jedoch nur unvollständig nach, obwohl es schon bei der oberflächigen Untersuchung auf zwei Brandbomben gestoßen war. So begann die Überprüfung erst Ende 2009 - und fördert immer wieder Bedenkliches zu Tage. So gesellten sich im April 2010 den bisherigen Funden - zwei Granaten und zwei 10-Zentner-Blindgänger - zwei Bombenreste und ein Maschinengewehr hinzu.

Feuerwehr kritisiert Sicherheitskonzept
Das „Worst Case Scenario“ des Leverkusener Multis für einen Pipeline-Unfall stößt auf massive Kritik. Die Hochrechnungen zum möglichen Umfang eines Gas-Austrittes kalkulieren extreme Wetterlagen nicht ein, monierte René Schubert von der Ratinger Feuerwehr. Nebelbänke etwa könnten der CO-Wolke zu einer größeren Ausdehnung als 800 Meter verhelfen, gab er zu bedenken. Um dieser zu Leibe zu rücken, haben die Einsatzkräfte dem Experten zufolge nur eine Viertelstunde Zeit - länger schützen die Gas-Masken nicht. Der Konzern hatte eine Stunde zugrunde gelegt, moderne Geräte sollten das nach Ansicht von BAYERs Pipeline-Beauftragtem Werner Breuer ermöglichen. Nur leider seien diese noch gar nicht zugelassen, erklärte Schubert. Auch die mangelhafte Ausstattung der Schieberstationen prangerte er an, so habe das Unternehmen aus Kostengründen auf die Installation von Windmessern verzichtet, weshalb die Feuerwehr bei einem GAU auf den Wetterdienst angewiesen sei. Wolfgang Cüppers von den Pipeline-GegnerInnen der IG ERKRATH reichen die Vorsorge-Maßnahmen ebenfalls nicht. Wenn ein Leck entsteht, machen die Schieberstationen zwar die Schotten dicht und schneiden das betroffene Segment von weiterer CO-Zufuhr ab, allerdings tun sie das nicht automatisch, so Cüppers. Ein BAYER-Beschäftigter müsste erst den Mechanismus auslösen, wodurch im Ernstfall wertvolle Zeit verloren ginge, beanstandete er.

STANDORTE & PRODUKTION

BAYER-Hochhaus keine Leuchte
Der Leverkusener Multi hatte vor, sein altes Verwaltungshochhaus mittels 5,6 Millionen Leuchtdioden zur weltgrößten Medienskulptur umzurüsten, aber „es ward Licht“ will es partout nicht heißen. „Spannungsspitzen“ ließen die Dioden durchbrennen - und zwar gleich reihenweise. Auf Ersatz aus dem fernen Japan wartete BAYER drei Monate lang, und dann begannen erst einmal die Trockentests. Diese verliefen negativ, weshalb der Konzern jetzt alle Lichter austauschen muss. Mit dem großen Kino, das „faszinierende Bildwelten aus der Wissenschaft“ erschließt, dürfte es also noch eine Weile dauern. Einstweilen bleibt das Gebäude ein Geisterhaus. Zur Freude des Klimas, denn die Lichtkunst frisst 1.800 Kilowattstunden Strom pro Tag.

Krefeld: Neue Chlor-Produktion
Während viele mittelständische Betriebe ihre Chlor-Herstellung bereits seit einiger Zeit auf das Membran-Verfahren umgestellt haben, bei dem kein giftiges Quecksilber als Produktionsrückstand mehr anfällt, sperrte BAYER sich lange gegen die Neuerung. Aber mit Subventionen vom Forschungsministerium konnte der Leverkusener Multi jetzt auch die Veränderung stemmen und kündigte die Errichtung einer Fertigungsstätte an. Dafür hat der Konzern gemeinsam mit dem Anlagenbauer UHDE und der RWTH Aachen das Membran-System mittels Sauerstoff-Verzehrkathoden so weiterentwickelt, dass zur Einspeisung des zur Elektrolyse benötigten Sauerstoffs weniger Energie erforderlich ist als bisher üblich.

Öl-Kosten: 1,3 Milliarden Euro
Die zur Neige gehenden fossilen Rohstoffe machen den Unternehmen zunehmend Sorge, weshalb ihr Druck auf die Politik zunimmt, die Ressourcen-Versorgung sicherzustellen, notfalls auch militärisch (SWB 1/10). Der Leverkusener Multi kann seinen Bedarf noch ca. 20 Jahre decken, prognostizieren die Konzern-StrategInnen. Er muss aber schon jetzt beträchtliche finanzielle Mittel dafür aufwenden. Nach Angaben von BAYER-Chef Werner Wenning auf der diesjährigen Hauptversammlung gab der Konzern im Geschäftsjahr 2009 1,3 Milliarden Euro für Öl aus.

IMPERIUM & WELTMARKT

Der Osten leuchtet
Für BAYER & Co. leuchtet der Osten. Auf der „Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft“, an der auch BAYER-VertreterInnen teilnahmen, sprachen die Manager angesichts der steigenden Exporte in diese Weltregion von einem „pazifischen Jahrhundert“. Um dafür gerüstet zu sein, müssten die Konzerne jedoch noch an ihrer Wettbewerbsfähigkeit feilen, so Monika Stärk vom „Ostasiatischen Verein“. Das „Jahrhundert der Beschäftigten“ dürfte das 21. angesichts der damit verbundenen Rationalisierungsmaßnahmen also kaum werden.

Condon neuer Chef von BAYER VITAL
Der Leverkusener Multi hat den Iren Liam Condon zum neuen Chef von BAYER VITAL ernannt. Er löst damit Hans-Joachim Rothe ab, der die Sparte für frei verkäufliche Arzneimittel seit 1999 geleitet hatte und zum Jahreswechsel in den Ruhestand trat.

Kooperation mit PROMETHEUS
BAYER hat mit dem US-amerikanischen Biotech-Unternehmen PROMETHEUS einen Kooperationsvertrag unterzeichnet (siehe GENE & KLONE).

BAYER kauft ARTIFICIAL MUSCLE
Der Leverkusener Multi hat die US-Firma ARTIFICIAL MUSCLE übernommen

[Ticker] STICHWORT BAYER 01 2010 Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Proteste wg. DYSTAR-Insolvenz
Den aus der BAYER-Familie verstoßenen Firmen blüht zumeist ein schweres Schicksal. AGFA, DYNEVO und TANATEX warten immer wieder mit harten Einschnitten für die Beschäftigten auf, und der Farbstoffproduzent DYSTAR musste im letzten Jahr sogar Insolvenz anmelden. Es gibt mit dem chinesischen Unternehmen HUBAI CHUYAN und dem indischen Konzern KIRI DYES zwar zwei Kauf-Interessenten, aber die Verhandlungen gestalten sich unter anderem wegen der hohen Pacht, die DYSTAR für ihre Gebäude an die BAYER-Abspaltung LANXESS zu zahlen hat, schwierig. Auf dem Internetforum des Leverkusener Anzeigers werfen LeserInnen BAYER unterlassene Hilfeleistung vor. „Ja, es ist soweit, die nächste Firma ist durch Inkompetenz und blauäugiges Denken in den Ruin getrieben worden. Und wer rührt sich nicht und bietet Hilfe an? Jawohl, unsere ehemalige Mutter, die BAYER AG“, schreibt ein „John Jay“ und bezeichnet die letzten beiden Vorstandsvorsitzenden, Manfred Schneider und Werner Wenning, als „Totengräber der BAYER-Familie“.

Proteste wg. MIRENA
Zu den unerwünschten Arznei-Effekten von BAYERs Hormonspirale MIRENA zählen unter anderem Brustkrebs, Herz/Kreislauf-Krankheiten, Bauchhöhlen-Schwangerschaften, Zysten, Zyklusstörungen und Zwischenblutungen. In den USA haben MIRENA-Opfer deshalb eine Unterschriften-Kampagne durchgeführt und eine Liste mit 1.500 Unterzeichnerinnen an die US-Gesundheitsbehörde FDA gesandt, um Maßnahmen einzufordern. Auch in der Bundesrepublik steht das Verhütungsmittel zunehmend in der Kritik. So finden sich auf der Webseite www.hormonspirale-forum.de zahlreiche Berichte über Risiken und Nebenwirkungen.

Neonicotinoid-Verbot gefordert
BAYERs zur Gruppe der Neonicotinoide gehörende Saatgutbehandlungsmittel PONCHO und GAUCHO haben bereits Millionen Bienen den Tod gebracht. Deshalb erließen viele Länder Anwendungsbeschränkungen. Dem französischen Imker-Verband „Fédération Française des Apiculteurs Professionels“ gehen diese jedoch nicht weit genug. Er fordert ein Komplett-Verbot aller Neonicotinoide.

PAN fordert Chlorpyrifos-Stopp
Pestizide sind für Neugeborene in besonderem Maße schädlich, weil ihr Abwehrsystem erst noch heranreift. Normalerweise ist dieser Prozess mit zwei Jahren abgeschlossen. Nach einer Studie der Berkeley-Universität gibt es jedoch auch Kinder, die noch im Alter von sieben Jahren nicht über eine ausreichende Menge des Entgiftungsenzyms Paraoxonase 1 verfügen. Kommen diese mit der Agrochemikalie Chlorpyrifos in Kontakt, die unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER enthalten ist, so steigt ihr Vergiftungsrisiko gegenüber den Altersgenossen mit voll entwickelter Immunabwehr um das 50-164fache. Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) fordert deshalb ein Verbot von Chlorpyrifos.

CBG: Stopp für Klasse-1-Pestizide!
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat eine neue Kampagne gestartet, um den Leverkusener Multi dazu zu veranlassen, endlich seine Zusage zu erfüllen und alle Pestizide der Gefahrenklasse 1 vom Markt zu nehmen. Bereits im Geschäftsbericht des Jahres 1995 hatte der Agro-Riese nämlich angekündigt: „Mit einem Drei-Punkte-Programm haben wir uns hinsichtlich Forschung, Entwicklung und Vertrieb der Pflanzenschutz-Produkte klare Ziele für die kommenden fünf Jahre gesetzt. So werden wir die eingesetzte Produktmenge je Anwendung noch weiter reduzieren und Produkte der WHO-Toxizitätsklasse 1 schrittweise durch Präparate mit geringerer Giftigkeit ersetzen“. Dieses Versprechen hat der Konzern nicht gehalten. Er stellte zwar die Produktion von Parathion, Monocrotophos, Oxydemeton-methyl und Endosulfan ein, vertreibt aber bis heute Thiodicarb, Disulfoton, Triazophos, Fenamiphos und Methamidophos. „Durch die Einstellung des Verkaufs aller Wirkstoffe der obersten Gefahrenklasse ließe sich die Zahl der Vergiftungen signifikant verringern“, so begründete Philipp Mimkes vom CBG-Vorstand die Forderungen.

Mahnwache gegen Kohlekraftwerk
Gegen den geplanten, aber noch nicht endgültig genehmigten Bau eines Kohlekraftwerkes auf dem Gelände des Krefelder Chemie‚parks‘ von BAYER erhebt sich entschiedener Widerstand. Die GegnerInnen des Projektes weisen nicht nur auf den Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen hin, sondern auch auf die Belastungen durch Feinstaub, Schwermetalle und Radioaktivität. Um dem Protest zu begegnen, hat TRIANEL als Bauherr des Kraftwerks in der Stadt ein Informationsbüro eingerichtet. Bei der Eröffnung erhielt es gleich unliebsamen Besuch. Die Initiative KEIN STEINKOHLEKRAFTWERK IN KREFELD UERDINGEN! hielt vor den Türen eine Mahnwache ab und bekam dabei prominente Unterstützung durch die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn.

AOK kritisiert Gesundheitspolitik
Die neue Bundesregierung macht Gesundheitspolitik ganz im Sinne von BAYER & Co.. So gestattet sie Big Pharma trotz gegenteiliger Ankündigungen weiterhin, die Preise für neue Pillen selber festzulegen und kündigt eine Deregulierung des Arzneimittelmarktes an (siehe SWB 4/09). Dieses Vorgehen stellt die Krankenkassen vor massive Probleme. Die AOK erwägt bereits Zusatzbeiträge und übt Kritik an CDU und FDP. „Ausgerechnet die Koalition, die mehr Wettbewerb fordert, schont Pharma-Hersteller und betreibt Klientelpolitik“, protestierte Winfried Jacobs, Chef der AOK Rheinland/Hamburg.

Wollheim-Uni macht weiter
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, einen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen ermöglichte. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Im Zuge des Bildungsstreiks jedoch knüpften Studierende an die alte Idee an. Sie besetzten das Casino-Gebäude und benannten die Alma Mater symbolisch in „Norbert Wollheim Universität“ um. Die Hochschulleitung ließ das Casino räumen, aber die StudentInnen machen weiter und halten unter dem Namen „Norbert Wollheim Universität“ regelmäßig Workshops ab.

Beschwerde in Endlosschleife
1999 hatten sich BAYER und andere Multis am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums im „Global Compact“ dazu bekannt, soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einzuhalten. Nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verstieß der Leverkusener Multi mit der Beinah-Katastrophe in Institute und dem nachfolgenden Katastrophen-Management aber gegen die Regularien des an die UN angebundenen Industrie-Zusammenschlusses. Deshalb forderte die Coordination den Ausschluss. Der „Global Compact“ legte dar, dass er über keinerlei Mandat verfügt, die Einhaltung seiner Prinzipien zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen auszusprechen. Nur einen Dialog moderieren könne er. Diesen Job sollte die bundesdeutsche Dependance übernehmen. Trotz Einspruches von Seiten der CBG machte die New Yorker Direktion jetzt bereits zum zweiten Mal diesen Vorschlag - vergeblich. Die Coordination besteht weiterhin darauf, den Fall statuten-gemäß im Leitungsgremium zu verhandeln.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER ändert Vorstandsvergütung
Im Jahr 2009 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur ManagerInnen-Vergütung, um die schlimmsten Exzesse einer an kurzfristigen Gewinnen orientierten Wirtschaft zu unterbinden. In der Folge musste auch der Leverkusener Multi ein neues System zur Honorierung seiner Vorstände einführen. Viel ändert sich jedoch nicht.
Immer noch machen die fixen Bezüge nur 30 Prozent des Gehaltes aus, der Rest ist erfolgsabhängig. Die Basis für die Berechnung dieses Erfolges bleibt der Aktien-Kurs, nur der Berechnungszeitraum ändert sich. Er umfasst eine längere Periode der Unternehmensentwicklung, weshalb BAYER sich dafür selbst das Prädikat „Nachhaltigkeit“ verleiht.

108.400 BAYER-Beschäftigte
Im Geschäftsjahr 2009 hatte der Leverkusener Multi 108.400 Belegschaftsangehörige und damit 200 weniger als 2008.

Kaum Frauen in Führungspositionen
Der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist bei BAYER gering. Er beläuft sich auf 5,5 Prozent.

BAYER gemeindet JENAPHARM ein
Bisher haben sowohl BAYER VITAL als auch JENAPHARM das Segment „Frauengesundheit“ bei BAYER abgedeckt. Nun plant der Leverkusener Multi eine Umstrukturierung. JENAPHARM soll stärker unter das Dach von BAYER VITAL rücken und nur noch Verhütungsmittel und Präparate für Schwangere selbst vermarkten. Mit dem Umbau gehen Arbeitsplätze in den Bereichen „Marketing“, „klinische Forschung“, „Außendienst“ und „Geschäftsentwicklung“ verloren.

Arbeitsplatzvernichtung in Krefeld
BAYERs 200 Millionen schweres Konzept zur Zukunftssicherung des Standortes Krefeld sichert nicht die Zukunft aller Beschäftigten, denn es ist mit der Vernichtung von 80 Arbeitsplätzen verbunden. Zudem stehen die Investitionen unter dem Vorbehalt von Betriebsgenehmigungen für die Kohlenmonoxid-Pipeline und für das im Chemie-„Park“ geplante Kohlekraftwerk (siehe auch Ticker 4/09).

BMS: Dekkers hält sich bedeckt
Der designierte BAYER-Chef Marijn Dekkers hält sich in Sachen „Zukunft der Kunststoff-Sparte“ bedeckt. „Für Aussagen ist es viel zu früh“, sagte der Holländer der Rheinischen Post. BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) sei „sehr wettbewerbsfähig“, habe aber stärker als der Pharma-Bereich unter konjunkturellen Schwankungen zu leiden, so der Zwischenstand von Dekkers‘ Analyse.

IG BCE will Personenwahlen
Im Vorfeld der im März 2010 stattfindenden Betriebsratswahlen bei BAYER gibt es einen Konflikt zwischen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und den oppositionellen Gewerkschaftsgruppen BASIS BETRIEBSRÄTE, BELEGSCHAFTSTEAM und KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT. Die IG BCE plädiert für eine Personenwahl, bei der die alternativen Gruppen ihre Kenntlichkeit verlieren würden, was auch Sinn der Übung ist. „Wir brauchen in der Opposition keine Opposition“, meint Gesamtbetriebsratsvize Oliver Zühlke. BELEGSCHAFTSTEAM & Co. teilen diese Ansicht jedoch nicht und lehnten den IG-BCE-Vorschlag ab.

Dialogreihe mit der IG BCE
Co-Management, wie es leibt und lebt: BAYER hat gemeinsam mit dem Betriebsrat und der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE eine Dialogreihe zum Thema „Chemie ist Zukunft“ veranstaltet, um etwas für die Zukunft umstrittener Projekte wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und dem Kohlekraftwerk in Krefeld zu tun. Und es blieb nicht bei dem einen Schulterschluss. Am Ende herrschte Dreieinigkeit, denn auch eingeladene Vertreter der Landesregierung erteilten die Absolution. „Die erstaunlichen Leistungen der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen sind ein Beispiel dafür, welche Kompetenz sie bei der Lösung von Problemen besitzt“, lobte Dirk Meyer vom „Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie“ in einem Monolog-Beitrag.

LANXESS rationalisiert
Zu den aus der BAYER-Familie verstoßenen Firmen mit einem schweren Schicksal zählt auch LANXESS, ehemals Teil der Chemie-Sparte des Leverkusener Multis. Im Zuge der Wirtschaftskrise verordnet sich das Unternehmen eine Schrumpfkur. Der Konzern hat das 360 Millionen Euro schwere Einspar-Programm „Challenge 09-12“ eingeführt, das viele Arbeitsplätze kosten dürfte.

Neuer Betriebskindergarten
Der Leverkusener Multi baut in Monheim eine neue Betreuungseinrichtung für Kinder, um seine Attraktion für Spitzenkräfte zu erhöhen. „Betriebskindergärten sind ein echter Standortfaktor geworden“, meint BAYER-CROPSCIENCE-Sprecher Utz Klages. Als sie das noch nicht waren, hat der Konzern alles dafür getan, sich die Krippen möglichst wenig kosten zu lassen. So hat er 1999 die vier Leverkusener Betriebskindergärten der Trägerschaft des Roten Kreuzes übergeben (Ticker 2/99) und dadurch jährlich ca. eine halbe Million Euro gespart. Die nicht mehr nach Chemie-Tarif bezahlten PädagogInnen mussten hingegen Einkommensverluste von bis zu 1.250 Euro monatlich hinnehmen.

Schneider mächtigster Aufsichtsrat
Der ehemalige BAYER-Boss Manfred Schneider ist mit Aufsichtsratschefsesseln beim Leverkusener Multi, bei RWE und LINDE sowie mit einfachen Mandaten bei DAIMLER und TUI der mächtigste bundesdeutsche Konzern-Kontrolleur. Sein Salär von 998.910 Euro kommt dem eines vollbeschäftigten Top-Managers dann auch ziemlich nahe, wie die „Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ konstatierte.

Wenning muss draußen bleiben
Bisher wechselten nicht nur bei BAYER scheidende Vorstandsvorsitzende routinemäßig in den Chefsessel des Aufsichtsrats. Diesen Altersruhesitz kann Werner Wenning jedoch nicht mehr beziehen - das im letzten Jahr verabschiedete Gesetz zur ManagerInnen-Vergütung macht‘s unmöglich. Wenning ist darüber sehr ungehalten, dass die Große Koalition Insider nicht mehr mit Kontrollaufgaben betrauen mochte und grollte in einem Interview: „Wieso sollte es schaden, wenn man etwas vom Geschäft versteht?“.

Beistandskassen-Versammlung unrechtmäßig
Die BAYER-Beistandskasse hatte 2007 Einschnitte beim Sterbegeld, das durchschnittlich ca. 6.000 Euro beträgt, vorgenommen (Ticker 3/08). Die Abschläge können bis zu 2.000 Euro - also ein Drittel der Summe - betragen. Die Mitgliederversammlung fällte diese Entscheidung faktisch ohne die Mitglieder, denn der Vorstand setzte diese nicht über den brisanten Tagesordnungspunkt in Kenntnis. So nahmen nur 26 Personen an der einstündigen Sitzung teil, die für die rund 90.000 Versicherten den Gewinnzuschlag in Höhe von 25 Prozent strich. Deshalb fochten einige Kassen-Angehörige den Beschluss an. Im Februar 2010 bekamen sie nun endgültig Recht zugesprochen. Weil die Beistandskasse nicht ordnungsgemäß zu der Versammlung eingeladen hatte, erklärte das Landgericht Köln die Beschlüsse von damals für ungültig. Jetzt prüft die Sterbekasse, ob sie die Mitglieder wieder über die Kürzungen abstimmen lassen muss.

Sieg für DYSTAR-Beschäftigten
21 DYSTAR-Beschäftigte hatten im letzten Jahr per Aufhebungsvertrag eingewilligt, gegen Zahlung einer Abfindung in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Dann meldete die ehemalige BAYER-Tochter (siehe auch AKTION & KRITIK) Insolvenz an. Während ihre Ex-KollegInnen wenigstens noch Konkurs-Ausfallgeld erhielten, gingen die 21 komplett leer aus. Einer von ihnen klagte dagegen und bekam vom Opladener Arbeitsgericht auch Recht zugesprochen.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien als Arzneitest-Ressource
„Auch als Ressource wird Indien für die Pharma-Sparte interessant: Sie lässt dort bereits sechs neue Medikamente testen“, vermeldete die Financial Times Deutschland einmal über BAYERs Engagement in dem Staat. Ein Entwicklungsland als Ressource, das charakterisiert die gängige Praxis bei den Arznei-Prüfungen ganz gut. BAYER & Co. haben in den westlichen Staaten nämlich zunehmend Schwierigkeiten, noch genügend risiko-bereite ProbandInnen für ihre Neuschöpfungen zu finden und profitieren in vielfacher Hinsicht vom Outsourcing. Sie gelangen leichter und für viel weniger Geld an Versuchspersonen, die dann auch noch weniger Fragen stellen, weil sie oftmals die Verträge gar nicht lesen können und einfach ihren ÄrztInnen vertrauen. Zudem gibt es nicht so strenge Vorschriften für die Durchführung der Erprobungen wie beispielsweise in der Bundesrepublik. „Als Indiens Vorteil“ stellt das die in Mumbai ansässige IGATE CLINICAL RESEARCH INTERNATIONAL heraus, die Tests aller Art anbietet. Also insgesamt glänzende Aussichten für BAYER.

EU betreibt Patent-Politik
Seit die Verhandlungsrunden der Welthandelsorganisation WTO zur weiteren Liberalisierung des Welthandels gescheitert sind, betreibt die EU eine eigene Marktöffnungspolitik im Dienste von BAYER & Co. Beim Thema „Patente“ geht sie dabei sogar noch über das berühmt-berüchtigte TRIPS-Abkommen der WTO hinaus. Wie zuvor schon in den Verhandlungen mit Kolumbien (Ticker 2/09) drängt die Europäische Union auch bei den Gesprächen mit Indien auf eine Verlängerung der Patentlaufzeiten für Medikamente von 20 auf 25 Jahre. Zudem will sie die Daten von Arzneitests unter Verschluss halten. Mit all dem unterstützt die EU das Ansinnen von Big Pharma, Indiens Pillen-Industrie zu schwächen, deren preiswerte Nachahmer-Medikamente dem Land den Ruf einer „Apotheke der Dritten Welt“ eingebracht haben. Der Leverkusener Multi hatte im letzten Jahr sogar einen Prozess gegen den Hersteller CIPLA und die Genehmigungsbehörde geführt, um die Zulassung einer Generika-Version seines Krebsmittels NEXAVAR zu verhindern, was allerdings scheiterte (SWB 3/09).

BAYER spendet LAMPIT
BAYER stellt der Weltgesundheitsorganisation WHO 400.000 LAMPIT-Tabletten zur Verfügung, die in Kombination mit Eflornithin-Präparaten zur Behandlung der Schlafkrankheit zum Einsatz kommen. „Im Rahmen seines sozialen Engagements will BAYER einen weiteren wichtigen Beitrag im Kampf gegen Tropenkrankheiten leisten“, mit diesen Worten begründet der Konzern die Reaktivierung seines Medikamentes, dessen Produktion er 1997 schon eingestellt hatte, weil die besonders in Südamerika verbreitete Infektionskrankheit Chagas als Anwendungsgebiet nicht mehr genug Profit versprach. Das Handelsblatt spricht bei solchen milden Gaben mit Blick auf den Image-Gewinn allerdings von „wohl kalkulierter Großzügigkeit“, und für Hilfsorganisationen wie ÄRZTE OHNE GRENZEN können sie dringend notwendige strukturelle Reformen wie eine Verbilligung der Arzneien für Länder der „Dritten Welt“ nicht ersetzen.

KONZERN & VERGANGENHEIT

BAYER 04 als Wende-Profiteur
BAYERs Werksfußball-Club hatte die DDR bereits in den 80er Jahren als Spieler-Reservoir entdeckt. Wie aus Stasi-Unterlagen hervorgeht, beobachtete er mit Hilfe des in die Bundesrepublik geflohenen Trainers Jörg Berger DDR-Kicker bei Auswärtsspielen und verleitete geeignete Kandidaten wie Falko Götz oder Dirk Schlegel zur Republikflucht (Ticker 3/00). Und im Herbst 1989 angelte sich der Verein postwendend Heiko Scholz, Andreas Thom und Ulf Kirsten. BAYER Leverkusen hätte auch gerne Matthias Sammer verpflichtet, aber da war der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl vor. Er fürchtete, die rücksichtslos betriebene Schnäppchenjagd könnte dem Image des Multis - und der Wende - schaden. Deshalb meldete er Bedenken an, und Manager Reiner Calmund verzichtete auf weitere Zukäufe aus Ost-Beständen.

POLITIK & EINFLUSS

Standort-Verlegung leicht gemacht
Das bundesdeutsche Unternehmenssteuerrecht begünstigte lange die Verlegung von Standorten ins Ausland. So konnten BAYER & Co. die Kosten für so genannte Funktionsverlagerungen hierzulande von der Steuer absetzen und zudem noch von den günstigeren Produktionsbedingungen in den fernen Ländern profitieren. Die Große Koalition hat diese paradiesischen Zustände allerdings etwas unparadiesischer gestaltet und auf die Extra-Profite fiskalisch zugegriffen. „Damit fließen auch ausländische Standortvorteile, etwa geringere Lohnkosten jenseits der Grenzen, in die Bewertung des Gewinnpotenzials ein, die dann letztendlich zu einer Besteuerung dieser ausländischen Standortvorteile hierzulande führen“, echauffierte sich der Steuerexperte Axel Eigelshoven von der Unternehmensberatung DELOITTE, derweil BAYER, DAIMLER, BOSCH und andere Unternehmen einen Protestbrief an den damaligen Finanzminister Peer Steinbrück schrieben. Die neue CDU/FDP-Regierung hat die Signale erhört und bereitet nun ein Gesetz vor, das alles wieder auf Anfang gestellt, wie bereits im Koalitionsvertrag angekündigt.

Strippenzieher BAYER
„Keiner zieht mehr Strippen in der Republik als die alte BAYER-Crew“, stellt die Zeit fest. „Ob Gerhard Schröder zur Rotweinrunde ins Kanzleramt lud oder Nachfolgerin Angela Merkel dort mit Managern diskutiert - der amtierende BAYER-Chef Werner Wenning war und ist immer dabei. Und sein Vorgänger Manfred Schneider wurde in den vergangenen Jahren mehrfach zum mächtigsten deutschen Aufsichtsrat gekürt“ schreibt das Wochenblatt in einem Artikel über den neuen Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers.

Chinas Vize Xi Jinping bei BAYER
Im letzten Jahr war China das Gastland der Frankfurter Buchmesse. Bevor Chinas stellvertretender Staatspräsident Xi Jinping zu dieser Veranstaltung anreiste, machte er einen Zwischenstopp in Berlin, um das Pharma-Werk des Leverkusener Multis zu besuchen. BAYER-SCHERING-Chef Andreas Fibig gratulierte artig zum 60. Jahrestag der Volksrepublik und schwadronierte über die großen Herausforderungen, vor denen das Land stehe: Klima- und Umweltschutz, nachhaltige Entwicklung und Gesundheitsversorgung. Für all dies bietet sich der Konzern nämlich als Problemlöser an. Mit dem Slogan „BAYER Solutions for China‘s Needs“ macht das Unternehmen im Reich der Mitte Reklame, und im Bereich „Gesundheit“ hat dies schon gefruchtet. Dort nimmt der Pillen-Riese mit einem Jahres-Umsatz von 1,89 Milliarden Euro die Spitzenposition ein.

Wenning VCI-Vize
Im Herbst 2009 wählte die Mitgliederversammlung des „Verbandes der Chemischen Industrie“ BAYER-Chef Werner Wenning gemeinsam mit Jürgen Hambrecht (BASF) erneut zum Vize-Präsidenten.

Wenning erhält NRW-Innovationspreis
Das Land Nordrhein-Westfalen unterhält beste Beziehungen zum Leverkusener Multi. Es schmiedete mit ihm und anderen Unternehmen einen Pakt, um der angeblich wachstumshemmenden Distanz zwischen Wirtschaft und Politik entgegenzuarbeiten (Ticker 4/09), und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers schaut auch gerne mal persönlich beim Konzern vorbei. Damit nicht genug, ergießt sich über das Unternehmen nun auch noch eine Flut von Ehrungen. So verlieh das Bundesland dem BAYER-Wissenschaftler Friedrich-Karl Bruder für die Entwicklung eines per Holographie beschreibbaren Kunststoff-Films den „Innovationspreis 2009“ und überreichte dem BAYER-Chef Werner Wenning einen ebensolchen für sein Lebenswerk. „Kein anderes Unternehmen in Nordrhein-Westfalen investiert so viel in seine Innovationsfähigkeit“, schwärmte „Innovationsminister“ Andreas Pinkwart (FDP) in seiner Laudatio und wurde dann persönlich: „Werner Wenning ist stets mehr Sein als Schein. Äußerlich bescheiden, im Unternehmen hohe Ansprüche setzend, hat er BAYER nach schwierigen Zeiten in seinem Kernbestand nicht nur gerettet, sondern dem Unternehmen auch neue Perspektiven in einer globalen Ökonomie erschlossen“. Da versteht es sich von selbst, dass Pinkwart dem großen Vorsitzenden seine Mithilfe bei dem Unterfangen zusicherte, einen Teil von BAYERs Forschungsausgaben von der Steuer absetzen zu können.

Wenning gegen Regulierungen
Auch BAYER nutzt die umstrittenen Instrumente, die der Finanzmarkt so bietet. So hat der Konzern Geld in Derivaten angelegt, die eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber sind. Der Leverkusener Multi weist dabei das Motiv „Spekulation“ weit von sich. „Derivate Finanzinstrumente werden dabei fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktion abgeschlossen“, heißt es im Geschäftsbericht. Aber die Interessen der SpekulantInnen sind auch die Interessen BAYERs. So hat sich der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning dagegen ausgesprochen, diesen Markt strenger zu regulieren. „Ich hoffe sehr, dass die EU die Lösung nicht allein in standardisierten Produkten sieht“, sagte er in einem Interview mit der Börsen-Zeitung. Auch gegen die Anforderung, bestimmte Derivate künftig mit Eigenkapital zu unterlegen, wendete er sich, weil sich dieses ungünstig auf das Investitionsvolumen der Unternehmen auswirken könnte.

USA: Klima-Politik nach BAYER-Gusto
Barack Obama trat mit einer ehrgeizigen Klima-Politik an. So wollte er die US-amerikanischen Kohlendioxid-Emissionen gegenüber 2005 um 17 Prozent reduzieren und einen den Ausstoß senkenden Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten einführen. Aber BAYER & Co. liefen Sturm gegen die angeblich gerade in Krisenzeiten kontraproduktive „Klima-Steuer“ und setzten sich durch. In einem neuen Senatsentwurf gibt es für Industriebetriebe keine Kohlendioxid-Obergrenzen mehr und auch der Emissionshandel taucht in dem Dokument nicht mehr auf.

Zoll als Patentschützer
BAYER & Co. spannen den Zoll ein, um missliebigen Produzenten von Nachahmer-Präparaten das Leben schwer zu machen. So haben GrenzbeamtInnen wegen angeblicher Patentverletzungen unlängst sogar eine Lieferung indischer Generika beschlagnahmt, die gar nicht für den europäischen, sondern für den südamerikanischen Markt bestimmt war. Die Entwicklungshilfe-Organisation OXFAM kritisierte das Vorgehen, weil es die Versorgung armer Menschen mit lebensnotwendigen Arzneien gefährdet und obendrein gegen WTO-Recht verstößt. Aber die Europäische Union will seine ZöllnerInnen künftig noch stärker in die Konzern-Pflicht nehmen. Ihr Richtlinien-Vorschlag zur Bekämpfung von Medikamentenfälschungen ist so breit angelegt, dass auch ganz legalen Einfuhren von preisgünstigen Pillen Schwierigkeiten drohen.

Uhlenberg lobt BAYERs Gewässerschutz
Im Februar 2010 hat BAYER im Wuppertaler Werk eine Pilotanlage zur Klärung von Abwässern in Betrieb genommen, die nach dem Ozonolyse-Verfahren arbeitet und durch die Einwirkung von Ozon doppelte Kohlenstoff-Verbindungen knacken kann. Diese Investition war bitter nötig, denn der Leverkusener Multi leitete 2008 68,4 Millionen Kubikmeter Abwässer in die Flüsse. Der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckhart Uhlenberg verkaufte die Maßnahme allerdings als umweltpolitische Großtat und Bestätigung der Politik der Landesregierung, den Schulterschluss mit den Konzernen im „Dialog Wirtschaft und Umwelt“ zu suchen.

Kirche kooperiert mit Konzernen
Die „Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung“ (GKKE) hat mit dem von BAYER gegründeten „Verband der Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) ein Papier zur „Gesundheit in Entwicklungsländern“ veröffentlicht. Das Dokument segnet dabei devot das ab, was sich die Pharma-Multis so unter Entwicklungspolitik vorstellen. Förderprogramme sollen die armen Staaten in die Lage versetzen, Big Pharma Lizenzen zur Produktion von Nachahmer-Arzneien abzukaufen, wo es eigentlich gälte, die Patentgesetze aufzuheben. Und die von BAYER & Co. sträflich vernachlässigte Tropenmedizin braucht dem Dokument zufolge ebenfalls öffentliche Gelder für ihr Comeback: Die Konzerne hätten gerne im Vorhinein Abnahme-Garantien für ihre Pillen. Bei Marktversagen den Staat fragen - mit dieser „Lehre“ aus der Finanzkrise möchte die K. u. K.-Koalition auch gerne die „Dritte Welt“ kurieren.

Bürokratie-Kosten im Promille-Bereich
BAYER & Co. klagen immer wieder über die hohen Kosten, die ihnen durch Informationspflichten gegenüber Brüssel und Berlin entstehen. Dabei sind diese verschwindend gering. Bei der europäischen Chemie-Industrie liegen die Ausgaben, gemessen an der Brutto-Wertschöpfung von 46,4 Milliarden Euro im Jahr, mit 40 Millionen im Promille-Bereich. In Wirklichkeit geht es den Multis bei der Chemikalien-Verordnung und anderen Richtlinien denn auch gar nicht ums Geld, obwohl sich die Konzerne über die Ankündigung der Bundesrepublik freuen dürften, die Aufwändungen der Unternehmen für Auskünfte um 25 Prozent zu senken. Sie wollen sich bei der Produktion ihrer gefährlichen Güter nur möglichst wenig über die Schulter gucken lassen.

BAYER Gläubiger von Griechenland
Das überschuldete Griechenland kann die Arznei-Rechnungen seiner Krankenhäuser nicht begleichen. Der Europäische Pharma-Verband EFPIA, dessen Vorsitz derzeit BAYERs Pillen-Chef Arthur Higgins inne hat, schaltete deshalb die Europäische Kommission ein und führte Gespräche mit der griechischen Regierung. Diese zeigte sich offenbar reumütig. „BAYER begrüßt die jüngsten Äußerungen der neuen Regierung in Griechenland, eine konstruktive Lösung für die inakzeptablen Außenstände der Krankenhäuser zu finden“, meldete jedenfalls das Handelsblatt.

BAYERs Sozialarbeit
Bei der Auftaktveranstaltung der nordrhein-westfälischen Landesregierung zum „Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“ konnte der Leverkusener Multi sich wieder einmal als Sozialarbeiter in Szene setzen. An der abschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Kinderarmut“ nahm nämlich Oliver Aue von BAYERs „BEPANTHEN-Kinderförderung“ teil. Die anderen DiskutantInnen konnten allerdings auch nicht mehr Kompetenzen nachweisen. Neben Aue saßen unter anderem noch Bernd Siggelkow von dem - zufällig von der „BEPANTHEN-Kinderförderung“ gesponsorten - evangelikalen Kinderhilfswerk „Arche“ und Christoph Biermann von der Sendung mit der Maus. Mit Politik hat Armut offenbar nichts mehr zu tun.

PROPAGANDA & MEDIEN

Die etwas andere Klima-Bilanz
Nach den Worten von BAYERs oberstem Öffentlichkeitsarbeiter Michael Schade „wird Nachhaltigkeit zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor“. Wegen der gestiegenen Nachfrage besonders von Seiten der Investmentfonds haben die Konzerne eine neue Methode ausgeheckt, um ihre negative Klimabilanz etwas aufzuhübschen. Sie stellen dem Negativposten „Kohlendioxid-Emissionen“ einfach gegenüber, was die so klimaschädlich hergestellten Produkte angeblich so alles tun, um die Erderwärmung aufzuhalten. Bei der Studie, welche die „Klima-ExpertInnen“ von der Unternehmensberatung MCKINSEY für den internationalen Chemie-Verband ICCA durchgeführt haben, kommt da so einiges zusammen. Den Energie-Verbrauch senkende Dämmstoffe, Niedrigtemperatur-Waschmittel und Leuchtmittel sowie den Flächenverbrauch einschränkende Hochleistungspestizide präsentieren sie in ihrer Gegenrechnung. Und siehe da: Unterm Strich steht die Chemie-Industrie mit 5,2 Milliarden Tonnen CO2 im Plus. Die Ratingagentur OEKOM, welche die Aussagen der Konzerne zu ihren Umweltschutz-Maßnahmen genauer prüft, hält dieses Verfahren nicht für legitim. Besonders die Bilanztricks von BAYER und BASF fielen OEKOM auf. So kritisierte der Analyst Oliver Rüdel, dass die beiden Unternehmen „die Lösungen, die die chemischen Produkte potenziell zum Schutz des Klimas leisten, stärker kommunizieren als den eigenen negativen Beitrag“. Etwas anderes kommunizieren die Global Player ebenfalls recht stark: ihre Rolle als CO2-Verbraucher. BAYER etwa verweist auf Kohlendioxid als ASPIRIN-Rohstoff und schmückt sich mit weiteren CO2-Forschungen etwa im Dämmstoff-Bereich. Seinen Kohlendioxid-Ausstoß, der 2008 7,57 Millionen Tonnen betrug, dürfte der Leverkusener Multi auf diese Weise jedoch nicht so leicht reduzieren. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“.

Auszeichnung für Klima-Bericht
Das von 475 Finanzinvestoren getragene „Carbon Disclosure Project“ (CDP) lässt die nicht gerade als Klima-ExpertInnen geltenden WirtschaftsprüferInnen von PRICEWATERHOUSE COOPERS eine Bewertung der Konzernberichte über Kohlendioxid-Emissionen vornehmen und verlieh BAYER im letzten Jahr eine Auszeichnung als auskunftsfreudigstes Unternehmen. Was der Leverkusener Multi da an Daten übermittelte, war allerdings alles andere als glanzvoll. So stößt er jährlich 7,57 Millionen Tonnen CO2 aus. Deshalb plant die CDP für die Zukunft auch eine Bewertung der Klima-Realpolitik, was die zukünftigen Chancen des Pharma-Riesen schmälern dürfte. Einstweilen geraten diese beiden Dinge bei den Medien aber noch gerne durcheinander. Das Umweltmag@zin beispielsweise schrieb BAYER die Ehre zu, „die Auszeichnung als weltweit bestes Unternehmen im Klimaschutz“ erhalten zu haben.

Plischke verleiht Umweltpreis
Aller Umwelt-Sündenfälle des Leverkusener Multis zum Trotz gehört Forschungsvorstand Wolfgang Plischke der Jury des „Deutschen Umweltpreises“ an.

Manuel Andrack wandert für BAYER
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen, obwohl Bluthochdruck, Ödeme, Herzkrankheiten, Blutverdickung, Leberschäden und Wachstum der Prostata zu den Nebenwirkungen zählen. Dabei hilft dem Pharma-Riesen jetzt auch der durch die Harald-Schmidt-Show bekannt gewordene nunmehrige Wandervogel Manuel Andrack. Er hält seinen Kopf für BAYERs Werbe-Broschüre „Wandern für die Männergesundheit“ hin und gibt der Zielgruppe zudem Strecken-Tipps.

Zukunftspreis für XARELTO
Bundespräsident Horst Köhler hat BAYER für die Entwicklung des Medikamentes XARELTO den „Deutschen Zukunftspreis“ verliehen. „Sie haben ein neuartiges Medikament entwickelt, das sich durch einen effizienten Wirkmechanismus auszeichnet und das von den Patienten in Tablettenform eingenommen werden kann“, lobte Köhler. Der Rest der Welt ist hingegen von dem bisher nur zur Verhinderung von Blutgerinnseln bei schweren Knie- und Hüft-OPs zugelassenen Gerinnungshemmer nicht überzeugt, für den der Leverkusener Multis auch das - weit größere - Anwendungsgebiet „Thrombosen“ anvisiert. So hat sich die Zulassung in den USA verzögert. Die Gesundheitsbehörde FDA forderte vom Leverkusener Multi wegen des erhöhten Risikos von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie ungeklärter Langzeitwirkung erst noch einmal weitere Unterlagen an (Ticker 3/09).

QLAIRA- die grüne Pille?
Nicht genug damit, dass der Leverkusener Multi auch sein neuestes Verhütungsmittel QLAIRA (Wirkstoffe Estradiol und Dienogest) wieder als Lifestyle-Präparat bewirbt, das angeblich Gewichtszunahmen verhindert. Er setzt zudem auf die ökologische Karte und preist die Pille als Teil eines „grünen Lebenswegs“ an, weil es sich bei einem der Inhaltsstoffe angeblich um ein „natürliches Östrogen“ handelt. Als reinen „Marketing-Gag“ tat das das pharma-kritische arznei-telegramm ab. Über die Risiken und Nebenwirkungen von QLAIRA wie Thrombosen, die bei dem Kontrazeptivum YASMIN bereits zu Todesfällen geführt haben (SWB 3/09), weiß der Pharma-Riese hingegen nichts. Das könnte „nur in großen epidemiologischen Studien geklärt werden“, heißt es in einer Fach-Information.

850 Millionen für Pillen-Werbung
BAYER gibt jährlich 850 Millionen Dollar für Pillen-Werbung aus.

Immer mehr SchülerInnen-Labore
Im Februar 2010 hat der Leverkusener Multi in Anwesenheit des Ministerialdirektors Reinhard Aldejohann vom nordrhein-westfälischen Bildungsministerium sein viertes SchülerInnen-Labor in Betrieb genommen. „Wir wollen jungen Menschen die Faszination Naturwissenschaften frühzeitig näher bringen“, erklärt BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke den Sinn der Übung. Weniger Faszinierendes wie etwa die Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnologie wird daher kaum auf dem Lehrplan stehen.

500.000 Euro für Schulen
Um die Lust an Naturwissenschaften im Allgemeinen und die von BAYER betriebenen im Besonderen zu wecken, fördert der Leverkusener Multi den Unterricht in diesen Fächern steuersparend über seine Stiftung „BAYER SCIENCE & EDUCATION“. Diese schüttet jährlich ca. 500.000 Euro an Bildungseinrichtungen im Umkreis der Standorte aus. 84 Schulen in 43 Städten bekamen seit 2007 Geld vom Konzern. Im Jahr 2009 gingen Schecks unter anderem an das Otto-Hahn-Gymnasium in Bergisch-Gladbach, die Hauptschule St. Nikolaus in Kalkar, die Tannenberg-Grundschule in Seeheim, die Albert-Schweitzer-Realschule in Krefeld und das Lise-Meitner-Gynasium in Leverkusen.

BAYER im Web 2.0
Seit geraumer Zeit hat der Leverkusener Multi das Web 2.0 entdeckt. Er twittert, ist bei Facebook aktiv und betreibt einen Kanal auf YouTube. Auf allzuviel Resonanz stieß das bisher allerdings nicht. Während ADIDAS, DEUTSCHE TELEKOM und BMW im Web 2.0 ein Millionen-Publikum erreichen, dümpeln die „sozialen Kontakte“ BAYERs einer Untersuchung der Agentur VIEWPARTNER zufolge bei knapp über 8.000 herum.

TIERE & ARZNEIEN

BAYER Nr. 1 bei Tier-Arzneien
Der Leverkusener Multi ist in der Bundesrepublik mit einem Umsatz von 963 Millionen Euro Branchenführer bei Veterinär-Produkten. Und das Geschäft boomt: Da immer mehr Menschen auf den Fleisch-Geschmack kommen, nimmt die Massentierhaltung zu - und damit steigt auch der Arznei-Bedarf. Der Tiergesundheitsmarkt verzeichnete 2008 weltweit ein Wachstum von sieben Prozent, während der Humanmedizin-Markt nur um 1,9 Prozent zulegte.

Nebenwirkungen bei PROFENDER
Seit dem Jahr 2008 bietet BAYER das Entwurmungsmittel PROFENDER nicht mehr nur für Katzen, sondern auch für Hunde an. Die Anwendung erfordert jedoch viel Sorgfalt. So dürfen die HundehalterInnen ihren Tieren das Präparat nicht gemeinsam mit den Mahlzeiten verabreichen, weil sonst die doppelte Menge des Wirkstoffes Emodepsid ins Blut übergeht. Der Leverkusener Multi weist nur im Kleingedruckten des Beipackzettels auf diese Gefahr hin, weshalb es häufig zu Überdosierungen kommt. Die Vierbeiner beginnen zu zittern, leiden unter Krampfanfällen und können ihre Bewegungen nicht mehr kontrollieren.

DRUGS & PILLS

Pharma-Sparte wird wichtiger
BAYERs Pharma-Sparte, die ihr Geschäftsvolumen in den ersten neun Monaten des Jahres 2009 um 4,9 Prozent ausweiten konnte, trägt zum Gesamtumsatz des Konzerns mehr als 50 Prozent bei und zum Gewinn vor Steuern sogar 80 Prozent. Diese Entwicklung lässt für die Zukunft der Kunststoff-Abteilung nichts Gutes erahnen.

MIRENA gegen Blutungen
Der Leverkusener Multi preist seine Kontrazeptiva gerne auch als Mittel zur Behandlung von Gesundheitsstörungen an. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat ihm dazu jetzt noch mehr Möglichkeiten eingeräumt. Sie ließ die Hormonspirale MIRENA (Wirkstoff: Levonorgestrel) 2009 als Präparat zur Eindämmung starker Monatsblutungen zu, obwohl der Katalog der Risiken und Nebenwirkungen es in sich hat. Zu den unerwünschten Arznei-Effekten des Pessars zählen nämlich unter anderem Brustkrebs, Herz/Kreislauf-Krankheiten, Bauchhöhlen-Schwangerschaften, Zysten, Zyklusstörungen und Zwischenblutungen.

ASPIRIN beugt Herzinfarkten nicht vor
Eine neue schottische Studie untersuchte die Herzinfarkt-vorbeugende Wirkung von ASPIRIN. Die Hälfte der 3.350 ProbantInnen mit einem erhöhten Risiko erhielt BAYERs „Tausendsassa“, die andere Hälfte ein Placebo. Nach acht Jahren werteten die WissenschaftlerInnen die Daten aus. Das im Journal of the American Heart Association publizierte Ergebnis war negativ: Aus der ASPIRIN-Gruppe erlitten 181 TeilnehmerInnen einen Herzinfarkt und aus der Placebo-Gruppe 176.

ASPIRIN schwächt die Immun-Abwehr
Nach einer neuen, im Fachblatt Journal of Immunology veröffentlichten Studie blockieren ASPIRIN und andere Schmerzmittel ein für die Immun-Abwehr wichtiges Enzym. Das senkt auch die Erfolgsaussichten von Grippeschutz-Impfungen, weshalb die ForscherInnen dazu raten, die Mittel unmittelbar davor und danach abzusetzen.

ASPIRIN verschlimmert Schweinegrippe
Nach Forschungen der Medizinerin Dr. Karen M. Starko hat ASPIRIN 1918 die katastrophalen Effekte der Spanischen Grippe, der über 50 Millionen Menschen zum Opfer fielen, eher verstärkt als vermindert und bei nicht wenigen PatientInnen zu totalem Organ-Versagen geführt. Auch bei der Schweinegrippe haben fiebersenkende Mittel wie die BAYER-Präparate ALEVE und ASPIRIN eine unheilvolle Rolle gespielt, weil sie die Immunabwehr schwächen (s. o.). Die Wissenschaftlerin R. Hama empfahl deshalb im British Medical Journal: „Nach heutiger Forschungslage sollten Grippe-PatientInnen keine Fiebersenker erhalten“. Die japanische Regierung reagierte bereits im Jahr 2000 und untersagte die Verwendung von ASPIRIN, IBUPROFEN & Co. bei grippe-kranken Kindern. Folge-Leiden wie - nicht selten tödliche - Enzephalopathien (Hirn-Erkrankungen) traten danach deutlich weniger häufig auf.

Rezeptpflicht für ASPIRIN
ASPIRIN und andere Schmerzmittel haben zahlreiche Nebenwirkungen wie vermehrter Kopfschmerz, Schleimhaut-Reizungen, Magengeschwüre und Magenbluten, die nicht selten tödlich verlaufen. Nach einer 1999 veröffentlichten Studie der „Boston University School of Medicine“ sterben nach der Einnahme von ASPIRIN & Co. jährlich 16.500 US-BürgerInnen an Blutungen im Magenbereich. Wegen dieses Risiko-Profils hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ jetzt empfohlen, es anderen EU-Ländern gleichzutun und eine Verschreibungspflicht für Großpackungen von Präparaten mit dem Wirkstoft Acetylsalicylsäure einzuführen. Eine entsprechende Regelung für die Substanz Paracetamol ist bereits in Kraft. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN begrüßt diese Entscheidung, fordert in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler jedoch eine Ausweitung der Vorschrift auf alle Darreichungsformen und zudem ein Werbeverbot. Der Leverkusener Multi versucht hingegen, das Schlimmste zu verhindern. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Begrenzung, aber wir haben etwas gegen die Stigmatisierung einer ganzen Arzneistoffklasse“, lässt der Konzern wissen und mobilisiert ApothekerInnen und Kundinnen, um künftig auch noch 60er-Packungen ohne Rezept verkaufen zu können.

Zu wenig Antibiotika
Allein in der Europäischen Union sterben jährlich 25.000 Menschen an Krankheiten, weil deren Erreger gegen die herkömmlichen Antibiotika immun geworden sind. Deshalb zählt die Weltgesundheitsorganisation WHO die Antibiotika-Resistenzen zu den größten Gefahren für die öffentliche Gesundheit. Trotzdem entwickeln BAYER & Co. kaum Alternativ-Wirkstoffe. Da MedizinerInnen neue Mittel für besonders schwierige Fälle zurückzuhalten haben und die Präparate ohnehin bloß für ein paar Tage verschreiben, lässt sich nach Meinung der Konzerne zu wenig Geld mit dieser Medikamentengruppe verdienen (siehe auch Ticker 4/09). Um die Misere zu beheben, wollen die USA und die EU Big Pharma nun mit finanziellen Anreizen in die Forschungslabore locken.

Kein neues KOGENATE
Das gentechnisch hergestellte Bluterpräparat KOGENATE ist eines der umsatzstärksten Pharma-Produkte BAYERs. Deshalb wollte der Leverkusener Multi auch schon einmal für die Zeit vorsorgen, da er es nicht mehr so hochpreisig vermarkten kann, weil der Patentschutz abläuft. Also begann der Konzern 2006, eine länger wirksame Version zu testen, die eine Woche vorhält. Diese erwies sich jedoch als nicht so effektiv wie das Original, weshalb das Unternehmen die klinische Erprobung abbrechen musste. Bereits kurz nach Bekanntgabe der Nachricht sank der Aktienkurs um zwei Prozent.

BAYER stockt Werbeetat auf
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat im letzten Jahr seinen Werbeetat um fast 25 Prozent aufgestockt. 41,8 Millionen Euro gibt die Sparte nun für Reklame in bundesdeutschen Medien aus, mehr investiert nur noch der KLOSTERFRAU-Konzern.

Kein Geld mehr für Blutprodukte-Opfer
Weltweit infizierten sich in den 80er Jahren Tausende Bluter durch HIV-verseuchte Blutprodukte von BAYER & Co. mit dem AIDS-Erreger. Sie wurden Opfer der Profitgier der Konzerne, denn diese hatten sich aus Kostengründen lange Zeit geweigert, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Während sich die Unternehmen deshalb in vielen Ländern mit Klagen konfrontiert sahen (siehe RECHT & UNBILLIG), hatten sie in der Bundesrepublik keine juristische Konsequenzen zu befürchten. Sie mussten sich lediglich gemeinsam mit Bund, Ländern und dem Roten Kreuz an einer Stiftung zur finanziellen Unterstützung von AIDS-kranken Blutern beteiligen. Das Vermögen der Einrichtung ist jetzt aufgebraucht, und sie benötigt 70 Millionen Euro zur Fortsetzung ihrer Arbeit. Aber während die anderen Träger erneut beträchtliche Summen zugesichert haben, wollen BAYER & Co. lediglich zwei Millionen Euro jährlich bereitstellen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte gegen dieses Verhalten. „Als Hauptverantwortlicher des Skandals um HIV-verseuchte Blutprodukte darf sich die Firma BAYER nicht aus der Verantwortung stehlen! Den Opfern muss ein würdiges Leben ermöglicht werden. Die Kosten hierfür muss der Verursacher tragen, nicht die Allgemeinheit“, heißt es in der Presseerklärung der CBG.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Clothianidin-Versuch abgebrochen
Im Jahr 2008 hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Allerdings drängt der Leverkusener Multi auf eine Wiederzulassung und meinte auch, dafür im baden-württembergischen Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) einen Verbündeten gefunden zu haben. Dessen Ministerium kündigte nämlich einen Großversuch mit einem technisch leicht veränderten Clothianidin-Beizmittel an, um dessen nunmehrige Ungefährlichkeit zu demonstrieren. ImkerInnen protestierten allerdings gegen das Vorhaben, über das die Landesregierung sie nicht informiert hatte. „Es macht keinen Sinn, wenn sich nicht alle ergebnis-offen an einen Tisch setzen“, so die BienenzüchterInnen. Hauk bließ das Projekt daraufhin vorerst ab.

Aus für MOVENTO und ULTOR
In den USA ist seit Mitte Januar 2010 der Verkauf des Pestizid-Wirkstoffes Spirotetramat, der in den BAYER-Mitteln MOVENTO und ULTOR enthalten ist, gerichtlich verboten. Die RichterInnen gaben damit dem Umweltverband NATURAL RESOURCES DEFENSE COUNCIL (NRDC) Recht, der eine Klage eingereicht hatte, weil die Risiken für Bienen bei der Genehmigung des in der Bundesrepubik bislang nicht zugelassenen Wirkstoffs nicht berücksichtigt worden waren (siehe auch SWB 1/10).

Pestizide in Lebensmitteln
Im Jahr 2009 oblag es zum ersten Mal der EU-Lebensmittelbehörde EFSA, für 2007 aus allen Mitgliedsländern die Daten über die Belastung von Lebensmitteln mit Agrochemikalien zusammenzutragen. Die EFSA ist dabei ihrem Ruf als industrie-freundliche Institution mal wieder gerecht geworden. Listeten die früheren Berichte neben den Grenzwert-Überschreitungen auch die sich noch im Bereich des Erlaubten befindlichen Konzentrationen auf, so versteckt die Neuausgabe die Zahlen im Anhang. Aber auch so bleiben die Werte beunruhigend genug. So überschritten vier Prozent der Proben die vorgeschriebenen Rückstandshöchstmengen. Und es dürften noch mehr sein: Einige Staaten wie z. B. Bulgarien suchten nämlich nur nach 14 Pestiziden. Unter denjenigen Ackergiften, die zwar nicht in den roten Bereich kamen, dafür aber in den orangenen eindrangen, ab dem für die VerbraucherInnen ein Gesundheitsrisiko besteht, befanden sich mit Methomyl, Thiodicarb und Methamidophos drei auch von BAYER benutzte Wirksubstanzen.

GENE & KLONE

Kooperation mit COMPUGEN
Das israelische Biotech-Unternehmen COMPUGEN entschlüsselt das Erbgut von Tumor-Zellen und verkauft dieses Wissen an Pharma-Firmen, welche die Informationen nutzen, um speziell auf diese Angriffspunkte zugeschnittene Medikamente zu entwickeln. Im Herbst 2009 hat COMPUGEN mit BAYER ein entsprechendes Geschäft vereinbart.

BAYER kauft Antikörper-Lizenz
Anfang 2009 hatte BAYER von dem US-amerikanischen Unternehmen MICROMET für 4,5 Millionen Euro eine Option auf einen Antikörper erworben. Nach Abschluss der präklinischen Entwicklungsphase löste der Leverkusener Multi diese ein und kaufte das Gentech-Protein, das zur Behandlung von Krebs, Entzündungen und Autoimmun-Erkrankungen dienen soll.

BETAFERON-Zulassung in China
Der Leverkusener Multi hat für das gentechnisch hergestellte Multiple-Sklerose-Präparat BETAFERON in China eine Zulassung erhalten.

MONSANTOS Leid, BAYERs Freud?
Nicht nur in den USA haben Gen-Pflanzen aus MONSANTOs ROUND-UP-Produktlinie eine marktbeherrschende Stellung inne. Mittlerweile haben sich die Unkräuter jedoch auf das gemeinsam mit den Ackerfrüchten verkaufte Herbizid Glyphosate eingestellt und vermehren sich auf den Feldern wieder kräftig. Die Folge: Die FarmerInnen müssen zusätzlich noch weitere Pestizide ausbringen. Der Leverkusener Multi hofft jetzt davon zu profitieren, dass im Falle „ROUND UP“ „die Natur zurückschlägt“, wie BAYER-Forscher Hermann Stübler sich ausdrückt. Der Agro-Riese spekuliert auf eine erhöhte Nachfrage nach Produkten aus seiner LIBERTY-LINK-Serie - aber über kurz oder lang dürfte die Natur auch diesen Gentech-Saaten trotzen.

Dürreresistenz-Deal mit FUTURAGENE
BAYER hat von dem britischen Unternehmen FUTURAGENE die Rechte an einem gentechnischen Verfahren erworben, das Baumwoll-Pflanzen angeblich hilft, widrigen Aufzuchtsbedingungen wie Trockenheit zu trotzen. Eine ähnliche Lizenz hatte der Agro-Riese vor Monaten bereits von PERFORMANCE PLANTS erworben.

PFLANZEN & SAATEN

Ausbau des Saatgut-Geschäfts
BAYERs Landwirtschaftssparte will ihr Saatgut-Angebot ausweiten, weil die Geschäftsaussichten in diesem Segment besser sind als im Ackergift-Bereich. Der Leverkusener Multi kündigte an, seine bisher auf Raps, Baumwolle, Reis und Gemüse beschränkte Produktpalette zu erweitern und in Zukunft knapp die Hälfte des Saaten-Marktes abzudecken.

WASSER, BODEN & LUFT

Auen schwermetall-belastet
10,4 Tonnen Schwermetalle leitete BAYER im Jahr 2008 in die Gewässer. Bei Hochwasser lagern sich diese auch in den Auen der Flüsse ab, weshalb die Schadstoffgehalte der Böden rund um Wupper und Rhein nach Auskunft des „Ingenieurbüros Feldwisch“ stark erhöht sind. Besonders die Werte für Chrom und Quecksilber, die der Leverkusener Multi in seinen Nachhaltigkeitsberichten seit einiger Zeit nicht mehr einzeln ausweist, geben Anlass zur Besorgnis. Darum hat die Stadt Leverkusen das Ingenieurbüro jetzt mit einer genaueren Untersuchung beauftragt.

EU fördert CO2-Abscheidung
BAYER & Co. setzen große Hoffnungen auf die neuen Technologien zur Abscheidung und Lagerung des klima-schädlichen Kohlendioxids, kurz CCS genannt. Diese würden es den Konzernen nämlich erlauben, ihren Strom weiterhin von Kohle- und Müllkraftwerken zu beziehen. UmweltschützerInnen befürchten dagegen ebensolche Zwischenfälle mit austretendem Material wie im Atommüll-Endlager Asse. Mit eigenen Investitionen in die Forschung halten sich die meisten Unternehmen jedoch zurück. Das finanzielle Engagement überlassen sie gerne anderen wie zum Beispiel der Europäischen Union, die im Dezember 2009 sechs Projekte mit insgesamt einer Milliarde Euro förderte.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

REACH: 817 Stoffe vorregistriert
BAYER & Co. haben sich lange gegen das REACH genannte Chemikaliengesetz der EU gewehrt, das den Konzernen vorschreibt, Angaben zur Gefährlichkeit ihrer Substanzen zu machen. Verhindern konnten die Unternehmen es schlussendlich nicht, sie erreichten jedoch eine Lockerung der Vorschriften. Seit Juli 2007 ist REACH nun in Kraft, und die Multis beginnen, ihre Bestände durchzugehen. BAYER hat bis zum Jahresende 2009 817 Stoffe bei der Chemikalien-Agentur ECHA vorregistrieren lassen. Mit dieser freiwilligen Leistung kommt der Agro-Riese in den Genuss von Übergangsfristen bis zu acht Jahren, ehe er vollständige Sicherheitsprofile für seinen Chemie-Baukasten abliefern muss.

CO & CO.

Bereits vier Bomben gefunden
Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte der Firma WINGAS als Bauherr von BAYERs umstrittener Kohlenmonoxid-Pipeline vorgeschrieben, den Boden vor Beginn der Verlegungsarbeiten mit Detektoren nach Fliegerbomben und anderen Kampfmitteln zu durchsuchen. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung jedoch nur unvollständig nach, obwohl es schon bei der oberflächigen Untersuchung auf zwei Brandbomben gestoßen war. So begann die Überprüfung erst Ende 2009 - und förderte Bedenkliches zu Tage. Nicht weniger als 268 Mal schlugen die Suchgeräte bisher aus. Zumeist handelte es sich dabei um Metallschrott. Aber einige Verdachtsfälle bestätigten sich auch. So stießen die ArbeiterInnen bereits auf zwei Granaten und zwei 10-Zentner-Blindgänger.

Gericht bestellt neue Gutachter
In der Niederrheinische Bucht gibt es nach Aussage des Diplom-Physikers Klaus Lehmann vom „Geologischen Dienst NRW“ eine „moderate Erdbeben-Gefährlichkeit“. Die letzte größere Erderschütterung hatte eine Stärke von 5,9. Sie ging vom niederländischen Roermond aus und war bis Krefeld spürbar. Im Damenbecken des Schwimmbades entstanden Risse, weshalb die Stadt die Badeanstalt schloss. Deshalb muss BAYERs von Dormagen nach Krefeld verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline auch absolut erdbebensicher sein. Das hätte der vom Düsseldorfer Verwaltungsgericht bestellte Gutachter wohl auch bestätigt, denn sein Lehrstuhl war in Sachen „Erdbeben“ bereits für BAYER tätig. Diese „Nebentätigkeit“ brachte den Wissenschaftler allerdings in den Ruch der Befangenheit, weshalb er den Job bei der Justiz verlor.

IG-BCE-Chef für Pipeline
Der neue Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE), Michael Vassiliadis, hat sich für die umstrittene Kohlenmonoxid-Leitung ausgesprochen und sich dabei BAYERs Horrorszenario „Arbeitsplatzverluste“ zu Eigen gemacht. „Wenn die Pipeline nicht kommt, hat der Standort Krefeld ein großes Problem“, so Vassiliadis. Den Widerstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und zahlreicher anderer Initiativen gegen das Röhren-Werk nannte er „fundamentalistisch und nicht an Lösungen orientiert“ und sah Handlungsbedarf: „Auch die Politik ist gefordert, die Beteiligungsrechte der Polit-Profi-Verbände zu begrenzen“. Gesamtbetriebsratsvorsitzender Thomas de Win hat ebenfalls kein Verständnis dafür, „wenn durch eine Mischung durch Angstmache und Populismus wichtige industrielle Infrastruktur-Projekte verzögert, gefährdet oder gänzlich in Frage gestellt werden“ und warnt davor, die CO-Pipeline zum Landtagswahl-Thema zu machen.

CO: Es geht auch anders
In China baut der Leverkusener Multi keine Pipelines für seinen Kohlenmonoxid-Bedarf. Er hat vielmehr mit AIR LIQUIDE einen Vertrag abgeschlossen, dem gemäß das Unternehmen das Gas vor Ort auf dem Gelände des Shanghaier Chemie-‚parks‘ produziert.

NANO & CO.

Einfaches Baurecht für Nano-Anlagen
Im Januar 2010 hat BAYER in Leverkusen die weltgrößte Fertigungsstätte zur Produktion von Nano-Kohlenstoffröhrchen, den so genannten BAYTUBES, in Betrieb genommen. Da die Winzlinge ungeahnte Folgen für Mensch, Tier und Umwelt haben können - es gibt beispielsweise Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung der Nano-Röhrchen - hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bei der Bezirksregierung eine Anfrage zu den Umständen der Genehmigung gestellt. Die CBG wollte wissen, wieviel die Pilotanlage emitieren darf, wo die Obergrenze für die maximale Schadstoff-Konzentration am Arbeitsplatz liegt und wie es bei einen Störfall mit dem Katastrophenschutz aussieht. Die Antwort überraschte: All diese Fragen haben bei der Entscheidung der Behörden keinerlei Rolle gespielt, weil eine Nano-Produktion weder der Immissionsschutz- noch der Störfall-Verordnung unterliegt und daher das einfache Baurecht gilt. Eine von der Coordination erbetene Stellungnahme des Bundesumweltministerium zu dieser Sachlage steht bisher noch aus. BAYER versichert derweil, alles zur Risiko-Vorsorge getan zu haben. „Das Thema wurde bei uns sehr früh angegangen. Und sehr viel weiter als verlangt“, sagen die Konzern-Manager Péter Krüger und Raul Pires und verweisen beispielhaft auf die komplett abgekapselte Verpackung der lieferfertigen Nano-Teile.

CHEMIE & WAFFEN

Ali Hassan al Madschid hingerichtet
Bei der Entwicklung chemischer Kampfstoffe haben BAYER-Forscher eine bedeutende Rolle gespielt. Fritz Haber entwickelte während des Ersten Weltkrieges das Senfgas, 1936 synthetisierte Gerhard Schrader Sarin und das von US-WissenschaftlerInnen zusammengebraute Giftgas VX basierte auf einem Patent des Leverkusener Multis. Diese tödlichen Stoffe befinden sich immer noch in den Waffenarsenalen vieler Armeen. Zuletzt verwendete sie Saddam Hussein 1987 und 1988 bei seinen Attacken auf kurdische Dörfer. Seinen auch „Chemie-Ali“ genannten willigen Vollstrecker Ali Hassan al Madschid hatte ein irakisches Gericht bereits im Jahr 2007 zum Tode verurteilt, die Hinrichtung fand aber erst im Januar 2010 statt.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Institute-Werksleiter muss gehen
Am 28. August 2008 hatte eine Explosion am BAYER-Standort Institute zwei Menschenleben gefordert. Hätte ein durch die Luft gewirbelter, tonnen-schwerer Rückstandsbehälter die Tanks mit der Bhopal-Chemikalie Methyl Isocyanat (MIC) getroffen, hätte sich die größte Chemie-Katastrophe der Geschichte ereignen können. Im Anschluss erklärte sich der Leverkusener Multi nach langem Hin- und Her dann bereit, die auf dem Werksgelände bereitgehaltenen MIC-Kapazitäten um 80 Prozent zu verringern - was der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nicht weit genug geht - und zog jetzt auch personelle Konsequenzen. Der Konzern entließ den Werksleiter und richtete eine Doppelspitze ein. Dabei ist einer der beiden Manager fortan nur noch für Sicherheit und Planung zuständig, „um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen“, wie das Unternehmen erklärte.

STANDORTE & PRODUKTION

Gewerbesteuer: BAYER & Co. sparen
Die im so genannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz zusammengefassten Maßnahmen ersparen BAYER & Co. Abgaben in Höhe von ca. 2,4 Milliarden Euro. Zu zahlen haben für dieses Steuergeschenk hauptsächlich die Städte und Kommunen. Allein die Ausfälle bei der Gewerbesteuer beziffert der „Deutsche Städtetag“ auf 900 Millionen Euro jährlich.

ÖKONOMIE & PROFIT

Neuer Großaktionär BLACKROCK
Der US-Vermögensverwalter BLACKROCK ist neuer Großaktionär bei BAYER geworden. Er hält 5 Prozent der Anteile. Den größten Batzen am Kapital des Leverkusener Multis besitzt mit 20 Prozent die US-amerikanische CAPITAL GROUP.

Wenning: „US-Konsum muss anspringen“
Der Leverkusener Multi will aus der Wirtschaftskrise nichts lernen und genau da wieder anfangen, wo das Fiasko seinen Ausgang nahm. „So lange das Konsum-Verhalten in den USA nicht wirklich wieder anzieht, ist kein sich selbst tragender Aufschwung in Sicht“, konstatierte BAYER-Chef Werner Wenning in der Börsen-Zeitung. Genau dieses von China mit dem Kauf von US-Staatsanleihen getragene Konsum-Verhalten, das „einen pazifischen Defizit-Kreislauf“ (Robert Kurz) in Gang setzte, hat nämlich die Schulden-Kultur geschaffen, die Immobilienblasen warf und damit den Finanz-Crash heraufbeschwor.

BAYER senkt die Schulden
Der Leverkusener Multi betreibt Schulden-Abbau und hat sein Defizit, das durch die SCHERING-Übernahme auf 17,5 Milliarden Euro angewachsen war, zum neuen Jahr auf zehn Milliarden Euro reduziert. Und prompt ist der Konzern wieder in Kauflaune. „Wenn sich am Markt sinnvolle Ergänzungen ergeben, werden wir uns das anschauen“, kündigte BAYER-Chef Werner Wenning an.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Salzsäure tritt aus
Im Bergkamener BAYER-Werk kam es am 26.2.10 zu einem Zwischenfall. Aus einem Transport-Behälter mit Produktionsrückständen trat Salzsäure aus, und es bildete sich eine Giftwolke. Ein Beschäftigter, der die Dämpfe eingeatmet hatte, musste zur Untersuchung ins Krankenhaus, konnte es jedoch noch am selben Tag wieder verlassen.

Brand bei BAYER
Am 7.1.10 kam es auf dem Gelände des Leverkusener Multis zu einem Brand. In der Nähe der Müllverbrennungsanlage gelagerte Klebstoffreste, Spraydosen und Lösungsmittel hatten Feuer gefangen. Es entstand eine große Rauchwolke. Die Polizei forderte die AnwohnerInnen auf, die Fenster zu schließen und sperrte die A 59. Anschließend legte sich Ruß über Rheindorf, weshalb die Stadt davor warnen musste, mit den schwarzen Partikeln in Kontakt zu kommen.

RECHT & UNBILLIG

Patentstreit: BAYER verliert
Das indische Pharma-Unternehmen CIPLA hat eine Nachahmer-Version von BAYERs Krebsmedikament NEXAVAR produziert. Um es unmittelbar nach dem Ablauf des Leverkusener Patents auf den Markt bringen zu können, stellte es schon einmal einen Antrag auf Zulassung. Diese wollte der bundesdeutsche Pillen-Riese allerdings verhindern, da er auch nach dem Ablauf der Schutzrechte noch Monopol-Gewinne einzustreichen gedachte. Also klagte der Konzern gegen CIPLA und die Genehmigungsbehörde, was ein Novum in der Justiz-Geschichte darstellte (SWB 3/09). Niemals vorher hatte ein Unternehmen mit Verweis auf angeblich verletzte Patentrechte in ein Zulassungsverfahren eingegriffen und so versucht, die Versorgung armer Menschen mit preisgünstigen Arzneien zu verhindern. Darum erkannten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), das indische PEOPLES HEALTH MOVEMENT, die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und andere Initiativen sofort die gesundheitspolitische Dimension des Vorstoßes und protestierten vehement. Mit Erfolg: Im August 2009 verlor BAYER den Prozess in erster Instanz, und im Februar 2010 auch in zweiter.

Immer mehr MAGNEVIST-Klagen
BAYERs Kontrastmittel MAGNEVIST hat bei vielen Nierenkranken eine Fibrose, ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, ausgelöst, das zu komplettem Organversagen führen kann. Immer mehr Opfer oder deren Angehörige gehen deshalb gegen den Konzern vor. Während die Zahl der Klagen im Februar 2009 bei 241 lag, sieht sich das Unternehmen ein Jahr später bereits mit 310 konfrontiert.

Immer mehr TRASYLOL-Klagen
Im November 2007 musste BAYER das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen; nur für einige wenige Anwendungsbereiche gilt das Verbot nicht. Derweil nehmen die Schadensersatz-Ansprüche immer weiter zu. Gab es bis zum Februar 2009 470 Klagen, so stieg ihre Zahl bis zum Februar 2010 auf 1.600. Und dazu kommen noch drei Sammelklagen aus Kanada.

1.100 YASMIN-Klagen
BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Produktfamilie können neben anderen Gesundheitsstörungen auch Lungenembolien verursachen, die manchmal sogar tödlich verlaufen (siehe SWB 4/09). Immer mehr Geschädigte oder deren Angehörige ziehen deshalb vor Gericht. Allein in den USA beläuft sich die Zahl der Schadensersatz-Klagen auf ca. 1.100; in Kanada sieht sich der Leverkusener Multi mit zwei Sammelklagen konfrontiert. Und das dürfte noch nicht alles sein. „Mit zusätzlichen Verfahren ist zu rechnen“, heißt es im neuesten Geschäftsbericht.

Einigung mit Blutprodukte-Opfern?
Weltweit infizierten sich in den 80er Jahren Tausende Bluter durch Blutprodukte von BAYER & Co. mit AIDS oder Hepatitis C. Sie wurden Opfer der Profitgier der Konzerne, denn diese hatten sich aus Kostengründen lange Zeit geweigert, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Aus diesem Grund sehen sich die Unternehmen in den USA immer noch mit zahllosen Prozessen konfrontiert. Mit einer Gruppe von KlägerInnen steht jetzt laut BAYER-Geschäftsbericht eine Einigung unmittelbar bevor.

BAYER klagt wg. YASMIN
Der Leverkusener Multi verklagt routinemäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte von BAYER-Pillen auf den Markt bringen wollen, wegen Patentverletzung, um sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe zu halten. Jetzt traf es die Unternehmen SANDOZ und WATSON LABORATORIES, die eine Nachahmer-Version des gefährlichen Verhütungsmittels YASMIN (s. o.) vermarkten wollen.

BAYER klagt wg. CIPRO
Besonders indischen Unternehmen, die für Nachahmer-Produkte von BAYER-Medikamenten Zulassungen beantragen, macht der Leverkusener Multi das Leben schwer, um auch nach Ablauf der Patente für die Arzneien noch möglichst lange Monopol-Profite einstreichen zu können. Im letzten Jahr verklagte das Unternehmen den Hersteller CIPLA wegen einer angeblichen Patent-Verletzung (s.o.), und im Februar 2010 leitete der Pharma-Riese in den USA rechtliche Schritte gegen die Firma LUPIN ein, die bei den Behörden einen Genehmigungsantrag für eine Generika-Version des Antibiotikums CIPRO eingereicht hatte.

BAYER verklagt wg. CIPRO
1997 hatte BAYER einen Patentstreit mit dem Pharma-Unternehmen BARR beigelegt. Gegen die Zahlung von 400 Millionen Dollar willigte BARR ein, dem Leverkusener Multi vorerst nicht mit einer CIPROBAY-Nachahmervers

[Kurzmeldungen] STICHWORT BAYER 03/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Wahlerfolge für Pipeline-GegnerInnen
GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Pipeline, die BAYER zwischen den Standorten Dormagen und Krefeld plant, haben sich mit beträchtlichem Erfolg an den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen beteiligt. In Erkrath erreichte ein entsprechendes WählerInnen-Bündnis 18 Prozent, die BÜRGER-UNION in Ratingen kam sogar auf 30 Prozent. Auch bei der Landtagswahl im nächsten Jahr dürfte die umstrittene Gasleitung eine große Rolle spielen.

Erfolgreiche Endosulfan-Kampagne
Die britische Gruppe PANTS TO POVERTY, die sich für ökologischen Baumwoll-Anbau einsetzt und Unterwäsche aus fairer Produktion vertreibt, begann im Juli eine schlüpfrige Kampagne gegen BAYERs Ultragift Endosulfan. Sie forderte die Menschen auf, gebrauchte - aber gewaschene - Unterhosen an den Leverkusener Multi zu senden. Hunderte indische BaumwollfarmerInnen und TextilarbeiterInnen unterstützten die Aktion ebenso wie die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) und die ENVIRONMENTAL JUSTICE FOUNDATION. Am Ende gab der Agro-Riese sich geschlagen: Er verkündete einen Endosulfan-Verkaufsstopp (siehe auch SWB 3/09).

Pillen-Preise kritisiert
Die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente sind im letzten Jahr um 5,3 Prozent auf 29,2 Milliarden Euro gestiegen. Einen großen Anteil daran haben die von BAYER & Co. neu auf den Markt gebrachten Arzneien. Für solche Pillen dürfen die Hersteller die Preise netterweise nämlich selbst festlegen. Als „systemsprengend“ hat der Pharmakologe Gerd Glaeske diese Kosten bezeichnet und eine Deckelung gefordert. Die ehemalige BAYER-Angestellte Cornelia Yzer wies diese Kritik in ihrer Funktion als Geschäftsführerin des vom Leverkusener Multi mitgegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ umgehend zurück. Die neuen Produkte seien „kein Kostentreiber“, so Yzer.

KAPITAL & ARBEIT

Datensammler BAYER
Nicht nur bei der DEUTSCHEN BAHN dient die Korruptionsbekämpfung als Vorwand, um die Beschäftigten zu bespitzeln. Auch der Leverkusener Multi benutzt dieses Argument, um die Computer der Belegschaftsangehörigen zu scannen. Die Computer-Software SAP und das Programm „Staan“ ermöglichen es dem Konzern nach den Worten von Günter Müller, dem Bereichsleiter der Unternehmensrevision, hunderttausende von Daten zu eruieren und den Großen Bruder BAYER „under perfect information“ zu stellen.

Weiter Kritik an Beistandskasse
Die BAYER-Beistandskasse hatte im Jahr 2007 auf ihrer Mitglieder-Versammlung Kürzungen beim Sterbegeld, das ca. 6.000 Euro beträgt, vorgenommen (Ticker 3/08). Die Abschläge durch die Streichung des Gewinn-Zuschlages können sich auf zu 2.000 Euro - also ein Drittel der Summe - summieren. Zwei Jahre später haben sich die Wogen immer noch nicht wieder geglättet. Einer Anfechtungsklage gegen den Beschluss gab das Amtsgericht Opladen in erster Instanz statt, woraufhin der Leverkusener Multi in die Berufung ging. Und auch auf der diesjährigen Versammlung stellten Mitglieder Anträge auf Wiedereinführung des Gewinnzuschlages, die der Vorstand allerdings nicht zur Abstimmung stellte. Spekulationen mit Lehman-Zertifikaten sowie ein Schrumpfen der Sterbegelder bei steigenden Sterbezahlen sorgten für zusätzlichen Unmut, der sich in den Abstimmungsergebnissen niederschlug. So verweigerten 150 der 652 Anwesenden dem Vorstand und 147 dem Aufsichtsrat die Entlastung.

ERSTE & DRITTE WELT

Milde NEXAVAR-Gaben
Der Leverkusener Multi verklagt routine-mäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte von BAYER-Pillen auf den Markt bringen wollen, um sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe zu halten (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Sogar gegen Generika-Unternehmen in der „Dritten Welt“ geht BAYER gerichtlich vor, obwohl diese die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Medikamenten zu erschwinglichen Preisen sicherstellen. So verlor der Konzern in Indien gerade einen Prozess, der den Nachbau seiner Krebs-Arznei NEXAVAR hinauszuzögern sollte (SWB 1/09). Der wachsenden Kritik an dieser Patent-Praxis begegnet der Pharma-Riese mit milden Gaben: Er erleichtert über spezielle Förderprogramme den Zugang zu NEXAVAR.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkplatte enthüllt
Im November 2008 hatte die KULTURVEREINIGUNG LEVERKUSEN e. V. mit einer Kundgebung vor dem Tor des BAYER-Chemie„parks“ an die Opfer des vom Pharma-Riesen mitgegründeten IG-FARBEN-Konzerns erinnert. Die AktivistInnen hatten zu diesem Anlass auch geplant, eine Gedenkplatte in den Boden einzulassen, aber die Stadt untersagte dies. Die Kulturvereinigung gab sich jedoch nicht geschlagen und bot dem Memorial auf ihrem eigenen Grundstück eine Heimat. Am 27. Juni 2009 enthüllte der Verein das Erinnerungsmal und eröffnete parallel dazu eine kleine Ausstellung über die Geschichte des Mörderkonzerns.

Karl-Winnacker-Preis verliehen
Karl Winnacker war von 1933 bis 1945 einer der einflussreichsten Manager des von BAYER mitgegründeten Mörderkonzerns IG FARBEN. Das hindert weder den „Marburger Universitätsbund“ noch das „Deutsche Atomforum“ daran, einen „Karl-Winnacker-Preis“ zu verleihen. Die diesjährige Auszeichnung erhielt die Bertelsmann-Miteignerin Liz Mohn. Karl Winnackers Sohn, der Gentechniker und Wissenschaftslobbyist Ernst-Ludwig Winnacker, setzt heute die Familien-Tradition fort und sitzt im BAYER-Aufsichtsrat. Auch aus anderen Nachkommen von IG-Managern ist etwas geworden. So ging Kurt Biedenkopf, Sohn des Technischen Direktors Wilhelm Biedenkopf, in die Politik und bekleidete einflussreiche Ämter für die CDU. Dieser Partei blieb auch die Fritz-ter-Meer-Tochter Charlotte treu, zumindest privat: Sie heiratete den langjährigen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep.

POLITIK & EINFLUSS

BDI fordert Rohstoff-Strategie
Immer wieder drängen BAYER & Co. die Politik, sich beherzter am Wettlauf um Kupfer, Zink und andere knappe Güter zu beteiligen. Im August 2009 hat der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) von der Bundesregierung und der EU eine „Rohstoff-Strategie“ eingefordert, um die Versorgung der Wirtschaft mit Ressourcen sicherzustellen. Nach den Vorstellungen des BDI müsste diese unter anderem für den Abbau von Handelshemmnisse sorgen, die europäischen Länder konkurrenzfähiger gegenüber China machen und die Ausweisung von immer mehr ökologischen Schutzgebieten stoppen, damit die Konzerne sich die heimischen Reservoirs besser erschließen können.

Merkel bestaunt BAYER-Modell
Ausgerechnet bei BAYER wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel das Energiesparen lernen. Auf der Hannover-Messe ließ die CDU-Politikerin sich mit Bundesforschungsministerin Annette Schavan und dem südkoreanischen Premierminister Han Seung-Soo im Schlepptau ein Modell zur Ressourcen-Schonung bei technischen Prozessen erläutern, das BAYER gemeinsam mit der Hannover-Messe entwickelt hatte.

Wenning bei Ackermann-Geburtstag
Wenn Angela Merkel für Josef Ackermann von der DEUTSCHEN BANK den Party-Service übernimmt und dessen Geburtstagsessen ausrichtet, darf einer natürlich nicht fehlen: BAYER-Chef Werner Wenning. Er gehörte zu den ca. 30 Gästen, die auf Kosten der SteuerzahlerInnen im Bundeskanzleramt speisten.

BAYER & Co. beim Runden Tisch
„Fortschritte beim zweiten Runden Tisch zur Pflanzen-Genetik“ vermeldete Forschungsministerin Annette Schavan im Juli. Kein Wunder, dass es so rund lief, denn 24 der 30 TeilnehmerInnen erwiesen sich als Anhänger der Risikotechnologie. Er habe sich „wie auf einer Werbeveranstaltung von BASF gefühlt“, klagte Hartmut Vogtmann vom DEUTSCHEN NATURSCHUTZRING dann auch. Jetzt wollen die Initiativen aber nicht mehr länger als Feigenblatt dienen. Sie haben einen neun Punkte umfassenden Katalog zur ökologischen Sicherheitsforschung formuliert, mit dem sich der nächste Runde Tisch befassen soll. Darin fordern NABU, BUND & Co. unter anderem eine systematische Erfassung der gesundheitlichen Risiken von Genpflanzen, die Untersuchung von Wechselwirkungen mit Pestiziden und eine Standardisierung der Zulassungstests.

Reul sitzt EU-Industrie-Ausschuss vor
Der CDU-Politiker Herbert Reul hat den Vorsitz des Industrie-Ausschusses der Europäischen Union übernommen. „Klimapolitik gegen die Industrie ist Unsinn“ gehört zu den Glaubensätzen des Christdemokraten, der generell Zweifel daran hat, „dass der Mensch so viel zur Erderwärmung beiträgt, wie allgemein behauptet wird“ und damit natürlich BAYERs Mann ist. Nicht umsonst hat der EU-Parlamentarier schon 2005 Vorträge beim Leverkusener Multi gehalten.

Thoben in Leverkusen
Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben nahm an der Vorstandssitzung der „Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft“ teil, die im Leverkusener Chemie-„park“ stattfand. Die CDU-Politikerin nutzte sogleich die Gelegenheit, ein Bekenntnis zu den „industriellen Kernen“ des Bundeslandes abzulegen. Wenig später verteidigte die Christdemokratin dann auch BAYERs umstrittene Kohlenmonoxid-Leitung: „Es ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung und zum Ausbau des Chemie-Standortes Nordrhein-Westfalen. Durch die Pipeline erhalten die beiden Werke in Krefeld und Dormagen eine gesicherte Perspektive“.

Rüttgers & Oettinger im Baykomm
Die beiden CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und Günther Oettinger besuchten das BAYKOMM in Leverkusen und ließen sich von BAYER-Chef Werner Wenning und Forschungsvorstand Wolfgang Plischke durch die Themenräume führen. Dabei fanden die Manager Gelegenheit, den Politikern die Gentechnik des Hauses als Beitrag zur Lösung des Welternährungsproblems zu verkaufen, BAYER als Klimaschützer in Szene zu setzen und bessere Rahmenbedingungen für die Forschung zu fordern.

Schäfer sitzt NRW-VCI vor
Klaus Schäfer, der Geschäftsführer von BAYERs Chemie„park“-Betreiber CURRENTA, hat den Vorsitz der nordrhein-westfälischen Sektion des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI) übernommen. „Ich freue mich sehr, dass ich mich nun auch an der Spitze des Chemieverbandes für den Erhalt und die Stärkung dieses wichtigsten deutschen Chemie-Standortes einsetzen kann“, sagte er nach seiner Wahl.

Schneider Chef-Aufseher bei RWE
Manfred Schneider hat seinen Aufsichtsratschef-Sesseln bei BAYER und LINDE jetzt auch noch den von RWE hinzugefügt. Daneben nimmt Schneider profane Aufsichtsratsmandate bei DAIMLER und TUI wahr. Zudem gehört er dem „Gemeinsamen Beirat“ der ALLIANZ an und leitet das Kuratorium der „Fritz Thyssen Stftung“.

Winnacker kritisiert Seehofer
Der Gentechnik-Multifunktionär Ernst-Ludwig Winnacker, dem seine vielfältigen Kontakte einen Sitz im BAYER-Aufsichtsrat einbrachten, hatte eine ganz ausgezeichnete Beziehung zum ehemaligen CSU-Boss Edmund Stoiber. So leitete er sieben Jahre lang den Wissenschaftlich-Technischen Beirat der Bayerischen Staatsregierung. Da bereitet ihm die zunehmende Gentechnik-Skepsis der Christsozialen unter Horst Seehofer natürlich Sorge. Deshalb setzte er einen Brief an den Ober-Bayern auf. „Ich habe ihm geschrieben, dass ich seine Äußerungen als forschungsfeindlich empfinde und enttäuscht bin, dass er als Ministerpräsident eine solch extreme Haltung einnimmt“, erklärte Winnacker in der Süddeutschen Zeitung. Dessen Gentech-Lobbyismus machte auch die Journalistin misstrauisch: „Die Gegner werfen Ihnen vor, von der Industrie gekauft zu sein“. Aber Mr. Gentechnik focht das nicht an. „Das Argument ist billig“, entgegnete er. Bereits wenige Tage nach dem Interview setzte er seine Mission fort und warb auf dem Münchner Symposion „Grüne Gentechnologie“ für Gen-Mais auf dem Acker.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER schult Pentagon-Personal
Das Pentagon kauft jährlich Arzneimittel für sieben Milliarden Dollar und zählt zu den Großabnehmern von BAYER-Medikamenten. Darum betreibt der Leverkusener Multi eine intensive Kundenpflege. Besonders gern lädt der Konzern Beschäftigte von Armee-Krankenhäusern zu Kongressen und „Fortbildungs“veranstaltungen ein. Die Kosten - allein die Reisen schlagen mit 46.000 Dollar zu Buche - scheinen eine lohnende Investition zu sein.

PLEON vermarktet Sozialpreis
Der Leverkusener Multi hat einen „ASPIRIN-Sozialpreis“ ausgelobt, den der Konzern an Sozial-Projekte aus dem Gesundheitsbereich verleihen will. Das Konzept für diese PR-Aktion stammt von der Agentur PLEON, die für den Pharma-Riesen in der Vergangenheit bereits BAYERs Kinderarmut-„Sozialarbeit“ betreut hatte. Im Bereich „Health Care“ kann die Werbefirma mit besonderer Kompetenz aufwarten, diese Sparte betreut nämlich die ehemalige grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer. An diese adressierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auch ihren Protestbrief. Die CBG sieht durch die Aktion die Aufklärung über gefährliche Nebenwirkungen des „Tausendsassas“ in den Hintergrund gedrängt und misstraut dem Bemühen des Global Players um die Mühseligen und Beladenen. „Es geht uns nicht darum, das Engagement der beim „ASPIRIN-Sozialpreis“ teilnehmenden Organisationen in Frage zu stellen. Aber es ist wohl unstrittig, dass es der BAYER AG bei solchen aus der Portokasse finanzierten Kampagnen nicht um soziales Engagement, sondern ausschließlich um Werbung geht“, heißt es in dem Schreiben an Fischer.

Greenwashing zum Umwelttag

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Pünktlich zum weltweiten Umwelttag am 5.6.09 hatte der Leverkusener Multi im US-amerikanischen Omaha sein Grünwaschprogramm angeworfen. Der Konzern initiierte gemeinsam mit der UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, eine Ausstellung mit Bildern von Kindern zum Thema „Klimawandel“ im Kindermuseum. Zudem spendierte der Konzern im Rahmen der „Sieben Milliarden Bäume“-Kampagne der UNEP 10.000 Dollar für das Anpflanzen von 500 Bäumen regionaler Provenienz im Stadtgebiet.

Greenwashing zum Umwelttag

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Auch im ostfriesischen Aurich wusch sich der Klimasünder BAYER (Kohlendioxid-Ausstoß 2008: 7,57 Millionen Tonnen) am weltweiten Umwelttag die Hände grün und zeigte im städtischen Rathaus von Kindern gemalte Bilder zum Thema „Klimawandel“. Entstanden waren die Exponate im Rahmen eines gemeinsam mit dem UN-Umweltprogramm UNEP veranstalteten Malwettbewerbs.

BAYER eröffnet klima-neutrale Kita
Der Leverkusener Multi betreibt ein Klein-Klein in der Klimapolitik. Während die Kohlendioxid-Emissionen (2008: 7,57 Millionen Tonnen) nur konjunktur-abhängig sinken, versucht der Konzern mit Mini-Projekten zu punkten. So eröffnete er in Monheim eine klima-neutrale Kindertagesstätte und heimste dafür auch noch einen Preis für energie-optimiertes Bauen ein.

Kulturachse Leverkusen-Berlin
BAYER entfaltet zunehmend PR-Aktivitäten in der Hauptstadt. Zu diesem Behufe rief der Konzern die „Kulturachse Leverkusen-Berlin“ ins Leben. Im Rahmen dieses Projekts zeigt er gesponsorte Theaterproduktionen nach der Premiere am Stammsitz auch in Berlin. Darüber hinaus plant der Multi die Förderung zeitgenössischer Dramatik. Zudem will der Agro-Riese seine Kunstsammlung am Regierungssitz zeigen und junge Berliner KünstlerInnen ausstellen. Zur Präsentation des Kulturprogrammes, das BAYER mit Partnern wie der „Hochschule Ernst Busch“, dem Renaissance-Theater und dem Martin-Gropius-Bau durchführt, kam auch der Kulturstaatssekretär André Schmitz ins Rote Rathaus.

VDMJ verleiht BAYER-Preis
Der „Verband Deutscher Medizinjournalisten“ (VDMJ) ist sich für nichts zu schade und hat den von BAYER gestifteten JournalistInnen-Preis für Berichte über Fortschritte in der Nierenkrebs-Therapie mit Malini Guha einer Journalistin verliehen, die in einem Artikel über die von BAYERs Arznei NEXAVAR bewirkten Fortschritte in der Nierenkrebs-Therapie berichtet hatte.

BAYER lehrt Gentechnik
Bereits über 200 Schülerlabore haben die Konzerne in der Bundesrepublik eingerichtet, um Nachwuchs für die Naturwissenschaften zu gewinnen. Mit einer kritischen Aufbereitung der Themen gelingt dies nicht. So durften SchülerInnen des Gymnasium Herkenrath in BAYERs „Baylab plants“ zwar die DNA von Raps isolieren, aber nichts über die „Risiken und Nebenwirkungen“ der Gentechnik lernen.

BAYER lehrt Wasserkunde
Der Leverkusener Multi lädt SchülerInnen nicht nur zu sich in seine Labore ein (s. o.). Er unterhält auch einen Außendienst, um Jugendliche mit Naturwissenschaften nach BAYER-Art vertraut zu machen. So halten ehemalige Beschäftigte wie Gerhard Heywang oder Peter Michael Lange Schulstunden ab. Gerhard Heywang etwa widmete sich im Chemie-Unterricht des Bonner Ernst-Kalkuhl-Gymnasiums dem Thema „Wasser“. „Er demonstrierte die Sprengkraft von Wasser im gefrorenen Zustand und zeigte mit Hilfe von kleinen Glasplättchen, dass Wasser sogar als Klebstoff dienen kann“, zeigte sich der General-Anzeiger begeistert. Der enorme Wasserverbrauch von BAYER (siehe WASSER, BODEN & LUFT) stand natürlich ebenso wenig auf dem Stundenplan wie die massiven Verunreinigungen durch Schadstoff-Einleitungen.

BAYERs Testosteron-Check
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen, obwohl die Liste der Nebenwirkungen lang ist. Bluthochdruck, Ödeme, Herzkrankheiten, Blutverdickung, Leberschäden und Wachstum der Prostata zählen dazu. Zwecks Erschließung neuer Käuferschichten sucht der Konzern seit Neuestem sogar männer-affine Veranstaltungen wie Oldtimer-Shows und Golfmessen heim und bittet dort zum „Testosteron-Check“.

DRUGS & PILLS

FDA: Qualitätsmängel bei YAZ & Co.
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat zweimal das Bergkamener BAYER-Werk inspiziert und gravierende Mängel bei der Qualitätskontrolle von Wirkstoffen für Verhütungsmittel wie YASMIN und YAZ festgestellt, die seit geraumer Zeit wegen erhöhter Thrombose- und Lungenembolie-Risiken in der Kritik stehen (siehe SWB 3/09). So entdeckten die KontrolleurInnen unreine Pharmastoffe und solche, die in ihrer Stabilität erhebliche Schwankungen aufwiesen, was BAYER durch Tricks bei den Analyse-Verfahren verbergen wollte. Zudem kritisierte die FDA Defizite bei der Reinigung und Wartung der Produktionseinrichtungen. Die Institution setzte dem Konzern eine Frist von 30 Tagen, um die Mängel zu beheben und drohte bei einer mit der Verhängung eines Einfuhrverbotes für Pillen made by BAYER.

Pharma-Forschung unter Einfluss
Seit langem kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den großen Einfluss der Pillen-Hersteller auf Arzneimittelstudien im Allgemeinen und die von BAYER mit der Kölner Universitätsklinik vereinbarte Kooperation auf diesem Gebiet im Besonderen. Auch die ÄrztInnenschaft beobachtet die Entwicklung misstrauisch. So gab der „Deutsche Ärztetag“ eine Expertise zum Thema „Der Einfluss der pharmazeutischen Industrie auf die wissenschaftlichen Ergebnisse und die Publikation von Arzneimittelstudien“ in Auftrag. Das Fazit fiel verheerend aus. So kommen von BAYER & Co. gesponsorte Untersuchungen deutlich öfter zu positiven Ergebnissen als staatlich geförderte. Das geschieht dem Autor Dr. Klaus Lieb zufolge unter anderem durch Veränderungen des Studien-Protokolls, das Zurückhalten von Informationen über Nebenwirkungen und durch die Beschäftigung von GhostwriterInnen. Als Konsequenz aus dem Resultat der Analyse forderte der „Deutsche Ärztetag“ die Bundesregierung auf, eine von den Pharma-Firmen unabhängige Forschung stärker als bisher zu unterstützen.

Studien: Kein ASPIRIN zur Vorbeugung
ForscherInnen der Universität Oxford raten davon ab, ASPIRIN zur Herzinfarkt-Vorbeugung zu nehmen. Die WissenschaftlerInnen werteten Daten aus sechs Studien aus und stellten dem „Tausendsassa“ in einer Risiko/Nutzen-Analyse ein schlechtes Zeugnis aus. So hat das Präparat zwar das Auftreten von Störungen des Herz/Kreislaufsystems um 12 Prozent gesenkt, dafür im Gegenzug aber zu einem 43-prozentigen Anstieg von Gehirnblutungen geführt. Eine Untersuchung des an der Edinburgher „Wolfson Unit“ tätigen Dr. Gerry Fowkes beurteilte die prophylaktische Wirkung von ASPIRIN ebenfalls negativ. Und das, obwohl BAYER zu den Sponsoren der Expertise gehörte.

RENNIE schadet Lunge und Knochen
BAYERs Arznei RENNIE bindet die Magensäure und wirkt so gegen Sodbrennen. Zu den Risiken und Nebenwirkungen der vom Leverkusener Multi und anderen Herstellern angebotenen Präparate gehören die Schädigung des Knochenbaus und die Förderung von Lungenentzündungen, wie neue Studien der Universität Hamburg-Eppendorf und des „Beth Israel Deaconess Medical Centers“ ergaben. Die von den Mitteln neutralisierte Magensäure spielt nämlich bei der Verwertung des für den Knochenaufbaus wichtigen Kalziums eine Rolle, und findet der Körper nicht genug in der Nahrung, so muss er die im Skelett verborgenen Kalzium-Reserven angreifen. Für die Erhöhung des Lungenentzündungsrisikos durch RENNIE & Co. gibt es hingegen keine eindeutige Erklärung. Die WissenschaftlerInnen vermuten, dass die Medikamente mit dem Blocken der Magensäure auch Immunzellen ausschalten, die für die Abwehrkraft des Organismus eine wichtige Funktion erfüllen. Angesichts des alarmierenden Befundes kritisieren die ForscherInnen die viel zu häufige Verwendung der Produkte.

Omeprazol-Lizenz erworben
BAYER hat von ASTRAZENECA die Lizenz für Omeprazol erworben. Der Leverkusener Multi will das Mittel gegen Sodbrennen in einer rezeptfreien 20-Milligramm-Version mit einer Wirkstoff-Konzentration von 20 Milligramm unter dem Namen ANTRA auf den Markt bringen. Dafür hat der Konzern auch grünes Licht vom Bundesrat bekommen, der seinem Antrag auf die Aufhebung der Verschreibungspflicht für das Omeprazol light stattgab.

XARELTO: US-Zulassung verzögert sich
Während die Europäische Union BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO bei schweren orthopädischen OPs zugelassen hat, verzögert sich die US-Genehmigung weiter. Wegen des erhöhten Risikos von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie ungeklärter Langzeitwirkung forderte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA weitere Unterlagen an (Ticker 1/09). Der Leverkusener Multi hat offenbar Mühe, diese bereitzustellen. Erst im vierten Quartal des Jahres will der Konzern der FDA die Daten übergeben.

FDA warnt vor ALKA SELTZER & Co.
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA macht Schmerzmittel mit der Wirksubstanz Acetaminophen für jährlich 1.600 schwerwiegende Leberschäden - manchmal sogar mit Todesfolge - verantwortlich. Deshalb zieht die Institution verschreibungspflichtige Arzneien mit diesem Inhaltsstoff aus dem Verkehr. Für die geringere Dosen dieser Substanz enthaltenen freiverkäuflichen Pharmazeutika schreibt die Behörde eine Senkung des Acetaminophen-Gehaltes vor. Davon sind BAYER-Produkte wie ALKA SELTZER, MIDOL und BAYER SELECT betroffen.

Diabetikum-Vermarktung in China
Der Leverkusener Multi hat vom polnischen Pharma-Hersteller BIOTON die Exklusiv-Rechte zum Vertrieb des Diabetikums SCILIN in China erworben.

BAYER testet Verhütungspflaster
Der Leverkusener Multi testet Antibaby-Pflaster mit den Wirkstoffen Ethinylestradiol und Gestoden. Mit einer Zulassung rechnet er für 2012.

Neuer Ballon-Katheder
MedizinerInnen weiten PatientInnen mit verengten Gefäßen in einer OP mittels eines Ballon-Katheders die Arterien. BAYER hat jetzt die Zulassung für einen Ballon-Katheder beantragt, der mit einem Medikament beschichtet ist und so das erneute Zuwachsen der Gefäße effektiver verhindern soll.

Alzheimer-Marker in 3. Testphase
Die Universität von Nagasaki hatte ein Verfahren entwickelt, das Eiweißablagerungen im Gehirn mittels eines radioaktiven Markers visuell darstellen und so angeblich zur Früherkennung von Alzheimer dienen kann. BAYER sicherte sich durch einen Vertrag mit der japanischen Hochschule die Exklusivrechte an dieser Technologie und startete klinische Prüfungen, die sich mittlerweile in der dritten und letzen Phasse befinden.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Studie: GAUCHO tötet Bienen
Im letzten Winter haben britische ImkerInnen ein Fünftel ihrer Bienenvölker verloren. Eine daraufhin von den Initiativen BUGLIFE und SOIL ASSOCIATION durchgeführte Untersuchung machte Pestizide wie Imidacloprid, Wirkstoff von BAYERs Saatgut-Behandlungsmittel GAUCHO, mitverantwortlich für das Bienensterben. Als Konsequenz daraus forderten die Gruppen ein Verbot von GAUCHO und anderen Mitteln, wie es die Bundesrepublik und andere Staaten in Europa für bestimmte Anwendungsbereiche schon ausgesprochen haben.

Bienensterben global
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Andere Länder reagierten hingegen nicht. Nach einem Massentod von Bienen in Österreich (Ticker 2/09) beklagten nun auch ImkerInnen in Kroatien und Japan große Verluste.

Berufskrankheit „Parkinson“
Pestizide haben Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem. Besonders Menschen, die täglich mit Agrochemikalien umgehen, setzen sich einem Gesundheitsrisiko aus. So erkranken LandwirtInnen häufiger an Parkinson als der Durchschnitt der Bevölkerung. Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft hat deshalb - allerdings erst nach einer Klage - pestizid-bedingten Parkinson als Berufskrankheit anerkannt. Einen ähnlichen Fall hatte vor einiger Zeit das Landessozialgericht Mainz positiv entschieden.

Diuron am Bau
Die verbesserte Wärmedämmung führt zu kälteren und feuchteren Außenfassaden. Weil das die Häuserwände anfälliger für Pilzbefall macht, greifen die BesitzerInnen häufig zu Anstrichen mit Agrochemie-Zusätzen. Regen spült die Gifte dann ins Grundwasser. Bei einer Untersuchung des schweizer Wasserversorgers EAWAG enthielt ein Liter Abfluss allein bis zu 7.000 Mikrogramm von BAYERs Pestizid-Wirkstoff Diuron.

Weiterhin Klasse-I-Pestizide
Auf der BAYER-Hauptversammlung von 1995 hatte der Vorstand zugesagt, bis zum Jahr 2000 alle Pestizide der Gefahrenklasse I vom Markt zu nehmen. Dieses Versprechen hat der Leverkusener Multi immer noch nicht eingelöst. Dem Nachhaltigkeitsbericht von 2008 zufolge „gibt es weiterhin Produkte, deren Einsatz notwendig ist und für die noch immer keine Alternativen verfügbar sind“. Zudem machten regionale Unterschiede beim Schadinsekten-Aufkommen angeblich eine „Standardlösung unmöglich“.

GENE & KLONE

Saatgut mit T25 verunreinigt
GREENPEACE hat konventionell angebautes Mais-Saatgut untersucht und Verunreinigungen mit gentechnisch manipulierten Saaten festgestellt. In 22 der 386 Proben fanden sich Gentechnik-Spuren. In den meisten Fällen führten diese zu MONSANTO, aber auch der Leverkusener Multi wurde ertappt. So wiesen die WissenschaftlerInnen in Maispflanzen aus Hessen, dessen Saatgut aus Kanada stammte, den BAYER-Mais T25 nach, den gentechnische Verfahren resistent gegen die Herbizide BASTA und LIBERTY gemacht haben.

Glyphosat schädigt Zellen
Das BAYER-Pestizid Glyphosat, das in den Mitteln GLYPHOS, KEEPER und USTINEX enthalten ist, hat es in sich. Der Wirkstoff, den der Konzern ab 2010 auch in Kombination mit seiner gentechnisch gegen die Substanz resistent gemachten „GlyTol“-Baumwolle anbieten will, kann menschliche Zellen schädigen. Nach einer Untersuchung französischer ForscherInnen von der Universität Caen löste die Agrochemikalie noch in 100.000facher Verdünnung binnen 24 Stunden ein komplettes Zellsterben aus.

USA genehmigen Gen-Baumwolle
Die USA haben BAYERs GlyTol-Baumwolle eine Genehmigung erteilt. Der Agro-Riese will die per Gentechnik immun gegen den Herbizid-Wirkstoff Glyphosat gemachte Pflanze ab 2010 vermarkten. Ob die BAYER-Baumwolle Hitze und Trockenheit besser trotzt als die Laborfrüchte des Konkurrenten MONSANTO? Bei denen ließen die klimatischen Verhältnisse nämlich die Glyphosat-Resistenz schwinden, weshalb die Gewächse dem Glyphosat-Großeinsatz nicht gewachsen waren und en masse eingingen.

Tallowamin tötet Frösche
Nicht nur Glyphosat als Wirkstoff von MONSANTOs Produktlinie ROUND-UP, auf die auch BAYER im Rahmen einer Kooperation mit dem Agro-Riesen zurückgreift (s. u.), steht in der Kritik (s. o.) Der ROUND-UP-Hilfsstoff Tallowamin hat jetzt ebenfalls die Aufmerksamkeit von ForscherInnen auf sich gezogen. US-amerikanischen WissenschaftlerInnen zufolge hat die Substanz für ein Massensterben von Fröschen und Kröten gesorgt. Das „Bundesamt für Verbraucherschutz“ hat von dem US-Unternehmen und anderen Anbietern bereits neue Daten angefordert und droht mit einer Aberkennung der Zulassung.

Mehr Kooperation mit MONSANTO
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Deshalb gehen BAYER & Co. nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen. So haben BAYER und MONSANTO bereits vor zwei Jahren einen umfangreichen Technologie-Transfer vereinbart. Der US-amerikanische Agro-Riese darf laut Vertrag BAYERs LIBERTY-Resistenzen zusätzlich zum Bt- oder Glyphosat-Gen in seine Raps- oder Soja-Kreationen einbauen und der Leverkusener Multi im Gegenzug auf MONSANTO-Entwicklungen zurückgreifen. Jetzt weiteten die beiden Unternehmen ihre Zusammenarbeit nochmals aus. Der US-Gigant erhält für seinen Gen-Raps Zugang zur LIBERTY-Technologie, während der bundesdeutsche Konzern für seine Rapssorten die MONSANTO-Entwicklung ROUNDUP-READY verwenden kann.

DUPONT kauft BAYER-Lizenzen
Auch der Agro-Riese DUPONT versucht, die nachlassende Widerstandskraft seiner Genpflanzen gegen Schadinsekten durch die Zusammenstellung neuer Giftcocktails aufzuhalten. Das Unternehmen erwarb vom Leverkusener Multi die Rechte zum Einbau von Resistenzen gegen das Pestizid Glufosinat in seine Sorten. Zudem hat das US-amerikanische Unternehmen Zugriff auf BAYERs Dual-Bt-Patent, welches das Bestücken seiner Produktlinien mit dem für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis erlaubt. Das den Agrarmarkt beherrschende Oligopol versucht also momentan, die sich aus der Genpflanzen-Monokultur ergebenden Probleme dadurch zu lösen, dass es den Oligopol-Giftschrank zwecks Pseudo-Diversifizierung gemeinsam nutzt.

Einzelstaatliche Gentechnik-Verbote?
Bislang galt in Sachen „Gentechnik“ einheitliches EU-Recht. Nach einer Genehmigung aus Brüssel konnte der Anbau im Prinzip starten. Da aber immer mehr Mitgliedsländer doch Wege fanden, der grünen Gentechnik auf ihren Feldern kein grünes Licht zu geben, stehen jetzt einzelstaatliche Lösungen zur Debatte. Wenn die letzte Entscheidung wieder bei den einzelnen Staaten liegt, bräuchten diese sich nicht mehr gleich für europa-weite Zulassungsverbote auszusprechen, kalkulieren die Befürworter der Risikotechnologie, während die Gentech-GegnerInnen sich von der Reform mehr „Nein“-Voten auf Länder-Ebene erhoffen.

Lizenz auf Krebsmoleküle erworben
BAYER hat vom US-amerikanischen Gentech-Unternehmen CELERA die Rechte an fünf Eiweiß-Substanzen erworben, die bei Krebskrankheiten eine Rolle spielen und deshalb angeblich als Ansatzpunkte für die Entwicklung von Gegenmitteln dienen können.

NEXAVAR immer noch zu teuer
Das britische Pendant zum bundesdeutschen „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, die Sondergesundheitsbehörde NICE, hatte im letzten Jahr eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Gentech-Arznei NEXAVAR bei der Indikation „Nierenkrebs“ vorgenommen. Das Ergebnis fiel negativ aus, weshalb die Krankenkassen für eine Behandlung nicht zahlten. Der Leverkusener Multi focht die Entscheidung an, aber die NICE blieb bei ihrem Urteil. Ob die Institution NEXAVAR als Leberkrebs-Medikament positiver gegenübersteht, bleibt abzuwarten. Die Prüfungen laufen noch.

Mehr Indikationen für NEXAVAR?
Der Leverkusener Multi versucht unentwegt, das Anwendungssspektrum seiner zur Behandlung von fortgeschrittenem Nieren- und Leberkrebs zugelassenen Gentech-Arznei NEXAVAR zu erweitern. Nachdem das Medikament als Haut- und Bauchspeicheldrüsen-Therapeutikum versagte, setzt der Konzern nun auf die Indikationen „Brustkrebs“ und „fortgeschrittener Lungenkrebs“, für die er in Tests auch erste Behandlungserfolge wie „keine weitere Verschlimmerung der Krankheit“ vermeldet.

PFLANZEN & SAATEN

Saatgut-Forschung in Cartagena
BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS expandiert beständig. Im US-amerikanischen Parma baut sie für 15 Millionen Dollar ihr Werk aus, und im spanischen Cartagena hat di Firma ein Forschungszentrum eröffnet, das neue Melonen-, Salat-, Artischocken- und Paprika-Sorten entwickeln will.

Kooperation mit Reis-Institut
BAYER hat mit dem chinesischen Reis-Institut CNRRI eine Kooperation vereinbart. Die beiden Vertragspartner wollen gemeinsam an der Erforschung und Entwicklung von neuen hybriden, also sterilen und nicht zur Wiederaussaat bestimmten Sorten arbeiten. Diese Arten ermöglichen dem Agro-Riesen ein besonders gutes Geschäft, da die LandwirtInnen jedes Jahr neue Saaten kaufen müssen.

WASSER, BODEN & LUFT

Wolfenbüttel: schwierige Sanierung

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Bis BAYER den aufgegebenen Standort Wolfenbüttel (siehe Ticker 4/08) besenfrei übergeben kann, dürften Jahrzehnte vergehen. Die Sanierung des verseuchten Boden gestaltet sich nämlich schwieriger als erwartet. Nicht nur 325 Kilgramm Pestizide schlummern im Erdreich, sondern auch 3.000 Kilogramm Benzol sowie Lösungsmittel, Mineralöle und Schlacken. Für den größten Schadstoff-Eintrag hatte 1978 - damals betrieb SCHERING auf dem Gelände eine Chemie-Produktion - eine Explosion gesorgt, denn mit dem Löschwasser versickerte ein ganzer Chemie-Cocktail. Jetzt muss das vergiftete Grundwasser über 16 Brunnen an die Oberfläche gepumpt und einer großen Filteranlage zugeführt werden. Nach Auskunft des Geologen Jürgen Röhrs wird die Reinigung 50 Jahre in Anspruch nehmen - BAYER will es hingegen in einer Dekade schaffen. Und zu allem Überfluss verursachen die Maßnahmen zusätzliche Schäden: NachbarInnen klagen schon über Risse in den Wänden ihrer Häuser. Trotzdem erhielten die Arbeiten höchstministeriellen Segen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel lobte die Sanierung bei einem Lokaltermin. „BAYER CROPSCIENCE ist ein hochgradig professionelles Unternehmen“, so der SPD-Politiker.

Sanierung der Wolfenbütteler Deponie
Zu dem aufgegebenen Standort Wolfenbüttel gehörte auch die Sondermüll-Deponie in Klein Biewende. SCHERING als Vorbesitzer des Werkes und BAYER entsorgten dort von 1967 bis 2004 ihre Produktionsabfälle. Da die letzte Ruhestätte für die Chemie-Gifte nur unzureichend gesichert war, sorgten die Schadstoffe für eine erhebliche Umweltbelastung. Deshalb muss der Leverkusener Multi nun umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchführen. Er geht dabei ähnlich vor wie in Sachen „Dhünnauc“ (siehe SWB 3/04). Statt die Deponie auszuräumen, mumifiziert der Konzern sie aus Kostengründen nur. Er zieht Sperrwände ein und dichtet alles nach oben hin mit Ton, Erde und Kunststoff ab. Nach unten hin bleibt hingegen alles offen, weshalb das Unternehmen später permanent das verunreinigte Wasser abpumpen muss. Zudem sah BAYER sich nicht genötigt, die AnwohnerInnen über die Arbeiten zu informieren, was auf einigen Unmut stieß. „Die Politik des Unternehmens ist eine Katastrophe“, zürnte etwa der Bürgermeister des angrenzenden Remlingen, Klaus-Günter Warnecke (SPD).

Siedlung über BAYER-Altlast
Bis zum Jahr 2003 betrieb BAYER im englischen Hauxton nahe Cambridge ein Werk. Bei der Schließung hinterließ der Konzern in Boden und Grundwasser jede Menge Altlasten. Trotzdem will die Gemeinde auf dem Areal Wohnhäuser errichten lassen. Einen Investor hat sie schon gefunden. Dessen ersten Sanierungsplan, der nicht viel mehr als Schönheitsreparaturen vorsah, lehnten die LokalpolitikerInnen allerdings ab. Erst der zweite fand ihre Gnade, obwohl ehemalige BAYER-Beschäftigte im Stadtrat vor der Genehmigung warnten. „Auf diesem Gelände sollte niemals gebaut werden und ich würde dort nie ein Haus kaufen“, sagte etwa Deborah Roberts.

Produktionsrückstand Quecksilber
Der Leverkusener Multi hat seine Chlor-Produktion anders als viele mittelständische Betriebe immer noch nicht komplett auf das Membran-Verfahren umgestellt, bei dem kein giftiges Quecksilber als Produktionsrückstand mehr anfällt. Zudem ist dem Konzern als einzigem der 196 Quecksilber-Emittenten in der Bundesrepublik das Kunststück gelungen, die Größenordnung der Umweltbelastung durch dieses Schwermetall als „vertraulich“ deklarieren zu können (siehe auch SWB 3/09).

CO2-Bilanz: 7,57 Mio. Tonnen
Der Leverkusener Multi hat im Geschäftsjahr 2008 7,57 Millionen Tonnen klima-schädigende Treibhausgase ausgestoßen. 4 Millionen Tonnen davon stammen „aus eigener Herstellung“; 3,57 Millionen Tonnen entstanden bei der Produktion zugekaufter Energie. Die Summe setzt sich aus 92,1 Prozent Kohlendioxid, 7,5 Prozent Lachgas und 0,4 Prozent Kohlenwasserstoffe zusammen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen Rückgang von 7,1 Prozent. Auf umweltfreundliche Investitionen ist diese Reduzierung jedoch nur zum Teil zurückzuführen. Sie „resultiert aus konjunkturellen Veränderungen und Maßnahmen zur Verringerung des besonders klima-wirksamen Lachgases (N2O) in unserer Salpeter-Anlage in Köln-Worringen“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht.

VOC-Bilanz: 3.160 Tonnen
Der Leverkusener Multi hat mit 3.160 Tonnen im Jahr 2008 mehr flüchtige organische Verbindungen (VOC) an die Umwelt abgegeben als 2007 (2.870 Tonnen). Verantwortlich für den höheren Ausstoß der gesundheitsschädlichen Stoffe war eine Steigerung der Produktion im überalteten Pestizid-Werk Vapi (Indien), womit eine verstärkte Emission von Lösemittel-Dämpfen einherging. Laut Nachhaltigkeitsbericht will BAYER prüfen, ob die Anlage ihre VOC-Bilanz verbessern kann.

Ozon-Schädigung: plus 16 Prozent
Der Leverkusener Multi hat 2008 mit 17,1 Tonnen rund 16 Prozent mehr ozonschicht-schädigende Substanzen emittiert als 2007. Und schon in jenem Jahr war der Ausstoß stark gestiegen. Verantwortlich für diese Erhöhung in beiden Fällen: das nicht dem neuesten Standard der Technik entsprechende Pestizid-Werk im indischen Vapi. Im letzten Herbst hat der Konzern endlich die Konsequenz gezogen und eine Modernisierung der Dreckschleuder angekündigt.

Etwas weniger Co & Co.
Der Leverkusenener Multi hat im Geschäftsjahr 2008 den Ausstoß von Kohlenmonoxid (CO) leicht von 2.000 Tonnen auf 1.700 gesenkt. Die Schwefeloxid-Emissionen sanken von 3.600 Tonnen auf 3.200 Tonnen, hauptsächlich weil der Konzern seine Dreckschleuder im indischen Vapi mittlerweile mit einem schwefelärmeren Brennstoff befeuert. Die Stickstoffoxid-Bilanz blieb weitgehend unverändert. Um 100 Tonnen auf 3.900 Tonnen reduzierte sich der Wert. Dabei gilt es dem Pharma-Riesen als Erfolgsmeldung, seine Anlage in Bergkamen schon jetzt so umgerüstet zu haben, dass sie mit 75mg/Nm3 passgenau auf den ab 2012 vorgeschriebenen Stickstoffoxid-Grenzwert geeicht ist.

Etwas weniger Schadstoffe im Abwasser
Die Abwasser-Bilanz des Leverkusener Multi sieht 2008 etwas besser aus als im Vorjahr. Das liegt jedoch nur zum Teil an Umweltschutz-Maßnahmen: Die Produktionsrückgänge infolge der Wirtschaftskrise wirkten sich ebenso stark aus. So produzierte BAYER 2008 mit 68,4 Millionen Kubikmeter Abwasser 12 Millionen weniger als im Vorjahr. Entsprechend reduzierte sich der Anteil der darin herumschwimmenden Schadstoffe etwas. Die Phosphorfracht sank von 990 Tonnen auf 780 Tonnen. Die Einleitungen organischer Verbindungen reduzierten sich von 1.770 Tonnen auf 1.590 Tonnen und die von anorganischen Salzen von 825.000 Tonnen auf 812.000 Tonnen. Der Wert für Stickstoff blieb mit 670 Tonnen fast gleich. Dafür fanden sich mehr Schwermetalle made by BAYER in den Gewässern wieder: 10,4 Tonnen (2007: 8,9 Tonnen). Der Pharma-Riese begründet das mit allerdings nicht mit einer schmutzigeren Produktion, sondern gibt „einem umfassenderen Abwasser-Reporting“ die Schuld für den Anstieg.

Mehr Abfall
BAYER produziert immer mehr Abfall. Die Gesamtmenge, die 2006 noch 649.000 Tonnen betrug, stieg 2007 auf 928.000 Tonnen und 2008 noch einmal auf 1.077.000 Tonnen. Auch die Zahlen für gefährlichen Müll erhöhten sich: von 570.000 Tonnen im Jahr 2006 auf 617.000 Tonnen 2007 und 670.000 Tonnen 2008. Mit 45 Prozent landete ein Großteil der Produktionsrückstände auf der Deponie, 24 Prozent gingen in den Verbrennungsofen und lediglich 28 Prozent wurden wiederverwertet (davon wahrscheinlich noch ein großer Teil in ökologisch bedenklichen Müllkraftwerken).

Kohlekraftwerk: Steigt GETEC aus?
Bei dem Projekt, auf dem Gelände des Brunsbütteler BAYER-Werkes ein Steinkohle-Kraftwerk zu errichten, treten offensichtlich Schwierigkeiten auf. Nach Informationen der Wilsterschen Zeitung will der Hannoveraner Energieversorger GETEC das Vorhaben aufgeben und VATTENFALL oder RWE überlassen. Das Unternehmen dementiert einstweilen die Gerüchte, räumt aber Probleme ein. „Vor dem Hintergrund der augenblicklichen Wirtschaftskrise ist die Einwerbung von Industriepartnern schwieriger geworden“, so GETEC-Sprecherin Neele Gehrt.

Immenser Wasserverbrauch
BAYER verbraucht dem Nachhaltigkeitsbericht 2008 zufolge jährlich 438 Millionen Kubikmeter Wasser. Das sind mehr als eine Millionen Kubikmeter pro Tag. 58 Prozent davon entnimmt der Chemie-Multi Oberflächengewässern, und 32 Prozent dem Grundwasser. Allein das Leverkusener Werk entzog dem Rhein im letzten Jahr 45 Millionen Kubikmeter und verbrauchte 85 Millionen Kubikmeter Grundwasser.

NRW schafft „Wasser-Cent“ ab
Der Wasserdurst des Leverkusener Multis ist enorm (s. o.). Um ihn etwas zu zügeln, hatte die rot-grüne Landesregierung den Wasser-Cent eingeführt; 4,6 Millionen Euro zahlte BAYER im vergangenen Jahr. Allerdings tat das Unternehmen alles, um sich von dieser Last zu befreien. Erst im August hatte Konzern-Chef Werner Wenning den „Wasser-Cent“ in einem Bild-Interview als einen „Investitionshemmer“ bezeichnet. „Das ‚Wasserentnahmegesetz‘ beispielsweise schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Industrie und schreckt potenzielle Investoren ab“, wetterte Wenning. Sein Ruf fand Gehör. Die gelbe-schwarze Koalition in Düsseldorf schaffte die Steuer ab, was umgehend auf Kritik stieß. „Der Wasserverbrauch des Leverkusener BAYER-Werks liegt rund doppelt so hoch wie der Trinkwasserbedarf der benachbarten Millionenstadt Köln! Dies ist ein schwerwiegender Eingriff in die Natur, der nicht dauerhaft zu rechtfertigen ist. Der enorme Verbrauch von BAYER zeigt, dass der „Wasser-Cent“ dringend notwendig ist, um den Wasserverbrauch zu verringern“, protestierte Philipp Mimkes von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in der Presse-Erklärung, welche die Coordination gemeinsam mit dem BUND und dem BUNDESVERBAND BÜRGERINITIATIVEN UMWELTSCHUTZ (BBU) herausgab.

NANO & CO.

Nano-Partikel schädigen Nervenzellen
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Mit seinen Nano-Röhrchen ist der Leverkusener Multi mittlerweile in die Großproduktion eingestiegen. Für die Risiken und Nebenwirkungen dieser „Zukunftstechnologie“ fühlt er sich allerdings nicht verantwortlich. Dabei gibt es immer mehr alarmierende Hinweise. So können Nano-Stoffe nach einer Untersuchung der Universität Edinburgh das Gewebe angreifen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen (siehe Ticker 2/08). Irische ForscherInnen haben Wirkungen von Nano-Partikeln auf das Immunsystem nachgewiesen. Und ForscherInnen der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA haben in einem Reagenzglas-Versuch mit Nano-Teilchen aus Titandioxid schädigende Effekte auf Nervenzellen festgestellt.

PRODUKTION & SICHERHEIT

BAYER baut MIC-Tanks ab
Seit langem kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Sicherheitslage am BAYER-Standort Institute. So forderte die Coordination auf Hauptversammlungen immer wieder, die Tanks mit der Bhopal-Chemikalie Methyl Isocyanat (MIC) abzubauen. Noch vier Monate vor der Explosion vom 28. August 2008, die zwei Menschenleben forderte und die schlimmsten Befürchtungen der CBG bestätigte, wies der Konzern die Warnungen als „unbegründet“ zurück. Nun endlich scheint der Chemie-Multi ein Einsehen zu haben. Er kündigte an, die MIC-Lager um 80 Prozent zu reduzieren und die Produktion des Pestizides Carbofuran einzustellen. Aber auch so bleibt die BAYER-Niederlassung das Chemie-Werk in den USA mit dem größten MIC-Reservoir. Zudem kommt in der Produktion immer noch das gefährliche Giftgas Phosgen zum Einsatz. Darum setzt die CBG trotz des Erfolges ihr Engagement fort. „Wir fordern von BAYER, in der Kunststoff- und Pestizidproduktion neue Verfahren zu entwickeln und künftig auf Giftgase wie MIC und Phosgen ganz zu verzichten“, erklärte Geschäftsführer Philipp Mimkes.

STANDORTE & PRODUKTION

AKW-Panne legt Brunsbüttel lahm
Alle Räder stehen still, wenn es VATTENFALL will: Die Abschaltung des Atomkraftwerks Krümmel führte zu einem Spannungsabfall, der die Kunststoff-Herstellung im Brunsbütteler BAYER-Werk stoppte. Erst über eine Woche danach konnte der Multi die Produktion wieder aufnehmen. Ob er nach dem Zwischenfall immer noch ein glühender Anhänger der Atomkraft bleibt?

BAYER investiert in Bitterfeld
Der Leverkusener Multi investiert am Standort Bitterfeld sieben Millionen Euro in die Modernisierung der Pillen-Produktion.

BAYER deinvestiert in Krefeld
BAYER schließt die Kunststoff-Forschungsabteilung in Krefeld/Uerdingen (siehe auch SWB 3/09). Der Chemie-Multi will die wissenschaftliche Arbeit in Leverkusen konzentrieren, um eine stärkere Anbindung an das Marketing-Ressort zu gewährleisten, wie es offiziell heißt. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Rationalisierungsmaßnahme. Von den 132 Beschäftigten können nämlich nur 74 nach Leverkusen umziehen. 45 Jobs in den Laboren entfallen für immer, vor allem im Polyurethan-Bereich. Zudem hat die Abwicklung Folge-Wirkungen, denn 40 Stellen hängen direkt von der Entwicklungssparte ab. Einen „Aufschrei der Entrüstung“ hat die Ankündigung des Konzerns laut Westdeutscher Zeitung ausgelöst. „Die Auswirkungen auf die Menschen und den Standort Uerdingen wären bei einer tatsächlichen Realisierung der Unternehmensvorstellung fatal“, warnt die Betriebsratsvorsitzende Petra Kohnen. Die Wellen schlagen so hoch, weil die Belegschaftsangehörigen bereits seit längerem ein Ende der Niederlassung in Krefeld befürchten.

BAYER erpresst den Standort Berkeley
Der Leverkusener Multi droht dem Standort Berkeley, Teile der Herstellung des Blutproduktes KOGENATE abzuziehen, wenn er nicht in den Genuss von Steuernachlässen, Strom-Rabatten und anderen Vergünstigungen kommt. Auf 19 Millionen Dollar belaufen sich die Forderungen von BAYER. Und die Erpressung scheint Erfolg zu haben. Die Stadt Oakland signalisierte schon, die Niederlassung in ihre Sondertarife gewährende Sonderwirtschaftszone aufzunehmen.

BAYER schwächt Wuppertal
BAYERs Pharma-Standort Berlin wächst auf Kosten anderer Niederlassungen. So zieht der Pharma-Riese das Produkt-Team für das neue Mittel XARELTO, das Thrombosen nach Knie- und Hüftgelenksoperationen verhindern soll, von Wuppertal ab und verlegt es nach Berlin.

IMPERIUM & WELTMARKT

Dekkers folgt Wenning
BAYER hat den Niederländer Marjin Dekkers zum Nachfolger des Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning bestimmt. Damit besetzt zum ersten Mal ein BAYER-Externer und Ausländer den Chef-Posten. Dekkers spricht allerdings Deutsch, was der Konzern sich auch ausbedungen hat. „Der Chef eines deutschen Großunternehmens muss sich ohne Dolmetscher mit der Kanzlerin und den Arbeitnehmer-Vertretern unterhalten können“, hieß es zur Begründung. Die anderen Qualitäten des Holländers wie „Durchsetzungsvermögen“, „Beste Drähte zu den Kapitalmärkten“ und lassen ebenso wenig etwas Gutes für die Zukunft erwarten wie die Tatsache, dass er bei seinem früheren Arbeitgeber THERMO FISHER SCIENTIFIC ein umfassendes Restrukturierungsprogramm inklusive des Verkaufs mehrerer Firmenteile initiierte. Die BAYER-Manager Klaus Kühn und Arthur Higgins, die sich ebenfalls Hoffnungen auf den BAYER-Vorsitz gemacht hatten, verließen das Unternehmen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu Gunsten Dekkers umgehend.

BTS baute Schwefelsäure-Anlage
BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS) hat für den Bleihersteller BERZELIUS in Stolberg bei Aachen eine Schwefelsäure-Anlage errichtet, die trotz höherer Produktivität angeblich weniger schädliches Schwefeldioxid freisetzt als vergleichbare Fertigungsstätten.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER spart Steuern
Bei der Verkündung der Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2009 konnte BAYER-Chef Werner Wenning eine Steigerung des Geldmittel-Zuflusses um „erfreuliche“ 57,4 Prozent auf fast 1.4 Milliarden vermelden, was er unter anderem auf „niedrigere Ertragssteuerzahlungen“ zurückführte. Auf die Kassen des Bundes, des Landes und der Kommunen mit BAYER-Werken dürften also unerfreulichere Zeiten zukommen.

Pensionsversicherungsbeitrag steigt
Wenn Unternehmen Insolvenz anmelden, dann stehen auch die Betriebsrenten zur Disposition. In solchen Fällen springt der Pensionssicherungsverein (PSV) ein. Da die Zahl der Firmenpleiten in Zeiten der Krise allerdings drastisch steigt, reichen die Ressourcen der Versicherung nicht mehr aus. Deshalb erhöhte sich für BAYER der Beitragssatz um das Siebenfache auf 70 Millionen Euro.

Kreditversicherungsbeiträge steigen
Der Leverkusener Multi hat Kreditversicherungen in einem Volumen von ca. 300 Millionen Euro abgeschlossen, um vor Zahlungsausfällen seiner Kunden gewappnet zu sein. Im Zuge der Wirtschaftskrise agieren ALLIANZ & Co. allerdings vorsichtiger und limitieren die Deckungssumme. „BAYER hat ebenso wie andere Chemie-Unternehmen eine Welle von Limitkürzungen bekommen. Darüber sind wir überhaupt nicht erfreut“, sagt BAYERs Versicherungsmann Gregor Köhler. Auch das Anheben der Preise, mit dem die Versicherungskonzerne ihre Verluste an den Kapitalmärkten kompensieren wollen, hebt seine Stimmung nicht. Deshalb droht Köhler der Branche damit, eine eigene Kreditversicherung aufzumachen, wie in den 90er Jahren. Damals hatten BAYER, BASF und HOECHST das in Luxemburg ansässige - und immer noch existierende - Unternehmen INDURISK gegründet, weil ihnen die verlangten Umwelthaftungsprämien zu hoch erschienen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosion in Bergkamen
In dem Bergkamener Werk von BAYER SCHERING kam es am 5.9.09 bei der Entladung eines Containers mit flüssigen Metallalkyl-Resten, die für die Rückstandsverbrennungsanlage bestimmt waren, zu einer großen Explosion und zwei kleineren Folge-Detonationen. Vier Beschäftigte erlitten einen Schock und mussten sich ärztlicher Behandlung unterziehen. 170 Feuerwehrleute brauchten zwei Stunden, um den Großbrand unter Kontrolle zu bringen. Für den Chemie-Multi war das alles kein Grund zur Beunruhigung. „Eine Gefahr für die Bevölkerung hat zu keiner Zeit bestanden“, erklärte er. Dies sahen Sachverständige, welche die Vorgänge später untersuchten, anders. Sie sprachen von einem „unheimlichen Glück“, dass die vier Belegschaftsangehörigen gehabt hätten, außer einem Schock keine ernsthaften Verletzungen erlitten zu haben. Den ExpertInnen zufolge hat eine defekte Pumpe zu dem großen Knall geführt.

Gas-Austritt in Kansas
Am BAYER-Standort Kansas City kam es am 11.8.09 zu einem Gas-Austritt. Aus einem Zylinder, den eine Fremdfirma geliefert hatte, entwich durch eine Leckage die giftige und ätzende Substanz Chlorwasserstoff.

Phosgen-Austritt in Baytown
Wie der Leverkusener Multi in seinem Nachhaltigkeitsbericht dokumentiert, trat 2008 am Standort Baytown durch eine Leckage Phosgen aus, das zu den gefährlichsten Chemiestoffen überhaupt zählt.

Salzsäure tritt aus
Durch einen defekten Tank trat 2008 laut Nachhaltigkeitsbericht am BAYER-Standort New Martinsville Salzsäure aus.

Ethylenoxid tritt aus
Laut Nachhaltigkeitsbericht wurden 2008 auf dem Gelände des BAYER-Werkes im US-amerikanischen Channelview aus einem Eisenbahn-Waggon 150 Kilogramm Ethylenoxid freigesetzt.

Institute: 2 Arbeiter vergiftet
Am BAYER-Standort Institute war es am 28. August 2008 zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Männer starben. Aber auch die Aufräumarbeiten gefährden die Belegschaft. So kamen zwei Arbeiter bei der Instandsetzung einer Rohrleitung in Kontakt mit dem Pestizid-Wirkstoff Carbuforan und mussten sich in ärztliche Behandlung begeben. Der Zwischenfall erreignete sich, weil der Leverkusener Multi sich nicht veranlasst sah, die Belegschaftsangehörigen zum Tragen von Schutzkleidung anzuhalten. Die US-amerikanische Arbeitsschutzbehörde OSHA hatte das bereits nach dem ersten Vorkommnis dieser Art gerügt.

RECHT & UNBILLIG

Preisabsprachen im Pharma-Bereich
Der Leverkusener Multi kann es nicht lassen und ist wieder mal in einen Kartell-Fall verwickelt. Die rumänische Wettbewerbsbehörde hat wegen des Verdachts auf Preis-Absprachen zwischen Pillen-Produzenten und Zwischenhändlern Büros der Pharma-Hersteller BAYER, BAXTER, BELUPO PHARMACEUTICAL und SINTOFARM durchsucht. „Der pharmazeutische Sektor besitzt Priorität für die Wettbewerbsbehörde. Wenn immer es nötig ist, werden wir intervenieren, damit die Bevölkerung Zugang zu Medikamenten erhält, deren Preise auf freiem Wettbewerb beruhen“, sagte Bogdan Chiritoiu, der Präsident der rumänischen Kartellbehörde, zur Begründung der Hausdurchsuchungen.

Patentklage scheitert
Ende letzten Jahres wollte der Leverkusener Multi in Indien die Zulassung einer Nachahmer-Version seines Krebsmedikamentes NEXAVAR verhindern und ging deshalb juristisch gegen den Hersteller CIPLA und die Genehmigungsbehörde vor. Das Gericht wies die Klage im August 2009 jedoch ab und stellte so die Versorgung armer Menschen mit billigen Arzneien sicher (siehe auch SWB 3/09).

BAYER entschädigt Blutplasma-Opfer
Weltweit starben in den 80er Jahren Tausende Bluter durch HIV-verseuchte Blutprodukte an AIDS. Zudem übertrugen die Präparate Hepatitis-C. Obwohl BAYER & Co. das Risiko bekannt war, weigerten die Konzerne sich aus Kostengründen lange Zeit, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Deshalb sah sich das Unternehmen mit vielen Prozessen konfrontiert. Ein Jahrzehnte lang währender Rechtsstreit ging erst 2009 zuende. Der Konzern willigte schließlich ein, SammelklägerInnen eine Entschädigung zu zahlen.

BAYER mahnt Duckhome ab
Der Leverkusener Multi hat das Internet-Portal Duckhome wegen eines Kommentars zu einem BAYER-kritischen Beitrag abgemahnt. Der Text „BAYER - so ein richtig schmutziger Turbokapitalismus“ hatte einen recht umfassenden Einblick in das Sündenregister des Konzerns von Arbeitsplatzvernichtung und Bienensterben über die Gentechnik und die Kohlenmonoxid-Pipeline bis hin zu giftigen Pestiziden gewährt. Einen Leser hat das zu der Frage veranlasst, ob gegen den Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning ein Notwehrrecht besteht. Das sah der Agro-Riese als „ehrverletzend“ an und leitete rechtliche Schritte gegen Duckhome ein. Der Betreiber der Website beruft sich hingegen auf die Meinungsfreiheit und kündigte an, den Rechtsstreit nötigenfalls bis zur letzten Instanz durchzufechten.

BAYER verklagt TEVA
Der Leverkusener Multi verklagt routine-mäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte von BAYER-Pillen auf den Markt bringen wollen, um sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe zu halten. Jetzt traf es wieder einmal das Unternehmen TEVA. Der bundesdeutsche Pharma-Riese wirft dem Pillen-Produzenten, der eine Generika-Version des Potenzmittels LEVITRA plant, Patent-Verletzung vor. Damit heißt es bereits zum dritten Mal „BAYER vs. TEVA“. Jüngst geriet diese Klage-Praxis ins Visier der Brüsseler Wettbewerbskommission. Diese betrachtet die gerichtlichen Auseinandersetzungen als Indiz dafür, „dass die Pharma-Märkte nicht so gut funktionieren, wie sie sollten“, so Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Die Gesundheitssysteme kostet die juristische Verzögerungstaktik zur Verhinderung preiswerterer Arznei-Alternativen Milliarden von Euro.

YASMIN-Patent ungültig
Seit langem schwelt zwischen BAYER und dem jetzt zu TEVA gehörenden Pharma-Unternehmen BARR ein Patentstreit um die Verhütungspille YASMIN (Zu den Nebenwirkungen siehe SWB 3/09). In einem ersten Verfahren erkannte der Richter dem Leverkusener Multi kein geistiges Eigentum auf das Kontrazeptivum zu. Der Konzern ging in Revision, einigte sich aber zwischenzeitlich mit seinem Konkurrenten darauf, ihn gegen eine Umsatzbeteiligung mit dem YASMIN-Wirkstoff zu beliefern. Im August 2009 scheiterte dann auch der Einspruch des Pharma-Riesen. Dem Gericht zufolge reicht eine pharmazeutische Ausbildung, um das Mittel anzurühren; einen Patentschutz könne BAYER dafür nicht beanspruchen.

Klage wg. Vitamin-Werbung
Die VerbraucherInnenschutz-Organisation THE CENTER FOR SCIENCE IN THE PUBLIC INTEREST will den Leverkusener Multi verklagen, falls dieser falsche Angaben in der Werbung für das Vitamin-Präparat ONE-A-DAY nicht korrigiert. BAYER spricht dem Mittel eine Prostatakrebs vorbeugende Wirkung zu, obwohl Studien diese Aussage nicht bestätigen. So hat das „National Institute of Health“ eine ursprünglich auf 12 Jahre angelegte Untersuchung zu diesem Thema wegen sich abzeichnender negativer Ergebnisse vier Jahre früher als geplant beendet. Statt positiver Effekte auf Prostatakrebs machte das Institut ein erhöhtes Diabetes-Risiko durch den Vitamintabletten-Konsum aus.

Baytown-Unfall: BAYER zahlt
Am 26. September 2006 war es im Baytowner BAYER-Werk zu einer Explosion gekommen, bei der 22 Belegschaftsangehörige Gesundheitsstörungen erlitten und zur Behandlung ins Krankenhaus mussten. Die verletzten Beschäftigten strengten eine Schadensersatzklage gegen den Konzern an. Im Sommer 2009 erhielten sie schließlich im Rahmen eines Vergleiches Schmerzensgeld: Ein Gutachten der US-amerikanischen Arbeitsschutzbehörde OSHA hatte dem Leverkusener Multi „grobe Fahrlässigkeit“ in Sicherheitsfragen nachgewiesen.

EU: Sammelklagen auf Eis gelegt
Die EU hat den Plan, Sammelklagen nach US-Vorbild zu ermöglichen, vorerst auf Eis gelegt. Die Europäische Volkspartei (EVP), welche den Kommissionsvorschlag in den Ausschüssen schon empfindlich verwässert hatte, griff sogar zum Mittel der politischen Erpressung, um dieses Instrument des VerbraucherInnenschutzes zu Fall zu bringen. Der EVP-Fraktionsvorsitzende Joseph Daul warnte den Kommssionspräsidenten José Manuel Barroso nicht nur in einem Brief vor dem „möglichst radikal formulierten Kommissionsvorschlag“, er machte auch die EVP-Stimmen zu Barrosos Wiederwahl davon abhängig, dass der Politiker das Vorhaben stoppt. Zur Wiedervorlage kommt es erst im Herbst - und dann wohl nur in einer nochmals abgeschwächten Form. Den Leverkusener Multi, der vehement Lobby-Aktivitäten gegen das Projekt entfaltet hatte, wird das freuen. Millionen-Klagen, wie sie Opfer seines Cholesterin-Senkers LIPOBAY in den USA eingereicht hatten, muss der Konzern in Europa höchstwahrscheinlich nie entgegensehen.

Prozess gegen Broschüre
Die von der Projektwerkstatt Sassen herausgegebene Broschüre „Organisierte Unverantwortlichkeit“ widmet sich den Gentechnik-Seilschaften zwischen BAYER & Co., der Politik und Wissenschaftseinrichtungen. Jetzt hat der ehemalige sachsen-anhaltinische Wirtschaftsminister Horst Rehberger gegen die Publikation, in die auch Recherchen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eingeflossen sind, vor dem Landgericht Saarbrücken eine Verbotsklage eingereicht.

FORSCHUNG & LEHRE

EU stärkt Standortforschung
Das europäische Forschungsnetzwerk „F3 Factory“ plant, neue Produktionsverfahren für die Chemie zu entwickeln. „Flexibler, schneller, ressourcen-effizienter und energiesparender“ soll es in den „Fabriken der Zukunft“ zugehen - und sicher auch weniger personal-intensiver. Mit 18 Millionen Euro unterstützt die EU den Verbund, dem neben BAYER, BASF, PROCTER & GAMBLE auch Hochschulen und staatliche Wissenschaftsinstitutionen angehören, um europäische Standortpolitik im Sinne der Lissabon-Strategie zu betreiben, die aus Europa „die wettbewerbsfähigste wissensgestützte Wirtschaft der Welt“ zu machen gedenkt. „Mittels schnellerer und flexiblerer Herstellungsverfahren wollen die Experten die weltweite Technologie-Führerschaft der europäischen Chemie-Industrie nachhaltig stärken und die Wettbewerbsfähigkeit verbessern“, heißt es dazu in BAYERs Propaganda-Postille direkt.

Kooperation mit dem Liverpooler IVCC
BAYER CROPSCIENCE hat eine Forschungskooperation mit dem „Innovative Vector Control Consortium“ (IVCC) aus Liverpool vereinbart. Ziel der Zusammenarbeit ist es, neue Insektizid-Wirkstoffe zu finden, um der Mücken Herr zu werden, die Malaria übertragen. Gegen viele alte Mittel haben die Tiere nämlich bereits Resistenzen ausgebildet.

BAYER sponsort SIFE
Die StudentInnen-Organisation SIFE „eröffnet den Studenten bereits während des Studiums ein Forum auf nationaler wie auf internationaler Ebene, um persönliche Kontakte zu Entscheidungsträgern namhafter Unternehmen aufzubauen“, so die Selbstauskunft des Verbandes. Deren „Country Coordinator“ ist deshalb praktischerweise gleich über das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG zu erreichen. Der Draht zu BAYER könnte auch nicht kürzer sein. Der Leverkusener Multi gehört nämlich nicht nur zu den Sponsoren, er stellt mit Jörg Krell auch den Präsidenten von SIFE Deutschland. Dem BAYER-Manager gefällt dabei vor allem das „soziale Engagement“ der SIFElerInnen in der „Dritten Welt“, wo die Konzern-Kontakt Suchenden laut SIFE-Homepage „als Unternehmer im besten Sinne wirtschaftliche Perspektiven für Dritte“ eröffnen, denn „ethisch verantwortliches Handeln hat für die Unternehmen an Bedeutung gewonnen“, meint Krell. Er denkt dabei natürlich bloß an die Bedeutung für die Öffentlichkeitsarbeit.

BAYERs Forschungspolitik
Hinter BAYERs Vorgehen, verstärkt Kooperationen mit Hochschulen wie der Universität Köln einzugehen und hoffnungsvolle Arznei-Kandidaten von anderen Unternehmen einzukaufen, steckt System. „Große Unternehmen sind gut, um Produkte zu entwickeln, zur Zulassung zu bringen, zu vermarkten, sagte der BAYER-SCHERING-Pharmachef Andreas Fibig in einem Tagesspiegel-Interview. Für Grundlagenforschung ist der Leverkusener Multi seiner Meinung nach nicht so gut gerüstet. Darum lautet Fibigs Devise: „Wir müssen neue Wege finden und Partnerschaften bilden. Da kommen vor allem kleinere Biotech-Unternehmen sowie akademische Einrichtungen in Frage“. Hatte der Konzern sich in der Vergangenheit stets voller Stolz als „Forschender Arzneimittelhersteller“ bezeichnet, so scheint sich der Pharma-Riese nun von dieser Unternehmensphilosophie zu verabschieden.

SPORT & MEDAILLEN

LEVITRA bald auf Doping-Liste?
Der LEVITRA-Wirkstoff Sildenafil weitet die Blutgefäße und verbessert so die Sauerstoff-Aufnahme. Das hat auch doping-willige SportlerInnen auf die Potenzpillen von BAYER & Co. aufmerksam gemacht und die Antidoping-Agentur WADA auf den Plan gerufen. Die Institution debattiert derzeit darüber, die Mittel auf die Doping-Liste zu setzen.

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Demo gegen Kohlekraftwerk
Am 6. Juni 2009 haben in Krefeld ca. 1.500 Menschen gegen das auf dem Chemie-„Park“ von BAYER geplante Kohlekraftwerk demonstriert, und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN durfte dabei natürlich nicht fehlen. „Im Gegensatz zu einem Gaskraftwerk würde uns das Kohlekraftwerk über vier bis fünf Jahrzehnte hinweg mit Feinstaub, Schwermetallen, Radioaktivität und mit jährlich rund 4,4 Millionen Tonnen CO2 belasten. Gas- und Dampfturbinenkraftwerke nutzen bis zu 90 Prozent der im Gas enthaltenen Energie, Kohlekraftwerke nur maximal 60 Prozent”, so Ulrich Grubert vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZVEREIN in seiner Kundgebungsrede. Sogar GewerkschaftlerInnen gehörten zu den ProtestlerInnen. Norbert Bömer, gleichzeitig Mitglied der IG METALL und der Initiative SAUBERE LUFT, äußerte zwar Verständnis für seine um die Arbeitsplätze besorgten KollegInnen, hält aber ein Gaskraftwerk für die bessere - und auch arbeitsplatz-verträgliche - Alternative. „Wir gehören zusammen. Wir sollten nicht gegeneinander antreten“, mahnte er. Die prominenteste Rednerin war die ehemalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn. „Kohlekraftwerke sind klimaschädlich, Kohlekraftwerke sind Klimakiller”, wetterte sie und gab zu bedenken: „Die Bundesregierung will den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent reduzieren. Jedes der 20 in Deutschland geplanten neuen Kohlekraftwerke wird aber dazu führen, dass diese Ziele verfehlt werden.”

Demo in Lyon
Mit einer Lohnerhöhung von einem Prozent wollte BAYER CROPSCIENCE seine Beschäftigten in Frankreich abspeisen. Zudem kündigte der Konzern Arbeitsplatzvernichtungen durch Umstrukturierungsmaßnahmen an. Am Standort Lyon reagierte die Belegschaft darauf mit einer Protest-Kundgebung.

Pipeline-Mahnwache
Ende Mai 2009 hatte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht einen Antrag BAYERs auf vorzeitige Inbetriebnahme der vom Standort Krefeld zum Standort Dormagen führenden Kohlenmonoxid-Leitung wegen Sicherheitsbedenken abgelehnt (siehe RECHT & UNBILLIG). Die Grünen sahen sofort politischen Handlungsbedarf und setzten das Thema auf die Tagesordnung des NRW-Umweltausschusses. Um den außerparlamentarischen Druck auf die PolitikerInnen zu erhöhen, das umstrittene Projekt endlich zu stoppen, hielt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) vor dem Landtag eine Mahnwache ab. Und mit dem Ergebnis können die CBG und ihre MitstreiterInnen einstweilen zufrieden sein. Die Landesregierung will ein neues Sicherheitsgutachten in Auftrag geben, das die Inbetriebnahme bis mindestens 2012 verzögert. Das könnte die Pipeline zu einem Rohrkrepierer machen.

PONCHO-Zulassungsunterlagen öffentlich
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hegte den Verdacht, dass der Agro-Riese diese Gefahr bei den Genehmigungsbehörden heruntergespielt hat und verlangte in einem Offenen Brief an das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Herausgabe der Zulassungsunterlagen. Der Leverkusener Multi legte umgehend Widerspruch ein. Die Behörde gab diesem jedoch nicht statt und erklärte das Begehr der CBG für zulässig. Nach Meinung des BVL besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse an den Dokumenten. „Die Entscheidung über die (Wieder-)Zulassung von PONCHO steht noch aus. Bei dieser Entscheidung ist die Frage, ob die Bewertung seinerzeit objektiv abgelaufen ist, durchaus von Relevanz“, lautete die Begründung des Bundesamtes.

Kölner Universität antwortet
DIE COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte die Uniklinik Köln gemeinsam mit den KRITISCHEN MEDIZINSTUDIERENDEN AN DER UNI KÖLN, MEDICO INTERNATIONAL und anderen Gruppen in einem Offenen Brief aufgefordert, den mit BAYER geschlossenen Kooperationsvertrag publik zu machen. Zudem verlangten die Initiativen Informationen zu den Details der Vereinbarung. „Verzichtet die Uniklinik auf die negative Publikationsfreiheit - also darauf, auch fehlgeschlagene Experimente publik zu machen? Müssen Studien vor ihrer Veröffentlichung der BAYER AG vorgelegt werden? Wie wird sichergestellt, dass Konzeption und Auswertung pharmakologischer Studien nicht allein durch ökonomische Interessen beeinflusst werden? Wie ist die Frage der Rechte an Arznei-Entwicklungen geregelt?“ - diese Fragen stellten die Gruppen dem Universitätsklinikum unter anderem. Ende März 2009 lehnte es die Universität in ihrem Antwortschreiben ab, den Vertrag zu veröffentlichen. Nur zu einigen Fragen gab sie Auskunft. Einen Verzicht auf die negative Publikationsfreiheit hat die Hochschule demnach nicht geleistet. Die Unabhängigkeit der Forschung sieht sie durch den unabhängigen Lenkungsausschuss gewahrt. Zur Frage der Rechte an den Entwicklungen verwies die Uni auf das Arzneimittel- und ArbeitnehmerInnen-Erfindungsgesetz. Diese Angaben reichten den Initiativen nicht. Sie pochten in einem Schreiben an die Bildungseinrichtung nochmals auf die Veröffentlichung des Vertrages und zitierten dabei die Auffassung der Landesbeauftragten für Datenschutz, wonach das Paragraphen-Werk nicht in den vom Informationsfreiheitsgesetz ausgenommenen Bereich fällt. Darüber hinaus erbaten die Gruppen Präzisierungen zur Frage der Rechte an den Erfindungen, der Geheimhaltungspflichten und der Überwachung der Klinischen Erprobungen.

Kein Datenschutz für Kölner Uni
Die Kölner Universität hatte es abgelehnt, den mit BAYER geschlossenen Kooperationsvertrag offen zu legen (s. o.) und sich dabei auf das Datenschutzgesetz berufen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bat daraufhin die NRW-Datenschutzbeauftragte, den Fall zu prüfen. Die Antwort fiel eindeutig aus. „Wir teilen Ihnen mit, dass nach Prüfung des Vertragstextes der Auffassung der Universität, der Kooperationsvertrag falle in den vom IFG NRW (Informationsfreiheitsgesetz, Anm. Ticker) ausgenommenen Bereich von Forschung und Lehre, nicht gefolgt wird“.

CBG beim „Rundumschlag 09“
Am 21 März fand in Köln der „Rundumschlag 09“ zum Thema „Kapitalismus - ich KRIEG die KRISE“ statt. Neben Initiativen wie BUSINESS CRIME CONTROL, ATTAC und BUND gehörte auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu den Teilnehmern. Gemeinsam mit LOBBYCONTROL bot die CBG einen workshop zu „Konzernkritische Gruppen in Köln“ an, der auf reges Interesse stieß.

CBG schreibt der UN
1999 haben sich BAYER und andere Multis am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums im „Global Compact“ dazu bekannt, soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einzuhalten. Nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat der Leverkusener Multi mit der Beinah-Katastrophe in Institute und seiner Reaktion darauf gegen diese Regularien verstoßen. Der Konzern hatte im Vorfeld lange bekannte Sicherheitsmängel nicht behoben, defekte Detektoren nicht repariert und Warnsysteme deaktiviert. Nach der Explosion informierte er zudem die Öffentlichkeit unter Berufung auf die Antiterror-Gesetze nur spärlich (siehe SWB 2/09). Die CBG hat die UN deshalb in einem Offenen Brief aufgefordert, den Agro-Riesen aus dem „Global Compact“ auszuschließen. Die Antwort traf umgehend ein. Der „Global Compact“ legte dar, dass er über keinerlei Mandat verfügt, die Einhaltung seiner Prinzipien zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen auszusprechen. Nur einen Dialog moderieren könne er. Trotz dieses politischen Offenbarungseides schlug das Büro vor, ein Verfahren wegen Regelverstoßes gegen BAYER einzuleiten, was die CBG auch tat.

Prinz Charles kritisiert Gen-Multis
Prinz Charles hat in einem Interview mit dem daily telegraph massive Kritik an den Gen-Multis geübt. Für ihn unternehmen BAYER & Co. „ein gigantisches Experiment (...) mit der Natur und der Menschheit, das vollkommen schief gegangen ist“. Bei der Lebensmittel-Versorgung auf die großen Konzerne zu setzen, wird in einem „absoluten Desaster“ enden, prophezeite der Prinz.

Leserbriefe zur Pipeline
Die Regionalzeitungen erhalten eine Flut von Leserbriefen zu der von BAYER zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline. „Es verbietet sich geradezu, den Betrieb der giftigen CO-Gas-Pipeline mit Allgemeinwohl zu begründen, die Wertschöpfung liegt alleine nur bei der BAYER AG, die Moral und Ethik mit Füßen tritt“, empört sich beispielsweise ein Leser der Westdeutschen Allgemeinen.

BAYER: PONCHO bienensicher
Im letzten Frühjahr hat BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO in Süddeutschland ein großes Bienensterben verursacht. Ein Mitglied des NIEDERRHEINISCHEN UMWELTVEREINS forderte den Leverkusener Multi deshalb zu einer Stellungnahme auf. In seiner Antwort wies der Konzern alle Schuld von sich. Einige fehlerhaft behandelte Saatgutpartien hätten im Verbund mit einigen fehlerhaft konstruierten Sämaschinen und starkem Wind zu dem Bienensterben geführt, so der Agro-Riese. Mit PONCHO hatte all das dem Unternehmen zufolge nichts tun: „Nach allen uns vorliegenden Untersuchungen ist unser Produkt bei Einhaltung der empfohlenen Beizqualität bienensicher“.

Anfrage zu Glufosinat
Die Linkspartei hat eine Kleine Anfrage zum BAYER-Pestizid Glufosinat gestellt, von dem die LandwirtInnen allein in der Bundesrepublik jährlich 48 Tonnen verspritzen. Sie wollte von der Bundesregierung unter anderem wissen, warum Glufosinat trotz seiner erbgut-schädigenden Wirkung immer noch auf dem Markt ist. Zudem erbat die Linke eine Stellungsnahme der Bundesregierung zum laufenden Zulassungsverfahren des glufosinat-resistenten BAYER-Genmais‘ 1507, den der Multi im Kombipack mit dem Mittel anbieten will. Die neue EU-Verordnung sei noch nicht in Kraft, antwortete die Bundesregierung. Zudem erfülle Glufosinat die Zulassungskriterien: „Bei bestimmungs- und sachgemäßer Anwendung sind keine Risiken für Anwender, Verbraucher und Umstehende zu sehen“. Auch beim BAYER-Mais gibt die große Koalition Entwarnung, „da das Produkt (...) mit glufosinat-haltigen Herbiziden nur in der Art und Weise verwendet werden darf, die der herkömmlichen Praxis bei nicht Glufosinat-tolerantem Mais entspricht“.

Anfrage zu TDA
Im November 2008 hat der grüne Landespolitiker Johannes Remmel eine Kleine Anfrage zu der von BAYER produzierten, Krebs erregenden Chemikalie Toluylendiamin (TDA) gestellt. Nach Auskunft der Landesregierung fielen bei der Herstellung Reststoffe wie verbrauchte Katalysatoren und ein TDA-Gemisch an. Im Jahr 2007 entsorgte BAYER ein Großteil dieser Substanzen - 36 Tonnen bzw. 260 Tonnen - in der Dormagener Rückstandsverbrennungsanlage. Dabei entstehen Kohlendioxid- und Stickstoffmonoxid-Emissionen. Die im Umfeld des Müllofens gemessene Stickstoffmonoxid-Konzentration lag im Jahresmittel bei 109 mg/Nm3 (Grenzwert: 200mg/Nm3).

KAPITAL & ARBEIT

Vassiliadis neuer IG-BCE-Chef
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) bestimmte Ende Mai Michael Vassiliadis zum neuen Vorsitzenden und Nachfolger von Hubertus Schmoldt. Am unternehmensfreundlichen Kurs der Interessensvertretung wird Vassiliadis festhalten. „Konzernlenker loben ihn als kooperatives Gegenüber“, weiß die Financial Times Deutschland. Und der Gewerkschaftler bekennt sich auch dazu. „Sozialpartnerschaft ist nicht immer sexy und kann langweilig wirken, aber es ist belegbar, dass sie in der Vergangenheit kontinuierlich erfolgreich war“, sagt der 45-Jährige. Über den nötigen BAYER-Stallgeruch verfügt er auch: Wie bereits sein Vater arbeitete er lange beim Leverkusener Multi.

Christliche Gewerkschaft unterliegt
Vor der Wirtschaftskrise hat BAYER nach eigenen Angaben bis zu 650 LeiharbeiterInnen beschäftigt; momentan sind es noch 536. Teilweise arbeiteten sie nach dem von der Christlichen Gewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrag zu einem Gotteslohn von 5,20 Euro brutto (SWB 4/08). Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält die „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ mangels Masse organisierter LeiharbeiterInnen allerdings für nicht tariffähig und zog vor Gericht. In erster Instanz gaben die RichterInnen dem DGB Recht. Allerdings wollen die unchristlichen LohndumperInnen in die Berufung gehen. Das Urteil hat jedoch jetzt schon Konsequenzen: LeiharbeiterInnen klagen Lohnnachzahlungen ein.

Fahrerlose Transportsysteme
Im Bitterfelder BAYER-Werk braucht es zum Hin-und-Herkutschieren der Arznei-Paletten keine Menschen mehr. „Fahrerlose Transportfahrzeuge“, kurz FTF genannt, übernehmen den Job. 20 Stück davon tun davon in der Pillen-Produktion ihren Dienst. „Weniger Unfälle mit schwerem Gerät, eine Fehlerquote nahe null, keine personellen Unwägbarkeiten“, benennt eine BAYER-Sprecherin die Vorteile. Und damit den Robotern nicht alles Menschliche fremd bleibt, hat der Konzern ihnen Namen wie Rudolf oder Birgit gegeben.

ManagerInnen-Gehälter unverdient
Krise hin, Krise her: BAYER-Chef Werner Wenning konnte 2008 sein Salär gegenüber dem Vorjahr noch einmal um zwei Prozent auf 3,66 Millionen Euro steigern. Verdient hat er das nach einer vom Bundesarbeitsministerium in Auftrag gegebenen Studie ebenso wenig wie seine Kollegen. „Vorstände von großen Aktiengesellschaften werden nicht nach Effizienz-Kriterien vergütet“, lautet das Resümee. Nicht an den Geschäftszahlen orientiere sich die Bezahlung, vielmehr bestimme die Größe des Unternehmens das Gehalt, so die ProfessorInnen.

Krebs durch Schichtarbeit
Schichtarbeit, wie sie in der BAYER-Produktion üblich ist, fördert die Entstehung von Krebs. Das ergab eine von der Universität Köln vorgenommene Auswertung von 30 Studien. Teilweise liegt das Risiko einer Erkrankung bei im Schichtdienst Beschäftigen um 70 Prozent höher als bei Menschen mit einer geregelten Arbeitszeit. Als ein Hauptgrund für die Gesundheitsgefährdung sehen die MedizinerInnen die verminderte Produktion des Hormones Melatonin an, für dessen Herstellung der Organismus Dunkelheit benötigt. Sinkt der Melatonin-Spiegel, so kann der Körper nicht in ausreichendem Maße regenerieren und die zellen-schädigenden freien Sauerstoffradikalen nicht binden.

ERSTE & DRITTE WELT

EU betreibt „Rohstoff-Diplomatie“
Die EU hat eine Initiative angekündigt, um die Rohstoff-Versorgung von BAYER & Co. sicherzustellen. Wenn Länder „den ungehinderten Zugang zu ihren Rohstoffen verwehren“, haben sie künftig Nachteile bei der Entwicklungshilfe zu erwarten. Diese von der EU-Kommission „Rohstoff-Diplomatie“ getaufte Strategie zielt vor allem auf Energie-Ressourcen, Metalle, Chemikalien, Holz und Mineralien ab.

EU betreibt Patent-Politik
Seit die Verhandlungsrunden der WTO zur weiteren Liberalisierung des Welthandels gescheitert sind, betreibt die EU Marktöffnungspolitik auf eigene Rechnung. Beim Thema „Patente“ geht sie dabei sogar noch über das berühmt-berüchtigte TRIPS-Abkommen der WHO hinaus. In Verhandlungen mit Kolumbien dringt die Europäische Union auf eine Verlängerung der Patentlaufzeiten für Medikamente von 20 auf 25 Jahre. Die den Zulassungen vorausgegangenen Arznei-Tests will Brüssel nicht mehr wie bisher nach fünf, sondern erst nach elf Jahren zugänglich machen. Zuwiderhandlungen sollen sogar zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. „Wenn die EU ihre Vorschläge durchsetzt, wird Gesundheit unbezahlbar, denn Generika (billige Nachahmer-Präparate, Anm. Ticker) werden vom Markt verschwinden“, prophezeit Germán Holguín von der Initiative MISIÓN SALUD. Marianne Gumaelius von der „Generaldirektion Handel“ der EU-Kommission kümmert das herzlich wenig. „Gerade in Zeiten der Krise muss die EU neue Instrumente suchen, um ökonomisch zu wachsen“, so Gumaelius. Ökonomisch wachsen auf Kosten der Ärmsten der Armen - das versucht auch BAYER derzeit in Indien. Der Leverkusener Multi hat einen Generika-Hersteller wegen Patentverletzung verklagt.

POLITIK & EINFLUSS

„Pro Industrie“-Kampagne in NRW
Der zunehmende Widerstand gegen Industrie-Projekte wie BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline und das Kohlekraftwerk im Krefelder Chemie-Park bewog die Landesregierung jetzt zum Handeln. „Solch ablehnende Haltungen behindern die Entwicklung des Industrie-Standortes Nordrhein-Westfalen“, heißt es in der „Düsseldorfer Erklärung zur Industriepolitik“ von CDU/FDP-Koalition, Unternehmen und Gewerkschaften. Künftig will die von ihnen gegründete „Allianz Pro Industrie und Nachhaltigkeit“ solchen Entwicklungen in einer konzertierten Aktion Einhalt gebieten. Aber ob der Mix aus Drohungen mit Arbeitsplatzvernichtung, Bekenntnissen zu mehr Transparenz und milden Gaben für Soziales, Kultur und Sport die Akzeptanz für umstrittene Vorhaben erhöhen kann, darf bezweifelt werden.

Garthoff sitzt BIO.NRW vor
Das Land Nordrhein-Westfalen setzt unter Innovationsminister Andreas Pinkwart stark auf die Biotechnologie. Zu diesem Behufe hat es unter anderem das Netzwerk BIO.NRW geschaffen, das Wissenschaft und Wirtschaft stärker verzahnen soll. Für Projekte dieser Art stellt die Landesregierung Mittel in Höhe von 260 Millionen Euro
bereit. So einiges davon könnte der Leverkusener Multi abgreifen, denn Pinkwart nominierte den ehemaligen BAYER-Manager und Ex-Vorsitzenden der „Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie“, Bernward Garthoff, zum Leiter. „Mit Bernward Garthoff übernimmt eine in der nationalen wie internationalen Biotechnologie-Szene bekannte Persönlichkeit eine Schlüsselrolle für die Entwicklung dieses Zukunftsfeldes in Nordrhein-Westfalen“, sagte der Innovationsminister zur Amtseinführung.

Chinas Botschafter bei BAYER
Chinas Botschafter in der Bundesrepublik, Ma Conrong, stattete dem Leverkusener Multi nun schon zum zweiten Mal während seiner Amtszeit einen Besuch ab. Unter anderem traf er Konzern-Boss Werner Wenning und Forschungsvorstand Werner Plischke zu Gesprächen über die BAYER-Pläne in seinem Land.

Große Entrups „Wahlbausteine“
Wolfgang Große Entrup, der Vorsteher des BAYER-Stabes „Politik und Umwelt“, gehört als Leiter der Umweltkommission dem CDU-Wirtschaftsrat an. Dieses Gremium hat Ende April „Wahlbausteine“ veröffentlicht, deren Ähnlichkeiten mit den von der „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ (BDA) in ihrer Publikation „Die Krise bewältigen“ geforderten Maßnahmen alles andere als zufällig ist. „Steuererleichterungen in Milliardenhöhe“, „Abkoppelung der Sozialversicherungsbeiträge von den Löhnen“, „flexiblere Arbeitsverträge“, „mehr betriebliche Bündnisse für Arbeit“ und „weniger Kündigungsschutz“ - das war sogar für die Parteileitung zu starker Tobak.

Große Entrup begrüßt Amflora-Urteil
BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup kann wieder etwas optimistischer in die Zukunft der grünen Gentechnik schauen. In seiner Funktion als Leiter der Umweltkommission des CDU-Wirtschaftsrats begrüßte er
das „Ja“ von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner zum Versuchsanbau von BASFs Gen-Kartoffel Amflora. „Mit der Genehmigung des Versuchsanbaus haben sich Sachargumente bei der Bewertung der Pflanzenbiotechnologie wieder durchgesetzt. Nach dem Verbot der Aussaat von Genmais war zweifelhaft, ob in Deutschland wichtige technologische Innovationen noch entwickelt und vermarktet werden können. Jetzt dürfen wir optimistischer sein“, erklärte er. Dabei dachte Große Entrup sicherlich auch an die Kartoffel, deren Stärkegehalt BAYER gerade mittels Gentechnik erhöhen will. Die EU hält sich derweil eine Entscheidung über die Amflora-Zulassung trotz Unbedenklichkeitsbescheinigung der „Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) noch offen, weil in den Mitgliedsländern der Widerstand gegen die „Zukunftstechnologie“ wächst. Umweltkommissar Stavros Dimas drängt derweil auf ein Moratorium, bis die EU die Genehmigungsverfahren reformiert hat.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYERs Pipeline-Deal
Investitionen von 200 Millionen Euro gegen eine Allgemeinwohl-Bescheinigung für die Kohlenmonoxid-Pipeline - so lautet der Deal, den der Leverkusener Multi im April 2009 mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung ausgehandelt hat. Der entsprechende Vertrag, der nach dem Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts (siehe RECHT & UNBILLIG) inzwischen Makulatur sein dürfte, hat bei Bekanntwerden eine Welle der Empörung ausgelöst. Die Landesregierung würde die 100.000 BürgerInnen, die ihre Unterschrift gegen das Projekt gegeben haben, an BAYER verkaufen, kritisierte Wolfgang Cüppers von der INTERESSENSGEMEINSCHAFT ERKRATH. Und „erstaunt über diese Vorgehensweise“ zeigte sich der Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Johannes Remmel.

Bußfertige YAZ-Werbung
BAYER hatte seiner mitunter lebensgefährlichen Antibabypille YAZ (siehe DRUGS & PILLS) in US-Werbespots wider besseren Wissens positive Effekte auf Akne sowie auf das - nicht offiziell als Krankheit anerkannte - prämenstruelle Syndrom angedichtet (Ticker 1/09) und muss nun dafür büßen. Bisher einmalig in der Werbe-Geschichte, verpflichtete die US-amerikanische Aufsichtsbehörde FDA den Leverkusener Multi zu einer Gegendarstellung in Form einer neuen Reklame. Und so verkündet eine Werbeträgerin in dem frisch produzierten YAZ-Film nun: „Vielleicht haben Sie Werbespots für YAZ gesehen, die nicht ganz klar waren. Die FDA will, dass wir ein paar Punkte in diesen Spots korrigieren“.

YAZ-Werbung jetzt mit Promis
Nachdem die US-amerikanischen Aufsichtsbehörden die Kampagne für die Antibaby-Pille YAZ (zu den Nebenwirkungen siehe DRUGS & PILLS) wegen irreführender Aussagen aus dem Verkehr gezogen haben (s. o.), setzt BAYER nun auf den Promi-Effekt. Der Konzern verpflichtete für die neuen, in den USA ausgestrahlten Werbe-Clips die aus der MTV-Serie „The Hills“ bekannte Lo Bosworth.

BAYER stoppt LEVITRA-Werbung
BAYER musste in Spanien eine Kampagne für das Potenzmittel LEVITRA zurückziehen. „Ich bin es Leid, meiner Frau immer nur Konfekt und Blumen zu schenken. Ich möchte der bestmögliche Liebhaber werden“, mit diesem Begehr wandte sich ein Mann in einer 40.000fach an MedizinerInnen und ApothekerInnen verschickten Werbesendung an seinen Arzt, um ein LEVITRA-Rezept zu erhalten. Zahlreiche AdressatInnen beschwerten sich umgehend über den Machismus dieser Reklame und zwangen den Konzern damit zum Stopp der Aktion. „Der Tonfall der Werbung war wohl nicht ideal“, räumte eine BAYER-Sprecherin kleinlaut ein.

Millionenschwere Pharma-Werbung
BAYER & Co. erhöhen ihre Etats für Pillen-Werbung kontinuierlich. Allein in bundesdeutschen Zeitungen und Zeitschriften schalteten die Pillen-Riesen 2008 Anzeigen im Wert von 342 Millionen Euro. Als größter bundesdeutscher Arznei-Hersteller dürfte BAYER daran einen maßgeblichen Anteil haben.

Bisphenol-Kampagne
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) wirkt hormon-ähnlich und kann deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern. Kanada hat die Verwendung in Babyflaschen deshalb bereits verboten. Da die Hersteller weiteres „Unheil“ befürchten, haben sie eine Strategie-Treffen anberaumt. Mit „Angst-Taktiken“ beabsichtigen BAYER & Co. ihr Gift-Produkt auf dem Markt halten. „Wollen Sie etwa keinen Zugang zu Baby-Nahrung mehr haben?“ - Fragen wie diese sollen die VerbraucherInnen verunsichern.

BETAFERON-Beobachtungsstudie
Fast 2.000 Anwendungsstudien führten bundesdeutsche MedizinerInnen im Jahr 2008 mit Pillen der Pharma-Riesen durch, darunter auch mit BAYERs Multiple-Sklerose-Präparat BETAFERON. ExpertInnen halten 80 Prozent dieser Beobachtungsstudien für wertlos, denn sie dienen weniger wissenschaftlichen als vielmehr Vermarktungszwecken. Die Pharma-Multis zahlen den ÄrztInnen Geld, wenn diese ihre PatientInnen auf ein firmen-eigenes Medikament umstellen und dazu pro forma einige Angaben zur Verträglichkeit machen. Für die ÄrztInnen lohnt sich das Ausfüllen der Fragebögen allerdings sehr. So war BAYER einst das Akquirieren von fünf neuen KundInnen für den als Mittel zweiter Wahl geltenden Blutdrucksenker BAYOTENSIN schon mal 375 Euro wert, weil sich diese Investition auf lange Sicht auszahlt.

„Boulevard der Marken“ abgesagt
BAYER & Co. wollten bei den Jubiläumsfeierlichkeiten zu „60 Jahre Grundgesetz“ gehörig mitmischen. Vor dem Brandenburger Tor sollte ein „Boulevard der Marken“ entstehen, auf dem Bildstelen ASPIRIN, Nivea und andere Produkte preisen. Doch nach massiver öffentlicher Kritik blies das Bundesinnenministerium die Sache ab und entzog der Eventagentur mit den guten Kontakten zum „Bundesverband der Deutschen Industrie“ den Auftrag.

BAYER springt auf Wissenschaftszug auf
Aus Anlass des 60-jährigen Bestehens der Bundesrepublik setzt das Bundesforschungsministerium in Kooperation mit der „Max-Planck-Gesellschaft“ und der Wirtschaft den Sonderzug „Expedition Zukunft“ aufs Gleis. Ab April rollt er durch die deutschen Lande, um dafür zu sorgen, dass „die Arbeit von Forscherinnen und Forschern wieder mehr Wertschätzung erfährt“. Das liegt auch BAYER am Herzen, denn die mangelnde Akzeptanz von Gentechnik & Co. verhagelt dem Konzern die Bilanzen. Deshalb unterstützt der Leverkusener Multi das Projekt finanziell und stellt Exponate zur Verfügung. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ es sich nicht nehmen, höchstpersönlich das Signal zur Abfahrt des Propaganda-Zuges zu geben, der mit Slogans wie „Konventionelle Züchtung schöpft nicht alle Möglichkeiten aus“ aufwartet, und auf die Frage: „Wie werden wir neun Milliarden Menschen ernähren?“ natürlich die Antwort: „Mit der Gentechnik“ bereithält.

Dubiose Kinderarmutsstudie
BAYER finanzierte der Universität Bielefeld eine Studie zur Kinderarmut und lieferte auch gleich die Studien-Objekte. Diese setzten sich nämlich aus TeilnehmerInnen einer Ferien-Freizeit des ebenfalls vom Leverkusener Multi geförderten Kinderhilfswerks „Arche“ zusammen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte die Kooperation in Leserbriefen zu Zeitungsveröffentlichungen und schrieb der verantwortlichen Professorin Sabine Andresen. Die Wissenschaftlerin antwortete: „In der Tat haben wir uns im Vorfeld auch lange überlegt, ob wir diese Studie übernehmen, während des halbjährigen Forschungsprozesses haben wir als Forscherteam uns immer wieder kritisch hinterfragen müssen, was wir da eigentlich tun“.

BAYER gratuliert Helmut Schmidt
Die Wochenzeitung Die Zeit hat ihren Mitherausgeber, Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt, zu seinem 90. Geburtstag mit einem Sonderheft geehrt. Zu den GratulantInnen gehörte auch BAYER. „Hochachtungsvoll“ hieß es auf der 1-seitigen Anzeige schlicht, und im Kleingedruckten folgte die Selbsterklärung des Glückwunsch-Senders. „Wir sind als Unternehmen ein Teil der Gesellschaft unseres Landes, um das sich Helmut Schmidt verdient gemacht hat“.

Forever young mit Testosteron?
„Müde und lustlos? Unkonzentriert und gereizt? Und dann noch Stress mit der Partnerin?“, fragt BAYER und weiß auch gleich Abhilfe: die Testosteron-Präparate des Konzerns. Auf der Werbeseite www.testosteron.de kann der Mann ab 40 dann praktischerweise gleich einen Test machen und zum Konzern-Kunden werden. „Damit Sie wieder vital, aktiv und ausgeglichen sind“, verspricht der Pharma-Riese. Risiken und Nebenwirkungen wie Bluthochdruck, Ödeme, Herzkrankheiten, Blutverdickung, Leberschäden und Wachstum der Prostata verschweigt der Multi dagegen.

BAYER fördert Schulen
Um die Lust an Naturwissenschaften im Allgemeinen und die von BAYER betriebenen im Besonderen zu wecken, fördert der Leverkusener Multi den Unterricht in diesen Fächern steuernsparend über seine Stiftung „BAYER SCIENCE & EDUCATION“. Diese schüttet jährlich ca. 500.000 Euro an Bildungseinrichtungen im Umkreis der Standorte aus. 20.000 Euro davon erhielt die Jenaer Lobdebergschule für ein Forschungslabor. Und in Weimar stellte der Konzern gleich drei Schulen Schecks aus.

Lernpartnerschaft mit Gesamtschule
Das BAYER-Werk in Bergkamen hat eine „Lernpartnerschaft“ mit der Willy-Brandt-Gesamtschule der Stadt geschlossen. Gemäß dieser Vereinbarung überlässt der Multi den SchülerInnen seine Ausbildungslabors, Metall- und Elektrowerkstätten, schickt seine Lehrlinge in die Klassen und bildet die LehrerInnen in den Ferien durch Betriebspraktika fort.

BAYER bei Klima-Diskussion
7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid blies der Leverkusener Multi 2007 in die Luft. Eigene Kraftwerke, Anlagen oder Müllverbrennungsöfen trugen dazu 3,9 Millionen Tonnen bei; 3,7 Millionen wurden bei der Produktion zugekaufter Energie fällig. Das hindert den Konzern jedoch nicht, sich in der Öffentlichkeit als der große Klima-Kümmerer zu inszenieren. So gehört das Unternehmen der Initiative „Wirtschaft für Klimaschutz“ an, die vom „Bundesverband der Deutschen Industrie“ ins Leben gerufen wurde und nimmt auch an ExpertInnen-Workshops dieser Organisation teil. Der BAYER-Manager Dr. Manfred Marsmann saß Ende April 2009 bei einer Diskussion zum Thema „Technologie-Transfer und Finanzkooperation: Eckpfeiler eines Post-Kyoto-Regimes“ mit auf dem Podium.

BAYER verleiht Klima-Preis
Neues aus der Rubrik „Bock zum Gärtner“: Der Leverkusener Multi, der auf Kohlendioxid-Emissionen von 7,6 Millionen Tonnen im Jahr kommt, fühlt sich berufen, einen Klima-Preis zu verleihen. Der Konzern verlieh Eberhard Jochems vom „Fraunhofer Institut“ den mit 50.000 Euro dotierten „BAYER Climate Award“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) klärte den Ausgezeichneten über die Hintergründe des Klima-Programms von BAYER auf und schlug ihm vor, das Preisgeld zur Untersuchung der Klima-Bilanz von Chemie-Multis zu verwenden. Eine Antwort auf den Brief blieb bisher allerdings noch aus.

Buchwürdiges Greenwashing
Die Greenwashing-Aktivitäten des Leverkusener Multis, die ihn mittels teurer PR-Maßnahmen trotz massiver Kohlendioxid-Emissionen als Klima-Kümmerer und trotz immenser Wasser-Verschmutzungen als Wasser-Retter erscheinen lassen, haben es mittlerweile zu Buch-Ehren gebracht. Stefan Kreutzbergers Werk „Die Ökolüge - Wie Sie den grünen Etikettenschwindel durchschauen“ räumt dem Konzern sogar ein eigenes Kapitel ein.

TIERE & VERSUCHE

Zweifel an Tierversuchen
Die Zahl der Tierversuche steigt ständig. Starben 1997 in den Laboren der Unternehmen 1,5 Millionen Lebewesen, so waren es 2007 bereits 2,6 Millionen. Der Leverkusener Multi beziffert die Zahl der im Dienste seiner Forschung gestorbenen Tiere auf 1.241. Trotz dieses Booms wachsen in der pharmazeutischen Industrie die Zweifel am „Tiermodell“. So versagte ein erfolgreich an Mäusen erprobtes Alzheimer-Mittel bei den ersten klinischen Tests auf der ganzen Linie. Bei Krebs-Impfungen wiederholte sich das Desaster, weil das tierische Immunsystem nicht an die Komplexität des menschlichen heranreicht. „Von Dutzenden, wenn nicht Hunderten von Protokollen, die in Mäusen hervorragend funktionieren, haben sich nur wenige beim Menschen als erfolgreich erwiesen“, sagt der Immunologe Mark Davis. Zudem leiden die in den Laboren gezüchteten Versuchskaninchen zunehmend an Degenerationserscheinungen, was die Aussagekraft der Experimente schmälert.

Neue EU-Tierversuchsrichtlinie
Das EU-Parlament hat im Mai 2009 eine Änderung der Richtlinie zum Schutz von Versuchstieren beschlossen. Dabei setzten sich die Abgeordneten allerdings über die Vorschläge der Kommission hinweg, die zu strengeren Auflagen geführt hätten. So bleiben besonders schmerzhafte Experimente und Versuche mit Affen erlaubt. „Es ist skandalös, dass sich die Abgeordneten nun sogar für noch laschere Regelungen bei der Genehmigung von Tierversuchen ausgesprochen haben, als sie derzeit in der Tierversuchshochburg Deutschland existieren“, empörte sich daraufhin Brigitte Rusche vom „Deutschen Tierschutzbund“.

DRUGS & PILLS

Immer mehr Todesfälle durch Verhütungsmittel
Die Meldungen über Todesfälle und schwere Gesundheitsstörungen durch BAYERs Antibaby-Pillen YAZ und YASMIN häufen sich. Im letzten Jahr schockierten Berichte über die an einer Lungenembolie gestorbene Tanja Hayes die australische Öffentlichkeit (Ticker 3/08), und in der Schweiz sorgte ein Fernsehbeitrag über ein 16-jähriges Mädchen, das seit der Einnahme von YAZ schwerbehindert ist, für Aufsehen. Der Tagesanzeiger begann daraufhin mit seinen Recherchen und wandte sich an das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM). Zu „sieben Todesfällen im Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels YASMIN oder Wirkstoff-Kombinationen von YASMIN“ sei es in der Bundesrepublik bisher gekommen, teilte die Behörde auf Nachfrage mit. BAYER verheimlicht solche Zahlen. Man wolle die Kundinnen nicht verunsichern, so Konzern-Sprecherin Astrid Kranz zum Tagesanzeiger. Ansonsten seien YAZ & Co. nicht gefährlicher als vergleichbare Produkte. Das Gefährdungspotenzial bei den Verhütungsmitteln auf Hormon-Basis rührt von ihrer „Nebenwirkung“ her, Blutgefäße verstopfen und so lebensgefährliche Thrombosen oder Lungenembolien auslösen zu können. Darüber hinaus zählen „Kopf- und Brustschmerz“, „Übelkeit“, „Migräne“ und „Depressionen“ zu den Gegen-Anzeigen von YAZ und YASMIN. Trotzdem hält BAYER wegen der Milliarden-Gewinne weiter an diesem Wirkmechanismus fest. Forschungen zu einer Pille, die ohne Hormone auskommt, stellte der Konzern ein.

Hirnblutungen durch ASPIRIN
Nach einer Studie der Universität Rotterdam erhöht ASPIRIN die Gefahr, eine Hirnblutung zu erleiden. Da das Medikament den Blutfluss anregt, entstehen im Gehirn vermehrt kleinere Blutungen, die sich zu größeren ausweiten können, so die WissenschaftlerInnen. Eine Untersuchung der Universität Oxford kam vor zwei Jahren zu einem ähnlichen Ergebnis und warnte, ASPIRIN drohe bald den Bluthochdruck als Hauptrisiko-Faktor für von Blutungen verursachte Schlaganfälle abzulösen.

ASPIRIN interagiert mit IBUPROFEN
Nimmt ein/e PatientIn mehrere Medikamente gleichzeitig ein, so hat er/sie nicht nur Kombinations-, sondern auch Subtraktionswirkungen zu befürchten. ASPIRIN z. B. verträgt sich nicht mit IBUPROFEN. Das Schmerzmittel schmälert die blutverflüssigende Wirkung des „Tausendsassas“, weshalb Bundesapothekenkammer-Präsident Ulrich Krötsch vor einem Beikonsum warnte.

FDA will ASPIRIN-Warnhinweise
Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat den Leverkusener Multi aufgefordert, sein Schmerzmittel ASPIRIN mit dem Warnhinweis „Gefahr von Magenblutungen“ zu versehen.

USA: XARELTO doch zugelassen
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA zögert bei der Zulassung von BAYERs Präparat XARELTO, das bei orthopädischen Operationen die Entstehung von Blutgerinnseln verhindern soll (Ticker 1/09), immer noch. Fachleute hatten auf das erhöhte Risiko von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden aufmerksam gemacht und Langzeit-Untersuchungen über die Verträglichkeit eingefordert. Eine ExpertInnenrunde stimmte allerdings mit 15:2 für die Genehmigung. Die Vorteile wären höher zu bewerten als die möglichen Gefahren, lautete die Begründung. Ende Mai 2009 verlangte die FDA trotzdem noch weitere Informationen zu „Risiken und Nebenwirkungen“ vom Leverkusener Multi.

Japan: BAYER vertreibt FOSRENOL
BAYER übernimmt in Japan den Vertrieb für das vom britischen Unternehmen SHIRE entwickelte Medikament FOSRENOL. Es soll angeblich bei Menschen mit Niereninsuffizienz im Endstadium der Erhöhung des Phosphatspiegels entgegenwirken, der zu Muskelkrämpfen, Herzrhythmusstörungen und sogar zum Tod führen kann.

BETAFERON überteuert
Die Krankenkasse KKH-ALLIANZ hat die Arzneipreise in den europäischen Ländern untersucht. Fast immer waren die Pillen in der Bundesrepublik am teuersten. So kostete BAYERs gentechnisch produziertes Multiple-Sklerose-Medikament BETAFERON hierzulande mit monatlich 1.429 Euro 74 Prozent mehr als in Italien. Dieser Wucher reißt ein Milliarden-Loch in die Kassen von DAK & Co.. KKH-Vorstandschef Ingo Kailuweit forderte deshalb Konsequenzen: „Die Politik muss eine Preisobergrenze für patentgeschützte Originalpräparate einführen“. Der von BAYER mitgegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) möchte davon allerdings nichts wissen. Die Pharmazeutika seien doch in den letzten Jahren viel billiger geworden, ließ der VFA verlauten.

Zulassung für VISANNE beantragt
BAYER hat die europa-weite Zulassung für das Medikament VISANNE beantragt. Das Mittel mit dem Hormon Dienogest als Wirkstoff soll zur Behandlung der Endometriose, einer gutartigen Wucherung der Gebärmutterschleimhaut, zum Einsatz kommen. „Wir streben auf gynäkologischen Märkten mit signifikantem Wachstumspotenzial die weltweite Marktführerschaft an. Mit der Einreichung von VISANNE haben wir einen weiteren wichtigen strategischen Meilenstein bei der Entwicklung von innovativen gynäkologischen Präparaten erreicht“, erklärte der BAYER-Manager Phil Smits in einer Presse-Mitteilung zum Beginn des Genehmigungsverfahrens.

Pharma-Ausverkauf
BAYER gibt das Geschäft mit den Blutkrebs-Präparaten LEUKINE, CAMPATH und FLUDARA auf. Der Leverkusener Multi veräußert die Medikamente gegen eine Umsatzbeteiligung an den US-amerikanischen Biotech-Konzern GENZYME. Wieviele Arbeitsplätze damit innerhalb des Konzerns verloren gehen, gab der Pharma-Riese nicht bekannt.

Zwangsrabatte für Infusionen
Die Arzneimittel-Ausgaben von DAK & Co. wachsen von Jahr zu Jahr. Im Jahr 2008 stiegen die Kosten um 5,4 Prozent auf 25,8 Milliarden Euro. Um diese Erhöhung wenigstens ein bisschen abzudämpfen, hat die Bundesregierung BAYER & Co. jetzt gezwungen, den Krankenkassen die Zwangsrabatte von sechs Prozent auch auf so genannte Fertigarzneimittel wie z. B. Infusionen zu gewähren.

Pharma-Pflanzen: Bald erste Tests?
BAYER will im Sommer bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Erlaubnis für klinische Tests mit einem Impfstoff gegen Lymph-Krebs beantragen, den Konzern-ForscherInnen mit gen-manipulierten Tabakpflanzen produzieren. Dazu schleusen die WissenschaftlerInnen mittels Bakterien das Erbgut eines Proteins in die Pflanzen-Zellen, die sich auf diese Weise in botanische Pharma-Fabriken verwandeln. Das Bakterium könnte allerdings im Impfstoff so einige Nebenwirkungen entfalten. Zudem warnen ExpertInnen vor der unkontrollierten Vermehrung der „Heilpflanzen“ in der Natur. „Es besteht immer die Gefahr, dass Pharming-Pflanzen irgendwie in die Natur und in unsere Nahrungskette gelangen“, so Margret Engelhard von der „Europäischen Akademie zur Erforschung und Beurteilung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen“.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Kein PONCHO auf Mais-Kulturen
Im letzten Frühjahr haben BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO und andere Pestizide in Süddeutschland ein großes Bienensterben verursacht. Daraufhin ordnete das Bundesministerium für Verbraucherschutz (BVL) das Ruhen der Zulassung für die BAYER-Beizen PONCHO, CHINOOK, FAIBEL, ELADO, MESUROL FLÜSSIG und ANTARC sowie zwei SYNGENTA-Saatgutbehandlungsmittel an. Für die Anwendung auf Raps-Kulturen gab das BVL PONCHO allerdings schon im Sommer wieder frei. Bei Mais-Kulturen bleibt das Ministerium allerdings hart. Im Februar bestätigte es das Moratorium für fast alle inkriminierten Substanzen. Nur das BAYER-Mittel MESUROL dürfen die LandwirtInnen unter strengen Auflagen wieder verwenden.

Bienensterben in Österreich
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Österreich reagierte hingegen nicht. Die Konsequenz: In diesem Frühjahr vergiftete die BAYER-Beize 9.000 Bienenvölker von rund 1.000 ImkerInnen. „Für den Hobbyimker ist es nicht unbedingt existenzgefährdend, für den erwerbsorientierten Imker aber auf jeden Fall“, so Josef Ulz vom österreichischen BienenzüchterInnen-Verband.

EU will Bienen schützen
BAYERs Saatgut-Beizmittel GAUCHO und PONCHO sowie andere Pestizide haben immer wieder große Bienensterben verursacht. Unter anderem deshalb hat sich binnen der letzten 15 Jahre die Zahl der Bienenvölker allein in der Bundesrepublik fast halbiert. Das hat das EU-Parlament jetzt zum Handeln bewogen. Es forderte die EU-Kommission auf, in einer großen Studie systematisch dem Zusammenhang zwischen Pestizid-Einsatz und Bienensterben nachzugehen. Die ParlamentarierInnen verlangten darüber hinaus, bei der Zulassung für Gen-Pflanzen die mögliche Kontamination von Nektar stärker zu berücksichtigen. Zudem sprachen sie sich dafür aus, geschädigten ImkerInnen Finanzhilfen zu gewähren.

Pestizidgesetz schützt Bienen nicht
Ursprünglich wollte die neue Pestizid-Verordnung der EU alle bienengefährliche Pestizide verbieten. Dagegen konnte sich die Lobby von BAYER & Co. allerdings erfolgreich wehren. Jetzt dürfen Agrochemikalien auf dem Markt bleiben, wenn sie lediglich „zu einer vernachlässigbaren Exposition von Honigbienen“ führen und „keine unannehmbaren akuten oder chronischen Auswirkungen auf das Überleben und die Entwicklung des Bienenvolks“ haben.

Mangelhafte Haushaltsgifte
Bei der von der Zeitschrift Ökotest im Mai-Heft 2009 vorgenommenen Untersuchung von Haushaltsgiften hagelte es schlechte Noten für BAYER-Produkte. Ein „mangelhaft“ wegen zu giftiger Inhaltsstoffe erhielten das BAYER GARTEN FLIEGEN SPRAY mit den Wirksubstanzen d-Tetramethrin und d-Phenothrin, der BAYER GARTEN UNGEZIEFER STAUB (Deltamethrin), das BAYER GARTEN MOTTEN PAPIER (Transfluthrin), das BAYER GARTEN AMEISEN SPRAY (Deltamethrin), das BAYER GARTEN AMEISENMITTEL in Granulatform (Imidacloprid), das BAYER GARTEN „3 in 1“ SCHÄDLINGSFREI (Imidacloprid) und das BAYER GARTEN GARTENSPRAY (Imidacloprid, Methiocarb)

EU: Schwarze Liste schrumpft
Die neue Pestizid-Verordnung der EU sieht das Verbot zahlreicher besonders gefährlicher Agro-Chemikalien vor (SWB 1/09). Ganz so viele Substanzen wie ursprünglich geplant will die Europäische Union jedoch nicht aus dem Verkehr ziehen. Von den 23 Wirkstoffen bleiben dem Bundesverbraucherschutz-Ministerium zufolge nur noch 17 übrig. Und mit Thiacloprid verschwand auch eines der sechs inkriminierten BAYER-Ackergifte von der Schwarzen Liste.

Mehr Pestizide aus Dormagen
BAYER reagiert auf die gestiegene Nachfrage nach Antipilzmitteln und weitet am Standort Dormagen die Produktionskapazitäten für den Wirkstoff Prothioconazole aus. 300 Millionen Euro investiert der Agro-Multi in den Ausbau.

Weiterhin Klasse-I-Pestizide
Auf der BAYER-Hauptversammlung von 1995 hatte der Vorstand zugesagt, bis zum Jahr 2000 alle Pestizide der Gefahrenklasse I vom Markt zu nehmen. Dieses Versprechen hat der Leverkusener Multi gebrochen. Dem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht zufolge „gibt es weiterhin Produkte, deren Einsatz notwendig ist und für die noch immer keine Alternativen verfügbar sind“. Zudem machten regionale Unterschiede beim Schadinsekten-Aufkommen angeblich eine „Standardlösung unmöglich“.

Immer mehr Pestizide
Rund um den Globus bringen die LandwirtInnen immer mehr Agro-Chemikalien aus. Der weltweite Pestizid-Umsatz betrug 2008 52 Milliarden Dollar und stieg damit gegenüber dem Vorjahr um 29 Prozent. Auch die Wirtschaftskrise stoppt diesen Trend kaum. ExpertInnen rechnen lediglich mit einem Minus von 7 Prozent auf 49 Milliarden Dollar für das laufende Jahr und prophezeien eine baldige Erholung des Geschäfts. In Europa legten die Verkäufe im Jahr 2007 gegenüber 2006 um sieben Prozent zu; in der Bundesrepublik sogar um zehn Prozent.

BAYER kauft Bio-Pestizide
Der Leverkusener Multi hat vom israelischen Konzern AGROGREEN Technologien zur Herstellung von Pestiziden auf biologischer Basis erworben.

Gifthändler fliegt auf
WissenschaftlerInnen finden in Lebensmitteln regelmäßig Rückstände von Pestiziden, die bereits seit langem verboten sind. Ein Grund dafür: Der illegale Handel mit diesen Agro-Chemikalien blüht. Ein Großdealer ging der Polizei jetzt ins Netz. Er verfügte über ein Warenlager von 30 Tonnen und hatte mit Lindan und Endosulfan auch solche Substanzen im Angebot, zu deren Herstellern BAYER einst zählte. Die Kundschaft war ebenfalls illuster. Selbst der Raiffeisen-Agrarhandelsverband, der LandwirtInnen beliefert, fand sich in der Kartei des Kriminellen. Offenbar meinen viele Bauern und Bäuerinnen fälschlicherweise, gegen manche Schadinsekten würden nur Ultragifte wirken.

GENE & KLONE

Option auf Antikörper erworben
BAYER hat von dem US-amerikanischen Unternehmen MICROMET für 4,5 Millionen Euro eine Lizenz-Option auf einen Antikörper erworben. Der erst in der präklinischen Entwicklungsphase steckende Gentech-Wirkstoff soll bei Krebs, Entzündungen und Autoimmun-Erkrankungen wirken.

BAYER kauft Krebsmittel
BAYER hat von dem US-amerikanischen Unternehmen ARDEA BIOSCIENCES die Rechte zur Entwicklung eines Krebsmittels auf der Basis der biotechnologisch hergestellten Substanz RDEA 119 erworben. Sollte RDEA den Sprung aus dem Labor auf den Pharma-Markt schaffen, so muss der Leverkusener Multi 407 Millionen Dollar an ARDEA zahlen.

Kein NEXAVAR bei Hautkrebs
Obwohl schon im Jahr 2006 Versuche mit NEXAVAR als Mittel zur Hautkrebs-Behandlung scheiterten, versuchte es BAYER weiter. Jetzt kam aber das endgültige Aus. Der Wirkstoff scheiterte in der Phase III der Klinischen Prüfung. Auch bei Bauchspeicheldrüsen-Krebs versagte das Medikament in Tests bereits.

Investition in Tumor-Diagnostik
BAYER hat dem japanischen Unternehmen HAMAMATSU PHOTONICS die Rechte an einer Diagnostika-Technologie abgekauft. Das bildgebende Verfahren verwendet spezielle, mit einem radioaktiven Marker versehene Moleküle, die für den Stoffwechsel von Tumoren wichtig sind, um Krebszellen zu orten und zu analysieren.

Keine Forschung mehr in Potsdam
Der Leverkusener Multi gibt die Forschung an gentechnisch manipulierten Nahrungsmittel-Zusatzstoffen auf und schließt seine Labore in Potsdam.

Mexiko erlaubt Freisetzungsversuche
Mexiko gibt der „grünen Gentechnik“ grünes Licht und genehmigt Freisetzungsversuche. 25 Anträge liegen den Behörden bereits vor. Darunter dürften auch solche von BAYER sein.

USA genehmigen Gen-Baumwolle
Die USA haben BAYERs GlyTol-Baumwolle eine Genehmigung erteilt. Der Agro-Riese will die per Gentechnik immun gegen den Herbizid-Wirkstoff Glyphosate gemachte Pflanze ab 2010 vermarkten. Ob die BAYER-Baumwolle Hitze und Trockenheit besser trotzt als die Laborfrüchte des Konkurrenten MONSANTO? Bei denen ließen die klimatischen Verhältnisse nämlich die Glyphosate-Resistenz schwinden, weshalb die Gewächse dem Glyphosate-Großeinsatz nicht gewachsen waren und en masse eingingen.

Mehr Genmais-Verbote
Die EU hatte den Import von BAYERs gentechnischen verändertem Mais „T25“ und der MONSANTO-Sorte „Mon 810“ genehmigt. Österreich hat die Zulassung jedoch nicht akzeptiert und sich dabei auf das Recht der EU-Staaten berufen, bei Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt Alleingänge vorzunehmen. Gegen dieses nationale Verbot reichten die USA, Kanada und Argentinien umgehend Klage bei der WTO ein. Daraufhin übernahm wieder die EU-Kommission. Aber gegen ihren Versuch, Zwangsmaßnahmen gegen Österreich einzuleiten, votierten zu viele Mitgliedsländer. Eine qualifizierte Mehrheit erreichten diese jedoch nicht, deshalb musste die Runde der europäischen UmweltministerInnen entscheiden. Diese erklärte dann Anfang März 2009 den Bann für rechtens. Und wenig später verbot auch die bundesdeutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner „Mon 810“. Der BAYER-Mais war da schon aus dem Rennen. Er ist über das ganze Hickhack nicht jünger geworden und gilt beim Gen-Giganten inzwischen als nicht mehr als wettbewerbsfähig. „Es ist kein Anbau vorgesehen“, erklärte ein Konzern-Sprecher.

Genmais schädigt das Immunsystem
Genmais kann das Immunsystem schädigen. Zu diesem Ergebnis kam eine italienische ForscherInnen-Gruppe bei einem Fütterungsversuch mit MONSANTOs Genmais „Mon 810“. Die WissenschaftlerInnen beobachteten im Organismus der Versuchstiere Veränderungen, die auf Entzündungen und/oder auf allergische Reaktionen hinweisen. Vor solchen Gefahren warnen ExpertInnen allerdings seit Jahren, eine Überprüfung am „Tiermodell“ wäre also nicht unbedingt nötig gewesen.

Mehr Reis mit EVOGENE
BAYER weitet die Zusammenarbeit mit dem israelischen Biotechnologie-Unternehmen EVOGENE auf dem Gebiet der Reisforschung aus. Der Leverkusener Multi will seinen Hybridreis, dessen sterile Samen die LandwirtInnen nicht nur Wiederaussaat verwenden können, künftig mit ertragssteigernden Genen aus dem Hause EVOGENE bestücken.

Noch keine Genreis-Entscheidung
Die EU hat ihre Entscheidung über die Importzulassung für BAYERs Genreis LL62 einstweilen vertagt. Nach dem Mitte April in der Bundesrepublik erlassenen Verbot von MONSANTOs Bt-Mais wollte die Kommission keinen weiteren Streit zum Thema „Gentechnik“ aufkommen lassen, zumal einige Länder im Vorfeld schon ihre Vorbehalte gegenüber Genreis made by BAYER zum Ausdruck gebracht hatten. Sie haben offenbar den Skandal um den nicht zugelassenen LL601-Reis, der sich vor drei Jahren in diversen Supermarkt-Sorten wiederfand, noch in allzu guter Erinnerung. Die Entscheidung dürfte jetzt im Sommer fallen. Sollte das Votum dennoch positiv ausfallen, so würde es höchstwahrscheinlich als Türöffner wirken und Genehmigungen in anderen Ländern nach sich ziehen.

Brasilien gegen LL62-Reis
Brasilien hat dem BAYER-Genreis LL62 (s. o.) keine Zulassung erteilt.

Fragwürdige Sicherheitsforschung
BAYER & Co. interessieren sich nicht groß für die Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnik und scheuen die entsprechenden Investitionen. Forschungsprojekte dieser Art lassen sie sich vielmehr vom Staat finanzieren. So spendierte das Bundesforschungsministerium (BMBF) unlängst acht Millionen Euro für solche Projekte. Und wo Sicherheitsforschung draufsteht, ist oftmals etwas ganz anderes drin, wie eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Kirsten Tackmann (Die Linke) enthüllte. „Die Kleine Anfrage hat ergeben, dass die Biosicherheitsforschung nicht hält, was sie verspricht. Einige der in der aktuell bis 2011 laufenden Förderperiode finanzierten Projekte dienen nicht dem Interesse der Allgemeinheit. Nicht Umweltschutz, sondern ein ‚Beitrag zur Methodenentwicklung‘ steht im Fokus“, stellt Tackmann fest. So widmet sich beispielsweise kein Forschungsvorhaben den von schon zugelassenen Gen-Pflanzen ausgehenden Gefahren. Mit Dr. Inge Broer zählt auch eine alte Bekannte BAYERs zu den NutznießerInnen der Subventionen (Ticker 2/07). Die Biologin von der Universität Rostock, die in der Vergangenheit gemeinsam mit dem Leverkusener Multi sechs Proteine und gentechnische Verfahren zum Patent anmeldete, erhielt 316.000 Euro vom BMBF. Damit will Broer die Auswirkungen von kunststoff-produzierenden Genkartoffeln auf die Umwelt erforschen.

AGROSPRIT & PROFIT

Mehr Öl in BAYER-Raps
Der Agrosprit-Boom nimmt immer mehr Ackerflächen in Anspruch und verdrängt so die Kulturpflanzen von den Feldern, weshalb die Preise für Nahrungsmittel steigen. BAYER profitiert von der Situation. So bietet der Agro-Riese den Biosprit-Baronen mit dem Gentech-Raps INVIGOR maßgeschneiderte, besonders viel Öl produzierende Pflanzen an. Mit den Worten: „So lassen sich mit Hilfe von INVIGOR rund 190 Liter mehr Biodiesel pro Hektar herstellen als aus normalem Hybridsaatgut“, wirbt BAYER-CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer für seinen Raps. Und jetzt startete das Unternehmen eine weitere Offensive zur Optimierung des Produktes. Gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik beginnt er ein Forschungsvorhaben zur nochmaligen Steigerung des Ölgehaltes von INVIGOR.

WASSER, BODEN & LUFT

Dormagen: neues Müllkraftwerk
Jetzt ist es offiziell: BAYER hat den Bau eines „Müllkraftwerks“ in Dormagen beantragt. Es soll die gleiche Größe wie die Anlage in Brunsbüttel (siehe SWB 1/08) haben - und also auch die gleichen umweltbelastenden Substanzen emittieren: Dioxin, chlor-, brom- und fluorhaltige Kohlenwasserstoffe, Chloride, Furane, Kohlendioxid, Schwermetalle wie Quecksilber und Feinstaub sowie Rost-, Filter- und Kesselasche. Der BUND spricht von einer „Billigst-Rauchgasreinigung“. Gegen die Dreckschleuder hat sich vor Ort schon Protest formiert. Auch der Dormagener Bürgermeister-Kandidat Peter-Olaf Hoffmann (CDU) ist nicht glücklich über den neuen Müllofen - allerdings aus persönlichen Gründen. Hoffmann arbeitet derzeit noch als Geschäftsführer einer Kölner Müllverbrennungsanlage und fürchtet Konkurrenz.

BAYER produziert 7,6 Mio. Tonnen CO2
Nach BAYERs aktuellem Nachhaltigkeitsbericht kommt der Konzern 2007 insgesamt auf einen Ausstoß von 7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Eigene Kraftwerke, Anlagen oder Müllverbrennungsöfen trugen dazu 3,9 Millionen Tonnen bei; 3,7 Millionen wurden bei der Produktion zugekaufter Energie fällig. Trotz dieser gigantischen Umweltverschmutzung verlief der Emissionshandel, der eigentlich Anreize zu einer Reduktion klima-schädlicher Gase geben sollte, zu Gunsten des Leverkusener Multis. Er behielt Verschmutzungsrechte für 100.000 Tonnen CO2 übrig.

BAYER schädigt Ozonschicht stärker
Nach BAYERs aktuellem Nachhaltigkeitsbericht hat der Konzern den Ausstoß von ozon-abbauenden Substanzen erhöht. Von 13,1 auf 14,7 Tonnen nahmen die Emissionen zu. Der Multi macht dafür hauptsächlich die gestiegene Pestizid-Produktion am indischen Standort Vapi verantwortlich, dessen Anlagen offensichtlich nicht dem neuesten Stand der Technik entsprechen.

Mehr Schadstoffe im Abwasser
Fast 80 Millionen Kubikmeter Abwasser produzierte BAYER laut neuestem Nachhaltigkeitsbericht 2007. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies eine Steigerung von acht Prozent. Entsprechend erhöhte sich der Anteil der darin herumschwimmenden Schadstoffe. Die Phosphorfracht nahm von 810 auf 990 Tonnen zu. Die Einleitungen organischer Verbindungen erreichten 1.770 Tonnen (2006: 1.490 Tonnen), was der Multi „auf einen zeitweise nicht-optimalen Betrieb einer Kläranlage“ an einem US-amerikanischen Standort zurückführt. 8.9 Tonnen Schwermetalle made by BAYER fanden sich im Wasser (2006: 8 Tonnen), 680 Tonnen Stickstoff (2006: 730 Tonnen) und 825.000 Tonnen anorganischer Salze (2006: 843.000 Tonnen).

BAYERs Wasserdurst
Der Durst des Leverkusener Multis ist immens. 1,2 Millionen Kubikmeter Wasser braucht er täglich. Allein für den Bedarf des Krefelder Werk kann er mit Erlaubnis der BAYER stets zu Diensten stehenden Bezirksregierung Düsseldorf jährlich 200 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Rhein abpumpen.

Mehr gefährlicher Abfall
BAYER hat dem neuesten Nachhaltigkeitsbericht zufolge im Jahr 2007 mehr gefährlichen Abfall produziert als 2006. Die Menge stieg von 336.000 Tonnen auf 342.000 Tonnen.

Wasserpreise steigen
Die Schadstoff-Einträge von BAYER & Co. in die Gewässer fordern ihren Preis. Die Wasserversorger müssen immer größere Summen in die Aufbereitung investieren. Deshalb kündigten die Unternehmen eine Erhöhung der Wasser-Gebühren um zehn Prozent binnen der nächsten drei Jahre an.

UN verbietet Quecksilber
Die Un-Mitgliedstaaten haben sich Ende Februar 2009 auf ein Verbot von Quecksilber geeinigt. Allerdings gilt dieses nur für den Handel. Als Abfallprodukt, wie es unter anderem in BAYERs Chloralkali-Produktion, seinen Kohlekraft- und Müllkraftwerken entsteht, bleibt es weiter unbehelligt. 2004 - neuere Zahlen legt der Konzern nicht vor - leitete der Chemie-Multi allein 33 Kilogramm Quecksilber in die Gewässer.

BAYERs Quecksilber-Deal
BAYER hat wieder mal eine Privatvereinbarung mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung geschlossen: Der Leverkusener Multi sicherte eine Verringerung der Quecksilber-Fracht zu und erhielt dafür eine Verlängerung der Einleitungsgenehmigung. Besonders bei der Chlor-Herstellung fallen immer noch große Mengen des gefährlichen Schwermetalls an. Der Konzern nahm vor einigen Jahren zwar öffentlichkeitswirksam ein neues Membran-Verfahren in Betrieb, das den Ausstoß reduziert, aber er stellte nur die Hälfte der Produktion auf die Technik um.

Giftgasgranaten in der Nordsee
Etwa 6.000 Giftgas-Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg liegen zweieinhalb Seemeilen vor Helgoland in der Nordsee. Bestückt sind sie mit dem Kampfstoff Tabun, den Gerhard Schrader 1936 im Leverkusener BAYER-Werk entwickelt hatte. „Die chemische Waffe ist auch vom Standpunkt ihrer Anwendung eine typisch deutsche Waffe, da sie der besonderen naturwissenschaftlichen Begabung der Deutschen entspricht“, schrieb der damalige Aufsichtsratschef der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, Carl Krauch, 1938 in einem „Vorschlag zur Nutzbarmachung der deutschen Chemie für die Landesverteidigung“. Die wehrwissenschaftlichen „Wunderwaffen“ stellen heute noch eine Gefahr dar. Die Granaten könnten ohne Fremdeinwirkung detonieren oder dann, wenn die Kriegshinterlassenschaften FischerInnen in die Netze gehen. In 60 bis 70 Jahren dürften die Chemiewaffen durchgerostet sein, was das Explosionsrisiko noch einmal drastisch erhöht. „Dann entsteht über dem Wasser eine Giftgas-Wolke“, beschreibt der Kampfstoff-Experte Stefan Nehring das „Worst Case Scenario“. Der Helgoländer Bürgermeister Frank Botter fordert deshalb eine Bergung der Giftgas-Granaten.

BAYER im Altlasten-Verband
Der Leverkusener Multi hat immer so einige Probleme mit seinen Altlasten. Da trifft es sich gut, dass der Konzern gemeinsam mit VertreterInnen des Landes und der Kommunen Mitglied im Altlastensanierungsverband NRW (AAV) ist und mit Dr. Walter Leidinger von seiner Tochtergesellschaft CURRENTA auch einen der Vorstände stellt. Der AAV fungiert nämlich nicht nur als Träger von Altlasten-Sanierungen, er übernimmt auch stets 80 Prozent der Kosten. So muss der Pharma-Riese nur 170.000 Euro zu dem Etat beisteuern, aus dem Maßnahmen zur Abdichtung seiner in Wuppertal das Grundwasser verunreinigenden Deponie finanziert werden. Darüber hinaus gehören Altlasten-Sanierungen inzwischen selbst zum Geschäftsfeld des Unternehmens, und eine Mitgliedschaft beim AAV schadet bei der Auftragsakquise sicherlich nicht.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Hormone im Mineralwasser
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) wirkt hormon-ähnlich und kann deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern. Der Frankfurter Ökotoxikologe Martin Wagner hat jetzt den Grad der Verunreinigung von Mineralwässern untersucht. In 65 Prozent der Proben wies er eine hormonelle Aktivität nach. Die Messungen ergaben Werte von bis zu 75 Nanogramm pro Liter. Nach Meinung von ExpertInnen weist eine solch hohe Konzentration bereits auf eine hormonelle Grundbelastung des Rohstoffes „Wasser“ hin.

NANO & CO.

Nano-Risiken unterschätzt
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. BAYERs Nano-Röhrchen finden mittlerweile unter anderem in Duftkapseln, Folien, Flüsterschotter, Eishockeyschlägern, Windrad-Flügeln und Farbstoffen zur medizinischen Diagnostik Verwendung. Für die Risiken und Nebenwirkungen dieser „Zukunftstechnologie“ fühlt sich allerdings niemand verantwortlich. Wegen „extremer Informationsdefizite, einem Mangel an Ressourcen und wegen teils fehlender Zuständigkeiten“ sieht sich etwa die US-amerikanische Gesundheitsbehörde zu einer Gefahren-Analyse außer Stande. Dabei gibt es alarmierende Hinweise. So können Nano-Stoffe nach einer Untersuchung der Universität Edinburgh das Gewebe schädigen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen (siehe Ticker 2/08). Und irische ForscherInnen haben Wirkungen von Nano-Partikeln auf das Immunsystem nachgewiesen.

PLASTE & ELASTE

BAYER investiert 650 Millionen
Der Leverkusener Multi kündigte an, bis zum Jahr 2012 650 Millionen Euro in das Geschäft mit Lacken und Klebstoffen zu investieren.

STANDORTE & PRODUKTION

Wellness-Hotel in Wermelskirchen
BAYER REAL ESTATE, die Immobilien-Abteilung des Leverkusener Multis, plant in Wermelskirchen ein Wellness-Hotel. Einen Bebauungsplan für das Gelände „Große Ledder“ gibt es zwar noch nicht, und der Konzern hat seine Vorstellungen auch noch nicht konkretisiert, aber die Stadt will BAYER für eine schnelle Umsetzung den Weg frei machen. So kürzte sie kurzerhand den Dienstweg ab und schloss eine Öffentlichkeitsbeteiligung sowie eine Einbindung der zuständigen Behörden aus. „Hier haben wir das Land und einen Investor. Letztere stehen heute nicht mehr Schlange“, drängte der sozialdemokratische Lokalpolitiker Jochen Bilstein zur Eile.

Mehr TDI aus Dormagen
BAYER baut in Dormagen eine neue Anlage zur Herstellung des Kunststoffes TDI, die auf eine Jahresproduktion von 300.000 Tonnen ausgelegt ist. Neue Arbeitsplätze schafft der Leverkusener Multi mit dieser Investition jedoch nicht.

Mehr Konstrastmittel aus Bergkamen
Der Leverkusener Multi verdoppelt in seinem Bergkamener Werk die Kontrastmittel-Produktion. Welche Auswirkungen das auf die Umwelt haben könnte, interessiert die Arnsberger Bezirksregierung nicht. Sie hat BAYER eine Befreiung von der Umweltverträglichkeitsprüfung ausgestellt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat die Bezirksregierung aufgefordert, diesen Schritt zu begründen und Einblick in den Genehmigungsbescheid für die Kapazitätsausweitung zu gewähren.

Neue Chemie-Anlage in Indien
Der Leverkusener Multi baut im indischen Ankleshwar, das im Bundesland Gujarat liegt, für 20 Millionen Euro eine neue Anlage zur Produktion von Polyisocyanaten. Diese dienen als Basismaterial, um Lacke, Kleb- und Dichtstoffe herstellen zu können.

Chlor-Recycling in Shanghai
BAYER hatte in der Vergangenheit vom japanischen Unternehmen SUMITOMO die Lizenz für ein Chlorrecycling-Verfahren erworben und will am Standort Shanghai bereits die zweite nach einem solchen Prinzip funktionierende Wiederaufbereitungsanlage bauen. Diese soll die TDI-Fertigungsstätte auf dem Werksgelände mit dem nötigen Chlor versorgen, das zu den gefährlichsten Chemikalien überhaupt zählt.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER im Steuer-Paradies
Bis 2005 tummelte sich auch der Leverkusener Multi im Steuerparadies Luxemburg. Die BAYER FINANCE SA residierte an der Avenue Monterey.

BAYER schreibt TRASYLOL ab
Im November 2007 musste der Leverkusener Multi das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Aber BAYER wäre nicht BAYER, wenn der Konzern nicht auch daraus noch Vorteile zu schöpfen wüsste. So machte er die Wertminderung der TRASYLOL-Anlagen steuerlich geltend: Bei den Abschreibungen, die sich im Geschäftsjahr 2008 insgesamt auf 160 Millionen Euro bezifferten, bilden diese Fertigungsstätten den größten Posten.

Pensionsversicherungsbeiträge steigen
Wenn Unternehmen Insolvenz anmelden, dann stehen auch die Betriebsrenten zur Disposition. In solchen Fällen springt der Pensionssicherungsverein (PSV) ein. Da die Zahl der Firmenpleiten in Zeiten der Krise allerdings drastisch steigt, reichen die Ressourcen der Versicherung nicht mehr aus. Deshalb müssen BAYER & Co. mit einer Verzehnfachung des Beitragssatzes rechnen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Unfallliste 2007 verlängert sich
BAYERs aktueller Nachhaltigkeitsbericht zählt für das Jahr 2007 zwei Unfälle auf, die bisher nicht bekannt waren. So brannte in Dubai eine Halle ab, in der eine von BAYER MATERIAL SCIENCE beauftragte Drittfirma 100 Tonnen Kunststoff-Vorprodukte gelagert hatte. Und bei einem Chemikalien-Transport von Los Angeles zum BAYER-Standort Kansas traten 17 Tonnen 2-Chlorobenzyl-Chlorid aus. Da Explosionsgefahr bestand, evakuierte die Polizei mehrere in der Nähe des Unglücks wohnende Personen.

Hepatitis-Opfer ohne Entschädigung
Die Blutpräparate von BAYER & Co. waren in den 80er Jahren nicht nur mit HI-Viren infiziert, sondern auch mit dem Erreger von Hepatitis C. Obwohl den Pharma-Multis das Risiko bekannt war, weigerten sie sich aus Kostengründen lange Zeit, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Viren vorzunehmen

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Demo gegen Kraftwerke
In Brunsbüttel sollen drei Kohlekraft- und ein Müllkraftwerk das Atomkraftwerk ersetzen - und das bis auf eine Kohle-Dreckschleuder alles auf dem BAYER-Gelände. „Wie viel Dreck müssen wir noch ertragen“, fragten sich da die AnwohnerInnen und demonstrierten am 14. März gegen die Pläne. 300 Menschen beteiligten sich an der Protestaktion, zu der unter anderem Bürgerinitiativen, der BUND und die Grünen aufgerufen hatten.

Protest gegen Patentklage
BAYER hat die indische Medikamenten-Zulassungsstelle „Drugs Controller General of India“ (DCGI) verklagt, da diese dem einheimischen Unternehmen CIPLA eine Zulassung für das patentgeschützte BAYER-Krebsmedikament NEXAVAR erteilt hatte (siehe auch SWB 1/09). In einer ersten Anhörung in Neu Delhi gelang es dem Leverkusener Multi bereits, die Genehmigung vorerst ruhen zu lassen. Sollte der Konzern abschließend Recht bekommen, so wäre ein Präzedenzfall geschaffen, der die Versorgung der ärmeren Länder mit preiswerten Arzneien generell gefährdet, da Indien weltweit einer der größten Hersteller billiger Nachahmer-Präparate ist. Aus diesem Grund hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit anderen Initiativen und BündnispartnerInnen vor Ort eine Kampagne gegen das Vorgehen des Pharma-Riesen gestartet.

Initiative kritisiert EPA-Strafe
Schon bevor BAYER 2001 das Werk im US-amerikanischen Institute erwarb, wo sich am 28. August 2008 ein schwerer Störfall ereignete (siehe auch UNFÄLLE & KATASTROPHEN), wurde die Produktionsstätte wegen ihrer Sicherheitsrisiken aktenkundig. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA stellte so schwerwiegende Mängel wie überhöhte Emissionen, fehlerhafte Emissionsberichte sowie Verstöße gegen Vorschriften im Umgang mit gefährlichen Stoffen fest und forderte den Leverkusener Multi als Rechtsnachfolger zu einer Strafzahlung in Höhe von einer Million Dollar auf. Mit diesem Geld soll der Konzern unter anderem in eine Technologie investieren, welche die massiven Einleitung von Chloroform in den Fluss Kanawha stoppt, und den Katastrophenschutz verbessern. Die ortsansässigen Initiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC (PCAM) kritisiert den Deal. „Wenn es der primäre Zweck dieser Strafe ist, abschreckend zu wirken, dann war sie wohl nicht hart genug, denn BAYER hat im Zuge der Explosionen im August 2008 einige der Gesetze wieder missachtet“, schrieb die Gruppe an die EPA. Aber die UmweltaktivistInnen halten nicht nur die Strafe von einer Million Dollar für zu gering, sie stoßen sich auch an den Auflagen zu ihrer Verwendung. Nach Ansicht von PCAM-Sprecherin Maya Nye hätte der Multi das Geld zur Finanzierung eines unabhängigen Monitoring-Systems, zur Ausarbeitung eines Katastrophenplans und zur Versorgung der AnwohnerInnen mit Gasmasken ausgeben müssen. Zudem tritt sie für Sanktionen ein, die mit Geld nicht zu bezahlen sind: „Wir hätten es gerne, wenn Verstöße gegen Vorschriften auch zu Fabrikschließungen führen würden, bis es Pläne gibt, wie die Sicherheit und die Gesundheit der Bewohner zu gewährleisten sind“.

Kritik an PONCHO-Wiederzulassung
Im letzten Frühjahr hatte BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) in Süddeutschland ein großes Bienensterben verursacht. Die Aufsichtsbehörden untersagten daraufhin Anwendungen auf Raps und Mais. Für Raps gab das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) allerdings schon im Sommer wieder grünes Licht - was intern auf große Kritik stieß. Wie die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nach einer Anfrage erfuhr, nahm das Umweltbundesamt (UBA) die Entscheidung des BVL nur „mit äußerstem Befremden“ zur Kenntnis, weil „keine belastbaren Daten“ vorgelegen hätten. „Wir widersprechen ihrer Auffassung nachdrücklich“, hielt das UBA deshalb fest.

ImkerInnen gegen Wirtschaftseinfluss
Der „Deutsche Imkerbund“ und der „Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund“ haben in einem Offenen Brief den großen Einfluss von BAYER & Co. bei der Erforschung des Bienensterbens und die daraus resultierende ungenügende Untersuchung von Pestiziden als Auslöser kritisiert. Eine „Verflechtung von Wirtschaftsinteressen, Forschung und Behörden“ machten die Verbände fest. Da das Geld für die Studien der Bienen-Institute „gerade im Bereich der Agroindustrie ausnahmslos von Firmen wie BAYER, BASF, SYNGENTA etc. zur Verfügung gestellt“ werde, seien die Ergebnisse nicht objektiv. Im „Deutschen Imkerbund“ hat der Vorstoß zu einer Kontroverse geführt. WissenschaftlerInnen gaben ihren Sitz im Beirat auf, und einige Landesverbände forderten die Abwahl von Präsident Peter Maske. Sogar der große Bruder der Imker-Vereinigung, der „Deutsche Bauernverband“, schaltete sich ein. „Diktion und Inhalt“ des Schreibens kamen diesem „unmöglich“ vor. Offensichtlich eingeschüchtert, zog der Vorstand den Brief zurück und entschuldigte sich bei den Instituten. Die BienenzüchterInnen bestätigten Maske allerdings im Amt. So bleibt Hoffnung auf einen industrie-kritischeren Kurs des ImkerInnenbundes.

Leserbrief zu Kohlekraftwerk
Ein in der Westdeutschen Zeitung veröffentlichter Leserbrief kritisiert die Position der Gewerkschaften zu dem in Krefeld auf dem BAYER-Gelände geplanten Kohlekraftwerk scharf. „Es ist geradezu peinlich, wie sich die Betriebsräte im Chempark von den Führungsspitzen bei BAYER instrumentalisieren lassen, indem 7.000 Arbeitsplätze in Gefahr geredet werden. Kein einziger Arbeitsplatz ist in Gefahr“, schreibt die Leserin. Sie erinnert aus gegebenem Anlass noch einmal an die Umweltsünden der Vergangenheit, die „Hunderte von Toten“ kosteten und verlangt vom Konzern, seine Zusicherungen hinsichtlich der Reduzierung des Schadstoff-Ausstoßes in eine verbindliche vertragliche Form zu gießen.

BUKO kritisiert Pillen-Werbung
Anfang 2008 kritisierte der von der BUKO PHARMA-KAMPAGNE herausgegebene Pharma-Brief die irreführende Werbung des Leverkusener Multis für seine Verhütungspillen. „Durch die Verhütung mit einer solche Pille werden Haut- und Haarprobleme deutlich verbessert bzw. verschwinden vollständig. Selbst junge Mädchen, die (noch) gar kein Verhütungsmittel benötigen, wenden allein aus diesem Grund gerne eine geeignete Pille an“, hieß es etwa auf der Webpage der BAYER-Tochter JENAPHARM für VALETTE, obwohl auf dem entsprechenden Beipackzettel just Akne als Nebenwirkung aufgeführt ist. Und PETIBELLE empfahl das Unternehmen als Mittel der Wahl gegen das „Prämenstruelle Syndrom“, das die Industrie nur zu gerne von einer Befindlichkeitsstörung zu einer Krankheit promovieren würde. Die Pharma-Kampagne wandte sich wg. dieser Werbeaussagen an das „Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz“ als zuständige Aufsichtsbehörde. Dieses strengte zwar ein Ordnungswidrigkeitsverfahren an, stellte es aber wieder ein. „Im Vergleich sind die Internetseiten der Konkurrenz-Produkte ähnlich aufgebaut“, befanden die VerbraucherschützerInnen. Zudem seien die Seiten inzwischen umgestaltet, behaupteten sie fälschlicherweise. Erst als sich die SWR-Sendung Odysso der Sache annahm, verschwand die VALETTE-Reklame schließlich aus dem Netz. Das Kontrazeptivum YASMIN preist der Leverkusener Multi sogar als Mittel gegen Gebärmutter- und Eierstockkrebs an, während er das erhöhte Risiko von YASMIN-NutzerInnen, an Brust oder Gebärmutterhals-Krebs zu erkranken, verschweigt. Die Bezirksregierung Köln interessierte sich nicht weiter dafür, sie ließ den Buko-Brief unbeantwortet. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA reagiert auf solche Marketing-Strategien BAYERs dagegen harscher (siehe RECHT & UNBILLIG).

TierversuchsgegnerInnen protestieren
Im Januar 2009 protestierten TierschützerInnen der Initiative SHAC vor den Toren einer britischen BAYER-Niederlassung, weil auch der Pharma-Riese zu den Kunden des Tierversuchsmultis HUNTINGDON LIFE SCIENCES zählt. In Instituten, die im Auftrag des Leverkusener Konzerns forschten, starben im Jahr 2008 1.241 Tiere. In den eigenen Labors des Unternehmens verendeten im gleichen Zeitraum 157.710 Kreaturen (2007: 157.987).

Bisphenol-Verbot in der EU gefordert
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) kann Diabetes oder Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern, die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und Chemotherapien erschweren. In Kanada haben die Behörden BPA in Trinkflaschen bereits verboten. Gleiches fordert jetzt eine ins Straßburger EU-Parlament eingebrachte Deklaration.

Paraguay: LandwirtInnen gegen Gensoja
Paraguayische LandwirtInnen besetzten Anfang Oktober 2008 eine mit Gen-Soja kultivierte Anbaufläche, die im Besitz zweier Großgrundbesitzer aus Brasilien ist, und pflanzten auf dem Acker stattdessen Sesam und Manioks an. „Uns blieb keine andere Wahl als die brasilianischen Haciendas zu besetzen, weil das Soja die Waldflächen frisst und für Pestizid-Vergiftungen sorgt“, sagte der FarmerInnen-Sprecher Elvio Benítez. Zudem forderte er den Staatspräsidenten Fernando Lugo auf, in dem Staat, dessen Farmland mehr noch als im übrigen Lateinamerika in den Händen einiger weniger Agrarfürsten ist, endlich mit der versprochenen Landreform zu beginnen.

Proteste gegen Patent-Regelungen
Die Initiative KEIN PATENT AUF LEBEN hat eine Kampagne gegen den Zugriff der großen Konzerne auf das Erbgut von Tieren und Pflanzen gestartet. Sie verfasste einen Protestbrief, der die Justizministerin Brigitte Zypries und die Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner zum Handeln auffordert, und rief Gentechnik-GegnerInnen dazu auf, ihn persönlich zu zeichnen und an die Politikerinnen zu senden. „Vom Saatgut bis zum Schnitzel, vom Mehl bis zur Milch - die Industrie holt zum Generalangriff auf die allen Menschen gemeinsamen Lebensgrundlagen aus. Sie missbraucht das Patentrecht zur Übernahme von Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft“, heißt es in dem Schreiben, das gleichwohl Möglichkeiten zu einer politischen Intervention sieht. „Noch können die Weichen gestellt werden“, stellt KEIN PATENT AUF LEBEN fest und mahnt eine Veränderung des bundesdeutschen und europäischen Patentrechts an, um BAYER & Co. in die Schranken zu weisen.

Offener Brief an Hochschule
BAYER hat der Universität von North Carolina einen „Sustainable Development“-Lehrstuhl spendiert. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte in einem Offenen Brief gegen das Ansinnen, Umweltschutz, so wie ihn BAYER sieht, mit universitären Weihen zu versehen. Die Resonanz in der US-amerikanischen Öffentlichkeit war groß. Die Bildungseinrichtung blieb allerdings bei ihrer Entscheidung. „BAYER CROPSCIENCE (...) war lange Jahre ein wertvoller Partner. Solche Partnerschaften bereichern unser College-Programm und erlauben uns, unseren Studierenden sowie den Bürgern von North Carolina und anderen besser zu dienen“, antwortete der Dekan Johnny C. Wynne der CBG. Wie sie das Programm bereichern, verraten schon die Wörter. So führt die Fakultät die Industrie-Bezeichnung „Life Science“ im Namen und lehrt „Integrierten Pflanzenschutz“, die Agromulti-Version von ökologisch korrektem Pestizid-Gebrauch.

LOBBYCONTROL will Register
Ca. 5.000 LobbyistInnen gehen in der Hauptstadt ihrer Arbeit nach. Der Leverkusener Multi hat in der Hauptstadt nicht nur ein eigenes „Verbindungsbüro“, er kann auch auf die Dienste des von ihm mitgegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ und des „Verbandes der Chemischen Industrie“ zählen. Damit zumindest für ein Mindestmaß an Transparenz gesorgt ist, fordert die Initiative LOBBYCONTROL, die auch den etwas anderen Reiseführer „LobbyPlanet Berlin“ herausgegeben hat, ein Register der AntichambriererInnen. Die Grünen, die Linkspartei und die SPD haben bereits ihre Zustimmung signalisiert.

Filmemacherin kritisiert EU-Behörde
Die französische Journalistin und Filmemacherin Marie-Monique Robin, deren Film „MONSANTO - mit Gift und Genen“ viel Aufsehen erregte, hat die für Genehmigungen von Genpflanzen zuständige „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) wegen ihrer Industrie-Abhängigkeit scharf kritisiert. „80 Prozent der Wissenschaftler dort arbeiten für MONSANTO und andere Saatguthersteller wie SYNGENTA oder BAYER CROPSCIENCE. Ich habe mit zwei französischen Abgeordneten gesprochen, die ihren Unmut auch in der Zeitung Le Monde veröffentlicht haben. Sie sagen, der politische Druck, die Zulassung der GVO (gentechnisch veränderte Organismen, Anm. SWB) umzusetzen, sei unerträglich. Da geht es nicht nur um normale Lobbyarbeit, sondern auch um Bestechung und all diese Dinge“.

KAPITAL & ARBEIT

Betriebsbedingte Kündigungen?
Der Kauf des Berliner Pharma-Unternehmens SCHERING bringt BAYER jährlich einen „Synergie-Effekt“ von 800 Millionen Euro. Kleiner Nebeneffekt: Die Vernichtung von 6.000 Stellen. Bis auf 50 Jobs hat der Leverkusener Multi diese Arbeit bereits verrichtet. Und für die noch übrig gebliebenen Posten auf der Streichliste schließt BAYER-Chef Werner Wenning betriebsbedingte Kündigungen nicht aus. „Betriebsbedingte Kündigungen wären lediglich die ultima ratio“, sagte er in einem Interview mit der Zeitung Potsdamer Neueste Nachrichten.

Kritik & Selbstkritik bei BAYER
Bei BAYER dürfen sich die Beschäftigten selbst Zeugnisse ausstellen, allerdings behält der/die Vorgesetzte das letzte Wort. Rund ein Drittel der Belegschaft unterwirft sich dem so genannten Performance-Management. Dabei müssen die Betriebsangehörigen jedes Jahr selbst beurteilen, ob sie es schafften, den Zielvorgaben gerecht zu werden. Dann treten die ChefInnen auf den Plan und gleichen die subjektiven Leistungseinschätzungen mit ihren Eindrücken ab. „Offenes Feedback ist uns wichtig“, heißt es zu dieser Praxis aus dem Konzern.

ManagerInnen-Gehälter kaum begrenzt
Damit die Milliarden-Hilfen für die Wirtschaft nicht allzu viel böses Blut bei den SteuerzahlerInnen hervorrufen, hat die Bundesregierung ein bisschen an den Millionen-Gehältern der ManagerInnen herumgedoktort. Ab sofort müssen sie in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung des Vorstands stehen, und über die Festsetzung der Bezüge entscheidet nunmehr der ganze Aufsichtsrat. Aktien-Optionen dürfen Wenning & Co. fortan erst nach vier Jahren einlösen, was zu einem langfristigeren Denken anhalten soll. Auch sind sie dazu angehalten, ihre komplexen Entlohnungsstrukturen der Öffentlichkeit gegenüber transparenter darzustellen. „Wenn man sieht, wie ungeniert sich mancher Vorstand selbst in der Krise noch bedient, dürfen sich die Manager über die harmlosen Beschlüsse des Kabinetts sogar freuen“, kommentierte die Faz.

ERSTE & DRITTE WELT

Forschungsanreize für Tropenkrankheiten
BAYER entwickelt nur Arzneien, die Profit versprechen. Eine Krankheit mag noch so verbreitet sein, wenn die PatientInnen sich keine Behandlung leisten können, interessieren die Pharma-Riesen sich für die Erforschung der Gesundheitsstörung nicht weiter. Darum hat BAYER schon vor Jahrzehnten seine Abteilung für Tropenmedizin aufgelöst. Es müssen schon private und/oder öffentliche Gelder fließen, um den Leverkusener Multi zu neuen Anstrengungen auf diesem Gebiet zu verlocken, wie im Falle der Tuberkulose- und Malaria-Projekte (Ticker berichtete mehrfach) geschehen. Aus diesem Grunde war die ehemalige BAYER-Angestellte Cornelia Yzer, die heute dem vom Leverkusener Multi gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ vorsitzt, äußerst angetan von der US-amerikanischen Praxis, die Pillen-Hersteller mit der Aussicht auf schnellere Medikamenten-Zulassungen zum Einstieg in unlukrative Geschäftsfelder zu bewegen. Als „ökonomisch von großem Wert“ bezeichnete Yzer bei einem Fachgespräch im Bundestag die neue US-Regelung und forderte sogleich eine europa-weite Einführung. Ihre Werthaltigkeit steht allerdings im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Qualität. Entgegen ursprünglicher Planungen müssen BAYER & Co. nicht einmal auf den Patentschutz für ihre tropenmedizinischen Neu-Entwicklungen verzichten, damit sie die beschleunigten Verfahren für ihre potenziellen Blockbuster in Anspruch nehmen können. Und besser als die bisherigen Arzneien brauchen die Novitäten auch nicht mehr zu sein.

IG Farbeen

Wollheim-Denkmal errichtet
1951 verklagte der ehemalige IG-FARBEN-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim die Nachfolge-Gesellschaft auf Schmerzensgeld. Nach langwierigen Verhandlungen erhielt Wollheim nicht nur in eigener Sache Recht: Die IG FARBEN IN ABWICKLUNG mussten in einem Vergleich 15 Millionen Euro an die Opfer zahlen. Ohne diesen Musterprozess hätte es wahrscheinlich nie Entschädigungen für die SklavenarbeiterInnen der deutschen Industrie gegeben. Deshalb ehrte die Stadt Frankfurt Wollheim im vergangenen Jahr mit einem Memorial (siehe SWB 1/09).

Bundessstiftung verspekuliert sich
Über acht Millionen ZwangsarbeiterInnen gab es während des Dritten Reiches Sklavendienste. Zehntausende von ihnen leisteten Fronarbeit bei den von BAYER mitgegründeten IG FARBEN. Allein in Auschwitz, wo die IG sogar ein firmen-eigenes KZ unterhielt, starben zwischen 23.000 und 25.000 von ihnen. In den 90er Jahren forderten die Überlebenden Entschädigungszahlungen von BAYER & Co. und drohten mit Sammelklagen. Die rot-grüne Bundesregierung sprang den Unternehmen zur Seite, um Imageschäden abzuwenden und langwierige Prozesse zu verhindern. Sie regte die Gründung der Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ an, dessen Kapital die Unternehmen noch nicht einmal allein aufzubringen brauchten: die Hälfte kam aus Steuermitteln. Erst nach einem endlosen Gefeilsche mit den Opfer-VertreterInnen um die Entschädigungssummen konnte die Bundesstiftung mit den ersten Zahlungen - symbolische Summen von höchstens 7.500 Euro pro Person - beginnen. Im Juni 2007 schloss sie ihre Arbeit ab. Die Stiftung bleibt jedoch weiter tätig und fördert Geschichtsprojekte, Begegnungsprogramme und Forschungsprojekte. Dies kann die Organisation dieses Jahr allerdings nur in geringerem Umfang tun. Sie legte ihr Vermögen nämlich zu risikoreich an und musste im Zuge der Finanzkrise hohe Summen abschreiben. Deshalb schrumpfte der Jahresetat der Stiftung von neun Millionen Euro auf 7,3 Millionen.

POLITIK & EINFLUSS

BAYERs Außenminister tritt ab
Im Februar 2009 ging der BAYER-Manager Dr. Franz-Josef Berners in den unverdienten Ruhestand. Seinen Ruf als „Außenminister BAYERs“ erwarb sich der langjährige Leiter des Unternehmensbereichs „Regionale Koordinierung“ durch seine Kontrolltätigkeiten bei den vielen ausländischen Tochtergesellschaften des Chemie-Multis. Aber auch Innenpolitik konnte der Betriebswirt. So saß er von 1975 bis 1990 für die CDU im Leverkusener Stadtrat, nahm dort zehn Jahre den Fraktionsvorsitz wahr und „übertrug einiges vom BAYER-Arbeitsstil auf die ehrenamtliche Ratsarbeit“, wie die Rheinische Post befand. Zudem gehörte Franz-Josef Berners dem Bezirksplanungsrat und zwei Jahre lang sogar dem Bundestag an, in den er vermutlich nicht nur den Arbeitsstil, sondern auch die politische Sichtweise des Konzerns einbrachte. Zur Belohnung darf er jetzt noch ein paar einträgliche BAYER-Aufsichtsratspöstchen fern der Heimat behalten. Damit nicht genug, drohte Berners zudem Aktivitäten als Berater an.

Kurth comes home
Dr. Reinhard Kurth war immer ein Mann der Pharma-Industrie. Deshalb bugsierten BAYER & Co. den Leiter des „Robert-Koch-Institutes“ im Jahr 2005 auch auf den Chef-Sessel des „Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM). Zum Dank dafür setzte Kurth sich dann für Industrie-VertreterInnen im BfArM-Vorstand und beschleunigte Pillen-Zulassungsverfahren ein. Zudem wollte er die Institution rechtlich unabhängig machen und so in eine „international konkurrenzfähige Zulassungsagentur“ verwandeln. Das ging selbst der CDU zu weit, weshalb der Mediziner 2007 wieder gehen musste. Aber der Leverkusener Multi wusste, was er Reinhard Kurth schuldig war. Der Konzern erkor ihn zum Vorsitzenden der SCHERING-Stiftung, die sich der Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses verschrieben hat.

CO2: BAYER fährt nach Brüssel
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einem bestimmten Volumen zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen, weil sie dafür Verschmutzungsrechte kaufen müssten. Dazu ist es jedoch dank umfangreicher Lobby-Aktivitäten immer noch nicht gekommen. Für die neueste Variante ihrer Obstruktionspolitik instrumentalisierten die Multis die Wirtschaftskrise und malten einmal mehr das Schreckgespenst von Arbeitsplatz-Vernichtungen an die Wand. Angela Merkel verfiel sogleich in Schockstarre und handelte beim Brüsseler EU-Gipfel kostenlose Verschmutzungsrechte für die bundesdeutschen Chemie- und Stahlunternehmen, die besonders viel CO2 emittieren (BAYER insgesamt ca. 7,5 Millionen Tonnen), aus. Der Leverkusener Multi hat dazu mit einer konzertierten Aktion wichtige Vorarbeit geleistet. Der Werksleiter des Brunsbütteler Werkes, Roland Stegmüller, reiste gemeinsam mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dem IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE-Vorsitzenden und BAYER-Aufsichtsrat Hubertus Schmoldt nach Brüssel, um auf höchster Ebene Lobby-Arbeit zu betreiben. Wulff betätigte sich dabei am ehrgeizigsten als Bauchredner BAYERs. „Wir wollen mehr Klimaschutz, das ist eine Sache des Überlebens. Aber die energie-intensive Branche muss eine freie Zuteilung der Emissionsrechte bekommen, sonst wandern die Betriebe ab in Länder, in denen es überhaupt keinen Handel mit Emissionsrechten gibt“, warnte der CDU-Politiker.

Merkel bei BAYER
Der Leverkusener Multi war auf dem letzten Bundesparteitag der CDU in Stuttgart mit einem Stand vertreten. An diesem erhielt der Konzern Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Bei den Gesprächen mit der Kanzlerin rückten vor allem die Themen Bildung und Ausbildung in den Mittelpunkt“, vermeldet BAYERs Propaganda-Postille direkt. Der Konzern nutzte die Gelegenheit aber auch, um die Politikerin wegen der aus Brüssel drohenden Verschärfungen der Klimaschutz-Auflagen ins Benimm zu nehmen (s. o.). Darüber hinaus schauten noch zahlreiche andere CDUlerInnen bei BAYER vorbei. Besonderes Interesse zeigte mit Hermann Gröhe, Willi Zylajew und Ruprecht Polenz die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen.

EU initiiert Gentech-Geheimkommission
Nach Recherchen des Journalisten Geoffrey Lean von der britischen Tageszeitung Independant hat die EU eine unter Ausschluss der Öffentlichkeit operierende Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um die Einführung genmanipulierter Nahrungsmittel zu beschleunigen. Zu diesem Zweck plant der Stab, zu deren Treffen die Regierungen der Mitgliedsländer hochrangige MitarbeiterInnen entsandten, unter anderem eine Beschleunigung der Zulassungsverfahren und eine Werbekampagne zur Verbesserung des Images der Risikotechnologie. Dabei soll das immer wieder gerne auch von BAYER gebrauchte Argument zur Anwendung kommen, die Gentechnik wäre nötig, um „das Problem des Welthungers“ zu lösen.

Wowereit bei BAYER
Der Aufkauf SCHERINGS durch den Leverkusener Multi hat bisher fast 6.000 Arbeitsplätze gekostet, nicht einmal betriebsbedingte Kündigungen will BAYER-Chef Werner Wenning bei der Realisierung der „Synergieeffekte“ mehr ausschließen (siehe KAPITAL & ARBEIT). Den Segen von Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit hat der Konzern dazu. „Ich freue mich, dass die Integration so weit fortgeschritten ist. Diese Investition hat sich für alle Beteiligten gelohnt“, sagte der SPD-Politiker bei einem Werksbesuch in Berlin.

SPD nominiert Chemie-Gewerkschaftler
„Ich kann es nur begrüßen, wenn ein Kandidat antritt, der aus der chemischen Industrie kommt. Es wird Zeit, dass endlich jemand die Industriefeindlichkeit, die leider vielfach zu spüren ist, aufbricht“, mit diesen Worten kommentierte der Betriebsratschef des Dormagener BAYER-Werkes, Karl Josef Ellrich, die Bundestagskandidatur seines Gewerkschaftskollegen Hubert Esser für die SPD. Dabei hatte Ellrich besonders den Widerstand gegen BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline im Blick. Ob Esser aber mit seiner zustimmenden Haltung zur CO-Leitung im Wahlkreis Neuss, zu dem auch Dormagen und Grevenbroich gehören, genug Stimmen einsammeln kann, bleibt abzuwarten.

Wenning will mehr Patentschutz
Im Dezember 2008 lud der Leverkusener Multi zu einer „BAYER-Innovationsperspektive“. Der Konzern inszenierte sich vor 130 JournalistInnen als rastlos dem Neuen verpflichteter Multi mit großem Forschungsetat und leitete daraus sogleich Ansprüche ab. „Geistiges Eigentum ist als Grundlage für Innovationen unentbehrlich. Für ein Erfinder-Unternehmen wie BAYER ist ein weltweiter zuverlässiger Schutz des geistigen Eigentums essenziell“, so der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning. Zu welchen Verwerfungen diese Haltung führt, zeigt ein von dem Pharma-Riesen angestrengter Patentverletzungsprozess in Indien, der die Versorgung der armen Länder mit billigen Medikamenten gefährden könnte (siehe AKTION & KRITIK).

EU lockert Werbeverbot
Das Pillengeschäft könnte noch mehr Profite abwerfen, wenn die Hersteller für verschreibungspflichtige Medikamente werben dürften. Deshalb versuchen BAYER & Co. seit geraumer Zeit, das EU-Reklameverbot zu Fall zu bringen. „Wir wollen doch nur informieren“, behaupten die Konzerne dreist und haben den Industrie-Kommissar der EU, Günter Verheugen, dafür als Bündnispartner gewonnen. Sein Gesetzesvorschlag, dem das Parlament in Straßburg noch zustimmen muss, erlaubt BAYER & Co. künftig die Ausweitung der Marketingzone. Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und der Bremer Professor Dr. Gerd Glaeske verurteilen diese Pharmaindustrie-Politik scharf. „Dabei ist seit langem bekannt, dass Institutionen mit einem starken ökonomischen Interesse kaum in der Lage sind, objektiv und ohne ‚Verzerrungen‘ über ihre Produkte zu informieren“, empört sich Glaeske.

BAYER sponsort NRW-Regierung
Die nordrhein-westfälische Landesregierung lässt sich von zahlreichen Unternehmen finanziell unterstützen, unter anderem auch vom Leverkusener Chemie-Multi. So stiftete BAYER dem Familienministerium 6.000 Euro, die der Landeszentrale für politische Bildung als Preisgeld zugute kamen. Zudem sponsorte der Konzern das von der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund ausgerichtete „Fest des Westens“ mit einem Betrag in Höhe von 10.000 Euro.

REACH-Artikel gestrichen
Das REACH genannte Chemikaliengesetz der EU regelt den Umgang mit gefährlichen Stoffen und schreibt BAYER & Co. vor, ihre Stoffe auf gesundheitsgefährdende Wirkungen hin zu untersuchen. Im Rahmen der Umsetzung hat die Bundesregierung jetzt die Bestimmungen für Sicherheitsdatenblätter geändert. Mussten diese früher auch diejenigen Risiken auflisten, die sich bei einer nicht sachgemäßen Anwendungspraxis ergeben, so fällt diese Auflage nun weg. Die Partei DIE LINKE betrachtet das als eine Aufweichung des gesundheitlichen VerbraucherInnenschutzes und verlangte in einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung eine Erklärung. Das Umweltministerium antwortete, das Sicherheitsdatenblatt diene primär der Information beruflicher Verwender und sei nicht unmittelbar für die Risiko-Kommunikation gegenüber dem privaten Endverbraucher vorgesehen. Auf die Frage, ob die nicht bestimmungsgemäße Anwendung giftiger Substanzen nun Folgen haben könnten, welche die Sicherheitsdatenblätter nicht nennen, hieß es: „Die nicht bestimmungsgemäße Verwendung (...) kann - wie auch schon in der Vergangenheit - negative Folgen haben. Eine nicht bestimmungsgemäße Verwendung lässt sich aber auch nicht durch ein noch so aufwändig gestaltetes Sicherheitsdatenblatt ausschließen“.

Umweltgesetz endgültig gescheitert
Im Koalitionsvertrag hatten CDU und SPD vereinbart, die verschiedenen Umweltgesetze in einem Paragraphen-Werk zu bündeln. Die Arbeit kam aber nur mühsam voran, weil BAYER & Co. immer wieder Nachbesserungen anmahnten. „Da sind einige Gemeinheiten drin, die wir als Verschärfung betrachten“ kritisierte etwa der „Deutsche Industrie- und Handelstag“. Anderen WirtschaftsvertreterInnen hingegen ging der Bürokratieabbau bei den Genehmigungsverfahren nicht weit genug, und im Wasserrecht machten die Lobby-Verbände sogar einen Bürokratieaufbau aus, der ihre Anlagen-Planungen durchkreuzen könnte. Als die Kabinettsvorlage im Dezember endlich stand, trat die CSU auf den Plan. Die Partei sah durch neue Interventionsmöglichkeiten des Bundes in Sachen „Umweltschutz“ die Eigentumsrechte der LandwirtInnen verletzt und brachte das Projekt kurzerhand zu Fall. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel will nun zumindest einzelne Seiten des Umweltgesetzbuches in Paragraphenform überführen, da neue EU-Richtlinien etwa zum Gewässerschutz die Bundesregierung zum Handeln zwingen.

BAYER kritisiert Umweltbundesamt
Regelmäßig finden sich in Trauben und anderen Früchten Spuren der Ackergifte von BAYER & Co (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Darüber konnte auch das Umweltbundesamt (UBA) nicht hinwegsehen. In einer Veröffentlichung zur EU-Chemikalienverordnung REACH, welche den Konzernen die Untersuchung ihrer Substanzen auf eine gesundheitsschädliche Wirkung hin vorschreibt, konstatierte das UBA, dass Obst und Gemüse „mit Rückständen von Pestiziden verseucht“ seien. Da bekam BAYER die Seuche. Der Leverkusener Multi protestierte umgehend in einer Stellungnahme: „Diese Behauptung ist in dieser Einseitigkeit falsch und gibt ein völlig falsches Bild der Wirklichkeit“. Es mag dem Unternehmen zufolge zwar gelegentlich eine Verletzung der Grenzwerte vorkommen, aber das „heißt nicht, dass deren Überschreiten ein Risiko für den Verbraucher darstellt“. Diese Richtgröße ist für den unter Realitätsverlust leidenden Agro-Multi nämlich nur ein ungefährer Maßstab für die gute landwirtschaftliche Praxis und noch lange kein Alarmsignal.

PROPAGANDA & MEDIEN

10 Jahre BAYER-Schullabore
Zum unfeierlichen Anlass des 10-jährigen Bestehens der BAYER-Schullabore lud der Leverkusener Multi zu einer Geburtstagsparty ein. Der Unterricht fiel allerdings nicht aus. Der Multi kannte kein Pardon bei dem Bemühen, den SchülerInnen Chemie nach dem Konzern-Lehrplan beizubringen und ließ sie DNA aus einer Zwiebel isolieren, über den Farbwechsel von Rotkohl staunen und per genetischem Fingerabdruck nach bösen Buben fahnden. Mehr als 20.000 Kindern hat der Pharma-Riese so schon auf mehr oder weniger spielerische Weise in seine Welt eingeführt.

„Baylab“ eingeweiht
BAYER CROPSCIENCE hat im November 2008 ein eigenes Schülerlabor in Betrieb genommen. „Wir müssen die Jugendlichen heute schon früh für Naturwissenschaften begeistern, wenn wir nicht schon morgen mit leeren Händen dastehen wollen“, so CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer bei der Eröffnung des „Baylabs“. Exkurse über Risiken und Nebenwirkungen von Chemie & Co. würden bei dieser Maßnahme zur Sicherung zukünftiger Profite freilich nur stören. So lernen die PennälerInnen zwar, Biodiesel aus Raps zu gewinnen, welche Folgen der Agrosprit-Boom aber für die Preise der wichtigsten Grundnahrungsmittel hat, steht nicht auf dem Stundenplan.

„Schule und Wirtschaft“ bei BAYER
In Bergkamen hält die Industrie- und Handelskammer regelmäßig Wirtschaftsgespräche ab. Am 26. November 2008 lautete das Thema „Schule und Wirtschaft“. „Dazu hat die Industrie- und Handelskammer sich mit dem BAYER-SCHERING-Werk auch den richtigen Tagungsort ausgesucht“, befand die Westfälische Rundschau und zählte die Bemühungen des Konzerns auf, den SchülerInnen Pädagogik made by BAYER angedeihen zu lassen.

BAYERs Schulspenden
Die Hanauer Otto-Hahn-Schule hat ihren Schwerpunkt auf die Naturwissenschaften gelegt. Und „stets steht dabei der Praxis-Bezug im Fokus“, weiß der Hanauer Anzeiger. Das ist natürlich ganz nach dem Geschmack des Leverkusener Chemie-Multis, weshalb seine Bildungsstiftung der Einrichtung eine Spende in Höhe von 7.500 Euro zukommen ließ. Daneben förderte diese unter anderem noch Schulen in Berlin, Leverkusen, Dormagen, Roselin, Wuppertal, Wülfrath und Essen.

Jugend forscht mit „HannoverGen“
Die Organisation „HannoverGen“, unter anderem alimentiert vom „Fonds der Chemischen Industrie“, hat an den Schulen der niedersächsischen Landeshauptstadt Genlabore eingerichtet, um den SchülerInnen die umstrittene Risikotechnologie näher bringen zu können.

Preis für Klima-Kommunikation
Der Leverkusener Multi arbeitet seit einiger Zeit an seinem Image als Klimaschoner. Für diese PR-Anstrengungen erhielt er jetzt eine Auszeichnung: den vom Handelsblatt und ECON-Verlag verliehenen „ECON Award Unternehmenskommunikation“. Nach Meinung der JurorInnen war BAYERs „strategische Ausrichtung auf das Thema Klimawandel“ Gold wert. In der Realwirtschaft ist diese Ausrichtung allerdings noch nicht angekommen - und wird sie wohl auch nie. Da bläst der Konzern nämlich weiterhin munter 7,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft und opponiert gegen strengere Klimaschutz-Auflagen der EU (siehe POLITIK & EINFLUSS).

BAYER-PR im Darmstädter Echo
„Männer, geht zum Arzt!“ - unter dieser Überschrift erlaubte das Darmstädter Echo Dr. Herbert Schäfer von BAYER VITAL, großflächig für das Konzern-Geschäftsfeld „Männergesundheit“ Reklame zu machen. Er wählte dazu den Umweg „Frau“ und präsentierte Umfragen, wonach 27 Prozent der Befragten ihren Partner für wenig gesundheitsbewusst halten, 39 Prozent Übergewicht und 22 Prozent Erschöpfungszustände diagnostizieren und 48 Prozent auf Männermedizin spezialisierte Ärzte für eine gute Sache halten. Auf dem Rezeptblock landen bei diesen vornehmlich die BAYER-Potenzpille LEVITRA und die Testosteron-Präparate des Konzerns, für die der Leverkusener Multi extra die Krankheit „männlicher Testosteronmangel“ erfunden hat. Und damit das alles auch wirklich verfängt, hat Schäfer in dem Propaganda-Artikel „sexuelle Probleme als Schlüssel zur Männergesundheit“ ausgemacht und zum Indikator für Diabetes oder Herz/Kreislauferkrankungen erklärt. Da sollte dann wirklich niemand mehr den Gang zum Männermediziner scheuen, so das Kalkül.

ÄrztInnen-Fortbildung in China
Der Leverkusener Multi kooperiert mit dem chinesischen Gesundheitsministerium, um MedizinerInnen in der Provinz Yunnan fortzubilden. Der Konzern und die Regierung wollen die technischen Fähigkeiten von bis zu 10.000 ÄrztInnen erweitern und die medizinische Versorgung in West- und Mittelchina verbessern. Wobei der Pharma-Riese dabei natürlich hauptsächlich die Verbesserung der Versorgung mit BAYER-Medikamenten im Sinn hat.

TIERE & ARZNEIEN

BAYER schult Zoo-FachhändlerInnen
BAYER bietet für Zoo-FachhändlerInnen kostenlose Fern-Lehrgänge an. Doch die Investition lohnt sich. Auf dem Stundenplan steht nämlich nicht nur Tierheilkunde, die TeilnehmerInnen lernen auch gleich noch dazu, wie sie unter besonderer Berücksichtigung der Veterinärmedizin aus dem Hause BAYER die entsprechenden Verkaufsgespräche zu führen haben und wie sie die Ware durch gute Platzierung im Geschäft und Sonderaktionen besser losschlagen können.

DRUGS & PILLS

BAYER muss vor AVALOX warnen
Die Aufsichtsbehörden haben den Leverkusener Multi aufgefordert, die Liste der Risiken und Nebenwirkungen seines Antibiotikumswirkstoffs Moxifloxacin (enthalten in AVALOX, ACTIMAX und ACTIRA) um Herzrhythmusstörungen bei Frauen und älteren PatientInnen, Muskelerkrankungen und Bewusstseinstrübungen zu erweitern. Deshalb dürfen MedizinerInnen das Mittel bei Sinusitis, bakteriell verursachter Bronchitis und Lungenentzündung künftig nur noch verschreiben, wenn andere Antibiotika keinen Heilungserfolg erzielen.

EU: Zulassung für XARELTO
Die EU-Kommission hat dem BAYER-Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) die Zulassung erteilt. MedizinerInnen dürfen das gerinnungshemmende Präparat künftig bei schweren orthopädischen Operationen einsetzen, um Thrombosen vorzubeugen. Der einzige therapeutische Vorteil von XARELTO gegenüber herkömmlichen Arzneien: Die ÄrztInnen können das Mittel oral verabreichen und müssen es nicht spritzen. Nichtsdestotrotz will der Leverkusener Multi das Anwendungsspektrum verbreitern und das Pharmazeutikum auch zur Behandlung venöser Thrombosen und zur Schlaganfall-Prophylaxe bei PatientInnen mit Vorhofflimmern zum Einsatz bringen.

USA: Keine Zulassung für XARELTO
Während die EU BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zur Verwendung bei schweren orthopädischen OPs zugelassen hat (s. o.), erteilt die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA vorerst keine Genehmigung. Sie mochte die Orthopädie-PatientInnen keinem erhöhten Risiko von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden aussetzen und forderte den Leverkusener Multi auf, zusätzliche Daten über die Langzeit-Wirkungen seines „Highlights“ einzureichen.

EU-Zulassung für YAZ
Im Herbst hat BAYER die europa-weite Zulassung für das woanders schon länger erhältliche Verhütungsmittel YAZ bekommen. Neu ist an der Pille jedoch kaum etwas: Mit Estradiol und Dienogest enthält sie genau dieselben Wirkstoffe wie YASMIN. Lediglich die Dosierung ist eine andere, weshalb die Unterbrechungsphase nicht mehr wie üblich sieben, sondern nur noch vier Tage dauert. Wie üblich vermarktet der Leverkusener Multi auch dieses Kontrazeptivum als Lifestyle-Präparat gegen Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen und Akne. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ließ das dem Pharma-Riesen nicht durchgehen und verbot einen entsprechenden Werbespot wegen der Erweckung falscher Heilserwartungen und der Verharmlosung der Nebenwirkungen. „Das ist besonders besorgniserregend, weil einige dieser Risiken erheblich, sogar lebensbedrohlich sind“, urteilte die FDA (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

US-Zulassung für PRIMOVIST
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat dem BAYER-Kontrastmittel PRIMOVIST (US-Name EOVIST), das bei Computer-Tomographien von der Leber zum Einsatz kommt, die Zulassung erteilt.

LEVITRA nach Prostata-OPs?
Neues aus der Reihe „Medikamente suchen eine Krankheit“: Der Leverkusener Multi hofft auf einen Einsatz seiner Potenzpille LEVITRA (Wirkstoff: Vardenafil) nach Prostatakrebs-Operationen, die oft die Sexualfunktionen beeinträchtigen. Zu diesem Zweck hat der Konzern eine Untersuchung in Auftrag gegeben und auch das gewünschte Resultat erhalten. „Die Ergebnisse zeigen, dass Vardenafil - bei Bedarf eingenommen - die Erektile Dysfunktion kurz nach einer Prostatektomie (Entfernung der Prostata, Anm. Ticker) sofort behandelt“, so der Studienleiter Francesco Montorsi.

Die Pille gegen Myome?
Noch mehr Neues aus der Reihe „Medikamente suchen eine Krankheit“: BAYER will das Hormon Dienogest, einer der beiden Wirkstoffe der Verhütungsmittel YAZ und YASMIN, zur Behandlung der Endometriose einsetzen. Klinische Tests zur Therapie dieser Schleimhautwucherung im Blasen-, Darm- oder Eierstockbereich haben nach Angaben des Konzerns bereits positive Ergebnisse erbracht. Auch für das Hormon Anti-Gestagen erkundet der Leverkusener Multi zusätzliche Anwendungsgebiete. Er testet zurzeit seinen Einsatz bei gutartigen Gebärmutter-Tumoren, so genannten Myomen.

Zusammenarbeit mit MUNDIPHARMA
BAYER kooperiert mit dem Limburger Arznei-Unternehmen MUNDIPHARMA bei der Vermarktung von dessen Blutkrebs-Präparat BENDAMUSTIN.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Neues EU-Pestizidgesetz
Die EU mistet den Giftschrank von BAYER & Co. aus. Nach der neuen Pestizid-Verordnung aus Brüssel müssen - höchstwahrscheinlich - Glufosinat und andere Agrochemie-Wirkstoffe des Leverkusener Multis vom Markt verschwinden, weil sie die menschliche Gesundheit schädigen. Allerdings haben die Lobby-Verbände der Industrie ihre „Mithilfe“ bei der Umsetzung der Richtlinie angeboten, was noch zu Aufweichungen führen könnte (siehe auch SWB 1/09).

Lungenkrebs durch Chlorpyrifos
Das Pestizid Chlorpyrifos, enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER, erhöht das Lungenkrebs-Risiko um das 2,18fache. Dieses Ergebnisse erbrachte eine von Michael C. R. Alavanja geleitete Untersuchung des US-amerikanischen „National Cancer Institutes“. Das Versprühen des Mittels setzt die Atmungsorgane anscheinend einem besonderen Risiko aus. Ein Zusammenhang zwischen der Chlorpyrifos-Anwendung und anderen Krebsarten ergab sich nach der Studie, die auf das Datenmaterial von ca. 55.000 Agrochemie-AnwenderInnen zurückgreifen konnte, nämlich nicht.

Fischsterben durch Endosulfan
An der „Sonnenschein-Küste“ des australischen Bundesstaates Queenlands sterben die Fische in Massen (siehe SWB 1/09). Besonders im Noosa-Fluss gehen die Bestände zurück. Zudem bieten die verbleibenden Tiere oft einen gruseligen Anblick: Sie haben zwei Köpfe oder andere Deformationen. In dringendem Tatverdacht stehen Pestizid-Wirkstoffe wie Endosulfan, das unter anderem in den BAYER-Mitteln MALIX, PHASER und THIODAN enthalten ist, da sie auf den Nussfeldern Queenlands‘ in großen Mengen zum Einsatz kommen.

Peru: Unwissen über Pestizide
Die Vermarktung von Pestiziden in armen Ländern mit einer hohen Quote von AnalphabetInnen führt alljährlich zu Hunderttausenden von Vergiftungen. Trotzdem halten die Hersteller an dieser Praxis fest und verweisen auf ihre Schulungsprogramme zum Umgang mit den Agrochemikalien. Ein solches hatten BAYER & Co. auch 2006 in Peru gestartet. Zwei Jahre später überprüfte „CropLife“, der Weltverband der Pestizid-Produzenten, die Ergebnisse. Sie fielen ernüchternd aus. Von den befragten 160 LandwirtInnen konnten nur 16 Prozent die Angaben auf den Etiketten lesen, lediglich 14 Prozent hatten Kenntnisse über die sachgerechte Reinigung der Agrochemie-Behälter, und bloß 35 Prozent wussten, wie die Produkte zu lagern sind.

180 Lebensmittel-Kontaminationen
Die Aufsichtsbehörden der EU-Länder sind verpflichtet, Brüssel über gefährliche Verunreinigungen von Lebens- und Futtermitteln in Kenntnis zu setzen. Einen nicht geringen Anteil an diesen Kontaminationen haben Pestizide. 180 Meldungen über Agrochemie in der Nahrung erhielt die EU-Kommission im Jahr 2007 - mehr als doppelt so viele wie 2006, was nicht allein auf schärfere Grenzwerte für 20 Ackergifte zurückzuführen ist.

Verbotene Gifte in Obst und Gemüse
Nicht genug damit, dass Pestizide Obst und Gemüse belasten. Neun Prozent der in den Lebensmitteln nachgewiesenen Agrochemikalien sind hierzulande wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit sogar verboten. Das ergab eine Auswertung von Daten des „Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“, die GREENPEACE vorgenommen hat. Die Behörde behinderte die Umweltschutzorganisation dabei nach Kräften und gab nur 70 Prozent ihrer Untersuchungsergebnisse frei. Insgesamt 59 Ackergifte, deren Gebrauch in der Bundesrepublik untersagt ist, spürte GREENPEACE auf. Auch von BAYER verwandte Wirkstoffe waren mit von der Partie wie etwa Parathion-Methyl (ME 605 Spritzpulver), Procymidon (SUMISCLEX WG), Propoxur (BAYGON) und Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN).

Procymidon in Weintrauben
Im November 2008 feierte GREENPEACE ein trauriges Jubiläum: Bereits zum zehnten Mal stieß die Umweltschutz-Organisation bei einem Unternehmen der METRO auf Weintrauben mit erhöhten Pestizid-Rückständen. Die Tafeltrauben hatten mehr als das Doppelte der „Akuten Referenzdosis“ (ARfD) des Agrogiftes Procymidon (unter anderem Wirkstoff des BAYER-Fungizides SUMISCLEX WG) intus. Erschwerend kam dabei noch hinzu, dass das die ARfD und damit die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung überschreitende Procymidon gar nicht für den Traubenanbau zugelassen ist. Diesen Tatbestand weist der REAL-Supermarkt allerdings zurück. „In der EU-Verordnung über Höchstwerte für Pestizid-Rückstände wurde für Tafeltrauben ein zulässiger Höchstgehalt (MRL) von 5 mg/kg festgelegt. Die Verwendung von Procymidon auf Tafeltrauben ist somit zulässig“, erklärte der Konzern. Er tat das wider besseren Wissens, denn das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ stellt unmissverständlich fest, Procymidon „ist auf Anwendungen als Fungizid in Gurken in Gewächshäusern (...) und Pflaumen (...) beschränkt“. Zudem erkennt REAL die ARfD nicht als Maßstab für gesundheitlich unbedenkliches Obst und Gemüse an, das Unternehmen richtet sich nur nach den von der EU festgelegten Grenzwerten, die in manchen Fällen von der ARfD abweichen können.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER beendet Kooperation mit PLANT
„Das Abkommen gibt BAYER CROPSCIENCE die Möglichkeit, neue Lösungen im Bereich der Saatgutbehandlung zu entwickeln und zu vermarkten“ verkündete BAYER im Januar 2007 anlässlich der vereinbarten Forschungskooperation mit PLANT HEALTH CARE. Knapp zwei Jahre später beendete der Agro-Riese die Zusammenarbeit wieder, weil die in den Labors des US-amerikanischen Unternehmens entstandene Myconate-Technologie unter ihren Möglichkeiten blieb und nicht zu neuen Lösungen im Bereich „Saatgutbehandlungsmittel für Mais-, Soja-, Baumwolle- und Sonnenblumenkulturen“ führte.

GENE & KLONE

USA: LL-Soja kommt
BAYER bringt in den USA 2009 sein gegen das Herbizid LIBERTY resistentes Soja-Saatgut auf den Markt - und hat für die daraus sprießenden Früchte auch schon eine Importgenehmigung von der EU erhalten (Ticker 3/08). Der Leverkusener Multi rechnet mit hohen Umsätzen, da MONSANTOs ROUND-UP-READY-Soja mittlerweile vielen Unkräutern nichts mehr anhaben kann. Mensch und Umwelt dürfen hingegen mit großen Verlusten rechnen, denn der LIBERTY-Wirkstoff Glufosinat sorgte vor drei Jahren für den Genreis-Skandal. Mit LIBERTY bestückte Mais- und Rapssorten kreuzten sich zudem in andere Nutzpflanzen ein. Darüber hinaus liegen die Ernte-Erträge von genmanipuliertem Soja unter denen der konventionell angebauten Arten (Ticker 3/08).

EU: T45-Raps kommt
Die EU-Kommission hat ein Machtwort gesprochen und den Import von BAYERs Genraps T45 genehmigt, nachdem die zuständigen MinisterInnen sich nicht auf eine Zulassung hatten einigen können. Vorbehalte gab es reichlich. Englische WissenschaftlerInnen beobachteten auf Genraps-Feldern ein großes Artensterben, und ihre schwedischen KollegInnen warnten vor der Überlebensfähigkeit der Samen, die auf den Feldern trotz massivem Pestizid-Einsatz bis zu 10 Jahren keimfähig blieben. Zudem gilt der Europäischen Umweltbehörde EEA Genraps wegen der vielen Einkreuzungen in konventionelle Sorten als Hochrisiko-Pflanze. Dieses Verhalten stellt auch den eigentlichen Grund für BAYERs Genehmigungsantrag dar. Der Leverkusener Multi hat zwar den Anbau von T45 gestoppt, aber in seiner aktiven Zeit griff die Pflanze auf so viele andere Raps-Arten über, dass es deren Import gefährdet, wenn sich in ihnen Spuren von nicht-zugelassenem Genraps finden.

Brasilien genehmigt Gen-Baumwolle
Die brasilianischen Behörden haben den Anbau von BAYERs LIBERTY-LINK-Baumwolle - trotz der oben aufgeführenden Risiken und Nebenwirkungen der Produktlinie - genehmigt.

BAYER & Co. wollen laxere Grenzwerte
Solange die Gentechnik in Europa ein massives Akzeptanz-Problem hat, verlegen BAYER & Co. ihren Geschäftsschwerpunkt darauf, ihre Gensaaten in anderen Ländern aufgehen zu lassen und bei der EU Importgenehmigungen für deren Früchte zu beantragen (s. o.). Aber diesem Spiel über Bande mit gentechnisch verändertem Soja oder Mais steht die europäische Rückstandsverordnung im Weg. Diese lässt nämlich keinerlei Spuren nicht zugelassener Labor-Pflanzen in der Nahrung zu. Deshalb betreiben die Gen-Giganten eifrig Lobby-Arbeit für eine Aufhebung der Null-Lösung. Mit ihren Schreckensszenarien, die im Falle von Zuwiderhandlungen deutlich höhere Fleischpreise prophezeien, haben die Konzerne bereits die Brüsseler „Generaldirektion Landwirtschaft“ für ihre Ziele einnehmen können.

Stammzellen-Patentstreit in Japan
Stammzellen sind für BAYER & Co. so etwas wie Ursuppe: Aus ihnen können sich alle möglichen Zelltypen oder Gewebe-Arten entwickeln, behaupten die GenforscherInnen. Im letzten Jahr erhielt der Leverkusener Multi in Japan ein Patent (siehe Ticker 3/08) für eine Technik zur Produktion von „Induzierten Pluripotenten Stammzellen“ (IPS). Bei den IPS handelt es sich um Stammzellen, welche die ForscherInnen durch eine „Rückprogrammierung“ normaler Körperzellen erzeugen. Deshalb müssen die WissenschaftlerInnen bei der Gewinnung keine Embryos töten. Allerdings birgt diese Methode große Risiken, denn die Viren, welche die Zellen als „Gen-Fähren“ zu ihrem Bestimmungsort im Körper bringen, vermögen Krebs auszulösen. In Japan bahnt sich jetzt zudem eine Kontroverse um geistiges Eigentum an. Knapp drei Monate nachdem BAYER die Patenturkunde erhalten hatte, vermeldete die Universität von Kyoto nämlich eine erfolgreiche Herstellung von IPS-Zellen. Sollten diese aber nach Techniken entstanden sein, auf die der Leverkusener Multi die Patente hält, dann könnte es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen. Und dieser birgt nach Meinung von BeobachterInnen die Gefahr, die gesamte Forschungspolitik der japanischen Regierung in diesem Bereich zu gefährden.

BAYER kauft DIREVO-Proteinsparte
Der Leverkusener Multi hat für 210 Millionen Euro die Protein-Forschungsabteilung des Kölner Biotech-Unternehmens DIREVO übernommen. Die DIREVO BIOTECH AG firmiert innerhalb BAYERs künftig als „Kompetenzzentrum für Biologika“ und setzt vom alten Standort aus die Suche nach Proteinen mit medizinischer Wirkung fort.

750 Millionen für Biotechnologie
Biotech-Produkte sorgen bei BAYER CROPSCIENCE bisher für zehn Prozent des Umsatzes. Die Landwirtschaftssparte des Leverkusener Multis will den Anteil jedoch erhöhen und investiert 750 Millionen Euro in entsprechende Forschungsvorhaben. Vor allem durch die Nahrungsmittelkrise - an der BAYER direkt durch sein Agrosprit-Projekt mit der Jatropha-Pflanze und indirekt durch sein maßgeschneidertes, besonders viel Tankfüllung produzierendes Saatgut Mitverantwortung trägt - sieht CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer die Chance für die Risikotechnologie steigen. „Ich sehe einen Trend. Aber ich traue mich nicht zu sagen, wann die Akzeptanz da sein wird“, sagte er auf der Jahres-Pressekonferenz der Agro-Abteilung.

BAYER sucht neue BETAFERON-Märkte
Das Gentech-Präparat BETAFERON zur Behandlung der Multiplen Sklerose gehört zu den umsatzträchtigsten in BAYERs Pharma-Sparte. Allerdings läuft das Patent bald aus, weshalb der Leverkusener Multi neue Versionen erprobt. Versuche mit der doppelten Wirkstoffmenge von Interferon-beta-1b musste der Konzern jedoch abbrechen, weil sich keine Therapie-Vorteile ergaben. Momentan erprobt das Unternehmen eine BETAFERON-Variante, die schon in einem frühen Stadium der Krankheit einsetzbar ist. Bisher verzichteten MedizinerInnen in dieser Phase auf das Mittel, weil sie die Bildung von Antikörpern verhindern wollten. Der Pillen-Riese behauptet nun jedoch, die Antikörper beeinflussten den Krankheitsverlauf nicht negativ und vermeldet bei klinischen Tests Behandlungserfolge. Daran dürften so einige Zweifel bestehen.

Sagopilon gegen Krebs?
BAYER testet zurzeit den mittels Gentechnik gewonnenen Wirkstoff Sagopilon als Mittel gegen Krebs. Angeblich überwindet die Substanz den Abwehrmechanismus von Tumor-Zellen und initiiert deren Selbstzerstörung.

WASSER, BODEN & LUFT

Noch mehr Dioxine durch Verbrennungsanlagen?
BAYER betreibt die „Entsorgung“ von Sonderabfällen inzwischen geschäftsmäßig und unterhält dazu in Leverkusen, Brunsbüttel, Krefeld und Dormagen Müllverbrennungsanlagen (MVAs). Diese produzieren allerdings ihrerseits nicht wenig gefährliche Rückstände: chlor-, brom- und fluorhaltige Kohlenwasserstoffe, Chloride, Dioxine, Furane, Kohlendioxid, Quecksilber und Feinstaub. Nach Meinung des Medizin-Professors Dr. Harry Rosin bewegen sich dabei die Schadstoffmengen von Dioxinen und Furanen noch über den Angaben der Betreiber. Diese beiden Stoffe binden sich nämlich an Ruß- und Staubpartikel und sind so von den Analyse-Instrumenten nur schwer aufzuspüren. Zudem berücksichtigt das Bundesimmissionsschutzgesetz in seinen Auflagen bestimmte Dioxin- und Furan-Kombinationen gar nicht. „Dadurch wird ein beachtlicher Teil toxischer MVA-Emissionen unterschlagen“, so Rosin.

Offene Fragen beim Klimacheck
DIE KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE haben BAYER und andere Konzerne zu ihrer Klimapolitik befragt. Dabei blieb der Leverkusener Multi einige Antworten schuldig. Ob der Konzern im Jahr 2008 Kohlendioxid eingespart hat, konnte er nicht sagen: „Wirkungen und Maßnahmen zum Klimaschutz sind langfristig angelegt und müssen deshalb über einen längeren Zeitraum betrachtet werden“. Zudem musste das Unternehmen eingestehen, dass sich nur ein Drittel seiner Standorte Prüfungen nach der internationalen Umweltmanagementnorm ISO 14001 unterwerfen. Und der Ausblick wirkt auch nicht sehr ermutigend, denn eine Reduzierung seiner CO2-Emissionen von derzeit jährlich 7,5 Millionen Tonnen plant der Global Player nicht. „Insgesamt erwartet der BAYER-Konzern bis 2020, seine derzeitigen Treibhausgasemissionen trotz eines mengenmäßigen (Produktions-, Anm. Ticker) Wachstums auf dem derzeitigen Niveau halten zu können“, so BAYER.

Kohlekraftwerk: CDU fällt um
Die Krefelder CDU freundet sich mehr und mehr mit dem in BAYERs Chemie-„Park“ geplanten Kohlekraftwerk an. Während Oberbürgermeister Gregor Kathstede den Bau schon immer befürwortete, sprach sich seine Partei lange dagegen aus. Sie ließ sich dabei aber stets ein Hintertürchen offen. Jetzt hat die CDU dieses weit aufgestoßen: Auf ihrem Parteitag im Dezember stellten die ChristdemokratInnen Bedingungen, unter denen sie ihre Zustimmung zu der Dreckschleuder geben würden. Wenn BAYER den Wirkungsgrad etwas erhöht, zwei alte Kohlekessel abschaltet und die nötige Infrastruktur für die Lagerung und den Transport der Kohle schafft, stimmt die CDU mit „Ja“, so der Beschluss. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierte gemeinsam mit Krefelder Bürgerinitiativen, BUND, NABU und anderen Gruppen gegen diese Entscheidung. „Der Bau eines Kohlekraftwerkes würde einen Rückfall in überkommene Formen der Energie-Umwandlung bedeuten und würde den Kampf gegen den Klimawandel über Jahrzehnte hinweg erheblich schwächen“, heißt es in der Presseerklärung der Verbände.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER-Chemie in Kosmetika
Der Leverkusener Multi drängt mit seiner Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So will der Konzern mit Polyurethanen (PUR) die Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups verstärken und Haaren mehr Halt verleihen. „Wir wollen uns bis 2015 den Hauptanteil der PUR-Technologie sichern. Als Newcomer muss man in dieser hart umkämpften Branche forsch auftreten“, erläutert Sophie Viala die Strategie von BAYER MATERIAL SCIENCE. Die Kunststoff-Nebenwirkungen wie Krebs, Allergien oder Schädigungen der Atmungsorgane stören bei diesem Business-Plan nicht.

ADHS durch Schadstoffe?
Viele Chemikalien und Schwermetalle wirken auf das Nervensystem ein. Deshalb scheinen diese Stoffe, die BAYER in Massen hergestellt hat oder immer noch herstellt bzw. in die Umwelt emittiert, auch bei der Entstehung der Verhaltensauffälligkeit ADHS eine Rolle zu spielen. Der Pädagoge Ulf Sauerbrey hat in der Zeitschrift umwelt-medizin-gesellschaft entsprechende Forschungsergebnisse zitiert. So weisen in Studien viele Kinder mit dem ADH-Syndrom eine erhöhte Quecksilber-Konzentration im Blut auf, auch gibt es einen Zusammenhang zwischen ihren Mangan-Werten und der Verhaltensauffälligkeit. Die Wirkungen von Pestiziden und Polychlorierten Biphenylen (PCBs) könnten teilweise ebenfalls dem Krankheitsbild entsprechen, so Sauerbrey.

NANO & CO.

BAYER baut Nano-Anlage
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Da sich diese durch eine besondere Festigkeit auszeichnen und weitere vorteilhafte Material-Eigenschaften besitzen, erwartet BAYER von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze. Deshalb errichtet der Konzern neben seiner Laufenburger Pilotanlage zur Produktion der BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen in Leverkusen für 20 Millionen Euro eine weitere Fertigungsstätte. Die bisher weltweit größte Fabrik soll mit 20 Beschäftigten zunächst 200 Tonnen der Röhrchen produzieren, die in Autos, Flugzeugen, Akkus, Brennstoffzellen und Windkraftanlagen Verwendung finden. Ungefährlich ist diese „Zukunftstechnologie“ allerdings nicht. Nach einer Untersuchung der Universität Edinburgh können die Kohlenstoff-Winzlinge das Gewebe schädigen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen (siehe Ticker 2/08).

BAYERs Nano-Forschungen
BAYER produzierte bisher unter anderem Duftkapseln, Folien und Eishockeyschläger aus Nano-Materialien. Nun entwickelt der Leverkusener Multi Flüsterschotter für das Gleisbett von Eisenbahnen auf Basis dieser nicht ungefährlichen Technologie (s. o.).

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr bittere Pillen aus Bitterfeld
BAYER erweitert in Bitterfeld für neun Millionen Euro die Pillen-Produktion. Da der Leverkusener Multi die ASPIRIN-Produktpalette ständig erweitert und künftig am Standort auch das Schmerzmittel ALEVE herstellen will, waren unter anderem Investitionen in neue Fertigungseinrichtungen und Verpackungsanlagen nötig.

IMPERIUM UND WELTMARKT

Schleicher neuer Bitterfeld-Chef
Christian Schleicher, bisher der brasilianischen Sektion von BAYER HEALTH CARE vorstehend, übernimmt zum 1. Januar 2009 die Geschäftsführung der BAYER BITTERFELD GmbH und löst damit Hans-Joachim Raubach ab, der Standortleiter der Berliner Niederlassung von BAYER SCHERING PHARMA wird.

BAYER kauft DIREVO BIOTECH AG
Pharma-Riesen kaufen derzeit im großen Stil Biotech-Firmen auf. So hat BAYER für 210 Millionen Euro die Protein-Forschungsabteilung des Kölner Biotech-Unternehmens DIREVO übernommen (siehe auch GENE & KLONE).

Neues Forschungszentrum in China
Der Leverkusener Multi plant den Bau eines 100 Millionen Euro teuren Forschungszentrums in Peking, um den Geheimnissen chinesischer Krankheiten besser auf die Spur zu kommen. Dazu will BAYER HEALTH CARE, das im Reich der Mitte der größte Pharma-Anbieter ist, auch mit der Quinghua-Universität kooperieren.

ÖKONOMIE & PROFIT

Wem gehört BAYER?
Die BAYER-Aktien gehören zu 80 Prozent ausländischen und zu 20 Prozent inländischen Investoren. Den größten Batzen am Konzern-Kapital besitzt mit 20 Prozent die US-amerikanische CAPITAL GROUP. Dieser Fonds ist an 18 der 30 DAX-Konzerne beteiligt und bei den ManagerInnen beliebt, da er sich nicht in die laufenden Geschäfte einmischt. Daneben hat der Leverkusener Multi nur noch einen weiteren Großaktionär, das auf einen Anteil von drei Prozent kommende französische Versicherungsunternehmen AXA.

BAYER-Steuerquote: 0,2 Prozent
Wieviel Steuern BAYER wirklich zahlt, steht nicht in den Geschäftsberichten. Diese Zahlen hat aber die Wirtschaftsdatenbank ORBIS - gegen einen Obulus von jährlich 100.000 Euro - parat. Der Schweizer Journalist Hans Weiss nahm im Rahmen der Recherche für sein Buch „Korrupte Medizin“ Einblick in die Dokumente von BAYER SCHERING. Und er traute seinen Augen kaum, denn steuerparadiesischer geht es nicht: Im Geschäftsjahr 2007 betrug die Steuerquote gerade mal 0,2 Prozent des Umsatzes von 4,5 Milliarden Euro.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Chemie-Tank fängt Feuer
Am 24. Dezember 2008 fing in der Pestizid-Produktion am BAYER-Standort Kansas City ein fünfstöckiger Tank Feuer, der 15.000 Liter fasst, aber zum Unglückszeitpunkt nur teilweise mit einem Petroleum-Gemisch befüllt war. 50 Feuerwehrleute waren eine knappe Stunde im Einsatz, um den Brand unter Kontrolle zu bringen und ein Übergreifen auf die benachbarten Fertigungsanlagen zu verhindern.

Jod-Austritt in Wiesdorf
Auf dem Leverkusener BAYER-Gelände kam es am 22. Februar 2009 zu einem Zwischenfall. Aus dem Kamin der Sondermüll-Verbrennungsanlage trat Jod aus und verfärbte den Himmel über Leverkusen-Wiesdorf rot. Wie immer in solchen Fällen wiegelte der Konzern ab: Für die AnwohnerInnen hätte zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr bestanden.

Institute: Aufklärung verweigert
Am BAYER-Standort Institute war es am 28. August 2008 zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Beschäftigte starben. Jetzt verweigert der Leverkusener Multi Informationen über das Unglück. Das Unternehmen ließ eine Anhörung des „Chemical Safety Boards“ platzen, das sich vor allem mit den von den Tanks auf dem Gelände ausgehenden Gefahren befassen wollte. Das aber unterlag für den Agro-Multi der Geheimhaltung, wobei er sich auf eine nach dem 11. September erlassene Verordnung zum Schutz von Häfen und Wasserwegen vor Terroranschlägen berief. Dass das BAYER-Areal 500 Kilometer vom Meer entfernt liegt, focht die findigen Konzern-JuristInnen dabei nicht an. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese Informationen Top Secret sein sollen. Das Verhalten von BAYER passt aber zur bisherigen Linie des Unternehmens, die Anwohner über die Gefahren im Unklaren zu lassen“, kritisierte die Vorsitzende der Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC, Maya Nye, die Verweigerungshaltung des Global Players.

RECHT & UNBILLIG

Bienensterben: Verfahren eingestellt
Im letzten Jahr hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gemeinsam mit geschädigten Imkern bei der Staatsanwaltschaft Freiburg Strafanzeige gegen den Leverkusener Multis wegen des vom Pestizid PONCHO verursachten Bienensterbens gestellt. Im Dezember 2008 wurde das Verfahren eingestellt. Es habe „keine vorsätzliche Sachbeschädigung“ vorgelegen, eine „unglückliche Verkettung mehrerer Umstände“ hätten vielmehr zu dem Massensterben geführt, urteilten die JuristInnen. Die CBG akzeptierte den RichterInnen-Spruch allerdings nicht und ging in die Revision. „Die Freiburger Staatsanwaltschaft hat schlampig und einseitig ermittelt. Der Verdacht, dass die Zulassung von Clothianidin durch die BAYER AG erschlichen wurde, ist nicht entkräftet worden. In der Einstellungsverfügung findet sich kein einziger Hinweis darauf, dass der ermittelnde Staatsanwalt die vorgelegten Studien zur Bienengefährlichkeit des Wirkstoffs überhaupt zur Kenntnis genommen hat“, sagte Anwalt Harro Schultze zur Begründung.

Millionen-Strafe für Vergiftungen
Die Firma PHILIPS SERVICES reinigte für ein BAYER-Werk in Alamaba regelmäßig Pestizid-Tanks. Im Jahr 2006 ereignete sich dabei ein schwerer Zwischenfall. Über das zum Ausspülen der Behälter verwendete Wasser gelangten Reste der Ackergifte Propylmercaptan und Ethoprop ins Freie. In einem Umkreis von 50 Quadratmeilen klagten unmittelbar nach dem Austritt der Chemikalien über 800 Menschen über Kopfschmerzen, Brechreiz, allergische Symptome und Atemprobleme, und einige von ihnen leiden bis heute unter den Gesundheitsstörungen. Die Geschädigten reichten eine Sammelklage ein, und Anfang 2009 gaben die RichterInnen die Entscheidung bekannt. Sie sprachen den Opfern einen Schadensersatz in Höhe von vier Millionen Dollar zu. Der Leverkusener Multi hat dazu allerdings nichts beizutragen, da er nicht zu den Beklagten gehörte.

Institute: BAYER muss zahlen
Die US-amerikanische Arbeitsschutzbehörde OSHA hat die näheren Umstände untersucht, die am 28. August 2008 zu der Explosion im BAYER-Werk Institute führten (siehe auch UNFÄLLE & KATASTROPHEN). Sie stellte dabei unter anderem „mangelhafte Sicherheitssysteme, signifikante Mängel der Notfall-Abläufe und eine fehlerhafte Schulung der Mitarbeiter“ fest. Insgesamt 13 schwere Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen listete die OSHA auf und verhängte dafür eine Strafe in Höhe von 143.000 Dollar.

BAYER verklagt ABBOTT
Der Leverkusener Multi hat das US-Unternehmen ABBOTT verklagt. Der Leverkusener Multi wirft seinem Konkurrenten vor, mit dem Arthritis-Medikament HUMIRA (geschätzter Umsatz für 2008: 4,4 Milliarden Dollar) ein BAYER-Patent von 1997 verletzt zu haben. ABBOTT streitet die Vorwürfe ab.

BAYER verklagt Indien
BAYER hat die indische Medikamenten-Zulassungsstelle „Drugs Controller General of India“ (DCGI) verkla

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2008 – Ticker

CBG Redaktion

Kurzmeldungen Ticker

AKTION & KRITIK

Pipeline-Demo in Erkrath
Der Protest gegen BAYERs umstrittene Kohlenmonoxid-Leitung reißt nicht ab. An zahlreichen Bauabschnitten halten die CO-GegnerInnen Mahnwachen ab, und am 13. März 2008 demonstrierten in Erkrath 500 Menschen gegen das Projekt. Der Protestmarsch, an dem LokalpolitikerInnen aller Parteien, Angehörige verschiedener Initiativen und natürlich auch VertreterInnen der COORDINATION gegen BAYER-Gefahren teilnahmen, führte von der Erkrather Innenstadt bis zur Pipeline-Baustelle, wo die TeilnehmerInnen 420 Holzkreuze mit Grablichtern aufstellten, um so auf die tödliche Gefahr durch den Röhren-Verbund aufmerksam zu machen.

CBG bei Pipeline-Veranstaltung
Ende Februar nahm CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes auf Einladung der DÜSSELDORFER BÜRGERINITIATIVE GEGEN DIE BAYER-GIFTGAS-LEITUNG gemeinsam mit VertreterInnen von anderen Gruppen und Parteien in Düsseldorf-Unterbach an einer Diskussionsveranstaltung zur umstrittenen BAYER-Pipeline teil.

Romy Quijano freigesprochen
Dr. Romy Quijano untersuchte in Kamukhaan auf den Philippinen die Risiken und Nebenwirkungen der auf einer Bananen-Plantage ausgebrachten Pestizide von BAYER und anderen Herstellern. Der Bananenbaron vom Unternehmen LADECO wollte den Wissenschaftler daraufhin mundtot machen und verklagte Quijano. Dabei schreckte der Plantagen-Besitzer nicht einmal davor zurück, DorfbewohnerInnen mit Bestechungsgeldern zu Aussagen gegen Romy Quijano zu veranlassen; es kam sogar zu Todesdrohungen. Im Jahr 2008 endete die juristische Auseinandersetzung nach sieben Jahren endlich mit einem Freispruch. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die sich seit Jahren an einer Solidaritätskampagne für den Umweltschützer beteiligt, gratulierte Romy Quijano umgehend zu seinem Erfolg.

Ter Meer ohne Grabschmuck
Alle Jahre wieder zu Allerheiligen schmückt BAYER das Grab des ehemaligen IG-FARBEN-Vorstandsmitglieds und Kriegsverbrechers Fritz ter Meer mit einem großen Kranz. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestiert seit Jahren gegen die Ehrung eines Mannes, den die Richter im Nürnberger IG-FARBEN-Prozess wegen seiner Verantwortung für Zwangsarbeit und Plünderungen zu sieben Jahren Haft verurteilt hatten. Das hat jetzt offensichtlich Wirkung gezeigt: Im letzten Jahr verzichtete der Leverkusener Multi zum ersten Mal auf diese Art der Traditonspflege.

CBG schreibt Gabriel
Das Bundesumweltamt unterhält zwar ein Störfall-Register, aber nähere Angaben zu den Betreibern der explosiven Anlagen finden sich darin nicht. Dieses kritisierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in einem Brief an Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. „Mit dieser Art der Anonymisierung sind wir in keinster Weise einverstanden! Sie begünstigt in unangemessener Weise die Verursacher von Schäden gegenüber der Öffentlichkeit und den Betroffenen. Da die Unternehmen von sich aus kaum oder gar nicht über Unfälle berichten, haben Medien und Umweltverbände keine Möglichkeit, eine Störfall-Bilanz einzelner Firmen zu erstellen. Hierdurch könnte Druck auf die Unternehmen ausgeübt werden, ihre Sicherheitslage zu verbessern“, schrieb die CBG.

Genreis: CBG schreibt Bundesregierung
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, das GEN-ETHISCHE NETZWERK, der BUND und andere Initiativen haben die Bundesregierung in einem Offenen Brief aufgefordert, sich auf EU-Ebene gegen eine Importzulassung von BAYERs Genreis auszusprechen, der - obwohl noch gar nicht zugelassen - im Jahr 2006 aus ungeklärter Ursache massenhaft in Haushaltsreis von ALDI und anderen Anbietern gelangt war. „Für über 2,5 Milliarden Menschen ist Reis das wichtigste Grundnahrungsmittel. Die Europäische Union darf sich nicht über die ökologischen und sozialen Risiken von LL RICE 62 in den potentiellen Anbau-Ländern hinwegsetzen. Wir fordern Sie auf, sich bei der EU gegen eine Import-Zulassung von LIBERTY LINK-Reis auszusprechen!“, heißt es in dem Schreiben wörtlich.

Kartelle: CBG schreibt Zypries
In Sachen „Kartelle“ entwickelt BAYER sich immer mehr zum Serientäter. Allein in den letzten Jahren haben die Behörden elf Fälle von illegalen Preisabsprachen entdeckt. Die hohen Bußgelder - der Konzern zahlte bislang ca. 500 Millionen Dollar - schrecken den Leverkusener Multi offenbar nicht ab. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) forderte Bundesjustiziministerin Brigitte Zypries deshalb in einem Offenen Brief auf, die ManagerInnen-Haftung einzuführen. „Es stellt unserer Meinung nach eine gesetzgeberische Fehlleistung ersten Ranges dar, dass Verstöße gegen Kartellvorschriften nur mit Bußgeldern und evtl. zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen belegt sind, nicht hingegen mit Strafen. Angesichts der Gemeinschädlichkeit derartiger Absprachen und des dadurch verursachten enormen Schadens stimmt es merkwürdig, dass nicht einmal in schweren Fällen Straftaten vorliegen. Wir fordern daher den Gesetzgeber auf, entsprechende Straftatbestände zu schaffen. Erst wenn die verantwortlichen Manager Gefängnisstrafen fürchten müssen, kann von einem abschreckenden Effekt ausgegangen werden“, stellt die CBG fest.

BAYER für „Public Eye Award“ nominiert
Alljährlich halten die Global Player im schweizerischen Davos ihr Klassentreffen ab. Die Schweizer Initiativen ERKLÄRUNG VON BERN und PRO NATURE nutzen die Gelegenheit, um als Spielverderber dem Unternehmen mit den fragwürdigsten Geschäftspraktiken den „Public Eye Award“ zu verleihen. Zu den Vorgeschlagenen zählte auch dieses Mal wieder: BAYER. Das FORUM FÜR UMWELT UND ENTWICKLUNG, das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nominierten den Leverkusener Multi für seine Versuche, die Jatropha-Pflanze als Biotreibstoff-Reservoir zu nutzen und dazu auch gleich noch das passende Saatgut und die passenden Pestizide zu liefern. „Das Saatgut und die Pflanzenschutzmittel für Jatropha sollen die Pflanze für den Chemiekonzern und die Automobilindustrie profitabel machen. Verlierer sind einmal mehr die Bauern der südlichen Länder. Sie verlieren wertvolles, zur Nahrungsproduktion genutztes Land und tragen die Umweltbelastungen durch den intensiven Agrotreibstoff-Anbau. Zudem werden die Kleinbauern im Vertragsanbau abhängig gemacht von den teuren Agrochemie-Produkten“, heißt es in der Begründung der Gruppen.

CBG-Mitglied wg. Feldbesetzung verurteilt
Ein in Frankreich lebendes Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat an der Besetzung eines Genfeldes teilgenommen und kam dafür vor Gericht. Die Richterin verurteilte es zu einer Strafe von 1.000 Euro.

Prozess wg. Feldbesetzung
Im letzten Frühjahr führten Gentech-GegnerInnen die Besetzung eines Feldes durch, auf dem die Universität Gießen zu Versuchszwecken Gerste mit einer eingebauten Resistenz gegen Glufosinat ausgesät hatte, mit welcher BAYER auch die Pflanzen aus der LIBERTY-LINK-Serie versehen hat. Seit März 2008 haben sich die AktivistInnen dafür vor Gericht zu verantworten.

CBG bei „Dritte-Welt“-Diskussion
Philipp Mimkes nahm für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in Köln an einer Diskussionsveranstaltung zum Thema „Umweltschutz - Menschenrechte - soziale Standards: Wie sieht es aus mit der Unternehmensverantwortung?“ teil, die das DRITTE WELT JOURNALISTINNEN NETZ gemeinsam mit der Kölner MELANCHTON AKADEMIE initiiert hatte. Der CBG-Geschäftsführer sah, so weit es BAYER betrifft, schwarz für die Unternehmensverantwortung und zählte dem Publikum detailliert die doppelten Standards auf, deren sich der Leverkusener Chemie-Multi in Sachen Umweltschutz, Kinderarbeit, Produktionsbedingungen und Produktsicherheit befleißigt.

OECD kritisiert bundesdeutsche Justiz
Nach menschlichem Ermessen müsste der Exportweltmeister eigentlich auch Weltmeister im Bezahlen von Schmiergeldern sein. Und tatsächlich stützt nicht nur der Fall „SIEMENS“ diese Vermutungen. Auch BAYER hat nach Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters im Iran und in Italien kräftig Bestechungsgelder gezahlt, um Bau-Vorhaben realisieren oder andere Konzern-Ziele durchsetzen zu können (siehe auch Ticker 2/03). Die bundesdeutschen Gerichte bleiben jedoch weitgehend untätig. Während US-RichterInnen seit 1998 70 Unternehmen wg. Korruption verurteilten, verhängten ihre deutschen KollegInnen nur vier Strafen. Diese Praxis hat jetzt die OECD, die gemeinsame Organisation der 30 größten Industrieländer, kritisiert. „Es gibt eine ganze Reihe von Fällen, die von den Staatsanwaltschaften nicht besonders aktiv verfolgt werden“, so der OECD-Korruptionsbeauftragte Mark Pieth. Der deutsche Richterbund wies die Vorwürfe umgehend zurück, räumte aber Mängel ein. „In den Wirtschaftsabteilungen der Staatsanwaltschaften haben wir generell ein großes Problem. Eigentlich bräuchten wir viel mehr Spezialisten“, gestand Richterbund-Präsident Christoph Frank.

Spärliche Auskünfte
Die OECD ist ein Zusammenschluss der weltweit größten Industriestaaten. Ihre Leitsätze verpflichten die Multis zu gesellschaftlich verantwortlichem Handeln. GERMAN WATCH wollte von den Global Playern jetzt einmal wissen, wie sie diese Anforderungen konkret umsetzen. BAYER zeigte sich dabei nicht sehr auskunftsfreudig. „Während einige der Unternehmen ausführliche Informationen zu ihrer Nachhaltigkeitsstrategie machten, gaben andere keine oder nur sehr unvollständige Antworten ab, z. B. BAYER und VOLKSWAGEN“, erklärte die Initiative.

IQWIG-Chef Sawicki droht
Das „Kölner Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) führt Kosten/Nutzen-Analysen von Arzneimitteln durch, was eine Streichung von Medikamenten aus dem Erstattungskatalog der Krankenkassen zur Folge haben kann. Entsprechend nervös reagiert die Pharma-Industrie. Auf allen erdenklichen Wegen versucht sie, bei den Prüfungen ein Wörtchen mitzureden. Diese Bestrebungen haben den IQWIG-Leiter Peter Sawicki jetzt dazu gebracht, im Falle eines gesteigerten Einflusses von BAYER & Co. auf die Entscheidungen des Instituts seinen Rücktritt anzukündigen. „Wenn das geschehen sollte, bin ich nicht mehr da, wo ich jetzt bin“, sagte der Pharmakologe, woraufhin ihm Gesundheitsministerin Ulla Schmidt versprach, die „fürsorgliche Belagerung“ nicht zuzulassen.

Kritik an Gates-Stiftung
Nach dem Vorbild von MICROSOFT hat Bill Gates der von ihm gegründeten „Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung“, die auch Projekte von BAYER unterstützt (siehe ERSTE & DRITTE WELT) eine Monopolstellung bei der Malaria-Forschung verschafft. Daran nahm jetzt der Leiter des Malaria-Programms der Weltgesundheitsorganisation WHO, Arata Kochi, Anstoß. Er kritisierte die Dominanz der keiner öffentlichen Kontrolle unterworfenen Stiftung, die inzwischen alle maßgeblichen WissenschaftlerInnen an sich binde, und bezeichnete ihre bei der Malaria-Therapie eingeschlagenen Wege sogar als teilweise gefährlich.

KAPITAL & ARBEIT

Nur 1,3 Prozent über 60 Jahre
Von den 37.590 Beschäftigten der BAYER AG sind gerade einmal 1,3 Prozent über 60 Jahre alt.

Nur 905 Ausbildungsplätze
Die Zahl der Ausbildungsplätze bei BAYER ist in den letzten 17 Jahren um 700 zurückgegangen. Gab es 1990 in den Werken der BAYER AG noch 1.600 Lehrstellen, so strich sie der Konzern bis zum Herbst 2007 auf 905 zusammen. Nicht einmal der Kauf der SCHERING AG hat das Angebot nennenswert erweitert. Wieder einmal liegt der Multi damit unter der durchschnittlichen Lehrstellen-Quote der bundesdeutschen Wirtschaft von sieben Prozent der Belegschaft.

Wennings Tarifrunde: + 28,1 %
Für BAYER-Chef Werner Wenning hat sich die letzte Lohnrunde gelohnt. Er konnte sein Salär um 28,1 Prozent auf 4,444 Millionen Euro steigern. Das Sümmchen setzt sich aus einem „Grundgehalt“ von 3,294 Millionen und einer variablen, am Aktienkurs orientierten Komponente von 1,1 Millionen zusammen. „Die Manager sollten ihren Mitarbeitern einmal erklären, warum sie soviel Geld brauchen“, kommentierte der SPD-Politiker Joachim Poß die von der Welt am Sonntag vorgelegten Lohnstreifen von Wenning & Co.. Der Große Vorsitzende hat das in einem Interview mit der Wirtschaftswoche getan. Seiner Ansicht nach geht beim Leverkusener Chemie-Multi alles gerecht zu, nur Tätigkeit, Qualifikation, Erfahrung und Verantwortung entscheiden über die Bezahlung. „Dabei messen wir beim Top-Management wie bei den Tarif-Mitarbeitern mit der gleichen Elle“, so Wenning.

Betriebsräte verdienen 60.000 Euro
Die VW-Affäre hat die Frage aufkommen lassen, ob den Betriebsräten im Lande nicht eine allzu üppige Bezahlung das „Co-Management“ erleichtert. BAYER veröffentlichte deshalb Zahlen und bezifferte das Durchschnittsgehalt eines Konzern-Betriebsrats auf 60.000 Euro.

Brunsbüttel streicht 100 Stellen
BAYER heizt den konzern-internen Wettbewerb um Investitionen immer mehr an. Mit dem Projekt „Mustang“ verglich der Multi jetzt das Verhältnis von Anlagen-Kapazität und Personalstamm an jedem Standort und vergab schlechte Noten für Brunsbüttel. „Wir sind 15 - 20 Prozent schlechter in der Personaleffizienz“, mit diesen Worten akzeptierte der dortige Betriebsratsvorsitzende Hans-Joachim Möller die negative Beurteilung ohne Widerworte, die ein Rationalisierungsprogramm mit einer Vernichtung von 100 Arbeitsplätzen zur Folge hat. Möller wusste sich darin mit der Werksleitung einig. „Nur so können wir im Wettbewerb um eine neue Anlage mithalten“, verlautete aus der Zentrale der Niederlassung.

ERSTE & DRITTE WELT

Bill Gates sponsort BAYER
Im Jahr 1998 startete die Weltgesundheitsorganisation WHO in Kooperation mit der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung die Malaria-Initiative „Roll back Malaria“. Sie wollte 60 Prozent der Erkrankten sofort eine medizinische Versorgung ermöglichen und die Zahl der Malaria-Toten bis zum Jahr 2010 auf die Hälfte senken. Zu diesem Zweck unterstützte die Initiative auch das BAYER-Projekt, auf Basis des von der „Hongkong University of Science and Technology“ entdeckten Wirkstoffes Artemisone ein neues Medikament zu entwickeln. Um dieses Präparat ist es allerdings still geworden, und auch von anderen Erfolgen kann „Roll back Malaria“ kaum künden, so dass die medizinische Fachzeitschrift Lancet im Jahr 2005 eine ernüchterne Zwischenbilanz zog. Bill Gates glaubt aber immer noch an BAYER. Er stellte dem Leverkusener Multi 50,7 Millionen Dollar zur Verfügung, um mit dem Kooperationspartner „Innovative Vector Control Consortium“ nach einem neuen Pestizid gegen den Malaria-Erreger zu forschen und schon vorhandene Wirkstoffe zu verändern, da die Stechmücke als Überträger der Krankheit gegen die alten Substanzen Resistenzen herausgebildet hat.

Pesticides are coming home
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Agro-Multis - gefördert von „Entwicklungshilfe“-Programmen - „Drittweltländer“ großzügig mit Ackergiften versorgt. Die Folge: Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation der UN lagern dort über eine halbe Millionen Tonnen Alt-Pestizide, schlecht gesichert in lecken Behältern, zerrissenen Tüten und geplatzten Säcken. Altlasten made by BAYER sind nach GREENPEACE-Angaben in rund 20 Ländern vertreten. Ob die 75 Tonnen DDT aus Tansania, die der Konzern jetzt auf Kosten des Entwicklungshilfeministeriums in Dormagen verbrennen will, ganz, teilweise oder gar nicht aus eigenen Beständen stammen, ist hingegen nicht bekannt.

KONZERN & VERGANGENHEIT

VCI: Geschichtsaufarbeitung nicht erwünscht
Die bundesdeutsche Chemiebranche hat sich ihrer unheilvollen Vergangenheit immer noch nicht gestellt. Fragen nach den IG FARBEN, dem für Zwangsarbeit, eigene KZs und Kriegsvorbereitungen verantwortlichen Mörderkonzern, wiesen BAYER als IG-Initiator, BASF und HOECHST & Co. stets mit dem Verweis ab, sie hätten die Rechtsnachfolge des Chemie-Trusts nicht angetreten. Nur die BASF hat sich bisher diesem dunklen Kapitel in einer Unternehmensgeschichte gewidmet. Ob allerdings eine lückenlose Aufklärung erfolgte, steht in Frage, denn es halten sich Gerüchte über zurückgehaltene Dokumente und Knebelverträge die Veröffentlichungsrechte betreffend. Der „Verband der Chemischen Industrie“ erwog zwar einmal, den Historiker Michael Stürmer mit einer Aufarbeitung seiner Vergangenheit zu betrauen, aber die Verantwortlichen stoppten das Projekt. Und BAYER? Der Leverkusener Multi hat noch nicht einmal im Traum daran gedacht, einen Wissenschaftler zur Inventur seines Giftschrankes im Firmenarchiv zu verpflichten.

POLITIK & EINFLUSS

Der Leverkusener BAYER-Rat
Die partei-übergreifende BAYER-Fraktion im Leverkusener Stadtrat hat viele Mitglieder. Zahlreiche KommunalpolitikerInnen standen oder stehen noch in Diensten des Pharma-Riesen. Bei den Christdemokraten sind es Bernhard Apel (bis zu einer Pensionierung Diplom-Ingenieur bei BAYER und Betriebsleiter bei AGFA), der von 1957 bis 1999 bei AGFA als Chemie-Facharbeiter und Technischer Angestellter tätig gewesene Raimund Gietzen, der ehemalige BAYER-Industriekaufmann Dietrich (Dieter) Volberg und Ulrich Wokulat (Kaufmännischer Angestellter bis 1999). Die Sozialdemokraten zählen auf den als Industriemeister beim ehemals zu BAYER gehörenden Unternehmen DYSTAR arbeitenden Ferdinand Feller, den bei BAYERs Logistik-Ableger CHEMION unter Vertrag stehenden Wolfgang Oertel, den seine berufliche Karriere bei BAYER als Hochdruckrohr-Schlosser begonnen und bei der 2002 verkauften Wohnungsgesellschaft des Konzerns fortgesetzt habenden Dieter März sowie den seit 2006 im Ruhestand lebenden BAYER-Dreher Gerhard (Paul) Masurowski. Die Bürgerliste bietet den als Physiklaborant und Technischer Angestellter in BAYER-Diensten gestanden habenden Klaus-Peter Gehrtz und den CHEMION-Werker Stefan Manglitz auf. Die Grünen sind durch Georg Müller, der als Technischer Angestellter bei dem früher zu BAYER gehörenden Unternehmen LANXESS arbeitet, und Gerd (Gerhard) Wölwer, der von 1969 bis 1972 seine Lehre zum Chemielaboranten bei BAYER absolvierte, vertreten. Für die FDP sitzen der bis zu seinem Renteneintritt 2006 auf 40 Jahre BAYER-Erfahrung als Planungsingenieur, Organisationsberater, Betriebsleiter „Logistik“ und Vertragsmanager zurückblicken könnende Wolfgang Blümel und der einst in BAYERs Monheimer Pestizid-Produktion wirkende Chemiker Dr. Klaus Naumann im Stadtrat. Die Unabhängige Wählergruppe (UWG) schließlich schickte den CHEMION-Mann Reimund Vozelj in das Kommunalparlament. Bei dieser geballten Ladung BAYER hat der Chemie-Multi an seinem Stammsitz kaum noch politische Unbill zu befürchten.

Wenning wettert
BAYER-Chef Werner Wenning nutzte seine Abschiedsrede als Vorsitzender des „Verbandes der Chemischen Industrie“, um der Großen Koalition Hausaufgaben aufzugeben. So mahnte er weitere „Reformen“ an. „Was heute politisch opportun erscheint, darf nicht ausschlaggebend sein, wenn es um unsere Zukunft geht“, mahnte er. Auch ein bisschen weniger Klimaschutz hätte Wenning gern: „Bei allem Engagement für den Klimaschutz, den wir mit der Bundesregierung teilen, muss die Politik auch darauf achten, die Leistungsfähigkeit der Industrie nicht zu überfordern“. Im Bereich „Gentechnik“ hingegen sieht er die Seinen deutlich unterfordert. „Es wird höchste Zeit, dass die Bedingungen für die Forschung und den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auch hier in Deutschland endlich verbessert werden“, forderte der Konzern-Lenker.

Wenning in Davos
Die alljährliche Hauptversammlung der Global Player im schweizerischen Davos gibt sich gerne einen idealistischen Anstrich. BAYER-Chef Werner Wenning strich da kräftig mit. Die Konferenzen, „die sich mit übergeordneten, uns alle betreffenden Fragestellungen befassen, wie zum Beispiel Klimaschutz“, machten für ihn den eigentlichen Wert des Forums aus. Wie materialistisch es aber in Wirklichkeit hinter diesen für die Weltöffentlichkeit aufgebauten Kulissen zuging, beschrieb der Filmregisseur Florian von Henckel Donnersmarck in einem Spiegel-online-Interview. Wer kaum mehr als fünf Milliarden Dollar Umsatz macht, gilt bei dem Klassentreffen nämlich schon als Unterschicht, welche die „feinen Unterschiede“ zu spüren bekommt. „Unternehmer zum Beispiel, die ‚nur‘ fünf Milliarden Dollar Umsatz machen und sich damit gerade mal für das Forum qualifizieren, werden weniger respektvoll behandelt, als solche, die sieben oder neun Milliarden machen“, so der Oscar-Preisträger.

Bund beschließt Gentechnik-Gesetz
Ende Januar 2008 hat der Bundestag das neue Gentechnik-Gesetz verabschiedet, das laut CDU/CSU die „Blockade“ bei der grünen Gentechnik beendet. Das Paragraphen-Werk legt mit 150 Meter Mindestabstände zwischen Genmais-Feldern und konventionell bzw. ökologisch bewirtschafteten Äckern fest, die teilweise weit unter denen in vielen anderen europäischen Ländern festgelegten bleiben. Zudem macht der Gesetzgeber diese zur Verhandlungssache, indem er Privatabsprachen zwischen Nachbarn zulässt. Auch die Haftungsbestimmungen sind völlig unzureichend, da das Verursacherprinzip nicht gilt und bestimmte Berufsgruppen wie ImkerInnen gar nicht erfasst sind. Zudem legt die neue Regelung eine äußerst knapp bemessene Einspruchsfrist fest. So kritisiert der BUND ÖKOLOGISCHER LEBENSMITTELWIRTSCHAFT (BÖWL) denn auch, dass „ein Großteil der zu erwartenden Schadensfälle durch die im Gesetz vorgesehene Haftung nicht abgedeckt“ ist. Nur bei der Etikettierung hat sich die Große Koalition zu einer Verschärfung durchgerungen. Wo „ohne Gentechnik“ drauf steht, darf jetzt kein 0,9-prozentiger Anteil von Futtermitteln aus Gentech-Produktion mehr drin sein. Dafür dürfen sich jetzt Medikamente und Vitamine, die GenköchInnen angerührt haben, unter dem Label wohlfühlen, wogegen prompt der „Hauptverband des deutschen Einzelhandels“ protestierte.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER sponsort Pestizid-Symposion
Im Oktober 2007 hat der Leverkusener Multi ein internationales Symposion zum Thema „Grauschimmelfäule“ gesponsort, das im südafrikanischen Kapstadt stattfand. Veranstaltet vom zur Universität Stellenbosch gehörenden Institut für Wein-Biotechnologie, diente das Ganze laut Konzern als „‚Schaufenster‘ für die neuesten Forschungsergebnisse“. Allerdings ließ die ausgestellte Produktvielfalt zu wünschen übrig: In der Auslage fanden sich nur BAYERs Antipilz-Wirkstoffe Fenhexamid und Pyrimethanil.

BAYER hetzt gegen die CBG
Ende August 2007 wollte BAYER als Ausrichter einer Konferenz der UN-Umweltbehörde UNEP, an der 150 junge UmweltschützerInnen aus aller Welt teilnahmen, weiter an seinem grünen Image feilen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte gegen die Alibi-Veranstaltung und präsentierte der Öffentlichkeit das Umweltsündenregister des Konzerns, was auf breite Resonanz stieß. So interviewte ein ungarischer Journalist CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes und konfrontierte den Leverkusener Multi anschließend mit den von der Coordination erhobenen Vorwürfen. In dem Antwortschreiben weist das Unternehmen die Kritik wie erwartet zurück. Man habe niemals Lobby-Aktivitäten gegen politische Vorhaben entfaltet und bemühe sich stets nach Kräften, „faire und effektive politische Rahmenbedingungen, welche den Wettbewerb nicht behindern“ zu erreichen, behauptet der Leverkusener Multi. Die CBG bezichtigt der Konzern hingegen einmal mehr, mit Halbwahrheiten und Falschinformationen zu operieren. Darüber hinaus bezeichnet das Unternehmen diese als Gruppe „einer extremen ideologischen Richtung“ - und auch diesmal fehlt der Verweis auf einen „teilweise kommunistischen Hintergrund“ nicht.

BAYERs Freund der Baum
Durch die Kooperation mit der UN-Umweltbehörde UNEP versucht sich BAYER ein grünes Image zu verleihen. So richtete der Pharma-Riese Ende August 2007 eine Konferenz in Leverkusen mit 150 jungen UmweltschützerInnen aus aller Welt aus. Neuester Greenwashing-Coup: Der Konzern pflanzt im Rahmen eines UNEP-Aufforstungsprogramms 300.000 Bäume, was angeblich den Kohlendioxid-Gehalt in der Luft um 7.500 Tonnen reduziert. Um allerdings das CO2 um einen solchen Wert zu senken, wie ihn die vom Unternehmen geplanten Kohlekraftwerke erhöhen, müsste er schon Milliarden von Bäumen aufbieten.

Lobby-Verband aufgeflogen
Seit Jahren versuchen BAYER & Co., das Reklame-Verbot für Arzneien aufzuheben, indem sie Werbung zu „Information“ umwidmen. Dabei bedienten sie sich auch der Mithilfe des Verbandes „Pro Patienteninformation“. Das Ziel der „Abschaffung des Informationsverbotes für verschreibungspflichtige Arzneimittel“ verfolgend, gab die Organisation vor, 55.000 PatientInnen sowie die Selbsthilfegruppen der Parkinson-, Osteoporose- und Morbus-Bechterew-Erkrankten zu vertreten. Diese wussten allerdings gar nichts von ihrem Glück. Das „IPAS Institut politische Analysen und Strategie“ hatte sie kurzerhand zu StatistInnen in seiner von der Pharma-Industrie finanzierten Lobby-Kampagne gemacht. Doch der Schwindel flog auf. Der „Deutsche Rat für Public Relations“ (DRPR) erteilte Jan Burdinski als Initiator der „allem Anschein nach virtuelle Koalition Pro-Patienteninformation“ eine Rüge. „Die Nichttransparenz sei als vorsätzlich und der Verstoß als schwerwiegend zu bewerten“, urteilte der DRPR.

Selbsthilfe zur BAYER-Hilfe
Die Unterstützung von Selbsthilfegruppen stellt für die Pillenriesen eine lohnende Investition dar. „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr. Wenn sie zehn Prozent mehr in das Marketing bei Ärzten investieren, wächst ihr Umsatz nur zwischen 0,2 und 0,3 Prozent“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Gerd Glaeske errechnet. Darum unterstützt der Leverkusener Multi Verbände wie die „Deutsche Multiple-Sklerose-Gesellschaft, die „International Diabetes Federation“, die „National Coalition for Cancer Survivorship“, die „Juvenile Diabetes Research Foundation“, die „National Hemophilia Foundation“ und die „American Heart Association“ finanziell. Darüber hinaus betrieb BAYER bis 2005 die Homepage „www.selbsthilfegruppen.de“. Um die Gruppen vor dem Ruch der Käuflichkeit zu bewahren, gab der Konzern die Pflege der Seite inzwischen an eine Leverkusener Agentur ab. Das Geld dürfte aber immer noch aus der Portokasse des Pharma-Riesen kommen.

100.000 Dollar für Bluterverband
Dem US-amerikanischen Bluterverband „National Hemophilia Foundation“ (s. o.) ist BAYER besonders gewogen, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Bluter an „HIV“-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzog. So überreichte der Multi der Organisation im Februar 2008 einen Scheck über 100.000 Dollar für ein Programm zur Förderung des Verbandsnachwuchses.

BAYERs DiabetikerInnen

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„Hilfe zur Selbsthilfe“ (s. o.) betreibt BAYER auf dem Feld „Diabetes“ besonders intensiv. So hat er mit der „International Diabetes Federation“ (IDF) die Kampagne „Unite for Diabetes“ ins Leben gerufen. Der IDF zeigte sich dankbar und nahm die Blutzucker-Selbstkontrolle in ihren Richtlinien-Katalog zur Diabetes-Therapie auf, was den Abverkauf von Diabetes-Diagnostika made by BAYER nicht unwesentlich ankurbeln dürfte. Als hilfreich erwies es sich auch, dass das IDF-Vorstandsmitglied Anne Marie Felton gleichzeitig der „Federation of European Nurses in Diabetes“ angehört. So konnte die Organisation sich gleich einmal in Leverkusen zu einem Diabetes-Symposion treffen. Der Pharma-Riese nutzte das, um weiter Netzwerk-Arbeit zu betreiben. Es gelang ihm, Professor Oliver Schnell vom „Institut für Diabetes-Forschung“ der Universität München und Dr. Xavier Cos vom Katalonischen Gesundheitszentrum als Redner zu gewinnen, die selbstredend beide die Bedeutung der Blutzucker-Selbstkontrolle betonten.

BAYERs DiabetikerInnen

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Mit dem gestiegenen Lebensstandard werden in den Schwellenländern auch die Zivilisationskrankheiten zunehmen, spekuliert BAYER und pflegt deshalb in Indien schon einmal die gesundheitspolitische Landschaft. So gehört er gemeinsam mit ELI LILLY und BD zu den Sponsoren eines millionen-schweren Diabetes-Weiterbildungsprogramms für Angestellte des Gesundheitswesens. Damit wollen die Pharma-Riesen die westlichen Behandlungsmethoden in Indien implementieren. Ein wesentlicher Bestandteil dieser „Entwicklungshilfe“ ist es, die PatientInnen zu einem „Selbstmanagement“ ihrer Krankheit anzuleiten, wozu natürlich die entsprechenden Blutzuckermessgeräte von BAYER & Co. unabdingbar sind.

BAYERs DiabetikerInnen

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BAYER gehört zu den Sponsoren des EU-Projektes „Image“, das einheitliche Richtlinien zur Früherkennung und Behandlung von Diabetes entwickeln will.

BAYERs ASPIRIN-Kampagne
Der Leverkusener Multi hat seine Anstrengungen, ASPIRIN als Mittel zur Vorbeugung von Herz/Kreislaufkrankheiten am Markt zu platzieren, noch einmal verstärkt. In den USA gelang es dem Konzern, das „American College of Preventive Medicine“ und die „Partnership für Prevention“ für eine Kampagne einzuspannen. Diese setzt sich zum Ziel, ÄrztInnen und andere AkteurInnen des Gesundheitswesens für die Wirkungen des „Tausendsassas“ zu sensibilisieren, welche längst nicht alle ExpertInnen als segensreich empfinden. So erhöht das Mittel nach einer Studie der Universität Oxford z. B. das Risiko für durch Blutungen im Gehirn ausgelöste Schlaganfälle, da es den Blutfluss anregt (Ticker 3/07).

BAYER startet „Tierarzt-TV“
Der Leverkusener Multi nutzt künftig VeterinärInnen-Praxen als Werbe-Plattform. Der Leverkusener Multi strahlt in Wartezimmern sein „Tierarzt-TV“ aus. Das Magazin bietet alles rund ums Tier - und das entsprechende BAYER-Angebot. „Tierärzte sind von jeher unsere wichtigsten Multiplikatoren. Das von uns kreierte Tierarzt-TV bietet die Möglichkeit, Tierhalter in den Praxen direkt anzusprechen“, erläuterte BAYER-Mann Christian Behm die PR-Strategie.

BAYER schult ApothekerInnen
Die traditionelle bundesdeutsche Pharmazie steht derzeit durch Internet-Apotheken und Forderungen nach Aufhebung des Fusionsverbotes unter Druck. In dieser Situation bietet BAYER „Hilfe“ an. Die vom Leverkusener Multi gegründete „Innovations-Akademie Deutscher Apotheker“ will den Pillen-VerkäuferInnen Marketing-Nachhilfe geben - und als Nebenwirkung natürlich noch besser mit ihnen ins Geschäft kommen.

BAYER wäscht weiter
BAYER setzt die Kooperation mit der Zeitschrift National Geographic Deutschland (NGD) und damit auch die diesbezüglichen Greenwashing-Aktivitäten fort (siehe auch SWB 3/05). Der Konzern unterstützt weiterhin den von dem Magazin initiierten „Global Exploration Fund“, der sich der Ressource „Wasser“ widmet. Das letzte Mal stellte die Publikation dem Unternehmen dafür in einer Wasser-Broschüre vier Seiten zur Eigenwerbung zur Verfügung. Hinzu kamen „lobende Erwähnungen“ in zahlreichen Medien-Veröffentlichungen zum Thema. Damit kann sich der Leverkusener Multi einmal mehr medienwirksam als Schutzpatron des kostbaren Stoffes in Szene setzen, dem er im wirklichen Leben als Einleiter von Chemikalien und Großverbraucher arg zusetzt.

Fonds & Co. macht BAYER-Werbung
Die Zeitschrift Fonds & Co. widmet sich Finanz-Anlagen. Dies ist ein recht trockenes Thema. Deshalb hat sich die Publikation dafür entschieden, eine Artikelreihe zu Private Equity-Investments mit Einblicken in BAYERs Forschungslabors aufzumachen und mit den entsprechenden Fotos auszuschmücken, obwohl der Zusammenhang mehr als vage ist. Das hört sich dann zum Beispiel so an: „Bioscience-Wissenschaftler können nicht genau genug prüfen, bevor sie ein neues Produkt in den Freiversuch entlassen (...) Nicht viel anders als den Forschern von BAYER im Genter Labor ergeht es Zeichnern und Emissionshäusern“. Ein anderes Mal spannt der Autor den Bogen von BAYERs gentechnisch veränderten Baumwollpflanzen, von denen die wenigsten den Sprung vom Labor auf den Acker schaffen, zu den Gepflogenheiten der Finanzbranche. „Die Größe der Population hängt also von der Zahl der Pflänzchen am Start ab. Das Gleiche gilt, wenn man sich einen Eindruck von den Private-Equity-Investments verschaffen will, die am besten performt haben“, heißt es in dem Text. Es wäre schon ein großer Zufall, wenn die Assoziationen der Fonds-JournalistInnen nur aus freien Stücken immer wieder gen Leverkusen strebten ...

Funk Uhr wirbt für LEVITRA
Die Fernsehzeitschrift Funk Uhr macht unverhüllt Werbung für BAYERs LEVITRA und andere Potenzmittel. Dabei schließt sie sich natürlich auch der von den Pharmariesen in Umlauf gebrachten Diagnose an, wonach die Ursache der „erektilen Dysfunktion“ in 80 Prozent der Fälle organischer Natur sei. Die Frage „Was hilft?“ ist dann schnell beantwortet. „VIAGRA, LEVITRA und CALIS helfen medikamentös auf die Sprünge“, heißt es in dem Blatt.

Verkappte Werbung im Internet
In der Bundesrepublik ist es untersagt, für rezeptpflichtige Arzneien zu werben. BAYER & Co. versuchen zurzeit alles, um dieses Verbot aufzuheben. Parallel dazu finden die Multis aber auch jetzt schon Mittel und Wege, ihre Produkte anzupreisen. Wer sich beispielsweise im Internet über Verhütungsmittel informieren will und bei GOOGLE den Begriff „Pille“ eintippt, landet als erstes auf www.pille-mit-herz.de. Nur im Kleingedruckten findet sich der Betreiber der Seite angegeben: die BAYER-Tochter JENAPHARM. Die Webpage gibt vor, allgemein in das Thema einzuführen, stellt die unterschiedlichen Verhütungsmethoden sowie einzelne Pillen-Arten vor. Nur ganz behutsam führt JENAPHARM die SurferInnen auf den „richtigen“ Weg. Mit dem Slogan „Mehr als verhüten - sanft verhüten“ preist die Firma mit Drospirenon den Wirkstoff der haus-eigenen niedrig dosierten Verhütungspillen an. Natürlich fehlt der Hinweis darauf, dass diese Substanz doppelt so oft die Nebenwirkung „Blutgerinnsel“ hat wie Levonorgestrel oder Norethisteron. Darüber hinaus will das Unternehmen seine Präparate als Lifestyle-Medikamente an die Frau bringen. „Die neueste Entwicklung ist, dass deine Pille jetzt sogar einen Beauty-Effekt hat“, verkündet JENAPHARM und verheißt positive Effekte auf Haut und Haar an.

DRUGS & PILLS

Arznei-Test mit Nebenwirkungen
Im Jahr 2005 kam es bei Arznei-Tests mit Parkinson-Kranken, die der nun zu BAYER gehörende Pharma-Multi SCHERING in Kooperation mit dem Unternehmen TITAN in den USA durchführte, zu ernsthaften Zwischenfällen. Die per gehirnchirugischem Eingriff implantierten Zellen zur Dopamin-Produktion verursachten bei den ProbandInnen Verwirrtheitszustände, Depressionen bis zu Selbsttötungsversuchen, Lähmungserscheinungen, Sprachausfälle, epileptische Anfälle, Hirnblutungen, Asthma und andere körperliche oder geistige Beeinträchtigungen. Die dauerhaft geschädigte Suzanne Davenport hat deshalb Klage gegen den Leverkusener Agro-Riesen eingereicht (siehe auch SWB 1/08).

Leberschäden durch ZETIA?
Seit Juni 2007 vermarktet BAYER den Cholesterinsenker ZETIA (Wirkstoff: Ezetimib) gemeinsam mit SCHERING-PLOUGH in Japan. Um die Geschäfte mit dem Milliarden-Seller nicht zu gefährden, hat SCHERING-PLOUGH als Hersteller jahrelang interne Untersuchungsergebnisse über die leberschädigende Wirkung des Präparates geheim gehalten. Nicht einmal die Aussortierung einiger PatientInnen mit besonders hohen Leberwerten konnte das Resultat verbessern. Auf die Frage, warum der Konzern die Öffentlichkeit nicht umgehend informiert habe, antwortete ein Verantwortlicher, man habe die ganze Sache nicht für relevant gehalten. Ebenso irrelevant scheint für das Unternehmen eine ZETIA-Studie zu sein, die im Jahr 2002 begann und noch immer keinen Abschluss gefunden hat. Erst nach erheblichem Druck von Seiten des US-Kongresses erklärte sich der Pharma-Riese bereit, die Daten im März 2008 zu publizieren.

Schlaganfälle durch ASPIRIN
Der Leverkusener Multi bewirbt sein Schmerzmittel ASPIRIN mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure seit einiger Zeit aggressiv als Mittel zur Prophylaxe von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Dabei erhöht das Mittel das Risiko für Schlaganfälle, die nicht durch einen Gefäßverschluss, sondern durch eine Blutung im Gehirn entstehen, weil der „Tausendsassa“ den Blutfluss im Kopf anregt (Ticker 3/07). Eine neue, in der Fachzeitschrift Lancet (Band 370, S. 493) veröffentlichte Studie hat jetzt auch seine Unterlegenheit gegenüber dem Gerinnungshemmer Warfarin beim Schutz älterer Menschen mit Vorhofflimmern vor einem Gehirnschlag dokumentiert. Während in der Warfarin-Gruppe 21 ProbantInnen einen Schlaganfall erlitten, so waren es in der Acetylsalicylsäure-Gruppe 44.

ASPIRIN-Resistenzen nehmen zu
Durch jahrelange Arbeit hat BAYER es geschafft, ASPIRIN eine Herz/Kreislauf-Erkrankungen vorbeugende Wirkung anzudichten. So nehmen z. B. schon fünf Prozent aller SchweizerInnen das Schmerzmittel aus prophylaktischen Gründen ein. Seit einiger Zeit beobachten MedizinerInnen aber gerade bei den KonsumentInnen des „Tausendsassas“ einen Zuwachs von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Die ÄrztInnen erklären sich dieses Phänomen mit der zunehmenden Herausbildung von ASPIRIN-Resistenzen. Allein in Thailand zählen die Gesundheitsbehörden schon 65.000 Fälle.

YASMIN-Patent verloren
Die Verhütungspille YASMIN ist BAYERs lukrativstes Medizin-Produkt. Allein in den USA macht der Konzern damit jährlich einen Umsatz von 321 Millionen Euro. Und die weiteren Aussichten schienen glänzend, denn das Patent sollte eigentlich erst 2020 auslaufen. Doch es kam anders. Das US-amerikanische Pharma-Unternehmen BARR focht in den Vereinigten Staaten eines der drei Patente an, die der Leverkusener Multi auf die Antibabypille hält, und bekam Recht zugesprochen. Der zuständige Richter Peter Sheridan wies BAYERs Anspruch auf geistiges Eigentum für die Praxis, das Hormon Drospirenone in so kleine Portiönchen aufzuteilen, dass der Organismus es schnell aufnehmen kann, zurück. Das wäre ein in der Pharmazie übliches Vorgehen und keine BAYER-Erfindung, begründete Sheridan das Urteil, das der Konzern in einem Revisionsverfahren wieder kippen will. Während BARR nun mit einer Nachahmer-Version von YASMIN auf den Markt drängt, sieht der Pillenriese nach der Gerichtsentscheidung auch das Patent für das Verhütungsmittel YAZ bedroht. Die Börse reagierte prompt mit Kursabschlägen für die BAYER-Aktie, und der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning musste die Gewinnerwartungen für den gesamten Pharma-Bereich nach unten korrigieren.

Neue Verhütungspille
Nicht zuletzt der langwierige und jetzt vorerst entschiedene Patentstreit um das Verhütungsmittel YASMIN (s. o.) hat den Leverkusener Multi dazu getrieben, rasch für Nachschub in dem Segment zu sorgen. So hat er nun in Europa die Zulassung für ein neues Präparat beantragt. Ob das Mittel mit den beiden Hormonen Estradiol und Dienogest als Wirksubstanzen die Leber aber tatsächlich weniger schädigt als vergleichbare Produkte, wie BAYER behauptet, dürfte erst der Praxis-Test zeigen.

Doppelte DIANE-Standards
BAYER darf DIANE-35 in Europa und Kanada wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen nicht als Verhütungsmittel vermarkten; zugelassen ist es nur noch als Arznei zur Behandlung schwerer Hormonerkrankungen. Das hinderte den Pharma-Riesen jedoch nicht, das Produkt in Schwellenländern als Antibabypille auf den Markt zu bringen. So erhielt DIANE-35 2001 in Südkorea eine Zulassung. Erst als unabhängige Nichtregierungsgruppen diese doppelten Standards kritisierten, machte der Leverkusener Multi einen Rückzieher.

Teststreifen-Rückruf
In den USA musste der Leverkusener Multi eine Rückruf-Aktion für Diabetes-Teststreifen starten. Durch einen Produktionsfehler zeigten sie um bis zu 17 Prozent höhere Blutzucker-Werte an.

LEUKINE-Rückruf
BAYER musste das gentechnisch produzierte LEUKINE in der flüssigen Darreichungsform nach Meldungen über schwere Nebenwirkungen vom Markt nehmen. Der vor allem zur Stärkung des Immunsystems von Leukämie-Kranken und nach Knochenmarktransplantationen zum Einsatz kommende Wachstumsfaktor hatte bei den PatientInnen wiederholt zu Bewusstlosigkeit geführt. Der Leverkusener Multi machte den der Flüssigkeit als Stabilisator beigegebenen Stoff Ethylendiamintetraacetat dafür verantwortlich.

AVELOX schädigt Leber
Nach Meldungen über von BAYERs Antibiotikum AVELOX ausgelöste Leber- und Hautschädigungen forderte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ den Pharma-Riesen auf, ÄrztInnen in einem Brief ausdrücklich auf diese Nebenwirkungen hinzuweisen.

Lungenkrebs: NEXAVAR hilft nicht
Als „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ feiert BAYER sein Mittel NEXAVAR. Es kommt bisher bei der Behandlung von Nieren- und Leberkrebs zum Einsatz und sollte auch bei Lungenkrebs Anwendung finden. Jetzt musste der Leverkusener Multi entsprechende Tests allerdings abbrechen. Das Präparat mit dem Wirkstoff Sorafenib half nicht nur nicht, es verkürzte sogar die Lebenserwartung der PatientInnen.

Bluthochdruck durch NEXAVAR
Nach einer in der medizinischen Fachzeitschrift LancetOncology veröffentlichten Studie erhöht BAYERs Krebsmedikament NEXAVAR das Bluthochdruck-Risiko, wodurch für die PatientInnen die Gefahr steigt, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.

Zulassung für Thrombose-Mittel beantragt
BAYER hat die Zulassung für die Thrombose-Arznei Rivaroxaban beantragt. Der Leverkusener Multi hofft auf eine Genehmigung für den prophylaktischen Einsatz zur Verhinderung von Blutgerinnseln nach größeren orthopädischen Operationen und will das Präparat unter dem Namen XARELTO vermarkten.

Riesige Gewinnspannen
Der Pharma-Markt hält für BAYER & Co. riesige Gewinnspannen bereit. Von dem Geld, das Kranke für ein Medikament zahlen, fließen über 60 Prozent an die Pillen-Produzenten zurück, während für die Apotheke nur 15,2, den Staat 12,8, die Krankenkassen 7,5 und den Großhandel 3,7 Prozent bleiben.

Fast alles zulässig
„Die Alte Welt ist auf dem besten Weg, zum neuen Lieblingsmarkt der Pharma-Industrie zu werden. Die Konzerne haben hier weniger Probleme mit der Zulassung als in den USA“, zitiert die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE die Financial Times Deutschland. Wenn diese Wirtschaftspostille die bundesdeutschen Genehmigungsbehörden lobpreist, dann muss es um den vorbeugenden Gesundheitsschutz im Lande wahrlich schlecht stehen.

JENAPHARM erfindet Krankheiten
Für die vielen auf dem Markt befindlichen Pillen gibt es viel zu wenig Gesundheitsstörungen. Deshalb zeigen sich die Pharma-Riesen erfindungsreich. BAYERs Tochtergesellschaft JENAPHARM beispielsweise will kleine Zipperlein vor der Monatsblutung dem eh‘ nur mit Biegen und Brechen als Krankheit durchgehenden „Prä-Menstruellen Syndrom“ zuschlagen und dafür mit der Pille PETIBELLE auch gleich die passende pharmakologische Lösung liefern.

Forschung an Brustkrebs-Arznei
„Sexualhormone selbst verursachen keinen Brustkrebs, sie können aber das Wachstum bestehender Karzinome fördern“ - diese Erkenntnis führt den Leverkusener Multi keinesfalls dazu, in einem Akt der Selbstkritik seine umstrittenen Hormontherapien für Frauen in den Wechseljahren vom Markt zu nehmen. Sie dient vielmehr dazu, neue Forschungen zur Verlangsamung des Brustkrebs-Wachstums vorzustellen. Setzten die MedizinerInnen hier bislang vor allem Antihormone ein, welche die Östrogen-Aufnahme hemmten, so konzentrieren sich die Leverkusener PharmakologInnen jetzt auf das Progesteron und testen einen Progesteron-Blocker in einer Phase-II-Studie mit 70 PatientInnen. Wenn es sich wie im Fall NEXAVAR verhält, dürfte das Mittel die Lebenserwartung der Patientinnen um 2-3 Monate erhöhen und BAYER wieder dazu veranlassen, mit Schlagzeilen wie „Leberkrebs im Visier“ oder „Weiterer Meilenstein im Kampf gegen den Krebs“ den Eindruck zu erwecken, wirklich eine Arznei gegen die Krankheit gefunden zu haben, was nicht den Tatsachen entspricht.

GENE & KLONE

BAYERs Genmedizin-Partner
Der Leverkusener Pharma-Riese führt mit zahlreichen Biotech-Unternehmen genmedizinische Forschungsprojekte durch. Die Kooperation mit AFFIMETRIX widmet sich ebenso wie die mit INPHARMATICA, NEUROSCIENCES VICTORIA und der Universität von Monash der Suche nach Arznei-Wirkorten. Mit ARTEMIS prüft er diese nach Herz und Nieren. Mit CELERA entwickelt BAYER ein Therapeutikum für Autoimmunkrankheiten. Mit den Firmen CHEMDIV und COMGENEX betreibt der Pillen-Hersteller Wirkstoff-Synthese, mit GENEDATA Bioinformatik. In Zusammenarbeit mit MORPHOSYS und NOVARTIS forscht der Multi nach Antikörpern zur Behandlung von Krebs und mit WARNER CHILLCOTT nach solchen zur Behandlung von Hautkrankheiten.

BAYER setzt auf molekulare Diagnostika
Der Leverkusener Multi entwickelt derzeit gentechnische Diagnose-Verfahren, die erste Anzeichen einer Krankheit bereits auf zellulärer Ebene aufspüren sollen. Der Konzern hofft, so ein Instrument zur Früherkennung degenerativer Gesundheitsstörungen wie etwa Alzheimer, Krebs oder Herz/Kreislauf-Erkrankungen entwickeln zu können. Diese „molekularen Diagnostika“ befinden sich allerdings noch in der ersten Phase der Klinischen Tests. Ob die Mittel die in sie gesetzten Erwartungen auch erfüllen werden, steht lange noch nicht fest.

MABCAMPATH: erweiterte Zulassung
Bisher durften MedizinerInnen das von BAYER und GENZYME gemeinsam entwickelte Gentech-Medikament MABCAMPATH (Wirkstoff: Alemtuzumab) bei der chronisch-lymphatischen Leukämie nur einsetzen, wenn die PatientInnen bereits mit anderen Arzneien vorbehandelt waren oder eine Therapie mit Fludarabin nicht den gewünschten Erfolg erbracht hatte. Nach der US-amerikanischen Zulassungsbehörde erteilte dem Pharmariesen nun aber auch ihr europäisches Pendant die Genehmigung für den Ersteinsatz des monoklonalen Antikörpers, der sich gezielt an von Leukämie befallene Zellen binden und das Immunsystem so anregen soll, diese zu zerstören.

KOGENATE zur Vorbeugung?
BAYER will das Anwendungsspektrum seines gentechnisch hergestellten Blutgerinnungshemmers KOGENATE erweitern und hat eine Studie durchführen lassen, die den prophylaktischen Einsatz ab einem Alter von sechs Monaten empfiehlt. Das würde Gelenkeinblutungen vorbeugen und so die Gelenkfunktion länger erhalten, meinen die AuftragsforscherInnen.

LIBERTY-LINK-Zulassung vertagt
Über die von BAYER bei der EU beantragte Import-Zulassung für genmanipulierte Soja- und Baumwoll-Pflanzen aus der LIBERTY-LINK-Baureihe müssen jetzt die Agrar-MinisterInnen entscheiden. Ein Ausschuss hatte sich zuvor weder auf eine Ablehnung noch auf eine Genehmigung einigen können.

Brasilien genehmigt Gen-Mais
Um die Genehmigung für genmanipulierten BAYER-Mais tobte in Brasilien lange eine heftige Auseinandersetzung. Nachdem Präsident Lula da Silva kurzerhand die Zulassungsbedingungen gelockert hatte, gaben die Behörden zunächst grünes Licht für die Genpflanze mit der eingebauten Resistenz gegenüber dem Herbizid LIBERTY LINK. Ein Bundesrichter hob das Votum jedoch wieder auf. Die einheimischen Sorten bedürften des Schutzes, gab er zur Begründung an. Das Moratorium währte allerdings nicht allzu lange. Anfang 2008 erlaubten die zuständigen Stellen die Aussaat des Labor-Mais‘ wieder.

Raps made by BAYER
Seit einiger Zeit macht sich der Leverkusener Multi daran, Lebensmittel zu „verbessern“. So hat er mittels biotechnologischer Verfahren die Raps-Sorte INVIGOR HEALTH entwickelt. Diese muss bei der Weiterverarbeitung kein Härtungsverfahren mehr durchlaufen und bildet deshalb angeblich keine Trans-Fettsäuren mehr, die nach BAYER-Angaben das Herz/Kreislaufsystem schädigen können.

Pflanzen made by BAYER
Bislang leuchteten kaum einem die Segnungen der „grünen Gentechnik“ ein. BAYER hat aus dem Akzeptanz-Problem gelernt und will nun in die Pflanzen besser vermarktbare Eigenschaften einbauen. Seine Gen-KöchInnen suchen jetzt angeblich nicht mehr nach „dem maximalen Ertrag“. „Der richtige Mix vieler günstiger Eigenschaften“ ist ihnen wichtiger. In der Genter Versuchsküche des Konzerns arbeiten die WissenschaftlerInnen daran, den Stoffwechsel der Ackerfrüchte anzuregen, ihre Abwehrkräfte zu stärken und die Ausschüttung von Stresshormonen zu reduzieren. Wenn sich diese Eigenschaften, die der Agro-Riese schon in zehn Jahren wie „Legosteine“ zu kombinieren hofft, auf der freien Wildbahn einmal an Wildpflanzen vererben, dann dürfte ein Flurschaden ungeheurer Ausmaße einstehen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

BAYER-Pestizide sind überall
Das nordrhein-westfälische Umweltministerium hat die Pestizid-Belastungen von Obst und Gemüse im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Unter www.ilm.nrw.de/pestrep/pestshow1.html listet es detailliert die Ergebnisse der Lebensmitteluntersuchungen auf. Wie nicht anders zu erwarten, ist BAYER prominent vertreten. Bei Äpfeln beispielsweise stammen fünf der zehn am häufigsten in den Früchten nachgewiesenen Ackergifte vom Leverkusener Multi. Die PrüferInnen stießen auf den unter dem Namen SEVIN oder SEVIN XLR PLUS vermarkteten Wirkstoff Carbaryl, auf Trifloxystrobin (FLINT), auf Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), auf Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI) sowie auf die in der Bundesrepublik jüngst mit einem Verbot belegte Substanz Tolylfluanid. Bei Birnen, Tomaten & Co. dürfte der Marktanteil des Leverkusener Multis an den Giftdosen kaum geringer ausfallen.

Keine Zulassung für PONCHO
Die französischen Behörden haben BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidine wegen seiner Bienengefährlichkeit eine Zulassung verweigert. Sie werteten die vom Agro-Riesen vorgelegten Unterlagen als „unpräzise“, „voller Ungereimtheiten“ und „nicht für eine Zulassungsprüfung geeignet“. Ihre Pendants in der Bundesrepublik und in anderen europäischen Ländern hatten da weniger Probleme: Sie genehmigten PONCHO ohne viel Federlesens.

Neue Vermarktungsstrategie für Pestizide
In Brasilien hat der Leverkusener Chemie-Multi eine neue Vermarktungsstrategie entwickelt, um den Absatz seiner Ultragifte BAYSISTON und FOLICUR unter den Kaffee-AnbauerInnen zu fördern: Er lässt sich in Naturalien auszahlen. „Diese Initiative vereinfacht das Leben des Kaffeebauern, denn er bezahlt mit seiner Produktion, ohne dafür Geld ausgeben zu müssen“, so BAYERs Marketing-Direktor Gerhard Bohne (sic!).

BIOSPRIT & PROFIT

Agrosprit aus Institute
Der Leverkusener Multi versucht verstärkt, Biodiesel-Betrieben mit dem Zauberwort „Synergie-Effekte“ eine Ansiedlung in seinen von Leerständen heimgesuchten Chemie-Parks schmackhaft zu machen. In den USA erlag die KANAWHA BIODIESEL LLC den Lockrufen des Konzerns und bezog auf dem BAYER-Areal in Institute Quartier.

WASSER, BODEN & LUFT

Zwei neue Müllkraftwerke
Der Leverkusener Chemiemulti setzt bei seiner Energie-Versorgung zunehmend auf billige und dementsprechend umweltschädliche Lösungen. Neben Kohlekraftwerken zählen Müllkraftwerke, beschönigend Ersatzbrennstoffkraftwerke genannt, zu seinen Favoriten. So plant er in Brunsbüttel und Dormagen den Bau solcher Dreckschleudern, die unter anderem Dioxin, chlor-, brom- und fluorhaltige Kohlenwasserstoffe, Chloride, Furane, Kohlendioxid, Schwermetalle wie Quecksilber und Feinstaub, Rost-, Filter- und Kesselasche produzieren (siehe auch SWB 1/08).

Aus für Krefelder Kohlekraftwerk?
In Krefeld hält einstweilen die Opposition gegen das im Chemiepark von BAYER geplante Steinkohle-Kraftwerk mit einem Jahresausstoß von 4,4 Millionen Tonnen CO2, obwohl die CDU-Landtagsfraktion viel Druck auf ihre ParteifreundInnen vor Ort ausübt. Nachdem der Regionalrat den Bau einer solchen Dreckschleuder in einem Industriegebiet für grundsätzlich zulässig erklärte, indem er den Gebietsentwicklungsplan „nachbesserte“, änderten CDU und Grüne kurzerhand den Bebauungsplan, so dass dieser nun kein Kraftwerk in dieser Dimension mehr erlaubt. Beim Leverkusener Multi herrschte daraufhin „große Verbitterung“. Er hat jetzt ein Prüfverfahren bei der traditionell sehr BAYER-freundlichen Bezirksregierung beantragt und hofft auf einen positiven Bescheid bis zum Ende des Jahres.

Schadinsekten mögen CO2
ExpertInnen rechnen bis zur Mitte des Jahrhunderts mit einem Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration in der Luft von bisher 380 ppm (Teile pro Million) auf 550 ppm, wozu BAYER mit einem jährlichen Treibhausgas-Ausstoß von 3,8 Millionen Tonnen nicht wenig beiträgt. ForscherInnen der Universität Illinois haben jetzt untersucht, welche Auswirkungen das auf das Verhalten von Schadinsekten hat. Auf einem Sojabohnenfeld simulierten sie die CO2-Erhöhung und stellten beim Japankäfer einen beträchtlich gewachsenen Appetit fest. Der durch die erhöhten Kohlendioxid-Werte in der Luft gestiegene Zuckergehalt bei reduziertem Eiweiß-Anteil brachten ihn auf den Geschmack. Und da die Pflanzen durch die veränderten Bedingungen weniger Abwehrstoffe produzierten, wurde er bei der Mahlzeit kaum noch gestört.

NANO & CO.

Nano im Beton?
Der Leverkusener Multi erweitert seine Produktpalette im Bereich der Nanotechnologie beständig. Er entwickelte bisher spezielle Duftkapseln, Folien, Eishockeyschläger und die BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen. Diese will er jetzt nicht nur Kunststoffen zusetzen, sondern auch Beton, um den Baustoff zugleich leichter und härter zu machen. Ein entsprechendes Forschungsprogramm führt der Leverkusener Multi gemeinsam mit dem „Institut für Bau- und Werkstoffchemie“ der Universität Siegen durch. Der Konzern erwartet von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze, nur leider teilt diese die schlechten Eigenschaften vieler alter Technologien: Sie stellt ein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt dar. Das räumen BAYER & Co. sogar selber ein. „Bei vielen unlöslichen Nanomaterialien ist derzeit nicht auszuschließen, dass die inhalative Aufnahme dieser besonders kleinen Partikel am Arbeitsplatz zu Gefährdungen führen kann“, heißt es in dem vom „Verband der Chemischen Industrie“ gemeinsam mit der „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ herausgegebenen „Leitfaden für Tätigkeiten mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz“.

Mehr Nano aus Laufenburg
So ganz hat BAYER die Bande zu HC STARCK noch nicht gekappt. Der Leverkusener Multi nahm auf dem Laufenberger Werksgelände seiner ehemaligen Tochtergesellschaft eine Anlage zur Herstellung von BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen, die aus Nano-Materialien bestehen, in Betrieb. Zusammen mit der ebenfalls auf dem Areal befindlichen BAYTUBE-Pilotanlage will der Konzern damit die Jahresproduktion auf über 60 Tonnen ausweiten.

Kooperation mit FUTURECARBON
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit der Bayreuther Firma FUTURECARBON vereinbart. Das Unternehmen produziert für den Leverkusener Multi eine Version der BAYTUBE-Nanoröhrchen in flüssiger Form. So will der Konzern in Zukunft auch mit Herstellern von Batterien und Wasserstoffspeichern ins Geschäft zu kommen.

Nano-Wirkstoffhüllen
Auch auf medizinischem Gebiet finden BAYER & Co. Anwendungsbereiche für die Nano-Technik. Bereits 40 nanomedizinische Produkte gibt es mittlerweile. Der Leverkusener Multi forscht zur Zeit an Arznei-Umhüllungen aus Nano-Materialien. Die winzig kleinen Kunststoff-Mäntel sollen ihre Fracht zielgenauer zum Wirkort transportieren und noch feinstes Gewebe durchdringen können. Eine Gesundheitsgefährdung ist mit dem bisschen Plaste & Elaste im Körper nach Ansicht des Leverkusener Multis nicht verbunden. „Nanomedizinische Produkte werden wie alle Arzneimittel umfassend geprüft und erst dann für den Markt zugelassen, wenn eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung für die Patienten positiv ausgefallen ist“, lässt er den Nanomediziner Dr. Oliver Bujok vom „Verein Deutscher Ingenieure“ (sic) versichern, ganz so, als ob es die Skandale um LIPOBAY und TRASYLOL nie gegeben hätte.

POLITIK & ÖKONOMIE

BAYERs AktionärInnen-Struktur
Bei den bundesdeutschen DAX-Unternehmen hat sich die AktionärInnen-Struktur in den letzten Jahren stark verändert. Besaßen ausländische KapitalanlegerInnen im Jahr 2005 rund ein Drittel der Aktien von MERCEDES, SIEMENS & Co., so konnten sie diesen Anteil bis 2007 auf 53 Prozent steigern. In ihrer Beliebtheitsskala liegt BAYER auf dem dritten Platz, 78 Prozent der AktionärInnen des Leverkusener Multis leben nicht in der Bundesrepublik. Die größte Beteiligung hält mit 20 Prozent die US-amerikanische Investmentgesellschaft CAPITAL RESEARCH AND MANAGEMENT COMPANY.

STANDORTE & PRODUKTION

Platzverweis für Rechtsextreme
Der Rechtsextreme Hans-Ulrich Pieper organisiert seit 1991 „Dienstagsgespräche“. Bisher nutzte er dafür in Dormagen auch das von BAYER verpachtete Parkrestaurant „Kasino“. Am 2.10.07 aber mussten Pieper, Holger Apfel, der Vize-Vorsitzende der NPD, Markus Beisicht, der Chef von „Pro Köln“ und „Pro NRW“ und ihre Anhängerschar draußen bleiben: Der Chemie-Multi machte erstmals von seinem Hausrecht Gebrauch. „Die „Dienstagsgespräche“ finden ab sofort nicht mehr in unserem Hause statt“ - diesen Hinweis im Eingangsbereich hatten die Rechten zur Kenntnis zu nehmen.

BAYER-Kaufhaus dicht
Die viel beschworene BAYER-Familie wird immer mehr zur Chimäre, weil die „Sozialpolitik“ für den Leverkusener Multi nicht mehr zum Kerngeschäft gehört. Nach der Schließung von Bibliotheken, Schwimmbädern, Werkskindergärten und der Abwicklung von Sportvereinen beraubte der Konzern seiner BAYER-Familie jetzt auch noch der Einkaufsmöglichkeit im werkseigenen Kaufhaus. Die 1897 gegründete „Konsumanstalt der Farbenfabriken“ schloss kurz vor Weihnachten 2007 endgültig ihre Pforten und muss nun einem Einkaufscenter weichen.

BAYWOGE wieder verkauft
Anfang 2002 hat BAYER seine Wohnungsgesellschaft BAYWOGE, die in Leverkusen über 6.000 Wohneinheiten verfügte, an die ESSENER TREUHANDSTELLE (THS) verkauft. Für die MieterInnen werde sich nichts ändern, betonte der Konzern damals. Ob sich dies bewahrheitet, steht nun allerdings in Frage, denn der Bund trennte sich von seinen THS-Anteilen und veräußerte sie für 450 Millionen Euro an die beiden anderen Gesellschafter, die RUHRKOHLE AG und die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Da das für die beiden neuen Besitzer schwierig zu refinanzieren ist, befürchten der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach und der SPD-Kommunalpolitiker Jürgen Scharf Nachteile für die MieterInnen. Zu verkaufsbedingten Mieterhöhungen darf es nach dem Vertrag von 2002 zwar nicht kommen, aber Scharf rechnet mit Einsparungen bei der Instandsetzung und bei der Modernisierung.

Neues Werk in Köln-Knapsack
BAYER baut in Köln-Knapsack für 60 Millionen Euro eine neue Anlage zur Pestizid-Herstellung. Unter anderem will der Konzern dort Glufosinat produzieren. Dass die EU diesen Stoff, den der Konzern bevorzugt in Kombination mit seinen Glufosinat-resistenten Gentech-Pflanzen der LIBERTY-LINK-Serie vermarktet, wegen seiner Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt gerade einer Sicherheitsprüfung unterzieht, scheint den Agro-Riesen nicht abzuschrecken.

BAYER wirbt auf der „Expo Real“
Der Leerstand in seinen Chemieparks bewog den Leverkusener Multi dazu, auf der Münchener Immobilien-Messe „Expo Real“ offensiv um neue Mieter zu werben. Die Standkosten teilte sich der Konzern mit der „Wirtschaftsförderung Leverkusen“, die ihrerseits den Manforter Innovationspark und die „Neue Bahnstadt Opladen“ anpries.

BAYER-Kreuz bleibt
Nach vielen Protesten hat sich der Pharma-Riese entschieden, sein weit über Leverkusen hinaus sichtbares BAYER-Kreuz nicht abzureißen. Zu den Gründen der „Denkmalschutz-Initiative“ schreibt die Süddeutsche Zeitung: „Weil seit langem auch über Ausgliederungen von Geschäftsbereichen und Stellenabbau diskutiert wird, ist auch dem letzten Romantiker in der Stadt klar, dass BAYER kein Wohltäter ist, sondern eine Firma, die gut wirtschaften wird. Dennoch erschien manchem in Leverkusen der Abriss des Kreuzes als symbolischer Akt, als endgültiger Bruch mit der Tradition. Eine solche Stimmungslage kann der BAYER-Führung nicht recht sein. Mit der Entscheidung, das Kreuz stehen zu lassen, signalisiert der Konzern, dass er die Wünsche seiner Nachbarn ernst nimmt“.

Neue Nano-Anlage
BAYER hat in Laufenburg eine neue Anlage zur Herstellung von Nano-Röhrchen in Betrieb genommen (siehe NANO & CO.).

Kommt die Verbund-Feuerwehr?
Wie an allen anderen BAYER-Standorten ist auch die 40-köpfige Werksfeuerwehr in Brunsbüttel von Rationalisierungsmaßnahmen bedroht. „Wir müssen was machen, die Kosten treiben uns. Am Ende geben wir Stück für Stück an Sicherheit auf“, warnt der Betriebsratsvorsitzende Hans-Joachim Möller und machte den Vorschlag, eine von allen Unternehmen im Chemiepark getragene Verbund-Feuerwehr zu gründen.

IMPERIUM & WELTMARKT

Nano-Röhrchen mit FUTURECARBON
Der Leverkusener Multi hat auf dem Gebiet der Nanotechnik eine Zusammenarbeit mit dem Bayreuther Unternehmen FUTURECARBON begonnen (siehe NANO & CO.).

PRODUKTION & SICHERHEIT

Berufskrankheit „Asbestose“
Der lange Zeit vor allem in der Bau- und Chemieindustrie verbreitete Werkstoff Asbest ist zwar seit 1993 verboten, aber seine Wirkungen entfaltet er noch heute, da es bis zu 40 Jahren dauern kann, bis z. B. eine Asbestose ausbricht. So zählen durch Asbest ausgelöste Leiden mit einem Anteil von über 15 Prozent immer noch zu den häufigsten - und tödlichsten - Berufskrankheiten. Wieviele ehemalige BAYER-Beschäftigte davon betroffen sind, darüber schweigt sich der Pharma-Riese aus. Die letzten Angaben datieren aus dem Jahr 2000, wo der Konzern die Zahl der anerkannten Berufskrankheiten auf 130 bezifferte und kurz und knapp mitteilte: „Als Krankheitsauslöser waren bei uns vor allem Expositionen gegen Asbest und Lärm relevant“.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Ammoniak-Austritt: 23 Verletzte
Im Wuppertaler BAYER-Werk kam es am 12.3.08 durch eine bei Reparaturarbeiten versehentlich geöffnete Leitung zu einem Austritt von Ammoniak. 23 Personen zogen sich eine Vergiftung zu und mussten sich in ärztliche Behandlung begeben. Die Feuerwehr forderte die BewohnerInnen auf, die Fenster geschlossen zu halten und ihre Wohnungen nicht zu verlassen. Die Schwebebahn stellte umgehend den Betrieb ein. Die WuppertalerInnen hatten dabei noch Glück im Unglück, denn das Sturmtief „Kirsten“ sorgte dafür, dass die gen Innenstadt ziehende Giftwolke rasch vom Winde verweht wurde. „Die Wetterlage hat uns in die Hände gespielt“, so ein Feuerwehr-Sprecher erleichtert.

Thiodicarb-Fässer geborsten
Am 28. Dezember 2007 barsten am US-amerikanischen BAYER-Standort Institute mehrere Fässer mit dem von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „extrem gefährlich“ eingestuften Pestizid Thiodicarb. Mehrere AnwohnerInnen mussten sich daraufhin zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus begeben. Aufgrund der starken Geruchsbelästigung liefen bei den Behörden die Telefone heiß. Die zögerliche Informationspolitik des Konzerns rügte der zuständige Verwaltungschef als „bodenloses Verhalten“ (siehe auch SWB 1/08).

Sturz in den Tod
Am 15. November 2007 stürzte auf dem Gelände des Uerdinger Chemieparks ein Arbeiter einer Fremdfirma bei Abbrucharbeiten 25 Meter tief in einen Lichtschacht und kam dabei ums Leben.

Arbeiter verlor Bein
Am 29 Februar 2007 geriet ein Arbeiter des Baytowner BAYER-Werks unter einen Schienenwagen und verlor dabei ein Bein.

RECHT & UNBILLIG

Gericht contra Pipeline
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Münster hat BAYER verboten, die momentan im Bau befindliche Kohlenmonoxid-Pipeline in Betrieb zu nehmen und entzog damit dem von allen Landtagsparteien im Schnellverfahren verabschiedeten Enteignungsgesetz die Rechtsgrundlage. „Es fehlt eine überzeugende Darstellung der Bedeutung, die die von der Firma BMS (BAYER MATERIAL SCIENCE, Anm. SWB), einem privaten Unternehmen, betriebene Rohrleitungsanlage für die Allgemeinheit hat, um den staatlichen Zugriff auf das Eigentum Dritter zu rechtfertigen. Es müssten konkrete Informationen gegeben werden, beispielsweise Angaben zur Zahl der entstehenden Arbeitsplätze“, urteilten die RichterInnen und schlossen sich damit der Argumentation der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und anderer Initiativen an. In zwei weiteren Verfahren verbot das OVG dem Chemie-Multi das Verlegen der Rohre auf den Grundstücken von Gemeinden, die gegen das Enteignungsgesetz geklagt hatten. „Eine Ohrfeige für den Landtag“, kommentierte die Rhein

Xarelto

CBG Redaktion

13. März 2012

Britische Behörden lehnen Einsatz des BAYER-Präparats Xarelto weiter ab

Die britische Behörde NICE fordert von BAYER zusätzliche Informationen, bevor sie über den Einsatz des Gerinnungshemmers Xarelto zur Behandlung von tiefen Venenthrombosen entscheiden will. Die bisher zur Verfügung gestellten Daten reichten nicht aus, um zu bewerten, ob die Tablette auch kosteneffektiv sei, teilte die Behörde heute auf ihrer Webseite mit.
Erst im Januar hatte das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) weitere Informationen zu der Arznei verlangt, bevor sie über einen Einsatz von Xarelto zur Schlaganfallprävention entscheiden will. Das NICE wägt die Kosten und Nutzen neuer Arzneimittel in Großbritannien ab und empfiehlt, welche Arzneimittel im staatlichen Gesundheitssystem verwendet werden sollen.
Bei Studien mit dem Medikament ist es wiederholt zu Todesfällen gekommen. Xarelto wird zudem mit unlauteren Methoden vermarktet.
Berater der amerikanischen Aufsichtsbehörde Food and Drug Administration (FDA) kamen im vergangenen September zu dem Ergebnis, dass Xarelto gegenüber dem seit langem verwendeten Gerinnungshemmer Warfarin (in Deutschland: Marcumar) keinen therapeutischen Zusatznutzen bietet. Schlaganfälle kann Xarelto nicht häufiger verhindern als die etablierten und kostengünstigen Mittel. Zudem liegen bislang keine Langzeit-Studien zu den Nebenwirkungen des Präparats vor. Nach Meinung der FDA-Experten werfen die von BAYER eingereichten Studien insbesondere Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken auf.
Nach Aussage der FDA-Experten zeigte die von BAYER eingereichte Studie (Rocket-AF) nur deshalb eine vergleichbare Wirksamkeit von Warfarin und Xarelto, da die mit Warfarin behandelten Patienten keine optimale Dosis erhalten hatten. Bei größeren orthopädischen Eingriffen hätten Patienten ein hohes Risiko für Thromboembolien. Zudem verursache Xarelto mehr Blutungen als ältere Präparate.
Auch als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen möchte BAYER das Präparat einsetzen. Gegenüber bislang verwendeten Medikamenten konnte jedoch auch für diese Anwendung kein Vorteil gezeigt werden. Die sogenannte Magellan-Studie war laut BAYER lediglich darauf ausgelegt, bei mehr als 3.400 teilnehmenden Patienten nachzuweisen, dass Xarelto der Vergleichsmedikation „nicht unterlegen ist“. Selbst nach Aussage von BAYER wies das Präparat jedoch „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“ auf.
Aktuell strebt BAYER zudem eine Zulassung zur Nachbehandlung des akuten Koronar-Syndroms (ACS) an. Das Präparat soll in Kombination mit einer anderen Therapie der nochmaligen Entstehung von Blutgerinnseln in den Herzkranz-Arterien vorbeugen. In den Tests zeigten sich allerdings auch deutlich die Risiken der Arznei: so erlitten Xarelto-Proband/innen häufiger schwere Blutungen als die Test-Personen, welche die bisherige Standard-Medikation erhielten.
Der Zulassungsprozess von Xarelto gestaltete sich wegen der vielen Nebenwirkungen und der ungeklärten Langzeitwirkung von Beginn an schwierig. In Indien waren mindestens vier Proband/innen bei Xarelto-Studien ums Leben gekommen. BAYER hat den Hinterbliebenen jeweils bloß 5.250 Dollar Entschädigung gezahlt. Xarelto wird daher in den USA mit einem Warnhinweis versehen, wonach Patienten das Medikament nicht ohne ärztliche Rücksprache absetzen sollten, da sonst das Risiko von Schlaganfällen steigt.
Deutliche Unterschiede zeigen sich im Preis: die bisherige Standard-Medikation Warfarin kostet in den USA 25 Cent, Xarelto hingegen soll sechs Dollar pro Tablette kosten.
Zu kritisieren ist auch das Marketing für Xarelto. BAYER versendet in großem Umfang unverlangte Muster an Allgemeinärzte – ein klarer Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. Das Gesetz verlangt, dass Muster nur auf schriftliche Anforderung verschickt werden dürfen. Die Regelung wird von BAYER umgangen, indem dem Muster ein angeblicher Quittungszettel beiliegt, der sich als Musteranforderung entpuppt.

HV Gegenanträge

CBG Redaktion

Der Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban ist eines der umsatzstärksten und am meisten umworbenen Arzneimittel der Firma Bayer.
Gegenüber dem Goldstandard Phenprocoumon ist es zwar gleich wirkungsstark, aber erheblich teurer und birgt mehr Risiken. Es wird damit geworben, dass nun Gerinnungskontrollen nicht mehr nötig seien. Die Zulassungsstudien wurden allerdings mit Nierengesunden und Menschen unter 70 Jahren durchgeführt. Hierbei handelt es sich nicht um die typischen PatientInnen, die einen Gerinnungshemmer benötigen. Bei alten und nierenschwachen PatientInnen bedeutet die Therapie mit Rivaroxaban einen Blindflug, der nicht selten tödlich endet. Ein weiterer Nachteil von Rivaroxaban besteht darin, dass kein valides Gegenmittel im Falle einer plötzlich notwendigen OP oder bei einer nicht zu stoppenden Blutung zur Verfügung steht.
Studien, die eine Überlegenheit von Rivaroxaban andeuten, sind unter anderem mit defekten INR-Geräten zur Bestimmung des Blutgerinnungsstatus’ durchgeführt worden. Zudem waren 34 Prozent der Vergleichsgruppe unzureichend auf ihr Medikament, einen Vitamin-K-Antagonisten, eingestellt.
Da es sowohl im Bereich der Vitamin-K-Antagonisten als auch im Bereich der NOAKs Alternativen zu Rivaroxaban gibt, ist es derzeit ethisch nicht vertretbar, dieses Präparat zu verordnen und seitens der Firma Bayer zu vermarkten. Der Vorstand setzt sich jedoch über diese Bedenken hinweg. Deshalb ist ihm die Entlastung zu verweigern.
Der Vorstand der Firma Bayer wird zudem aufgefordert

• die Studiendaten, die zur Zulassung von Rivaroxaban führten, offenzulegen
• dafür zu sorgen, dass zeitnah ein geeignetes Antidot zur Verfügung gestellt
wird
• irreführende Werbung zu Rivaroxaban einzustellen
• Einflussnahme auf Leitliniengremien der Fachgesellschaften zu unterlassen

Um Mitteilung dieses Gegenantrags sowie der Begründung bitte ich gemäß §§ 125, 126 AktG. Die Aktionärinnen und Aktionäre werden gebeten, ihre Stimmrechte der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu übertragen.

Für den Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V.

[Xarelto] Pharma

CBG Redaktion

US-Gesundheitsbehörde hat Sicherheitsbedenken bei Bayers Xarelto

Washington, 17. Mär - Der Leverkusener Pharmakonzern Bayer kann wohl nicht auf eine schnelle Zulassung seines Hoffnungsträgers Xarelto in den USA setzen. Die US-Gesundheitsbehörde FDA erklärte am Dienstag, sie benötige Langzeitdaten, um das Risiko von Leberschäden durch das Thrombose-Mittel zu beurteilen. Xarelto sei wirksam bei Operationen, bei denen Patienten künstliche Hüft- und Kniegelenke erhielten. Bei größeren orthopädischen Eingriffen haben Patienten ein hohes Risiko für Thromboembolien, da die großen Beinvenen geschädigt werden.

Der Bayer-Gerinnungshemmer verursache auch mehr Blutungen als andere Behandlungen, beschrieb die FDA weitere Sicherheitsbedenken. Die Bayer-Aktie baute ihre Verluste nach der FDA-Mitteilung aus und lag am Nachmittag vier Prozent im Minus bei 35 Euro.

Xarelto ist für die Leverkusener neben dem Krebsmittel Nexavar das wichtigste neue Medikament. Bayer-Chef Werner Wenning traut der Pille weltweit Jahresumsätze von mehr als zwei Milliarden Euro zu. Bayer kooperiert bei Xarelto mit dem US-Pharmakonzern Johnson & Johnson, der in den USA den Zulassungsantrag federführend betreibt.

[Gegenantrag] Gegenanträge BAYER HV

CBG Redaktion

14. März 2012

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute einen weiteren Gegenantrag zur BAYER-Hauptversammlung am 27. April in Köln eingereicht. Die Gegenanträge werden auch auf der website des Konzerns veröffentlicht.

Hauptversammlung am 27. April 2012

Hiermit zeige ich an, dass ich zu Punkt 2 und 3 der Tagesordnung den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrats widerspreche und die anderen Aktionäre veranlassen werde, für die folgenden Gegenanträge zu stimmen. Um Mitteilung der Gegenanträge sowie der Begründung darf ich gemäß §§ 125, 126 AktG bitten.

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet

Begründung: Die Bedenken bezüglich der Sicherheit des Gerinnungshemmers Xarelto konnten bislang nicht ausgeräumt werden. Bei Studien mit dem Medikament ist es wiederholt zu Todesfällen gekommen. Xarelto wird zudem mit unlauteren Methoden vermarktet.

Die britische Behörde National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) lehnt den Einsatz von Xarelto im staatlichen Gesundheitssystem derzeit ab. Weder zur Schlaganfallprävention noch zur Behandlung von tiefen Venenthrombosen wird eine Verwendung empfohlen.
Auch Berater der amerikanischen Aufsichtsbehörde Food and Drug Administration (FDA) kamen im vergangenen September zu dem Ergebnis, dass Xarelto gegenüber dem seit langem verwendeten Gerinnungshemmer Warfarin (in Deutschland: Marcumar) keinen therapeutischen Zusatznutzen bietet. Schlaganfälle kann Xarelto nicht häufiger verhindern als die etablierten und kostengünstigen Mittel. Zudem liegen bislang keine Langzeit-Studien zu den Nebenwirkungen des Präparats vor. Nach Meinung der FDA-Experten werfen die von BAYER eingereichten Studien insbesondere Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken auf.
Nach Aussage der FDA-Experten zeigte die von BAYER eingereichte Studie (Rocket-AF) nur deshalb eine vergleichbare Wirksamkeit von Warfarin und Xarelto, da die mit Warfarin behandelten Patienten keine optimale Dosis erhalten hatten. Bei größeren orthopädischen Eingriffen hätten Patienten ein hohes Risiko für Thromboembolien. Zudem verursache Xarelto mehr Blutungen als ältere Präparate.
Auch als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen möchte BAYER das Präparat einsetzen. Gegenüber bislang verwendeten Medikamenten konnte jedoch auch für diese Anwendung kein Vorteil gezeigt werden. Die sogenannte Magellan-Studie war laut BAYER lediglich darauf ausgelegt, bei mehr als 3.400 teilnehmenden Patienten nachzuweisen, dass Xarelto der Vergleichsmedikation „nicht unterlegen ist“. Selbst nach Aussage von BAYER wies das Präparat jedoch „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“ auf.
Aktuell strebt BAYER zudem eine Zulassung zur Nachbehandlung des akuten Koronar-Syndroms (ACS) an. Das Präparat soll in Kombination mit einer anderen Therapie der nochmaligen Entstehung von Blutgerinnseln in den Herzkranz-Arterien vorbeugen. In den Tests zeigten sich allerdings auch deutlich die Risiken der Arznei: so erlitten Xarelto-Proband/innen häufiger schwere Blutungen als die Test-Personen, welche die bisherige Standard-Medikation erhielten.
Der Zulassungsprozess von Xarelto gestaltete sich wegen der vielen Nebenwirkungen und der ungeklärten Langzeitwirkung von Beginn an schwierig. In Indien waren mindestens vier Proband/innen bei Xarelto-Studien ums Leben gekommen. BAYER hat den Hinterbliebenen jeweils bloß 5.250 Dollar Entschädigung gezahlt. Xarelto wird daher in den USA mit einem Warnhinweis versehen, wonach Patienten das Medikament nicht ohne ärztliche Rücksprache absetzen sollten, da sonst das Risiko von Schlaganfällen steigt.
Deutliche Unterschiede zeigen sich im Preis: die bisherige Standard-Medikation Warfarin kostet in den USA 25 Cent pro Tablette, Xarelto hingegen soll sechs Dollar kosten.
Zu kritisieren ist auch das Marketing für Xarelto. BAYER versendet in großem Umfang unverlangte Muster an Allgemeinärzte – ein klarer Verstoß gegen das deutsche Arzneimittelgesetz. Das Gesetz verlangt, dass Muster nur auf schriftliche Anforderung verschickt werden dürfen. Die Regelung wird von BAYER umgangen, indem dem Muster ein angeblicher Quittungszettel beiliegt, der sich als Musteranforderung entpuppt.
Die zahlreichen Meldungen über Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden lassen eine breite Verwendung von Xarelto zur Schlaganfall-Prophylaxe nicht ratsam erscheinen. Präparate, die gegenüber älteren Mitteln keinen Vorteil bieten, sollten grundsätzlich nicht zugelassen werden.

Gegenantrag zu TOP 3: Der Aufsichtsrat wird nicht entlastet

Begründung: Fast neun Milliarden Euro gab BAYER im vergangenen Geschäftsjahr für Werbung und Vertrieb aus. Unter diesen Posten fällt der gesamte Graubereich des Pharma-Marketings: Medikamentenproben, Ärzte-Fortbildungen, Pharmareferenten, etc. Für die Forschung wurde im selben Zeitraum nur 2,9 Mrd. Euro aufgewendet. Einmal mehr zeigt sich, dass die hohen Medikamentenpreisen nicht durch Entwicklungskosten, sondern durch das exorbitante Marketing verursacht werden. Der Vorstand trägt hierfür die Verantwortung.

Den Aktionären werden Informationen über die Vertriebs- und Marketing-Ausgaben vorenthalten. Obwohl diese mit 8,96 Milliarden Euro ein Viertel des Umsatzes von BAYER verschlingen, hüllt sich der Konzern über den Verbleib dieser Summe in Schweigen. Ganze acht Zeilen des 265-seitigen Geschäftsberichts widmen sich diesem Ausgabeposten, der immerhin der zweitgrößte nach den Arbeitskosten ist. Nirgendwo in den von BAYER vorgelegten Zahlen wird der Betrag weiter aufgeschlüsselt - riesige Summen lassen sich auf diese Weise bequem verstecken.
In dem Milliardenbetrag verbergen sich all die Aufwendungen, mit denen die Öffentlichkeit - Ärzte, Politiker, Fachgesellschaften, Aufsichtsbehörden, Medien - beeinflusst werden soll:

=> Werbung in Zeitungen und Zeitschriften, TV und elektronischen Medien;
=> Medikamentenproben für Ärzte und Krankenhäuser,
=> Ausgaben für Lobby-Verbände,
=> Kosten für Pharmareferenten (die Vertriebskosten, in denen die Ausgaben für Pharma-Drücker verbucht werden, machen allein über vier Milliarden Euro aus);
=> Anwendungs-Studien, deren Ergebnisse meist in der Schublade verschwinden;
=> Zuwendungen an medizinische Fachgesellschaften und Selbsthilfegruppen;
=> Finanzierung von Fortbildungen und Ärzte-Kongressen, etc.

Die Westdeutschen Zeitung kommentierte die erneut gestiegenen Werbeausgaben denn auch passend: „Das riecht nach Mauscheleien zwischen Pharma-Firmen, Ärzten und Apothekern“.
Gleichzeitig sind die Forschungs- und Entwicklungskosten im vergangenen Jahr auf 2,9 Mrd. Euro gesunken. Sogar eigene Entwicklungsabteilungen hat BAYER geschlossen. Dies widerspricht der Aussage zum Dienstantritt von Marijn Dekkers: „Meine größte Aufgabe sehe ich darin, die Innovationskraft zu stärken“ (FAZ vom 21. Januar 2011).
Als neuen Tummelplatz für Marketing-Aktivitäten hat BAYER insbesondere das Internet entdeckt. Immer mehr Geld fließt in diesen Bereich. Da Werbung für verschreibungspflichtige Arzneien verboten ist, werden die websites als „Informationsangebot“ getarnt. Seiten wie www.pille.com haben jedoch trotz aller Ratgeber-Anmutung nur den einen Zweck: den Absatz der Präparate aus dem Hause BAYER zu erhöhen.
Für die Potenz-Pille LEVITRA erfüllt diesen Zweck die schlüpfrige Seite LoveGent.de. Diese kommt als Männermagazin daher, bietet einschlägige Artikel zu den Themen „Die schnelle Nummer“, „Männerspielzeug“ oder „Prostitution“ nebst „Experten“-Rat von Dr. Frank Sommer. Häufig ist auf der Seite von Potenzmitteln die Rede, selbstverständlich unter Ausklammerung ihrer Nebenwirkungen wie Hör- und Sehschäden oder temporärem Gedächtnisverlust. Erst im Kleingedruckten findet sich ein Hinweis auf die BAYER-Tochter JENAPHARM als Urheberin der Seite.
Eine sich ähnlich tarnende Website von BAYER ist www.testosteron.de. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, Testosteronmangel als angebliche Männer-Krankheit zu etablieren und die entsprechenden Pillen an den Mann zu bringen. Dabei ist weder belegt, ob Hormon-Gaben gegen Alters-Beschwerden helfen, noch sind die Langzeit-Risiken einer Testosteron-Behandlung geklärt.
Auch in der realen Welt operiert BAYER gerne in Graubereiche des Marketings. So engagiert BAYER Mediziner für sogenannte Beobachtungsstudien, etwa mit dem Multiple-Sklerose-Präparat BETAFERON. Die Ärzte entlocken ihren Patienten ein paar Angaben zur Verträglichkeit des Medikamentes und füllen einen kleinen Fragebogen aus. Einen wissenschaftlichen Wert hat das Ganze nicht. Die Angaben dienen nur dazu, Zuwendungen an Ärzte zu legitimieren und die Kranken auf die neue Arznei einzustellen.
Ebenso fragwürdig ist das Sponsoring von Selbsthilfegruppen. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter- und Multiple-Sklerose-Vereinigungen.
Zu kritisieren ist zudem der massive Lobby-Einsatz, mit dem BAYER das EU-weite Werbeverbot für verschreibungspflichtige Präparate kippen will. Die Folge wäre noch mehr Marketing unter dem Siegel der „Patienten-Information“.
Der Aufsichtsrat schreitet bei der Verschleierung der Marketing-Ausgaben nicht ein und duldet auch fragwürdige Werbe-Methoden. Daher ist ihm die Entlastung zu verweigern.

[Pharma] Hauptversammlung 2014

CBG Redaktion

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute Gegenanträge zu gefährlichen Pharmaprodukten zur BAYER-Hauptversammlung am 29. April in Köln eingereicht. Die Gegenanträge werden auch auf der website des Konzerns veröffentlicht.

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet

Der BAYER-Konzern vermarktet eine Vielzahl gefährlicher Pharma-Produkte. Der Vorstand trägt hierfür die Verantwortung, weswegen ihm die Entlastung zu verweigern ist. Es folgt eine Auswahl aktueller Problemfälle.

Medikamente nur für Reiche
Der BAYER-Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers äußerte sich im Dezember zur Einführung des Krebsmittels NEXAVAR wie folgt: „Wir haben dieses Medikament nicht für den indischen Markt entwickelt, um ehrlich zu sein. Wir haben es für Patienten im Westen entwickelt, die es sich auch leisten können.“
Die Aussage von Herrn Dekkers bietet einen aufschlussreichen und zugleich erschreckenden Blick in das Innenleben der Pharmaindustrie: nicht medizinische Notwendigkeiten sind entscheidend bei der Entwicklung neuer Präparate, sondern allein der Profit. BAYER geht es nicht darum, dass viele Menschen von einem Medikament profitieren. Vielmehr wird die Forschungs- und Verkaufspolitik gezielt so gestaltet, dass die höchsten Preise erzielt werden können - unabhängig davon, wie vielen Menschen dadurch der Zugang zu Medikamenten verwehrt bleibt.
Da die Pharmaindustrie für das Marketing weit mehr ausgibt als für die Forschung, zielt auch das Argument ins Leere, wonach die hohen Preise für die Entwicklung neuer Präparate notwendig wären. BAYER gibt für Vertrieb und Marketing über zehn Milliarden Euro aus - etwa das Dreifache der Forschungsausgaben.

Risiken von XARELTO
Weiterhin drückt BAYER mit allen Mitteln den neuen Gerinnungshemmer XARELTO in den Markt – auch für Indikationen, bei denen eine Wirksamkeit nicht belegt ist.
So gibt es bislang keine Studien, die bei der Behandlung von Vorhofflimmern einen Vorteil von XARELTO gegenüber gut eingestellten Marcumar-Patienten nachweisen. Das unabhängige arznei-telegramm rät von einer Verordnung daher generell ab. XARELTO reduziere weder Schlaganfälle plus systemische Embolien noch die Rate relevanter Blutungen. Dass das Medikament unter den neuen Gerinnungshemmern die höchsten Verschreibungszahlen aufweist, sei nur durch das exorbitante Marketing und durch Einflussnahme auf medizinische Fachgesellschaften erklärbar.
Auch zur Behandlung des Akuten Koronarsyndroms (ACS) ist XARELTO nicht zu empfehlen. Die US-Behörde FDA verweigerte wegen der mangelhaften Qualität der von BAYER vorgelegten Studien hierfür gar die Zulassung. Bei über 10% der Patien-ten war der Beobachtungszeitraum so knapp bemessen, dass am Studien-Ende nicht einmal bekannt war, ob der Patient noch lebt. Zudem ergab eine stichprobenartige Überprüfung der Primärdaten, dass mehrere Todesfälle unter XARELTO unter den Tisch gefallen waren. Hinzu kommt, dass das Ergebnis durch Ausschluss uner-wünschter Daten - offenbar bewusst - verzerrt wurde.
Derweil explodiert die Zahl der gemeldeten Nebenwirkungen. Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurden im vergangenen Jahr für XARELTO 133 tödliche Verläufe und 1400 schwere Nebenwirkungen registriert.
Es darf nicht sein, dass BAYER aus Profit-Gründen ein Medikament vermarktet, an dessen Sicherheit es erhebliche Zweifel gibt. Der Konzern sollte aus den Skandalen mit LIPOBAY, TRASYLOL und YASMIN gelernt haben. Präparate, die gegenüber älteren Mitteln keinen Vorteil bieten, sollten grundsätzlich nicht zugelassen werden.

Gefährliche Antibaby-Pillen
Antibabypillen mit dem Wirkstoff Drospirenon haben gegenüber älteren Pillen ein zwei- bis dreifach erhöhtes Thrombose- und Embolierisiko. Allein in Deutschland lie-ßen sich pro Jahr rund 250 schwere Embolien vermeiden, wenn alle Frauen mit Kontrazeptiva der 2. Generation verhüten würden.
Obwohl BAYER alles tut, um den vielen Tausend Opfern (darunter hunderte von To-desfällen) die Entschädigung zu verweigern, hat der Konzern inzwischen 1,7 Milliarden Dollar an über 8.000 betroffene Frauen gezahlt. Trotzdem verweigert der Konzern eine Entschuldigung und hält an der Vermarktung fest. Zynischerweise gehört BAYER sogar zu den Sponsoren des „Weltthrombosetags“, der auf die Risiken von Thromboembolien aufmerksam machen soll.

Antibiotika in der Tierzucht
Zwar ist die Menge der in der Tierzucht eingesetzten Antibiotika leicht rückgängig. Weiterhin werden jedoch in der Intensiv-Tierhaltung rund sieben Mal so viele Bakterizide eingesetzt wie in der Humanmedizin. Und ausgerechnet die Verwendung des von BAYER vertriebenen Präparats BAYTRIL aus der Klasse der Fluorchinolone wächst: die jüngsten verfügbaren Zahlen zeigen in Deutschland einen Anstieg um 25% gegenüber dem Vorjahr.
BAYTRIL ist eng verwandt mit den in der Humanmedizin verwendeten Reserve-Antibiotika Ciprofloxacin und Moxifloxacin. Durch den massenhaften Einsatz in der Tiermast bilden sich immer mehr resistente Keime, so dass die Präparate ihre Wirk-samkeit verlieren. Die WHO fordert seit Jahren ein Verbot des massenhaften Einsat-zes von Antibiotika in der Tierzucht. Dies dürfte ein Grund dafür sein, dass BAYER den Umsatz von BAYTRIL im aktuellen Geschäftsbericht verheimlicht.

Xarelto

CBG Redaktion

Presseerklärung vom 5. März 2013
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Sicherheitsrisiko Xarelto

Erneute Bedenken der FDA gegen Gerinnungshemmer / BfArM: 58 Todesfälle in Deutschland / „kein Vorteil aus Behandlung mit Xarelto“

In den USA verzögert sich erneut die Zulassung von BAYERs Gerinnungshemmer Xarelto zur Nachbehandlung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie. Statt eine Zustimmung zur Vermarktung zu erteilen, hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in einem „Complete Response Letter“ an BAYER weitere Daten zur Sicherheit des Präparats angefordert. Einen ersten solchen Brief hatte sie dem Leverkusener Multi bereits im Februar 2012 zugestellt, da er in den eingereichten Test-Unterlagen drei Todesfälle nicht dokumentiert hatte.

Schon bei den Genehmigungsprozessen zu den Indikationen „Thrombose-Prophylaxe nach dem Einsetzen künstlicher Hüft- oder Kniegelenke“ und „Schlaganfall- und Embolie-Prophylaxe bei PatientInnen mit Vorhofflimmern“ hatte es in den Vereinigten Staaten Probleme gegeben. Die Aufsichtsbehörden warfen dem Konzern unter anderem vor, die Proband/innen, die in der Vergleichsgruppe das Präparat Warfarin einnahmen (verwandt mit Marcumar), nicht richtig mit dem Medikament eingestellt zu haben.

Wie berechtigt diese Skepsis ist, zeigen die Daten des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM), die die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) auf Anfrage erhielt: die Behörde registrierte demnach allein im vorigen Jahr 58 Meldungen über „tödliche Verläufe“ nach der Einnahme von Xarelto und 750 über schwere Nebenwirkungen wie Blutungen. Auch wenn „ein Kausalzusammenhang im Einzelfall nicht sicher belegt ist“, wie das BfArM betont, schockieren diese Zahlen.

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Es kann nicht sein, dass BAYER nur aus Profit-Gründen ein Medikament in den Markt drückt, an dessen Sicherheit es erhebliche Zweifel gibt. Der Konzern sollte aus den Pharma-Skandalen mit LIPOBAY, TRASYLOL und YASMIN gelernt haben.“ Nach Auffassung der CBG sollten Präparate, die gegenüber älteren Mitteln keinen Vorteil bieten, grundsätzlich nicht zugelassen werden.

Während das BfArM das Nutzen/Risiko-Potenzial von Xarelto (Wirkstoff Rivaroxaban) und dem ebenfalls umstrittenen Boehringer-Fabrikat Pradaxa (Wirkstoff Dabigatran) trotzdem positiv beurteilt, raten medizinische Fachkreise von der Verwendung des Produkts ab. Sie plädieren dafür, weiter an dem bewährten Marcumar, einem zur Gruppe der Cumarine gehörenden Vitamin-K-Antagonisten mit dem Wirkstoff Phenprocoumon, festzuhalten.

„In der Therapie und Rezidiv-Prophylaxe von Thromboembolien sehen wir Rivaroxaban nur bei Kontraindikationen für Cumarine als Option. Bei Vorhofflimmern ist es unseres Erachtens dritte Wahl nach Cumarinen und Dabigatran (Pradaxa)“, konstatiert das industrie-unabhängige arznei-telegramm. Und die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ (AkdÄ) stellt fest: „Insgesamt ergibt sich aus Sicht der AkdÄ für Patienten in Deutschland, die zur Prophylaxe kardioembolischer Erkrankungen bei Vorhofflimmern mit Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon gut zu behandeln sind, kein Vorteil aus einer Therapie mit Dabigatran oder Rivaroxaban. Ihr Einsatz sollte sich auf Patienten beschränken, für die Vitamin-K-Antagonisten keine Therapie-Option sind.“

Neben dem Preis – es ist 15-mal billiger als Xarelto – spricht für Marcumar vor allem, dass es zu ihm im Gegensatz zum BAYER-Produkt ein Gegenmittel gibt, das gegebenenfalls schwere Blutungen stoppen kann.

Nur mittels einer riesigen Marketing-Maschinerie gelang es BAYER, das Mittel in den Markt zu drücken. Nicht umsonst hatte es der jetzige Unternehmenschef Marijn Dekkers schon bei seinem Amtsantritt zu einer Hauptaufgabe erklärt, „die Vermarktung unserer Innovationen zu verbessern“. Und so investierte der Pharma-Riese Unsummen in Miet-ExpertInnen, „ÄrztInnen-Fortbildungen“, Anzeigen-Kampagnen in Fachblättern, Pharma-BeraterInnen und Logistik. Er schreckte nicht einmal davor zurück, MedizinerInnen Muster per Post zuzuschicken, obwohl dies bereits seit langem verboten ist.

weitere Informationen zur Xarelto-Kampagne