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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

Kampagne Chemiewaffen

CBG Redaktion

März 1991 — Zeitungsanzeige zum Golfkrieg

Verantwortung für Chemiewaffen: Ohne Wenn und Aber.

Die Deutschen Chemiekritiker

Erwiesenermaßen waren zahlreiche bundesdeutsche Firmen am Aufbau von Chemiewaffen-Produktionsanlagen im Nahen Osten beteiligt.
Im Zusammenhang mit dem Golfkrieg wird aber auch eine deutsche Beteiligung an der Lieferung von Chemikalien für die Produktion von Chemiewaffen und der Entwicklung der Kampfstoffe selbst diskutiert. Hierzu stellen wir fest:

Chemiewaffen bauen auf der Produktion und dem Know How der deutschen chemischen Industrie, insbesondere des BAYER-Konzerns auf. Von dem Kampfgasen des Ersten Weltkriegs bis zum aktuellen VX-Kampfstoff der US-Armee: BAYER-Patente waren Schrittmacher dieser Kriegstechnologie!

HIV-belastete Blutprodukte

CBG Redaktion

Tödliche Blutpräparate

Zu Beginn der 1980er Jahre wurde AIDS erstmals beschrieben. Relativ schnell wurde klar, dass die Krankheit auch durch Blutprodukte übertragen wird. Die BAYER-Tochter Cutter, der damalige Weltmarktführer, versuchte zunächst, die Risiken zu verharmlosen. Trotz Kenntnis der verheerenden Folgen verkaufte sie den unsicheren Gerinnungsfaktor weiter, obwohl bereits erster Test- und Inaktivierungsverfahren vorlagen. Tausende Bluter bezahlten mit Ihrem Leben.

Beirut ist überall

CBG Redaktion

Die Katastrophe von Beirut kostete über 220 Menschen das Leben, weitere 6.000 trugen zum Teil schwere Verletzungen davon, Hunderttausende wurden obdachlos. Die Großexplosion offenbarte wieder einmal, welche Gefahren der industrielle Umgang mit chemischen Stoffen birgt. Aber die VertreterInnen von BAYER & Co. wiegelten ab. Dabei genügt schon ein kurzer Blick auf die Störfall-Liste des Leverkusener Multis, um sie eines Besseren zu belehren.

Von Jan Pehrke

„Wir saßen in unserem Wohnzimmer, und plötzlich fielen uns die Wand und Glas auf den Kopf“, so beschreibt ein Beiruter die Folgen der Explosion, welche die Stadt am 4. August 2020 erschütterte. Viele BewohnerInnen überlebten das nicht. Die Detonation von 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat im Hafen der Metropole riss über 220 Menschen in den Tod, fügte 6.000 zum Teil schwere Verletzungen zu und machte 300.000 zu Obdachlosen.

Das Unglück rückte wieder einmal die Gefahren der Chemie-Produktion in den Fokus. Rund 80 kleinere und größere Störfälle allein in Nordrhein-Westfalen binnen der letzten zehn Jahre zählte der WDR. Trotzdem gab der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) Entwarnung. Hierzulande werde alles sorgfältig kontrolliert, so Hans-Jürgen Mittelstaedt vom nordrhein-westfälischen Landesverband der Lobby-Organisation zu den ReporterInnen der Aktuellen Stunde. „Wenn eine Anlage in Betrieb gegangen ist, dann gibt es eine regelmäßige behördliche Überwachung durch die Bezirksregierung (...) Je höher das Risiko-Potenzial durch Stoffe ist, desto regelmäßiger und auch schneller wird eine solche Überwachung durchgeführt“, tat Mittelstaedt kund. Marius Stelzmann von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) vertrat in der Sendung naturgemäß eine ganz andere Meinung, hatte die Coordination sich doch 1978 nach einer Reihe von Beinahe-Katastrophen im Wuppertaler BAYER-Werk gegründet und ihrer seither geführten Unfall-Liste jedes Jahr neue Einträge hinzufügen müssen. „Die Kontroll-Mechanismen, die wir haben, sind den großen Mengen der gefährlichen Substanzen und dieser Form der Produktion nicht angemessen. Man könnte sich zum Beispiel auch fragen: Ist es – und das ist auch die Kritik, die wir haben – ist es richtig, dass so große Mengen von so hoch gefährlichen Chemikalien in der Nähe von Wohngebieten eingelagert werden?“, gab der CBG-Geschäftsführer zu bedenken.

Die CBG hatte sich jahrzehntelang bemüht, von BAYER genauere Angaben über das Ausmaß der an den Standorten vorgehaltenen risikoreichen Stoffe zu erhalten. Der Konzern verwies jedoch auf das Betriebsgeheimnis und hüllte sich in Schweigen. 2011 und 2012 stellte die Coordination dann offizielle Anfragen nach dem Umweltinformationsgesetz und bekam so die gewünschten Auskünfte. Und was sie da in Erfahrung bringen konnte, gab Grund zur Beunruhigung. So lagerte am Stammsitz Leverkusen allein die inzwischen abgestoßene Kunststoff-Sparte 1.600 Tonnen sehr giftiger, 9.200 Tonnen giftiger Stoffe und 3.400 Tonnen leicht entzündlicher Flüssigkeiten ein. Unter anderem befanden sich damals 42 Tonnen des Giftgases Phosgen in den Beständen.

Zum letzten großen Knall bei BAYER kam es im Jahr 2008. Am US-amerikanischen Standort Institute ging ein Rückstandsbehälter in die Luft und schlug in eine Anlage zur Herstellung des Pestizids Methomyl ein. Von „Schockwellen wie bei einem Erdbeben“ berichteten AugenzeugInnen damals. Zwei Beschäftigte starben durch die Detonation. Dabei hätte alles noch schlimmer kommen können, wenn nämlich der Kessel den Tank mit dem Ackergift Methylisocyanat (MIC) getroffen hätte. „Die Explosion in dem BAYER-Werk war besonders beunruhigend, weil ein mehrere Tonnen wiegender Rückstandsbehälter 15 Meter durch das Werk flog und praktisch alles auf seinem Weg zerstörte. Hätte dieses Geschoss den MIC-Tank getroffen, hätten die Konsequenzen das Desaster in Bhopal 1984 in den Schatten stellen können“, hieß es in dem Untersuchungsbericht des US-Kongresses zum Unglück. Weil die US-Aufsichtsbehörde CSB in Institute „schwerwiegende Sicherheitsmängel“ ausmachte, musste der Leverkusener Multi eine Strafe in Höhe von einer Million Dollar zahlen und zusagen, 4,6 Millionen in Vorsorge-Maßnahmen zu investieren.

Aber der Konzern hat auch so seine eigenen Erfahrungen mit dem in Beirut detonierten Ammoniumnitrat. Diese auch „Ammoniak-Salpeter“ oder „brennbarer Salpeter“ genannte Substanz gehört zu den „Dual Use“-Gütern. Sie kann sowohl als Basis zur Produktion von Düngemitteln als auch von Sprengstoff dienen. Und Anfang des 20. Jahrhunderts interessierten hierzulande vor allem die explosiven Eigenschaften. Die erste Marokko-Krise hatte damals die Gefahr einer See-Blockade durch England heraufbeschworen, was das Deutsche Reich von Salpeter-Zufuhren aus Chile abgeschnitten hätte. Darum fingen die Chemie-Firmen an, mit der synthetischen Herstellung des Stoffes zu experimentieren. BAYER begann 1906 mit entsprechenden Versuchen, stellte diese aber wieder ein, als die außenpolitische Lage sich wieder zu entspannen schien. Durchsetzen konnte sich schließlich das von dem Wissenschaftler Fritz Haber gemeinsam mit Carl Bosch von BASF entwickelte Verfahren, auf chemischem Weg Ammoniak herzustellen. Diesem brauchte dann nur noch Salpetersäure beigegeben werden, um Ammoniumnitrat zu erhalten. 1910 erhielten die beiden Männer dafür das Patent. Schon vier Jahre später sollte es eine große Bedeutung erlangen. Gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs hatte Großbritannien nämlich die Nordsee dichtgemacht und Deutschland damit den Weg zum sogenannten Chile-Salpeter verbaut. Da trat jedoch die heimische Chemie-Industrie auf den Plan. Haber und Bosch schlossen sich mit dem damaligen BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg kurz und gaben der Obersten Heeresleitung gemeinsam das sogenannte Salpeter-Versprechen. Das Trio sicherte den Generälen zu, ausreichend Sprengstoff für die Pläne der Militärs zu liefern. Duisberg & Co. hatten damit nach eigenem Bekunden „den Krieg gerettet“ – und dem Staat so ganz nebenbei auch noch Abnahme-Garantien zu Festpreisen und Finanzspritzen zum Ausbau der Produktionskapazitäten abgerungen.

Die BASF machte sich sogleich daran, die Fabrik am Standort Oppau umzurüsten und in Leuna ein neues Werk zur Ammoniak-Synthese hochzuziehen, wofür das Unternehmen staatliche Subventionen in Höhe von 400 Millionen Reichsmark erhielt. BAYERs nach dem Haber/Bosch-Verfahren arbeitende Anlage nahm indessen im März 1915 ihren Betrieb auf. Das fertige Ammoniumnitrat kam dann unter anderem bei der Produktion von TNT zum Einsatz. Für die Produktion solcher Sprengstoffe baute das Unternehmen in Köln-Flittard eine eigene Fertigungsstätte auf, die einen beträchtlichen Ausstoß hatte. Allein an TNT braute sie pro Monat 250 Tonnen zusammen. Daneben spezialisierte sich der Konzern während des Krieges vor allem auf chemische Kampfstoffe.

Bei den mit Ammoniumnitrat in Zusammenhang stehenden chemischen Prozessen ereigneten sich immer wieder schwere Unfälle. 1897 brach in einem Salpetersäure-Lager am BAYER-Standort Wuppertal ein Feuer aus, woraufhin sich giftige Untersalpetersäure-Dämpfe bildeten. 1917 gingen in Köln-Flittard 60.000 Kilogramm TNT hoch und rissen acht Arbeiter in den Tod. Hunderte Beschäftigte trugen Verletzungen davon. Die Spur der Verwüstung zog sich von der Flittarder Anlage bis hin zu den Leverkusener Werken. Die schlimmste Katastrophe aber geschah 1921 bei der BASF in Oppau. 559 Menschenleben kostete die Explosion von 400 Tonnen Ammoniumsulfatnitrat. Und dass die Gefahr bis heute nicht gebannt ist, zeigt nicht allein Beirut. Im Jahr 2001 entzündeten sich im französischen Toulouse mehrere hundert Tonnen Ammoniumnitrat, das in der Giftmüll-Deponie eines Düngemittel-Unternehmens lagerte. Die Bilanz: 31 Tote und über 2.500 Verletzte.

Auch die Sprengstoffe, welche die Chemie-Firmen im Ersten und Zweiten Weltkrieg auf der Basis von Ammoniumnitrat oder anderen Substanzen entwickelten, bergen immer noch ein Gefährdungspotenzial. Die Reste davon wurden nämlich zusammen mit chemischen Kampfstoffen, Minen, Bomben und Granaten einfach in der Ost- und Nordsee entsorgt. Rund 1,6 Millionen Tonnen davon lagern in den Gewässern. Und sie schlummern nicht einfach friedlich auf dem Meeresgrund. Immer wieder kommt es zu Unfällen, etwa wenn FischerInnen Sprengstoffe ins Netz gehen oder die Behältnisse durchrosten und die Stoffe austreten und an die Strände gelangen.
Der Biologe Dr. Stefan Nehring zählte bis Ende 2015 418 Todesfälle und 720 Verletzte. Auf der letzten BAYER-Hauptversammlung im April 2020 forderte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN den Global Player auf, sich an den Bergungsarbeiten zu beteiligen. Aber davon wollte der Vorstand nichts wissen. Und auch nach Beirut dürfte er seine Meinung nicht geändert haben.

[Berninger] BAYERs Mann für Grüne

CBG Redaktion

Der neue Konzern-Lobbyist Matthias Berninger

Um BAYERs Image war es schon vor dem MONSANTO-Deal nicht zum Besten bestellt. Die Übernahme des US-Konzerns, dem der Makel „schlimmstes Unternehmen der Welt“ anhängt, ruinierte den Ruf noch zusätzlich. Da mussten Image-Korrekturen her. Und wer könnte diese besser vornehmen als ein Mann mit einer Vergangenheit als Grünen-Politiker, dachte sich der Leverkusener Multi und verpflichtete Matthias Berninger.

Von Jan Pehrke
MONSANTO bereitet BAYER nicht bloß wegen der vielen Klagen in Sachen „Glyphosat“ Sorgen. Das schlechte Image, das dem US-Konzern anhaftet, tut ein Übriges. Mit dem Ruf des Leverkusener Multis war es zwar auch nie zum Besten bestellt, aber was jetzt noch erschwerend hinzukam, war selbst einigen AnlegerInnen zu viel. „BAYER hat unterschätzt, dass viele Investoren mittlerweile auch darauf achten, ihr Geld nachhaltig anzulegen“, sagt der Fonds-Manager Ingo Speich vom Vermögensverwalter UNION INVESTMENT. Und seine Kollegin Janne Werning sekundiert: „Reputation ist eine reale Wirtschaftsgröße.“ Das merkte der Global Player konkret, als er im September 2018 aus dem „DOW JONES Nachhaltigkeitsindex“ flog und seine Aktie danach aus vielen Depots verschwand.

Der Tatort-Reiniger
Es gab also Greenwashing-Bedarf. Und wer könnte so einen Job besser erledigen als ein ehemaliger Grünen-Politiker, dachte sich das Unternehmen und engagierte Matthias Berninger, obwohl dieser nicht mehr so ganz farbecht war. Nach seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter, parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium unter Renate Künast und wirtschaftspolitischer Sprecher hat er nämlich bereits beim Schokoriegel-Fabrikanten MARS Lobby-Dienste für Konzerne verrichtet. Beim Agro-Riesen leitet Berninger nun den Bereich „Public Affairs, Science & Sustainability“, den die Aktiengesellschaft extra für ihn geschaffen hat. Zu der Personalie hieß es beim Leverkusener Multi nur knapp: „Der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“

Daneben engagierte das Unternehmen mit Ertharin Cousin, die ehemalige Direktorin des Welternährungsprogrammes der Vereinten Nationen, als Aufsichtsrätin. Bluewashing pur. „Mit ihrer außergewöhnlichen Erfahrung im Ernährungsbereich sowie in der US-Regierung und bei den Vereinten Nationen rundet sie das Kompetenz-Profil des Aufsichtsrats in idealer Weise ab“, so der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning.

„Die Botschaft: BAYER wird ökologisch und sozial“, meinte Zeit online zum PR-Coup des Konzerns mit Matthias Berninger und Ertharin Cousin. Die Wirtschaftswoche wartete in ihrem Berninger-Porträt gleich mit einer Arbeitsplatz-Beschreibung auf: „Der Tatort-Reiniger von BAYER“. Die gesamte Branche hat es indessen laut Handelsblatt als „geschickte(n) Schachzug der BAYER-Führung gewertet, einen aus den Reihen der Öko-Bewegung als neuen Chef-Lobbyisten zu verpflichten“. Und Berninger selber ließ es sich nicht nehmen klarzustellen, er sei nicht trotz seiner grünen Überzeugung zum Agro-Riesen gegangen, sondern gerade deshalb. Und auch nicht trotz, „sondern wegen der Übernahme von MONSANTO“. „Ich tat es, weil es meine feste Überzeugung ist, dass das Unternehmen wie kaum ein anderes in der Welt dazu beitragen kann, die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen“, meinte er trotzig in einem Spiegel-Interview.

Bei seinem ersten größeren Arbeitseinsatz im Mai 2019 musste der Mann sich aber erst einmal profaneren Dingen widmen. Da waren nämlich tatsächlich sofort seine Qualitäten als „Tatort-Reiniger“ gefragt, bescherten die sogenannten MONSANTO-Listen BAYER doch einen PR-Gau, der für Negativ-Schlagzeilen satt sorgte. Tausende Personen hatte MONSANTO von 2014 bis 2018 nach Recherchen französischer Medien durch die Firma FLEISHMANHILLARD ausspionieren lassen. Bis ins Private hinein schnüffelte das Unternehmen. So standen unter anderem auch „Freizeit und andere Interessen (Golf, Tennis, Jagd, etc.)“ im Zentrum der Aufmerksamkeit. Mit all diesem Wissen legte der Nachrichtendienstleister dann Dossiers an und teilte die PolitikerInnen, JournalistInnen, MinisteriumsmitarbeiterInnen und Akti-vi-stInnen dabei in Kategorien wie „Verbündete“, „mögliche Verbündete“, „zu erziehen“ oder „im Auge behalten“ ein, um seinem Auftraggeber eine zielgenaue Pflege der politische Landschaft zu ermöglichen.

Berninger distanzierte sich zunächst von den Praktiken. Es gebe eine Reihe von Beispielen, „wo, um in der Fußball-Sprache zu sprechen, man nicht den Ball gespielt hat, sondern eher auf den Mann gegangen ist oder auf die Frau“, so der Reputationsmanager. Aber nur um dann gleich zu verharmlosen: „Aggressive Lobby-Arbeit ist bei US-Firmen weit verbreitet.“ Der Leverkusener Multi kennt so etwas nach seinem Dafürhalten hingegen nicht (mehr): „BAYER steht (...) seit vielen Jahren für einen anderen Weg.“ Und überhaupt: Es gebe keine Hinweise auf ein illegales Verhalten, es könne sich auch um einen „Sturm im Wasserglas“ handeln. Immerhin versprach Matthias Berninger „maximale Transparenz“. Aber weder er selbst noch der Konzern sorgten für diese. Lieber als über das Gestern wollte der Chef-Lobbyist über das Morgen reden: „Man kann jetzt krampfhaft an der Vergangenheit festhalten oder sich den großen Herausforderungen der Zukunft zuwenden. Wir halten Letzteres für deutlich wichtiger.“ Also delegierte das Unternehmen das, was es für eine Aufarbeitung der Affäre hielt, an einen externen Dienstleister. Er beauftragte die Anwaltskanzlei SIDLEY AUSTIN mit einem Untersuchungsbericht und hielt ein paar Monate später den bestellten Persilschein in den Händen. „Keine Hinweise auf illegales Verhalten“, vermeldete der Leverkusener Multi postwendend. Damit war dann für ihn das Kapitel beendet.

Das Gesellenstück
Sein Gesellenstück durfte Matthias Berninger erst Mitte Juni 2019 vorlegen. Da veröffentlichte BAYER in großen bundesdeutschen und US-amerikanischen Tageszeitungen eine ganzseitige Anzeige. Sie trug die Überschrift: „Wir haben zugehört. Und verstanden.“ Der Konzern verfolgte damit ein einziges Ziel: die Bedenken zu zerstreuen, mit denen er sich wegen der MONSANTO-Übernahme konfrontiert sah. „Darum beginnen wir mit dem heutigen Tag, höhere Maßstäbe für unser Handeln zu setzen: für Transparenz, Nachhaltigkeit und unseren Umgang mit allen Interessensgruppen“, verlautbarte der Global Player in der Annonce. Er versprach, beim Verkauf seiner Pestizide in Entwicklungsländern mehr Vorsicht walten zu lassen und die Ackergifte dort nur noch anzubieten, „wenn diese auch den Sicherheitsstandards einer Mehrheit der führenden Zulassungsbehörden entsprechen“. Zudem kündigte das Unternehmen an, die Umweltbilanz seiner Agro-Chemikalien verbessern zu wollen und bis 2019 fünf Milliarden Euro in die Suche nach Alternativen zu seinem umstrittenen Produkt Glyphosat zu investieren. Aber vorerst sollte alles beim Alten bleiben: „Glyphosat wird (...) weiterhin eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft und in unserer Produkt-Palette spielen“.
Zu den Risiken und Nebenwirkungen zählt der Konzern sowieso bloß „Unkraut-Resistenzen“. Alles andere schreibt er „unbeabsichtigten Fehlanwendungen“ zu. Mit der angekündigten Kraftanstrengung bei der Suche nach einem Glyphosat-Ersatz ist es auch nicht allzu weit her. Bei den in Aussicht gestellten fünf Milliarden handelt es sich nicht um Extra-Geld, die Summe ist, wie ein Unternehmenssprecher gegenüber der Nachrichten-Agentur Bloomberg einräumte, vielmehr Teil des existierenden Etats für Forschung & Entwicklung. Und die Vergiftungsraten in den Ländern des Südens dürften sich auch durch den Schritt hin zu einer einheitlicheren Vermarktungspraxis nicht merklich reduzieren, denn mit den doppelten Standards möchte der Leverkusener Multi nicht grundsätzlich Schluss machen. Dafür hätte er versichern müssen, in diesen Ländern künftig nur noch Pestizide mit einer EU-Genehmigung zu vertreiben, was er wohlweislich nicht tat.

Der zweite Aufschlag
Der zweite Aufschlag Berningers erfolgte am 10. Dezember 2019. An diesem Tag stellte der Global Player seine große Nachhaltigkeitsstrategie vor. „BAYER wird seine Nachhaltigkeitsziele mit dem gleichen Nachdruck verfolgen und darüber berichten wie seine Finanzziele“, verlautete aus der Konzern-Zentrale. So gelobte der Multi, bis zum Jahr 2030 ein klima-neutrales Unternehmen zu werden. Zu diesem Behufe gedenkt die Aktiengesellschaft, bei der Stromversorgung komplett auf Erneuerbare Energien umzusteigen und Ressourcen effizienter zu nutzen. Die verbleibenden Emissionen trachtet er zu kompensieren und zwar so, „dass CO2 im Boden gespeichert und Biodiversität gefördert wird“. Zudem will der Leverkusener Multi bis 2030 100 Millionen Kleinbauern und -bäuerinnen „in Ländern mit geringen und mittleren Einkommen“ unterstützen und dortselbst auch für 100 Millionen Menschen die Gesundheitsversorgung verbessern und 100 Millionen Frauen den „Zugang zu einer verantwortungsvollen Familienplanung ermöglichen“.

Wie eine runde Sache hört sich das indes nur wegen der glatten Zahlen an. In Wirklichkeit handelt es sich bei dem Paket um einen Flickenteppich aus vagen Ankündigungen, als Entwicklungshilfe getarnten Absatz-Strategien, Business as usual und teilweise hoch problematischen Elementen. Zudem erweist sich der Konzern als vergesslich: Die noch im Frühjahr unter dem „Wir haben zugehört. Und verstanden.“-Signum vorgestellten Maßnahmen, beispielsweise zum Umgang mit Pestiziden, fehlen in dem Sammelsurium.

In puncto „Klimawandel“ belässt es das Unternehmen bei Absichtserklärungen. Bei den Erneuerbaren etwa müsste der Leverkusener Multi binnen zehn Jahren von Null auf 100 kommen, ist bei ihm momentan doch nur ein „niedriger einstelliger Prozentsatz“ des Stroms made by Wind & Co. Auch die Rede vom „kompensieren“ macht skeptisch, denn da kommt Glyphosat ins Spiel. Der Global Player versucht das Mittel ungeachtet seines übergroßen CO2-Fußabdrucks bei der Herstellung als Klimaretter zu verkaufen, weil es den LandwirtInnen angeblich das Kohlendioxid freisetzende Pflügen erspare. Allerdings streiten die Agrar-ForscherInnen noch darüber, ob eine solche landwirtschaftliche Praxis wirklich das im Boden gebundene Kohlendioxid wieder entfesselt, und BAYERs Gewährsmann in dieser Frage, Professor P. Michael Schmitz, musste gerade seinen wissenschaftlichen Offenbarungseid leisten. Schmitz hat sich die Arbeit an solchen Sätzen wie „Mit einer angepassten Glyphosat-Strategie in der Fruchtfolge können ohne Ertragsreduzierung die Maschinen- und Arbeitskosten sowie der CO2-Ausstoß gesenkt werden“, nämlich von MONSANTO bezahlen lassen (siehe SWB 1/20). Dessen ungeachtet lancierte der Konzern im Juli 2020 die „Carbon Initiative“, in deren Rahmen er zunächst 1.200 LandwirtInnen aus Brasilien und den USA nach dem Motto „Von Pflugscharen zum CO2-Sparen“ dafür belohnen will, auf das Pflügen zu verzichten, was de facto auf eine Glyphosat-Prämie hinausläuft.
Und Menschen in „unterversorgten Regionen“ mit ASPIRIN, IBEROGAST und anderen nicht rezeptpflichtigen Arzneien zu fluten, wie der Pharma-Riese es vorhat, folgt nur dem Business-Plan, sich „low-income markets“ zu erschließen. Gleiches gilt für die – überdies alles andere als neue – Praxis des Unternehmens, mit freundlicher Unterstützung der „Bill & Melinda Gates Foundation“ und anderen Institutionen Familienplanung in den Ländern des Südens zu betreiben und dort Verhütungsmittel unter die Frauen zu bringen. BAYER hält es da mit dem ehemaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson: „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar.“

Dabei erweist sich besonders der Einsatz des Präparates JADELLE, das Matthias Berninger in der Telefon-Konferenz mit den InvestorInnen zur Nachhaltigkeitsstrategie als Beispiel nannte, als hoch problematisch. Das Medizinprodukt, das in den Oberarm implantiert wird und dort über einen Zeitraum von fünf Jahren Hormone abgibt, hat nämlich starke Nebenwirkungen. Noch dazu kommt es nach Angaben der Initiative „Population Council“ bei der Entfernung des Kontrazeptivums aus dem Körper in 7,5 Prozent der Fälle zu Komplikationen. Damit nicht genug, zeugt die Verwendung des Mittels von Paternalismus, Kolonialismus und Rassismus, ist es doch „provider controlled“, also von den Nutzerinnen nicht selbstbestimmt ein- und absetzbar und von einem Konzern des globalen Nordens entwickelt, der es in den „weißen“ Ländern aber als nicht vermarktbar erachtet.
Die annoncierte Unterstützung von Kleinbauern und -bäuerinnen erscheint ebenfalls mehr als fragwürdig, denn BAYER stellt dabei nur auf LandwirtInnen ab, die „markt-orientiert arbeiten“. Der Konzern fasst unter diese Kategorie FarmerInnen mit einem „geringen und mitterem Einkommen“ und einer bewirtschafteteten Fläche von bis zu 10 Hektar. Diese machen jedoch nur zehn bis 25 Prozent der kleinbäuerlichen ErzeugerInnen aus. Und mit was will der Agro-Riese diese Gruppe beglücken? Mit „quality inputs and good agricultural practices“, also mit Glyphosat & Co. „Lassen Sie die Kleinbauern in Ruhe, sie sind keine Opfer“, forderte der Hauptgeschäftsführer der kirchlichen Entwicklungshilfe-Organisation Misereor, Pirmin Spiegel, denn auch Matthias Berninger in einem von der Wochenzeitschrift Die Zeit arrangierten Streitgespräch auf. Sarah Schneider, Spiegels Kollegin beim größten katholischen Hilfswerk stellte derweil die medien-wirksam präsentierte neue Nachhaltigkeitsstrategie des Agrar-Multis grundlegend infrage: „BAYER versucht, sich als Vorreiter in Sachen ‚Klimaschutz’ zu präsentieren. Doch wenn man etwas Entscheidendes fürs Klima tun will, brauchen wir weltweit den Wechsel zu einer ökologisch orientierten Landwirtschaft.“

Der Welternährungsmythos
Jenseits solcher längerfristig geplanter PR-Offensiven schwadroniert Matthias Berninger am liebsten über das Thema „Welternährung“. Er spinnt damit den Faden weiter, den der Leverkusener Multi aufnahm, um dem profanen MONSANTO-Erwerb höhere Weihen zu verschaffen. „Gemeinsam können wir noch mehr dazu beitragen, dass im Jahr 2025 zehn Milliarden Menschen satt werden“, verkündete Konzern-Chef Werner Baumann damals. Eine solche Mission kauften ihm aber noch nicht einmal die konservativen Zeitungen ab. Als eine „stets etwas salbungsvoll klingende Kapitalmarkt-Story für den Mega-Deal“ bezeichnete etwa die FAZ solche Bekenntnisse. Das hindert Berninger jedoch nicht daran, die Mär wieder und wieder zu erzählen. Bekannten gegenüber stellte er das Nahrungsmittel-Problem sogar als Grund dafür da, zu BAYER zu wechseln. „Wie die Welt innerhalb ihrer planetarischen Grenzen im Jahr 2025 fast zehn Milliarden Menschen ernähren kann, ist eine Frage, die mir Sorgen bereitet“, hieß es in der E-Mail: „In meiner neuen Rolle hoffe ich, einen bescheidenen Beitrag leisten zu können, diese Herausforderung anzugehen.“ In der Diskussion mit Pirmin Spiegel von MISEREROR durfte das Mantra deshalb nicht fehlen: „Wir müssen alles daransetzen, Lösungen zu finden, wie wir die wachsende Weltbevölkerung künftig ernähren und zugleich die planetaren Grenzen besser respektieren können – und zwar auf nachhaltige Art und Weise. Das schließt modernen Pflanzenschutz und innovatives Saatgut ausdrücklich mit ein.“ Sein Vorgesetzter Baumann wird in dieser Hinsicht noch deutlicher. „Es wäre illusorisch zu glauben, wir könnten ohne Pflanzenschutzmittel die bald acht Milliarden Menschen auf der Erde ernähren, die Biodiversität schützen und zugleich keine weiteren Flächen für die Landwirtschaft erschließen“, hält er fest. Und dann kommt natürlich auch gleich Glyphosat ins Spiel. „Wenn Unkraut nicht effektiv bekämpft wird, verlieren wir 30 bis 40 Prozent der Ernte. Ein Verzicht auf Glyphosat hätte nach wissenschaftlichen Berechnungen Ernte-Verluste im zweistelligen Millionen-Tonnen-Bereich zur Folge. Das können wir uns angesichts der steigenden Weltbevölkerung nicht leisten“, sagte Berninger in einem Spiegel-Interview. Als „systemrelevant“ bezeichnet er das Total-Herbizid deshalb. Nicht zuletzt um bei steigender Nachfrage nach Nahrungsmitteln den Flächenfraß zu vermeiden, ist dem Tatortreiniger zufolge eine intensive Landwirtschaft mit Glyphosat & Co. vonnöten.

Glyphosat als nachhaltiges Mittel gegen den Welthunger – diese Greenwashing-Geschichte hat BAYERs Mann fürs Grüne rund um das Pestizid gesponnen. Sie darf in keinem Interview fehlen, das er gibt. Aber auch die anderen Agro-Riesen fabulieren gerne in dem Stil. Die Initiative OXFAM hat diese Storys jüngst einem Fakten-Check unterworfen. Das Ergebnis fällt eindeutig aus: unterirdisch, durchgefallen, „Sechs“ – setzen! So hält die Organisation die Zahlen, mit denen BAYER & Co. die Notwendigkeit einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion (und damit auch des Einsatzes von Ackergiften) begründen, für nicht belastbar. In jene fließt nämlich nicht nur der mutmaßliche Bedarf an Lebensmitteln, sondern auch derjenige an Futtermitteln und Agrar-Rohstoffen zum industriellen Gebrauch ein. Den Zusammenhang zwischen der Menge an vorhandenen Nahrungsgütern und dem Hunger zweifelt OXFAM ebenfalls an. „Er suggeriert, dass eine höhere Produktion weniger Hunger bedeutet. Menschen hungern jedoch, weil sie extrem arm sind und sich keine Lebensmittel leisten können“, konstatiert die NGO. Darum spricht sie von einem „Welternährungsmythos“, den die Unternehmen aus einem bestimmten Interesse heraus kreiert haben: „Jenen, die den Welternährungsmythos bemühen, geht es in erster Linie um die Profite von Agrar-Konzernen und weniger um bessere Bedingungen für Hungerleidende.“

Verrat oder Konsequenz?
Matthias Berninger war sich bewusst, wie schwer sich die Grünen mit seinem neuen Job tun würden. Einige hat er sicherheitshalber sogar rechtzeitig vorgewarnt. Und zu manchen seiner ParteifreundInnen sei das Verhältnis jetzt auch „weniger herzlich“, räumt der studierte Lehrer ein. „Es gibt einige, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, gegen die Agrar-Konzerne zu kämpfen. Die verstehen meine Entscheidung sicher nicht. Es gibt aber eine Menge Leute, die an den Prinzipien der Aufklärung interessiert sind und verstehen, was ich hier mache“, schildert er die Reaktionen. Berninger selbst sieht sich als eine Art Entspannungspolitiker. „Beide Seiten können sich den alten Grabenkrieg nicht mehr leisten“, meint er und rüstet in einem Spiegel-Interview weiter ab: „Ich glaube, es ist ein Fehler, in alten Feindbildern zu denken, in Groß und Klein und Bio und Nicht-Bio.“ Bei seiner ehemaligen Chefin Renate Künast trifft seine Job-Wahl auf nicht viel Verständnis. „Matthias Berninger hat sich vor zwölf Jahren aus der Politik zurückgezogen, sagte sie laut Tagesspiegel: „Dass ich mich heute wundere, ist unerheblich.“ Kollege Harald Ebner sieht die Personalie vor allem als partei-schädigend an, da der Leverkuser Multi Berninger gerade als Grünen eingekauft hat. Dass BAYER diese private Eigenschaft ihres neuen Mitarbeiters herausstellt und für Image-Werbung missbraucht“, geht Ebner sehr gegen den Strich.

Dabei ist Matthias Berninger kein Einzelfall. Immer wieder wechseln Grüne die Seiten. Die ehemalige grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer übernahm bei der PR-Agentur PLEON den Bereich „Gesundheit“, die einstige Grünen-Vorsitzende Gunda Röstel heuerte bei GELSENWASSER an, die Bundestagsabgeordnete Marianne Tritz ging zum „Deutschen-Zigarettenverband“ und die einstige wirtschaftspolitische Sprecherin Kerstin Andreae zum „Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft“. Der Staatssekretär Volker Ratzmann lobbyiert indes seit Mai 2020 für die DEUTSCHE POST. Und Joschka Fischer dient sich gleich der ganzen Industrie an. Seine Unternehmensberatung JOSCHKA FISCHER & COMPANY arbeitete unter anderem schon für RWE, BMW und SIEMENS und versichert sich dabei auch der Mithilfe weiterer Partei-FreundInnen wie Dietmar Huber, Markus Kamrad und Michael Scharfschwerdt.

Aber auch die Partei als Ganzes sucht seit einiger Zeit verstärkt die Nähe zur Industrie. So rief sie im Jahr 2018 den Wirtschaftsbeirat ins Leben. „Wir Grüne im Bundestag streben eine sowohl ökonomisch als auch ökologisch erfolgreiche Wirtschaft an (...) Uns ist es wichtig, den Weg dorthin verlässlich, gerecht und krisenfest zu gestalten – und dabei alle mitzunehmen. Das geht nur, wenn die Wirtschaft diesen Weg mitgeht“, erklärt die Fraktion dazu. Folgerichtig hält der Wirtschaftsbeiratsleiter Danyal Bayaz fest: „Wir sind nicht industrie-feindlich“. Grenzen des Wachstums existieren für ihn dann auch nicht: „Wir sollten uns aber fragen, was wachsen soll und was nicht.“ Dafür, dass dabei nicht allzu viel auf dem Müllhaufen der Industrie-Geschichte landet, sorgen in dem Gremium unter anderem der BASF-Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller, sein Kollege Hagen Pfundner vom Pharma-Unternehmen ROCHE und der ehemalige BOSCH-Geschäftsführer Rolf Bulander. Sichtlich angetan zeigt sich dieser von den als „offen und konstruktiv“ empfundenen Diskussionen mit den Grünen: „Mein Eindruck ist, dass die Positionen der Wirtschaft aufgenommen und bearbeitet werden. Ob sich das dann letztlich in einer wirtschaftsfreundlichen Politik niederschlägt, muss sich aber noch zeigen.“ Da bleibt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nur noch, den Wirtschaftsbeirat über den grünen Klee zu loben: „Er dürfte einen wesentlichen Anteil daran haben, dass die Vorbehalte der Wirtschaft gegenüber den Grünen und umgekehrt zuletzt deutlich kleiner geworden sind“.

Der Wirtschaftskongress, zu dem Bündnis 90/Die Grünen Anfang März 2020 geladen hatten, stand dementsprechend unter der Losung „Gemeinsam den Wohlstand von morgen sichern“. Auf den Foren und Podiumsdiskussionen tummelten sich unter anderem Joe Kaeser von SIEMENS sowie VertreterInnen der SALZGITTER AG und des „Verbandes der Chemischen Industrie“. Der BUND warnte aus gegebenem Anlass vor „einem Schulterschluss mit der Industrie“ bei der Aufgabe, die Produktionssphäre klima-freundlicher zu gestalten: „Auch wenn einzelne Unternehmen vorbildlich voranschreiten, haben sich große Industrie-Unternehmen und die Interessensvertretung der deutschen Industrie bisher als größte Blockierer dieses Umbaus hervorgetan.“

Ein Wesensmerkmal des wirtschaftsfreundlichen Kurses ist das Bekenntnis zur Marktwirtschaft, wenn sie denn sozial und ökologisch ist. Märkte können, wie es in dem Beschluss des Bielefelder Parteitags vom 17. November 2019 mit Verweis auf die Finanzkrise von 2007 heißt, „nicht nur verheerende Krisen entzünden“, sondern auch, „wenn die Anreize richtig gesetzt sind, eine grüne Revolution entfachen, die unsere Vorstellungskraft auf die Probe stellen wird“. Berninger sieht diese schon ante portas, für die nötigen Anreize haben ihm zufolge ausgerechnet BLACKROCK & Co. gesorgt. „Unser größter Investor BLACKROCK fordert etwa eine Klimaschutz-Strategie, genauso wie viele der anderen großen Anleger. Die unsichtbare Hand des Marktes wird grün, glauben Sie mir“, versichert er in dem Zeit-Interview.

In ihrem Ende Juni 2020 vorgestellten Grundsatz-Programm vertrauen die Grünen solchen Kräften eingedenk des Marktversagens, das sich im Angesicht von Corona offenbart hat, allerdings nur bedingt. „Es gilt das Primat der Politik, auch gegenüber Wirtschaft und Kapital“, heißt es stattdessen. Und jene müsse „mehr tun, als nur einen Rahmen zu setzen“, so die Partei, unregulierte Märkte seien „zukunftsblind, krisenanfällig und instabil“.

Auf solche und andere Programm-Punkte reagierten die neuen Freunde aus den Konzernen etwas ungehalten. Hatten sich die Grünen nach Ansicht der FAZ in letzter Zeit „immer biegsamer in der Wirtschafts- und Sozialpolitik“ gezeigt, so machte die Zeitung jetzt eine gewisse Erstarrung aus. „Sie schleifen hier ein wenig an den Eigentumsrechten, feilen dort am Wettbewerb, huldigen Protektion. Das ist die falsche Richtung für ein Land, das nach der Pandemie um seinen Wohlstand ringen muss“, konstatierte das Blatt. Auch dem „Bundesverband der deutschen Industrie“ missfiel in seiner Analyse der grünen Vorstellungen, die sich auf 20 Seiten erstreckte, so einiges. „Undifferenziert wird in Ziffer 67 gefordert, es müsse ‚die Verschmutzung der Erde mit Plastik, Müll, Chemikalien und Pestiziden ein Ende haben’. Der erhebliche Nutzen von Kunststoffen und chemischen Stoffen wird negiert. Eine solche Stigmatisierung ist aus BDI-Sicht abzulehnen“, so der Lobby-Club. Die Steuererhöhungspläne erzürnen ihn ebenfalls: „Unverständlich bleibt die unternehmensfeindliche Steuerpolitik als wesentlicher Bestandteil der grünen Programmatik.“ Und schließlich warfen die Maßstäbe, nach welchen die Partei ökonomisches Handeln ausgerichtet wissen wollte, Fragen auf. Wer etwa meinte, an einem Satz wie „Wirtschaftliche Aktivität muss sich an langfristigen Zielen und gesamtgesellschaftlichem Wohlstand ausrichten“ gebe es nicht viel zu deuteln, der kennt den BDI schlecht. Er versah die Sentenz mit der Anmerkung „Diskussionsbedarf“, und den meldete der Bundesverband noch bei vielen weiteren Passagen an. „Unklar ist, ob die Partei in Zukunft tatsächlich den Weg einer wirtschaftsfreundlicheren Politik einschlägt“, merkte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang deshalb an.

Der Verband fand jedoch auch lobende Worte, etwa für das klare „Ja“ zum Industriestandort Deutschland und zur Herstellung auch solcher Produkte in Europa, die wie Stahl, Glas, Papier und Chemikalien im Fertigungsprozess viel Energie verschlingen. Und die Gentechnik nicht mehr allein unter dem Gesichtspunkt der Risiken, sondern auch dem der Chancen beurteilen zu wollen, fand gleichfalls die Zustimmung des BDI.

Ebenso positiv fielen die Bewertungen zur Europa- und Sicherheitspolitik der Grünen aus. Das Bekenntnis zur Gewalt als Instrument der Konfliktlösung – natürlich immer nur als „äußerstes Mittel“ – fand ebenso die Zustimmung der KlassensprecherInnen von BAYER & Co. wie das zur NATO und zum Prinzip der Schutzverantwortung, das militärische Eingriffe „out of area“ völkerrechtlich erst ermöglicht. Die Abkehr vom Pazifismus vollzog die Partei aber schon lange vorher, nämlich mit der Zustimmung zum Kosovo-Krieg im Jahr 1999. Und auch die Verabschiedung von anderen ehemaligen grünen Grundpositionen geschah nicht erst 2020.

Die Grünen & die CBG
Parallel zu dieser Entwicklung entfremdeten sich die Grünen immer mehr von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. „In den 80er Jahren hat die Bundestagsfraktion der Grünen geschlossen das sogenannte Umwelt-Zentrum des Konzerns im Stammwerk Leverkusen besetzt und zusammen mit BAYER-KritikerInnen aus aller Welt Seite an Seite ‚Für sofortigen Ausstieg aus der Chlorchemie’ und eine ‚Sanfte Chemie‘ gekämpft“, erinnert sich CBG-Urgestein Axel Köhler-Schnura: „Heute sichern ehemalige Top-Leute der Grünen wie Matthias Berninger das Image des Konzerns. Das ist Greenwashing im wahrsten Sinn des Wortes!“
Aber selbst damals bei den Protesten gegen die Rhein-Verschmutzung des Konzerns scherten schon einige aus und setzten stattdessen auf Kooperation mit dem Unternehmen. Unter Joschka Fischer verstärkte sich diese Tendenz dann noch einmal. Die Partei verabschiedete sich von der „sanften Chemie“ und Forderungen wie dem Ausstieg aus der Chlorchemie. BAYER zeigte sich mit großformatigen Anzeigen in der Mitglieder-Zeitschrift Schrägstrich erkenntlich. Sogar zu Treffen mit den Bossen der Chemie-Multis kam es. Heute setzt die grüne Co-Vorsitzende Annalena Baerbock die Tradition fort. Mitte August 2020 machte sie BAYER-Chef Werner Baumann ihre Aufwartung. Sie bekundete zwar, „dass ich heute hier bin, heißt nicht, dass ich einige Sachen nach wie vor nicht verstehe oder anders machen würde als BAYER“, signalisierte aber Bereitschaft zur Zusammenarbeit. So erklärte Baerbock etwa vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, es ginge nun darum, „gemeinsam zu Lösungen zu finden, wie wir im Bereich ‚Gesundheit’ besser gewappnet sein können.“

Die Entwicklung Matthias Berningers steht also in einem gewissen Kontext, wenngleich es immer noch genug Grüne gibt, die den Idealen von einst nicht abgeschworen haben. So ganz auf Berninger verlassen will sich indessen auch der Leverkusener Multi nicht. Er verpflichtete neben dem Mann fürs Grüne mit Max Müller auch noch einen Mann für Grobe. „Um die Reputation zu verbessern, kommt jetzt einer der erfahrensten und effektivsten Lobbyisten des Gesundheitswesens: Max Müller“, kommentierte DAZ.online die Verpflichtung. Während der ehemalige Grünen-Politiker sich beim Global Player um die „Public Affairs“ kümmert, die in Washington so anfallen, antichambriert Müller künftig in Berlin und in Brüssel. Der Konzern warb ihn von der Versand-Apotheke DOCMORRIS ab, der Müller gute Dienste geleistet hatte. So schaffte es der Jurist zwar nicht, das Fremdbesitz-Verbot für Apotheken zu kippen und dem Online-Handel mit Medikamenten die Gewährung von Rabatten zu ermöglichen, aber immerhin gelang es ihm, eine Reihe von PolitikerInnen unterschiedlicher Parteien für seine Agenda zu gewinnen. Besonders gut kennt der PR-Profi Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Beide lernten sich bei dem von Müller gemeinsam mit dem Journalisten Martin S. Lambeck ins Leben gerufenen Gesprächskreis „Politik und Wein“ kennen und kamen bald miteinander ins Geschäft. Mit der Beratungsagentur POLITAS machten sie ab 2006 Spahns gesundheitspolitische Kontakte zu Geld. „Wir hatten beide Lust, die Gesundheitsbranche ein bisschen aufzumischen“, so Max Müller. Spahn verlor daran erst den Spaß, als seine Beteiligung an POLITAS wegen der Vermengung von Politik und Geschäft massiv in die Kritik geriet: „Heute würde ich anders handeln.“
Müller operiert im Stillen. Bis jetzt weiß Google von seinen Aktivitäten für BAYER nichts. Matthias Berninger wäscht seine grüne Wäsche dagegen vorzugsweise in aller Öffentlichkeit, weil es dazu zwangsweise Publikum braucht.

Dass es zu einem Grünen in BAYER-Diensten kommen konnte, hält die Coordination für eine fatale Entwicklung. In einer Erklärung zur Causa „Berninger“ hält sie fest: „Konzerne wie BAYER ruinieren Klima, Wasser, Umwelt. Sie gefährden den Frieden und die soziale Harmonie. Sie gefährden Gerechtigkeit und soziale Sicherheit. Alles zu Gunsten der Profite. Die Welt lässt sich nicht mit solchen Rendite-Jägern retten. Die Grünen, die einen Berninger möglich machten, stehen auf der falschen Seite und verraten ihre GründerInnen, ihre Programmatik und ihre Unterstützer- und WählerInnen. Nicht Lobbyismus für BAYER & Co. ist das Gebot der Stunde, sondern ein Ausstieg aus dem Profit-Prinzip. Klima- und Umweltzerstörer wie BAYER müssen unter demokratische Kontrolle gestellt werden.“ ⎜

[Kunst gegen Konzerne] Hans Haacke widmete BAYER eine Ausstellung

CBG Redaktion

Museumsreifes Schmutzwasser

Der bekannte deutsche Künstler Hans Haacke machte 1972 das Krefelder Museum Haus Lange zu einem Laboratorium, das die Verunreinigung des Rheins durch BAYER und andere Umweltsünder untersucht. Im Rahmen der Ausstellung „Hans Haacke – Kunst, Natur, Politik“ rekonstruiert nun das Mönchengladbacher Museum Abteiberg die damalige Schau.

Von Jan Pehrke
Hans Haacke zählt zu den bekanntesten politischen KünstlerInnen Deutschlands. 1993 baute er auf der Biennale in Venedig kurzerhand den deutschen Pavillon zurück, dem die Nazis 1938 seine bis dahin kaum veränderte Gestalt verliehen hatten. Und zu Anfang des Jahrtausends betrieb er mit Brecht Kunst am Bau des Reichstagsgebäudes. Der heute 84-Jährige legte im Innenhof des Bundestages ein Blumenbeet an, zu dem die Abgeordneten Erde aus ihren Wahlkreisen beisteuern sollten, und schrieb in Neon-Lettern die Zueignung „Der Bevölkerung“ hinein. Mit ihr wollte er – inspiriert von dem Diktum Bertolt Brechts: „Wer in unserer Zeit statt Volk Bevölkerung und statt Boden Landbesitz sagt, unterstützt schon viele Lügen nicht“ – die Inschrift „Dem deutschen Volke“ über dem Portal des Hauses überschreiben. Deshalb orientierte er sich auch an deren Schrift-Type. Diese semantische Intervention rief sogleich KritikerInnen auf den Plan. Ein von den GegnerInnen des Projektes in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten bezeichnete die Installation sogar als „verfassungswidrig“.

Das Mönchengladbacher Museum Abteiberg widmete sich jetzt dem Frühwerk Hans Haackes und dokumentierte in diesem Rahmen auch eine Ausstellung von 1972, in der BAYER eine prominente Rolle spielt. Als der seit 1965 in New York lebende Künstler die Einladung des Krefelder Museums Haus Lange annahm, befand er sich gerade an einem Scheideweg. Begonnen hatte Haacke mit Arbeiten am Schnittpunkt von Kunst und Wissenschaft, die auf experimenteller Basis physikalische oder biologische Prozesse initierten wie im „Kondensationswürfel“ von 1965. Der mit destilliertem Wasser gefüllte Plexiglas-Quader reagierte auf die sich ändernden Licht-, Luftströmungs- und Wärme-Verhältnisse im Raum und bot ein Wasserspiel dar, das den Kreislauf von Verdunstung, Kondensation und Tröpfchen-Bildung zeigte. Nicht als Skulpturen, sondern als Systeme betrachtete der Künstler solche Schöpfungen und rechnete sich folglich auch der sogenannten Systemkunst zu.

Beeinflusst von der Bürgerrechtsbewegung und dem Tod Martin Luther Kings übertrug Hans Haacke diese Herangehensweise dann auf das Gesellschaftliche. Als ein „Real Time Social System“ plante er im New Yorker Guggenheim-Museum windige Immobilien-Geschäfte zu dokumentieren, dessen ProtagonistInnen die StadtbewohnerInnen „Slumlords“ tauften, da ihre Transaktionen bevorzugt in den mehrheitlich von Schwarzen bevölkerten Vierteln stattfanden. Doch dazu kam es nicht. Das Museum sagte die Ausstellung ab. „Aktives Engagement mit sozialen und politischen Zielen“ wollte es nicht zulassen, was einen großen Skandal verursachte.

In Krefeld machte Hans Haacke trotz dieser Erfahrung konsequent auf dem neu eingeschlagenen Weg weiter und präsentierte „Demonstrationen der physikalischen Welt: biologische und gesellschaftliche Systeme“. Zum Studien-Objekt erkor er dabei die Rhein-Verschmutzung. Der New Yorker betrieb dazu ein Jahr lang akribisch Feldforschung und recherchierte dabei unter anderem, wer, wann, was, wo in den Fluss einleitete. Das Ergebnis nahm schlussendlich eine ganze Museumswand ein, wie die Mönchengladbacher Ausstellung mit einem Foto von damals dokumentiert. Auf einem meterlangen Diagramm listete Haacke die kommunalen und industriellen Umweltverschmutzer von Bonn bis Kleve auf. Und an Rhein-Kilometer 766,3 findet sich der Eintrag zu den „FARBEN-FABRIKEN BAYER, Krefeld, Uerdingen“. Zur Art des Abfalls ist in der Aufstellung vermerkt: „industriell (chem.)“, zur Menge pro Tag: „450.000 Kubikmeter“, zur Technik der Abwasser-Behandlung: „mechanisch, Säure-Verschiffung“ und schließlich zum Zustand des Rheins unterhalb der Zuleitung: „übermäßig verunreinigt“. Gegenüber an der Stirn-Seite des Raumes hatte der Künstler die Fotografie „Rhein-Ufer in der Nähe einer Verlade-Vorrichtung der Farben-Fabrik BAYER AG“ in einem großen Format platziert. Sie zeigt Steine, die durch Pigment-Rückstände aus der Farben-Produktion mit einer roten Schicht überzogen sind.

Schlimmer trieb es keiner. Deshalb widmete sich Haackes „Krefelder Abwasser-Triptychon“ BAYER noch einmal genauer. Den Mittelteil nimmt ein (stark bearbeitetes) Schwarz/Weiß-Foto ein, das in der Höhe der Einleitungsstelle des Werks entstand. Die Produktionsanlagen selber mit dem hoch aufragenden Turm zeichnen sich jedoch nur grau im Hintergrund ab; im Zentrum des Bildes steht eine über dem Wasser kreisende Möwen-Schar. Und das ist wirklich die Aufnahme eines biologisch-gesellschaftliches Systems, allerdings eines pervertierten. Die Vögel versammeln sich nämlich so zahlreich bei den Abfluss-Rohren, weil sie hier ihre Mahlzeit mundgerecht frei Haus geliefert bekommen: an einer Überdosis Chemie gestorbene Fische, die auf der Oberfläche des Flusses treiben.
Haacke schuf in Krefeld auch selbst Systemkunst. Wie in seinem Kondensationswürfel inszenierte er wieder einen Wasserkreislauf, aber diesmal keinen rein physikalischen, sondern einen ökologischen. Der Künstler setzte eine voluminöse „Rheinwasser-Aufbereitungsanlage“ in das Haus Lange. Dazu leitete er die Giftfracht aus voluminösen Bottichen in verschiedene Becken, in denen Chemikalien die Schmutz-Partikel banden und Filter die restlichen Schadstoffe herauszogen. Anschließend floss das Wasser dann in ein Aquarium mit Goldfischen und von dort nach draußen in den Museumsgarten.

Das „Corpus Delicti“ selbst konnten die BesucherInnen der 1972er-Schau ebenfalls in Augenschein nehmen. Haacke stellte in großen Gefäßen nämlich „Proben aus der Abwasser-Fahne des Krefelder Einleiters und des Einleiters der Farbwerke BAYER AG, Uerdingen, entnommen am 10.5.72“ aus.

„Schmutzwasser wird museumsreif“ schrieb die Westdeutsche Zeitung über die Ausstellung, und die Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung bemerkte zum Abwasser-Triptychon: „alles andere als eine Werbung für Krefeld“. Das Blatt befragte auch den damaligen Stadtdirektor, der in Personalunion dem Umweltdezernat vorstand, ob er sich die Schau schon angesehen habe. „Ich kann nicht überall sein“, antwortete dieser abweisend. Er befürchtete auch keine politische Unbill: „Ach Du lieber Gott, wer geht denn da schon hin?“ Ob der Leverkusener Multi, der sich im Jahr 2015 von seiner Krefelder Produktionsstätte und allen anderen Kunststoff-Werken trennte, auf die engagierte Kunst-Intervention reagierte, weiß Hans Haacke nicht mehr. In den Arbeitsprozess griff der Konzern jedenfalls nicht ein. Haake dankte dem damaligen Museumsdirektor Paul Wember in einem Brief persönlich dafür, dass „ich bei Ihnen nie das Empfinden (hatte), ich sollte meine Pläne aus realpolitischen, finanziellen oder kunst-ideologischen Gründen modifizieren. Das ist eine so glückliche Situation gewesen, dass dies ausdrücklich vermerkt werden muss.“

Wer die Ausstellung dieser Ausstellung in Mönchengladbach sehen will, hat noch bis zum 28. Oktober Zeit.

[Lieferketten] Bittere Pillen-Lieferketten

CBG Redaktion

Die Bundesregierung bleibt Antworten schuldig

Im September 2020 musste sich auch die Bundesregierung mit den Risiken und Nebenwirkungen der Pharma-Lieferketten von BAYER & Co. befassen, denn die Partei „Die Linke“ hatte dazu eine Kleine Anfrage gestellt..

Von Jan Pehrke
Bei den ersten Gliedern der Pharma-Lieferketten von BAYER & Co. in Indien und China herrschen skandalöse Zustände. Die Staaten bieten den Konzernen Standort-Vorteile wie niedrige Lohn-Kosten und laxe Umwelt-Auflagen, was fatale Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. Die Bundesregierung weiß um diese Auswirkungen. „Es ist nicht auszuschließen, dass die Bevölkerung in der Nähe pharmazeutischer Produktionsstätten aufgrund der nicht ausreichend gefilterten Einleitung von mit Arzneimittel-Rückständen belasteten Abwässern von Pharma-Fabriken Gefahren ausgesetzt ist“, heißt es in ihrer Anwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“.
Politische Handlungen hat das allerdings nicht angestoßen. Die Große Koalition setzte dieses Thema am 1. November 2019 nicht auf die Tagesordnung der „Deutsch-Indischen Regierungskonsultationen“, wie sie zugeben musste. Auch in Sachen „Rabatt-Verträge“ blieben Merkel & Co. untätig. Sie wollen es den Krankenkassen selber überlassen, ob sie in ihren Vereinbarungen mit den Medikamenten-Herstellern Umwelt- und Sozialstandards verankern oder lieber nicht. Die Bestimmungen zur „Guten Herstellungspraxis“ (GMP) im Pharma-Bereich um solche Anforderungen zu erweitern, lehnt die Regierung Merkel dagegen explizit ab. „Diese werden durch andere Vorschriften geregelt“, erklärt sie: „Das Überprüfen der Einhaltung dieser Vorschriften obliegt den zuständigen örtlichen Behörden.“ Der GMP-Leitfaden hingegen sei rein „produkt-bezogen“ und eigne sich deshalb nicht als Instrument zur Verbesserung der Produktionsbedingungen.
Und allein diese rein produkt-bezogenen Mängel beschäftigen die GMP-KontrolleurInnen nach Auskunft der Regierungskoalition schon nicht zu knapp. So registrierte die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ binnen der letzten zehn Jahre weltweit 141 Verstöße gegen die „Gute Herstellungspraxis“. Konkret nach den Mängeln in BAYERs pakistanischer Fertigungsanlage für das Medikament RESOCHIN mit dem Wirkstoff Chloroquin gefragt, das kurzzeitig als Wundermittel gegen COVID-19 galt, lautet die Antwort: „Der Bundesregierung ist bekannt, dass pakistanische RESOCHIN-Tabletten, die nicht für den europäischen Markt bestimmt sind, nicht nach den europäischen Anforderungen an die Gute Herstellungspraxis (...) hergestellt wurden.“
Für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN lässt die Kleine Anfrage nur einen Schluss zu. „Die Antworten der Bundesregierung belegen eindeutig, dass die bisherigen Mittel nicht ausreichen, um die eklatanten Missstände entlang der Pharma-Lieferketten von BAYER und anderen Herstellern zu beheben. Das zeigt einmal mehr: Ohne Lieferketten-Gesetz geht es nicht“, hieß es in ihrer Presseerklärung. Dieses Paragrafen-Werk verzögert sich jedoch immer weiter. Und ob es in seiner endgültigen Fassung – so sie dann komme – noch genügend Wirksamkeit entfalten kann, steht auch dahin.

[Rhein] „Das giftige Königreich am Rhein“

CBG Redaktion

Die Umweltgeschichte des BAYER-Konzerns

Im August 2020 veröffentlichte die Tageszeitung junge Welt eine Beilage zum Thema „Ökologie“, zu der die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN einen Artikel über BAYER beisteuerte. Das Stichwort BAYER dokumentiert den Text in einer etwas erweiterten Fassung.

Von Jan Pehrke

Als Egon Erwin Kisch im Jahr 1927 für eine Reportage zum Stammsitz des BAYER-Konzerns nach Leverkusen reiste, fielen ihm zuerst die zum Trocknen aufgehängten Hemden auf. Sie hatten ihre weiße Farbe auch nach dem Waschen nicht wiedergewonnen. Vielmehr zeichneten sich auf ihnen an vielen Stellen blaue, grüne oder violette Flecken ab. Ihre Träger arbeiteten nämlich in der Farbstoff-Produktion des damals zum IG-FARBEN-Konglomerat gehörenden Unternehmens, und die Haut gab die dabei aufgesogenen Pigmente wieder an die Kleidung ab. „Aber schlimmer wirken die Dämpfe, die beim Verkochen der Farben in die Lungen dringen, gefährlicher die Blei-Vergiftungen, die oft Geisteskrankheit zur Folge habenden Arsenwasserstoff-Gase“, schrieb Kisch. Und auch sonst zeichnete er in seinem Text, der unter der Überschrift „Das giftige Königreich am Rhein“ in der „Roten Fahne“ erschien, ein deprimierendes Bild von der Situation vor Ort. „Erschütternde Blässe und Abgezehrtheit sind bei den Arbeitern von ‚Jammerkusen’ die Regel“, hielt „der rasende Reporter“ fest.

Klagen über die Umwelt-Belastungen seiner Produktion begleiten den Leverkusener Multi seit seiner Gründung im Jahr 1863, wie der Historiker Stefan Blaschke in seinem Buch „Unternehmen und Gemeinde. Das Bayerwerk im Raum Leverkusen 1891-1914“ schreibt. Bereits ein Jahr nach der Inbetriebnahme der Fertigungsanlagen musste die Firma FRIEDR. BAYER ET COMP. die ersten Entschädigungen zahlen. Immer wieder kam es zu Protesten. Im Juni 1889 etwa unterzeichneten 66 AnwohnerInnen eine Eingabe an die Königliche Regierung.
So missbrauchte BAYER die Flüsse in der Nähe der Werke als „Opferstrecke“. Eine zeitgenössische Schrift bescheinigte dementsprechend der Wupper, „meistens einem Tintenstrom“ zu gleichen. Der damalige Generaldirektor Carl Duisberg hielt eine Abwasser-Reinigung jedoch für eine „Vergeudung von Nationalkapital“. Im Übrigen verwies die Aktien-Gesellschaft, wie sie es auch heute noch gern tut, auf ihre bedeutende Wirtschaftskraft, der keine Fesseln angelegt werden dürften. Artikel in der Arbeiterpresse, die für den Chemie-Riesen die wenig schmeichelhafte Bezeichnung „Gifthütte“ fanden, tat Duisberg als reine Propaganda ab. Der Verweis auf die mit der Herstellung von Farbstoffen und anderen Produkten verbundenen Gefahren sei lediglich das „beste Mittel zur Schürung des Klassenkampfes“, so der damalige Konzern-Chef. Sich selber führte er als Beispiel dafür ins Feld, wie wenig Chemikalien einem Menschen schaden können. „Als Chemiker bin ich schon seit 25 Jahren im Laboratorium und im Betrieb dieser „Giftindustrie“ tätig und daher gezwungen, täglich und stündlich mit solchen Giften umzugehen. Ja noch mehr, (...) ich präsentiere mich hier sogar als ein „vergifteter Giftarbeiter“, denn wer von uns Chemikern hat nicht bereits eine Chlor- oder Brom-Vergiftung, eine Phosphor-Vergiftung oder Gott weiß was für Vergiftungen durchgemacht (...) Kurz, zahlreiche Vergiftungen, wie sie bei einem Chemiker vorkommen können, habe ich durchgemacht und stehe dennoch gesund vor Ihnen“, tönte er.

Bis heute ist BAYER aller Greenwashing-Aktivitäten zum Trotz weit davon entfernt davon, sauber zu sein. Dazu genügt ein Blick in den neuesten Nachhaltigkeitsbericht. Die klima-schädlichen Kohlendioxid-Emissionen erhöhten sich im Vergleich zum Vorjahr um 830.000 Tonnen auf 3,71 Millionen Tonnen. Der Ausstoß von ozon-abbauenden Substanzen schnellte von 9,3 auf 17,8 Tonnen hinauf. Die Stickstoff-Emissionen wuchsen um 1.440 Tonnen auf 4.700 Tonnen und die Schwefeloxid-Emissionen um 1.610 Tonnen auf 2.310 Tonnen. Die Einleitungen in die Gewässer legten ebenfalls zu. Die Phosphor-Werte steigerten sich von 180 auf 510 Tonnen, die Stickstoff-Werte von 390 auf 420 Tonnen, die Schwermetall-Werte von 2,4 auf 2,6 Tonnen, die für organisch gebundenen Kohlenstoff von 600 auf 980 Tonnen und diejenigen für anorganische Salze von 97.000 auf 167.000 Tonnen.
Der Leverkusener Multi erklärt die miese Umweltbilanz hauptsächlich mit der Übernahme des MONSANTO-Konzerns. Und tatsächlich haben es Produkte wie Glyphosat in sich. Neben allem anderen ist das Total-Herbizid beispielsweise auch ein Klima-Killer. „Mit dem akquirierten Agrargeschäft haben wir neben Standorten für die Saatgutproduktion u. a. auch eine Rohstoffgewinnung für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel-Vorprodukten übernommen, mit der energie-intensive Auf- und Weiterverarbeitungen verbunden sind“, heißt es verklausuliert im Geschäftsbericht zur Erklärung. Konkret handelt es sich dabei um eine Anlage im US-amerikanischen Soda Springs zur Gewinnung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor. Um es aus dem Sediment-Gestein Phosphorit zu lösen, muss ein spezieller Schmelz-Reduktionsofen nämlich erst auf eine Betriebstemperatur von 1500° kommen. Und dazu braucht er jede Menge Kohle.

Das Öko-Desaster beginnt jedoch schon vorher. Es nimmt mit dem Phosphorit-Tagebau in der Umgebung von Soda Springs seinen Anfang, der eine massive Luft- und Wasserschmutzung zur Folge hat und endet mit der Ausbringung des Total-Herbizids auf den Feldern noch lange nicht. Von den Äckern gelangt das Mittel in die Flüsse, wo es das biologische Gleichgewicht gehörig durcheinanderwirbelt, ist Phosphor doch ein Nährstoff, den vor allem Algen dankbar aufnehmen. Diese decken dann die Oberflächen der Gewässer ab und lassen kaum noch Licht durch. Deshalb können die tiefer gelegenen Pflanzen keine Foto-Synthese mehr vollziehen. Sie sterben ab und verbrauchen bei ihrer Zersetzung große Mengen Sauerstoff, der dann wiederum den Fischen und anderen aquatischen Lebewesen fehlt. 151.000 Tonnen Phosphor setzt das Ultra-Gift nach einer Studie der kanadischen McGill University jährlich frei. „Von der Wiege bis zur Bahre ist Glyphosat ein hoch problematischer Stoff“, resümiert Hannah Connor vom „Center for Biological Diversity“.

All diese Risiken und Nebenwirkungen der BAYER-Produktion befeuern den Klassenkampf entgegen Duisbergs Befürchtungen jedoch nur wenig bis kaum. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) stritt nie für eine sauberere Chemie, sondern versuchte diese in Tateinheit mit den Vorstandsetagen aus Angst vor Arbeitsplatz-Vernichtungen stets so schmutzig wie möglich zu halten. Aber es gab und gibt immer auch Gegenbewegungen. Die Betriebsrätin Marianne Hürten bespielsweise engagierte sich als Grüne in den 1980er Jahren stark für den Umweltschutz. Als sie 1985 ein Landtagsmandat anstrebte, ließ der Konzern ihren Wahlkampf durch den Werksschutz beobachten. „Sie hat von Dioxin und Cadmium bei der BAYER-Produktion gesprochen, BAYER der Profitgier bezichtigt und behauptet, dass die Vergiftungen in Spanien auf das BAYER-Produkt NEMACUR zurückzuführen seien“, meldete dieser. Das hatte den Rausschmiss zur Folge. Hürten ließ sich aber nicht einschüchtern, zog vors Arbeitsgericht und erreichte ihre Weiterbeschäftigung. Allerdings nur so lange, bis ihre Zeit als gewählte Betriebsrätin ablief. Dann musste sie gehen bzw. räumte freiwillig das Feld.
Marianne Hürten hat jedoch Nachfolger gefunden, beispielsweise in der Initiative „Gewerkschaftlerinnen und Gewerkschaftler für den Klimaschutz“, die den Schulterschluss mit Öko-AktivistInnen sucht. Zuletzt geschah das im Januar des Jahres auf der Konferenz „Vom Klimawandel zum Gesellschaftswandel“, an der neben Mitgliedern von DGB, ver.di und IG BCE auch Vertreter von ATTAC und Bürgerinitiativen aus der Braunkohle-Region wie „Alle Dörfer bleiben“ teilnahmen. Trotz dieser Lichtblicke trifft jedoch die Diagnose des Historikers Arne Andersen aus dem Jahr 1989 nach wie vor zu, „dass bis heute die Arbeiterbewegung sich schwer tut, für industriell bedingte Umweltprobleme Lösungen zu entwickeln“.

[Fristverlängerung] Presse-Information CBG vom 25.09.20

CBG Redaktion

BAYER erhält Frist-Verlängerung bis zum 2. November

Immer noch kein Glyphosat-Vergleich in Sicht

Die Vergleichsverhandlungen BAYERs mit den AnwältInnen der Glyphosat-Geschädigten machen keine substanziellen Fortschritte. Bei der gestrigen Anhörung konnte der Konzern kaum neue Abschlüsse vermelden.

Die Gespräche unter der Leitung des Mediators Ken Feinberg waren auf Anregung des Richters Vince Chhabria zustandegekommen, der dafür die anhängigen Schadensersatz-Prozesse erst einmal aussetzte. Sollte der Leverkusener Multi bis zum 2. November keine Ergebnisse vorlegen können, würde er das Moratorium wieder aufheben, kündigte Chhabria nach dem Hearing an.

Eigentlich hatte der Global Player bereits am 24. Juni eine zehn Milliarden Euro schwere Lösung für bis zu drei Viertel aller 125.000 Klagen präsentiert. Diese Angaben erwiesen sich jedoch als falsch. In vielen Fällen lagen bloß Absichtserklärungen vor. Tatsächlich gab es bis Ende August lediglich 30.000 Deals. Als VertreterInnen der KlägerInnen Chabria darüber informierten, reagierte dieser einigermaßen ungehalten. „Ich habe leichte Probleme damit, die Pressemitteilung von BAYER aus dem Juni mit den Zahlen, die sie mir jetzt nennen, in Einklang zu bringen“, konstatierte er und warf dem Agro-Riesen vor, „manipuliert“ zu haben. Daraufhin sputete sich der Agro-Riese und schloss weitere 15.000 Vergleiche ab. Am Donnerstag wartete BAYER-Anwalt Willian Hoffman nun mit weiteren 3.000 Vereinbarungen bzw. Fast-Vereinbarungen auf.

„Es ist eine Farce. Im Juni 2018 begann der erste Glyphosat-Prozess. Mittlerweile liegt die Zahl der Klagen allein in den USA bei 125.000. Und während die ersten Betroffenen bereits sterben, hat BAYER immer noch keinen Cent Entschädigung gezahlt“, kritisiert Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

Gestaltet sich bereits der Umgang mit den bisherigen Klagen schwierig, so dürfte der mit den künftigen noch problematischer werden. Solche sind nämlich zu erwarten, da die Aktien-Gesellschaft Glyphosat auf Teufel komm raus am Markt halten will. Nach den Vorstellungen BAYERs soll über die Rechtsmäßigkeit dieser Ansprüche kein Gericht mehr urteilen, sondern ein Wissenschaftsgremium. Diesem hat das Unternehmen die Aufgabe zugedacht zu entscheiden, ob das Pestizid Lymphdrüsen-Krebs zu verursachen vermag und deshalb Zahlungen zu leisten sind. Aber der Versuch, den Leidtragenden den Rechtsweg zu verbauen, fand nicht die Zustimmung Chhabrias. Er stellte die Verfassungsmäßigkeit des Vorschlags in Frage und schickte den Konzern erneut in Klausur. Ob es dem Multi gelang, in die Anhörung schon ein überarbeitetes Konzept einzubringen, erscheint fraglich, denn die Presse vermeldet nichts in dieser Richtung.

„Es gibt nur eine Lösung: BAYER muss Glyphosat vom Markt nehmen, dann gibt es auch keine Klagen mehr. Zudem verlangt die CBG in ihrer „Stopp Glyphosat jetzt!“-Kampagne eine angemessene Entschädigung aller Betroffenen, eine Offenlegung aller Firmen-Unterlagen zu dem Pestizid sowie eine Bestrafung der Verantwortlichen“, so Stelzmann abschließend.

Pressekontakt:
Jan Pehrke 0211/30 58 49

Jahrestagung 2020

CBG Redaktion

Pestizide, Umwelt, Menschenleben

Auf ihren jährlichen Tagungen berät die CBG mit Verbünde­ten, AktivistInnen und UnterstützerInnen, wie zu handeln ist. Wir holen ExpertInnen mit an den Tisch und erörtern die Probleme und die Lage gemeinsam. Verständlich, anschaulich, praktisch.

Mit der Jahrestagung 2020 geht es nicht nur um die Bedeu­tung von BAYER auf dem tödlichen Pestizidmarkt, sondern auch um die Wurzel aller Pestizid-Verbrechen: Die Profitlogik.

Jahrestagung 2020

CBG Redaktion

Konzernwiderstand bei BAYER

Seit mehr als 40 Jahren ist die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) das zivilgesellschaftliche Auge, das den Chemie-Giganten aus Leverkusen im Blick hat. Rund um den Globus. Rund um alle Themen.
Die CBG ist unabhängig von Kirchen, Parteien und großen Stiftungen. Die Basis der CBG sind ihre ehrenamtlichen Akti­vistInnen. Die CBG vernetzt Widerstand, Demonstrationen, Aktionen, Vorträge, Workshops. Weltweit.

Jahrestagung 2020 – Programm

CBG Redaktion

- Änderungen vorbehalten -

ab 09.30 Uhr Anmeldung

10.00 Uhr Begrüßung/Einführung
Uwe Friedrich (Stadtplaner)
Coordination gegen BAYER-Gefahren

10.15 Uhr Video-Live-Grußwort
Sarah Wiener
(Fernsehköchin/EU Abgeordnete)

10.30 Uhr Nachfragen und Diskussion

10.45 Uhr Pestizide & Bienensterben
Bernhard Heuvel / Markus Bärmann
(beide Imker)

11.30 Uhr Nachfragen und Diskussion

12.00 Uhr Mittagspause

13.00 Uhr Gefahr für Mensch und Umwelt
Susan Haffmans
(Pestizid-Aktions-Netzwerk)

13.45 Uhr Nachfragen und Diskussion

14.30 Uhr Perspektiven des Widerstands
Kampagne Block BAYER

15.00 Uhr Nachfragen und Diskussion

15.30 Uhr Pause

15.45 Uhr Pestizide made by BAYER
Marius Stelzmann
Coordination gegen BAYER-Gefahren

16.15 Uhr Nachfragen und Diskussion

17.00 Uhr Konzernwiderstand pur
Coordination gegen BAYER-Gefahren

17.30 Uhr Nachfragen und Diskussion

18.00 Uhr Schlusswort
Uwe Friedrich (Stadtplaner)
Coordination gegen BAYER-Gefahren

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[Übergabe erfolgt] Presse-Information CBG vom 31.07.20

CBG Redaktion

Start der „Glyphosatstopp jetzt!“ Kampagne

CBG übergibt Offenen Brief an BAYER

Im Rahmen der neuen Kampagne „Krebserregend. Klimaschädlich. Umweltgiftig. Glyphosatstopp jetzt!“ hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) BAYER am heutigen Freitag in Leverkusen einen Offenen Brief übergeben.

Bei strahlendem Sonnenschein hatten sich acht AktivistInnen von CBG, Fridays for Future Leverkusen und Block BAYER vor Ort eingefunden. Geschäftsführer Marius Stelzmann stellte den Brief kurz vor und rekapitulierte dessen politische Zielsetzung. Anschließend erläuterte er den größeren Rahmen, in dem das Schreiben steht: Für die Coordination läutet es den Startschuss zu der Kampagne „Glyphosatstopp jetzt!“ ein.

„Mit dem Offenen Brief wollen wir ein Signal setzen“, so Marius Stelzmann, Geschäftsführer der CBG. „Weltweit gibt es Widerstand gegen dieses Umweltgift. Wir verstehen unsere Aktionen als Unterstützung für die Kämpfe von Glyphosat-Geschädigten in den USA und weltweit. Nicht nur müssen sie und ihre Familien gerecht entschädigt werden. Auch muss verhindert werden, dass BAYER die Glyphosat-Produktion fortsetzt und damit weitere Menschen krank macht.“

Nach einer kurzen Rede schritt die Gruppe dann schließlich zur Übergabe. Der Zutritt zur Lobby der Konzernzentrale wurde den AktivistInnen jedoch vom BAYER-Werkschutz verwehrt. Auf Nachfrage, ob sich denn keine BAYER-Offiziellen bemüßigt fühlten, das Schriftstück entgegenzunehmen, entgegnete der Werkschützer nur knapp, er sei befugt, den Brief anzunehmen. Bei den Fridays for Future-Aktionstagen im vergangenen November hatte noch Communication Manager Hans-Bernd Schmitz den Brief in Empfang genommen. Nun passte es BAYER offenbar besser ins Konzept, den Konzern-KritikerInnen die kalte Schulter zu zeigen. Der Brief wurde dennoch übergeben.

Der Offene Brief kritisiert die von BAYER angestrebte Vergleichslösung mit den Glyphosat-Geschädigten, die der Konzern am 24. Juni bekanntgegeben hatte, als völlig ungenügend. Nach Ansicht der CBG reicht die vorgeschlagene Entschädigungssumme nicht aus, um die von Glyphosat verursachten Gesundheitsschäden zu kompensieren. Auch hält es die Coordination für völlig inakzeptabel, zukünftigen Geschädigten den Rechtsweg zu verbauen und stattdessen ein Wissenschaftsgremium über die Risiken und Nebenwirkungen des Pestizids und eventuelle Schadensersatz-Ansprüche entscheiden zu lassen.

Forderungen nach einer angemessenen Entschädigung der Opfer, der Offenlegung aller unter Verschluss stehenden Erkenntnisse von BAYER und MONSANTO zu Glyphosat sowie nach einer strafrechtlichen Verfolgung der Verantwortlichen für das von dem Total-Herbizid verursachte Leid bilden den Abschluss des Offenen Briefes, den Initiativen wie das „Wir haben es satt-Bündnis“, das Pestizid Aktions-Netzwerk, das Umweltinstitut München und der Dachverband der kritischen Aktionäre und Aktionärinnen mitunterschrieben haben.

Pressekontakt
Marius Stelzmann 0211/33 39 11

[Übergabe] Presse-Information CBG vom 28.07.20

CBG Redaktion

Im Rahmen der „Glyphosatstopp jetzt!“-Kampagne:

CBG schreibt BAYER Offenen Brief

Am 24. Juli machte der BAYER-Konzern seine Vorschläge zur Beilegung der Klagen von Glyphosat-Geschädigten in den USA publik. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hält diese für völlig unzureichend. Sie legt ihre Kritik in einem Offenen Brief dar, den sie am kommenden Freitag um 11.00 Uhr an der Unternehmenszentrale in Leverkusen übergibt. Mit dem Schreiben, das viele andere Organisationen unterzeichnet haben, lässt es die Coordination aber nicht genug sein. Es läutet nur den Auftakt der Kampagne „Krebserregend. Klimaschädlich. Umweltgiftig. Glyphosatstopp jetzt!“ ein.

„BAYER möchte die Geschädigten mit Brotkrumen abspeisen und zukünftigen KlägerInnen den Rechtsweg verbauen. Alles, um den Profit mit dem Gift im großen Stil aufrechtzuerhalten. Dem gilt es Widerstand entgegenzusetzen“, erläutert CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann.

Die in Aussicht gestellte Vergleichssumme von 8,8 bis 9,6 Milliarden US-Dollar scheint zunächst zwar hoch zu sein. Auf die immense Zahl der KlägerInnen umgeschlagen, bleibt im Schnitt aber lediglich eine Summe von 60.000 bis 70.000 Dollar übrig. Das reicht längst nicht aus, um die von Glyphosat verursachten Krebserkrankungen, die hohe physische und psychische Belastungen und die umfangreiche materiellen Schäden, die diese nach sich ziehen, zu kompensieren.
Auch will BAYER zukünftigen Geschädigten den Rechtsweg verbauen. Einem mit WissenschaftlerInnen besetzten „Class Science Panel“ soll es stattdessen in Zukunft obliegen, über die krebserregenden Eigenschaften des Total-Herbizids zu befinden und gegebenenfalls Zahlungen freizugeben. Dieses Vorhaben wurde bereits vom zuständigen US-Richter Vince Chhabria kritisiert, der die Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit des Panels anzweifelte.

Die Kampagne „Krebserregend. Klimaschädlich. Umweltgiftig. Glyphosatstopp jetzt!“ versteht sich als Antwort auf BAYERs Plan, das Kapitel „Glyphosat“ nur juristisch, nicht aber ökonomisch zu schließen und stattdessen an der Vermarktung des gefährlichen Pestizids festzhalten zu wollen.

CBG-Vorstand Axel Köhler Schnura nennt die Forderungen: „Weltweit müssen die Glyphosat-Geschädigten angemessen entschädigt werden. Weltweit müssen die Umweltschäden, die auf Glyphosat zurückgehen, auf Kosten des Konzerns beseitigt werden. Zudem hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf, Einblick in alle geheimen Glyphosat-Unterlagen von BAYER und MONSANTO zu nehmen. Es hat auch eine juristische Aufarbeitung zu geschehen. Die ManagerInnen, die diese Konzernverbrechen zu verantworten haben, müssen bestraft werden. Und vor allem muss die Produktion von Glyphosat umgehend eingestellt werden. Glyphosatstopp jetzt!“

UnterzeichnerInnen des Offenen Briefes sind bisher: Wir haben es satt!, Slow Food Youth Deutschland, Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany), Umweltinstitut München, Institute for Responsible Technology, James Hayes (Glyphosat-Geschädigter), Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, Fridays for Future Leverkusen, Aktion Agrar und die Kampagne Block BAYER.

Es wird eine Live-Berichterstattung zur Aktion geben.

Informationen dazu und zur Kampagne allgemein unter:

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facebook.com/CBGnetwork
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info@cbgnetwork.org

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Marius Stelzmann 0211/33 39 11

[Profit & Pandemie] BAYER in Zeiten von Corona

CBG Redaktion

BAYER-Chef Werner Baumann bezeichnete den Leverkusener Multi im Angesicht der Bedrohung durch den Virus als systemrelevant, weil der Konzern auf den Gebieten „Gesundheit“ und „Ernährung“ operiert. Dabei ist er in beiden Bereichen eher Teil des Problems als der Lösung. So hat der Global Player bisher nichts Systemrelevantes zur Eindämmung der Pandemie geliefert. Es blieb bei ein paar milden Gaben, während er selbst ein weit größeres Geschenk erhielt. Das Konjunktur-Paket der Bundesregierung erfüllte fast jeden BAYER-Wunsch.

Von Jan Pehrke

„Gesundheit und Ernährung – diese beiden Branchen erweisen sich in dieser Krise gerade überall als essenziell. Genau in diesen Bereichen ist BAYER heute ein weltweit führendes Unternehmen“, tönte der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann am 28. April 2020 auf der Hauptversammlung des Leverkusener Multis. Sogar als „systemrelevant“ bezeichnete er den Konzern. Systemrelevantes in Sachen „SARS-CoV-2“ hatte das Unternehmen allerdings bisher nicht zu bieten. Die Karriere seiner uralten Malaria-Arznei RESOCHIN als Medikament gegen Corona endete genauso schnell, wie sie begonnen hatte.

„Es gibt Hinweise darauf, dass RESOCHIN im Labor und in ersten klinischen Untersuchungen die Virus-Last senkt“, erklärte Baumann am 2. April 2020 in einem Handelsblatt-Interview. Und fortan feierte die Aktien-Gesellschaft sich selber: „BAYER hilft wieder einmal im Kampf gegen die neue Coronavirus-Epidemie, indem es mit großer Geschwindigkeit internationale Hilfe mit Medikamenten leistet.“ Als größter Fan von Chloroquin erwies sich der US-Präsident Donald Trump. Wahlweise bezeichnete er das Präparat als „Wundermittel“, „Game-Changer“ oder „Geschenk Gottes“. Sein noch weiter rechts stehender brasilianischer Kollege Jair Bolsonaro hält ebenfalls große Stücke auf die Pillen. Das blieb nicht ohne Wirkung auf seine evangelikale Anhängerschaft, die ihm vor dem PräsidentInnen-Palast ein Ständchen brachte: „Chloroquin, Chloroquin, wir wissen, das Du im Namen von Jesus heilst.“ Als „Kokain der Rechtsradikalen“ bezeichnete der Journalist Reinaldo Azevedo das Mittel nicht ohne Grund. Diese setzen nämlich immer auf einfache Lösungen, und da sich mit RESOCHIN eine pharmazeutische anbot, griffen sie schnell zu, ehe sie sich den Kopf über Abstände, Hygiene-Regeln oder gar Shutdowns zerbrechen mussten. Auf die Meinung von ExpertInnen hören sie dabei wenig bis gar nicht. Trump entfernte den Chloroquin-Skeptiker Rick Bright von seinem Posten als Leiter der BARDA, die innerhalb des Gesundheitsministeriums unter anderem Forschungsprojekte zu SARS-CoV-2 koordiniert. Und der brasilianische Gesundheitsminister Nelson Teich trat aus freien Stücken zurück, weil er einen klaren Kopf behalten wollte.

Kein Wundermittel

Aber auch in gemäßigteren Kreisen erfreute sich das Pharmazeutikum großer Beliebtheit. So betrieb die Große Koalition Chloroquin-Diplomatie in Pakistan, wo BAYER die Produktion des Mittels wieder hochfuhr. Sie setzte sich dafür ein, „dass ein Teil der Bestände zur Ausfuhr nach Deutschland zugelassen wurde“ und nahm dann dankbar die Spende eines Millionen-Kontingents entgegen. In den USA drängte Trump derweil auf eine Notfall-Zulassung, obwohl es da schon warnende Stimmen gab. Viele WissenschaftlerInnen äußerten Zweifel an den chinesischen und französischen Chloroquin-Studien, weil diese den wissenschaftlichen Anforderungen kaum entsprachen. Weitere Untersuchungen bestätigten dann ihre Skepsis. Bei einer Erprobung der Substanz in Brasilien starben elf Menschen. Und auch eine Untersuchung der Kranken-Akten von 368 Patienten eines US-amerikanischen Militär-Hospitals erbrachte ein beunruhigendes Ergebnis. 28 Prozent der mit dem Chloroquin-Abkömmling Hydroxychloroquin behandelten Ex-SoldatInnen erlagen Covid-19, während es in der Vergleichsgruppe nur elf Prozent waren. In der Folge kam es nicht nur zu immer mehr alarmierenden Befunden, sondern auch vermehrt zu Todesfällen durch Selbstmedikation. Vor allem die Nebenwirkung „Herz-Rhythmus-Störung“ erwies sich als fatal. Die Weltgesundheitsorganisation WHO zog die Konsequenzen und brach ihre Studie ab, während die US-Gesundheitsbehörde FDA ihre Notfall-Zulassung widerrief. Selbst der Sender Fox News, der vorher eifrig Chloroquin-Propaganda ausgestrahlt hatte, warnte jetzt: „Das Medikament wird sie töten.“

Daraufhin erhielt der Leverkusener Multi sehr viel Kritik für seinen Umgang mit dem Medikament. „BAYER trat dem Hype nicht entgegen, im Gegenteil“, monierten die Journalisten Christian Baars, Florian Flade und Markus Grill. Der ehemalige Vorsitzende der „Deutschen Herzstiftung“, Thomas Meinertz stimmte mit ein und bezichtigte den Konzern der Tatenlosigkeit: „Wenn man ein Medikament hat, dann ist man als Hersteller eigentlich verpflichtet zu prüfen, ob es in dieser Indikation wirksam ist oder nicht.“ Das taten jedoch andere, und nicht immer ließen sie dabei die gebotene Vorsicht walten. „Der Druck – auch aus der Ärzteschaft – war enorm, unsichere Sachen auszuprobieren“, klagte etwa der Schweizer Infektiologe Hansjacob Furrer. Wolf-Dieter Ludwig von der „Arzneimittel-Kommission der Deutschen ÄrztInnenschaft“ stieß sich vor allem an der vorschnellen Veröffentlichung von Chloroquin-Studien, deren Resultate dann nachher keinen Bestand hatten. „Das ist absolut typisch für diese Krisen-Situation und für diese Pandemie“, so Ludwig. Und BAYER warf er massives Marketing“ im Zusammenhang mit dem „Wundermittel“ vor.

Auf der Hauptversammlung schaltete der Konzern da einen Gang runter. „Das Malaria-Medikament Chloroquin wird weiterhin als eine der möglichen Behandlungsoptionen bei Covid-19-Erkrankungen diskutiert. Bisher lässt sich ein entsprechendes Nutzen/Risiko-Verhältnis allerdings noch nicht belegen“, hielt Baumann fest. Zu den fatalen klinischen Erprobungen von Chloroquin wollte er sich allerdings nicht äußern: „Diese Studien werden von dritter Seite aus federführend durchgeführt. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir über derartige, außerhalb unseres Geschäfts liegende Aktivitäten keine Stellungnahme abgeben können.“ Und dann hatte BAYER ja doch noch etwas gegen Corona im Angebot: Vitamin-Pillen. Eine „stark gestiegene Nachfrage durch COVID-19, z. B. nach Nahrungsergänzungsmitteln“ vermeldete die Aktien-Gesellschaft.
Mehr als „viele, viele bunte Smarties“ kann der Konzern auch schlecht gegen die Pandemie aufbieten. Er hat nämlich Forschungsfelder, welche die Voraussetzungen zur Entwicklung von Corona-Präparaten geboten hätten wie „Tropenmedizin“ oder „Infektionskrankheiten“ schon vor längerer Zeit abgewickelt. „Wir müssen Geld verdienen mit unseren Produkten. Das führt dazu, dass nicht alle Medikamente entwickelt werden, die wir brauchen“, so hat der ehemalige BAYER-Chef Marijn Dekkers diesen Kahlschlag einmal gerechtfertigt. Und Werner Baumann hält an einer solchen Politik fest: „Wir werden und müssen auch weiterhin mit unseren Produkten Geld verdienen, ja. Auch wenn wir weiter steigende Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen planen, werden auch in der Zukunft nicht alle Bedarfe auf allen Indikationsgebieten gedeckt werden können, denn auch hier müssen wir mit begrenzten Mitteln priorisieren.“
Noch nicht einmal mit öffentlichen Geldern haben sich BAYER & Co. dazu bewegen lassen, ihre Aktivitäten in dem Bereich zu verstärken, etwa im Rahmen der „Innovative Medicines Initiative“ (IMI). Diese „Public Private Partnership“ hat die Europäische Union zur Stärkung der europäischen Pharma-Branche im internationalen Wettbewerb initiiert. Zum 5,3 Milliarden Euro schweren Etat schießt sie rund die Hälfte dazu, aber trotzdem lässt sich Big Pharma ihre Agenda nicht von Brüssel bestimmen. So wollte die EU im März 2018 ein medizinisches Projekt starten, um die Mitgliedsländer besser gegen Epidemien zu wappnen. Die Pillen-Riesen blockten das jedoch ab. „Das war für die Pharma-Industrie finanziell nicht interessant“, konstatiert Marine Ejuryan von der Initiative GLOBAL HEALTH ADVOCATES. Projekte wie „Autoimmun-Erkrankungen“ oder „digitale Gesundheit“ erschienen ihr da viel lukrativer.
Im Angesicht von Corona beließ es BAYER bei milden Gaben. Der Leverkusener Multi spendete Medikamente, Desinfektionsmittel, Schutzausrüstungen, Beatmungs- und Test-Geräte. Zudem stellte er Beschäftigte für Corona-Tests ab und verteilte Saatgut und Pestizide an Kleinbauern und -bäuerinnen. Überdies bot das Unternehmen sich an, gegebenenfalls Produktionskapazitäten zur Impfstoff-Fertigung zur Verfügung zu stellen. Und im Bereich „Ernährung“, für den der Leverkusener Multi ebenfalls System-Relevanz reklamiert, sieht es nicht besser aus, ist er da doch auch eher Teil des Problems als der Lösung. Mit seinen Gen-Saaten und Pestiziden für die Futtermittel-Monokulturen in Lateinamerika steht er nämlich am Anfang jener erbarmungslosen Wertschöpfungskette, die über die Schlachthof-Fließbänder von Tönnies & Co. zu den Fleischtheken der Supermärkte führt.

Ein Wumms fürs Kapital

Die wirtschaftlichen Einbußen des Konzerns durch Covid-19 halten sich bisher in Grenzen. Im ersten Quartal des Jahres profitierte die Pharma-Sparte sogar noch von Vorratskäufen. Allerdings bekam das Unternehmen jetzt deutlich die Nachteile der Strategie zu spüren, die eigene Produktion von Arneien und Arznei-Grundstoffen zurückzufahren und immer mehr Substanzen auf dem Weltmarkt, bevorzugt in Indien oder China, zuzukaufen. Traten schon in der Vergangenheit wegen des Konzentrationsprozesses bei den Anbietern immer wieder Lieferengpässe auf, so verschlimmerte sich die Lage im Zeichen der Pandemie. „Es war mitunter schwer, an Vorprodukte zu kommen, weil Regierungen den Warenverkehr eingeschränkt hatten“, sagte Werner Baumann in einem FAZ-Interview. Eine Alternative sah er jedoch nicht: „Vor einer Nationalisierung der Lieferketten kann ich nur warnen.“ Und auch an der Globalisierung im Allgemeinen mochte der Ober-BAYER nicht rütteln. „Wir dürfen den offenen und globalen Handel nicht grundsätzlich in Frage stellen. Das wäre meiner Meinung nach eine Katastrophe für die Weltwirtschaft“, so Baumann.

Um die binnenwirtschaftlichen Kapital-Verwertungsbedingungen sorgte sich der BAYER-Chef ebenfalls. Darum gehörte er im April zu denjenigen, die eine Lockerung des Lockdowns anmahnten. „Sowohl Schutz von Risiko-Gruppen als auch ein angemessener Einstieg in den Ausstieg aus den Restriktionen sind durch verantwortungsvolle Entscheidungen mit Augenmaß möglich“, schrieb er in einem Gast-Beitrag für die FAZ.

Aber das blieb nicht die einzige Forderung von BAYER und anderen Konzernen an die Politik. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI), der „Verband der chemischen Industrie“ (VCI) und andere Organisationen verlangten umfangreiche Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene zur Ankurbelung der Wirtschaft und führten dabei alte Wunschlisten neuer Verwendung zu. Dem VCI taten sich die Handlungsfelder „Steuern“, „Investitionen“ und „Energie“ auf. Unter anderem trat er für eine Ausweitung des Verlustrücktrags, eine Senkung der Unternehmenssteuern, verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten, eine Ausweitung der staatlichen Forschungsförderung und eine Reduzierung der Stromkosten ein. Überdies bat sich der Interessensverband ein „Belastungsmoratorium“ aus: Er drängte darauf, geplante Gesetzesvorhaben zum Schutz der Umwelt und andere avisierte „regulatorische Vorschriften“ vorerst auf Eis zu legen.
Und die Bundesregierung lieferte. Sie brachte den Wirtschaftsstabilisierungsfonds auf den Weg, der für Unternehmen ab einem Umsatz von 50 Millionen Euro Bürgschaften und Kredite in einer Größenordnung von 600 Milliarden Euro vorsieht. Anfang Juni beschloss die Große Koalition dann das Konjunktur-Paket „Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken“, das kein „Handlungsfeld“ unbeackert ließ. Es erweiterte wie gewünscht den steuerlichen Verlustrücktrag sowie die Abschreibungsmöglichkeiten und verlängerte die Fristen für die Fälligkeit der Einfuhr-Umsatzsteuer. Zudem gaben Merkel & Co. steuerliche Mittel frei, um die Strom-Preise zu senken und sattelten bei der staatlichen Forschungsförderung noch einmal drauf. Bis zu vier Millionen Euro kann ein einzelnes Unternehmen nun abgreifen.
„Ein Wumms fürs Kapital“ nannte die Wochenzeitung Jungle World das Bündel, das die Regierung Merkel da geschnürt hatte. BAYER & Co. hätten es aber gern noch ein wenig wummiger gehabt. Der BDI und sieben weitere Verbände konzedierten CDU und SPD zwar, mit dem Konjunktur-Paket „wichtige Impulse gesetzt“ zu haben, gaben sich damit allerdings noch nicht zufrieden: „Bei einigen Punkten sollten jedoch Nachjustierungen vorgenommen werden.“ Konkret nannten sie unter anderem den Verlustrücktrag und die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten. „Richtig, aber zu kurz gesprungen“, befand derweil der VCI und forderte ein Wachstumsprogramm. „Dazu gehören zum Beispiel die Unternehmenssteuern auf ein international wettbewerbfähiges Niveau von 25 Prozent zu senken, die digitale und klassische Infrastruktur zu stärken, schnellere Genehmigungsverfahren zu etablieren und den Bürokatie-Aufwand für Unternehmen deutlich zu verringern“, führt die Lobby-Organisation aus.

In anderen Ländern konnten die Konzerne natürlich auch etwas abgreifen. In England gab es gleich bar auf die Hand. 600 Millionen Pfund erhielt BAYER von der britischen Regierung. Und auch auf EU-Ebene geschah etwas. 750 Milliarden Euro will Brüssel für den Wiederaufbau der Wirtschaft in den Mitgliedsländern lockermachen. „Wenn die Konjunktur in Europa nicht anspringt, bekommen wir als Export-Nation ein richtiges Problem. Das hat uns geleitet“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus zum Sinn der Übung.

Staatliche Eingriffe

Dabei beließ es die Politik jedoch nicht. Sie entfaltete zusätzlich noch Aktivitäten unterschiedlichster Art. So befugt das Infektionsschutz-Gesetz die Bundesregierung, bei „epidemischen Lagen von nationaler Tragweite“ in das Heiligste von BAYER & Co. einzugreifen, das Patentrecht, sollte sie die Versorgung der Bevölkerung mit dringend benötigten Arzeien anders nicht gewährleisten können. In Sachen „CUREVAC“ sicherte die Große Koalition sich diesen Zugriff schon im Vorhinein. Der Bund erwarb 23 Prozent der Anteile an dem Unternehmen, das an einem Impfstoff gegen Covid-19 arbeitet. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) begründete diesen Schritt mit der Notwendigkeit, „elementare Schlüsselindustrien am Standort zu erhalten und zu stärken“ und die industrielle Souveränität Deutschlands zu wahren. Vorher hatte es Gerüchte um einen Börsengang der Firma in den USA sowie um das Bemühen Donald Trumps, CUREVAC in die USA zu locken, gegeben. Um es ausländischen Konzernen schwerer zu machen, deutsche Gesellschaften zu übernehmen, senkte Altmaier überdies die Genehmigungspflicht für Beteiligungen. Schon ab einem Erwerb von zehn Prozent der Anteile bedarf es dafür nach der Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes nun der Zustimmung der Bundesregierung.

Zudem sah die Politik wegen der Lieferengpässe von Medikamenten, die in den Zeiten von Corona noch einmal verstärkt auftraten, Handlungsbedarf. Die Bundesregierung legte deshalb ein Programm zur Förderung einer inländischen Pharmazeutika-Produktion auf, und auch auf europäischer Ebene geschieht etwas. In martialischen Worten beschreibt ein Berichtsentwurf des „Ausschusses für Umwelt-Fragen, öffentlichen Gesundheit und Lebensmittelsicherheit“ das Problem. „Der Bereich der öffentlichen Gesundheit hat sich zu einer geostrategischen Waffe entwickelt, mit der ein ganzer Kontinent in die Knie gezwungen werden kann. Unser Souveränitätsverlust offenbart sich im Rahmen dieser Pandemie klar und deutlich“, hieß es in dem Dokument. Darum plädiert die Berichterstatterin Nathalie Colin-Oesteré dafür, steuerliche und andere finanzielle Anreize zu schaffen, um Wirkstoff-Produktionen nach Europa zurückzuholen. Sie geht aber noch weiter und erklärt es für notwendig, „pharmazeutische Einrichtungen ohne Erwerbszweck und von allgemeinem Interesse ins Leben zu rufen, die in der Lage sind, bestimmte prioritäre Arzneimittel herzustellen“. Auch schlägt sie der EU-Kommission vor, einen Korb mit Medikamenten zu harmonisierten Preisen vorzuhalten, „um wiederkehrenden Engpässen zu begegnen und sicherzustellen, dass Patienten Zugang zu einer Behandlung haben“.

Nach freier Marktwirtschaft hört sich das alles dann auch nicht an. Dementsprechend fallen dann auch manche Reaktionen aus. BOEHRINGER-Chef Hubertus von Baumbach ereifert sich aus Anlass der Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes über „planwirtschaftliche Eingriffe“. Und der Vorsitzende der Monopol-Kommission, Achim Wambach, konstatiert „massive Eingriffe des Staates in die Wirtschaft“. Die Rheinische Post spricht ebenfalls von einer „Rückkehr der Staatswirtschaft“ und beschwört warnend den Geist von Ludwig Erhard – im Fall von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble vergeblich. Den treibt nämlich derzeit ein ganz anderer um. „Es mag Sie überraschen, aber ich bin ein großer Anhänger der Lehre von John Maynard Keynes, der in Krisenzeiten eine starke Rolle des Staates fordert“, lautete sein Kommentar zum 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbau-Programm der EU.

Diese Eingriffe kommen nicht von ungefähr. Im Angesicht von Corona haben sich gerade die kapitalistischen Gesundheitssysteme als äußerst defizitär erwiesen. Das Virus traf auf kaputtgesparte Krankenhäuser mit einer ausgedünnten Personal-Decke und eine Pharma-Industrie, die mit leeren Händen dastand und zudem über überaus fragile, da über den ganzen Erdball verlaufende Wertschöpfungsketten verfügte. Und dazu kam noch eine Privatisierung der Gesundheitsrisiken, die US-amerikanischen Corona-PatientInnen für eine Behandlung sage und schreibe Rechnungen von bis zu 35.000 Dollar aufbürdete.

Was bei einigen BeobachterInnen für einen Rotschock sorgte, werteten andere schon als Chance für einen „Corona-Sozialismus“. Während BAYER-Chef Baumann zumindest die Globalisierung bedroht sieht, setzen andere Apologet*innen des derzeitigen Wirtschaftssystems derweil auf eine „schöpferische Zerstörung“ durch SARS-CoV-2. „Nicht jede Insolvenz ist von Nachteil für die Wirtschaftsstruktur“, befindet etwa Achim Wambach. Und der VCI-Präsident Christian Kullmann konstatiert: „Die Starken werden stärker werden, die Schwachen schwächer. Das ist das brutale Gesetz der Krise.“ Momentan ist es noch zu früh für abschließende Urteile. Eines jedoch dürfte klar sein: Auf die eine oder andere Art wird die Pandemie die Ökonomie verändern.

[Der Glyphosat-Deal] BAYER speist Geschädigte ab

CBG Redaktion

Ende Juni 2020 kam es im Mediationsverfahren in Sachen „Glyphosat“ zu einer Einigung. Damit will BAYER den Fall endgültig zu den Akten legen und wieder „Kurs auf die Zukunft nehmen“.

Von Jan Pehrke
Am 24. Juni 2020 vermeldete BAYER die Einigung in dem Mediationsverfahren um die Klagen von Glyphosat-Geschädigten, das der Jurist Kenneth Feinberg leitete. Mit der Zahlung von 8,8 bis 9,6 Milliarden Dollar möchte der Konzern drei Viertel der anhängigen 125.000 Fälle abschließen. 1,25 Milliarden hält er für potenzielle künftige Vereinbarungen mit PatientInnen vor, die am Non-Hodgin-Lymphom leiden. Für die Krebskranken bleiben so pro Person nur 60.000 bis 70.000 Dollar übrig; ein Nichts in Anbetracht der geraubten Lebensjahre. Zum Vergleich: Im ersten vor Gericht ausgetragenen Glyphosat-Prozess erhielt der Schul-Hausmeister Dewayne Johnson 39 Millionen Dollar an Schadensersatz zugesprochen.
Überdies beabsichtigt der Leverkusener Multi allen, die in Zukunft durch das von ihm unter dem Produkt-Namen ROUNDUP vermarktete Ackergift Gesundheitsschäden erleiden, den Rechtsweg zu verbauen. „Ob ROUNDUP das Non-Hodgin-Lymphom verursachen kann“, soll stattdessen ein „unabhängiges Wissenschaftsgremium (Class Science Panel)“ feststellen. „Dadurch wird diese Entscheidung anstelle von Jury-Verfahren wieder in die Hände sachkundiger Wissenschaftler gegeben“, befindet der Global Player. Allerdings braucht er für diese „Justizreform“ noch den Segen der Gerichte.

Eine Verantwortung für die Risiken und Nebenwirkungen dieser Agrochemikalie übernimmt BAYER mit diesen Vereinbarungen nicht. „Sie enthalten keinerlei Eingeständnis einer Schuld oder eines Fehlverhaltens“, hält die Aktien-Gesellschaft fest. Dabei liegen eben dafür eindeutige Beweise auf dem Tisch, welche auch die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO schon seit über zehn Jahren kennt. So informierte ein Beschäftigter die Toxikologin Donna Farmer laut internen Firmen-Dokumenten bereits im Jahr 2008 über eine Untersuchung, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Herbizid Glyphosat und dem Non-Hodgkin-Lymphom belegt. „Die Fall-Kontroll-Studie ergibt ein Chancen-Verhältnis von 2,02 für Glyphosat-Exposition (eine zweifache Wahrscheinlichkeit, die Krankheit zu bekommen)“, hieß es in der Mail.

Warnungen vor der Gefährlichkeit des Mittels muss der Konzern aber trotzdem nicht auf den Glyphosat-Behältnissen anbringen, obwohl Vergleiche in Produkthaftungsverfahren sonst immer mit dieser Verpflichtung einhergehen. Aber die US-Regierung entband den Leverkusener Multi unlängst von diesem Zwang. Daran stieß sich James Hayes, einer der US-amerikanischen Glyphosat-Kläger, gegenüber der COORDINATION GEGEN BAY-----ER-GEFAHREN (CBG) besonders: „Es ist enttäuschend zu hören, dass keine Warnhinweise auf ihren (BAYER-)Produkten erscheinen werden.“

Die Medien feierten den Deal derweil als Befreiungsschlag. Gabor Steingart etwa fand in seinem Morning-Briefing-Podcast diese Worte: „Der Chef der BAYER AG hat einen fulminanten Durchbruch erzielt. Er wird knapp zehn Milliarden Euro an die Glyphosat-Kläger überweisen und ist das leidige Thema damit los.“ Das wird die CBG allerdings zu verhindern wissen.

[Gericht verbietet Dicamba] Aus für BAYER-Pestizid in den USA

CBG Redaktion

Die Agro-Chemikalie Dicamba sorgt immer wieder für Ernte-Schäden. Darum erfolgte in den USA nun das Verbot.

Von Jan Pehrke

Auf US-amerikanischen Äckern fand das Pestizid Dicamba in den letzten Jahren eine stärkere Verbreitung, weil die Agro-Riesen es in Kombination mit ihren Gen-Pflanzen vermarkteten. Das ließ allerdings auch die Kritik an Produkten wie XTENDIMAX, im Jahr 2017 von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO entwickelt, wachsen.

Zahlreiche LandwirtInnen machen die Mittel für Ernte-Schäden verantwortlich. Das Herbizid bleibt nämlich nach dem Ausbringen nicht einfach an Ort und Stelle, sondern verflüchtigt sich und treibt zu Ackerfrüchten hin, die gegen den Stoff gentechnisch nicht gewappnet sind und deshalb eingehen. Allein im Jahr 2019 geschah das auf einer Fläche von mehr als 400.000 Hektar. Viele FarmerInnen zogen deshalb gegen den Leverkusener Multi und andere Hersteller vor Gericht. Ein erster Prozess endete für BAYER und BASF im Februar 2020 mit der Verurteilung zu einer Zahlung von 265 Millionen Dollar Schadensersatz. 170 weitere Verfahren in Sachen „Dicamba-Abdrift“ stehen noch aus. Daneben verklagten der LandwirtInnen-Verband „National Family Farm Coalition“ sowie mehrere Umwelt- und VerbraucherInnenschutz-Gruppen die US-amerikanische Umweltbehörde EPA und verlangten von ihr, die Zulassung zu widerrufen. Am 3. Juni 2020 bekamen die Organisationen vom San Franciscoer „US Court of Appeals“ Recht zugesprochen. Nach Auffassung der RichterInnen hatte die EPA die von Dicamba ausgehenden Risiken „substanziell unterschätzt“, weshalb die JuristInnen einen sofortigen Verkaufsstopp anordneten.

BAYER reagierte erwartungsgemäß. „Wir sind mit dem Urteil nicht einverstanden und prüfen unsere nächsten Schritte“, verlautete aus der Konzern-Zentrale. Und den FarmerInnen gegenüber erklärte das Unternehmen, nach wie vor voll hinter Dicamba zu stehen. „Wir sind stolz darauf, Innovationen wie XTENDIMAX voranzutreiben, um den Erzeugern zu helfen, ihre Pflanzen sicher, erfolgreich und nachhaltig vor Unkräutern zu schützen“, hieß es in dem Statement.
Dabei kannte der Global Player die Nebenwirkungen des Pestizids ganz genau. Bereits im Jahr 2009 spielten BeraterInnen für seine jetzige Tochter-Gesellschaft MONSANTO ein Szenario durch, bei dem es wegen der Abdrift des Mittels zu Ernte-Verlusten, Schadensersatz-Klagen und schlechter Presse kommt, und wappneten den Multi mit Gegen-Strategien.

Zudem weigerte MONSANTO sich wohlweislich, das Herbizid unabhängigen WissenschaftlerInnen zu Test-Zwecken zur Verfügung zu stellen. Stattdessen erhielten die Beschäftigten die Anweisung, „dass wir alles in unserer Macht Stehende tun müssen, um die Genehmigung zu erhalten“. Damit nicht genug, bestätigte eine neuere Studie einmal mehr die von Dicamba ausgehende Krebs-Gefahr.

Ob das alles ausreicht, das Verbot aufrechtzuhalten, steht allerdings dahin. Eine kleine Aufweichung erreichte die EPA schon: FarmerInnen dürfen das Pestizid noch bis zum 31. Juli, also bis zum Ende der diesjährigen Pflanz-Saison, ausbringen.

[Verbotene Früchte] BAYER macht’s möglich: Ultra-Gifte are coming home

CBG Redaktion

Die Europäische Union wollte konsequent sein und Rückstände von Pestiziden, die sie wegen ihrer gesundheitsschädlichen Wirkungen verboten hat, auch nicht mehr in Lebensmittel-Importen dulden. Das wussten BAYER & Co. allerdings zu verhindern.

Von Jan Pehrke

Der BAYER-Konzern unterhält in allen wichtigen Hauptstädten der Welt sogenannte Verbindungsbüros, von denen aus er seine Lobby-Aktivitäten steuert. Das größte davon befindet sich in Washington, dann folgt aber schon Brüssel. Das dortige Büro hat einen Etat von 4,3 Millionen Euro, mit dem 24 Beschäftigte versuchen, EU-Entscheidungen im Sinne des Global Players zu erwirken. Dazu haben sich die Einfluss-ArbeiterInnen allein in dem Zeitraum zwischen 2015 und 2019 31 Mal mit EU-KommissarInnen oder deren Kabinettsmitgliedern getroffen, wie aus dem Lobby-Register der Europäischen Union hervorgeht.

Vor allem auf die Pestizid-Regulierungen hatten sie es abgesehen. Und dabei wiederum galt den Import-Bestimmungen ihr gesondertes Interesse. Hier drohte nämlich Ungemach. Die Europäische Union beabsichtigte, es Agro-Chemikalien, die sie wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen aus dem Verkehr gezogen hatte, auch auf Umwegen nicht mehr zu gestatten, Unheil anzurichten. Also wollte sie keine Rückstände von EU-weit verbotenen Pestiziden in Lebensmittel-Einfuhren mehr tolerieren, selbst in den geringsten Mengen nicht.

Grundlage hierfür bildete der sogenannte Gefahren-Ansatz. Dieser geht davon aus, dass einige Stoffe an sich und nicht bloß ab einer bestimmten Schwelle schädlich sind, weshalb schon kleinste Reste Krankheiten auslösen können. Zu solchen Substanzen, bei denen Untersuchungen zufolge nicht die Dosis das Gift macht, zählen beispielsweise endokrine Disruptoren. Hierbei handelt es sich um hormon-ähnlich wirkende und deshalb gesundheitsgefährdende Chemikalien, die auch in einigen Pestiziden enthalten sind. Im Gegensatz dazu kennt der Risiko-Ansatz keine absoluten Gefahren, sondern nur relative, von der Wirkstärke abhängige und deshalb durch Grenzwerte einhegbare. Darum bevorzugt die Industrie eine solche Regulierungsvariante und drang darauf, von dieser auch bei den Nahrungsmittel-Importen Gebrauch zu machen.

Das ganze Ausmaß der Branchen-Vorstöße zur „Gefahren-Abwehr“ machte der Report „Toxic residues through the back door“ des CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) öffentlich, das unter Berufung auf die Transparenz-Richtlinie der EU Einsicht in die Dokumente nehmen konnte. Der Leverkusener Multi begann mit seinen Lobby-Anstrengungen im März 2017. Da brachte ein BAYER-Abgesandter bei einem Treffen mit einem Kabinett-Mitglied des damaligen Landwirtschaftskommissars Phil Hogan die Erwartung des Konzerns zum Ausdruck, dass die EU die Frage der Agrochemie-Rückstände bei Einfuhren „im Einklang mit den WTO-Regeln zur Vermeidung von Handelsbarrieren“ behandle. Zwei Tage später wandte sich das Unternehmen in der Angelegenheit an Nathalie Chaze, die während der Amtszeit von Gesundheitskommissar Vyvenis Andriukaites dessen Kabinett angehörte. Chaze erteilte dem Global Player allerdings eine Abfuhr. Es sei das erklärte Ziel der EU, „die Konsumenten vor unter das Ausschluss-Kriterium fallende Substanzen und deren Rückstände in der Nahrung zu schützen, egal, woher sie stammen“, so Chaze. Im Juli sprach ein BAYER-Lobbyist dann gemeinsam mit einem SYNGENTA-Kollegen direkt bei Andriukaites vor. Aber auch dieser ließ nicht mit sich reden. Bei Pestiziden, die unter das Ausschluss-Kriterium auf der Grundlage des Gefahren-Ansatzes fallen, „Rückstände über der Nachweis-Grenze zuzulassen, würde ein inakzeptables Gesundheitsrisiko darstellen“, hielt der Litauer fest.

Daraufhin erhielt dieser einen Brief, den BAYERs Agro-Chef Liam Condon zusammen mit SYNGENTA-Boss Erik Frywald verfasst hatte. „Gefahren-basierte Grenzwerte sollten von der EU nicht dazu verwendet werden, Handelshemmnisse einzuführen oder politische Ziele zu erreichen“, schrieben die beiden. Sie beklagten sich aber auch generell über das „zunehmend konservative, politisch motivierte“ Kontrollsystem und forderten Brüssel auf, vereint mit ihnen offensiv solchen Gruppen entgegenzutreten, die angeblich nur emotional argumentierten.
Unterstützung erhielten die Agro-Manager von ihrer Lobby-Organisation „European Crop Protection Association“ (ECPA). Diese zeigte sich „extrem besorgt“ über die Pläne und mahnte mit Verweis auf die EU-Maxime der „Better regulation“ ein sogenanntes Impact Assessment an, eine ökonomische Folgeabschätzung. Das entsprechende Zahlenfutter dafür lieferte BAYER Mitte November 2017. In Tateinheit mit DTB ASSOCIATES CONSULTING präsentierte der Konzern der Generaldirektion Handel einen Report, der vor großen finanziellen Einschnitten durch die avisierten EU-Maßnahmen warnte. Der von der Beratungsfirma BRYANT CHRISTIE erstellte Bericht, den die ECPA gemeinsam mit CROPLIFE INTERNATIONAL finanziert hatte, bezifferte die möglichen Verluste im Falle der Implantierung der strengeren Import-Auflagen auf 70 Milliarden Euro. Diese Zahl findet sich später auch in der WTO-Beschwerde der USA und Australiens gegen ein Vorhaben der Europäischen Union zur Regulierung von endokrinen Disruptoren.

Das alles blieb nicht ohne Wirkung. „Nach Diskussionen mit den Mitgliedsländern über den ursprünglichen Vorschlag und im Angesicht der Reaktionen von Stakeholdern und Drittstaaten findet ein weiteres Nachdenken statt, um das Vorgehen der Kommission festzulegen“, ruderte die Generaldirektion Gesundheit zurück. Wenig später stellte Andriukaites in Aussicht, den mit dem Gefahren-Bann belegten Substanzen vor den Toren der Europäischen Union doch noch einmal eine Risiko-Prüfung zuzubilligen. Und in den Dokumenten zu den Verhandlungen mit Kanada über das Handelsabkommen CETA hieß es schließlich sogar: „Das langfristige Ziel der EU ist es, sich von einem gefahren-basierten Ausschluss-Kriterium bei Regulierungsentscheidungen wegzubewegen.“

Die Bundesregierung half kräftig dabei mit, die erste Etappe dazu mit den entsprechenden Import-Regeln zu meistern. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) setzte sich laut taz „für eine risiko-orientierte Bewertung von Rückständen ein“, da mit den daraus resultierenden Grenzwerten ihrer Meinung nach gesundheitsgefährdende Effekte „praktisch ausgeschlossen werden können“. PolitikerInnen aus sechs anderen Mitgliedsländern teilten die Ansicht.
Brüssel gab sich im Februar 2020 auf taz-Anfrage noch unentschieden: „Die Festlegung von Rückstandshöchstgehalten für Pestizide, die die Ausschluss-Kriterien erfüllen, ist ein komplexes Thema, über das die Kommission derzeit nachdenkt.“ Aber am Ende des Tages kippte die Europäische Union doch um. In ihrer am 20. Mai 2020 vorgestellten Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“ zeigte sie sich gegenüber Nahrungsmitteln, die von fernen Höfen auf die europäischen Tische streben, nachsichtig. In dem entsprechenden Passus heißt es, Brüssel gewährte „Einfuhr-Toleranzen für Pestizid-Wirkstoffe, die in der EU nicht mehr genehmigt sind“. Das Mittel der Wahl bei der Prüfung der Unterlagen: die von BAYER & Co. immer wieder eingeforderte Risiko-Bewertung. Mittels dieser gedenkt die Europäische Union dann auch, „Umwelt-Aspekte“ in den Blick zu nehmen. Zudem bekundete die Kommission, sie wolle sich „gegenüber ihren Handelspartnern, insbesondere gegenüber Entwicklungsländern, tatkräftig dafür einsetzen, den Übergang zu einem nachhaltigeren Einsatz von Pestiziden zu flankieren, um Handelsstörungen zu vermeiden und alternative Pflanzenschutzmittel und -methoden zu fördern“. De facto aber hat die EU mit dem Zugeständnis von „Import-Toleranzen“ ihre Prinzipien verraten. Nicht zuletzt brüskiert sie damit ihre eigenen LandwirtInnen, die auf ihren Feldern weniger gesundheitsgefährdende Chemikalien einsetzen und jetzt Wettbewerbsnachteile fürchten müssen. Vergeblich hatten diese gefordert, „dass für importierte Waren dieselben Kriterien bezüglich Pflanzenschutz-Anwendung und Rückstandswerten angelegt werden wie für Waren aus der EU“ – gegen das Extrem-Lobbying der Agro-Branche war kein Ankommen.

„Brüssel knickt vor BAYER & Co. ein“, resümierte die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) in ihrer Presse-Erklärung dann auch: „Das ist ein Offenbarungseid. Die EU-Kommission räumt den Konzern-Interessen den Vorrang vor der menschlichen Gesundheit ein.“

[Missglückte Flucht] Die BAYER-Hauptversammlung 2020

CBG Redaktion

Weltweit steht kein Unternehmen so unter Beobachtung wie der BAYER-Konzern. Seit 1978 schon schaut ihm die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf die Finger, rund um die Uhr, rund um den Globus. Auf den Hauptversammlungen der AktionärInnen ist sie seit 1982 präsent. Von Anfang an versuchte der Leverkusener Multi, diese Kritik loszuwerden. Dazu war ihm jedes Mittel recht. Er diffamierte und verleumdete, unterwanderte und schleuste Spitzel ein, doch nichts fruchtete. Ein Vorstandsvorsitzender nach dem anderen trat ab, doch die Coordination blieb. Damit sollte 2020 endgültig Schluss sein: Im Windschatten der Corona-Pandemie hebelte der Global Player die AktionärInnen- und Grundrechte aus und floh mit seiner Hauptversammlung ins Internet. So wollte er sich der Proteste entledigen. Doch die Rechnung ging nicht auf.

Von Marius Stelzmann und Axel Köhler-Schnura

Die AktionärInnen-Hauptversammlungen des BAYER-Konzerns sind weltweit einzigartig. Seit 1982 werden sie durchgehend von Protesten begleitet. Nicht nur auf der Straße, vor den Türen der Hauptversammlung, sondern auch im Saal an den Mikrofonen werden die Kehrseiten der Profite und die Verbrechen des Unternehmens thematisiert. Gegenmaßnahmen des Konzerns – und davon gab es viele – fruchteten nicht. Jahr für Jahr übertragen Hunderte von AktionärInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) immer wieder aufs Neue zehntausende Aktien-Stimmrechte. Einmal waren es sogar Millionen, was die CBG in die Lage versetzte, die Tagesordnung verändern zu können.

HV-Kritik seit 1982

Dutzende der von BAYERs Geschäftspolitik betroffenen Menschen aus aller Welt – Medikamentengeschädigte, AnwohnerInnen der Werke, Pestizid-Vergiftete und andere – sie alle erhalten durch die Stimmrechte der Kritischen AktionärInnen der CBG auf jeder Hauptversammlung eine Stimme. Darüber hinaus reicht die Coordination zu allen Tagesordnungspunkten regelmäßig Gegenanträge ein.
Zunehmend ging es auf den Hauptversammlungen des BAYER-Konzerns nicht mehr nur um Profit, Gewinn und Dividende, sondern um die Kehrseiten der Bilanzen. Dutzende RednerInnen thematisierten die Risiken und Nebenwirkungen der gnadenlosen Profit-Jagd: die Umweltverseuchung, die Klima-Erwärmung, die Gesundheitsschädigung durch BAYER-Produkte, die Arbeitsplatz-Vernichtung und andere Konzern-Verbrechen.

Im Jahr 2019 dann die geschichtlich einmalige Sensation: Was sonst immer nur die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gefordert hatte, wurde Wirklichkeit: Die Hauptversammlung entlastete BAYERs Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann nicht! Dieses historische Ereignis wurde möglich, weil die Glyphosat-Prozesse dem Konzern gleichzeitig moralischen und wirtschaftlichem Schaden einbrachten. Die von der Öffentlichkeit in aller Welt aufmerksam verfolgten juristischen Verfahren mit ihren Schadensersatz-Urteilen hatten dramatische Folgen für BAYER. Glyphosat wurde der Inbegriff für alles, was im agro-industriellen Modell der Landwirtschaft schiefläuft. Zu guter Letzt veränderte dies auch die Haltung der AktionärInnen. Sie verkauften ihre Papiere in Panik, der Kurs der BAYER-Aktie stürzte daraufhin massiv ab. Das Unternehmen verlor zwischenzeitlich mehr als die Hälfte seines Börsenwertes. Als Folge davon traten „Großinvestoren“ wie BLACKROCK und andere auf den Plan und entzogen dem Vorstand am 26. April 2019 ebenfalls das Vertrauen. Zwar gab der Aufsichtsrat noch in der Nacht nach der HV ein Treuebekenntnis ab und hielt den Vorstand unverändert im Amt, doch änderte das nichts an der Tatsache, dass eine Mehrheit aller Aktien gegen den BAYER-Chef Werner Baumann gestimmt hatte. Und das waren immerhin fast 300 Millionen Aktien!

Wenning muss gehen

Noch vor der Hauptversammlung 2020 wirkte das HV-Desaster aus dem Jahr 2019 nach. Zur Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2020 wurde ohne Nennung weiterer Gründe bekannt gegeben, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning vorzeitig gehen muss. Klar war hier, dass Wenning abgestraft werden sollte, denn er war es, der die Übernahme von MONSANTO eingefädelt hatte und mit seinem Schützling Werner Baumann realisierte. Soweit die Vorgeschichte. Was dann kam, stellte allerdings alle Vorstellungen für die diesjährige Hauptversammlung auf den Kopf.

Für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN starteten die Vorbereitungen bereits im Dezember 2019. Bis sich die Welle des Protestes aufschaukeln kann, muss nämlich lange vorgearbeitet werden. Es gilt, BündnispartnerInnen einzubinden und Kontakte in alle Welt aufzubauen. Planen, planen, planen, heißt die Devise. Die CBG wollte sich frühzeitig rüsten, denn sie weiß um die Bereitschaft des Konzerns, dem Protest und Widerstand immer wieder Steine in den Weg zu legen.
Als das neue Jahr begann, fühlte sich die CBG gut aufgestellt. Schließlich hatte sie Auftrieb durch die letzte Hauptversammlung bekommen, als die Coordination nicht nur den größten Protest in der Geschichte des Konzerns auf die Beine gestellt, sondern darüber hinaus daran mitgewirkt hatte, ein historisches Novum zu schaffen: Die Nicht-Entlastung eines BAYER-Vorstands.

Im Windschatten dieses Erfolges vermochte die CBG ihr Protest-Bündnis stark zu verbreitern. Die junge Protestbewegung der FRIDAYS FOR FUTURE (FFF), welche die letzte Hauptversammlung mit einer 500 Personen starken Demonstration heimgesucht hatte, setzte 2020 passenderweise einen Klimastreik kurz vor der Hauptversammlung an: Am 24. April. Auch hatte sich zu Beginn des Jahres das „BLOCK BAYER“-Bündnis konstituiert, welches zivilgesellschaftliche Blockaden der Pestizid-Produktionsstätten des Leverkusener Multis plante, um auf die verheerenden Folgen von Glyphosat & Co. für Mensch, Tier und Umwelt aufmerksam zu machen.

Weg vom Freitag

Die Konzernführung beobachtete den sich organisierenden und vernetzenden zivilgesellschaftlichen Widerstand sorgfältig und plante ihre Antwort. Der erste Schritt kam zu Jahresanfang. War die Hauptversammlung ursprünglich immer auf einen Freitag terminiert, so änderte BAYER das diesmal. Das Unternehmen legte das AktionärInnen-Treffen erstmals auf einen Dienstag. Offensichtlich hatte der Vorstand keine Lust, nochmals Besuch von FRIDAYS FOR FUTURE zu erhalten.
Ende Februar dann die Bilanz-Pressekonferenz des BAYER-Konzerns. Der Termin für die HV 2020 wurde da offiziell verkündet: Dienstag, 28. April. Ein nicht nur im Hinblick auf den Wochentag wohlweislich gewähltes Datum. An diesem Tag fand nämlich zufällig auch die RWE-Hauptversammlung statt, und der Konzern baute darauf, dass der Klima-Protest dorthin ziehen würde. Das nach dem Aktienrecht vorgesehene Prozedere zur HV sollte dann Anfang März mit der offiziellen Einladung des Konzerns starten.

Parallel zu diesen Entwicklungen hatte sich allerdings der Corona-Virus ausgebreitet, was weltweit für mehr und mehr Veränderungen im normalen gesellschaftlichen Geschehen sorgte. So auch in Deutschland. Kaum war die Einladung zur Hauptversammlung von BAYER veröffentlicht, erfolgten die ersten Verordnungen zu Verboten von Veranstaltungen. Die Hauptversammlungen der Konzerne waren ebenfalls davon betroffen. Es machte sich Unsicherheit breit, einige Konzerne gaben Verschiebungen ihrer AktionärInnen-Versammlungen bekannt. Bei BAYER allerdings herrschte Schweigen im Walde. Die Öffentlichkeit wunderte sich, Woche um Woche verstrich, der Termin der Hauptversammlung wurde nicht geändert. Nicht bekannt war allerdings, dass BAYER längst im Stillen mit seinen Lobby-Verbänden und einer Beraterfirma die Bundesregierung massiv bearbeitete, um rechtliche Voraussetzungen für eine Verlagerung von Hauptversammlungen ins Internet zu erreichen. Und der Multi hatte damit Erfolg: Im Schatten der weltweiten Corona-Pandemie erwirkte BAYER in Kooperation mit anderen Konzernen ein Aktionärs-Notstandsgesetz, das als Teil des „Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ ohne jede öffentliche und ohne jede demokratische Debatte am Bundestag vorbei durchgepeitscht wurde.

Der BAYER-Coup

Offenkundig war das von langer Hand geplant, denn die Konzerne träumten schon lange von virtuellen Hauptversammlungen im stillen Kämmerlein ohne lästige Proteste. Die Corona-Pandemie kam da nur zur rechten Zeit und lieferte einen Vorwand. Entsprechend verkündete der Konzern kurz nach der Verabschiedung die Corona-Notstandverordnung, die Hauptversammlung ins Internet verlegen zu wollen.
Womit das Unternehmen allerdings nicht gerechnet hatte, war die Gegenwehr, die die CBG in Kooperation mit dem DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE organisierte. So veröffentlichten die beiden Initiativen einen Offenen Brief, der „die beispiellose Aushebelung der Aktionärs- und Grundrechte“ massiv anprangerte. Diese Kritik fand sofort ihren Weg in die Öffentlichkeit. Selbst traditionelle Kleinaktionärsvereinigungen und die Wirtschaftspresse von Handelsblatt bis Wirtschaftswoche und Capital schlossen sich der im Offenen Brief zum Ausdruck kommenden Bewertung des undemokratischen BAYER-Vorgehens an. Das Schreiben, auf das der Konzern nie offiziell reagiert hat, ist auf der CBG-Internetseite zu finden: www.CBGnetwork.org.

Bereits vor der Corona-Krise war es der CBG überdies gelungen, Kontakt zu den US-amerikanischen KritikerInnen von BAYER/MONSANTO aufzunehmen. Zu diesen zählt die Journalistin Carey Gillam, die von MONSANTO wegen ihrer Recherchen mit einer massiven Schmutzkampagne überzogen wurde. Auch vernetzte die Coordination sich mit zahlreichen Menschen, die durch Glyphosat gesundheitlich geschädigt wurden.
Kontakte baute die CBG zudem in vielen anderen Länder auf: Kanada, Neuseeland, Australien, viele Staaten Lateinamerikas, aber auch in anderen europäischen Nationen wie der Schweiz, Österreich oder auch Frankreich fand sie KooperationspartnerInnen.

In Deutschland schuf die CBG ebenfalls ein breites Bündnis des Protestes. Dieses umfasste neben BLOCK BAYER und FRIDAYS FOR FUTURE u. a. die Partei DIE LINKE, INKOTA, MISEREOR, die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, OXFAM, den BUND, SUMOFUS, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und COLABORA TOGETHER. Viele der Gruppen stimmten schon im Vorfeld mit Presseerklärungen auf die HV ein, und fast alle lieferten auch am Tag selber Beiträge.

Proteste trotz Corona

Die Notstandsverordnung zum Aktienrecht erlaubte es BAYER nicht nur, das Rederecht der AktionärInnen zu suspendieren und nur noch – vorher einzureichende – Fragen zuzulassen, sondern auch noch eine ganze Reihe weiterer undemokratischer Einschränkungen vorzunehmen. Der Konzern erhoffte sich davon, die Proteste der CBG sowie der anderen KleinaktionärInnen auszuhebeln. Die Fristen für die Abwicklung der Formalitäten wurden von ursprünglich sechs Wochen auf wenige Tage verkürzt. Die Verfahren für AktionärInnen, um an der HV überhaupt teilnehmen, die Stimmrechte übertragen, Fragen stellen und abstimmen zu können, wurden zudem massiv verkompliziert, was die abschreckende Wirkung noch einmal erhöhen sollte.

Doch die CBG trug dieser veränderten Situation Rechnung. In Windeseile wurden die mehreren hundert mit der CBG kooperierenden AktionärInnen informiert. Gemeinsam mit ihnen setzte die Coordination dann alle technischen Anforderungen um. So wurde es möglich, mehrere zehntausend Stimmrechte zu realisieren, mehrere Dutzend Konzern-KritikerInnen in der virtuellen HV bei BAYER zu platzieren, weit über einhundert Fragen einzureichen und an der Abstimmung über alle Anträge teilzunehmen.

Protest real & virtuell

Parallel dazu gingen die anderen Vorbereitungen der Coordination gegen BAYER-Gefahren weiter. Dabei hielt die CBG an der Tradition fest, die Proteste zur BAYER-Hauptversammlung mit einer Auftakt-Veranstaltung einige Tage vor der eigentlichen HV einzuläuten. Seit jeher führt die Coordination nicht nur Aktionen durch, sondern liefert auch Argumente für die Konzern-Kritik. Dies wollte sie auch in diesem Jahr tun, allerdings notgedrungen komplett online, in Form eines international besetzten Podiums.

Und da die CBG damit rechnete, dass die Proteste in ihrer ursprünglichen Gestalt keinen Eingang in BAYERs Online-Stream finden würden, stellte sie eine ganztägige Parallelaktion im Netz auf die Beine. Hier sollten neun Stunden lang begleitend zur BAYER-Hauptversammlung KritikerInnen des Konzerns aus aller Welt zu Wort kommen. Zugleich war geplant, BAYERs Online-HV in Live-Blöcken zu bestimmten Uhrzeiten zu kommentieren. Überdies war die Möglichkeit gegeben, dass sich zu diesen Nachrichten-Blöcken auch JournalistInnen per Hotline direkt durchschalten lassen und Fragen stellen konnten. Unter dem Motto „BAYER geht online, der Protest auch“ wurden die Proteste auf allen für die CBG erreichbaren Internet-Kanälen im In- und Ausland bekannt gemacht: auf YouTube, verschiedenen Internetseiten, Facebook, Twitter etc.

Trotzdem fand die CBG es aber auch nach wie vor sehr wichtig, auf der Straße zu demonstrieren. Doch wo, wenn es keine reale HV gibt? Natürlich vor dem BAYER-Studio in der Leverkusener Konzern-Zentrale! Mit einer solchen Demonstration sollte nicht nur die Tradition des Straßenprotestes zur BAYER-HV fortgeführt werden, es sollte auch deutlich gemacht werden, dass sich Protest selbst in Zeiten von Corona nicht zum Schweigen bringen lässt und dass die Coordination Grundrechte auch in dieser Situation verteidigt wissen will. Ihr war aber klar, dass sie um eine solche Demonstration kämpfen musste. Zunächst erhielt die Coordination den Bescheid, dass alle Kundgebungen verboten seien – und einen Insider-Hinweis mit der Information, dass der „Krisenausschuss“ der Stadt Leverkusen auf Druck „einer bestimmten Firma“ hin ein komplettes Demonstrationsverbot für Leverkusen erlassen hätte.

Doch glücklicherweise kam das Bundesverfassungsgericht zu Hilfe. Es stellte kurz vor der Hauptversammlung in einem Grundsatz-Urteil fest, dass auch in Corona-Zeiten Demonstrationen unter besonderen Voraussetzungen zugelassen werden müssten. Entsprechend erneuerte die CBG ihren Antrag und machte corona-gerechte Vorschläge für die Aktion. Und tatsächlich bekam sie einen Tag vor der HV per Email eine Sondergenehmigung. Dabei war sie bereits darauf vorbereitet, Rechtsmittel gegen das Verbot einlegen zu müssen. Mit politischer Hartnäckigkeit und juristischer Argumentation hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN so das Recht auf die Demonstration am Tag der HV durchgesetzt.

Erste Aktionen
Aber schon davor war so einiges los. Am 23. April hielten INKOTA, MISEREOR und die Rosa-Luxemburg-Stiftung ein Webinar zu den doppelten Standards von BAYER und BASF bei ihren Pestizid-Geschäften in Brasilien und Südafrika ab und schalteten dabei auch AktivistInnen aus diesen Ländern zu. Am darauffolgenden Tag fand der Online-Klimastreik von FRIDAYS FOR FUTURE statt. Unter anderem präsentierten die AktivistInnen im Internet eine Deutschland-Karte, auf der mensch in seiner jeweiligen Stadt mit Protest-Fotos zumindest virtuell vor Ort sein konnte, was die CBG – zusammen mit 87.000 anderen digitalen MitstreiterInnen – auch nutzte. Und zu dem am 25. April im World Wide Web von MULTIWATCH aus Basel im World Wide Web organisierten „March against BAYER & SYNGENTA“ schickte die Coordination eine Video-Botschaft.

Am 26. April fand dannwie geplant die internationale Online-Auftaktveranstaltung der CBG zu den HV-Protesten 2020 statt. Moderiert wurde sie von Christiane Schnura und Marius Stelzmann von der CBG.

>Lena Luig von INKOTA stellte dabei die Studie „Gefährliche Pestizide“ über die Pestizid-Verkäufe von BAYER und BASF in Südafrika und Brasilien vor. BAYER vermarktet in den untersuchten Ländern 15 Ackergifte, die keine EU-Genehmigung haben. Bei fünf davon lehnte Brüssel eine Zulassung wegen der Gesundheitsschädlichkeit der Mittel explizit ab oder widerrief diese.

>Falko Schröder von FRIDAYS FOR FUTURE gab zwei Tage nach dem Online-Klimastreik aus gegebenem Anlass Informationen zum Klimakiller BAYER und zu dem Druck, den das Unternehmen auf die Regierungen ausübt, um weiter ungehindert Kohlendioxid ausstoßen zu können.

>Anna Schönberg von der AKTION UNTERHOLZ berichtete über den praktischen Widerstand gegen die von BAYER, RWE & Co. betriebene klima-zerstörende Geschäftspolitik.

>Der US-Amerikaner Jeffrey Smith vom „Institute for Responsible Technology“ schaute tief ins Herz der Finsternis des agro-industriellen Modells von BAYER/MONSANTO, für das Glyphosat ein Sinnbild geworden ist. Sein Fazit: „Ein System, das die Intelligenz der Natur nutzt, braucht so etwas alles nicht“.

>Die bekannte Fernsehköchin und grüne EU-Politikerin Sarah Wiener schloss sich diesem Statement an und zog eine verheerende Bilanz der grünen Pestizid-Revolution.

Der große Tag

Am Tag der Hauptversammlung, am 28. April, dann die beiden Großprojekte: Die Kundgebung vor der Konzern-Zentrale und die ganztägige Protest-Begleitung von BAYERs Online-HV im Internet. Zur realen Demonstration vor der Konzern-Zentrale in Leverkusen hatten sich morgens um 9 Uhr 16 TeilnehmerInnen eingefunden. Vertreten waren neben der CBG die Partei DIE LINKE, LandwirtInnen, BLOCK BAYER und EXTINCTION REBELLION.

Der bekannte Liedermacher Konstantin Wecker schickte ein Video-Grußwort, mit dem die Kundgebung per Lautsprecher eröffnete. Die Reden der AktivistInnen, die alle live in den Protest-Stream der CBG eingespeist wurden, hatten nicht zuletzt das Versagen von BAYER im Angesicht der Corona-Pandemie zum Thema, was auch zur Forderung führte, den Konzern unter demokratische Kontrolle zu stellen. Und die Transparente der Kundgebung thematisierten dieses Mal nicht nur die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs gnadenloser Profit-Jagd, sondern auch die Aushebelung von AktionärInnen- und Grundrechte durch das Unternehmen. Sogar für ein kleines Kulturprogramm war gesorgt. Das Kölner Demo-Urgestein Klaus, der Geiger bestritt es.

Der neunstündige Online-Protest-Stream zur BAYER-HV bildete am 28. April das Kernstück des Protestes. Da kamen dann alle Probleme und Verbrechen auf die Tagesordnung, die bei der BAYER-Veranstaltung durch Abwesenheit glänzten. In einem ebenso kurzweiligen wie umfangreichen und sachkundigen Programm informierte die CBG den ganzen Tag durchgängig. Natürlich wurde da auch immer wieder darüber gesprochen, wie Konzernmacht eingedämmt und gebrochen werden kann. Nicht umsonst stand morgens bei der Real-Kundgebung auf einem der Transparente bereits die Losung „Brecht die Macht der Konzerne!“.

Viele, teils prominente Gäste und hochkarätige VertreterInnen aus Politik, Gesellschaft und Kultur gingen für die CBG auf Sendung. Von der Partei DIE LINKE war die Bundestagsabgeordnete und ehemalige Fraktionschefin Sarah Wagenknecht zugeschaltet. Ebenso Gesine Lötzsch, auch Bundestagsabgeordnete sowie stellvertretende Fraktionschefin der Partei DIE LINKE und nicht zuletzt Eva Bulling-Schröter, ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linken und CBG-Beiratsmitglied. Von den Grünen sprachen die ehemalige Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Renate Künast, sowie der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner.

Zudem gab es Statements von Betroffenen der Geschäftspolitik von BAYER. So kamen Glyphosat-, DUOGYNON- und Verhütungsmittel-Geschädigte zu Wort. Auch ehemalige Heimkinder, an denen der Pharma-Riese einst Medikamente getestet hatte, erhielten ein Forum. Die Videos dokumentierten in erschütternder Weise die Schicksale der von den BAYER-Produkten geschädigten Menschen. Viele hatten neben ihren gesundheitlichen auch finanzielle und soziale Schäden erlitten, die sie ihr ganzes Leben lang begleiten. Die Solidarität mit ihnen stellt eine der zentralen Säulen dar, auf denen die CBG ruht. Für BAYER wiederum ist der Kampf dieser Menschen um Schuldeingeständnisse des Vorstands und um angemessene Entschädigungen einer der Gründe dafür gewesen, in eine virtuelle Hauptversammlung zu flüchten, anstatt das AktionärInnen-Treffen zu verschieben.

Weltweite Beteiligung

Durch die Corona-Pandemie war es für unsere vielen ausländischen Gäste aus Lateinamerika, USA, Kanada und anderen Ländern nicht möglich, nach Deutschland zu reisen. Carey Gillam und andere internationale Gäste, darunter auch Glyphosat-Geschädigte, schafften es aber dennoch, am Tag der HV mit eigens aufgenommen Videoclips oder per Live-Zuschaltung ihre Stimmen hörbar und ihren Protest sichtbar zu machen.

Jeder Block des Online-HV-Protestes wurde von CBG-Vorstand Jan Pehrke eröffnet. Der für Stichwort BAYER verantwortliche Redakteur sprach am Morgen Einführungsworte, kommentierte und ordnete ein, was an dem Tag nebenan bei BAYER geschah und hielt nach, was BAYER-Chef Werner Baumann bei der Beantwortung der KritikerInnen-Fragen „vergaß“.

Aber das tat nicht nur Pehrke. Zahlreiche Netz-AktivistInnen waren dem Aufruf der CBG gefolgt und haben dem BAYER-Chef Werner Baumann bei seinen Ausführungen genau auf den Mund geschaut. Wenn er etwa auf den Klimawandel zu sprechen kam, posteten sie den genauen Kohlendioxid-Ausstoß des Konzerns: 3,71 Millionen Tonnen im Jahr 2019. Und wenn es um die Glyphosat-Klagen ging, lieferten sie die genaue Anzahl nach. Aber es gab natürlich nicht nur „Fakten, Fakten, Fakten“. Unter dem Hashtag „

  • meineStimmeGegenKonzernverbrechen“ fand sich natürlich auch beißende Kritik wie diese: „Das ist ein Zynismus sondergleichen: Ein Mittel wie Glyphosat verkaufen, bei dem ich davon ausgehe, der Gewinn ist immer noch höher als das, was ich den Opfern, die daran krebskrank werden, als Entschädigung zahlen muss: Das ist BAYERs menschenverachtende Kalkulation, die dahintersteht“. Und in Zeiten von Corona geriet vor allem die Pharma-Sparte in den Blick: „BAYERs Ausrichtung am Shareholder Value begünstigt Forschung in den Bereichen, in denen man Medikamente mit Mondpreisen verkaufen kann, und widerspricht der nötigen Forschung in Impfstoffe und andere elementaren Medikamente.“ Und da die Coordination im Vorfeld für solche Messages einen großen Resonanz-Raum organisiert hatte, braute sich in den sozialen Netzwerken ganz schon was über den Leverkusener Multi zusammen.

Beim Leverkusener Multi war dagegen schon um 16.00 Schluss. Bereits zu dieser Zeit beendete der Konzern – historisch einzigartig – die Frage-Runde und leitete die Abstimmungen ein.

BAYER-Vorstand Werner Baumann hatte vor der HV großmundig angekündigt, alle Fragen von AktionärInnen zu beantworten. Tatsächlich geschah dies nicht. Der CBGler Axel Köhler-Schnura nahm dazu im WDR Stellung: „BAYER verlangte, dass alle Fragen zwei Tage vor der HV schriftlich eingereicht werden. Damit hatte der Konzern genügend Zeit, sich vorzubereiten. Er fasste die Fragen unter allgemeinen Oberthemen zusammen, zog seine vorgefertigten Stellungnahmen aus der Schublade und verlas sie. Das war‘s!“ Und so musste auch BAYER gegenüber dem Sender zurückrudern: „Die Fragen konnten nicht alle in vollem Wortlaut vorgetragen werden, deshalb wurden die Fragen so zusammengefasst, dass das Thema für die Zuhörer verständlich war. Die Fragen wurden so beantwortet.“ Kein Dialog, keine Nachfragen. Überdies blieben die Namen der Fragenden unerwähnt –– wenn es sich nicht gerade um GroßaktionärInnen handelte.

Um ca. 17.45 Uhr meldete sich dann die Coordination zum letzten Mal zu Wort. CBG-Gründer Axel Köhler-Schnura und CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann präsentierten eine Tour de Force der Verbrechen des Konzerns: IG FARBEN-Gründung, Medizin-Verbrechen, Umweltsünden. Und bekräftigt wurde einmal mehr das Versprechen der CBG für 2021 und die nächsten Jahre: Sie wird dem Konzern auf den Fersen bleiben!

15 % gegen den Vorstand

Insgesamt konnte ein positives Fazit der Aktionen gezogen werden: Hunderte von AktionärInnen hatten der CBG ihre Stimmrechte übertragen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN war mit Tausenden von Aktien auf der Online-HV präsent. Mehr als 100 kritische Fragen wurden von dutzenden Konzern-KritikerInnen gestellt. Bei den Abstimmungen votierten viele Millionen Aktien mit der CBG für „Nein“ und stattdessen für die Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie gegen die maßlose Dividenden-Ausschüttung. Weitere zig Millionen Aktien enthielten sich der Stimme. Überhaupt musste BAYER erstmals seit langer Zeit wieder die Enthaltungen bekanntgeben, womit der Gesamtumfang der nicht mit dem Vorstand konform gehenden Aktien deutlich wurde. Bei der Entlastung des Vorstands stimmten mehr als 43 Mio. Aktien mit „Nein“, viel mehr als zu allen anderen Tagesordnungspunkten. Insgesamt ca. 15 Prozent aller Aktien optierten für „Nein“ oder eine Enthaltung.

Und: Viele Tausende Male wurden die Online-Proteste der CBG über den Tag im Internet aufgerufen, und die Medien berichteten über die Demonstration vor der Konzern-Zentrale in Leverkusen. Die Flucht des BAYER-Konzerns mit dem Ziel, die Proteste im Umfeld der HV und auf der HV selbst einzudämmen oder gar zu unterbinden, war damit gründlich missglückt! Die FreundInnen der CBG waren ebenfalls rundum zufrieden. „Toll, wie ihr das auf die Beine gestellt habt. Und post coronam gehen wir wieder auf die Straße“, schrieb etwa Konstantin Wecker.