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[SWB 01/2022] Doppelte Pestizid-Standards

CBG Redaktion

BAYERs giftige Geschäfte

Der BAYER-Konzern vermarktet in den Ländern des globalen Südens viele Pestizide, die innerhalb der EU wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen verboten sind. „Legal, illegal, scheißegal!“ lautet die rendite-trächtige Maxime. Aber diese Politik der doppelten Standards gerät zunehmend in die Kritik.

Von Jan Pehrke

In den Ländern des globalen Südens geht der BAYER-Konzern seinen Geschäften noch mal in anderer Weise nach als in denen der „Ersten Welt“. Diese doppelten Standards – sei es bei der Produktion, bei den Produkten oder beim Faktor „Arbeit“ – kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bereits seit Jahrzehnten. 1992 widmete das Stichwort BAYER dieser Praxis am Beispiel Peru sogar ein Sonderheft. „Die Hauptproblembereiche, die sich herauskristallieren, lassen sich unter dem Begriff „doppelte Standards“ subsumieren“, hieß es in der Einleitung. Und diese galten in diesem Land nicht zuletzt für den Pestizid-Verkauf. So konsta-tierte das SWB damals: „Nahezu alle Produkte, die in anderen Staaten verboten, anwendungsbeschränkt oder nicht zugelassen sind oder von internationalen Organisationen als besonders gefährlich eingestuft werden, lassen sich auf der Liste registrierter Wirkstoffe des Landwirtschaftsministeriums finden“.

Auch setzte die Coordination das Thema immer wieder auf die Tagesordnung der BAYER-Hauptversammlungen. Im Jahr 2006 etwa berichtete Jens Elmer vom EINE-WELT-NETZ-NRW über die Situation in Indien, wo der Leverkusener Multi Besserung in Sachen „doppelte Standards“ gelobt hatte. Bis Ende 2004 wollte der Konzern dort den Vertrieb des Ackergifts Monocrotophos einstellen, das die Weltgesundheitsorganisation WHO in der obersten Gefahrenklasse listet. Aber es blieb bei Absichtsbekundungen.

Der Aktivist fand den Stoff bei seinem Besuch in Andrah Pradesh in den Regalen eines Händlers vor und präsentierte den AktionärInnen den Beweis für den Wortbruch: „Die Quittung habe ich ihnen hier mitgebracht.“ Der zuständige indische BAYER-Manager gab sich später hilflos: „Der Markt zwingt uns dazu, weiter Monocrotophos, Finalfos und so weiter zu liefern. Die Nachfrage kommt von unseren Großhändlern.“ Eigentlich hatte das Unternehmen 1995 sogar noch ein viel weitgehenderes Versprechen gemacht. Es hatte angekündigt, bis zum Jahr 2000 keine Pestizide mehr zu vermarkten, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO in die Gefahren-Klasse 1 einordnet. Von Elmer daran erinnert, wurde der damalige BAYER-Chef Werner Wenning kleinlaut: „Die Ziele haben nach wie vor Gültigkeit.“
2018 präsentierte Alan Tygel von der PERMANENTEN KAMPAGNE GEGEN AGRARGIFTE UND FÜR DAS LEBEN auf dem AktionärInnen-Treffen den Länderreport für Brasilien. „Das in Brasilien registrierte Portfolio an Agrargiften von BAYER umfasst 109 Produkte (...). Ihre Verkaufsschlager sind auf der Basis von Carbendazim und Imidacloprid hergestellte Produkte (...) Ist es nun purer Zufall, dass der eine der beiden Stoffe in der EU verboten ist, der andere gerade verboten wird?“, führte er aus und nannte dann weitere Agro-Chemikalien, die der Leverkusener Multi in der Europäischen Union nicht vermarkten darf. Anschließend fragte Tygel die ManagerInnen-Riege: „Halten Sie Ihre Politik, in Deutschland längst verbotene Agrargifte in Entwicklungsländer zu schicken, für ethisch vertretbar?“ Im nächsten Jahr legte der Aktivist den Komplex „doppelte Standards“ auf Wiedervorlage, weil sich nichts tat, und verschärfte den Ton entsprechend: „Sind unsere brasilianischen Körper etwa widerstandsfähiger gegen Agrargifte als die Körper der Europäerinnen und Europäer?“

Viele neue Studien
Genaueren Aufschluss über die Lage nicht nur in Brasilien, sondern auch in Südafrika gibt die Studie „Gefährliche Pestizide von BAYER und BASF – ein globales Geschäft mit Doppelstandards“, die INKOTA und MISEREOR im Jahr 2020 herausgegeben haben. Demnach vermarktet der Leverkusener Multi in Brasilien mit Carbofuran, Cyclanilid, Ethiprole, Ethoxysulfuron, Fenamidon, Indaziflam, Ioxynil, Oxadiazon, Probineb, Thidiazuron, Thiodicarb und Thiram dreizehn Ackergifte ohne EU-Zulassung. In Südafrika ist der Konzern mit acht Stoffen dabei: Carbofuran, Oxadiazon, Probineb, Pyrosysulfone, Thiadiazuron, Thiodicarb und Triadimenol. Und auf dem mexikanischen Markt finden sich zwei BAYER-Substanzen, welche die EU mit einem Bann belegt hat: (Beta-)Cyfluthrin und das im Rest der Welt von BASF vertriebene Glufosinat. Auch die von Brüssel erst nach Erscheinen der Untersuchung aus dem Verkehr gezogenen Mittel Spirodiclofen, Imidacloprid und Clothianidin behielt der Konzern in Brasilien im Angebot. In Südafrika beschränkte er sich auf Imidacloprid und Clothianidin und in Mexiko auf Imidacloprid.

Zudem liefert der Leverkusener Multi anderen Unternehmen EU-weit inkriminierte Wirkstoffe. So ist der Inhaltsstoff Fenamiphos, den die AMERICAN VANGUARD CORPORATION (AMVAC) in Brasilien unter den Produkt-Namen NEMACUR und NEMACUR EC verkauft, made by BAYER. Der Konzern stellt das Fenamiphos in Japan her und verarbeitet es in dem lateinamerikanischen Land dann an seinem Standort Belford Roxo weiter.

Eigentlich müssten die doppelten Standards im umgekehrten Sinne gelten. In den Staaten des globalen Südens sind die Menschen, welche die Pestizide ausbringen, nämlich viel weniger vor deren gesundheitsschädlichen Effekten gefeit. INKOTA und MISEREOR gegenüber gaben beispielsweise über 66 Prozent der südafrikanischen LandarbeiterInnen an, von den Plantagen-BesitzerInnen keine Schutzkleidung ausgehändigt zu bekommen, und 73 Prozent erhielten keinerlei Information über die Risiken und Nebenwirkungen der Mittel. Über 50 Prozent von ihnen lassen die Vorgesetzen überdies keine andere Wahl, als schon eine Stunde nach den Sprüh-Einsätzen wieder auf die Felder zurückzukehren. In Mexiko verdingen sich derweil bereits Kleinkinder auf den Pflanzungen, um das Einkommen ihrer Eltern zu steigern. Oftmals zählen diese zu dem Heer der rund drei Millionen WanderarbeiterInnen, die in die großen Anbau-Gebiete ziehen und als TagelöhnerInnen nur einen spärlichen Lohn erhalten.

Überdies gibt es in diesen Staaten längst nicht so strenge Auflagen wie in der Europäischen Union. „Bei Soja sind in der EU Glyphosat-Rückstände von 0,05 Milligramm pro Kilo erlaubt. In Brasilien 10 Milligramm pro Kilo, also 200 mal mehr. Im Trinkwasser erlaubt Brasilien einen 5.000 mal höheren Glyphosat-Rückstand als Europa“, konstatiert die brasilianische Geografin Larrissa Mies Bombardi. „Molekularen Kolonialismus“ nennt sie das Treiben von BAYER & Co., das diese Defizite aus Profit-Gründen gnadenlos ausnutzt. Mit „Geografie des Pestizid-Einsatzes in Brasilien und seine Verbindungen zur Europäischen Union“ hat die Wissenschaftlerin eine umfassende Studie zum dem Thema vorgelegt und damit das in ihrem Land so mächtige Agro-Business alarmiert. Nach dem Erscheinen der englischen Übersetzung der Studie erhielt Bombardi so massive Drohungen, dass sie sich entschloss, in Europa Zuflucht zu suchen. „Zurück nach Brasilien gehe ich auf keinen Fall, solange Jair Bolsonaro Präsident ist. Es herrscht heute ein Klima der Angst unter kritischen Wissenschaftlern“, sagt die Frau.

Gravierende Folgen
Welche Folgen die Überdosis Agrochemie für den lateinamerikanischen Staat hat, legte Alan Tygel im Jahr 2019 auf der BAYER-Hauptversammlung dar: Die Zahl der Pestizid-Vergiftungen nimmt drastisch zu. „2007 lag sie bei 2.726 Fällen, 2017 schon bei 7.200 – ein Anstieg um 164 Prozent“, so der Kritiker.
Diese Entwicklung verläuft parallel zum steigenden Absatz der Mittel. Auf 894.000 Tonnen belief er sich im Jahr 2019 – eine Erhöhung von 32 Prozent gegenüber 2014. Besonders im Bundesstaat Mato Grosso, wo sich die Soja- und Mais-Monokulturen scheinbar endlos ausdehnen, leiden die Menschen unter dem Dauereinsatz der Chemie-Cocktails. „Du hast einen bitteren Geschmack in deinem Mund. Du möchtest kein Gift mehr einatmen. Du möchtest eine andere Art von Luft einatmen – aber es gibt keine. Dann fühlst Du dich schwach, Du kannst nicht aufstehen (...)“, mit diesen Worten beschrieb der Indigene Jakaira der Initiative HUMAN RIGHTS WATCH den Verlauf seiner Intoxikation. Die Spätfolgen der Pestizid-Ausbringungen zeigten sich 2016 dann den WissenschaftlerInnen von der Bundesuniversität in Cuiabá. 1.442 von Magen-, Speiseröhren- oder Bauchspeicheldrüsen-Krebs Betroffene machten die ForscherInnen in Mato Grosso aus, während es in Bundesstaaten ohne Landwirtschaft im Großmaßstab bloß 53 waren.

Die absoluten Zahlen ermittelte 2020 die Studie „The global distribution of acute unintentional pesticide poisoning“. Sie machte rund um den Globus 385 Millionen Pestizid-Vergiftungen per anno aus. Ein Großteil davon ereignet sich in Entwicklungs- und Schwellenländern. Prozentual die meisten Fälle unter LandwirtInnen und LandarbeiterInnen gibt es in Süd- und Südost-Asien sowie in Ostafrika. Auch südamerikanische Staaten kommen auf beunruhigend hohe Raten. In besonderer Weise trifft es dabei die prekär Beschäftigten. „Saisonarbeiterinnen, die in der Ernte für das Agro-Business arbeiten, werden wie Wegwerfprodukte behandelt. Unsere Körper werden durch den Pestizid-Einsatz vergiftet“, so Alicia Muñoz von der VEREINIGUNG VON KLEINBÄUERINNEN, SAISONARBEITERINNEN UND INDIGENEN FRAUEN IN CHILE. Von einem „Problem, das nach einem sofortigen Handeln verlangt“, sprechen die AutorInnen der Untersuchung angesichts der alarmierenden Zahlen.

BAYER wiegelt ab
Der Leverkusener Multi hat als zweitgrößter Agrochemie-Anbieter der Welt einen gehörigen Anteil an dieser Entwicklung. Nach einer Studie von PUBLIC EYE und UNEARTHED exportierte er allein im Jahr 2018 2.500 Tonnen Pestizide aus der EU, die in den Mitgliedsländern selbst nicht auf die Äcker dürfen. 36,7 Prozent der vom Konzern verkauften Produkte zählen zu denjenigen, die das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) als hochgefährlich einstuft. Nur SYNGENTA konnte das noch toppen.
Trotzdem weist BAYER alle Kritik zurück. Auf der letzten Hauptversammlung von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit dem skandalösen Geschäftsgebaren konfrontiert, wiegelte CROPSCIENCE-Chef Liam Condon nach der Maxime „andere Länder, andere Sitten“ ab. „Richtig ist, dass wir in einigen Ländern Pflanzenschutzmittel vertreiben, die in der EU nicht zugelassen sind. Dies ist aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen der landwirtschaftlichen Praxis auch nicht überraschend und sagt nichts über die Sicherheit der jeweiligen Pflanzenschutzmittel aus“, so Condon. An anderer Stelle holte der Konzern zur Zurückweisung der Vorwürfe noch ein wenig weiter aus. „Aufgrund der unterschiedlichen Klimazonen, Vegetation und Bodenverhältnisse wird für Produkte, die beispielsweise speziell für den Einsatz im asiatischen Raum entwickelt wurden, nicht die Zulassung in Europa beantragt. Außerdem gibt es in tropischen Ländern eine Vielzahl von Krankheiten und Schädlingen, die nur dort vorkommen“, ließ der Global Player verlauten. Darüber hinaus besäßen auch solche Staaten wirksame Verfahren zur Kontrolle der Pestizide: „Viele andere Aufsichtsbehörden auf der ganzen Welt verfügen ebenfalls über sehr zuverlässige, sorgfältig funktionierende und ausgefeilte Regulierungssysteme zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt.“ Brasilien beispielsweise hätte „eines der strengsten Regulierungssysteme der Welt“, erklärt der Agro-Riese.
Damit nicht genug, wartet der Leverkusener Multi mit immer neuen Erklärungen dafür auf, warum er trotz aller Versprechungen immer noch Pestizide der Gefahren-Klasse 1 vertreibt. Mal betont er, das sei „ein langfristiger Prozess“, weil es keine „keine Schwarz/Weiß-Lösungen“ gebe, dann wiederum zweifelt das Unternehmen – auf schwächere Dosierungen etwa bei Cyfluthrin/Beta-Cyfluthrin verweisend – die Klasse-1-Einordnung an. „Die Toxizität dieser Wirkstoffe ist sehr stark vom Lösemittel abhängig. Alle unsere Fertigprodukte mit diesen Wirkstoffen sind WHO-Klasse II“, erklärte er. Und bei anderen Agrochemikalien schließlich will er längst geliefert haben. „Methiocarb von BAYER noch im Handel? Nein, Methiocarb-haltige Produkte werden seit Ende 2019 nicht mehr von BAYER produziert und vertrieben!“, hieß es in einer Stellungnahme zu der Studie über doppelte Standards von INKOTA und PAN. Die beiden Organisationen antworteten lapidar mit einem Screenshot von der Au-stralien/Neuseeland-Website der Aktien-Gesellschaft, die das Produkt im Januar 2021 noch listete. Auch Carbendazim fand sich allen Versicherungen zum Trotz noch im Sortiment. Die Behauptung BAYERs, Fenamiphos lediglich bis 2013 noch an AMVAC geliefert zu haben, konnten die NGOs ebenfalls widerlegen.

Soviel zu Carbendazim und Methiocarb. Zu den anderen in Brasilien und anderswo trotz EU-Bann vertriebenen Ackergiften schweigt der Konzern wohlweislich – er will sie nämlich im Angebot halten. Daran ließ Liam Condon, von der CBG auf der Hauptversammlung im Frühjahr 2021 nach den anderen inkriminierten Substanzen gefragt, keinen Zweifel. „Wir treffen kontinuierlich Entscheidungen über unsere Produkte auf der Basis von Sicherheitsaspekten, aber auch von anderen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Erwägungen für Landwirte. In diesem Kontext bestehen derzeit keine Absichten, die genannten Wirkstoffe aus den Märkten zu nehmen“, führte der Ire aus.

Darüber hinaus lässt der Global Player sich lediglich auf vage Zugeständnisse ein. 2016 verkündete er, in Armutsregionen nur noch solche Ackergifte zu verkaufen, die „den Sicherheitsstandards einer Mehrheit der führenden Zulassungsbehörden entsprechen“. 2019 hörte sich das gegenüber FOODWATCH schon wieder ganz anders an. Da genügte bereits die Genehmigung in einem einzigen, der Industrieländer-Vereinigung OECD angehörenden Staat als Berechtigung dafür, das betreffende Mittel weltweit losschlagen zu können.

Der Druck wächst
Aber der Widerstand gegen die Praxis der doppelten Standards wächst – nicht nur auf den AktionärInnen-Versammlungen von BAYER, BASF & Co. So haben INKOTA und PAN in der Sache einen Offenen Brief an den damaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sowie die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöc-kner aufgesetzt, den 60 Organisationen, darunter auch die CBG, unterschrieben haben. Das Schreiben fordert die beiden PolitikerInnen dazu auf, ein Export-Verbot für solche Pestizide auf den Weg zu bringen, die keine Zulassung in der Europäischen Union besitzen.

Im April 2021 schließlich wandte sich der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Giftstoffe und Menschenrechte, Marcos A. Orellana, an Außenminister Heiko Maas und drängte ihn, in Deutschland und in Brüssel auf einen Stopp der Gift-Ausfuhren hinzuwirken. „Die Praxis, gefährliche Pestizide, die wegen der von ihnen ausgehenden Gesundheits- oder Umweltgefährdung verboten sind, in ärmere Länder zu exportieren, schafft doppelte Standards, die den Handel mit und die Verwendung von verbotenen Stoffen in Teilen der Welt mit weniger strengen Vorschriften ermöglichen, wodurch die Gesundheits- und Umweltauswirkungen auf die Schwächsten verlagert werden“, schrieb Orellana.

Zudem haben PAN und INKOTA eine Unterschriften-Sammlung initiiert und dem Bundeslandwirtschaftsministerium im Juni 2021 eine Petition überreicht, die 177.000 Menschen unterzeichnet hatten. „Deutsche Export-Interessen dürfen nicht auf Kosten der Gesundheit von LandarbeiterInnen und Umwelt in anderen Ländern durchgesetzt werden“, sagte Wiebke Beushausen von INKOTA bei der Übergabe in Berlin. Auch der Bundestag befasste sich bereits mit der Angelegenheit. Am 11. Februar debattierten die Abgeordneten über den von Bündnis 90/Die Grünen und „Die Linke“ gemeinsam gestellten Antrag: „Gefährliche Pestizid-Exporte stoppen – Internationale Abkommen zum Schutz vor Pestizid-Folgen stärken“.
Eine Aktion zivilen Ungehorsams führte hingegen BLOCK BAYER durch. Die Gruppe besetzte im April 2021 zwei Verladestationen des Dormagener Chemie-„Parks“, von wo aus mit einem EU-Bann belegte BAYER-Pestizide wie etwa Probineb ihren Weg durch die große weite Welt antreten. „Es ist ein Skandal, dass ein deutscher Konzern im globalen Süden hochgefährliche Pestizide verkauft, die hier verboten sind. Das wollen wir hier deutlich machen und fordern, dass BAYER die Produktion hochtoxischer Pestizide stoppt“, erklärte eine Sprecherin von BLOCK BAYER damals.

An die EU richteten sich ebenfalls Forderungen. So bekamen die zuständigen EU-KommissarInnen einen Offenen Brief von 70 Organisationen – unter anderem unterzeichneten PAN, INKOTA, BUND, FOODWATCH und natürlich die Coordination – zu den doppelten Standards. Auch eine Gruppe von EU-ParlamentarierInnen schrieb der Kommission, um ein Ausfuhrstopp zu erwirken. Sogar der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen appellierte im Juli 2020 an die Europäische Union, die Praxis nicht länger zu dulden. „Wenn die EU mit all ihren Ressourcen zum Schluss kommt, dass diese Pestizide zu gefährlich sind, wie können sie dann in ärmeren Ländern sicher eingesetzt werden, wo oft nicht einmal die notwendige Schutzausrüstung vorhanden ist?“, fragte der Orellana-Vorgänger Baskut Tuncak.

Die Reaktionen
Ohne Wirkung blieb das alles nicht. Frankreich und die Schweiz untersagten die Ausfuhr dieser Agro-Chemikalien. Und die EU-Kommission bekundete gegenüber PAN EUROPE ebenfalls die Absicht, den „Export von gefährlichen, in der EU verbotenen Chemikalien, inklusive Pestiziden“ zu unterbinden. „Die Kommission prüft momentan mehrere Optionen zur Umsetzung, inklusive einer Änderung der Vorschriften“, heißt es in dem Brief mit Verweis auf die im Oktober 2020 verkündete Chemikalien-Strategie. Gegenüber dem Internet-Portal Euractiv bestätigte eine anonyme Brüsseler Quelle entsprechende Pläne. „Wie können wir es rechtfertigen, die Gesundheit und die Umwelt anderer außerhalb der EU mit Produkten zu gefährden, die wir in der EU aus Gesundheits- und Umweltschutz-Gründen nicht verwenden wollen. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Gesetzgebung gleiche Ansätze auf das anwendet, was wir auf unserem Markt zulassen und auf das, was wir auf andere Märkte exportieren“, so der Insider.
Die Große Koalition signalisierte Zustimmung. „Die Bundesregierung begrüßt, dass die EU-Kommission das Thema der Produktion von in Europa verbotenen Chemikalien für den Export adressieren möchte und sieht den angekündigten Vorschlägen der EU-Kommission hierzu mit Interesse entgegen“, hielten CDU und SPD. in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zum internationalen Chemikalien-Management fest.

Allerdings gibt es nicht wenige Beharrungskräfte, sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Das Bundeslandwirtschaftsministerium etwa wendet sich strikt gegen Beschränkungen. Es hält solche Maßnahmen für sinnlos, da „viele Wirkstoffe auch in Übersee hergestellt werden“ und dann eben von dort aus in die Länder gelangten, wie es hieß. Bei der EU zeigen sich ebenfalls längst nicht alle Gremien bereit, gegen die Gift-Lieferungen vorzugehen. Der Europäische Rat zum Beispiel weigert sich, den Import solcher Lebensmittel zu untersagen, die Rückstände von in der EU nicht erlaubten Pestiziden enthalten – nicht zuletzt ein Erfolg des Extrem-Lobbyings von BAYER & Co. In Sachen „doppelte Standards“ bauen die Agro-Riesen nicht weniger Druck auf. Es wird sich zeigen, ob Brüssel und Berlin dem standhalten können.

Die Ampel-Koalition hat sich erst einmal vorgenommen, das Thema anzugehen. „Wir werden von den rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen, den Export von bestimmten Pestiziden zu untersagen, die in der EU aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit nicht zugelassen sind“, kündigen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in ihrem Koalitionsvertrag an. Die Möglichkeit gibt es bereits seit Langem. Nicht umsonst haben Frankreich und die Schweiz schon einen Ausfuhr-Stopp verhängt.

Auf den entsprechenden Hebel in den bundesdeutschen Regularien hat Peter Clausing vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) in der jungen Welt hingewiesen (1). Der Paragraf 25 des Pflanzenschutzgesetzes erlaubt es dem Landwirtschaftsministerium nämlich per Verordnung, „zur Abwehr erheblicher, auf andere Weise nicht zu behebender Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier (...) die Ausfuhr bestimmter Pflanzenschutzmittel (...) in Staaten außerhalb der Europäischen Union zu verbieten“. Eine Verordnung aber lässt sich leicht wieder zurücknehmen – im Gegensatz zu einem Gesetz. Ein solches aber strebt die Regierung Scholz nicht an. Nicht nur deshalb stehen einige Fragezeichen hinter dem Bekenntnis der Parteien.

Dabei wäre eine entsprechende Regelung nur ein erster Schritt. Am Ende müsste eine supranationale Einigung über den Umgang mit gefährlichen Ackergiften stehen. Eben dieses Ziel verfolgt Larissa Bombardi von ihrem Exil in Brüssel aus. „Als nächstes möchte ich mich der Idee von internationalen Regeln für den Einsatz von Pestiziden widmen. Es kann nicht sein, dass bestimmte Stoffe in der EU verboten sind, aber das BAYER und BASF sie an Entwicklungsländer verkaufen“, sagte sie in einem Interview mit Zeit Online.

(1) Peter Clausing: Giftige Geschäfte, junge Welt vom 9. Dezember 2021

[Auf der Straße & online] Wege zum Protest gegen BAYER – trotz Pandemie

CBG Redaktion

Die diesjährige BAYER-Hauptversammlung war bereits die zweite, die der Konzern unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes komplett ohne Präsenz und rein online durchführte. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die sich seit Jahrzehnten bemüht, den Protest direkt zum Vorstand hinzutragen, mit Kundgebungen und Demos auf der Straße und Protestbeiträgen in der eigentlichen Veranstaltung, stellte dies vor enorme Herausforderungen.

Von Marius Stelzmann

Im vergangenen Jahr konnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bereits Erfahrungen sammeln, wie eine virtuelle Hauptversammlung abläuft und wie ihr ein bedeutungsvoller, schlagkräftiger Online-Protest entgegenzusetzen ist, der die andere Seite der Konzernpolitik zeigt. Anders als im vergangenen Jahr war 2021 zudem von vornherein klar, dass BAYER die HV wieder online stattfinden lassen würde. Daher hatte die CBG genug Zeit, über ihre Kontakte Stimmen aus aller Welt für den Protest zu mobilisieren. Auch wertete die Coordination die Erfahrung von mehr als einem Jahr Pandemie für linke Protest-Bewegungen aus. Die Schlussfolgerung: Keine Online-Veranstaltung kann Protest in der realen Welt ersetzen. Ein Protest muss verantwortungsvoll und corona-sicher sein, aber er muss stattfinden. Die CBG wird sich nicht mit einem reinen Online-Protest zufriedengeben, sondern den Widerstand direkt vor die Haustüre von BAYER tragen. Dieses Jahr war dies wieder einmal die Konzernzentrale in Leverkusen.

Das Bündnis
Die Coordination kann sich dank ihrer langjährigen Arbeit auf zuverlässige Partner stützen, mit denen sie regelmäßig zusammenarbeitet. Als da wären: Der DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL), das PESTIZID AKTIONS-NETWERK (PAN), die GESELLSCHAFT FÜR KINDER, DIE DURCH HORMONELLE SCHWANGERSCHAFTSTESTS GESCHÄDIGT WURDEN (ACDHPT), FRIDAYS FOR FUTURE, das COLLECTIF VIET-NAME DIOXINE, das GEN-ETHISCHE NETZWERK, die Initiative RISIKO PILLE, der VEREIN DER EHEMALIGEN HEIMKINDER SCHLESWIG HOLSTEIN, WIR HABEN DIE AGRARINDUSTRIE SATT!, POWERSHIFT e.V., das UMWELTINSTITUT MÜNCHEN, INKOTA, die Partei DIE LINKE, B90/DIE GRÜNEN, rmediabase, die CAMPANHA PERMANENTE CONTRA OS AGROTOXICOS E PELA VIDA, das NETZWERK DUOGYNON, HEJ!SUPPORT, IFOAM und viele mehr. Sie haben es auch dieses Jahr wieder möglich gemacht, die BAYER-Konzernverbrechen von allen Seiten zu beleuchten und von fast allen Kontinenten kritische Stimmen einzuholen, wofür ihnen der Dank der CBG gebührt

Die virtuelle HV
Wie bereits erwähnt: Die virtuelle Hauptversammlung ist eine besondere Herausforderung für KonzernkritikerInnen. BAYER hat seit 1982 nicht mehr die Deutungshoheit über die eigenen Hauptversammlungen. Denn jedes Jahr stellt die Coordination viele RednerInnen, stellt Gegenanträge und ruft zur Nicht-Entlastung des Konzernvorstandes auf. Das Modell der CBG hat überdies Schule gemacht: Heute finden sich auf vielen Hauptversammlungen Proteste und Gegenstimmen. Sowohl NGOs als auch aktivistische Jugendbewegungen wie FRIDAYS FOR FUTURE nutzen das Modell. Dennoch ist keine Hauptversammlung so wie die von BAYER: Denn die Konstanz, mit der die Coordination dranbleibt, das Ausmaß, in dem sie weltweiten Widerstand gegen diesen einen Konzern mobilisiert, sucht nach wie vor weltweit ihresgleichen. Dies ist dem Management wohlbekannt. Nach Wegen, die unerwünschte Konfrontation mit den Folgen der eigenen Konzernpolitik von der HV zu verbannen, sucht der Vorstand deshalb schon lange. Im Vorjahr, mitten in der Corona-Krise 2020, bot sich dem Konzern die Chance, das umzusetzen, was schon lange geplant, aber aufgrund der AktionärInnen-Rechte nie umzusetzen war: Eine virtuelle Hauptversammlung, völlig ohne Präsenz.
Mit dieser Maßnahme hatten die BAYER-Bosse jedoch abermals die Kraft des Widerstandes unterschätzt. Auf den öffentlichen Druck hin, den der Protest der CBG erzeugte, sah sich der Leverkusener Riese 2020 gezwungen, PR-gerechte Schein-Zugeständnisse zu machen, um eine demokratische Partizipationsmöglichkeit vorzuspielen. Hierzu gehörten durchsichtige Tricks wie das Versprechen, am Tag der HV selbst Protest-Tweets vom Konzern-Twitteraccount aus zu retweeten. Das war es aber auch schon. Ansonsten mussten Fragen, die AktionärInnen bzw. deren Bevollmächtigte vorher auf der Hauptversammlung selber stellen konnten, aufwändig vorher eingereicht werden. Zudem traf der Konzern eine Auswahl und nannte größtenteils nicht die Namen der FragestellerInnen. Aus den Augen selbst der üblichen, bereits kritikwürdigen AktionärInnendemokratie betrachtet, war die Hauptversammlung also ein Desaster und bekam dementsprechend eine schlechte Presse.
Da BAYER sich mit aller Kraft als progressiver, aufgeschlossener, zukunftsorientierter Konzern präsentieren möchte, musste also eine andere Lösung her, um den bequemen Umstand der virtuellen Hauptversammlung aufrechterhalten zu können. Darum trat der Konzern 2021 die Flucht nach vorn an und versuchte sich als aktionärInnendemokratischer Musterschüler zu inszenieren. Für partizipationswillige AktienhalterInnen gab es nun neben dem schriftlichen Einreichen von Fragen auch die Möglichkeit, Statements in schriftlicher und in Videoform einzureichen. Ein Modell, welches andere Konzerne teilweise noch nicht anbieten und BAYER helfen sollte, sich als Transparenz-Marktführer zu inszenieren.
Die Coordination denkt jedoch nicht daran, „Danke!“ zu sagen, wenn die üblichen Rechte für AktionärInnen immer noch nicht eingeräumt werden. Immer noch sind nämlich die Partizipationsmöglichkeiten im Vergleich zu denen der Präsenz-Hauptversammlung massiv eingeschränkt. Denn die schriftlich eingereichten Fragen kann der Vorstand bei der Präsentation aus dem Zusammenhang reißen und zusammenstreichen, wie er möchte. Auch die Namen von vielen Fragenden wurden wieder nicht genannt. Zu den kritischen Video-Statements nahm der Vorstand überhaupt keine Stellung. Anträge und Wahlvorschläge aus den Videos wurden nicht berücksichtigt. Zwar wurden die Videos in diesem Jahr im BAYER-Stream gezeigt, allerdings besteht keinerlei Rechtsanspruch, dass die eingesandten Videos auch veröffentlicht werden. Der Vorstand könnte diese also auch einfach unter den Tisch fallen lassen. Der Vorstand hat also endlose Möglichkeiten der Vorauswahl, was Kritik erschwert. Auf einer Präsenz-Hauptversammlung bestehen diese nicht. Die Rechte – insbesondere von Klein-AktionärInnen – bleiben also weiterhin substantiell eingeschränkt. Die Coordination hat dieses Vorgehen von BAYER in einer gemeinsamen Erklärung mit dem DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, PAN, WIR HABEN DIE AGRARINDUSTRIE SATT!, und dem GEN-ETHISCHEN NETZWERK kritisiert.
Parallel zu solchen Aktionen nutzt die Coordination natürlich alle Möglichkeiten, die sie hat, um den Protest auf die Hauptversammlung zu tragen. So reichte die CBG auch dieses Jahr wieder mehr als 200 schriftliche Fragen und Statements ein. Unsere BündnispartnerInnen von PAN, INKOTA, RISIKO PILLE, COLLECTIF VIETNAM DIOXINE und dem NETZWERK DUOGYNON sandten uns zudem Video-Statements, die dann auch in die virtuelle HV hineinflimmerten und den Vorstand mit seiner verbrecherischen Konzernpolitik konfrontierten.

Die Kundgebung
Die Kundgebung vergrößerte sich im Vergleich zum letzten Jahr erfreulicherweise. Trotz Corona-Krise konnte die CBG ca. 30 TeilnehmerInnen begrüßen. Überdies fuhren aktivistische LandwirtInnen der AbL mit Traktoren vor. In ihren Reden machten unsere BündnispartnerInnen von FRIDAYS FOR FUTURE, der AbL und der Linkspartei klar, dass das Bündnis nicht akzeptiert, dass BAYER mit der virtuellen HV Protest und Widerstand aussperrt.
Genau wie letztes Jahr war die Herausforderung des Live-Streams der Coordination, den international aufgestellten Protest auf ein streamtaugliches Programm zu bringen. Dieses Jahr waren Beiträge aus der ganzen Welt vertreten, die viele Aspekte der BAYER-Konzernpolitik beleuchtet haben. Wie im letzten Jahr auch kommentierte die CBG das Geschehen auf der Hauptversammlung des Leverkusener Multis direkt und ließ diesen Analysen Gespräche mit AktivistInnen folgen. Erster Interview-Partner war Sven Giegold, Europa-Abgeordneter der Grünen, der zu BAYERs Steuervermeidungsstrategien sprach. Er stellte die Studie der grünen Fraktion im Europa-Parlament vor, die sich dem Versuch des Unternehmens widmete, Steueroasen weltweit und in Deutschland selber auszunutzen. Die zweite Gesprächspartnerin, Charlotte Sammet, war eine Vertreterin von FRIDAYS FOR FUTURE. Sie erläuterte die klimapolitischen Ziele der Initiative und ließ keinen Zweifel daran, dass diese mit dem gegenwärtigen Produktionsmodell von BAYER nicht zu erreichen seien. Der letzte Gast im morgendlichen Live-Block war Tilman Massa vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, mit dem CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann über die virtuelle HV und die Möglichkeiten von kritischen AktionärInnen diskutierte, einen Konzern unter diesen Bedingungen mit seinen Missetaten zu konfrontieren.

Agent Orange
Weiter im Programm ging es dann mit den weltweiten Statements. Den Anfang machte die österreichische Fernsehköchin und EU-Parlamentarierin Sarah Wiener, die in einer flammenden Rede feststellte, dass die Zeit von BAYER abgelaufen sei. Daraufhin folgten Stimmen aus Vietnam. Das Land war während des Vietnam-Krieges mit dem von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO produzierten Herbizid Agent Orange heimgesucht worden. Von den Folgen berichtete Dr. Thi Ngoc Phuong Nguyen: Sie hatte nach den Sprüheinsätzen mit dem Pestizid eine Totgeburt erlitten. Dieses Schicksal traf die ehemalige Vietcong-Guerillera Hong Nhut Dang gleich mehrmals. Auch Thi Phuong Nguyen war Agent Orange ausgesetzt, ihr Sohn kam mit Leukämie zur Welt.
Tú Qùynh-nhu Nguyen vom Collectif Vietnam Dioxine fand für das Verbrechen „Agent Orange“ deutliche Worte: „Der Einsatz von Agent Orange in Vietnam ist der größte Ökozid und die größte chemische Kriegsführung in der Geschichte gewesen.“ Neben dem Collectif Vietnam Dioxine nahmen auch Susan Tabbach von RISIKO PILLE, Wiebke Beushausen von INKOTA, Peter Clausing von PAN, Bettina Müller von POWERSHIFT e.V. und Andre Sommer vom NETZWERK DUOGYNON die Möglichkeit wahr, dem Konzern die Meinung zu sagen. Anschließend ging ein ganzer Block auf Sendung, der einen Einblick in eine Region ermöglichte, die einer der profitabelsten Absatzmärkte für BAYERs Glyphosat ist: Lateinamerika. Auch von hier berichteten Betroffene aus ihrem Alltag mit dem Gift. Elsa, eine Lehrerin aus einer ländlichen Gemeinde in Argentinien, in der Glyphosat als Unkrautvernichter überall präsent ist, erzählte von mehreren Fehlgeburten, die sie durch die permanenten Glyphosat-Ausbringungen erlitt. Auch in der lokalen Schule leiden viele Kinder an Erkrankungen, welche auf das Herbizid zurückzuführen sind. Petra, eine Lehrerin aus einer anderen Gemeinde, bestätigte die Befunde. Auch in ihrer Region habe sich das ganze Spektrum von Krankheiten, welche Glyphosat auslösen kann, gezeigt.
Im zweiten Live-Block redete Marius Stelzmann mit dem Grünen-Abgeordneten Harald Ebner weiter über das unglückselige Pestizid. Und die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch von DIE LINKE hielt in dem darauffolgenden Interview ganz klar fest: „BAYER ist nicht der Löser globaler Krisen, sondern trägt zu globalen Krisen bei!“ Als nächstes berichtete Jurek Vengels vom Münchner UMWELTINSTITUT von einem Prozess, mit welchem sich die Einrichtung nach ihrer Kritik am Pestizid-Einsatz in Südtirol, einem der größten europäischen Obstanbau-Gebiete, konfrontiert sah. Ein weiteres Interview gab Bettina Müller von POWERSHIFT, über deren Verbindungen uns die Statements der Glyphosat-Betroffenen aus Lateinamerika erreicht hatten.
Mit Kim Vo Dienh, einem Vertreter des COLLECTIF VIETNAM DIOXINE, das der CBG die Botschaften von Agent-Orange-Geschädigten zur Verfügung gestellt hatte, sprach Stelzmann über Tran To Nga, die in Paris einen Prozess gegen BAYER/MONSANTO führt. Danach berichtete Regisseurin Katja Becker über die Situation in Kenia. Sie hatte vor Ort die Dokumentation „The Food Challenge“ gedreht, welche die Folgen des Einsatzes von in der EU bereits verbotenen Pestiziden für die Landbevölkerung des Staates thematisiert. Becker äußerte aufgrund ihrer gesammelten Materialien die Vermutung, dass die fortgesetzte Produktion dieser Ackergifte bewusst im Hinblick auf Gebiete mit schwächeren Schutzverordnungen wie Kenia geschehe.

Der letzte Live-Block
Der letzte Live-Block ging um 16.00 Uhr auf Sendung. Der erste Gast hatte bereits einige Hauptversammlungserfahrung. Alan Tygel von der brasilianischen CAMPANHA PERMANENTE CONTRA OS AGROTOXICOS E PELA VIDA stellte klar, dass er vom Konzern nichts erwartete, da es diesem nur um Profit ginge. Sein Appell richte sich vielmehr an die deutsche und europäische Zivilgesellschaft, die BAYER und die deutsche Regierung unter Druck setzen sollten. Der nächste Interview-Partner war Günter Wulf, ein ehemaliges Heimkind, an dem als Kind gegen seinen Willen Medikamententests vorgenommen worden waren. Günter verbrachte mehrere Jahre in Dauersedierung durch Psychopharmaka; mit den Folgen hat er bis heute zu kämpfen. Er ist Teil des VEREINS DER EHEMALIGEN HEIMKINDER SCHLESWIG-HOLSTEINS und war auch bereits 2019 auf der Hauptversammlung von BAYER, um den Vorstand zur Rede zu stellen.
Als Reaktion auf deren Auftritt hatte der Global Player die ehemaligen Heimkinder eingeladen, in seinen Archiven in Leverkusen nach Belegen für die Verabreichung von BAYER-Medikamenten zu suchen. Und sie wurden fündig, wie uns Dr. Klaus Schepker, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Ulm, berichtete. Schepker legte dar, dass BAYER vom Leid der Heimkinder profitierte und in der Verantwortung sei, diese zu entschädigen und sich öffentlich zu seiner Verantwortung zu bekennen. Aus England zugeschaltet wurde der Coordination im Anschluss daran Marie Lyon. Marie ist selbst Geschädigte des hormonellen Schwangerschaftstests PRIMODOS (in Deutschland unter dem Namen DUOGYNON vermarktet). Ihr Kind kam ohne linken Unterarm zur Welt. Marie hatte daraufhin zusammen mit anderen Betroffenen die ACDHPT gegründet, die GESELLSCHAFT FÜR KINDER, DIE DURCH HORMONELLE SCHWANGERSCHAFTSTESTS GESCHÄDIGT WURDEN. Sie forderte BAYER auf, die überwältigenden wissenschaftlichen Beweise für die verheerende Wirkung des Präperats zu akzeptieren und Entschädigungszahlungen zu leisten. Der Konzern habe mit hormonellen Schwangerschaftstests überall auf der Welt Milliardenprofite erwirtschaftet, nun müsse er die Verantwortung für die Folgen übernehmen, so Lyon. Nina Holland von der NGO CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) stellte im folgenden Interview die Lobby-Praktiken BAYERs dar. Dann warnte Alexandra Caterbow vor den Gefahren von endokrinen Disruptoren – hormon-ähnlichen Stoffen, die unter anderem in Pestiziden von BAYER & Co. stecken.
Mit einem flammenden Abschluss-Statement von CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura, der die vielen verschiedenen BAYER-Verbrechen in die Unternehmensgeschichte einordnete, kam der Live-Online-Protest dann zum Abschluss. Die Coordination blickt zurück auf ein weiteres Jahr mit stark eingeschränktem leibhaftigen Protest auf der Straße – und mit einem virtuellen Protest, der größer und internationaler ausfiel als 2020. Und es ist klar: Wir bleiben dran …

[Ticker 03/21] AKTION & KRITIK

CBG Redaktion
BLOCK BAYER in Aktion Der BAYER-Konzern vertreibt in den Ländern der sogenannten Dritten Welt zahlreiche Pestizide, die in der Europäischen Union wegen ihrer Gefährlichkeit keine Zulassung (mehr) haben. Aus Protest dagegen haben AktivistInnen von BLOCK BAYER am 16. April 2021 zwei Verladestationen des Dormagener Chemie-„Parks“ besetzt, wo der Agro-Riese einige dieser Mittel wie z. B. Probineb produziert. „Es ist ein Skandal, dass ein deutscher Konzern im globalen Süden hochgefährliche Pestizide verkauft, die hier verboten sind. Das wollen wir hier deutlich machen und fordern, dass BAYER die Produktion hochtoxischer Pestizide stoppt“, erklärte eine Sprecherin von BLOCK BAYER. Toxic BAYER 256 Seiten stark ist das Schwarzbuch zu BAYER, das der französische Journalist Martin Boudot verfasst hat. Die ganze Geschichte des Leverkusener Multis floss in „Toxic BAYER“ ein; von den Anfängen über die Mittäterschaft im NS-Staat bis hin zum MONSANTO-Deal reicht der Bogen, den Boudot spannt. Dabei stützte er sich nicht zuletzt auf Informationen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), deren konzern-kritische Arbeit in dem Werk dann auch nicht zu kurz kommt. Patent-Krake BAYER BAYER & Co. melden immer mehr Patente auch auf solche Pflanzen an, die nicht mit Hilfe gentechnischer Methoden, sondern mittels konventioneller Verfahren entstanden sind, obwohl die Gesetze das eigentlich verbieten. Dadurch droht die Kontrolle über die gesamte Lebensmittel-Produktion in die Hände der Agro-Riesen zu fallen. Das Netzwerk KEINE PATENTE AUF SAATGUT fordert das Europäische Patentamt deshalb in einer Petition dazu auf, keine solchen Schutzrechte mehr zu erteilen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) unterstützt dieses Anliegen und unterzeichnete den Appell. Insgesamt kamen 196.000 Unterschriften zusammen. Mercosur-Abkommen stoppen! Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt den Handelsvertrag ab, den die EU mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay abschließen will. Dieser droht nämlich das agro-industrielle Modell in diesen Ländern noch einmal voranzutreiben. Und damit steigen auch die Risiken und Nebenwirkungen dieser Wirtschaftsweise wie mehr Monokulturen, mehr Pestizide und Gentechnik, mehr Vertreibungen von Indigenen und weniger Regenwald, denn die Übereinkunft verspricht den lateinamerikanischen Nationen einen erleichterten Zugang zum EU-Markt für ihre Agrar-Güter. Das wiederum erhöht die Absatz-Chancen und damit auch die Produktion – und die Nachfrage nach Glyphosat & Co. Aber BAYER würde nicht nur davon profitieren, sondern auch von den Gegenleistungen, welche die Mercosur-Mitglieder erbringen müssen, haben diese sich doch zur Senkung der Einfuhr-Zölle für Güter aus Europa verpflichtet. Brüssel erwartet durch die Reduktion der Sätze, die bisher für Autos 35 Prozent des Warenwerts, für Chemikalien bis zu 18 Prozent und für Pharmazeutika bis zu 14 Prozent betrugen, Einsparungen von rund vier Milliarden Euro für die EU-Unternehmen. Grund genug also für den Leverkusener Multi, trotz der desaströsen Folgen des Abkommens für Mensch, Tier und Umwelt für eine Unterzeichnung zu streiten. Und Grund genug für die CBG, Mercosur abzulehnen und den entsprechenden Aufruf des SEATTLE TO BRUSSELS NETWORK zu unterzeichnen. Hormongifte stoppen! Viele Pestizide von BAYER wie z. B. ARENA C, BALET oder CONSENTO wirken hormon-ähnlich und zählen deshalb zu den sogenannten endokrinen Disruptoren (EDCs). Diese können den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln und Krankheiten wie Krebs oder Diabetes auslösen. Darum appellierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gemeinsam mit den Gruppen HEJSUPPORT, WOMEN ENGAGE FOR A COMMON FUTURE (WECF) und dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), welche die Initiative gestartet hatten, an die Bundesregierung, endlich zu handeln. „Das Fehlen dringend nötiger politischer Maßnahmen und der offensichtliche Schutz der Interessen einer starken Chemie-Industrie gefährden die Gesundheit jetziger und künftiger Generationen. Hier kann die Politik nicht tatenlos zusehen. Sie hat eine Verantwortung für die BürgerInnen, die sie erfüllen muss“, so Johanna Hausmann von WECF. Glyphosat stoppen! Die kanadische Grünen-Politikerin Jenica Atwin hat eine Initiative zum Stopp von Glyphosat ins Leben gerufen und einen Gesetzesvorschlag ins Parlament eingebracht. „Dieser Erlass ändert den Pest Control Products Act, um die Herstellung, den Besitz, die Handhabung, die Lagerung, den Transport, den Import, den Vertrieb und die Verwendung von Glyphosat zu verbieten“, heißt es in der „Bill C-285“. Dabei ist Atwin bewusst, dass sie einen langen Weg vor sich hat. „Es geht gegen die großen Industrien“, sagt sie: „Es wird eine Menge Hürden geben, aber es ist der Beginn einer Diskussion.“

KAPITAL & ARBEIT

Aufsichtsrat bekommt 19 Prozent mehr Der BAYER-Aufsichtsrat hat sich eine gewaltige Lohn-Erhöhung gegönnt. Die Bezüge steigen im Vergleich zu 2017 um rund 19 Prozent. Der oder die Vorsitzende des Gremiums erhält künftig ein Fix-Gehalt von 480.000 Euro, der oder die Vize-Vorsitzende schlappe 320.000 Euro. Das gemeine Aufsichtsratsmitglied kann auf einen Betrag von bis zu 360.000 Euro kommen, die Sitzungsgelder von 1.500 Euro pro Zusammenkunft noch nicht einmal mitgerechnet. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte die Maßlosigkeit in einem Gegenantrag, den sie zur diesjährigen Hauptversammlung einreichte. „Diese Summen sind der arbeitenden Bevölkerung im Allgemeinen und den BAYER-Beschäftigten im Besonderen nicht zu vermitteln“, hieß es darin. Ohnehin liegen beim Leverkusener Multi Welten zwischen den ManagerInnen-Gehältern und denen der ArbeiterInnen und Angestellten. Nach einer Erhebung der „Hans-Böckler-Stiftung“ lag der Verdienst des BAYER-Vorstandsvorsitzenden im Jahr 2017 um den Faktor 58 über dem Durchschnittslohn der Belegschaft. Angehörige der Leitungsebenen strichen 41 Mal so viel ein und die Vorstandsmitglieder 24 Mal so viel. Auf der Hauptversammlung von 2009 hatte eine Vertreterin des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE die Vorstandsriege auf der Hauptversammlung einmal gefragt, ob sie bereit wäre, die eklatante Lohn-Spreizung erst einmal auf den Faktor 20 zurückzuführen. Sie erhielt jedoch eine schnöde Abfuhr. BAYERs damaliger Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Schneider sprach sich vehement gegen solche „statistischen Grenzen“ aus.

POLITIK & EINFLUSS

NRW will Steuer-Wettbewerb Im Jahr 2012 zog der BAYER-Konzern seine Patent-Abteilung aus Leverkusen ab und verlegte sie nach Monheim, das sich ihm mit der niedrigsten Gewerbesteuer ganz Nordrhein-Westfalens als gute Adresse für eine Briefkasten-Firma empfohlen hatte. Damit trat er einen gnadenlosen Unterbietungswettbewerb los. 2019 gab sich dann auch Leverkusen geschlagen. Die Stadt ließ sie sich in Kamin-Gesprächen auf einen Deal mit BAYER ein. Der Pillen-Produzent sagte die Rückverlagerung von Teil-Gesellschaften zu und erhielt im Gegenzug Hebe-Sätze auf Monheim-Niveau. Mit diesen Tarifen ging die Kommune sogar auf Werbetour und versuchte, Unternehmen aus dem Umland zu akquirieren. Das wiederum nahm die Landes-SPD zum Anlass für eine Kleine Anfrage im Landtag. „Wie will die Landesregierung den Gewerbesteuer-Kannibalismus verhindern?“, wollte sie wissen. Die Antwort lautete zusammengefasst: Gar nicht. Das Land NRW sieht anders als Brandenburg, wo Gemeinden mit hohen Gewerbesteuer-Einnahmen eine Umlage zahlen müssen, keinerlei Anlass, den ruinösen Konkurrenz-Kampf der Städte und Gemeinden um Industrie-Ansiedlungen zu beenden. Es benennt den Grund für die Misere von BAYERs Stammsitz zwar eindeutig: „Der Rückgang in Leverkusen stand in Zusammenhang mit dem vollständigen Verlust der Steuer-Einnahmen von dem bis dahin größten Gewerbesteuer-Zahler infolge der gezielten Verlagerung ausgewählter Geschäftsbereiche dieses Betriebs“, will aber nicht an der Ursache ansetzen. Stattdessen unterstützen CDU und FDP Leverkusen bei der Kapitulation vor dem Kapital bzw. dabei, „den Standort auch im internationalen Vergleich wieder wettbewerbsfähig zu machen und dadurch einerseits Steuer-Erträge ihres größten Gewerbe-Betriebs zurückzuerlangen und andererseits die bereits kommunizierte Abwanderung anderer Großsteuerzahler abzuwenden.“ Für immer virtuelle HVs Schon lange vor Corona hatten BAYER & Co. mit der Abkehr von Präsenz-Hauptversammlungen geliebäugelt, um sich kritische AktionärInnen vom Leib halten zu können. Die Pandemie gab ihnen dann die passende Gelegenheit, ihre AktionärInnen-Treffen online abhalten zu können, was BAYER als erster DAX-Konzern nutzte. Nun will die Politik den Unternehmen die Flucht ins Internet dauerhaft ermöglichen. Im Juni 2021 fasste die Konferenz der JustizministerInnen der Länder einen entsprechenden Beschluss. An das Justizministerium erging der Auftrag, dafür ein Gesetz zu erarbeiten. „Unser Aktienrecht braucht mehr digitalen Schwung“, meinte der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU) und konstatierte: „Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass Hauptversammlungen auch virtuell gut abgehalten werden können.“ Ein bisschen weniger Glyphosat Gegen einen Glyphosat-Stopp vor dem Auslaufen der EU-Zulassung Ende 2023 hatte die Große Koalition sich schon im September 2019 ausgesprochen. Sie gab sich mit einer Minderungsstrategie zufrieden. Für diese ließen sich die PolitikerInnen dann zu allem Übel auch noch Zeit bis kurz vor Toresschluss der Legislatur-Periode. Überdies fielen die Regelungen äußerst bescheiden aus. SPD und CDU verabschiedeten diese im Rahmen des Insektenschutz-Gesetzes. Für Glyphosat sehen die Bestimmungen ein Verbot nur für die Anwendung im Privatbereich und auf öffentlichen Grünflächen vor, die mengenmäßig kaum ins Gewicht fällt. Für das Ausbringen auf Äckern lassen Merkel & Co. hingegen zahlreiche Ausnahmen zu. So darf das Mittel gegen nicht wenige Wildkräuter nach wie vor zum Einsatz kommen. Auch wenn das Pflügen, die Wahl einer geeigneten Fruchtfolge oder eines geeigneten Aussaat-Zeitpunkts nicht möglich ist, bleibt das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid bis 2024 erlaubt. Erst dann erfolgt das Aus – und das auch noch unter Vorbehalt. Wenn die EU Glyphosat bis dahin nämlich nicht aus dem Verkehr zieht, wackelt auch der Beschluss der Bundesregierung. „Sollten sich in diesem Zusammenhang Änderungen der Dauer der Wirkstoff-Genehmigung ergeben, ist das Datum des vollständigen Anwendungsverbots gegebenenfalls anzupassen“, hält die „Pflanzenschutzanwendungsverordnung“ fest. Die anderen Vorgaben zur Handhabung der Ackergifte weisen ebenfalls starke Mängel auf. Sie beschränken sich auf Maßnahmen zur Eindämmung des Insektensterbens in bestimmten Schutzgebieten. Überdies gibt es viele Ausnahme-Tatbestände, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch zunahmen. So sicherten sich die Länder Öffnungsklauseln. Zudem drückte die CDU einen „Erschwernisausgleich Pflanzenschutz“ durch, der den LandwirtInnen den Spritz-Entzug durch Zahlungen in Höhe von 65 Millionen Euro erleichtert.

Lieferketten-Gesetz verabschiedet

Die Lieferketten BAYERS erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi seine Arznei-Grundstoffe zu einem guten Teil aus Indien und China, wo hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt fertigen, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In anderen Branchen kommt es im Zuge der Globalisierung zu ähnlichen Phänomenen. Darum erkannten die Vereinten Nationen bereits im Jahr 2011 Handlungsbedarf und hielten ihre Mitgliedsländer dazu an, Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesregierung sah dabei zunächst davon ab, übermäßigen Druck auf die Konzerne ausüben und setzte auf Freiwilligkeit. Sie hob den Nationalen Aktionsplan (NAP) aus der Taufe und machte sich daran, erst einmal ein Lagebild zu erstellen. Dazu startete die Große Koalition eine Umfrage unter den Betrieben und bat um Informationen darüber, ob – und wenn ja – in welcher Form sie entlang ihrer weltumspannenden Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten. Von den Antworten wollte sie dann ihr weiteres Vorgehen abhängig machen. Der Befund fiel ernüchternd aus. Nur ein Bruchteil der angeschriebenen Firmen antwortete überhaupt, und von diesen genügte bei der Beschaffung kaum eines den sozialen und ökologischen Anforderungen. „Das Ergebnis zeigt eindeutig: Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel“, resümierte Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) und konstatierte: „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen“. Und den bereitete die Politik dann auch vor, was die Industrie-VertreterInnen in Panik versetzte. „Hier wird eine faktische Unmöglichkeit von den Unternehmen verlangt: Sie sollen persönlich für etwas haften, was sie persönlich in unserer globalisierten Welt gar nicht beeinflussen können“, echauffierte sich etwa der damalige Präsident der „Bundesvereinigung der Arbeitgeber-Verbände“ (BDA), Ingo Kramer. In der Folge taten die LobbyistInnen der Industrie alles, um das Schlimmste zu verhindern. Sie mahnten eine Beschränkung des Paragrafen-Werks auf direkte Zulieferer an und lehnten eine Haftungsregelung vehement ab. Schlussendlich konnten sie sich damit durchsetzen. Im jetzigen Paragrafen-Werk fehlt beides. Dem Leverkusener Multi dürfte es daher erspart bleiben, mit einer Klage von solchen InderInnen oder ChinesInnen konfrontiert zu werden, die in den Hot Spots der globalen Pharma-Produktion leben und unter den gesundheitlichen Folgen leiden. Dazu liegen nämlich zu viele Zwischenhändler zwischen BAYER und den Arznei-Produzenten vor Ort. Zudem müssten die Betroffenen in Deutschland noch eine Nichtregierungsorganisation finden, die in ihrem Namen vor Gericht zieht und so eine „Prozess-Standschaft“ wahrnimmt. Eine Möglichkeit, direkt Ansprüche anzumelden, lässt das Lieferketten-Sorgfaltspflichtgesetz den Geschädigten nämlich nicht „Eine Verletzung der Pflichten aus diesem Gesetz begründet keine zivilrechtliche Haftung“, heißt es auf Drängen der Konzerne nun im Paragraf 3, Absatz 3. Milliarden-Amnestie für BAYER & Co. Die in der Strom-Rechnung enthaltene EEG-Umlage gilt der Förderung alternativer Energien. Allerdings tragen nicht alle gleichermaßen zu der Subventionierung von Wind & Co. bei. Der Gesetzgeber hat BAYER und andere Chemie-Firmen wegen ihres hohen Energie-Bedarfs und entsprechend hoher Kosten weitgehend von der Abgabe befreit. Zudem zahlen die Konzerne für die Elektrizität, die sie in ihren eigenen Kraftwerken selbst erzeugen, nichts in den EEG-Topf ein. Das sogenannte Eigenstrom-Privileg entbindet sie davon. Aber den Multis reichte das noch nicht. Sie wollten sich auch bei dem zugekauften Strom vor den EEG-Zahlungen drücken, die sich pro Gigawatt-Stunde auf rund 64.000 Euro belaufen. Dafür bedienten sich die Gesellschaften des „Scheibenpacht-Modells“, das sich schlaue BeraterInnen ausgedacht hatten. Diese entwickelten Verträge, die BAYER, RWE, DAIMLER und andere Global Player von schnöden Strom-Kunden zu Pächtern von Kraftwerk-Anteilen machten – und damit zu Nutznießern des Eigenstrom-Privilegs. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, so der Spiegel, der den Skandal aufdeckte. Darum haben Netzbetreiber wie AMPRION die Unternehmen vor einiger Zeit verklagt. Der Leverkusener Multi, der Betrugsvorwürfe „entschieden“ zurückweist, sah sich mit immensen Nachforderungen konfrontiert und schickte ein Hilfe-Ersuchen nach Berlin. Fast 20 solcher Schreiben von Unternehmen gingen bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein. Und die Briefe zeigten Wirkung. Das Bundeswirtschaftsministerium fügte ins „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ von 2021 den Paragrafen 104 ein, der BAYER & Co. die Möglichkeit einräumt, mit den Übertragungsnetzbetreibern einen Vergleich zu schließen. „Eine Milliarden-Amnestie für Konzerne“ nannte der Spiegel das. Kein Unternehmensstrafrecht „Wir wollen sicherstellen, dass Wirtschaftskriminalität wirksam verfolgt und angemessen geahndet wird. Deshalb regeln wir das Sanktionsrecht für Unternehmen neu“, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Sogar höhere Strafen für Multis planten die Parteien: „Die geltende Bußgeld-Obergrenze von bis zu zehn Millionen Euro ist für kleinere Unternehmen zu hoch und für große Konzerne zu niedrig.“ Und wirklich nahm auch alles seinen parlamentarischen Gang. Mitte 2019 veröffentlichte das Justizministerium erste Vorschläge und im Weiteren zwei ReferentInnen-Entwürfe. Im Juni 2020 kam dann der Gesetzesentwurf der Bundesregierung – und dann nichts mehr. Der Lobby-Druck von BAYER & Co. brachte die CDU zum Umfallen. Sie trug das Vorhaben nicht mehr mit, was Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) erboste: „Das ist ein Bruch des Koalitionsvertrags, für den mir jedes Verständnis fehlt. Das zeigt, wie wenig die CDU aus Skandalen gelernt hat.“ So braucht der Leverkusener Multi auch künftig bei Abrechnungsbetrügereien mit falschen Arznei-Rechnungen (siehe RECHT & UNBILLIG), Preisabsprachen, unlauterer Werbung oder der Vermarktung gefährlicher Produkte die Macht des Gesetzes nicht allzu sehr zu fürchten. Hickhack um Hartwig BAYERs langjähriger Chef-Jurist Roland Hartwig sitzt heute für die AfD im Bundestag. Er gehört zu den vier stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion und hat keine Berühungsängste mit extrem rechten Positionen. So hielt er im Juni 2019 eine Rede beim „Staatspolitischen Kongress“, einer Veranstaltung des von Götz Kubitscheck und Karlheiz Weißmann gegründeten braunen Thinktanks „Institut für Staatspolitik“. Ende 2020 musste Hartwig den Vorsitz der „Arbeitsgruppe VS“ abgeben, welche die Aufgabe hat, die Partei aus dem Visier des Verfassungsschutzes zu bugsieren. Der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen veranlasste seine Ablösung, nachdem der EX-BAYER ihn für die Aussage kritisiert hatte, nicht alle AfDlerInnen stünden auf dem Boden der Verfassung. Auf Initiative Björn Höckes fasste der AfD-Bundesparteitag im Frühjahr 2021 allerdings den Beschluss, den Juristen wieder in Amt und Würden zu bringen. Der Bundesvorstand lehnte das – gegen die Stimmen von Alice Weidel, Tino Chrupalla, Stephan Brandner und Stephan Protschka – jedoch ab.

DRUGS & PILLS

DUOGYNON-Studie erst 2022 Ein hormoneller Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen durch das unter den Namen DUOGYNON und PRIMODOS vertriebene Medizin-Produkt bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Fehlbildungen zur Welt. Geschädigte oder deren Eltern fordern den Leverkusener Multi seit Jahren auf, die Verantwortung dafür zu übernehmen, bislang allerdings vergeblich. „BAYER schließt DUOGYNON als Ursache für Missbildungen aus“, erklärte der Global Player auf der jüngsten Hauptversammlung. Die Bundesregierungen jedweder Couleur sahen ebenfalls keinen Handlungsbedarf. In England hatten die Betroffenen mehr Erfolg. Die Politik gab einen Untersuchungsbericht in Auftrag, der den Behörden zahlreiche Versäumnisse im Umgang mit den Risiken des Medizinprodukts bescheinigte, woraufhin sich der damalige Gesundheitsminister bei den Geschädigten entschuldigte. Auch die zuständigen Stellen in der Bundesrepublik versagten. So stand der damals im Bundesgesundheitamt zuständige Referatsleiter Klaus-Wolf von Eickstedt früher selbst in Diensten SCHERINGs und tat in alter Verbundenheit alles dafür, das Mittel auf dem Markt zu halten. Genau diese Machenschaften soll jetzt eine Untersuchung aufklären. Gesundheitsminister Jens Spahn kündigte eine solche bereits im September 2020 an. Geschehen ist bisher jedoch noch nichts. Darum hakten Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage nach. Zurzeit laufe die Auftragsvergabe, antwortete die Bundesregierung. Die Veröffentlichung der Arbeit kündigte sie für das Frühjahr 2022 an. Die Betroffenen bezog das Gesundheitsministerium bei der Konzeption des Studien-Designs jedoch nicht ein. Das stieß ebenso auf die Kritik der Initiative NETZWERK DUOGYNON wie die Wahl eines geheimen Ausschreibungsverfahrens. ASTEPRO ohne Rezept Nach Meinung vieler ExpertInnen müsste die Rezeptpflicht für viel mehr Medikamente gelten. Nicht wenige der Pharmazeutika, die frei in der Apotheke erhältlich sind, haben nämlich starke Nebenwirkungen und verlangen einen sorgsamen Umgang. Dazu zählen etwa das Schmerzpräparat ASPIRIN oder die Magenarzneien ANTRA und IBEROGAST aus dem Hause BAYER. Die Pharma-Multis versuchen hingegen mit allen Mitteln, den Menschen immer mehr ihrer Produkte auch ohne eine Verschreibung zugänglich zu machen, um den Absatz zu erhöhen. So setzte der Leverkusener Multi das Thema bereits einmal auf die Agenda seiner regelmäßigen Lobby-Runden in Berlin, den „Politik-Lunches“. Mit einem natürlich eindeutigen Ergebnis: „Die Referenten sprachen sich dafür aus, dass die Rahmenbedingungen für einen OTC-Switch (Wechsel von der Verschreibungspflicht zum rezeptfreien Arzneimittel) in Deutschland optimiert werden können.“ Auch in Australien ist da dem Unternehmen zufolge noch Luft nach oben, denn die Aufsichtsbehörden des Landes lehnten einen OTC-Switch seines Potenzmittels LEVITRA ab. Aber dafür konnte der Konzern in den USA jüngst einen Erfolg verbuchen. Für sein Antihistaminikum ASTEPRO, ein Nasenspray für AllergikerInnen, ist künftig keine ärztliche Verordnung mehr nötig. CIPROBAY schädigt Herzklappen Antibiotika mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY können zahlreiche Gesundheitsschädigungen auslösen (siehe auch SWB 3/18). Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Darüber hinaus zählen Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen zu den Risiken und Nebenwirkungen. Aorten-Aneurysmen und -Dissektionen – krankhafte Ausweitungen der Hauptschlagader verbunden mit der lebensbedrohlichen Gefahr eines Risses – traten ebenfalls bereits auf. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen schon. Und jetzt muss der Leverkusener Multi auf seinen Packungsbeilagen noch einen weiteren Warnhinweis ergänzen. Fluorchinolone können nämlich die Herzklappen angreifen. Schlechte Zeiten für YASMIN & Co. Von BAYERs Verhütungsmitteln mit dem Wirkstoff Drospirenon wie YAZ, YASMIN und YASMINELLE geht ein erhöhtes Embolie-Risiko aus (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Während es bei neun bis zwölf von 10.000 Frauen, welche diese Pharmazeutika oder andere der dritten oder vierten Generation gebrauchen, zu Blutgerinnseln kommt, ist das nur bei fünf bis sieben von 10.000 derjenigen Frauen der Fall, die Pillen mit den älteren Wirkstoffen Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat nutzen. Glücklicherweise hat sich das in der Bundesrepublik inzwischen herumgesprochen. Der Versorgungsanteil der Drospirenon-Präparate sank von 2009 bis 2019 von 22 auf zwei Prozent. Auf den übrigen Märkten macht der Leverkusener Multi aber immer noch gute Geschäfte mit den Mitteln. Im Jahr 2020 betrug der weltweite Umsatz mit YAZ & Co. 670 Millionen Euro. Mehr Glaukome durch Kontrazeptiva Durch die Einnahme von Verhütungsmitteln auf Hormon-Basis steigt die Gefahr, an Grünem Star zu erkranken. Forschende der „University of British Columbia“ machten bei Frauen, welche diese Kontrazeptiva nutzten, ein mehr als doppelt so hohes Risiko aus, das Augenleiden zu bekommen, als bei solchen, die nicht zu YASMIN & Co. greifen. Lieferengpässe bei BAYER-Arzneien Der Pharma-Markt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. BAYER und andere große Unternehmen setzen mehr und mehr auf neue, patent-geschützte Pillen, da diese besonders hohe Renditen versprechen. Bei ihrem nicht so viel Geld abwerfenden Alt-Sortiment rationalisieren die Konzerne hingegen nach Kräften. So beziehen sie Vor- und Zwischenprodukte zur Wirkstoff-Herstellung und manchmal auch die komplette Substanz zunehmend aus Schwellen- oder Entwicklungsländern wie Indien und China. Dort produzieren hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. Damit nicht genug, konzentriert sich die Fabrikation auf immer weniger Anbieter. Und wenn da einmal Störungen im Betriebsablauf auftreten, leiden PatientInnen auf der ganzen Welt unter Lieferengpässen. Seit einiger Zeit passiert das immer häufiger. Im letzten Jahr konnten die Apotheken den PatientInnen 16,7 Millionen Packungen nicht aushändigen. Auch Präparate des Leverkusener Multis glänzen zunehmend durch Abwesenheit, 2021 waren es bisher ASPIRIN i. v. 500 mg, das Herzmittel NIMOTOP, der Gerinnungshemmer XARELTO und das umstrittene Verhütungsmittel YASMINELLE (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Die Produktion des Mittels BAYOTENSIN zur Akutbehandlung eines hohen Blutdrucks stellte der Konzern ganz ein. Für die Spezial-Behältnisse, in die der Wirkstoff abgefüllt war, gab es dem Unternehmen zufolge nämlich keine Lieferanten mehr. Globale Pharma-Lieferketten Die Lieferketten BAYERS im Pharma-Bereich erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi Arznei-Grundstoffe aus Indien und China (s. o.). Dort locken nämlich Standort-Vorteile wie niedrige Herstellungskosten und laxe Umweltauflagen – mit den entsprechenden Risiken und Nebenwirkungen. Bei der BAYER-Hauptversammlung im April 2021 erfragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, welche Substanzen genau der Konzern aus diesen Ländern bezieht. Antibiotika und Vorstufen für Röntgen-Kontrastmittel, lautete die Antwort.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat und kein Ende? Im Jahr 2023 läuft in der Europäischen Union die Glyphosat-Genehmigung aus. BAYER und die anderen Hersteller haben jedoch einen Antrag auf eine Zulassungsverlängerung gestellt. Und im Juni 2021 keimte bei ihnen auch Hoffnung auf. Da gab nämlich die sogenannte Bewertungsgruppe für Glyphosat (AGG) ein positives Votum ab. Durch die Behandlung von Pflanzen mit Glyphosat sei kein „chronisches oder akutes Risiko“ für die VerbraucherInnen zu erwarten, hielt die AGG fest. Das Gremium, in dem sich Prüfbehörden-VertreterInnen aus Frankreich, Ungarn, den Niederlanden und Schweden zusammenfanden, kam zu dem Schluss, dass „Glyphosat die Zulassungskriterien für die menschliche Gesundheit erfüllt“. Dementsprechend hieß es dann in der Pressemitteilung der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA: „Eine Einstufung für Keimzell-Mutagenität, Karzinogenität oder Reproduktionstoxizität war nicht gerechtfertigt. Der Vorschlag der vier Mitgliedstaaten beabsichtigt keine Änderung der bestehenden Einstufung.“ BAYER zeigte sich erfreut. Der Bericht bestätige „die Schlussfolgerungen führender Gesundheitsbehörden“, so der Konzern. Trotzdem stehen die Zukunftschancen für das Herbizid nicht eben gut. „Ich glaube nicht, dass es eine ernsthafte Chance für eine Verlängerung der Glyphosat-Lizenz gibt. Dafür ist die politische Stimmung gegen das Mittel zu aufgeheizt“, zitierte das Handelsblatt einen EU-Insider. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird alles in ihren Kräften stehende tun, um es nicht zu einem Temperatur-Abfall kommen zu lassen. Mehr Kindestode durch Glyphosat In Brasilien erhöht sich durch Glyphosat-Rückstände im Wasser die Kindersterblichkeit. Das ergab die Studie „Down the River: Glyphosate Use in Agriculture and Birth Outcomes of surrounding Populations“ von Mateus Dias, Rudi Rocha und Rodrigo R. Soares. Eine Steigerung um fünf Prozent durch das Mittel machten die drei aus, was ein Plus von 503 Sterbefällen pro Jahr ergibt. Auch die Zahl der Frühgeburten und der Babys mit einem niedrigen Geburtsgewicht steigt den ForscherInnen zufolge. Alan Tygel von der brasilianischen PERMANENTEN KAMPAGNE GEGEN AGROGIFTE UND FÜR DAS LEBEN forderte daraufhin einen sofortigen Vermarktungsstopp. Der BAYER-Konzern sah dafür keinen Grund. Er nannte die wissenschaftliche Arbeit, die im Auftrag der „Latin American and the Caribbean Economic Association“ entstand, „unsolide und schlecht durchgeführt“ und betonte, der Sicherheit bei all seinen Produkten immer die höchste Priorität einzuräumen. Glyphosat schädigt die Darmflora Glyphosat hat das Potenzial, eine Schädigung der Darmflora, eine sogenannte Dysbiose, hervorzurufen. Das ergab eine Analyse von Studien, die Jacqueline A. Barnett und Deanna L. Gibson von der kanadischen „University of British Columbia“ vornahmen. Sogar als Auslöser für Gesundheitsstörungen, die viele MedizinerInnen mit einer Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) in Verbindung bringen, kommt das BAYER-Herbizid nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen in Betracht. „Glyphosat kann eine Rolle bei vielen Krankheiten spielen, die mit der Dysbiose in Zusammenhang stehen, darunter Zöliakie, entzündliche Darm-Erkrankungen und das Reizdarm-Syndrom“, so die Forscherinnen. Damit nicht genug, vermag das Pestizid durch seine Einwirkung auf das Darm-Mikrobiom Barnett und Gibson zufolge auch die psychische Gesundheit zu beeinträchtigen und beispielsweise Depressionen auszulösen. Insektensterben durch Glyphosat BAYERs Pestizid Glyphosat trägt zum Insektensterben bei. Einen neuen Beleg dafür liefert eine Studie, die WissenschafterInnen der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität gemeinsam mit ihren KollegInnen vom „Max-Planck-Institut für chemische Ökologie“ und des japanischen „National Institute of Advanced Industrial Science and Technology“ durchführten. So greift das Herbizid ihren Angaben zufolge ein Bakterium an, das in enger Symbiose mit dem Getreideplatt-Käfer lebt und Schutzfunktionen erfüllt, ohne die das Insekt nicht existieren kann. Dabei halten die ForscherInnen ihren Befund auch übertragbar: „Da wir beobachten konnten, wie Glyphosat die symbiotische Gemeinschaft schädigt, fragten wir uns, ob Glyphosat auch für andere Insekten, die auf ihre mikrobiellen Partner angewiesen sind, eine Gefahr darstellt.“ Glyphosat gegen Koka-Pflanzen Der kolumbianische Präsident Iván Duque plant, die im Jahr 2015 von seinem Amtsvorgänger Juan Manuel Santos gestoppten Flugzeug-Sprüheinsätze mit Glyphosat zur Zerstörung von Koka-Pflanzen wieder anlaufen zu lassen (siehe auch SWB 3/21). Dabei fällt die Bilanz des Chemie-Krieges gegen die Droge verheerend aus, sowohl in gesellschaftlicher und sozialer als auch in gesundheitlicher und ökologischer Hinsicht. Entsprechend groß ist die Empörung im Land. Auch bei den aktuell stattfindenden Protesten, die sich massiver Gewalt von Polizei und Militär ausgesetzt sehen, spielt das Thema eine Rolle. So beteiligten sich indigene LandwirtInnen an einem landesweiten Streik und forderten die Regierung auf, „das Versprühen von Glyphosat aus der Luft und die Gesundheitsreform zu stoppen und die aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtungen zu erfüllen“. Der Leverkusener Multi wollte sich der Financial Times gegenüber nicht zum neuen Glyphosat-Programm Kolumbiens äußern, da er nicht direkt in die Praxis involviert sei. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) forderte das Unternehmen dagegen unmissverständlich auf, das Pestizid für solche Einsätze nicht zur Verfügung zu stellen. Dicamba: EPA übt Selbstkritik Bei einer internen Revision stellte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA schwere Mängel bei der Dicamba-Zulassung im Jahr 2018 fest. Donald Trump hatte der Behörde gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine neue Führungsspitze verpasst, die sich offenbar massiv in den Prüfungsprozess einschaltete. „In unseren Interviews nannten die Wissenschaftler der Pestizid-Abteilung Beispiele dafür, dass wissenschaftliche Analysen geändert wurden, um die politischen Entscheidungen leitender Beamter zu unterstützen“, heißt es in dem Bericht. So fehlten dann in den Abschluss-Dokumenten plötzlich Passagen über das Gefährdungspotenzial von Dicamba. Auch erhielten die ExpertInnen die Anweisung, sich bei der Sichtung der Unterlagen ausschließlich auf Daten der Hersteller zu stützen. „Die Wissenschaft selber können wir nicht ändern, aber unsere Politik basiert nicht immer auf deren Ergebnissen“, zitiert der Report einen frustrierten EPA-Beschäftigten. Der niederschmetternde Befund veranlasste die AutorInnen der Untersuchung, eine Reihe von Reformen zur Wahrung der Unabhängigkeit der Einrichtung anzumahnen. Aus deutschen Landen Der BAYER-Konzern vertreibt in den Ländern des Globalen Südens zahlreiche Pestizide, die in der Europäischen Union wegen ihrer Gefährlichkeit keine Zulassung (mehr) haben. Einige dieser Ackergifte stellt er sogar in Deutschland her und exportiert sie dann. So produziert der Global Player in Dormagen den Wirkstoff Probineb und in Frankfurt Indaziflam sowie Ethoxysulfuron.

GENE & KLONE

Schlappe für CUREVAC Der Corona-Impfstoff von BAYERs Kooperationspartner CUREVAC hat bei den klinischen Tests ein enttäuschendes Endergebnis erzielt. Das Gentech-Mittel kam nur auf eine Wirksamkeit von 48 Prozent gegen SARS-CoV-2. ExpertInnen führen das auf die im Vergleich zu anderen Präparaten niedrige Dosierung der Wirksubstanz zurück. Die ForscherInnen hatten bewusst keine höhere gewählt, um das Vakzin nicht so stark wie etwa dasjenige von BIONTECH herunterkühlen zu müssen. Der Leverkusener Multi arbeitete seit Anfang Januar 2021 mit CUREVAC zusammen. Er erklärte damals, „sein Fachwissen und seine etablierte Infrastruktur“ einbringen zu wollen, um der Firma bei der Durchführung der Klinischen Studien, dem Zulassungsprozedere, der späteren Überwachung der Sicherheit des Vakzins sowie bei der Organisation der Lieferkette für die benötigten Zusatzstoffe zur Seite zu stehen. Rund einen Monat später erweiterten die beiden Firmen ihre Verbindung noch einmal. Sie erstreckt sich nun auch auf den Produktionsprozess; BAYER baut dafür zurzeit in Wuppertal Kapazitäten auf. Nun steht allerdings in den Sternen, ob diese überhaupt einmal zum Einsatz kommen werden. Warnung vor EYLEA Das BAYER-Präparat EYLEA zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zu Blindheit führen kann – ist nicht ohne. In einer Fertigspritze verabreicht, erhöht das Gentech-Mittel das Risiko eines Anstiegs des Augeninnendrucks. Die Aufsichtsbehörden haben den Leverkusener Multi deshalb angewiesen, vor dieser Nebenwirkung zu warnen und den ÄrztInnen einen sogenannten „Rote-Hand-Brief“ zuzustellen. Viel Geld für METAGENOMI Die Gen-Scheren, die bei der Gentechnik 2.0 zum Einsatz kommen, schnippeln längst nicht so präzise, wie ihre ErfinderInnen behaupten. Allzu oft kommt es zu so genannten Off-Target-Effekten, also zu Veränderungen der DNA an Stellen, die gar nicht im Visier der ForscherInnen standen. Dem abzuhelfen, hat sich das Start-Up METAGENOMI verschrieben. Es will zielgerichtetere Methoden des Genome Editing auf Basis der CRISPR-Cas-Technik entwickeln und konnte dafür viele Unterstützer gewinnen. BAYER, der Humboldt Fund, HOF CAPITAL und andere Investoren stellten METAGENOMI rund 65 Millionen Dollar zur Verfügung. Neues Gensoja für Brasilien Der BAYER-Konzern bringt in Brasilien ein neues Gensoja auf den Markt. Das Erbgut der Pflanze der Produktlinie ROUNDUP READY 2 XTEND ist so manipuliert, dass das Gewächs sowohl Duschen mit Glyphosat als auch solche mit Dicamba übersteht, wenn diese Herbizide auf den Feldern gegen Wildwuchs zum Einsatz kommen. Und gegen Raupen hat der Konzern die Ackerfrüchte ebenfalls gentechnisch gewappnet. SMARTSTAX-Start mit Gentech 2.0 Der BAYER-Konzern setzt massiv auf die Gentechnik 2.0. Rund 100 Patent-Anträge hat er in diesem Bereich schon beim Europäischen Patentamt eingereicht und bis jetzt sieben positive Bescheide erhalten. 2022 startet der Leverkusener Multi in den USA nun mit der Vermarktung der ersten Pflanze, in der eines der neuen Verfahren zur Anwendung kommt. Der Mais der SMARTSTAX-PRO-Produktreihe wartet nämlich nicht nur mit den üblichen Resistenzen gegen die Herbizide Glyphosat und Glufosinat auf, sondern auch mit der RNAi-Technologie. Mit Hilfe dieser sogenannten Ribonukleinsäure-Interferenz blockiert das Gewächs ein Gen im Erbgut des Maiswurzelbohrers und schützt sich so vor dem Schadinsekt. Ohne Nebenwirkungen geht das allerdings nicht ab: Die Ribonukleinsäure kann mit der Darmflora von Mensch und Tier interagieren, in den Blutkreislauf gelangen und sogar in die Steuerung von Genen eingreifen. Aber BAYER ficht das an. „Uns liegen keine verlässlichen wissenschaftlichen Nachweise dafür vor, dass die sachgerechte Anwendung von Produkten mit einer Wirkungsweise auf RNAi-Basis zu negativen Effekten führt“, erklärte Agrar-Vorstand Liam Condon auf der letzten Hauptversammlung. EU-Parlament gegen Import-Zulassungen Im März 2021 sprach sich das Europäische Parlament gegen Import-Zulassungen für zwei Gen-Pflanzen von BAYER und SYNGENTA aus. Bei der Baumwolle des Leverkusener Multi aus der Produktreihe GHB 614 x T 304-40 x GHB 119 füllte die Mängel-Liste fünf Seiten. Unter anderem machten die PolitikerInnen Fehler bei der Gefahren-Analyse der Laborfrucht aus, die zur Insekten-Abwehr mit gleich zwei Sorten des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt und zudem gegen die beiden Herbizide Glufosinat und Glyphosat resistent ist. So ignorierte die „Europäische Lebensmittelbehörde“ (EFSA) bei ihren Risiko-Prüfungen den Abgeordneten zufolge die Tatsache, dass die Bt-Proteine in der Baumwolle eine viel stärkere Giftigkeit entfalten als in der freien Wildbahn. Sie interagieren nämlich mit den Enzymen der Gewächse. Trotzdem untersuchte die EFSA nur der Bacillus selber. Die Initiative TESTBIOTEST begrüßte die Entscheidung der EU-ParlamentarierInnen: „Damit wächst der Druck auf die EU-Kommission, wesentlich kritischer mit den Prüfberichten der EFSA umzugehen.“ Der Gentech-Schmetterling In Brasilien startet ein Freiluft-Versuch mit gentechnisch veränderten Eulenfaltern. Da sich Raupen dieser Schmetterlingsart zum Verdruss von BAYER & Co. an Mais schadlos halten, haben ForscherInnen der Firma OXITEC in das Erbgut des Spodoptera frugiperda eingegriffen. Um die Bestände der Spezies zu dezimieren, ist es nun so verändert, dass die weiblichen Nachkommen das Larvenstadium nicht überstehen. Der BAYER-Konzern unterstützt das Projekt finanziell, denn sein Gentech-Mais kann sich dieses Wurms nicht mehr erwehren, weil „einige der wirksameren Kontroll-Strategien resistenz-anfällig geworden sind“. Konkret versagt das in den Pflanzen eigentlich für die Schadinsekten-Abwehr zuständige Bt-Toxin zunehmend seinen Dienst. Die Risiken, die mit der Freisetzung der Labor-Schmetterlinge einhergehen, ignoriert der Global Player geflissentlich. Ihm geht es einzig und allein darum, die Profite im Geschäft mit seinen Gen-Pflanzen zu sichern.

WASSER, BODEN & LUFT

Neues Klimaschutz-Gesetz Im März 2021 hat das Bundesverfassungsgericht einer Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutz-Gesetz stattgegeben. Die Karlsruher RichterInnen teilten den Standpunkt der BeschwerdeführerInnen, wonach dieses Paragrafen-Werk die grundgesetzlich verbrieften Freiheitsrechte künftiger Generationen ungebührlich einschränke, weil die Bundesregierung diesen die Hauptlast bei der Kohlendioxid-Einsparung aufbürde. „So sind die notwendigen Freiheitsbeschränkungen der Zukunft bereits in den Großzügigkeiten des gegenwärtigen Klimaschutz-Rechts angelegt“, heißt es in der Begründung des Urteils. Darum musste die Große Koalition nachbessern und die Klimaziele verschärfen. Jetzt legte sie sich auf eine CO2-Reduktion von 65 statt wie bisher 55 Prozent bis 2030 fest, ausgehend vom Basis-Jahr 1990. Dementsprechend senkten CDU und SPD die zulässigen Jahres-Emissionsmengen für Gebäude-Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft, Energie-Branche und Industrie ab. Für BAYER & Co. reduzierten sich die Grenzen des Erlaubten gegenüber dem Klimaschutz-Gesetz von 2019 um 22 Millionen Tonnen. 2022 dürfen sie noch 177 Millionen Tonnen ausstoßen und dann sukzessive immer weniger bis 118 Millionen im Jahr 2030. Die im Vergleich zu den anderen Bereichen strengeren Vorgaben für Industrie und Energie hatten Gründe. „Dies folgt einerseits dem ökonomischen Gedanken, dort zu mindern, wo die Vermeidungskosten am geringsten sind, andererseits sind Industrie- und Energie-Sektor weiterhin die Sektoren mit den höchsten Emissionen“, heißt es im Gesetz. Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) kritisiert das Paragrafen-Werk. Er vermisste unter anderem Subventionsregelungen, „um Wettbewerbsnachteile auszugleichen“ und politische Weichenstellungen für „günstigen Strom“. Grüne wollen Kampfstoff-Bergung 1,6 Millionen Tonnen Munition, Minen und chemische Kampfstoffe aus zwei Weltkriegen lagern in den Gewässern von Nord- und Ostsee, darunter auch die einst von BAYER entwickelten Substanzen Lost, Tabun und Sarin. Da die Metall-Umhüllung der Chemie-Waffen mittlerweile durchrostet, treten die Gifte aus. Als besonders gefährlich betrachtet das Umweltbundesamt dabei neben bestimmten Arsen-Verbindungen Zäh-Lost, eine Mixtur aus Schwefel-Lost und Verdickungsmitteln. Während sich andere Kampfstoffe im Wasser allmählich zersetzen, behält diese Chemikalie nämlich eine feste Konsistenz und verliert kaum etwas von seiner Wirksamkeit. „Die meisten der bisher bekannten Unfälle mit Kampfstoffen wurden durch Zäh-Lost rund um das Versenkungsgebiet östlich der dänischen Ostsee-Insel Bornholm verursacht, wobei Klumpen von Zäh-Lost in Fischernetze gerieten“, konstatiert die Behörde. Die FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben die Bundesregierung jetzt aufgefordert, endlich etwas gegen die tickenden Zeitbomben in den Meeren zu unternehmen die schon viele Todesopfer gefordert haben. „Munitionsaltlasten in den Meeren bergen und umweltverträglich vernichten“, ist ihr gemeinsamer Antrag überschrieben, mit dem sich der Bundestag Mitte April 2021 befasste. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) begrüßte diesen Vorstoß, trat aber dafür ein, das Verursacher-Prinzip greifen zu lassen und die damaligen Hersteller der Kriegswerkzeuge wie etwa BAYER an der Finanzierung des Unterfangens zu beteiligen. „Die Räumungsarbeiten sind laut FDP und Grünen mit immensen Kosten verbunden. Darum ist es nur recht und billig, BAYER als Pionier auf dem Gebiet der chemischen Kampfstoffe mit zur Kasse zu bitten“, hieß es in der Presseerklärung der CBG. Glyphosat gefährdet Grundwasser Bis zu 50 Prozent des ausgebrachten Glyphosats kann ins Grundwasser gelangen. Das stellte ein ForscherInnen-Team um Andreas Hartmann von der Universität Freiburg und Thorsten Wagener von der Universität Potsdam fest. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass 99 Prozent des Pestizides im Boden versickert. Wie Hartmann und Wagener aber in einem Aufsatz, den die Zeitschrift Proceedings veröffentlichte, darlegen, leiten Risse und Hohlräume in der Erde große Mengen des Mittels bis ins Grundwasser weiter. Wasser-Strategie ohne Plan Der Klimawandel macht Wasser zu einer immer kostbareren Ressource. Das hat auch die Politik erkannt. Im Juni 2021 stellte Bundesumweltministerin Svenja Schulze den Entwurf zu einer nationalen Wasser-Strategie vor, um das Lebenselixier besser zu schützen. BAYER & Co. als die größten Wasserverbraucher und Wasserverschmutzer nahm das 76-seitige Papier dabei allerdings nicht in den Blick. Es führte keinerlei konkrete Vorhaben auf, um das gefährdete Gut vor dem Zugriff der Profit-Interessen zu bewahren, obwohl allein der Leverkusener Multi im Geschäftsjahr 2020 auf einen Wassereinsatz von 57 Millionen Kubikmetern kam. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte das scharf. „Zunehmende Trockenheitsperioden, eine schwindende Grundwasser-Neubildungsrate, der immense Durst der Konzerne und eine wachsende Schadstoff-Belastung der Gewässer verlangen ein sofortiges gesetzgeberisches Handeln. Dazu kann oder will sich die Umweltministerin aber offensichtlich nicht entschließen. So bleibt es bei bloßer Symbol-Politik“, hieß es in ihrer Presseerklärung. BAYERs großer Durst Der BAYER-Konzern hat einen enormen Wasser-Durst (s. o.) Bei der jüngsten Hauptversammlung erfragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, wie viel Kubikmeter der kostbaren Ressource die Standorte in Nordrhein-Westfalen verbrauchen. Auf insgesamt 4,4 Millionen Kubikmeter kommen die Niederlassungen in Leverkusen, Wuppertal, Bergkamen und Monheim, bekam die Coordination zur Antwort.

ÖKONOMIE & PROFIT

Rating-Agentur stuft BAYER herab Ende Mai 2021 ließ BAYER die Vergleichsverhandlungen mit den AnwältInnen der Glyphosat-Geschädigten platzen und legte stattdessen einen eigenen Plan zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten vor (siehe RECHT & UNBILLIG). Unmittelbar danach stufte die Rating-Agentur MOODY’S INVESTORS SERVICE die Kreditwürdigkeit des Konzerns von Baa1 auf Baa2 herab. „Die anhaltende Unsicherheit in Bezug auf die abschließende Beilegung von Rechtsfällen gegen BAYER im Zusammenhang mit Glyphosat“, führte sie als einen der Gründe für die Entscheidung an. Auch die hohen Kosten für den Rechtskomplex „Glyphosat“ stellte die Agentur in Rechnung. Zudem zeigte sie sich von den „mittelfristigen Finanzzielen“ des Leverkusener Multis enttäuscht und bewertete die Profit-Aussichten im Agrar-Geschäft wegen des verstärkten Wettbewerbs negativ. Trotz des Verkaufs von Unternehmensteilen, eines kostensparenden Arbeitsplatz-Vernichtungsprogramms und steigenden Renditen im Bereich „Consumer Health“ kam MOODY’S bei der „Betriebsprüfung“ letztlich „zu Finanzkennzahlen, die nur mit einem Baa2 bewertet werden können“. Hohe Abschreibungen In die BAYER-Bilanz fließt auch der Wert der Zukäufe ein. Dieser sogenannte Goodwill macht beim Leverkusener Multi 118 Prozent des Eigenkapitals aus. Für MONSANTO hatte er den Goodwill allerdings viel zu hoch angesetzt. Die immensen Schadensersatz-Ansprüche in Sachen „Glyphosat“ und schlechte Geschäfte im Agro-Bereich erforderten eine massive Korrektur: 9,3 Milliarden Euro musste der Global Player abschreiben.

RECHT & UNBILLIG

Immer mehr Dicamba-Klagen Neben Glyphosat entwickelt sich für den BAYER-Konzern auch das Herbizid Dicamba, das er hauptsächlich in Kombination mit gentechnisch gegen die Substanz immunisierten Gewächsen anbietet, zu einem Sorgenkind. Der Wind treibt das vom Leverkusener Multi z. B. unter dem Namen XTENDIMAX vertriebene Mittel nämlich zu Ackerfrüchten hin, die dem Stoff nichts entgegenzusetzen haben und deshalb eingehen. 57 Wein-AnbauerInnen und vier WeiterverarbeiterInnen machen wegen dieser Abdrift auf einer Fläche von 1.200 Hektar Schädigungen an Weinreben geltend und fordern eine Kompensation in Höhe von 114 Millionen Dollar plus 228 Millionen Dollar Strafe. Zudem zog ein Imker vor Gericht, weil die chemische Keule seine Bienenvölker dezimierte und der Pflanzen-Kahlschlag den Tieren Pollen und Nektar nahm, sodass die Honig-Produktion einbrach. Zwei weitere Prozesse in Sachen „Dicamba“ laufen bereits seit Längerem. Darüber hinaus schloss der Global Player im Juni 2020 mit rund 170 KlägerInnen einen Vergleich, der ihn zu einer Zahlung von 400 Millionen Dollar verpflichtete. Trotzdem lässt das Unternehmen auf das Ackergift nichts kommen. „BAYER ist von der Sicherheit und dem Nutzen des Herbizids XTENDIMAX überzeugt. Wir werden diese Technologie auch weiterhin verteidigen“, ließ der Gen-Gigant verlauten. Klage gegen Phosphorit-Abbau „Von der Wiege bis zur Bahre ist Glyphosat ein hochproblematischer Stoff“, sagt die Umwelt-Aktivistin Hannah Connor von der US-amerikanischen Organisation Center for Biological Diversity. Und tatsächlich sorgt das Herbizid sogar schon vor seiner eigentlichen Geburt für so einige Verwerfungen. Der Abbau des Sediment-Gesteins Phosphorit, das BAYER zur Herstellung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor benötigt, belastet Mensch, Tier und Umwelt nämlich massiv. So gelangen etwa Schwermetalle und radioaktive Stoffe wie Uran, Radom, Radium und Selen in die Umwelt. Darum fechten mehrere US-amerikanische Umweltverbände die Genehmigung zum Abbau des Phosphorits ein, die BAYERs Minen-Gesellschaft P4 PRODUCTIONS im Jahr 2019 erhielt. Das Center for Biological Diversity, das Western Watersheds Project und die WildEarth Guardians werfen dem „Bureau of Land Management“ vor, bei der Prüfung des Antrages Umweltrichtlinien missachtet zu haben, und reichten Klage ein. Besonders das Selen stellt den Organisationen zufolge eine Bedrohung dar. „Zwischen 1996 und 2012 starben in der Nähe der Phosphorit-Minen im Südosten von Idaho über 600 Stück Vieh an Selen-Vergiftung“, hält die Klageschrift fest. Die Gewässer verseucht das Halbmetall ebenfalls. „Die Selen-Konzentration im Blackfoot-Fluss entspricht schon jetzt nicht mehr den Wasserqualitätsstandards von Idaho. Mehr Selen in fragilen Ökosystemen ist das Letzte, was die Region braucht“, so Chris Krupp von den WILDEARTH GUARDIANS. Erst Anfang März 2021 musste der Leverkusener Multi für Schäden, welche die Phosphorit-Förderung während der 1950er und 1960er Jahre in der inzwischen stillgelegten Ballard-Mine verursachte, eine hohe Summe zahlen (siehe Ticker 2/21). Der Prozess, den die US-amerikanische Umweltbehörde EPA, der Bundesstaat Idaho und eine Gruppe von Indigenen angestrengt hatten, endete mit einem Vergleich, der den Konzern fast 2,5 Millionen Dollar kostete. Ähnliche Verfahren gegen P4 PRODUCTIONS gab es in den Jahren 2011 und 2015. Bienengift-Bann bleibt Im Jahr 1999 begann die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre Kampagne gegen BAYERs bienengefährliche Pestizide. Es sollte jedoch noch fast 20 Jahre dauern, bis sich der Erfolg einstellte: Im April 2018 verbot die Europäische Union die Wirkstoffe von BAYERs GAUCHO und PONCHO (heute BASF) sowie die SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam. Aber die Konzerne gaben sich nicht geschlagen. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGh) war nämlich noch die Klage von BAYER und SYNGENTA gegen das im Jahr 2013 von Brüssel erlassene vorläufige Verbot anhängig. 2018 verloren die Unternehmen in erster Instanz, und Anfang Mai 2021 scheiterte auch das Berufungsverfahren. Entsprechend zerknirscht reagierte der Leverkusener Multi: „BAYER ist enttäuscht darüber, dass die wesentlichen Aspekte dieses Falles vom Gericht nicht anerkannt wurden.“ Allerdings dürfen die Mittel in einigen Teilen der EU per Notfall-Zulassungen weiter ihr Unwesen treiben (s. u.) – und im Rest der Welt sowieso. Klage wg. Vogelschwund Der französische Vogelschutzbund „Ligue de protection des oiseaux“ LPO) hat BAYER und NUFARM verklagt. Der Verband macht den von beiden Unternehmen verkauften Pestizid-Wirkstoff Imidacloprid aus der Gruppe der Neonicotinoide für den Rückgang der Vogel-Populationen verantwortlich und verlangt Reparationszahlungen. Zudem fordert die LPO das Gericht auf, ein Total-Verbot der Agro-Chemikalie zu verhängen und damit die Ausnahmeregelungen des „loi du décembre 2020“ aufzuheben. „Die Neonicotinoide stehen für ein industriell geprägtes Agrarmodell, das unsere Landwirte in eine wirtschaftliche Sackgasse führt und die Vögel auf dem Land hat verschwinden lassen (...) Die Verantwortlichen für diese Katastrophe müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, erklärte LPO-Präsident Allain Bougrain Dubourg. Mexiko: Glyphosat-Bann bleibt Im Jahr 2020 hatte die mexikanische Regierung Glyphosat verboten. Der BAYER-Konzern ging gegen die Entscheidung gerichtlich vor, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Auch eine Klage des „National Farm Councils“, einer Vereinigung von GroßagrarierInnen, scheiterte. Kein Glyphosat-Vergleich Ende Mai 2021 ließ BAYER die Vergleichsverhandlungen mit den AnwältInnen der Glyphosat-Geschädigten platzen (siehe auch SWB 3/21). Der Konzern sah keine Chance mehr, den richterlichen Segen für sein Ansinnen zu bekommen, das Herbizid unbegrenzt weiter zu vermarkten, aber für weitere Gesundheitsschäden nur noch begrenzt zu haften. Stattdessen präsentierte der Leverkusener Multi einen eigenen 5-Punkte-Plan zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten. Dieser sieht vor, auf den Packungen des Pestizids statt eines Warn-Labels einen Hinweis auf wissenschaftliche Studien zu Glyphosat anzubringen. Überdies erwägt der Agro-Riese, das Mittel nicht mehr auf dem PrivatkundInnen-Markt anzubieten, da aus diesem Kreis über 90 Prozent der KlägerInnen stammten. Zum Umgang mit künftigen Schadensersatz-Ansprüchen enthält der Plan nichts Konkretes. „Das Unternehmen wird andere Lösungen für potenzielle künftige Klagen zu ROUND UP prüfen“, heißt es lediglich. Niederlage im Fall „Hardeman“ Der Leverkusener Multi hat bisher in allen drei großen Glyphosat-Prozessen Niederlagen erlitten. Den ersten, den Dewayne Johnson gegen die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO angestrengt hatte, musste das Unternehmen sogar schon endgültig verloren geben. Und im Fall „Hardeman“ unterlag der Agro-Riese Mitte Mai 2021 in zweiter Instanz. Dabei hatte sich der Global Player gerade hier Chancen ausgerechnet, denn er konnte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA als Entlastungszeugen aufbieten. Gemeinsam mit dem Justizministerium nutzte die Einrichtung das in den USA bestehende „Amicus Curiae“-Recht, das es Unbeteiligten gestattet, Stellungnahmen zu laufenden Rechtsstreitigkeiten abzugeben und plädierte auf Freispruch. „Der Kläger ist im Unrecht“, hieß es in dem „Brief of the United States as Amicus Curiae in Support of MONSANTO“, was das Wall Street Journal damals so kommentierte: „Die Trump-Administration stützt BAYER in Herbizid-Verfahren.“ FRAG DEN STAAT vs. BfR Anfang 2019 hatte das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) die Initiative „FRAG DEN STAAT“ verklagt (Ticker 3/19). Die Behörde warf der Organisation vor, mit der Veröffentlichung eines BfR-Gutachtens zu Glyphosat, das diese unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz angefordert und auf ihrer Website veröffentlicht hatte, gegen das Urheberrecht verstoßen zu haben. Das 6-seitige Dokument spielt eine Schlüsselrolle im wissenschaftlichen Streit um das Pestizid. Im Jahr 2015 bewertete die „Internationale Agentur für Krebsforschung“ (IARC) der Weltgesundheitsorganisation das Breitband-Herbizid als „wahrscheinlich krebserregend“ und setzte sich damit von dem Glyphosat-Prüfbericht des „Bundesinstituts für Risiko-Bewertung“ ab. Die Politik sah Klärungsbedarf und erbat vom BfR eine Stellungnahme. Daraufhin erstellte die Behörde eine ergänzende Expertise. Die Kurzfassung dieses „Addendum I“ ging dann als Handreichung an das Bundeslandwirtschaftsministerium und enthält offenbar so brisantes Material, dass das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ dieses lieber unter Verschluss halten möchte. Aber das gestaltet sich schwierig. Nach Ansicht des Landgerichts Köln kann das Dokument keine Schutzrechte mehr beanspruchen. FRAG DEN STAAT hatte nämlich einfach an UnterstützerInnen appelliert, ebenfalls Anträge zur Einsicht in das Schriftstück nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Das geschah 45.000 Mal, auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN beteiligte sich damals. Und damit war das Gutachten dann in der Welt. Darüber hinaus deckt die im Urheberrechtsgesetz garantierte Zitat- und Berichterstattungsfreiheit das Vorgehen der AktivistInnen, befanden die RichterInnen im November 2020. Das BfR ging gegen die Entscheidung vor, verlor im Mai 2021 jedoch auch in zweiter Instanz. Pestizid-Kritikerin verurteilt Im Herbst 2020 hatte die französische Initiative ALERTE AU TOXIQUES ein Dossier über Pestizid-Rückstände in französischen Weinen aus der Region um Bordeaux veröffentlicht. Der Befund war alarmierend: In allen der 20 untersuchten Fabrikate fanden sich Ackergift-Spuren. In manchen Flaschen stießen die WissenschaftlerInnen auf bis zu 15 unterschiedliche Wirkstoffe. Sogar das EU-weit verbotene Iprodion – enthalten unter anderem in BAYERs ROVRAL und CHIPCO GREEN – wiesen die ForscherInnen nach. Der Branchenverband CIVB sah seine Umsätze in Gefahr. Deshalb verpflichtete er einen Anwalt, der schon in Diensten von MONSANTO gestanden hatte, und ging gerichtlich gegen die Alerte-Gründerin Valérie Murat vor. In erster Instanz verurteilte das Gericht die Pestizid-Kritikerin zu einer Strafzahlung in Höhe von 125.000 Euro. Murat will den RichterInnen-Spruch jedoch anfechten. Zahlreiche Gruppen stärkten ihr bei dem Prozess mit einer Solidaritätserklärung den Rücken, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). In Sachen „Agent Orange“ Das im Vietnam-Krieg von den USA als Entlaubungsmittel eingesetzte Agent Orange hat unermessliches Leid über das Land gebracht. Dennoch hat bisher noch noch kein Vietnamese und keine Vietnamesin eine Entschädigung erhalten. Das will die in Vietnam geborene und seit Langem in Frankreich lebende Tran To Nga ändern. Sie berief sich auf ein Gesetz in ihrer Wahlheimat, das die rechtliche Verfolgung von Kriegsverbrechen gestattet, auch wenn diese außerhalb der Grenzen des Staates geschahen, und verklagte die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO sowie dreizehn weitere Unternehmen. „Ich kämpfe nicht für mich selbst, sondern für meine Kinder und die Millionen von Opfern“, sagt die 79-Jährige. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und zahlreiche andere Organisationen unterstützen sie dabei. BAYER hingegen erklärt die Schadensersatz-Ansprüche für unbegründet. Der Konzern behauptet, MONSANTO hätte lediglich als Erfüllungsgehilfe der US-Army agiert, obwohl das Unternehmen mit dem Pentagon bereits seit 1950 in einem regen Austausch über die Kriegverwendungsfähigkeit der „Agent Orange“-Chemikalie 2,4,5-T stand. BAYER-Anwalt Jean-Daniel Bretzner zog schon die Zuständigkeit des Gerichts in Zweifel. Er bestritt ihm das Recht, über die Verteidigungspolitik eines souveränen ausländischen Staates in Kriegszeiten zu richten. Die RichterInnen folgten den Argumentationen von Bretzner & Co. Sie befanden, dass die Firmen „auf Anweisung und im Namen des amerikanischen Staates“ gehandelt hätten und sprachen die Unternehmen frei. Tran To Nga akzeptiert dieses Votum jedoch nicht und kündigte an, in Berufung zu gehen.
  • YASMINELLE-Klage abgewiesen
Ende Juni 2021 hat das Oberlandesgericht Karlsruhe die Klage der Arznei-Geschädigten Felicitas Rohrer gegen den BAYER-Konzern abgewiesen. Die 37 Jahre alte Frau forderte 200.000 Euro von dem Unternehmen, weil sie nach der Einnahme des Verhütungsmittels YASMINELLE eine beidseitige Lungen-Embolie mit akutem Atem- und Herzstillstand erlitten hatte. Diese „Nebenwirkung“ des Medikaments ist seit Langem bekannt. Zudem reicht dem Arzneimittelgesetz eine bloße Kausalitätsvermutung, um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Einen exakten wissenschaftlichen Nachweis über eine Kausalbeziehung zwischen einer Arzneimittel-Einnahme und dem Auftreten von Nebenwirkungen zu erbringen, erweist sich nämlich allzu oft als eine unlösbare Aufgabe. Trotz alledem sprach die Richterin den Leverkusener Multi frei. Dessen AnwältInnen war es nämlich gelungen, die Juristin zu überzeugen, dass auch eine lange Flugreise Rohrers den Venenverschluss ausgelöst haben könnte. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte die Entscheidung scharf. „Das ist ein Skandal-Urteil. In den USA haben bisher schon 12.000 Leidensgenossinnen von Felicitas Rohrer Recht bekommen und insgesamt zwei Milliarden Dollar Schmerzensgeld von BAYER erhalten. Hierzulande aber kuscht die Justiz vor der Macht der Konzerne“, hieß es in ihrer Presseerklärung. Ähnlich reagierte die Klägerin. „Ich bin sehr enttäuscht über dieses Urteil und hätte es so nicht erwartet. Wir werden es nun genau prüfen und schauen, welche weiteren juristischen Schritte möglich sind“, erklärte sie. Da das Gericht eine Revision skandalöserweise nicht zuließ, bleibt Felicitas Rohrer nur noch der Weg, eine Nichtzulassungsbeschwerde einzureichen, um ein endgültiges Schließen der Akte „YASMINELLE“ zu verhindern. LIPOBAY-Klage stattgegeben BAYERs Cholesterinsenker LIPOBAY hat mindestens 100 PatientInnen den Tod gebracht, bis der Konzern ihn im Sommer 2001 vom Markt nehmen musste. In der Folge sah sich das Unternehmen mit einer Unmenge von Entschädigungsprozessen konfrontiert. Derjenige, den der italienische Arzt Roberto Trevisanato führte, zog sich über 20 Jahre hin, bis er im Mai 2021 nun mit einer Verurteilung des Leverkusener Multis endete. Das Gericht bezeichnete die Arznei als gefährlich und warf dem Pharma-Riesen vor, auf den Packungsbeilagen nicht ausreichend vor den Nebenwirkungen gewarnt zu haben. Im Rückblick sagte Trevisanato in einem Interview: „Mein Leben wurde zerstört: Als ich dieses Mittel für zwei Monate einnahm, landete ich für zwei Jahrzehnte in der Hölle.“ BAYER vor Gericht In Italien müssen sich BAYER, NOVARTIS und der Krankenhaus-Konzern SAN DONATO wegen Abrechnungsbetrugs zulasten der öffentlichen Gesundheitssysteme vor Gericht verantworten. Das Hospital hatte beim regionalen Gesundheitsdienst der Lombardei Arznei-Rechnungen der beiden Unternehmen eingereicht, die nicht den wahren Preisen entsprachen, da die Pharma-Riesen SAN DONATO unter der Hand Rabatte gewährten. Auf ähnliche Weise hatte der Leverkusener Multi in Tateinheit mit anderen Pillen-Produzenten, Krankenhäusern, ÄrztInnen und Apotheken Anfang der 2000er Jahre die US-amerikanischen staatlichen Gesundheitsprogramme Medicaid und Medicare geschröpft. Den Einrichtungen, die Bedürftigen Arzneien zur Verfügung stellen, entstand so Jahr für Jahr ein Schaden von rund einer Milliarde Dollar. Im Jahr 2000 zahlte der Global Player dafür 14 Millionen Dollar Strafe und 2003 sogar 250 Millionen Dollar. Ermittlungen wg. Bestechung Der BAYER-Konzern sieht sich in Griechenland mit dem Vorwurf der ÄrztInnen-Bestechung konfrontiert. Er soll von 2005 bis 2008 rund 800 MedizinerInnen mit Sachzuwendungen und Geld-Geschenken von bis zu 20.000 Euro veranlasst haben, Medikamente des Konzerns zu verschreiben. Im Jahr 2015 hat die Staatsanwaltschaft deshalb eine Anzeige erstattet. Über den aktuellen Stand der Ermittlungen liegen keine Informationen vor.

Betroffene sprechen

CBG Redaktion
Wir haben diejenigen zu Wort kommen lassen, die in BAYERs Bilanzen nicht auftauchen: Die Betroffenen der Konzernverbrechen. Im folgenden findet ihr ihre Statements.

Betroffene in Lateinamerika

Alan Tygel (Campanha Contra os Agrotóxicos e Pela Vida)

https://youtube.com/watch?v=T5VazbolY4w https://youtube.com/watch?v=JX2G0IP_Fso

Elsa

https://youtube.com/watch?v=LiHooGE8oEU

Adriana

https://youtube.com/watch?v=-WVz2hlQvjI

Annabelle Pomar

https://youtube.com/watch?v=TM-4IsoMi5s

Unbekannt

https://youtube.com/watch?v=WpjlkfyppgQ

Patricia

https://youtube.com/watch?v=mizZGq2M_48

Inis Franciskelli

https://youtube.com/watch?v=PxKxoL7XKrM

Unbekannt

https://youtube.com/watch?v=ThprXR9uMzE

Unbekannt

https://youtube.com/watch?v=gSRvnSdKCFY

Leo Moreno

https://youtube.com/watch?v=QdwH6lV93Xk

Adriana

https://youtube.com/watch?v=QM_b7EnFuOg

Betroffene von Agent Orange

Dr. Thi Ngoc Phuong Nguyen

https://youtube.com/watch?v=KKw9kbOn3lc

Barry Romo

https://youtube.com/watch?v=DbgXg0ZmlDg

Hong Nhut Dang

https://youtube.com/watch?v=iFQdfRDROQc

Frau Le

https://youtube.com/watch?v=w4adja2o8h4

Thi Hoang Tran

https://youtube.com/watch?v=TRNh6kLaWv8

Thi Phuong Nguyen

https://youtube.com/watch?v=otoh2l4nyQA

[Protest Programm] BAYER HV 2021

CBG Redaktion

Protest-Programm der CBG auf der HV 2021

Die Hauptversammlung 2021 von BAYER/MONSANTO findet rein online statt. Auch in diesem Jahr hat die Coordination ein internationales Programm mit Geschädigten und KritikerInnen der Konzernverbrechen BAYERs zusammen gestellt. Zu Wort kommen Glyphosat-Geschädigte aus Lateinamerika, Agent Orange-Geschädigte aus Vietnam und den USA, sowie Duogynon-Geschädigte aus Großbritannien und Deutschland.

+++Noch Fragen? Alle Infos auf+++

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0211/33 39 11

PROGRAMM CBG Live-Stream 27.April 9.30- 17.00 Uhr===

Live-Analysen zur HV um 9.30 Uhr, 12.30 Uhr, 16.00 Uhr

Wir gehen während des CBG Live-Streams dreimal live auf Sendung mit Meldungen und Analysen von der BAYER HV. In diesem Rahmen sind Presse-Anfragen möglich, die wir direkt live beantworten.

Presse-Anfragen per Telefon und Email im Vorfeld der HV:=== 0211 - 33 39 11 info@CBGnetwork.org

Presse-Anfragen per Telefon und Email am Tag selbst:

0211 - 22 95 09 11
info2@CBGnetwork.org

Live-Interviews im 9.30 Uhr Live-Block

09:37 | Interview mit Sven Giegold, MdEuP
09:45 | Live-Schaltung zur Kundgebung vor BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen
10:10 | Interview mit Charlotte Sammet, Fridays for Future Leverkusen
10:17 | Interview Tilman Massa, Dachverband der kritischen AktionärInnen und Aktionäre
Internationale Protest-Statements
10:25 | EU-Parlamentarierin und Fernsehköchin Sarah Wiener zu den Protesten zur BAYER HV 2021
10:30 | Agent Orange Geschädigte erzählen von ihrem Schicksal

Statements an Vorstand und AktionärInnen von BAYER

10:35 | Tú Qùynh-nhu Nguyễn (Collectif Vietname Dioxine), Wiebke Beushausen (Inkota), Susan Tabbach (Risiko Pille)
10:41 | Glyphosat-Geschädigte aus Lateinamerika schildern ihre Situation
11:20 | Bettina Müller, PowerShift e.V., Alan Tygel, Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida!, Peter Clausing, PAN, Andre Sommer, Netzwerk Duogynon, Grußwort March against BAYER and Syngenta Basel
11:50 | Dokumentation „Gift im Acker“

Live-Interviews im 12.30 Uhr Live-Block

12:30 | Presse-Informationen und Besprechung der Ereignisse auf der HV
12:37 | Interview mit Harald Ebner, MdB die Grünen
12:44 | Interview mit Gesine Lötzsch, MdB Die Linke
12:51 | Interview Jurek Vengels, Umweltinstitut München
12:58 | Interview Bettina Müller, PowerShift e.V.
13:05 | Interview Katja Becker, Regisseurin „The Food Challenge“
13:10 | Interview Kim Vo Dienh, Collectif Vietnam Dioxine
Internationale Protest-Statements
13:18 | Statement von Sarah Wiener zu den Protesten zur BAYER HV 2021
13:23 | Agent Orange Geschädigte erzählen von ihrem Schicksal

Statements an Vorstand und AktionärInnen von BAYER

13:28 | Tú Qùynh-nhu Nguyễn (Collectif Vietname Dioxine), Wiebke Beushausen (Inkota)
13:36 | Susan Tabbach (Risiko Pille)
14:14 | Glyphosat-Geschädigte aus Lateinamerika schildern ihre Situation
14:24 | Bettina Müller, Alan Tygel, Peter Clausing, Andre Sommer, Grußwort March against BAYER and Syngenta Basel

Dokumentation

15:35 | „The Food Challenge 1&2“

Kulturbeitrag

15:56 | Konstantin Wecker performt Lieder, zusammengestellt für den Protest gegen BAYER
15:56 | Statement Bernward Geier, IFOAM-Botschafter, aktivistischer Bio-Landwirt

Live-Interviews im 16.00 Uhr Live-Block

16:00 | Presse-Informationen und Besprechung der Ereignisse auf der HV
16:07 | Interview Alan Tygel, brasilianischer Anti-Pestizidaktivist
16:12 | Interview Günter Wulf
16:19 | Interview Klaus Schepker
16:26 | Interview Marie Lyon
16:33 | Interview Nina Holland
16:41 | Interview Alexandra Caterbow
16:50 | Abschluss-Statement zur BAYER HV - CBG Geschäftsführung und Vorstand

Protest-Präsenz in der Hauptversammlung selbst

Die Coordination reicht wie jedes Jahr Gegenanträge zu allen Tagesordnungspunkten der Hauptversammlung ein. Die im Programm beschriebenen Video-Statements an Vorstand und AktionärInnen wurden auch in der BAYER HV selber eingereicht.

Protest-Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen

27. April 9.30 -11.00 Uhr

Protest-Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen mit verschiedenen Aktionen, RednerInnen und Kulturbeiträgen.

BAYER und MONSANTO stoppen!

CBG Redaktion

Tod auf den Feldern. Gift im Essen.

BAYER / MONSANTO stoppen! Termine: 19. Mai, Düsseldorf March against MONSANTO, BAYER & BASF ab 11 Uhr; Graf-Adolf-Platz 24. Mai, Bonn Podiumsdiskussion: „Einstieg in den Ausstieg aus der Pestizid-Falle“ mit Vandana Shiva, Alan Tygel, Harald Ebner und Jan Pehrke 19.30 Uhr; Brückenforum, Friedrich-Breuer-Straße 17 25. Mai, Bonn „Stopp BAYER/Monsanto“-Kundgebung vor der BAYER-Hauptversammlung 8 Uhr; World Conference Center, Platz der Vereinten Nationen 2 Ablaufplan 8.00 Begrüßung 8.05 CBG-Rede Brigitte Hincha 8.10 Harald Ebner (Bündnis 90/Die Grünen) 8.15 Pappnasen-Konzert 8.30 Ansage Inkota-Aktion Sie wollen im Rahmen ihrer Kampagne „Fusionswelle brechen – kein weiteres BAYER-Monsanto“ eine Aktion mit einem drei Meter hohen Wellenbrecher und mit SuperheldInnen machen 8.40 Bernd Schmitz (AbL) 8.45 Christian Rollmann (Meine Landwirtschaft) Aktion mit einem freies Saatgut fressenden BAYER-Pacman 9.00 SDAJ 9.05 Honig-Connection 9.10 Klaus Ahrens (Imker) 9.15 Eva-Maria Reinwald (Eine-Welt-Netz) 9.20 Hanno von Raußendorf (umweltpolitischer Sprecher der NRW-Linken) 9.25 Navdanya/Slowfood 9.30 Ansage „Monsanto-Braut“ 9.45 Louise Luttikoholt (IFOAM) 9.50 Hubertus Zdebel (Bundestagsabgeordneter DIE LINKE) 9.55 Attac 10.00 Schlusswort CBG 10.05 Schlusswort Das Geschäftsmodell von BAYER und MONSANTO ist skrupellos: Mit Pestiziden und Gentechnik machen beide ihre Profite, sie schädigen die Gesundheit von LandwirtInnen und VerbraucherInnen, zerstören das Weltklima und die Artenvielfalt und gefährden die Ernährungs- und Lebensgrundlage der künftigen Generationen. BAYER möchte nun MONSANTO übernehmen und dieses lebensbedrohliche Geschäftsmodell so zugunsten gesteigerter Profite für die GroßaktionärInnen ausbauen. Widerstand ist daher dringend notwendig: Für eine solidarische Gesellschaft ohne Profitjagd auf Kosten von Mensch und Natur! Wir fordern: Stopp der Fusion von BAYER / MONSANTO! Stopp der Umweltzerstörung und Vergiftung durch Gentechnik und Pestizide! Bitte unterstützen Sie unsere Forderungen! PDF Bitte unterstützen Sie durch Ihre Spende, jeder Euro hilft. Spende über das online Spendenformular. Werde aktiv und nimm an unseren Bündnistreffen teil Nächstes Treffen: 16. Mai 2018 19.30 Uhr In der Alten Feuerwache Köln Karte Raum 4 / Im Steigeturm

Top-Aktuell:

Falsche EU-Entscheidung Pressemitteilung zur EU-Entscheidung den BaySanto-Deal zu genehmigen CBG beim Kölner Rosenmontagszug - „Mer klääve nit am Wachstumswaahn, mer danze us der Reih“ MONSANTO-Übernahme – Gesundheit spielt keine Rolle National Black Farmers Association (NBFA) gegen die Bayer-Monsanto Fusion Süddeutsche: So prüfen die Wettbewerbshüter in Brüssel die Übernahme von Monsanto Auf zur „Wir haben es satt!“-Demonstration in Berlin Junge Welt: Griff nach Marktmacht Neues Deutschland: Bayer-Kritiker hoffen auf Vernetzung Scharfe Kritik im Bundestag

Proteste und Aktionen: Aktiv werden jetzt!

Für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlage unserer Kinder und Enkel, gegen Massenentlassungen und für unsere eigene Gesundheit müssen wir aktiv werden und zwar jetzt. Möglichkeiten gibt es zahlreich. Wir wollen uns vernetzen und den Widerstand in die Konzernzentrale tragen. Die Aufrufe und Möglichkeiten zur aktiven Beteiligung finden Sie hier und auf unserer Kampagnen-Seite http://www.stopbaysanto.de: 5. April: Demonstration gegen die EU-Entscheidung dem BaySanto-Deal zuzustimmen Vernetzen und gemeinsam handeln! Jetzt! PDF Widerstand in die Konzernzentrale tragen! PDF Teilnehmen: Das MONSANTO-Tribunal in Den Haag PE: Kämpferisches Ende des Monsanto-Tribunals Vorbildlich Widerstand aufbauen: Aktion in Berlin Monsanto-Übernahme: Protest vor BAYER-Tor Fotostrecke Demonstration: March against Monsanto/Terra Viva Aufruf Demonstration : Stopp BAYER, TTIP und CETA Aufruf Demonstration : March against Monsanto/Terra Viva

Hintergründe der BAYER / MONSANTO Fusion:

PE: Die Übernahme: Ein schwarzer Tag für die Welternährung Interview A. Michelmann: Vergiftung wird voranschreiten Interview J. Pehrke: Innovationsstau im Agrobuisness German-Foreign-Policy: Westgeschäfte PE: BAYERs Argumente überzeugen nicht PE: Der BAYER und Monsanto-Deal Kurzinfos Pressekonferenz mit NABU, IFOMA, Vandana Shiva und Sarah Wiener: Ausführliches Statement der CBG Nicht nur Monsanto: Recherche: Gentech-Patente von BAYER Liberty Link/Glufosinat statt Glyphosat/RoundupReady: BAYER-Genreis Reportage der Arbeiterfotografie Wer noch einmal eine Eindrücke der Proteste gegen die BAYER-Jahreshauptversammlung sucht, der wird hier fündig. Bonn, 28.4.2017 (1) - Protest der Coordination gegen BAYER-Gefahren anläßlich der BAYER-Hauptversammlung Bonn, 28.4.2017 (2) - Protest der Coordination gegen BAYER-Gefahren anläßlich der BAYER-Hauptversammlung Bonn, 25.4.2017 - „Stop Bayer-Monsanto - Was verbindet unseren Widerstand?“ - Podiumsdiskussion in der Universität Flugblätter: BAYER-MONSANTO Fusion: Fusion stoppen! (2016) BAYER-MONSANTO Fusion: Hochzeit des Todes stoppen! (2016) Pressespiegel: Spannende Infos zu Monsanto, Glyphosat und der Fusion [gallery]

[Giftexportverbot] Presse-Information CBG vom 06.02.2020

CBG Redaktion

Urteil des höchsten französischen Gerichts

Frankreich verbietet giftige Exporte! Jetzt muss Deutschland handeln!

Am vergangenen Freitag hat das französische Verfassungsgericht die Rechtmäßigkeit eines Exportverbotes für solche Pestizide bestätigt, deren Gebrauch in der EU untersagt ist. Der Conceil constitutionnel wies damit die Klage von BAYER, SYNGENTA und anderen im Unternehmensverband UIPP organisierten Hersteller gegen das Agrikultur- und Nahrungsmittelgesetz (Egalim) ab. Die Konzerne hatten den Conseil angerufen, weil sie die verfassungsmäßig garantierte Freiheit des Unternehmertums durch den ab dem Jahr 2022 geltenden Ausfuhr-Bann eingeschränkt sahen. Das Verfassungsgericht wog diese jedoch gegen die ebenfalls verfassungsmäßig garantierten Rechte auf Gesundheitsschutz und eine intakte Umwelt ab und erklärte den entsprechenden Egalim-Passus daraufhin für rechtmäßig.

Während BAYER & Co. sofort verheerende Folgen für den Wirtschaftsstandort Frankreich heraufbeschworen und mit Abwanderung drohten, begrüßten Umweltrechtler*innen und Aktivist*innen das Urteil. Der Jurist Sébastien Mabile bezeichnete es sogar als „historisch“.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) kritisiert die Praxis der doppelten Standards bei der Vermarktung von Pestiziden schon seit Langem und hält den Richter*innen-Spruch für nur konsequent. „Es ist bei BAYER & Co. Standard, nach einem Verbot hierzulande die betroffenen Gifte in anderen Ländern weiter zu verkaufen, die noch nicht so weit sind. Das zeigt, dass den Konzernen das Leben und die Gesundheit von Menschen vollkommen egal sind. Das Einzige was zählt, sind die Profite. Jetzt muss Deutschland nachziehen! Auch hier muss den Giftmischern von BAYER & Co. klar verboten werden, ihre innerhalb der EU nicht mehr handelbaren Ackergifte nach Afrika, Asien, Nord- und Südamerika oder sonst wohin zu exportieren“, so CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann.

Allein in Brasilien bietet der Leverkusener Multi zwölf in der Europäischen Union wegen ihres Gefährdungspotenzials verbotene Stoffe an: Carbendazim, Cyclanilid, Ethiprole, Ethoxysulfuron, Fenamidone, Indaziflam, Ioxynil, Oxadiazon, Propineb, Thidiazuron, Thiodicarb und Thiram. Zur Rechtfertigung dieser Praxis erklärt der Global Player lapidar: „Auf der Welt herrschen unterschiedliche gesellschaftliche, wirtschaftliche oder auch klimatische Bedingungen. Daher unterscheiden sich mitunter auch die rechtlichen Rahmenbedingungen.“

Eigentlich müsste der Agro-Riese umgekehrt vorgehen und in den Staaten des Südens ungefährlichere statt gefährlichere Substanzen vertreiben. In diesen Absatz-Gebieten ist nämlich die Analphabet*innen-Rate hoch, weshalb viele die Warnhinweise auf den Agrochemie-Packungen nicht lesen können. Überdies verfügen zahllose Landwirt*innen nicht über eine geeignete Schutzkleidung. So aber überrascht es nicht weiter, dass sich die meisten Vergiftungen in den Entwicklungs- und Schwellenländern ereignen. Auf der BAYER-Hauptversammlung im April 2019 nannte Alan Tygel aus Rio de Janeiro von der PERMANENTEN KAMPAGNE GEGEN AGRARGIFTE UND FÜR DAS LEBEN die Zahlen für Brasilien: 2.185 Sterbefälle in der Zeit von 2007 bis 2017. „Für Euch Europäer ist Carbendazim verboten, und die anderen drei erwähnten Wirkstoffe haben Grenzwerte, die um den Faktor 1.200 niedriger liegen als in Brasilien. Sind unsere brasilianischen Körper etwa widerstandsfähiger gegen Agrargifte als die Körper der Europäerinnen und Europäer?“, fragte er Vorstand und Aktionär*innen.

Pressekontakt
Marius Stelzmann 0211/33 39 11

[Gegenredner*innen] BAYER in der Defensive

CBG Redaktion

35 Gegenredner*innen

Der Gegenredner*innen-Rekord von 2018 hatte nicht lange Bestand: Die diesjährige Hauptversammlung überbot ihn mit ihren 35 Konzern-Kritiker*innen spielend. Bis 23 Uhr mussten sich Vorstand und Aufsichtsrat anhören, mit welchen Risiken und Nebenwirkungen ihre gnadenlose Profit-Jagd einhergeht.

Von Jan Pehrke

Ganz so als reichte die geballte Konzernkritik in der Hauptversammlung selber nicht, gab es noch ein Vorspiel. Einige Aktivist*innen nutzten am frühen Morgen schon die Kundgebung auf dem Platz der Vereinten Nationen, um dem Leverkusener Multi die Leviten zu lesen. So schrieb Thomas Cierpka von der internationalen Bio-Landwirt*innen-Vereinigung IFOAM das agro-industrielle Modell, das der Global Player mit seiner Übernahme von MONSANTO noch forciert, in seiner Rede als nicht zukunftsfähig ab. „Wir werden die Nachhaltigkeitsziele nicht mit BAYSANTO erreichen“, konstatierte er.
Annemarie Volling von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL) widmete sich noch einmal dem viel zitierten Satz des Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann: „Mit vollen Hosen gewinnen Sie eben keinen 100-Meter-Lauf“ und listete mit dem MONSANTO-Desaster im Allgemeinen und den Gen-GAUs und den vielen Schadensersatz-Prozessen im Besonderen die Folgen seines Wagemutes auf. Für Volling zeigte dieser Haufen Probleme, den die AbL mitsamt einem ziemlich derangierten Baumann vor dem Bonner „World Conference Center“ auch visuell dargestellt hatte, dass das Gegenteil des von dem Ober-BAYER Behaupteten richtig ist: Wer auf seiner Jagd nach Profit kein Risiko scheut und über Sicherheitsbedenken leichtfertig hinweggeht, der hat am Ende die Hosen voll und gewinnt den Marathon-Lauf für eine gesunde Lebensmittel-Erzeugung auf keinen Fall.

Pestizid-Folgen
Mit Themen wie „MONSANTO“, „unerwünschte Arznei-Effekte“ und „Pestizid-Nebenwirkungen“ hatten Cierpka, Volling und die anderen Redner*innen frühmorgens schon einmal die Agenda für den Tag gesetzt. Welche fatalen Folgen die Ackergifte von BAYER & Co. vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern haben, erfuhren neben den Kundgebungsteilnehmer*innen auch die Aktionär*innen im Saal aus erster Hand. Der Brasilianer Alan Tygel von der PERMANENTEN KAMPAGNE GEGEN AGRARGIFTE UND FÜR DAS LEBEN berichtete darüber. In dem lateinamerikanischen Staat erhöhte sich ihm zufolge die Zahl der von Glyphosat & Co. verursachten Vergiftungen von 2.726 im Jahr 2007 auf 7.200 im Jahr 2017. Über 2.000 Sterbefälle regi-strierten die Behörden in diesem Zeitraum. Mit ein Grund für die immensen Todes-Raten: BAYER vertreibt in Brasilien zwölf Agro-Chemikalien, die in der EU wegen ihres Gefahrenpotenzials keine Zulassung (mehr) haben. Neben Tygel kritisierte auch Christian Russau vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE diese Politik der doppelten Standards. Ob das alles auch schon zu Klagen in Brasilien oder anderen Ländern des Kontinents und geführt hat, wollte dann die BUND-Aktivistin Daniela Wannemacher vom Vorstand wissen.
Christophe Mailliet von der AKTIONSGEMEINSCHAFT SOLIDARISCHE WELT (ASW) legte den Fokus auf Indien und führte der Hauptversammlung dabei neben den schädlichen Wirkungen von Glyphosat auf die menschliche Gesundheit auch die anderen negativen Begleiterscheinungen des Mittels vor Augen. Den Verlust der Artenvielfalt, die Auslaugung der Böden und die Resistenz-Bildungen zählte er dazu. Darüber hinaus halten die in Kombination mit diesem Ackergift vermarkteten Gen-Pflanzen Mailliet zufolge nicht das, was die BAYER-Manager*innen an Ertragszuwachs versprechen. „In Indien nehmen sich jedes Jahr über 10.000 Bauern das Leben, weil sie auch dadurch dramatisch überschuldet sind“, so der ASW-Aktivist. Darum setzt er sich zusammen mit indischen Partner-Organisation unter anderem für einen Verkaufsstopp von Glyphosat ein und überreichte dem Vorstand eine entsprechende Petition, die 4.500 Menschen unterzeichnet hatten.
Aber nicht nur Glyphosat hat es in sich. Die fatalen Effekte von LASSO (Wirkstoff: Monochlorbenzol) bekam der französische Landwirt Paul François am eigenen Leib zu spüren (siehe S. 22 f.) Peter Clausing vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) lenkte die Aufmerksamkeit auf zwei weitere gefährliche Pestizide: Thiacloprid (enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten ALANTO, BARIARD, CALYPSO) und Methiocarb (MESUROL). Thiacloprid zum Beispiel hat die Europäische Union als „wahrscheinlich fortpflanzungsschädigend“ eingestuft und unter Krebs-Verdacht gestellt. Darum fragte Clausing: „Wäre die Unternehmensleitung bereit, Thiacloprid in der Europäischen Union freiwillig vom Markt zu nehmen?“
Für Methiocarb – und andere Agro-Chemikalien der beiden höchsten Giftigkeitsklassen 1a und 1b – hatte BAYER gemeinsam der BASF und SYNGENTA im Jahr 2013 einen solchen Verkaufsstopp angekündigt. Nur als Saatgut-Beize und als Mittel gegen den Fransenflügler wollte der Leverkusener Multi das Mittel noch anbieten. Diese Zusage hat der Konzern jedoch nach Clausings Recherchen nicht eingehalten: Auf seiner Jordanien-Website preist der Global Player das Methiocarb-Produkt MESUROL 50 WP zur Bekämpfung von Zwerg-Zikaden, Blattläusen und anderen Insekten an.
Aber auch als Saatgut-Beize ist der Stoff alles andere als harmlos. So trägt er unter anderem zum Bienensterben bei. Den Beweis erbrachte der Imker Christoph Koch: „Im Pollen-Monitoring der ‚Landesanstalt für Bienenkunde’ der Universität Hohenheim wird immer noch das Mais-Beizmittel MESUROL festgestellt.“ Seine Kollegin Annette Seehaus-Arnold, die Vize-Präsidentin des „Deutschen Berufs- und Erwerbsimker-Bundes“, prangerte vor allem das Festhalten des Konzerns an den besonders bienengefährlichen Ackergiften aus der Gruppe der Neonikotinoide an und forderte den Vorstand zu einschneidenden Maßnahmen auf. „Die Firma BAYER wird nur eine Zukunft haben, wenn Sie, sehr geehrter Herr Baumann, endlich die Weichen für eine bienenfreundliche Landwirtschaft stellen“, prophezeite Seehaus-Arnold dem Unternehmenschef.
Noch zahlreiche weitere Imker*innen und Umweltschützer*innen ergriffen auf dem Aktionär*innen-Treffen zu diesem Thema das Wort, aber den Großen Vorsitzenden ließ das ungerührt. „Experten aus aller Welt gehen davon aus, dass die Gesundheit von Bienen von einer Reihe von Faktoren beeinflusst wird (...) Die Hypothese, dass Pflanzenschutzmittel bei ordnungsgemäßer Verwendung dazugehören, wird durch eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen und Monitorings weitgehend widerlegt“, beschied Baumann den Bienenzüchter*innen. Die Neonicotinoide sind für ihn genau so sicher wie MESUROL, LASSO, Glyphosat und all die anderen chemischen Keulen – „bei sachgemäßer Anwendung“, wie er immer wieder betonte. Und den Vorwurf, bei der Vermarktung des Sortiments „doppelte Standards“ anzulegen, versuchte er mit der Bemerkung zu entkräften, „dass wir nur Produkte anbieten, deren Wirkstoffe mindestens in einem OECD-Land registriert sind“. Lediglich in einer Sache gab der BAYER-Chef klein bei: Er konzedierte Peter Clausing, dass die pro-aktive Bewerbung von MESUROL 50 WP in Jordanien gegen Richtlinien verstoße. Und inzwischen landet die entsprechende Such-Anfrage auch im Nichts: „The requested document was not found.“

Arznei-Folgen
Nach den Folgen von Glyphosat & Co. für Mensch, Tier und Umwelt nahmen die Risiken und Nebenwirkungen der BAYER-Arzneien den größten Teil der Schadensbilanz ein, welche die Gegen-Redner*innen der Manager*innen-Riege an diesem Freitag präsentierten. Krank machten dabei vor allem die Pharmazeutika aus dem Bereich „Frauengesundheit“. Eines davon ist der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON. Das von der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING in England auch unter dem Namen PRIMODOS vermarktete Präparat hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Auch Marie Lyons Tochter Sarah zählte dazu. Darüber verlor ihre Mutter auf der Hauptversammlung jedoch kein Wort. Die Britin nahm die weite Reise nach Bonn auf sich, um Baumann & Co. mit einer Reihe von firmen-internen Dokumenten zu konfrontieren. Diese belegen eindeutig, dass SCHERING schon früh Kenntnis von der Gefährlichkeit des Produkts hatte. Aus diesem Grund kann BAYER nicht länger Unbedenklichkeitsbescheinigungen für das Mittel ausstellen und muss stattdessen Verantwortung für die Geschädigten übernehmen, lautete das Credo Lyons. Die Bundestagsabgeordnete Sylvia Gabelmann von der Partei „Die Linke“ teilte diese Einschätzung. „Werden Sie bereit sein, mit den Opfern und deren Angehörigen zu reden und ihnen die Aufklärung zu erleichtern? Und werden Sie sich mit der Bundesregierung zusammensetzen und ihre Bereitschaft erklären, sich finanziell an einer Entschädigungslösung zu beteiligen?“, fragte sie deshalb die Vorstände.
Der Kinderarzt Gottfried Arnold und die Apothekerin Beate Kirk widmeten sich ebenfalls dem Schwangerschaftstest. Der Mediziner thematisierte jedoch daneben auch noch die unerwünschten Arznei-Effekte des Hormon-Präparats CYREN A mit dem Wirkstoff Diethylstilbestrol und die Pharmazeutin die Nebenwirkungen der Hormon-Spiralen MIRENA, JAYDESS und KYLEENA. CYREN A kam lange bei Frauen mit einem erhöhten Fehlgeburten-Risiko zum Einsatz, bis Wissenschaftler*innen auf die fatalen Folgen aufmerksam machten. Bei den weiblichen Nachkommen trat häufig Scheiden-, Gebärmutterhals-, Eierstock- oder Brustkrebs auf und bei den männlichen Nachkommen verursachte das Mittel Fehlbildungen im Genitalbereich. Den Leverkusener Multi aber störte das damals nicht groß, berichtete Arnold, das Unternehmen beschränkte bloß das Anwendungsgebiet ein wenig und machte ansonsten weiter Kasse mit dem Medikament.
Auch MIRENA & Co. vermarktet der Konzern ohne Rücksicht auf Verluste, wie Beate Kirk in ihrem Beitrag kritisierte. So setzen sich Frauen, die mit einer Spirale verhüten, im Vergleich zu denjenigen, die orale Kontrazeptiva einnehmen, einem höheren Depressions- und Suizid-Risiko aus. Einen entsprechenden Warnhinweis musste der Pharma-Riese Kirk zufolge auf Veranlassung der Europäischen Arzneimittel-Behörde EMA erst jüngst auf dem Beipackzettel anbringen. Darum richtete die Pharmazeutin die Frage an den Unternehmensvorstand: „Welchen Nutzen haben die von BAYER vertriebenen Hormonspiralen, der die (...) demnach wohl zu erwartende höhere Anzahl von Todesfällen bei Frauen rechtfertigen könnte?“
Für eine „höhere Anzahl von Todesfällen“ sind auch die Verhütungsmittel des Leverkusener Multis aus der YASMIN-Familie verantwortlich. Und beinahe hätte Felicitas Rohrer dazugehört. Sie hatte das Verhütungsmittel YASMINELLE mit dem Wirkstoff Drospirenon – eine Pille der 4. Generation – eingenommen und im Juli 2009 eine beidseitige Lungen-Embolie mit akutem Atem- und Herzstillstand erlitten. Nur durch eine Notoperation gelang es den Ärzt*innen damals, ihr Leben zu retten. Deshalb prozessiert die 34-Jährige gegen den Konzern und konfrontiert seine Manager*innen auf den Hauptversammlungen regelmäßig mit der Schreckensbilanz dieser Kontrazeptiva, welche das „Bundesinstitut für Arzneien und Medizinprodukte“ (BfArM) führt. „Alleine in Deutschland wurden dem BfArM durch Pillen der 3. und 4. Generation 53 Todesfälle und 1.463 thrombo-embolische Vorfälle gemeldet. Wir schätzen die Dunkelziffer weitaus höher, da oft kein kausaler Zusammenhang vermutet wird“, führte Rohrer aus. Beim Vorstand erkundigte sie sich dann nach den weltweiten Zahlen und fragte an, wie viele Prozesse das Unternehmen in dieser Angelegenheit mittlerweile führen muss.
Christopher Stark, Autor des Buches „DIANE, SELINA, LARISSA – Hormonverhütung und die Risiken“ (siehe auch SWB 2/19), sprach ebenfalls zum Gefährdungspotenzial von YASMIN & Co. „Für die Opfer dieser gefährlichen Präparate dürften BAYER-PR-Aussagen wie ‚Patienten-Sicherheit steht für BAYER an erster Stelle’ wie blanker Hohn erscheinen“, hielt er fest. Besonders an der aggressiven und irreführenden Werbung, die von „niedriger dosierten“ Mitteln mit einer nur „lokalen Wirkung“ spricht und von „schöner Gesichtshaut“ durch die Produkte kündet, nahm der Student Anstoß. Und Langzeit-Verhütungsimplantate wie JADELLE exklusiv in Ländern der „Dritten Welt“ in Umlauf zu bringen, rechnete er schlicht „neo-kolonialistischen Aktivitäten“ zu, die auf eine Beschränkung des Bevölkerungszuwachses aus ist.
Den zweiten Schwerpunkt im Pharma-Komplex bildeten die Medikamenten-Versuche mit Heimkindern, die der Leverkusener Multi in den 1950er Jahren begann und bis in die 1970er Jahre hinein fortsetzte. Nicht nur die Betroffenen selber ergriffen dazu das Wort (siehe S. 22 f.). Dr. Klaus Schepker von der Universität Ulm hat sich wissenschaftlich mit den Tests beschäftigt und gab einige Einblicke in die Hintergründe. So hat der Global Player laut Schepker das Landeskrankenhaus Schleswig, in dessen jugendpsychiatrischer Abteilung Eckhard Kowalke und andere Heimkinder „einsaßen“, im Zuge der Markt-Einführung von Psychopharmaka als „Prüfstelle“ genutzt. Anschließend bot der Konzern dann Pharmazeutika wie MEGAPHEN und AOLEPT gezielt für „pädagogische“ Indikationen an und hielt auch gleich „Anstaltspackungen“ bereit. Der Forscher zitierte dazu BAYER-Werbung, welche den Mitteln Eigenschaften wie „emotional und affektiv ausgleichend“, „unterdrückt destruktive und asoziale Tendenzen“ und „fördert die Anpassungsfähigkeit an Familie und Gemeinschaft“ zuschrieb. Als „ethisch fragwürdig“ verurteilte der Universitätslehrer diese Praxis.
Ob es noch ein bisschen mehr war, ließ Sylvia Gabelmann am 14. Dezember 2018 erörtern. Die Politikerin hatte zu diesem Termin im Bundestag ein Fachgespräch zu den Medikamenten-Erprobungen initiiert. Einigkeit über die Strafwürdigkeit des Tuns von BAYER und anderen Pillen-Firmen konnten die Expert*innen damals nicht erzielen, so Gabelmann, gleichwohl habe der Leverkusener Multi in jedem Fall „eine moralische Verantwortung“. Deshalb stellte sie den Vorständler*innen die Frage: „Sind Sie bereit, sich bei den Opfern zu entschuldigen, die unter den Arzneimittel-Studien zu leiden hatten? Und sind Sie bereit, Entschädigungen zu zahlen?“

Das Risiko/Nutzen-Profil
Dazu war Werner Baumann nicht bereit. Auch dem Wunsch von Felicitas Rohrer: „Und bitte unterlassen Sie den ewig gleichen Hinweis auf das positive Risiko/Nutzen-Profil Ihrer Pillen“ entsprach er nicht, obwohl Sanjay Kumar in seiner Rede ebenfalls eine solche Forderung formuliert hatte. Nach Ansicht des Medienwissenschaftlers verbietet es sich, positive und negative Arznei-Effekte gegeneinander aufzurechnen, wenn im schlimmsten Fall Gefahr für Leib und Leben droht. Für Kumar ist der Tod mit nichts aufzuwiegen. „Sind Sie eigentlich im Bilde, dass für eine Risikobewertung Nutzen komplett irrelevant sind?“, fragte er deshalb.
Aber der BAYER-Chef zeigte sich davon unbeeindruckt und brachte wieder die alten Textbausteine in Anschlag: „Sowohl die Hormon-Spiralen als auch die kombinierten oralen Kontrazeptiva von BAYER besitzen bei bestimmungsgemäßen Gebrauch (...) ein positives Nutzen/Risiko-Profil.“ Und überhaupt würden die Pharmazeutika des Konzerns „vor der Zulassung eingehend geprüft“, konstatierte Baumann.
In der Causa „Dhünnaue“ gab er ebenfalls Entwarnung. Obwohl der nordrhein-westfälische Landesbetrieb Straßenbau BAYERs Giftgrab im Zuge eines Autobahn-Baus wieder öffnet und das Abpumpen des verunreinigten Sickerwassers bei Niedrigständen des Rheins wie im letzten Sommers nicht mehr reibungslos funktioniert, beschied der Vorstandsvorsitzende Lars-Ulla Krajewski: „Gefahren bestehen nicht.“ Und selbstverständlich bestehen diese auch bei den neuen Gentechnik-Verfahren nicht, bekam Daniela Wannemacher zu hören. Und dann waren da noch die Nebenwirkungen der juristischen Nebenwirkungen der Glyphosat-Nebenwirkungen auf die Belegschaftsangehörigen, die Klaus Hebert-Okon vom BELEGSCHAFTSTEAM, einer alternativen Betriebsratsgruppe, zur Sprache brachte. „Mit jedem Urteil wächst die Angst“, sagte der Gewerkschaftler und verlieh damit Befürchtungen Ausdruck, der Agro-Riese könnte noch mehr als die bereits angekündigten 12.000 Arbeitsplätze vernichten. Dies verneinte Baumann und war sich im Übrigen bei der Beurteilung der rechtlichen Glyphosat-Risiken keiner Schuld bewusst: BAYER hätte ein Anwaltsbüro aus den Top Ten der US-amerikanischen Großkanzleien im Frühjahr 2016 mit einer Prüfung der Sache betraut und Entwarnung signalisiert bekommen.
35 Konzern-Kritiker*innen und zu allem Übel auch noch zahlreiche andere Redner*innen von Investment-Gesellschaften oder Aktionär*innen-Vereinigungen, die es zumeist auch nicht gerade gut mit dem Konzern meinten – das überforderte die Nehmer-Qualitäten Werner Baumanns an diesem Tag sichtlich. Nur einem Aktionär konnte er an diesem Tag aus vollem Herzen zustimmen. Dieser sah die Hauptversammlung „instrumentalisiert von Leuten, die gar keine echten Aktionäre sind“ und meinte damit offenkundig die Aktivist*innen von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und anderen Organisationen. Diese Empörung konnte der Vorstandsvorsitzende „in gewisser Hinsicht sehr gut nachvollziehen“.

[Interview Alan Tygel]

CBG Redaktion

Interview mit dem brasilianischen Pestizid-Aktivisten Alan Tygel

Am 28. Oktober 2018 gewann in Brasilien mit Jair Bolsonaro ein Mann die Präsidentschaftswahl, der sich als Anhänger der alten Militärdiktatur zu erkennen gibt, zur Jagd auf „rote Verbrecher“ bläst und verkündet: „Das Privateigentum ist heilig“. Die DEUTSCHE BANK erklärte ihn zum „Wunschkandidaten der Märkte“. Und ganz besonders stark wünschte sich ihn die Agro-Branche. Der Leverkusener Multi, der von 1964 bis 1985 bestens mit den Generälen zusammenarbeitete, findet vor allem an der neuen Agrar-Ministerin Tereza Cristina Gefallen, hat diese sich doch den Ruf einer „Königin der Ackergifte“ erworben. Stichwort BAYER sprach mit dem Öko-Aktivisten Alan Tygel über den Machtwechsel. Tygel, der auf der diesjährigen Hauptversammlung des Konzerns sprach und den Vorstand in seiner Rede mit den von den BAYER-Pestiziden in seinem Land angerichteten Schäden für Mensch, Tier und Umwelt konfrontierte, gehört der PERMANENTEN KAMPAGNE GEGEN PESTIZIDE UND FÜR DAS LEBEN an.

Stichwort BAYER: Neben den religiösen Gruppen der Evangelikalen zählt die Agrar-Lobby zu den größten Unterstützern des neuen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.

Alan Tygel: ... und dazu kommen noch die Militärs. Das ist wichtig, um die Entwicklung der letzten Jahre in Brasilien zu verstehen. Die drei Gruppen bilden zusammen die sogenannte BBB-Fraktion, „Bala“ für „Kugel“, „Boi“ für „Rind“ und „Bíbla“ für „Bibel“. Extrem konservative Projekte bilden dabei die Klammer. BBB fordert eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters auf 16 Jahre und einen leichteren Zugang zu Schusswaffen. Zudem spricht der Block sich gegen die Abtreibung aus und macht gegen den Kampf der Landlosen-Bewegung für eigenen Grund und Boden mobil. Er hat seinen Einfluss in letzter Zeit stark ausbauen können; schon unter Lula setzte das ein. Beim Putsch gegen Dilma Rousseff beispielsweise hat BBB schon eine große Rolle gespielt. Dabei profitierte der Bund von dem brasilianischen Parteien-System. Hier gibt es 30 Parteien. Bei der Mehrheit von ihnen handelt es sich um „Miet-Parteien“: Sie haben keine Ideologie und lassen sich in Bündnis-Fragen ganz von ihren jeweiligen Interessen leiten. BBB dagegen ist überparteilich – und ideologisch – und hat eine starke Mehrheit, wenn sie es schafft, genug Miet-Parteien hinter sich zu bringen. Und genau das ist im Fall „Dilma Rousseff“ geschehen.

SWB: Wie kam es zum Schulterschluss mit Bolsonaro?

A. T.: Bolsonaro ist der Chef von Bala. Im Vergleich zu Boi und Bíbla ist Bala klein. Bis zur 2. Runde der Präsidentschaftswahlen handelte es sich bei BBB um ein mehr oder weniger lockeres informelles Bündnis. So agierten Bala und Boi/Bíbla beim ersten Wahlgang noch getrennt. Kátia Abreu, die während der Amtsperiode Lulas als Chefin der Agro-Lobby firmierte, war stellvertretende Vorsitzende der PDT (Mitte-links-Partei, Anm. SWB), und Ana Amélia, eine andere wichtige „Ruralista“, Vize der PSDB (wirtschaftsliberal, Anm. SWB). Erst bei der Stichwahl, als Bolsonaro gegen Fernando Haddad von der Arbeiterpartei antrat, schlugen die Evangelikalen und die Rualistas sich auf die Seite Bolsonaros.

SWB: Was erwartet die Agro-Lobby von Bolsonaro?

A. T.: Konkret erwarten die Rualistas von Bolsonaro: 1. Kein Zentimeter Land für die Quilombolas (Nachfahren geflohener Sklaven afrikanischer Herkunft, Anm. SWB) und die indigenen Gemeinschaften. 2. Laxere Umwelt-Auflagen für die großen Plantagen z. B. dem Schutz des Wassers und der Regenwälder betreffend. 3. Die Bekämpfung der Landlosen-Organisation MST und anderer sozialer Bewegungen. 4. Ein neues, schnellere Zulassungen ermöglichendes Pestizid-Gesetz und schließlich 5. Schwächere Arbeitsschutz-Gesetze und eine weniger umfassende Definition von moderner Sklavenarbeit.

SWB: Der brasilianische Agro-Verband ABAG, dem auch BAYER angehört, hat die Ernennung von Tereza Cristina zur neuen Agrar-Ministerin sehr begrüßt. „Sie kennt das Agro-Business und hat gute Beziehungen zu den Unternehmen“, sagte der ABAG-Präsident Luiz Carlos Corrêa Carvalho. Er äußert sich auch lobend darüber, dass die Politikerin oft an den ABAG-Meetings teilnahm. Was ist sonst noch über die Frau zu sagen, die sich den Ruf einer „Königin der Ackergifte“erarbeitet hat?

A. T.: Der Agrar-Minister war immer, auch bei Lula, jemand aus der Agrar-Lobby. Der Unterschied ist: Tereza Cristina hat total enge Beziehungen zu den Pestizid-Herstellern. Der amtierende Minister, Blairo Maggi, ist der mächtigste Soja-Baron der Welt und hatte sich gegen die Übernahme von MONSANTO durch BAYER ausgesprochen. Er verteidigte damit die Interessen der brasilianischen Produzenten, denn er weiß, dass diese Transaktion wie auch die anderen Mega-Deals in dem Sektor schlecht für deren Geschäfte sind. Tereza Cristina hat hingegen 200.000 brasilianische Real (rund 45.000 Euro, Anm. SWB) als Wahlkampf-Spende von Osmar Martignano Junior bekommen, der Teilhaber von Elo Agrícola – einem Geschäftspartner der BASF – ist. Auch war Tereza Cristina Präsidentin der Kommission, die das neue brasilianische Pestizid-Gesetz geschrieben hat. Wenn dieses durchkommt, können künftig selbst krebserregende Ackergifte eine Zulassung erhalten. Zudem will das Gesetz dem Gesundheitsministerium die Möglichkeit nehmen, eine Agro-Chemikalie wegen ihrer gesundheitsschädlichen Wirkung zu verbieten.

SWB: Bolsonaro wollte das Umweltministerium auflösen und mit dem Agrar-Ministerium zusammenlegen. Ausgerechnet die ABAG hat sich dagegen ausgesprochen. Wie kam es dazu?

A. T.: Bolsonaro agiert ähnlich wie Trump. Er verbreitet Unsinn auf Twitter und sorgt so erst einmal für eine länger andauernde Empörung. Zur gleichen Zeit erhalten Themen, die weit schlimmere Auswirkungen haben, wenig Aufmerksamkeit. Dann, wenn er merkt, dass er Unsinn geschrieben hat, rudert er wieder zurück. Bei dem Zusammenlegungsplan ist es so gelaufen.

SWB: Am Schluss hat wohl die Agro-Lobby selbst Bolsonaro dazu gedrängt, den Plan aufzugeben. „Die Unternehmen fürchten, eine offene Abkehr vom Umweltschutz könne brasilianischem Soja, Fleisch und anderen Rohstoffen den Zugang zu ausländischen Märkten verwehren“, schrieb die Faz.

A. T.: Apropos: Heute wurde gerade der neue Umweltminister vorgestellt: Ricardo Salles. Salles ist Gründer einer rechten Gruppe namens „Endireita Brasil“. Er bekennt sich zur alten Militärdiktatur und zur Todesstrafe. Und Tereza Cristina segnete seine Nominierung ab.

SWB: Hat die Agrar-Lobby mehr von ihren Leuten ins Parlament bekommen als bei der letzten Wahl? Wie stark ist diese Fraktion?

A. T.: Nur 50 Prozent der Ruralistas wurden wiedergewählt. Einige ihrer wichtigsten Protagonisten wie etwa Nilson Leitão und Valdir Colatto sind nicht mehr dabei. Das könnte eine gute Nachricht sein, aber unglücklicherweise ist sie das nicht. Die Zusammensetzung des Parlamentes hat sich durch die letzte Wahl stark verändert, vor allem durch die Facebook und Whatsapp nutzende „Fake News“-Strategie. Viele unbekannte Kandidaten, die sich mit Bolsonaro verbunden haben, wurden gewählt. Und das heißt, dass sie sich den Rualistas annähern werden. Auf der anderen Seite ist die Arbeiter-Partei PT noch die stärkste Kraft im Parlament. Alle ihre Mitglieder, die sich gegen das neue Pestizid-Gesetz ausgesprochen hatten, wurden wiedergewählt.

SWB: Bolsonaro hat allen NGOs den Kampf angesagt. Fühlt auch ihr von der PERMANENTEN KAMPAGNE euch bedroht?

A. T.: Auf jeden Fall. Nicht nur durch Bolsonaro, sondern auch durch Tereza Cristina. 2018 haben wir in Sachen „Pestizid-Gesetz“ direkt mit ihr gekämpft. Aber unter den sozialen Bewegungen ist es ganz klar, dass wir die Köpfe nicht hängen lassen. Die Kämpfe werden jetzt schwieriger werden, aber unsere Arbeit ist jetzt nötiger denn je. Und wir haben eine große Unterstützung in der Gesellschaft.

SWB: Im Jahr 1998 hatten 450 Familien das Areal einer pleitegegangenen Zuckerrohr-Plantage besetzt und dort ökologischen Landbau betrieben. Im Moment wird versucht, dieses Projekt namens „Quilombo Campo Grande“ plattzumachen. Ist das schon eine Folge der Wahl von Jair Bolsonaro oder geht das noch auf das Konto der Vorgänger-Regierung unter Michel Temer?

A. T.: Man muss das Bolsonaro-Projekt größtenteils als eine Fortsetzung des Temer-Projektes verstehen. Aber viel stärker, viel konservativer, rechtsextremistisch, und ab dem 1. Januar zudem mit einer viel größeren Unterstützung durch das Parlament. Aber es ist trotzdem noch eine Fortsetzung. Und wir können sagen, dass das, was heute mit dem „Quilombo Campo Grande“ passiert, sowohl ein Ergebnis von Temers Politik als auch der Wahl Bolsonaros ist, denn Temer erfuhr Rückendeckung durch das faschistische Klima nach dem 28. Oktober. Gerade gestern wurden zwei Mitglieder der Landlosen-Bewegung MST in Paraíba ermordet. Wir haben keinen Zweifel daran, dass die rechtsextreme Atmosphäre sehr zu solchen Taten beiträgt.

SWB: Eure Gruppe hat sich für die Rettung des Projektes stark gemacht und unter anderem dazu aufgefordert, Briefe an den brasilianischen Justizminister zu schreiben, um das Vorgehen der Justiz gegen das Projekt zu stoppen. Wie ist da im Moment der Stand?

A. T.: Es gab viel Solidarität. Wir haben circa 500 Briefe aus der ganzen Welt – auch aus Deutschland bekommen (unter anderem von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, Anm. SWB) – und alle in das Verfahren eingebracht. Die Berufung wurde in der letzten Woche akzeptiert, und im Moment gibt es kein Räumungsrisiko. Aber das definitive Urteil ist noch nicht ergangen und daher ist also alles noch unsicher.

SWB: Wie können die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere deutsche Organisationen euch in dieser Lage am besten unterstützen?

A. T.: Unserer Meinung nach werden die sozialen Bewegungen in Brasilien künftig viel internationale Solidarität brauchen. Ende der 2000er Jahre haben unsere internationalen Partner die Lage in Brasilien als gut eingeschätzt. Aus diesem Grund kamen sie überein, dass keine Hilfe mehr nötig sei. Sie hatten recht damals, aber jetzt ist die rechtsextremistische Welle, die Europa schon längere Zeit überschwemmt, auch in Brasilien angekommen. Wir müssen die Taten der Regierung deshalb in der ganzen Welt verbreiten, damit der Druck auch vom Ausland her kommt. Wir werden über eine längere Zeit hinweg ganz viel Arbeit damit haben, die Herzen der Menschen wiederzugewinnen. Wir haben bei der Wahl eine ideologische Niederlage erlitten. Unsere Werte – Solidarität, Kooperation, Vielfalt – wurden besiegt. Und wir brauchen nun Unterstützung, um diesen Werten in der Gesellschaft wieder Anerkennung zu verschaffen.

Das SWB führte dieses Interview mit Alan Tygel per E-Mail.

[Ansteckende Proteste] Hauptversammlung der BAYER-KritikerInnen

CBG Redaktion

Die Kritik an BAYERs MONSANTO-Deal scheint jetzt auch institutionelle Anleger infiziert zu haben: Beim Aktionär-Innen-Treffen am 25. Mai präsentierten nicht nur die Kritischen AktionärInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Schadensbilanz einer rücksichtslosen Profitjagd, erstmals setzten auch zahlreiche VertreterInnen von Investment-Fonds die von der MONSANTO-Akquisition, Glyphosat und bienengefährlichen Pestiziden ausgehenden Gefahren auf die Tagesordnung. Die damit verbundenen „Reputationsrisiken“ drohen ihrer Ansicht nach nämlich ökonomische Konsequenzen zu haben.

Von Jan Pehrke

„Für den Vorstand ging es gestern rund: ‚BAYERs neuer Partner ist der Tod’“, mit diesen Worten leitete die überregionale Gazette Rheinische Post aus Düsseldorf ihren Artikel zum diesjährigen Aktionär-Innen-Treff des Leverkusener Multis ein. Anschließend beschrieb die Zeitung ihren LeserInnen, was sich vor dem Bonner „World Conference Center“ (WCCB) abspielte: „Die Aktivisten waren als Paare verkleidet – BAYER als Braut in weiß, MONSANTO als schwarzer, todbringender Bräutigam“, hielt die Journalistin fest.
Das war aber noch längst nicht alles: Das entwicklungspolitische Netzwerk INKOTA machte Action-Theater und ließ SuperheldInnen die gegenwärtig den Agro-Markt überschwemmende Fusionswelle brechen. MEINE LANDWIRTSCHAFT stellte BAYSANTO als gefräßigen Pacman dar, der sich freies Saatgut einverleibt. LandwirtInnen fuhren ihre Trecker mit Bannern wie „Ährensache ohne BAYER“ auf. Und falls Menschen doch noch Illusionen über BAYERs weiße Weste hatten, so belehrten sie die ProtestlerInnen schnell eines Besseren: Medikamenten-Geschädigte konfrontierten die AktionärInnen mit den Risiken und Nebenwirkungen der Pillen des Pharma-Riesen. ImkerInnen setzten mit ihren Rauchgeräten ein deutliches Zeichen gegen die bienengefährlichen BAYER-Pestizide – die letzte Biene trug passend dazu die HonigConnection zu Grabe. Und Transparente zu Themen wie „Dhünnaue“, „Kinderarbeit“ oder „Kartell-Betrüger“ taten ein Übriges. Als heiße Luft erwiesen sich hingegen die blauen Ballons, die mit ihrer „Hier-sind-die Fakten.de“-Aufschrift auf BAYERs Propaganda-Seiten zu Gentech & Co. aufmerksam machen wollten.
Auf der Bühne vor dem HV-Versammlungsgebäude gab es zudem reichlich kritische Redebeiträge. Durch die „Pappnasen Rot-Schwarz“ kam sogar alternative Karnevalsstimmung auf. „D’r Kappetalismus/Dä hätt ene Voll-Schuss/ Einer fängk zu wachse aan/bis jeder mitmuss“, intonierten die Kölner JeckInnen und schmetterten „Wachstumswaahn“ zur Melodie des italienischen Gassenhauers „Ti amo“.

29 Kritische sprachen

Genauere Zahlen zu BAYERs Wachstumswahn präsentierte Jan Pehrke vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) dann im Saal. „Im Falle der Genehmigung der Übernahme käme der Konzern bei den Gen-Pflanzen auf einen Marktanteil von rund 90 Prozent, beim konventionellen Saatgut auf einen von 30 Prozent und bei den Pestiziden auf einen von über 20 Prozent“, rechnete er vor und schilderte die Konsequenzen dieser dominierenden Stellung. „Die LandwirtInnen müssen mit höheren Preisen und weniger Auswahl rechnen und in der Folge auch die VerbraucherInnen. Die Beschäftigten sehen sich von Arbeitsplatz-Vernichtung bedroht. Die Standort-Städte schließlich kostet die Transaktion Einnahmen, denn BAYER kann seine Zukäufe steuermindernd geltend machen“, konstatierte der Journalist.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner, Obmann seiner Fraktion im „Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft“, warnte ebenfalls vor den Folgen einer weiteren Agro-Industrialisierung an-gesichts der jetzt schon immensen Schadensbilanz dieser Art von Bodenbewirtschaftung.
Darüber hinaus beschäftigten sich René Lehnherr vom MONSANTO-Tribunal, Thomas Cierpka von der internationalen Bio-LandwirtInnen-Vereinigung IFOAM und zahlreiche weitere RednerInnen mit dem Mega-Deal.

Von Pestiziden ...

Abermals großen Raum nahm in Bonn das Thema „Bienensterben“ ein. Der Imker Christoph Koch feierte sein 10-jähriges Hauptversammlungsjubiläum und hatte „endlich eine Sicht“. Gewährt hatte ihm diese die Entscheidung der EU, die bienengefährlichen BAYER-Mittel PONCHO, GAUCHO sowie die SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam aus dem Verkehr zu ziehen.
Aber Entwarnung bedeutet das Votum Brüssels für ihn ebenso wenig wie für alle anderen BienenzüchterInnen, die nach ihm sprachen. Das Verbot betrifft nämlich nur drei Ackergifte aus der Gruppe der Neonicotinoide. Noch dazu hat der Leverkusener Multi bereits ein alternatives Produkt im Köcher, das sich als alter Wein in neuen Schläuchen zu entpuppen droht. Und dass die nicht zu den Neonicotinoiden gehörenden Pestizide für Bienen auch nicht ohne sind, kommt noch erschwerend hinzu.
Welche Folgen die Agro-Chemikalien für die Menschen haben, führte der Brasilianer Alan Tygel von der PERMANENT CAMPAIGN AGAINST PESTICIDES AND FOR LIFE den AktionärInnen vor Augen. Diese hatten vorher von BAYER-Chef Werner Baumann schon viel von dem südamerikanischen Land gehört – allerdings nur in seiner Eigenschaft als Absatzmarkt, der seit einiger Zeit für BAYER nicht mehr die gewohnten Profite abwirft. „Sie machen sich Sorgen über Brasilien“, hob Tygel deshalb an, aber „keine Sorgen über die Opfer“. Diesen Opfern des „Gewinns um jeden Preis“ widmete er sich deshalb ausführlich. Er berichtete von zahlreichen Pestizid-Vergiftungen und Selbstmorden von LandwirtInnen. Zudem griff er die doppelten Standards an, denen sich der Global Player bei der Vermarktung seiner „Pflanzenschutzmittel“ befleißigt: Zehn in Brasilien erhältliche BAYER-Pestizide darf das Unternehmen in der EU wegen ihrer Gefährlichkeit gar nicht mehr vertreiben.

... und bitteren Pillen

Auch die Liste der gemeingefährlichen Medikamente des Konzerns wurde auf der Hauptversammlung länger. Georg Wehr fügte ihr den Eintrag „Gadolinium“ hinzu. Abkömmlinge dieses Schwermetalls sorgen als Inhaltsstoffe von BAYERs Röntgen-Kontrastmitteln GADOVIST, PRIMOVIST und MAGNEVIST für massive Gesundheitsschäden, wie der Krankenpfleger aus eigener Erfahrung berichten konnte.
Damit nicht genug, setzten die Kritischen AktionärInnen noch zahlreiche weitere Themen auf die Agenda der HV: den Schwangerschaftstest DUOGYNON, die Hormon-Spirale MIRENA, Glyphosat, die Digitalisierung der Landwirtschaft, das Ökolandbau-Paradies Indien, den Manipulationsversuch einer Studie zum Bienensterben, die NS-Vergangenheit BAYERs, die Öffnung von BAYERs Giftmüll-Deponie Dhünnaue sowie die neuen gentechnischen Methoden.
Auf all die vielen Fragen antwortete der Große Vorsitzende von BAYER nach Schema F. Er nutzte wieder die seit Jahren bekannten Textbausteine: „Die Zahl der Bienenvölker hat nicht abgenommen“, „Wir sind nach wie vor von der Umweltsicherheit unserer Mittel überzeugt“, „Es besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Schwangerschaftstest und embryonaler Missbildung“, „Die Sicherheit der Produkte hat höchste Priorität“ usw. usf. In der Summe wurde aber immer wieder klar: Für BAYER zählt einzig der Profit, dafür geht der Konzern über Leichen. Über die von Bienen ebenso wie über die von Menschen.
Auch dieses Mal dominierten die Kritiker-Innen wieder die Hauptversammlung. 29 Gegen-RednerInnen (in früheren Veröffentlichungen hatte die CBG 28 gemeldet, Anm. SWB) aus dem Umfeld der CBG traten an diesem Tag ans Mikrofon – so viel wie noch nie. Und der Leverkusener Multi überließ ihnen das Feld.
Vor den Türen des WCCB wies nichts auf das AktionärInnen-Treffen hin, und auch im Saal selber entschied sich der Konzern für ein defensives Design, damit sein Name auf Bildern ja nicht in der „schlechten Gesellschaft“ der AktivistInnen auftaucht. Nur ganz verstohlen zeigte sich das – doch gerade erst runderneuerte – BAYER-Logo am rechten Rand der Bühnen-Dekoration, vor der die Riege der Vorstände und Aufsichtsräte des Unternehmens – mit gehörigem Sicherheitsabstand zu den BesucherInnen – thronte.

Reputationsrisiken

Zu allem Überfluss ließen es auch zahlreiche „normale“ AktionärInnen an harten Worten nicht fehlen. Vor allem aber überraschte das Ausmaß, das Glyphosat, die Neonicotinoide, die Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht in BAYERs Pharma-Produktion und nicht zuletzt MONSANTO in den Reden der VertreterInnen von Geldhäusern und Investment-Gesellschaften einnahmen. „Für sie ist Nachhaltigkeit längst ein Thema“, so die Rheinische Post unter der Schlagzeile „Aktionäre rechnen mit BAYER ab“ in ihrer Berichterstattung über die HV. Die Wirtschaftswoche hatte das schon geahnt. Mit Blick auf das Bienensterben konstatierte das Blatt: „Wenn es hier nicht gelingt, aus der Defensive zu kommen, dürfte der Konzern dauerhaft im Feuer der Umweltverbände bleiben“ und warnte: „Selbst Großaktionäre fragen sich inzwischen inzwischen, ob es die Millionen wert sind, den dauerhaften Image-Verlust zu riskieren.“
Entsprechend forsch traten einige von ihnen dann in Bonn auf. Sie forderten den Vorstand und den Aufsichtsrat auf, am „Reputationsmanagement“ zu arbeiten und dieses als Teil des Risiko-Managements zu betrachten. „Das Geschäft und der zweifelhafte Ruf von MONSANTO schrecken Verbraucher und Investoren ab“, bemerkte etwa Ingo Speich von UNION INVESTMENT. Aber das war für ihn nicht die einzige Baustelle BAYERs. In Sachen „Bienensterben“ verlangte er vom Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann ganz konkret, die Klage gegen das Teilverbot der Mittel nicht weiterzubetreiben und stattdessen „von weiteren rechtlichen Schritten abzusehen“. Und bei den Buchprüfungen im Rahmen von Übernahmen wie der von MONSANTO sollten die ManagerInnen seiner Meinung nach künftig nicht nur auf eine gute Zahlen-Bilanz, sondern auch auf eine gute Menschenrechte-Bilanz des Kauf-Kandidaten achten. „Angesichts der massiven Kritik wirkten die eingespielten Image-Filme über geheilte Krebs-Patienten und glückliche Bauern hilflos“, resümierte die Düsseldorfer Tageszeitung Rheinische Post.

Gute CBG-Bilanz

Vor dem Hintergrund, dass wenige Investment-Gesellschaften der Ultra-Reichen wie etwa BERKSHIRE HATHAWAY von Warren Buffet, BLACKROCK und CAPITAL INVESTMENT satte Mehrheiten für Profite – koste es, was es wolle! – sichern, kamen die BAYER-KritikerInnen bei den Abstimmungen auf erhebliche Stimmenzahlen: Bis zu 14 Millionen Aktien, immerhin Kapital im Börsenwert von 1,4 Milliarden Euro, stimmten mit den Kritischen AktionärInnen der Coordination gegen die Vorschläge von Vorstand und Aufsichtsrat und kreuzten auf den Stimmblöcken jeweils „NEIN“ an. Und obwohl sich der Vorstandsvorsitzende in der Aussprache noch energisch gegen den Vorschlag, die Dividenden zu kürzen und das Geld zu besseren Zwecken zu verwenden, verwahrte (O-Ton Baumann: „Die Aktionäre nicht adäquat am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen, würde das Vertrauen in unser Unternehmen und auch die Investitionen in unsere Aktien missachten“), stimmten noch immer 416.000 Aktien mit den KritikerInnen.
Am 25. Mai fanden die weltweiten Proteste gegen die menschen- und umweltfeindlichen Machenschaften des BAYER-Konzerns, wie sie sich eine knappe Woche vor der Hauptversammlung etwa in den „Marches against MONSANTO and BAYER“ Ausdruck verschafften, ihren krönenden Abschluss. Dahinter stand die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN im Bündnis mit vielen anderen, darunter COLABORA und IFOAM, aber auch ATTAC, HonigConnection, der Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, die SDAJ, die Pappnasen Rotschwarz und das kollektiv tonali. Gemeinsam geht die Arbeit weiter: Die Macht der BAYER-Profite muss gebrochen werden, soll es Frieden, Gesundheits- und Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit geben. ⎜

Abstimmungsergebnisse

Von anwesenden 524,1 Mio. Aktien (pro Aktie eine Stimme) stimmten bei den einzelnen Tagesordnungspunkten mit „Nein“:

Gewinnverwendung
Nein-Stimmen 416.288 = 0,1 %
Entlastung Vorstand
Nein-Stimmen 14.351.684 = 2,8 %
Entlastung Aufsichtsrat
Nein-Stimmen 10.406.398 = 2,0 %
Wahlen zum Aufsichtsrat
Nein-Stimmen 6.736.860 = 1,3 %

Die Abstimmungen auf den AktionärInnen-Hauptversammlungen der Konzerne werden bestimmt von wenigen GroßaktionärInnen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.). Sie sorgen für sichere Mehrheiten von 90 % plus.
Die vielen hunderttausend KleinaktionärInnen hingegen besitzen zusammen lediglich fünf bis zehn Prozent aller Aktien. Entsprechend beachtlich sind die Abstimmungsergebnisse für die Kritischen AktionärInnen der CBG im Rahmen der BAYER-HV 2018. Bis zu 5 % stimmten mit „Nein“ bzw. enthielten sich der Stimme. Wobei der BAYER-Konzern die Enthaltungen bzw. die nicht an den Abstimmungen teilnehmenden Aktien nicht ausdrücklich ausweist.
BAYER hat ca. 360.000 Aktionär-Innen. Die Coordination wird von mehreren Hundert KleinaktionärInnen unterstützt und brachte zur HV 2018 etwa 25.000 Aktien mit.
Damit wird sofort deutlich, dass auf der HV viele andere AktionärInnen mit der CBG gestimmt haben müssen, um die oben dokumentierten Abstimmungsergebnisse zu erzielen.

Schamlose Profite

Eine BAYER-Aktie repräsentiert einen Anteil am Gesamtkapital des Konzerns in Höhe von 2,56 Euro.
Auf jede Aktie wurde eine Dividende von 2,80 Euro ausgeschüttet. Das entspricht einer Kapital-Rendite von sage und schreibe 109,4 Prozent. Ein wahrlich schamloser Profit!
Um diese Schamlosigkeit in der Öffentlichkeit zu verschleiern, wird die Dividende gerne auf den jeweils aktuellen Kurswert der BAYER-Aktie berechnet. Aktuell ist die Aktie mit ca. 113 Euro an der Börse notiert. Damit fällt die Dividende – HokusPokus - auf lediglich 2,4 Prozent.
Achtung: Die Kapital-Rendite darf nicht mit der Dividenden-Rendite verwechselt werden. Während die Kapital-Rendite die Dividende zum Kapitalwert der Aktie (als Anteil am Gesamtkapital) ins Verhältnis setzt, bezieht die Dividenden-Rendite die Dividende auf den Kurswert der Aktie (der entsprechend Angebot und Nachfrage an der Börse schwankt).

[29 Einsprüche] Neuer GegenrednerInnen-Rekord

CBG Redaktion

So viele GegenrednerInnen wie bei der diesjährigen BAYER-Hauptversammlung konnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN noch nie aufbieten: 29 Konzern-KritikerInnen traten im Bonner World Conference Center ans Mikrofon und konfrontierten Vorstand und Aufsichtsrat mit den Risiken und Nebenwirkungen ihrer rücksichtslosen Profit-Jagd.

Von Jan Pehrke

Den größten Posten in der Schadensbilanz, welche die 29 KritikerInnen dem Konzern am 25. Mai präsentierten, gingen auf das Konto von seiner Agro-Sparte. Die „weißen Männer“, die sich anmaßen, „die Verantwortung für die Ernährung der Welt zu haben“, wie der brasilianische Künstler und Filmemacher Walter Solon es in seiner Gegenrede ausdrückte, mussten sich so einiges anhören. „Insektensterben, Nitrat im Grundwasser, Monokultur statt Vielfalt – all das macht eindringlich klar: Wir brauchen eine Agrarwende“, hielt der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner fest. Aber der Leverkusener Multi geht mit der Übernahme von MONSANTO genau den entgegengesetzten Weg, kritisierte der Politiker: „Statt für neue Lösungen für eine bessere Landwirtschaft steht BAYSANTO für noch mehr von den altbekannten Übeln wie Pestizide, Gentechnik und Klagen gegen Umweltgesetze.“

Tatort Brasilien

Die Länder der „Dritten Welt“ leiden in besonderer Weise unter den Risiken und Nebenwirkungen des agro-industriellen Modells von BAYER & Co. Alan Tygel reiste extra aus Brasilien an, um den AktionärInnen dies vor Augen zu führen. Jahr für Jahr weisen die Statistiken des Staates 6.000 Pestizid-Vergiftungen aus, wobei es nach Ansicht des Aktivisten von der PERMANENTEN KAMPAGNE GEGEN AGRARGIFTE UND FÜR DAS LEBEN eine hohe Dunkelziffer gibt: „Aber wir wissen, dass die realen Zahlen mit Sicherheit zehnfach größer sind. Denn die Mehrzahl der Vergifteten lebt auf dem Land, dort, wo es keinen oder kaum Zugang zu medizinischer Versorgung gibt. Landwirte begehen Selbstmord, Kinder werden mit Schäden geboren, Babys weisen Anzeichen von Pubertät auf. Alles nachgewiesenermaßen wegen der Agrargifte.“ Nicht zuletzt geht das auf die Politik der doppelten Standards zurück, die BAYER praktiziert. Nach dem Motto „Darf es ein bisschen mehr sein“ offeriert der Konzern in Brasilien toxischere Pestizide als auf dem alten Kontinent. Zehn Pestizide, die das Unternehmen in Europa wegen ihrer Gefährlichkeit nicht mehr vertreiben darf, bietet es in dem Land noch an, rechnete der Umweltaktivist der ManagerInnen-Riege vor. Und es könnte sogar noch schlimmer kommen. Gegenwärtig betreibt der Leverkusener Multi in Tateinheit mit anderen Branchen-Riesen Tygel zufolge nämlich Extrem-Lobbying, um den Einfluss der Umwelt- und Gesundheitsbehörde bei der Zulassung der „Pflanzenschutzmittel“ zu beschneiden. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn BAYER hat einen guten Draht zur Politik. Sechs Mal trafen EmissärInnen des Konzerns jüngst mit dem Landwirtschaftsminister Blairo Maggi bzw. dessen VertreterInnen zusammen.
Nach dem genauen Inhalt der Gespräche fragte Christian Russau den BAYER-Chef Werner Baumann. Der Vertreter des DACHVERBANDs DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE zeichnete ein ähnlich düsteres Bild von der Lage des lateinamerikanischen Landes wie Tygel. Der Staat, der mit seinen Soja- und Mais-Monokulturen hauptsächlich die Tier-Fabriken auf der ganzen Welt beliefert, hat einen einzigartigen Pestizid-Durst. Auf 7,3 Liter pro EinwohnerIn kommt er. Die Folgen schilderte Russau. In den Hauptanbau-Gebieten registrierte die Bundesuniversität von Mata Grossa 1.442 Fälle von Magen-, Speisenröhren- oder Bauchspeicheldrüsen-Krebs gegenüber 53 Fällen in Regionen ohne so riesige Agrar-Fabriken. Und die Umwelt leidet ebenfalls unter den Giften und den anderen Begleiterscheinungen der industrialisierten Landwirtschaft. Sinkende Grundwasser-Pegel, ausgelaugte Äcker und Boden-Erosionen nannte der Konzern-Kritiker als Beispiele.
Zu den Nachhaltigkeitszielen der UN, den Sustainable Development Goals (SDGs), gehört es nicht zuletzt, bis zum Jahr 2030 die Zahl der durch gefährliche Chemikalien verursachten Todesfälle und Erkrankungen zu verringern. Auf BAYER können die Menschen in den großen Agrar-Regionen Lateinamerikas dabei nach Einschätzung von Russaus Dachverbandskollegen Tilman Massa nicht zählen. „Aus unserer Sicht tragen Sie nur unzureichend zum Erreichen der Ziele bei – erst recht mit der Übernahme von MONSANTO“, teilte er dem Vorstand mit. Glyphosat, den unter dem Namen ROUNDUP vermarkteten Top-Seller des US-Unternehmens, machte Massa nämlich als Hauptversucher des massiven Leids der BrasilianerInnen und ArgentinierInnen aus. „Dort sind Menschen auf ganz andere Weise Glyphosat ausgesetzt. Mit Flugzeugen wird das Gift auf den in Monokultur wachsenden Plantagen gesprüht. Wer in einem Dorf wohnt, das an diese Plantagen angrenzt, kommt direkt mit dem Herbizid in Kontakt“, so Massa. Darüber hinaus verkörpert BAYSANTO für ihn das Gegenteil einer nachhaltigen, die Ernährungssouveränität fördernden Landwirtschaft.

BAYSANTO

Thomas Cierpka von der internationalen Bio-LandwirtInnen-Vereinigung IFOAM sieht den Leverkusener Multi ebenfalls weit entfernt von den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. An Lippenbekenntnissen hierzu fehlt es nicht, konstatierte Cierpka. „Ich vermisse allerdings eine dazu passende Geschäftspolitik, die eben diese Ziele, anstatt einzig und allein die wirtschaftliche Dimension des eigenen Wirkens in das Zentrum ihrer Entscheidungen und Aktiviäten stellt“, kritisierte er. Und eine solche Geschäftspolitik steht seiner Ansicht nach mit BAYSANTO noch weniger in Aussicht. „BAYER/MONSANTO arbeiten Richtung Monopol-Stellung. 20 Jahre Gen-Technologie und Patentierung von wenigen Hochleistungssorten zeigen, dass wenige Arten und Sorten an Hilfsmittel wie ROUNDUP gebunden werden. Biologische Vielfalt verschwindet, das Klima verändert sich und immer noch gehen 800 Millionen hungrig zu Bett“, so seine Analyse.
ROUNDUP durfte auch in der Bewertung der Übernahme nicht fehlen, die Silvia Bender vom BUND vornahm. Sie sprach die über 4.000 Klagen von Glyphosat-Geschädigten in den USA an und fragte die Vorstandsriege, ob BAYER für etwaige Schadensersatz-Zahlungen schon Rücklagen gebildet hat. Zudem wollte sie wissen, welche Position der Konzern zu dem von der Bundesregierung geplanten Glyphosat-Ausstieg einnimmt.
Sanjay Kumar beschäftigte sich auch mit dieser chemischen Keule und kritisierte dabei vor allem die Standard-Phrasen wie die von dem „günstigen Nutzen/Risiko-Profil“, mit denen der BAYER-Chef das Pestizid verteidigte. „Sind Sie eigentlich im Bilde, dass für eine Risiko-Bewertung Nutzen komplett irrelevant ist? Es gibt keinen Nutzen, der ein systemisches Risiko wie die Zerstörung der Biodiversität aufwiegen könnte“, so der Medienwissenschaftler.
René Lehnherr vom MONSANTO-Tribunal setzte Glyphosat ebenfalls auf die Tagesordnung der Hauptversammlung, lenkte die Aufmerksamkeit darüber hinaus jedoch noch auf ein zweites Pestizid aus dem Hause MONSANTO: Dicamba. In den USA sorgte die Agro-Chemikalie jüngst für verbrannte Erde. Sie beschränkte ihren Aktionsradius nämlich nicht auf die gegen das Mittel resistenten Genpflanzen, sondern verflüchtigte sich und griff auf Ackerfrüchte über, die nicht gegen den Stoff gewappnet waren und deshalb massenhaft eingingen.
Einer der Hauptgründe für BAYER, MONSANTO zu schlucken, stellte die Produkt-Palette des US-Unternehmens im Bereich der digitalen Landwirtschaft dar. Was der Leverkusener Multi als eine gewinnträchtige Zukunftstechnologie ansieht, erscheint anderen als Horror-Vision einer „schönen neuen Welt“ auf den Bauernhöfen. Bernd Schmitz von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL) gab in Bonn seiner Furcht vor einer Daten-Krake BAYER Ausdruck, die Zugriff noch auf die letzte Ackerkrume nimmt und den LandwirtInnen keinen Zugang zu den gewonnenen Informationen mehr gewährt. Mute Schimpf von FRIENDS OF THE EARTH EUROPE fühlte derweil den Versprechungen einer computer-gestützten Präzisionslandwirtschaft auf den Zahn, die mit Hilfe von Bits und Bytes den Pestizid-Verbrauch vermindern will, und konnte diese Aussicht nicht mit der Profit-Logik in Einklang bringen: „Wenn tatsächlich weniger Pflanzenschutzmittel vertrieben werden, worin besteht das wirtschaftliche Interesse von BAYER, einen der umsatzstärksten Sektoren abzubauen?“

Bienensterben

Wie bereits in den letzten Jahren nahm der Tagesordnungspunkt „bienengefährliche Pestizide“ den größten Raum in der Hauptversammlung ein. Gleich zehn GegenrednerInnen widmeten sich dem Thema – und noch dazu mehrere VertreterInnen von Investment-Fonds, für die der Umgang des Konzerns mit GAUCHO & Co. „Reputationsrisiken“ barg. Mit dem Ende April 2018 erfolgten EU-Verbot der BAYER-Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin sowie die SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam erblickten die ImkerInnen jedoch zum ersten Mal Licht am Ende des Tunnels. „Könnte Ihr Scheitern auf allen Ebenen (Zulassungsbehörde, Kommission, Mitgliedsstaaten und EuGH) vielleicht etwas damit zu tun haben, dass sich der chemische Pflanzenschutz nun endgültig als der falsche Ansatz herausgestellt hat“, fragte Annette Seehaus-Arnold vom „Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund“ den Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann deshalb mit einiger Genugtuung. Wiebke Schröder von SumOf-Us indes erkundigte sich danach, ob der Global Player sich die Niederlage wirklich eingesteht oder aber plant, das Votum der Europäischen Union anzufechten.
Trotz der Entscheidung Brüssels gaben die BienenzüchterInnen jedoch noch keine Entwarnung, denn die Kommission zog nur drei Ackergifte aus dem Verkehr. Der Imker Markus Bärmann etwa warnte vor den Netzmitteln, die den Agro-Chemikalien als Wirkungsverstärker zugesetzt sind und eine Gefahr für die Bienen bedeuten. Sein Kollege Ralph Bertram beschrieb die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs BISCAYA. Karl Bär vom Umweltinstitut München lenkte das Augenmerk schon einmal auf die Neu-Entwicklung SIVANTO, mit welcher der Konzern nach alter Manier plant, alten Wein in neue Schläuche zu füllen, während Michael Aggelidis von der Partei DIE LINKE die AktionärInnen daran erinnerte, mit welch perfiden Methoden der Leverkusener Multi versuchte, WissenschaftlerInnen dazu zu drängen, Imidacloprid und Clothianidin das Testat „ungefährlich“ auszustellen.
Aber auch das Positive kam nicht zu kurz an diesem schönen Frühlingstag. Bernward Geier von der Initiative COLABORA wartete mit Nachrichten aus dem indischen Öko-Paradies Sikkim auf, das er gerade besucht hatte. Dort betreiben 100 Prozent der Bauern und Bäuerinnen ökologischen Landbau. Und sie machen damit Schule. Immer mehr Regionen des Landes folgen dem Beispiel Sikkims. Diese Entwicklung muss nach Ansicht Geiers auch dem Leverkusener Multi zu denken geben: „Ich frage den Vorstand, ob er mittel- oder zumindest langfristig Strategien hat bzw. gedenkt zu entwickeln, die sich der Tatsache stellen, dass inzwischen die Bio-Bewegung weltweit sich das Ziel gesetzt hat, bis zum Jahr 2050 100 Prozent Biolandbau weltweit erreicht zu haben?“

  • Spärliche Antworten

Auf die von Bernward Geier und den anderen Konzern-KritikerInnen vorgelegte umfangreiche Anklageschrift gegen das von BAYER favorisierte Modell der agro-industriellen Landwirtschaft wusste Werner Baumann nur Dürftiges zu entgegnen. Der Ober-BAYER plädierte für „Wahlfreiheit, die Vielfalt fördert“ und sah im Übrigen keinen Widerspruch zwischen ökologischer und konventionell betriebener Landwirtschaft, um dann aber doch für letztere zu optieren, weil sie angeblich ertragreichere Ernten ermöglicht und deshalb flächen-schonend wirkt. Die Nebenwirkungen dieser Praxis, die Alan Tygel am Beispiel der Pestizid-Vergiftungen in Brasilien aufgezeigt hatte, nahm der Große Vorsitzende dabei in Kauf. „Jeder einzelne dieser Fälle ist tragisch“, konzedierte er, ohne daraus allerdings andere Konsequenzen zu ziehen, als für „mehr Vorbeugung“ zu plädieren.
Auf Glyphosat ließ Baumann hingegen nichts kommen: „Ein effizientes und sicheres Mittel“. Doppelte Standards gibt es ihm zufolge im Hinblick auf den südamerikanischen Staat auch nicht. Tygels entsprechendem Vorwurf wich Baumann mit dem Statement aus: „Wir vermarkten in Brasilien ausschließlich Produkte, die allen regulatorischen Anforderungen des Landes genügen.“ Und selbstverständlich kann Agro-Chemie aus seinem Hause keiner Biene etwas zuleide tun. Die „Hypothese“, Agrochemikalien seien für das Bienensterben verantwortlich, hielt er für „weitgehend widerlegt“. Dementsprechend haderte der Vorstandsvorsitzende auch mit dem von der EU beschlossenen Aus für GAUCHO & Co. Als eine „Überinterpretation des Vorsorge-Prinzips“ bezeichnete Werner Baumann den Beschluss.

Pharma-GAUs

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Aber der BAYER-Konzern besteht aus mehr als nur der Landwirtschaftssparte. Und auch in den anderen Bereichen entspricht die Güte der Geschäftsbilanz dem Umfang der Schadensbilanz. Georg Wehr legte davon mit seiner eigenen Person Zeugnis ab. „Auch wenn man es mir auf den ersten Blick nicht ansehen mag, so stehe ich heute als schwerkranker junger Mann vor Ihnen“, bekundete er. Wehr musste vor einer Untersuchung ein gadolinium-haltiges Kontrastmittel von BAYER einnehmen und leidet seither an einem ganzen Bündel von Gesundheitsstörungen wie etwa Herzrhythmus-Störungen, Muskel-Zuckungen, Blutdruck-Schwankungen und Leberschäden. „Wie gedenkt das Unternehmen BAYER Betroffene angemessen zu entschädigen und bei ihrer Behandlung und Rehabilitation zu unterstützen?“, fragte er Vorstand und Aufsichtsrat. Beate Kirk und Gottfried Arnold konfrontierten den Verstand mit den Risiken und Nebenwirkungen der Hormon-Spirale MIRENA sowie des Schwangerschaftstests DUOGYNON. Jan Pehrke informierte die Hauptversammlung über die Schlampereien in BAYERs Leverkusener Pillen-Produktion. Überdies legte er die desaströsen Folgen dar, welche die schmutzigen Pharma-Lieferketten des Konzerns bei ihren ersten Gliedern China und Indien haben. Mit ihren größtenteils ungereinigten Abwasser-Frachten sorgt dort die Billig-Fertigung für den Weltmarkt nämlich für massive Gesundheitsschädigungen und Umweltbelastungen.
Werner Baumann gab sich zu diesem Themen-Komplex nicht redseliger, als er sich bei den Beiträgen zur Landwirtschaft gezeigt hatte. Genauere Auskünfte über die Zulieferer des Unternehmens in Indien und China verweigerte er mit Verweis auf das Betriebsgeheimnis, und die Kritik an den Pharmazeutika wehrte der Manager mit Standard-Phrasen ab. Und an denen fehlte es ihm auch nicht, als es auf Lars-Ulla Krajewski zu reagieren galt, die wie zuvor schon Kenneth Dietrich auf die Risiken und Nebenwirkungen der Öffnung von BAYERs Leverkusener Dhünnaue-Deponie im Zuge der Erweiterung der A1-Autobahn aufmerksam machte.
Und so rückte die Konzern-Kritik am Ende des Tages wieder ganz dicht an den Stammsitz der Aktien-Gesellschaft heran, nachdem sie vorher schon den ganzen Radius des unheilvollen Wirkens des Multis von China über Indien bis nach Brasilien abgeschritten hatte und damit so global agierte wie das Unternehmen selbst.

Ticker 3/18

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG-Anfrage an die Bezirksregierung
Im letzten Jahr hatte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA BAYERs Leverkusener Pharma-Anlagen inspiziert und dabei „signifikante Verstöße gegen die gute Herstellungspraxis“ festgestellt (siehe auch SWB 2/18). In ihrem „Warning Letter“ listete die „Food and Drugs Administration“ viele gravierende Mängel auf. So hat der Pharma-Riese etwa verschiedene Medikamente in einem Raum gefertigt, ohne die benutzte Ausrüstung und die Arbeitsflächen nach den jeweiligen Durchläufen gründlich zu säubern, was Verunreinigungen von Medikamenten zur Folge hatte. Überdies kontrollierte der Multi der FDA zufolge die Stabilität der Zusammensetzung seiner Pharmazeutika nicht ausreichend. Auch die Toleranz-Grenzen der Apparaturen zur automatisierten Qualitätskontrolle legte der Global Player zu großzügig fest, damit sich der Ausschuss in Grenzen hielt. Darüber hinaus hat er nicht angemessen auf Probleme mit undichten Medikamenten-Packungen reagiert. „Ihre Firma hat es nicht geschafft, eine ordentlich arbeitende Qualitätskontrolle-Abteilung aufzubauen“, resümierte die US-Einrichtung in ihrem Schreiben folglich. In der Bundesrepublik obliegt die Kontrolle der Pillen-Produktion des Konzerns der Bezirksregierung Köln. In einer Anfrage an ihre Adresse wollte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN deshalb unter anderem wissen, warum deren InspektorInnen die Missstände verborgen geblieben sind und wann überhaupt die letzte Kontrolle erfolgte.

Viele Marches
In 428 Städten rund um die Welt fanden im Mai 2018 „Marches Against MONSANTO“ statt. Und vielerorts hießen diese schon „Marches against MONSANTO and BAYER“. So auch in Düsseldorf, wo AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu den TeilnehmerInnen zählten. Und in seiner Kundgebungsrede wünschte sich Jan Pehrke vom CBG-Vorstand für das nächste Jahr eine endgültige Umbenennung: „Heute ist es der „March Against MONSANTO, BAYER und BASF“, gestern war es der „March Against MONSANTO“ und 2019 muss es der „March Against BAYER“ sein, damit das alte MONSANTO-Spiel nicht unter neuem Namen ungestört weiterlaufen kann!“

Vandana Shiva kritisiert BAYSANTO
Die bekannte indische Aktivistin Vandana Shiva hatte im Zuge der letzten Hauptversammlung des Leverkusener Multis an den BAYSANTO-Protesten teilgenommen. Am Tag vor dem Aktionär-Innen-Treffen hielt sie bei der Veranstaltung, die dem Thema „Einstieg in den Ausstieg aus der Pestizid-Falle“ gewidmet war, eine Rede und diskutierte anschließend mit dem grünen Bundestagsabgeordneten Harald Ebner, dem brasilianischen Umweltschützer Alan Tygel und Jan Pehrke von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Entsprechend erbost reagierte die Wissenschaftlerin auf die knapp zwei Wochen danach erfolgende endgültige Genehmigung des Deals. „Durch die Fusion wird BAYER den Großteil des Saatgut- und Pestizidmarktes beherrschen“, kritisierte sie. Zu den Hauptleidtragenden der letzten Konzentrationswelle im Agro-Business zählt für Shiva die Umwelt, als hätte diese unter dem Status quo ante nicht bereits genug gelitten: „Die Industrialisierung der Landwirtschaft, auch angetrieben durch BAYER und MONSANTO, hat schon 75 Prozent des Planeten zerstört: Die Verarmung von Böden, die Verschmutzung von Gewässern, der Verlust von Biodiversität – das ist die wirkliche Ernte der Chemie.“ Ihrer Ansicht nach hat die Übernahme von MONSANTO durch BAYER nicht zuletzt auch politische Auswirkungen: „Zusammen sind sie größer als irgendeine Regierungseinrichtung. Deshalb ist der Zusammenschluss auch gefährlich für unsere Demokratie, und das nicht nur in Indien.“

Aufruf gegen Saatgut-Patente
„Stoppt die Monopolisierung von Saatgut durch BAYSANTO“, ist der internationale Aufruf der Initiative NO PATENTS NO SEEDS überschrieben. Er wendet sich dagegen, BAYSANTO und anderen Agrar-Konzernen das Recht zu gewähren, Patente auf Pflanzen und Tiere geltend zu machen. „BAYSANTO & Co. beeinflussen maßgeblich, welche Pflanzen gezüchtet, angebaut und geerntet werden, was Saatgut kostet und wie unsere Lebensmittel in Zukunft produziert werden. Diese Markt-Macht basiert zu großen Teilen auf einer stark steigenden Anzahl von Patenten“, so Katherine Dolan von der den Aufruf mittragenden Organisation ARCHE NOAH. Zu den über 40 Gruppen, die den Appell unterzeichnet haben, zählt auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.

Glyphosat: Petition gegen Bahn
Die DEUTSCHE BAHN gehört zu den Großverbrauchern von Glyphosat. 65 Tonnen des von der Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Pestizids versprüht das Transport-Unternehmen Jahr für Jahr, um sein Schienennetz frei von Wild-Pflanzen zu halten. Die Initiative SumOfUs hat deshalb eine Online-Petition gegen die Bahn und ihre „33.500 Kilometer voller Glyphosat, die sich wie eine Giftspur durch die ganze Bundesrepublik ziehen“, gestartet. Über 50.000 Menschen haben den Appell bisher schon unterzeichnet (Stand: 22.06.18).

IBEROGAST: Grüne wollen BfArM stärken
Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produkt-Palette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben (siehe auch Ticker 2/18). So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Präparate mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Von den Herstellern weniger hoch dosierter Produkte verlangte es, einen entsprechenden Warnhinweis auf dem Beipackzettel anzubringen. Der Leverkusener Multi lehnte es aber ab, dieser Aufforderung nachzukommen. Stattdessen zog er vor Gericht – und bleibt damit so lange, wie Justitias Mühlen mahlen, von der Umsetzung der Auflage befreit. Die aufschiebende Wirkung solcher Klagen wollen die Grünen nun aber nicht länger hinnehmen. Sie forderten die Bundesregierung auf, die Rechte des BfArM BAYER & Co. gegenüber zu stärken.

KAPITAL & ARBEIT

Rationalisierungsprogramm „Super Bowl“
Als BAYER-Chef Werner Baumann bei den Investment-Gesellschaften um Zustimmung für den MONSANTO-Deal warb, sah er sich gezwungen, ihnen Kosteneinsparungen zu versprechen, um die mit der Transaktion verbundene Schuldenlast zu drücken. Sonst hätten die Verbindlichkeiten die Rating-Agenturen nämlich dazu bewogen, dem Unternehmen eine äußerst schlechte Note in Sachen „Kreditwürdigkeit“ zu geben. Besonders den neuen Finanzchef des Konzerns, Wolfgang Nickl, sahen die Finanzmarkt-AkteurInnen in der Pflicht. „Herr Nickl muss dafür einstehen, dass BAYER Cash aus jeder möglichen Quelle generiert“, gab etwa der Finanzanalyst Jeremy Redenius vor. Und so kam es im Pharma-Bereich dann zum Effizienz-Programm „Super Bowl“, dem Belegschaftsangehörigen zufolge allein in der Bundesrepublik 1.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen könnten. Besonders die Beschäftigten am Standort Berlin fürchten um ihre Jobs.

POLITIK & EINFLUSS

Neue Kriterien für Hormon-Gifte
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie FOLICUR (Wirkstoff: Tebuconazole), BETANAL (Lenacil), FENOMENAL (Fenamidon) oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Reform der Zulassungsvorschriften verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Charakterisierung der Pseudo-Hormone – sogenannter endokriner Disruptoren (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung, nicht zuletzt dem Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. geschuldet, legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Dieser ließ viele gefährliche Chemikalien aus dem Raster fallen und enthielt zudem zahlreiche Ausnahme-Regelungen wie z. B. für gezielt das Hormonsystem von Schadinsekten angreifende Ackergifte. Deshalb kritisierten das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gruppen die Vorlage scharf. Im Marsch durch die EU-Institutionen gab es dann auch einige Nachbesserungen. So fanden etwa die hormonell wirksamen Insektizide wieder Aufnahme in den EDC-Katalog. Aber wirklich zufriedenstellen können die Ende April endgültig angenommenen und im Oktober in Kraft tretenden Kriterien trotzdem nicht – sie erfassen immer noch nicht alle endokrinen Disruptoren. Zudem legen sie die Schwelle für ein Verbot zu hoch an.

Der Branchen-Dialog „Chemie“
In der letzten Legislatur-Periode hat die damalige Große Koalition Branchen-Dialoge in den Sektoren „Pharma“ und „Chemie“ gestartet. Die Gesprächsrunde zu letzterem bewerteten die Teilnehmer äußerst positiv. Es sei gelungen, „gemeinsam Lösungen für mehr internationale Wettbewerbsfähigkeit zu entwickeln“, hielten das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE und der „Bundesarbeitgeberverband Chemie“ fest. Und die Ergebnisse können sich für BAYER & Co. wirklich sehen lassen. „BMWi bringt verstärkt Belange der Chemie-Industrie kontinuierlich in die Enterprise Policy Group (Experten-Gruppe der EU-Kommission) ein“, konstatiert der Monitoring-Bericht trocken. Auch in der 7+7-Gruppe, die aus EmissärInnen der Chemie-Verbände und der Wirtschaftsministerien der sieben Länder Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande und Spanien besteht, ist der Einfluss des VCIs der Publikation zufolge gesichert. Zudem erreichte die Organisation in zahlreichen Bereichen Zugeständnisse der Politik. So rang der Lobby-Club dem Wirtschaftsministerium ein Bekenntnis zum Pestizid-Standort Deutschland ab, inklusive fälliger Standortsicherungsmaßnahmen wie etwa beschleunigte Zulassungsverfahren. Bei der Registrierung gefährlicher Chemikalien, welche die EU seit 2007 betreibt, sicherte das Ministerium den Unternehmen ebenfalls regierungsamtliche Hilfe zu, droht hier aus Gründen des vorsorglichen Gesundheitsschutzes doch der „Wegfall von Verwendungen“ oder schlimmer noch „Stoff-Wegfall“. Der Sorge der Konzerne um eine Energie-Wende zu Lasten ihrer ebenso billigen wie schmutzigen Strom-Quellen nimmt sich indes ein informelles Gremium an, das sich mit der „energie-politischen Strategie nach 2020“ befasst und „die aktuellen Gesetzgebungen kontinuierlich weiter beobachtet“. Auch ganz generell hat sich der Branchen-Dialog vorgenommen, eine „Gesetzesfolgen-Abschätzung“ zu initiieren, weil es bisher „keine systematische Betrachtung der Auswirkungen der Regelungsvorhaben auf die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft“ gibt. Eine Innovationsbremse hat die Chemie-Industrie bereits identifiziert: das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011, das neuen Medikamenten doch tatsächlich eine Kosten/Nutzen-Prüfung aufbürdet.

NRW: Schwarz-Gelb für BAYER & Co.
Die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen bekennt sich freimütig zur Wirtschaft im Allgemeinen und zur Chemie-Industrie im Besonderen – mit entsprechenden Nebenwirkungen für Klima und Umwelt (s. u.). „Christdemokraten und Freie Demokraten stellen sicher, dass die Interessen des Industrie- und Energiestandorts Nordrhein-Westfalen künftig wieder wahrnehmbar gegenüber dem Bund und der Europäischen Union vertreten werden“, heißt es im Koalitionsvertrag. Dabei wollen die PolitikerInnen bevorzugt für eine Branche Lobby-Arbeit betreiben: „Einen besonderen Fokus legen wir auf den Erhalt der Wertschöpfungsketten, der Wettbewerbsfähigkeit, der Arbeitsplätze und der Innovationsfähigkeit der in Nordrhein-Westfalen ansässigen chemischen Industrie.“

Prima Klima in NRW für BAYER & Co.
Das Land Nordrhein-Westfalen trägt fast ein Drittel zu den bundesdeutschen Kohlendioxid-Emissionen bei, woran BAYER alles andere als unschuldig ist. Für die schwarz-gelbe Landesregierung stellt das zur Freude des Leverkusener Multis jedoch keinen Grund zum Umsteuern dar. Sie hat andere Prioritäten: „Wir werden die Energie- und Klimapolitik danach ausrichten, Nordrhein-Westfalen als Energieland Nummer eins zu stärken, um führendes Industrieland, auch für energie-intensive Industrien, zu bleiben und Wertschöpfungsketten zu erhalten“, schreiben die Parteien in ihrem Koalitionsvertrag. Dementsprechend legen sie Hand an das Landes-Klimaschutzgesetz von Rot-Grün und kappen alle Regelungen, die über EU-Maßgaben hinausgehen. Zudem bekennen sich Laschet & Co. zum Klima-Killer Braunkohle („unser einziger heimischer Rohstoff, der wettbewerbsfähig ist und zudem einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leistet“) und drohen an, die Strom-Steuer senken zu wollen.

Klima-Politik: BAYER will mitreden
Der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup gehört dem Wirtschaftsrat der CDU an. Er leitet dort die Bundesfach-Kommission „Umwelt“ und äußert sich dementsprechend oft zu Umwelt-Themen – natürlich auch pro domo. Jüngst ergriff er dazu in einer Beilage der Faz zum Wirtschaftstag – die Zeitung nennt diese vom Wirtschaftsrat ins Leben gerufene Veranstaltung „eines der hochkarätigsten Foren für den Austausch von Wirtschaft und Politik“ – die Gelegenheit. In seinem Beitrag klagte Große Entrup einmal mehr über die angeblich mit der Energiewende einhergehenen hohen Strom-Kosten und wusste auch schon ein probates Mittel dagegen: mehr Mitsprache-Rechte für BAYER & Co. „Dabei sollte die Wirtschaft stärker in die entscheidungsrelevanten Dialog-Prozesse eingebunden werden. Denn eine marktwirtschaftliche Umsetzung der klima- und energiepolitischen Ziele kann nur gemeinsam mit der Wirtschaft erreicht werden“, meinte Große Entrup. Ansonsten trat er in Sachen „Klima“ für „einen internationalen Schulterschluss“ ein, was Leute seines Schlages gern tun, weil sie genau wissen, dass dieser nie zustande kommen wird.

Lobbying für CRISPR/Cas & Co.
Gen-Scheren, die das Erbgut an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können, arbeiten nach Ansicht von BAYER & Co. so präzise, dass die von ihnen herbeigeführten Veränderungen sich gar nicht mehr von denjenigen unterscheiden, welche die konventionelle Züchtung zu Wege bringt. Deshalb fallen CRISPR/Cas und andere Verfahren für sie nicht unter „Gentechnik“ und ergo auch nicht unter die entsprechenden Regularien. Davon wollen die Unternehmen auch die EU überzeugen und setzen dabei auf alte Bekannte. So hat Bernd Müller-Röber vom „Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland“ (VBIO) Abgeordnete des Europa-Parlaments jüngst in einem Schreiben davon zu überzeugen versucht, die „Gentechnik 2.0“ nicht als Update der „Gentechnik 1.0“ zu betrachten und sie aus diesem Grund auch vor den für diese geltenden Auflagen zu verschonen. Eigene Patent-Anträge zu DNA-Manipulationen, die sich der neuen Methoden bedienen, verschwieg er dabei allerdings ebenso wie seine Mitarbeit an einigen alten „Gentechnik 1.0“-Patenten von BAYER.

Brexit: VfA will Übergangsfrist
Rund ein Fünftel aller Zulassungsverfahren für Medikamente bearbeitet die britische Arzneimittel-Behörde. Wegen des Brexits wird sie dies allerdings nur noch bis Ende März 2019 tun, was dem von BAYER gegründeten „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VfA) Anlass zur Besorgnis gibt. „Der Brexit könnte die Zulassung von Arzneimitteln in Europa gefährden“, warnt er und fordert Übergangsfristen. Diese müssten „ganz oben auf der Agenda der konkreten Austrittsverhandlungen stehen“, erklärt die Lobby-Organisation.

Kein Glyphosat-Verbot in Frankreich
Der französische Präsident Emmanuel Macron wollte in seinem Land das BAYER-Pestizid Glyphosat verbieten, das die Krebs-Agentur der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft. Der Politiker konnte sich mit diesem Ansinnen allerdings nicht durchsetzen. Die Nationalversammlung lehnte den Antrag ab. Selbst einige Mitglieder von Macrons „En Marche!“ stimmten gegen den Bann.

Ein bisschen weniger Glyphosat
Nach dem Dafürhalten von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner darf es ein bisschen weniger Glyphosat sein – aber nur klitzekleines bisschen. Die Christdemokratin legte im Frühjahr den Entwurf einer entsprechenden Verordnung vor. Diese will den Einsatz des „wahrscheinlich krebserregenden“ BAYER-Pestizids vor allem im HobbygärtnerInnen-Sektor einschränken, obwohl der Bereich nur für zwei Prozent des Glyphosat-Verbrauchs verantwortlich ist. Die Landwirtschaft hat hingegen kaum Einschränkungen zu fürchten. „Für unser gemeinsames Ziel, den Einsatz von Glyphosat grundsätzlich zu beenden, werden weitere Schritte folgen müssen“, sagte deshalb Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), und Toni Hofreiter von BÜNDNIS 90/Die Grünen kritisierte, „kleine, kosmetische Maßnahmen“ seien nicht genug: „Stattdessen muss die Anwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft in den nächsten vier Jahren auf Null heruntergefahren werden.“

BAYER & Co. wollen Forschungsförderung
Seit Jahr und Tag fordert der BAYER-Konzern die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsaufwendungen. Jetzt hat seine Interessensvertretung, der „Bundesverband der Industrie (BDI), einen neuen Vorstoß in dieser Richtung unternommen. „Steuerliche Forschungsförderung unverzüglich einführen!“ ist das entsprechende Positionspapier überschrieben. „Im weltweiten Wettbewerb um die Forschungsstandorte in multinationalen Unternehmen und Branchen ist die staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung nicht alles, oft aber der entscheidende Grund, Forschungskapazitäten auszubauen oder neu anzusiedeln“, hält die Lobby-Organisation fest. Einen konkreten Plan für die Umsetzung hat der BDI auch schon ausgearbeitet. Ihm schwebt eine Steuer-Gutschrift pro Beschäftigtem in Höhe von bis zu 6.000 Euro vor. „Maximal 2,5 Milliarden Euro“ würde das den Staat kosten – nach Ansicht von BAYER & Co. ein Schnäppchen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Neues Corporate Design
Um das Image BAYERs steht es nicht zum Besten. Darum sah das Management Handlungsbedarf. Da aber gute Taten mit einem der Profit-Logik folgenden Konzern nur schwerlich zu bewerkstelligen sind, entschloss sich der Vorstand stattdessen, am Erscheinungsbild zu feilen. „BAYER will sympathischer werden – und hat deshalb sein Corporate Design überarbeitet“ vermeldete das PR-Fachblatt W&V. Bei diesem Unterfangen hat der Leverkusener Multi dann weder Kosten noch Mühen gescheut. Er befragte 1.500 Menschen aus sechs Ländern zu seiner Reputation und wertete weitere Umfragen zu diesem Thema aus. Die Resultate wiesen BAYERs oberstem Öffentlichkeitsarbeiter Michael Preuss zufolge höhere Kompetenz- als Sympathie-Werte aus. Und da hat die Branding-Agentur LANDOR angesetzt und rechtzeitig zur MONSANTO-Übernahme alles „wärmer und emotional ansprechender“ gestaltet. Aber ob ’s hilft, ist noch die Frage ...

Vertriebskosten: Elf Milliarden Euro
Unter Vertriebskosten verbucht der Leverkusener Multi all das, was es braucht, um seine Produkte loszuschlagen: Werbung, Marketing, KundInnen-Beratung, den Außendienst inklusive Pharma-DrückerInnen und andere Posten. Im Jahr 2017 gab der Konzern dafür rund elf Milliarden Euro aus.

Lobby-Offensive wg. MONSANTO
Der BAYER-Konzern hat 2017 in den USA viel Geld investiert, um Stimmung für die Ziele des Unternehmens zu machen. 10,5 Millionen Dollar steckte er in die Pflege der dortigen politischen Landschaft – mehr Geld für solche Aktivitäten gab in dem Land kein anderes deutsches Unternehmen aus. Unter anderem galt es, die DemokratInnen und RepublikanerInnen vom Sinn der MONSANTO-Übernahme und vom Unsinn der Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel zu überzeugen. Auch die Verbreitung der Mär, dass die Neonicotinoide GAUCHO und PONCHO keiner Biene etwas zu Leide tun können, war dem Unternehmen teuer. Etwas Schlimmes konnte der Konzern an diesem Einsatz nicht finden: „BAYER ist stolz darauf, sich aktiv am politischen Prozess in den USA zu beteiligen, damit auch unsere Stimme gehört wird.“

PR-Offensive wg. MONSANTO
BAYER begleitet die Übernahme von MONSANTO mit einer PR-Offensive. Um die journalistische Landschaft zu pflegen, ließ der Konzern die 40-seitige Broschüre „Landwirtschaft und Ernährung von morgen“ in einer Auflage von 30.000 Exemplaren erstellen und sie Fachmagazinen wie Wirtschaftsjournalist und medium beilegen. Allerdings gab es prompt Ärger mit der Publikation. Der Leverkusener Multi hatte darin nämlich den Schweizer Professor Urs Niggli mit einer positiven Aussage über die neuen Gentechniken zitiert, wogegen dieser sich verwahrte (s. u.). Darüber hinaus richtete der Agro-Riese die Dialog-Plattform „Zukunftsfelder“ ein, die sich allerdings nicht gerade großen Zuspruchs von Umweltverbänden erfreute. Zudem sponserte er die vom Berliner Tagesspiegel ausgerichtete Diskussionsveranstaltung „World Food Conference“, die mit so prominenten Gästen wie der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) aufwartete, und redete zu Themen wie „Zulassungsverfahren“ auch ein Wörtchen mit.

PR-GAU
„Für Landwirte – auch für Öko-Landwirte – eröffnet die neue Methode viele Chancen“, diese lobende Worte fand Professor Urs Niggli, Direktor des schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau, zu CRISPr-Gas und anderen neuen Gentechniken. Ein gefundenes Fressen für BAYER. Der Leverkusener Multi zitierte die Äußerung in seiner Propaganda-Broschüre „Landwirtschaft und Ernährung von morgen“, hatte dabei aber die Rechnung ohne Niggli gemacht. Dieser verwahrte sich gegen die Übernahme. Vom „Missbrauch meines Namens“ sprach der Agrar-Wissenschaftler und betonte, er habe völlig andere Positionen als der Agro-Riese. Der Konzern musste daraufhin alle noch verbliebenen Exemplare der Schrift in die Tonne klopfen und den Niggli-Satz von seiner Internet-Seite nehmen. Auch auf Beiträge des Professors zur Dialog-Plattform „Zukunftsfelder“ konnte er nicht länger zählen. Er sähe keinen Sinn in Dialogen, die auf die Strategie der Firma BAYER keine Wirkung hätten, erklärte Urs Niggli laut Informationsdienst Gentechnik.

BAYER vs. Vandana Shiva
Auch die bekannte indische Aktivistin Vandana Shiva nahm an den diesjährigen Protesten rund um die BAYER-Hauptversammlung teil (siehe AKTION & KRITIK). Dadurch sah sich der Leverkusener Multi zu einer Reaktion gezwungen. „Herzlich Willkomen, Vandana Shiva!“ begrüßte der Konzern die Wissenschaftlerin auf seiner Internet-Seite, um dann sieben Thesen von ihr einem „Faktencheck“ zu unterziehen. Selbstredend kam da keine einzige heil heraus. Stattdessen gibt es nichts Gesünderes auf der Welt als gentechnisch veränderte Lebensmittel, selbst wenn sie in ihrem Vorleben auf den Äckern ein paar Glyphosat-Duschen abbekommen haben, hat doch „dieser Wirkstoff eine äußerst geringe Giftigkeit“. Und indische LandwirtInnen, die Baumwolle mit einer eingebauten Resistenz gegen den Bacillus thuringiensis (Bt) anpflanzten und sich anschließend wegen der Missernten umbrachten, kennt der Konzern nicht. „Es besteht nachweislich kein direkter Zusammenhang zwischen der Einführung gentechnisch veränderter Baumwolle und der Selbstmord-Rate bei indischen Bauern“, hält er fest und behauptet stattdessen: „Die Einführung von Bt-Baumwolle in Indien war ein Erfolg.“ Und so geht die Märchenstunde dann munter bis zur siebten These weiter, wo BAYERs FaktencheckerInnen sich darin versuchen, dem goldenen Gen-Reis all den Glanz zurückzugeben, den Vadana Shiva ihm geraubt hatte.

BAYER darf mehr Schule machen
Ganz so, als hätten die Konzerne nicht schon genug Einfluss auf die Bildungseinrichtungen, darf es für Schwarz-Gelb in BAYERs Stammland Nordrhein-Westfalen gerne noch ein bisschen mehr sein. „Wir wollen Unternehmen und andere gesellschaftliche Gruppen ermutigen, ihr Personal und ihre besondere Expertise vor allem in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik, Anm. Ticker) stundenweise den Schülern zur Verfügung zu stellen“, drohte Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) an. Davon verspricht die Politikerin sich, „den Kindern Kenntnisse direkt aus der Praxis zu vermitteln“. Zudem kann der Leverkusener Multi sich in NRW über das neue Schulfach „Wirtschaft“ freuen.

DRUGS & PILLS

BfArM warnt vor XOFIGO
BAYERs XOFIGO hat bisher eine Zulassung für einen solchen Prostata-Krebs, der bereits die Knochen angegriffen hat und auf eine Hormon-Entzugsbehandlung – Testosteron und andere Androgene haben Einfluss auf das Wachstum der Krebs-Zellen – nicht reagiert. Nun wollte der Leverkusener Multi das strahlen-therapeutische Mittel mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid in Kombination mit Abirateronacetat und Prednison bei einer anderen Art des Prostata-Karzinoms zum Einsatz bringen. Er musste die klinischen Tests allerdings abbrechen (Ticker 1/18). Bei den XOFIGO-Probanden, die entweder noch gar keine oder nur schwache Symptome der Krankheit hatten, war nämlich laut BAYER „ein erhöhtes Auftreten von Todesfällen und Frakturen“ zu beobachten. Während die Todesrate in der Gruppe, die mit Abirateronacetat und Prednison ein Placebo einnahm, bei 20 Prozent lag, betrug diese bei den XOFIGO-Patienten 27 Prozent. Und Knochen-Brüche traten unter XOFIGO mehr als drei Mal so häufig auf (24 Prozent zu sieben Prozent). Darum hat die Klinische Prüfung ein Nachspiel. Nach Auskunft des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) untersucht jetzt die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ die Vorfälle, „um die Bedeutung für die zugelassene Anwendung von XOFIGO zu ermitteln“. Und den Pharma-Riesen zwangen die Aufsichtsbehörden, die MedizinerInnen in zwei Rote-Hand-Briefen davor zu waren, das Präparat weiter zusammen mit Abirateronacetat und Prednison zu verordnen.

ASPIRIN mit Warnhinweisen
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) tritt bereits seit Langem dafür ein, ASPIRIN und andere Schmerzmittel in den Apotheken nur noch dann ohne Rezept auszugeben, wenn die Anwendungsdauer auf vier Tage beschränkt ist. Die Präparate haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen. So kann BAYERs „Tausendsassa“ etwa Magenbluten verursachen. Mit seinem Anliegen konnte sich das BfArM zwar nicht durchsetzen, immerhin aber müssen der Leverkusener Multi und die anderen Hersteller von Schmerzmitteln auf den Schachteln künftig den Warnhinweis anbringen: „Bei Schmerzen und Fieber ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden, als in der Packungsbeilage vorgegeben!“ Leider nur ermangelt es dem Satz an Eindeutigkeit, zudem haben die Pharma-Riesen noch zwei Jahre Zeit, um die Anordnung umzusetzen.

FDA schränkt ESSURE-Vertrieb ein
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Sterilisationsmittel, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden von Organen, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. Das hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde „Food and Drug Admininstration“ (FDA) jetzt zu Maßnahmen veranlasst. „Jede Frau, die dieses Produkt erhält, sollte die damit verbundenen Risiken kennen“, so Scott Gottlieb von der FDA. Deshalb beschränkte die Institution den ESSURE-Vertrieb auf solche ÄrztInnen und Medizin-Einrichtungen, welche die Frauen anhand einer langen Check-Liste eingehend beraten. Zudem drohte die Behörde dem Leverkusener Multi für den Fall, dass er die potentiellen ESSURE-Interessentinnen nicht ausreichend über die Nebenwirkungen der Spirale informiert, rechtliche Schritte an.

BAYER schränkt ESSURE-Vertrieb ein
BAYER stellt den Vertrieb der Sterilisationsspirale ESSURE außerhalb der USA ein. Mit Sicherheits- oder Qualitätsbedenken (s. o.) habe das aber nichts zu tun, betont der Konzern.

EMA prüft CIPROBAY
Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY (Wirkstoff: Ciprofloxacin) haben viele schwerwiegende Nebenwirkungen (siehe auch SWB 3/18). Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA listet von 2002 bis 2017 allein zu Ciprofloxacin 1.116 Todesfälle und 20.353 Meldungen über unerwünschte pharmakologische Effekte auf. Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Überdies hemmen die Fluorchinolone Enzyme, welche die Verstoffwechselung von Arzneien im Körper steuern. Dadurch verbleiben unter Umständen hohe Konzentrationen von Arznei-Stoffen im Organismus, was die Gefahr von unkontrollierbaren Wechselwirkungen heraufbeschwört. Bereits mehrmals haben die Aufsichtsbehörden der verschiedenen Länder deshalb den Anwendungsbereich der Mittel beschränkt und die Hersteller gezwungen, ihre Packungsbeilagen um Warnungen vor bestimmten Gesundheitsschäden zu ergänzen. Und im Februar 2017 stieß das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) bei der EMA ein europäisches Risiko-Bewertungsverfahren für Fluorchinolone an. „Ziel ist eine umfassende Bewertung von schwerwiegenden und persistierenden (dauerhaften, Anm. Ticker) Nebenwirkungen, die überwiegend den Bereich des Bewegungsapparates und des Nervensystems betreffen“, teilt das Institut mit. Mitte Juni findet dazu eine öffentliche Anhörung statt. Einen Monat später will die Arzneimittel-Agentur dann das Ergebnis der Überprüfung verkünden.

BfArM überprüfte YASMIN & Co.
BAYERs Verhütungsmittel wie die Pille YASMIN oder die Hormon-Spirale MIRENA haben zahlreiche Nebenwirkungen. Zum Brustkrebs- und zum Selbstmord-Risiko wertete das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) jetzt neue Studien aus. Danach gab die Behörde Entwarnung. Die Befunde gaben ihrer Ansicht nach keinen Anlass dazu, Maßnahmen zu ergreifen.

Grenzwert-Bestimmung in der Kritik
Die Pharma-Konzerne arbeiten permanent an der Vergrößerung der Zielgruppe für ihre Medikamente. Ein probates Mittel dazu ist es, die Grenzen zwischen Gesundheit und Krankheit zu verschieben. So befindet sich etwa der Wert, ab dem der Blutdruck nicht mehr als normal, sondern als zu hoch und damit behandlungswürdig gilt, seit Jahren im Sinkflug (Ticker 1/18). Ähnlich erging es demjenigen zur Diabetes-Bestimmung. Lange Zeit zeigte ein Blutzucker-Spiegel von über 140 mg/dl die Notwendigkeit von medizinischen Maßnahmen an, bereits seit 1997 reichen jedoch 126 mg/dl. Und ganz im grünen Bereich ist mensch auch unterhalb dieses Limits nicht. Das Reich der „Prä-Diabetes“ beginnt nämlich schon ab 100 mg/dl, was den Absatz von BAYERs Zuckerkrankheitspräparat GLUCOBAY nicht unerheblich steigert. Das ExpertInnen-Gremium der „American Diabetes Association“ (ADA) hatte für die neuen Festlegungen plädiert – allerdings nicht aus hehren wissenschaftlichen Motiven. Ökonomische gaben vielmehr den Ausschlag. Kommissonschef James R. Gavin beispielsweise verfügte über lukrative BeraterInnen-Verträge mit BAYER und anderen Pharma-Riesen. Der Kölner Mediziner Prof. Dr. Stefan Wilm hält rein quantitative Angaben, etwa über die Höhe des Blutzucker-Spiegels, generell für keine hinreichenden Kriterien zur Definition einer Gesundheitsstörung und kritisiert die Ausweitung der Krankheitszonen durch die Zahlenspiele vehement. „Je niedriger wir die Grenzwerte ansetzen, (...) umso mehr Medikamente werden verordnet. Aber der Patient hat davon keinen Nutzen“, so der Arzt.

Deal mit LOXO ONCOLOGY
BAYER setzt immer weniger auf eigene Forschungsanstrengungen und kauft stattdessen Innovationen von außen zu. So hat der Konzern mit LOXO ONCOLOGY ein Geschäft abgeschlossen, das ihm die Vertriebsrechte an zwei neu entwickelten Krebs-Wirkstoffen sichert. Dabei handelt es sich um Loxo-195 und Larotrectinib, für den LOXO in den USA gerade einen Zulassungsantrag gestellt hat. Je nach Erfolg der beiden Stoffe hat der Pillen-Riese sich zu Zahlungen von bis zu 1,15 Milliarden Dollar verpflichtet. „Das ist ein strategisch sehr wichtiger Deal für zwei hochinnovative Substanzen“, konstatiert Arznei-Chef Dieter Weinand: „Damit sollte endlich auch die Frage beantwortet sein, ob BAYER angesichts der MONSANTO-Übernahme nicht die Pharma-Sparte vernachlässige.“

„Consumer Health“ schwächelt
Der Leverkusener Multi hat das Geschäft mit den rezeptfreien Arzneien in der letzten Zeit stark ausgebaut und ist in diesem Bereich zur Nr. 2 auf der Welt aufgestiegen. Aber nicht nur die 2014 zugekaufte MERCK-Sparte erfüllte ihre Erwartungen bisher nicht, auch der Absatz der restlichen Produkte schwächelt bereits seit Langem. Im Geschäftsjahr 2017 ging der Umsatz um 1,7 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro zurück, und der Gewinn schrumpfte sogar um 13 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Im November 2017 kostete das Sparten-Chefin Erica Mann ihren Job.

AGRO & CHEMIE

Aus für GAUCHO, PONCHO & Co.
Im Jahr 2014 hatte die Europäische Union die Pestizid-Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin von BAYER sowie die SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam wegen ihrer Bienengefährlichkeit vorläufig aus dem Verkehr gezogen. Ende April 2018 verkündete die EU-Kommission ein dauerhaftes Verbot der Mittel aus der Gruppe der Neonikotinoide. Zum Leidwesen des Leverkusener Multis, der die Entscheidung mit den Worten „ein trauriger Tag für die Landwirte und ein schlechter Deal für Europa“ kommentierte, dürfen PONCHO, GAUCHO & Co. jetzt nicht mehr auf Äckern, sondern nur noch in Gewächshäusern ihr Unwesen treiben. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) betreibt bereits seit 1999 eine Kampagne gegen diese Insektizide und kann nun endlich den Erfolg ihrer Bemühungen verzeichnen. Deshalb begrüßte sie die Entscheidung Brüssels, verlangte allerdings zugleich weitere Maßnahmen: „Dieser Schritt war überfällig. Jetzt gilt es aber auch, konsequent zu sein und die übrigen Stoffe dieser Substanz-Klasse aus dem Verkehr zu ziehen.“ Darüber hinaus forderte die CBG Brüssel auf, diejenigen Pestizide genauer unter Beobachtung nehmen, welche die Industrie als Ersatz für die Mittel vorgesehen hat. Der Leverkusener Multi zum Beispiel bemüht sich in der Bundesrepublik gerade um eine Zulassung von SIVANTO, dessen Inhaltsstoff Flupyradifuron einige WissenschaftlerInnen ebenfalls als schädlich für Bienen einstufen. So hält etwa Michele Colopy von der Organisation POLLINATOR STEWARDSHIP COUNCIL fest: „Die Forschungsergebnisse weisen vielleicht auf keine akute toxische Wirkung bei der ersten Anwendung hin, aber Zweit- und Drittanwendung zeigen eindeutige Effekte auf die Bienensterblichkeit, das Verhalten, die Brut-Entwicklung sowie Pollen und Nektar.“ Und zu ähnlichen Ergebnissen kam jüngst die Universität Würzburg.

EuGH bestätigt GAUCHO-Aus
Nach dem von der Europäischen Kommission verkündeten Aus für GAUCHO und PONCHO (s. o.) setzte BAYER noch Hoffnung auf die Justiz. Der Konzern hatte nämlich 2013 in Tateinheit mit SYNGENTA schon gegen das vorläufige Verbot der Europäischen Union geklagt und erwartete nun eine Entscheidung in seinem Sinne. Aber diese Rechtshilfe blieb aus; der Europäische Gerichtshof stellte sich auf die Seite der EU-Kommission. „Was die im Jahr 2013 beschränkten oder verbotenen Verwendungen betrifft, entscheidet das Gericht, dass die Kommission darlegen konnte, dass in Anbetracht der erheblichen Verschärfung der Anforderungen daran, dass keine unannehmbaren Auswirkungen der Wirkstoffe auf die Bienen vorhanden seien, die von der EFSA (Europäische Lebensmittelbehörde, Anm. Ticker) festgestellten Gefahren den Schluss zuließen, dass die drei fraglichen Wirkstoffe nicht mehr den Zulassungskriterien entsprächen“, lautete das Votum aus Luxemburg. Da musste der Global Player schmollen: „BAYER ist enttäuscht.“

Neue Ackergifte
2018 bringt BAYER zwei neue Agro-Chemikalien auf den Markt, wobei „neu“ relativ ist. In Ermangelung wirklicher Innovationen kombiniert der Leverkusener Multi nämlich nur altbekannte Wirkstoffe und hofft – wie bei den mit Mehrfach-Resistenzen ausgestatteten Gen-Pflanzen –, dass es die Menge macht. So besteht das Fungizid ASCRA Xpro aus den drei Substanzen Bixafen, Prothioconazol und Fluopyram. Das Herbizid LIBERATOR PRO, von dem die LandwirtInnen laut BAYER-Empfehlung ein Liter pro Hektar ausbringen sollen, wartet hingegen mit den Inhaltsstoffen Flufenacet, Diflufenicat und Metribuzin auf. Und ganz ohne sind die nicht: Metribuzin beispielsweise findet sich in der Liste der hochgefährlichen Pestizide, welche das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) im März 2018 veröffentlicht hat.

Verkauf von Bromacil-Pestiziden
Die mit der Übernahme von MONSANTO verbundenen Auflagen zwangen BAYER, einige Pestizide abzustoßen. Aber auch aus freien Stücken trennt sich der Konzern von Zeit zu Zeit von Agro-Chemikalien. So verkaufte der Global Player im Juni 2018 sein USA- und Kanada-Geschäft mit bromacil-haltigen Herbiziden. Neuer Besitzer der Ackergifte, die der Leverkusener Multi unter den Namen HYVAR und KROVAR vermarktet hatte, ist das US-amerikanische Unternehmen AMVAC.

Die „MONSANTO Papers“
Im Zuge der Klagen von US-amerikanischen Glyphosat-Geschädigten (siehe auch RECHT & BILLIG) kamen die Firmen-Unterlagen MONSANTOs zu dem Ackergift ans Licht der Öffentlichkeit. In diesen „MONSANTO Papers“ offenbaren die Konzern-WissenschaftlerInnen selber massive Zweifel an der medizinischen Unbedenklichkeit des unter dem Namen ROUNDUP vermarkteten Pestizides. „Man kann nicht sagen, dass ROUNDUP nicht krebserregend ist“, hält etwa die MONSANTO-Toxikologin Donna Farmer fest: „Wir haben nicht die nötigen Tests mit der Formulierung durchgeführt, um diese Aussage treffen zu können.“ Die Formulierung, also die mit Hilfe von Wirkungsverstärkern und anderen Substanzen erfolgte Weiterverarbeitung des Basis-Stoffes Glyphosat zum fertigen ROUNDUP, bereitete ihrem Kollegen William Heydens’ ebenfalls große Sorgen: „Glyphosat ist OK, aber das formulierte Produkt verursacht den Schaden.“ So hat es beispielsweise negative Effekte auf das Erbgut. Als eine Auftragstudie in dieser Hinsicht nicht genug Entlastungsmaterial liefern konnte, sondern den Befund sogar noch zu bestätigen drohte, schlug Heydens einfach vor, sich willigere WissenschaftlerInnen zu suchen. Wie die MONSANTO-Papers darüber hinaus belegen, griffen die Konzern-ForscherInnen zur Not auch selbst zur Feder, um ihrem Millionen-Seller einen Persilschein auszustellen, und kauften sich anschließend bekannte ExpertInnen ein, die für viel Geld ihren Namen unter den Text setzten. Zudem nutzte das Unternehmen all seinen Einfluss, um die Umweltbehörde EPA daran zu hindern, eine Untersuchung zu Glyphosat zu veranlassen.

BAYER vertreibt Bio-Stimulanzien
Der Leverkusener Multi vertreibt künftig die Bio-Stimulanzien BAYFOLAN, BAYFOLAN ACTIVATOR und COBRE des italienischen Unternehmens SICIT 2000. Eine entsprechende Vereinbarung zu den Produkten auf der Basis von Aminosäuren und Peptiden, die das Wachstum von Pflanzen anregen und ihre Widerstandskraft stärken, schlossen die beiden Unternehmen Ende 2017. Der Konzern baut damit sein Sortiment an Biologicals weiter aus. So hat er bereits die Bio-Pestizide REQUIEM, BIBACT und CONTANS sowie Saatgutbehandlungsmittel auf biologischer Basis im Angebot. Der Leverkusener Multi will wegen BAYFOLAN & Co. jedoch seinen Agrogift-Schrank nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. „Wir setzen auf integrierte Angebote für Nutzpflanzen. Also auf die Auswahl des passenden Saatguts und die beste Kombination aus chemischen und biologischen Produkten“, bekundet der Agro-Riese.

GENE & KLONE

Krebsgefahr durch „Gentechnik 2.0“?
BAYER setzt sowohl im Pharma- als auch im Agro-Bereich stark auf die „Gentechnik 2.0“, also zum Beispiel auf Gen-Scheren, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. So hat der Leverkusener Multi 2015 ein Kooperationsabkommen mit CELLECTIS PLANT SCIENCE in Sachen „Genome Editing“ geschlossen und gründete im selben Jahr ein Joint Venture mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS. 2016 schließlich traf der Konzern eine Lizenz-Vereinbarung mit der irischen Firma ERS GENOMICS. Diese sichert dem Pharma-Riesen den Zugriff auf mehrere Patente, die ERS auf die Anwendung der Schnippel-Technik CRISPR/Cas9 hält. Und genau diese Methode steht jetzt in Verdacht, Krebs-Erkrankungen zu befördern. Gleich zwei Studien warnen vor dieser „Nebenwirkung“. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht das Protein p53. Dieses flickt gebrochene DNA-Stränge und hemmt gleichzeitig das unkontrollierte, und deshalb Krebs befördernde Zell-Wachstum. Gen-Scheren meiden nach Möglichkeit Zellen mit dem p53-Protein, weil dieses sich unverzüglich daran macht, die Schnitte wieder zuzunähen, und halten lieber nach solchen ohne diesen Eiweiß-Stoff Ausschau. „Indem wir Zellen nehmen, die das beschädigte Gen erfolgreich repariert haben, nehmen wir vielleicht unbeabsichtigt immer gerade solche ohne funktionierendes p53“, erläutert die Wissenschaftlerin Dr. Emma Haapaniemi vom schwedischen Karolinska-Institut. Deshalb warnt sie: „Wenn diese Zellen einem Patienten transplantiert werden, beispielsweise zur Behandlung einer Erb-Krankheit, könnten sie die Krebsgefahr erhöhen, was Fragen zur Sicherheit der CRISPR/Cas9-Therapien aufwirft.“

BAYER will Gentech-Bakterien
Im Frühjahr 2018 hat der BAYER-Konzern seinen zahlreichen Kooperationen auf dem Gebiet der Gentechnik 2.0, dem so genannten Genome Editing (s. o.), eine neue hinzugefügt. Er gründete mit GINKGO BIOWORKS ein Joint Venture. Mit zusätzlichem Geld vom Hedgefonds VIKING GLOBAL versehen, wollen die beiden Unternehmen mit Hilfe der neuen Methoden Bakterien entwickeln, die der Landwirtschaft als Dünger dienen können.

Saatgut per Gentechnik 2.0
Zur Mitgift von MONSANTO gehörte auch eine Kooperation mit dem Startup-Unternehmen PAIRWISE PLANTS. Die Firma will mit Hilfe neuer gentechnischer Methoden, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können, Saatgut entwickeln. Auf der Wunschliste stehen unter anderem Soja, Mais, Weizen, Baumwolle, Raps, Kartoffeln und diverse Obst-Sorten.

USA: Kommt die Kennzeichnungspflicht?
Die USA wollen ab 2020 eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel einführen. Während VerbraucherschützerInnen die wenig eindeutigen Text-Vorschläge, die der Gesetzes-Entwurf enthält, kritisieren, betreiben BAYER & Co. schon einmal Extrem-Lobbying gegen die Pläne (siehe auch POLITIK & EINFLUSS).

KOGENATE unter Beobachtung
Im Jahr 2014 machten gleich zwei Studien auf eine bisher unbekannte Nebenwirkung von BAYERs Blutgerinnungspräparat KOGENATE und dem ebenfalls vom Leverkusener Multi entwickelten, jetzt aber von BEHRING vertriebenem Mittel HEXILATE NEXGEN aufmerksam. Neue, vorher nicht behandelte Bluter-Patienten reagieren auf diese beiden Gentech-Mittel der zweiten Generation öfter allergisch als auf Blutprodukte der dritten Generation, so der Befund. Für den Bluter-Weltverband „World Federation of Hemophilia“ legte dieses Ergebnis nahe, die Pharmazeutika Menschen mit frisch diagnostizierter Hämophilie lieber nicht zu verschreiben. Auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA reagierte. Sie wies BAYER und BEHRING an, in den Packungsbeilagen auf das erhöhte Risiko von Immun-Reaktionen hinzuweisen. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) beschäftigte sich im Februar 2018 mit KOGENATE & Co. Es sah einstweilen zwar keinen Handlungsbedarf, will die Mittel aber unter Beobachtung halten.

WASSER, BODEN & LUFT

Verwirr-Spiel um CO2-Emissionen
Der Leverkusener Multi treibt ein Verwirr-Spiel um seine klima-schädigende Kohlendioxid-Emissionen. Er berechnet die Menge auf zwei unterschiedliche Weisen, mit der standort-orientierten und mit der markt-orientierten Methode. Zudem gibt er diese einmal unter Einbezug des Chemie„park“-Betreibers CURRENTA an, an dem er eine 60-prozentige Beteiligung hält, und einmal nur für den Konzern selbst . Damit nicht genug, nennt das Unternehmen in seinem neuesten Geschäftsbericht für 2016 mit 4,64 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß auch andere Zahlen als im letzten Jahr, wo es noch 9,87 Millionen Tonnen waren. So ist dem für BAYER-Verhältnisse relativ niedrigen Wert für 2017 von 3,63 Millionen Tonnen kaum zu trauen.

Keine Strommix-Angaben
Wie bei den Angaben zu den Kohlendioxid-Emissionen rechnet der Leverkusener Multi auch bei den Angaben zum Energie-Einsatz seine 60-prozentige Tochter CURRENTA heraus und verschweigt darüber hinaus, in welchem Verhältnis bei dieser die relativ sauberen Strom-Quellen wie Erdgas zu schmutzigen wie Kohle stehen.

BAYER schädigt Ozonschicht
Seit Jahren schon sorgt hauptsächlich ein einziges Werk des Leverkusener Multis für den ganzen Ausstoß an ozon-abbauenden und deshalb ebenso wie Kohlendioxid klima-schädigenden Substanzen, den „Ozone Depleting Substances“ (ODS): die Niederlassung der Agro-Sparte im indischen Vapi. Und seit Jahren schon schraubt der Konzern auch ein bisschen an der Fertigungsstätte rum, so dass die Werte immer ein bisschen sinken. Aber 2017 summierten sie sich trotzdem noch auf 8.6 Tonnen (2016: 8,8).

870 Tonnen flüchtige Substanzen
Auch BAYERs flüchtige organische Substanzen entstammen hauptsächlich dem Werk im indischen Vapi. Den dortigen Sanierungsmaßnahmen sowie dem Verkauf eines Werkes in Frankreich geschuldet, ging der Ausstoß dieser gesundheitsschädlichen Gase 2017 etwas zurück. Von 920 auf 870 Tonnen sank der Wert.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Stickstoffoxiden, Schwefeldioxiden, Staub und Kohlenmonoxid hat sich bei BAYER 2017 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden stiegen von 1.500 Tonnen auf 1.520 Tonnen, während diejenigen von Schwefeldioxiden von 960 auf 920 Tonnen fielen. Bei Kohlenmonoxid reduzierten sich die Werte von 660 auf 610 Tonnen, und Staub wirbelte der Konzern genauso viel wie 2016 auf: 60 Tonnen.

BAYERs Abwasser-Frachten
Im Jahr 2017 sank BAYERs Phosphor-Eintrag in die Gewässer von 50 auf 40 Tonnen und der von organischem Kohlenstoff von 540 auf 390 Tonnen. Auch der Wert für Schwermetalle verminderte sich etwas. Er reduzierte sich von 2,1 auf 1,9 Tonnen. Dagegen legten die Einleitungen von Stickstoff und Anorganischen Salzen zu. Sie stiegen von 300 auf 400 Tonnen bzw. von 184.000 auf 188.000 Tonnen.

BAYER produziert mehr Müll
Im Jahr 2017 produzierte BAYER mehr Müll als 2016. Von 770.000 auf 846.000 Tonnen erhöhte sich die Gesamtmenge. Darunter befanden sich 485.000 Tonnen gefährlicher Abfall. Um 57.000 Tonnen stieg dessen Aufkommen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Chemikalien-Austritt in Berlin
Auf dem Gelände von BAYERs Berliner Pharma-Standort im Stadtteil Wedding kam es am 30.05.2018 zu einem Unfall. Es trat eine gefährliche Substanz aus, dessen Dämpfe zwei Personen verletzten. Der Leverkusener Multi erklärte, der Stoff hätte sich auf der Ladefläche eines LKWs befunden, der den Konzern belieferte, wäre aber nicht für ihn, sondern für einen anderen Kunden bestimmt gewesen.

IMPERIUM & WELTMACHT

Fragwürdige EU-Genehmigung
Die Europäische Union genehmigte die vom Leverkusener Multi geplante MONSANTO-Übernahme zunächst nur unter Vorbehalt. Hatte sie dem Konzern schon während des Verfahrens zur Auflage gemacht, sich von bestimmten Unternehmensteilen zu trennen, so wollte sie sich vor der endgültigen Zustimmung auch erst noch mal die potentiellen Käufer genauer anschauen. Diesen Prozess schloss Brüssel am 30. April ab. Die Generaldirektion Wettbewerb akzeptierte die BASF als neue Besitzerin von Cropscience-Produkten. Sie sieht in dem Ludwigshafener Unternehmen den geeigneten Kandidaten, um „den von BAYER ausgeübten Wettbewerbsdruck auf diesen Märkten zu ersetzen“. Der Erwerb der Geschäfte mit Gemüse-Samen, konventionellem und gentechnisch manipuliertem Saatgut, dem Pestizid Glufosinat, Saatgutbehandlungsmitteln wie PONCHO sowie mit Entwicklungen der digitalen Landwirtschaft durch die BASF reicht nach Ansicht der Kommission aus, BAYSANTO einzuhegen und für eine ausreichende Konkurrenz auf dem Agrar-Sektor zu sorgen. Dabei war am Tag der Brüsseler Entscheidung das Haltbarkeitsdatum des Veräußerungspakets schon überschritten – wofür die EU selber gesorgt hatte. Sie zog Glufosinat wegen seiner erbgut-schädigenden Wirkung und PONCHO wegen seiner Bienengefährlichkeit nämlich unlängst aus dem Verkehr. Damit fallen sie auf dem Gebiet der Europäischen Union – im Rest der Welt dürfen die Substanzen vorerst weiter ihr Unwesen treiben – als Gegengewichte zur BAYER-Dominanz aus. Eine Erklärung dazu hat die EU-Kommission der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nicht gegeben. Eine entsprechende Anfrage ließ sie unbeantwortet.

Der Grund für Dekkers’ Abgang
Im Jahr 2014 gab der BAYER-Konzern die Trennung von seiner Kunststoff-Sparte bekannt. Für die beiden verbliebenen Bereiche „Pharma“ und „Agrar“ hatte der damalige Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers eine Vision. Er plante, die beiden Abteilungen unter dem Label „Life-Science“ enger miteinander zu verknüpfen. „In allen Lebewesen, so unterschiedlich sie uns erscheinen mögen, folgen die molekularen Mechanismen gemeinsamen Regeln. Diese Gemeinsamkeiten wollen wir unter einem Dach zu unserem Vorteil nutzen“, erklärte der Holländer. Allerdings teilten viele verantwortliche ManagerInnen seine Vision nicht. Nicht einmal ein gemeinsamer Vorstandsworkshop konnte den Konflikt auflösen. Und diese Auseinandersetzung bewog Dekkers nach Informationen des manager magazins schlussendlich dazu, das Unternehmen vorzeitig zu verlassen.

Der Grund für Dietsch’ Abgang
Viele Investment-Gesellschaften beurteilten BAYERs Plan, MONSANTO übernehmen zu wollen, zunächst skeptisch. Den Fonds-ManagerInnen machte die damit verbundene hohe Schulden-Aufnahme Sorgen. Sie befürchteten eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Konzerns durch die Rating-Agenturen. Die Finanzmarkt-AkteurInnen von der Profitabilität des Coups zu überzeugen, war für den Leverkusener Multi deshalb kein leichtes Unterfangen (siehe auch KAPITAL & ARBEIT). Und den Finanz-Chef Johannes Dietsch kostete das nach Informationen des manager magazins sogar seinen Job. Weil Dietsch als Überzeugungstäter vor den GroßanlegerInnen nach Meinung des Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann keine gute Figur machte, wurde er durch Wolfgang Nickl ersetzt.

ÖKONOMIE & PROFIT

EU will Derivat-Markt beleben
Derivate – eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Schulden, Zinsen oder aber von Derivaten selber – hatten 2007 wesentlich mit zum Ausbruch der Finanzkrise beigetragen. Darum regulierte die EU diesen Markt im Jahr 2013 stärker. Sie schrieb für die Verbriefungs-deals eine Absicherung mit Eigenkapital und eine Registrierung vor. Der Leverkusener Multi, der Derivate laut Eigenauskunft „fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktionen“ nutzt, protestierte in Tateinheit mit anderen Konzernen scharf gegen die Maßnahmen. Und 2017 ruderte die Europäische Union tatsächlich wieder zurück und machte sich ans Deregulieren. Sie verkündete eine neue Verbriefungsverordnung, welche den Zweck hatte, „den EU-Verbriefungsmarkt zu beleben, um die Finanzierung der EU-Wirtschaft zu verbessern“. Im Zuge dieser Wiederbelebungsmaßnahme hat Brüssel beispielsweise für bestimmte Derivate das Unbedenklichkeitslabel STS (simple, transparent, standardised) eingeführt und für den Handel mit diesen Papieren die Eigenkapital-Anforderungen gesenkt. Der Vorschlag der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament ging genau in die gegenteilige Richtung. Die PolitikerInnen hatten für die Geschäfte mit den Derivaten eine Kapital-Unterlegung von 25 Prozent der Transaktionssumme gefordert. Zudem wollten sie Weiterverbriefungen unterbinden und es nicht mehr den Banken selber überlassen, die Risiken ihrer eigenen Finanzprodukte zu berechnen. Entsprechend vehement kritisierte Sven Giegold, der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament, den Europäischen Rat sowie die konservativen, liberalen und euroskeptischen EU-ParlamentarierInnen für die Unterstützung der Regelung. „Sie sind dabei, die Lehren aus der letzten Finanzkrise zu vergessen“, so Giegold.

BAYER verkauft COVESTRO-Aktien
Im Jahr 2015 gab der Leverkusener Multi die Trennung von seinem Kunststoff-Geschäft bekannt. Unter dem Namen COVESTRO brachte er es an die Börse. Seither verringert der Konzern seinen Aktien-Anteil an der ehemaligen Unternehmenssparte peu à peu. Der letzte Verkauf fand im Mai 2018 statt. Das Unternehmen veräußerte in diesem Monat rund 29 Millionen Papiere für 2,2 Milliarden Euro. Damit reduzierte sich die BAYER-Beteiligung an COVESTRO auf rund sieben Prozent. Der Global Player kappt die Verbindung so schnell, weil er Geld braucht, um die für die MONSANTO-Übernahme gemachten Schulden abzubauen.

RECHT & UNBILLIG

Erster Glyphosat-Prozess in den USA
Kaum hatte der Leverkusener Multi die letzten amtlichen Bestätigungen für die Genehmigung der MONSANTO-Übernahme erhalten, da musste er sich auch schon den mit diesem Deal verbundenen juristischen Risiken stellen. Mitte Juni 2018 begann in den USA das erste Schadensersatz-Verfahren in Sachen „Glyphosat“. Der 46-jährige DeWayne Johnson hatte die Klage eingereicht. Der Familien-Vater leidet am Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), einer bestimmten Form des Lymphdrüsen-Krebses, und macht das Herbizid dafür verantwortlich, das er in seinem früheren Beruf als Platzwart häufig einsetzen musste. Mit dieser rechtlichen Auseinandersetzung startet in den Vereinigten Staaten eine wahre Prozess-Lawine. Losgetreten hatte diese die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation mit ihrer Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“. Daraufhin zogen in den Vereinigten Staaten über 4.000 NHL-PatientInnen, die als LandwirtInnen, LandschaftspflegerInnen oder als Hobby-GärtnerInnen in Kontakt mit der Agro-Chemikalie gekommen waren, vor Gericht. Obwohl der „San Francisco County Superior Court“ die im Zuge anderer Verfahren ans Licht der Öffentlichkeit geratenen Firmen-Unterlagen zu dem Ackergift, die berühmt-berüchtigten MONSANTO-Papers, zur Beweisaufnahme zugelassen hat (siehe auch AGRO & CHEMIE), setzt BAYER auf Sieg. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zeigte sich „BAYER CROPSCIENCE“-Chef Liam Condon zuversichtlich, „das die Gerichte zu dem Schluss kommen werden, dass Glyphosat keine Gefährdung für die Gesundheit darstellt, wenn es vorschriftsmäßig eingesetzt wird“.

Glyphosat-Prozess in Frankreich
Französische ImkerInnen haben den BAYER-Konzern verklagt, weil ihr Honig Rückstände von dessen Pestizid Glyphosat enthielt und sie ihre Ware darum teilweise nicht mehr verkaufen konnten.

Glyphosat-Prozess in den USA
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA folgte der Einschätzung der Krebs-Agentur der Weltgesundheitsorganisation und nahm das jetzige BAYER- und frühere MONSANTO-Pestizid Glyphosat in seine Liste der wahrscheinlich krebserregenden Substanzen auf. In der Folge verfügte die „Food and Drug Administration“ das Anbringen von Warnhinweisen auf den Produkten und stellte das Einleiten von Glyphosat-Rückständen in Gewässer unter Strafe. MONSANTO klagte gegen die FDA-Entscheidung, konnte sich vor Gericht allerdings nicht durchsetzen.

Bt-Prozess in Indien
Das Oberste Gericht der indischen Hauptstadt New Dehli hat MONSANTO, dessen Rechtsnachfolger BAYER seit dem 7. Juni 2018 ist, das Recht abgesprochen, auf seine gentechnisch veränderte Bt-Baumwolle Patent-Ansprüche zu erheben. Die RichterInnen verwiesen dabei auf das indische Gesetz, das es nicht erlaubt, Saaten, Pflanzen oder Tiere zum geistigen Eigentum von Personen oder Unternehmens zu erklären. Der US-Konzern, der seine Labor-Frucht mit Genen des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt hatte, damit diese die Pflanze vor Schadinsekten schützen, reklamierte in dem Land deshalb in weiser Voraussicht nur für den Bacillus Schutzrechte. Das reichte nach Ansicht der JuristInnen aber nicht aus, um von Saatgut-Firmen Lizenz-Gebühren für die ganze Bt-Baumwolle verlangen können. Deshalb gaben sie der Klage des Unternehmens Nuziveedu statt. Die indische Aktivistin Vandana Shiva (siehe auch AKTION & KRITIK) begrüßte das Urteil als „Sieg für die Saatgut-Freiheit“. Rechtskräftig ist es allerdings noch nicht, da noch eine Berufungsverhandlung ansteht.

GroKo will Umwelt-Klagen einschränken
Mit der Aarhus-Konvention von 1998 fand der Umweltschutz Eingang in das internationale Recht. Seither können Umwelt-Organisationen vor Gericht ziehen, wenn etwa große Infrastruktur-Projekte der Natur zu schaden drohen. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeiten dafür in den zurückliegenden Jahren sogar noch erweitert. So müssen die Verbände seit 2011 nicht mehr im Namen der Interessen Einzelner klagen, sondern sind berechtigt, dies auch im Namen der Interessen der Allgemeinheit zu tun und sich damit beispielsweise zu AnwältInnen des Artenschutzes zu machen. Nun aber kündigt die Bundesregierung an, das Rad zurückzudrehen. Prozesse, wie es sie etwa gegen die Öffnung von BAYERs Dhünnaue-Deponie im Zuge der Erweiterung der Autobahn A1 oder gegen die Kohlenmonoxid-Pipeline des Leverkusener Multis gab, verzögern die Bau-Vorhaben nach Ansicht der Großen Koalition zu sehr. Die Devise von CDU und SPD lautet stattdessen „Planungsbeschleunigung“, weshalb die Parteien „das Verbandsklage-Recht in seiner Reichweite überprüfen“ wollen, wie es im Koalitionsvertrag heißt.

2.900 MIRENA-Klagen
BAYERs Hormon-Spirale MIRENA hat Nebenwirkungen wie nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen, Unruhe, Schlaflosigkeit, permanente Bauchkrämpfe und Oberbauchschmerzen. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erhielt bereits 45.000 Meldungen über unerwünschte MIRENA-Effekte. Darum reichten in den Vereinigten Staaten 2.900 Frauen Klagen gegen den Leverkusener Multi ein (Stand: 30.01. 2018).

22.000 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen. Allein bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA gingen bis zum 1.03.2018 mehr als 85.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Mit 22.000 Klagen müssen sich die RichterInnen mittlerweile beschäftigen (Stand: 30.01. 2018).

16.000 ESSURE-Klagen
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommende Sterilisationsmittel, beschäftigt in den USA zunehmend die Gerichte. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden von Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Darum nimmt die Zahl der Klagen immer mehr zu und liegt mittlerweile bei 16.000 (Stand: 30.01. 2018).

Sammelklage gegen BAYER wg. GAUCHO?
BAYERs Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie GAUCHO und PONCHO haben mit für ein massives Bienensterben gesorgt. Kanadische ImkerInnen wollen den Leverkusener Multi deshalb juristisch zur Verantwortung ziehen. In Quebec und Ontario haben sie sich deshalb vor Gericht um die Zulassung von Sammelklagen bemüht.

Asbest-Klagen
Nur in der Bau-Branche kam mehr Asbest zum Einsatz als in der Chemie-Industrie. Der hierzulande seit 1993 verbotene Stoff fand sich in Zement, Abdichtungen und Wärme-Isolierungen wieder. Desweiteren umhüllte die Substanz säure- und laugen-führende Leitungen. Filter, Lacke, Beiz-Wannen, Lager-Behälter und Reaktionsbehältnisse enthielten diese ebenfalls. Der Leverkusener Multi wusste um die Risiken und Nebenwirkungen des Silikat-Minerals, setzte seine Beschäftigten aber trotzdem weiter der Gefahr von Asbest-Vergiftungen aus. „Expositionen gegen Asbest“ zählten deshalb lange Zeit zu den häufigsten Berufskrankheiten bei dem Konzern. Darüber hinaus hat in den USA eine Beteiligungsgesellschaft von BAYER die Rechtsnachfolge von Firmen angetreten, die bis 1976 Asbest-Produkte verkauften. Deshalb sieht das Unternehmen sich dort mit mehreren Klagen konfrontiert. Allerdings mahlen Justitias Mühlen langsam. Bereits seit Jahren führt der Global Player diese gerichtlichen Auseinandersetzungen in seinen Geschäftsberichten unter der Rubrik „rechtliche Risiken“ auf.

Hawaii verbietet Sonnencremes
Durch badende StrandurlauberInnen gelangen große Mengen von Sonnencreme in die Meere. Bestimmte Mittel können dabei Korallen und anderen aquatischen Lebewesen schaden. Darum hat der US-amerikanische Bundesstaat Hawaii Produkte mit den Beistoffen Oxybenzon und Octinoxat, wie etwa BAYER sie unter dem COPPERTONE-Label vertreibt, verboten. Der Leverkusener Multi protestierte umgehend: „Die Verwendungen von Sonnencreme-Ingredienzien zu verbieten, welche die ‚Food and Drug Administration’ (die US-amerikanische Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) als effizient und sicher ansieht, schränkt nicht nur die Wahlfreiheit der Konsumenten ein, sondern unterminiert auch die Hautkrebs-Vorsorge.“

[HV-Reden] Redebeiträge HV 2018

CBG Redaktion

Kritische Redebeiträge in der Hauptversammlung der BAYER AG am 25. Mai 2018:

=> Annette Seehaus-Arnold (Vizepräsidentin des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes):
Bienensterben

=> Wiebke Schröder(SumOfUs):
Bienensterben

=> Ralf Bertram (Imkermeister):
Die Bienengefährlichkeit des Pestizids BISCAYA

=> Mute Schimpf (Friends of the Earth Europe):
Digitalisierung der Landwirtschaft

=> Keneth Dietrich:
Bayer aus Leverkusener Perspektive

=> Sanjay Kumar:
Reputations- und andere Risiken

=> Thomas Cierpka (IFOAM):
Nachhaltigkeit bei Bayer

=> Silvia Bender (BUND):
Neonikotinoide, Glyphosat, Monsanto, Gentechnik

=> René Lehnherr:
Monsanto

=> Bernward Geier:
Die ökologische Alternative „Sikkim“

=> Dr. Beate Kirk:
Duogynon und die Hormonspirale Mirena

=> Lars-Ulla Krajewski:
Die Gefahren der Dhünnaue-Öffnung

=> Karl Bär (Umweltinstitut München):
Die Gefahren von Sivanto

=> Christoph Koch (Imker):
10 Jahre dokumentierte Bienenvergiftung durch BAYER-Produkte

=> Dr. Gottfried Arnold (Kinderarzt):
Glyphosat, Duogynon und andere hormonähnliche Substanzen

=> Alan Tygel (Permanente Kampagne gegen Agrargifte und für das Leben):
Bayer in Brasilien

=> Georg Wehr (Gadolinium-Selbsthilfegruppe):
Die Gefahren gadolinium-haltiger Röntgen-Kontrastmittel

=> Tilman Massa (Dachverband):
Die Sustainable Development Goals und BAYER in Lateinamerika

=> Christian Russau (Dachverband):
Pestizide in Brasilien

=> Jan Pehrke (CBG):
Der MONSANTO-Deal und weitere CBG-Gegenänträge

[Alan Tygel] Hauptversammlung 2018

CBG Redaktion
Alan Tygel (Permanente Kampagne gegen Agrargifte und für das Leben) Bayer in Brasilien -ES GILT DAS GESPROCHENE WORT- Sehr geehrte Damen und Herren, mein Name ist Alan Tygel, ich bin von der brasilianischen „Permanenten Kampagne gegen Agrargifte und für das Leben“ (Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida!). Aus der Sicht von BAYER ist Brasilien ein sehr vielversprechendes Land. Brasilien ist das Land, das am meisten Agrargifte verbraucht, und dies weltweit. Und Brasilien ist das Land, das das größte Wachstum beim Verkauf von Agrargiften verspricht. In Brasilien war BAYER im Jahr 2014 die Firma, die am zweitmeisten Agrargifte verkaufte. Nach dem Kauf von MONSANTO wird BAYER auf Platz 1 landen, mit einem Marktanteil von rund 23 Prozent. Und Brasilien hat die weltweit zweitgrößte Anbaufläche von gentechnisch modifiziertem Saatgut. Im Gegensatz zum Land mit dem weltweit größten Flächenanbau gentechnisch veränderter Pflanzen – den USA – hat Brasilien aber noch Platz beim Baumwollanbau. Hinzu kommt, dass die für die Registrierung gentechnisch veränderter Pflanzen zuständige Behörde, die CTNBio, in der Frage „Anbaugenehmigungen für neue transgene Kulturen“ sehr unternehmenfreundlich agiert. So wird es wenig wundern, wenn in Kürze 2 Millionen Hektar Land für den transgenen Reisanbau freigegeben werden. Das ist das Brasilien von BAYER. Das ist das Brasilien von MONSANTO. Es gibt aber auch ein anderes Brasilien. Das Brasilien, wo ich wohne. Das ist das Land der kleinbäuerlichen Landwirtschaft, das Land der Diversität der Nahrungsmittel, das Land des Manioks und des einheimischen Mais’. Es ist dieses Brasilien, wo unsere „Permanente Kampagne gegen Agrargifte und für das Leben“ die Stimmen von Millionen von Menschen zu einer Stimme vereint. Und diese Stimme sagt „Nein!“ zu Agrargiften und zu transgen modifizierten Pflanzen und Saatgut. Und diese Stimme sagt „Ja!“ zum Aufbau einer Bewegung hin zur Agrarökologie. In dem anderen Brasilien sind es jedes Jahr 6.000 Menschen, die wegen Intoxikation durch Agrargifte medizinisch behandelt werden müssen. Aber wir wissen, dass die realen Zahlen mit Sicherheit zehnfach größer sind. Denn die Mehrzahl der Vergifteten lebt auf dem Land, dort, wo es keinen oder kaum Zugang zu medizinischer Versorgung gibt. Landwirte begehen Selbstmord, Kinder werden mit Schäden geboren, Babys weisen Anzeichen von Pubertät auf. Alles nachgewiesenermaßen wegen der Agrargifte. In den Veröffentlichungen zu sozialer und Umweltverantwortung schreibt BAYER, dass Sie empfehlen, die Hinweise der Packungsbeilage, die genaue Eichung der Anwendungsgeräte, die Nutzung vorgeschriebener Schutzkleidung und die Reinhaltung der Gerätschaften zu beachten. Ich frage Sie daher: Meinen Sie, dass BAYER durch solche Hinweise frei sei von Schuld für all die Vergiftungen und all das Leid? Sind also die Opfer selbst schuld? Das in Brasilien registrierte Portfolio an Agrargiften von BAYER umfasst 109 Produkte, die aus 50 verschiedenen Wirkstoffen hergestellt werden. Ihre Verkaufsschlager in Brasilien sind die auf Basis von Carbendazim und Imidacloprid hergestellten Produkte. Beide Wirkstoffe stehen auf der Liste der zehn am meisten genutzten Stoffe. Ist es nun purer Zufall, dass der eine der beiden Stoffe in der EU verboten ist, der andere gerade verboten wird? Daneben verkauft BAYER in Brasilien 8 weitere in Produkten verwendete Wirkstoffe, die in der EU verboten sind: Thidiazuron, Thiodicarb, Ioxynil, Iprodion, Indaziflam, Ethiprole, Ethoxysulfuron und Chlorhydrat Propamocarb. Ich frage Sie: Halten Sie Ihre Politik, in Deutschland längst verbotene Agrargifte in Entwicklungsländer zu schicken, für ethisch vertretbar? Was wird BAYER mit dem Glyphosat von MONSANTO tun, wenn es in der EU in Kürze verboten wird, da es krebserregend sei? Gegenwärtig wird in Brasilien ein enormer Druck ausgeübt, damit das bestehende Gesetz zu Agrargiften gekippt werde. An seiner Stelle schlagen die Kongressabgeordneten der Großfarmerfraktion ein Gesetz zu Pflanzenschutzmitteln vor. Dieses würde die Rolle der Gesundheits- und der Umweltbehörden bei der Registrierung der Agrargifte beschneiden, und es würde die Vorschriften zur Registrierung krebserregender Agrargifte abschaffen. Aktuell haben 250.000 Menschen eine Petition gegen dieses Gesetzesvorhaben unterzeichnet, – aber dieses Gesetz wird offen unterstützt von Sindiveg, dem Branchenunternehmerverband, bei dem MONSANTO und BAYER Mitglieder sind. Im vergangenen Jahr hat MONSANTO an 9 Treffen mit dem brasilianischen Agrarministerium teilgenommen, und BAYER an 6, einige von diesen Treffen waren direkt mit Brasiliens Landwirtschaftsminister Blairo Maggi. Hält BAYER es für gerechtfertigt, zum Zwecke der Schwächung der Gesetzgebung in unterentwickelten Ländern und um in Deutschland bereits verbotene Produkte nach Brasilien liefern zu können, Lobbyarbeit zu machen? In Bezug auf die transgenen Pflanzen gibt es bei BAYER in Brasilien ebenfalls einiges zu kritisieren: Gegenwärtig hat BAYER in Brasilien elf Patente auf transgenes Saatgut. Nach der Übernahme von MONSANTO, das 23 Patente hat, wäre BAYER die Herrin über fast die Hälfte aller 75 in Brasilien gemeldeten transgenen Modifikationen. Heute reden Sie viel darüber, transgene Pflanzen seien nachhaltig und trügen zur Reduzierung der Agrargifte bei. In Wahrheit aber erleben wir eine tragische Umweltverseuchung, den Verlust eines jahrhundertelang bewahrten genetischen Erbes und einen massiven Anstieg beim Verbrauch der Agrargifte. Der Fall des Falters Baumwoll-Kapseleule (Helicoverpa Armigera) zeigt sehr klar das Problem: Im Jahr 2012 explodierte die Population des Falters, da der gentechnisch veränderte Bt-Mais ihm nichts mehr anhaben konnte. In weiten Teilen des brasilianischen Nordosten kam es daraufhin zu einer extremen Notsituation, es kam zu einem volkswirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe. Als Reaktion darauf importierte Brasilien ein Agrargift, das eigentlich im Land schon längst verboten war, weil es höchst nervenschädigend wirkt: Emamectinbenzoat. Das so transgen-freundlich eingestellte Agrarministerium sah zwar die Schuld bei dem transgenen Mais, aber setzte sich im letzten Jahr dennoch über das Gesetz hinweg – und erteilte dem Emamectinbenzoat in Brasilien die Zulassung. Zwischen 2007, als das erste transgene Produkt aus dem Hause BAYER in Brasilien registriert wurde, und dem Jahr 2014 stieg der Verbrauch von Agrargiften um 52 Prozent an. Jüngsten Studien zufolge geht dieser Anstieg zum großen Teil auf das transgene Soja zurück, ein Bereich, in dem MONSANTO der Verkaufs-Champion ist. Vor diesem ganzen Hintergrund würden wir gerne wissen: Beinhaltet Ihr Verständnis von Nachhaltigkeit diesen hohen hohen Verbrauch an Agrargiften, der durch die Anwendung transgener Pflanzen induziert wird? Beinhaltet Ihr Verständnis von Nachhaltigkeit die Kontamination der Umwelt und ökologisches Ungleichgewicht, das durch eine tiefe Missachtung der Menschenrechte der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern hervorgerufen wird? Sehr verehrte Damen und Herren Aktionärinnen und Aktionäre: Wenn Sie meinen, Brasilien sei das Land des Gewinnes egal um welchen Preis und auf wessen Kosten, und wenn Sie meinen, dass Sie in unser Land all Ihren Müll, der hier zu nichts mehr taugt, abladen können, dann seien Sie gewiss, dass wir Widerstand leisten werden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.