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Beiträge verschlagwortet als “Steuerflucht”

[BAYER im Monolog] Viele Fragen und keine Antworten

CBG Redaktion

Im letzten Jahr hatte der Agro-Riese BAYER als erstes DAX-Unternehmen die Ungunst der Stunde genutzt, um seine Hauptversammlung rein online abzuhalten. Als „digitaler Pionier“ feierte er sich selbst dafür. Die Pioniertat bestand jedoch einzig darin, mit dieser Flucht ins Internet die Konzern-KritikerInnen auszusperren. Dementsprechend groß war die Empörung. Darum gelobte das Unternehmen nun Besserung. Aber Nennenswertes kam dabei nicht heraus, dazu hatte das Unternehmen auch 2021 wieder viel zu viel zu verbergen.

Von Jan Pehrke

Selbstbeweihräucherung musste sich BAYER-Chef Werner Baumann in seiner diesjährigen Eröffnungsrede zur Hauptversammlung erst einmal verkneifen. Der Konzern legte nämlich eine desaströse Bilanz vor. Die gnadenlose Profit-Jagd ohne Rücksicht auf Verluste wirkte sich erstmals auch auf die Geschäftszahlen aus. Die vielen Rechtsfälle, die aus Klagen von Geschädigten seiner Produkte erwachsen, zwangen das Unternehmen zu „Sonderaufwendungen“ in Höhe von rund 13 Milliarden Euro. Das führte beim Konzern-Ergebnis zu einem saftigen Minus von 10,5 Milliarden Euro. Ein Großteil der Rückstellungen wegen „rechtlicher Risiken“ entfallen dabei auf Glyphosat. Aber die „Rechtskomplexe“ betreffen längst nicht nur dieses von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid. Das Ackergift Dicamba, die Industrie-Chemikalie PCB und die Sterilisationsspirale ESSURE beschäftigen die Gerichte ebenfalls.
„Ich möchte direkt zu Beginn die Dinge beim Namen nennen“, hob der Vorstandsvorsitzende deshalb an und gestand „die enttäuschende Entwicklung unseres Aktien-Kurses“ ein. „Damit können wir nicht zufrieden sein“, hielt Baumann fest und ließ auch keine Ausreden wie Sonderbelastungen oder Währungseffekte gelten. „Wir tragen die Verantwortung – und zwar ohne Wenn und Aber“, konstatierte er und versicherte den AktionärInnen: „Wir wollen ihr Vertrauen wieder zurückgewinnen. Dafür arbeiten wir sehr hart.“

Aggressives Wachstum
Damit war die Übung in Demut allerdings schon wieder vorbei. Da in den ersten Monaten des Jahres viel Geld in die Kasse geflossen war, hatte Baumann nunmehr Oberwasser. „Das Marktumfeld hat sich inzwischen deutlich gebessert. Der erhebliche Nachfrage-Anstieg bei Agrar-Produkten hat zu steigenden Preisen geführt“, konstatierte er und sah den Konzern auf dem richtigen Kurs – trotz oder gerade wegen Corona: „Denn eins hat uns die Pandemie gelehrt: Es gibt nichts Wichtigeres als die Gesundheit und die Ernährung der Menschen.“ Der Beitrag des Leverkusener Multis dazu fiel bei Licht besehen allerdings bescheiden aus und beruhte auf Panik-Käufen. Viele VerbraucherInnen vermeinten sich nämlich mit den Nahrungsergänzungsmitteln von BAYER gegen Corona wappnen zu können und verhalfen diesem Produkt-Segment deshalb zu einem Umsatz-Plus von 23 Prozent. Ansonsten war nicht viel. Die zweite Karriere der Malaria-Arznei Chloroquin als Mittel gegen Covid-19 endete im letzten Jahr kläglich, schon bevor sie recht begann. So blieb dem Unternehmen nur die Rolle einer verlängerten Werkbank für den Impfstoff-Entwickler CUREVAC. Und satt werden die Menschen auch nicht durch den Leverkusener Multi. Seine Ackerfrüchte landen nämlich ganz woanders: in den Tierfutter-Trögen und Tanks. Aus diesem Grund litt die Agrar-Sparte unter der wegen Corona eingeschränkten Mobilität. Einen „geringeren Bedarf an Bio-Kraftstoffen“ beklagte Werner Baumann vielsagend.
Nicht fehlen darf in seinen Reden stets der Science-Fiction-Part, wird doch an den Börsen vornehmlich die Zukunft gehandelt. Bei der Forschung wähnte der Große Vorsitzende BAYER dementsprechend ganz weit vorne und just an der Stelle operierend, wo der inzwischen verstorbende APPLE-Gründer Steve Jobs künftig Durchbrüche erwartet, nämlich „an der Schnittstelle von Biologie und Technologie“. Als Beispiele für solche Leverkusener „Bio-Revolutionen“ nannte er die Gentechnik 2.0 mit CRISPR & Co. sowie die Arbeiten zum menschlichen Mikrobiom.
In der anschließenden Rede vom Aufsichtsratsvorsitzenden Norbert Winkeljohann war dann von Bußfertigkeit trotz der beeindruckenden Schadensbilanz des Konzerns überhaupt nichts mehr zu spüren. „Ihre Gesellschaft, die BAYER AG, hat sehr gute Voraussetzungen, ein wertstarkes Unternehmen zu werden“, versicherte er den AktionärInnen: „Wie dargestellt stehen aggressives Wachstum, Ertrags- und Wertsteigerung im Zentrum unserer Aktivitäten.“

Alle Fragen offen
Dann begann das, was in vorpandemischem Zeiten „Aussprache“ hieß. War es schon damals so recht keine, dann galt dies nun erst recht für die Online-Hauptversammlung. „Werner Baumann kann froh sein, dass die BAYER-Hauptversammlung am Dienstag nur virtuell stattfindet. Sonst müsste sich der Vorstandschef stundenlang einem Sperrfeuer stellen“, bemerkte die Rheinische Post treffend. „BAYER im Monolog“ – damit wäre treffend charakterisiert, was sich stattdessen an dem 27. April in dem Riesenstudio mit den fünf BAYER-Vorständen allein auf weiter Flur, flankiert nur von einem Notar, abspielte.
Same procedure as last year also. Allerdings gab es ein paar Neuerungen, denn die Flucht des Global Players ins Internet hatte einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die Hauptversammlungsregelungen des „Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie“, an denen die Konzerne kräftig mitgeschraubt hatten, erlaubten den Aktien-Gesellschaften, viele AktionärInnen-Rechte einzuschränken. So ließ der Leverkusener Multi im letzten Jahr keine Reden zu, sondern nur noch noch Fragen. Noch nicht einmal die Namen der FragestellerInnen nannte er. Und damit fehlte das Wesentliche. Es macht eben einen fundamentalen Unterschied, ob etwa eine Medikamenten-Geschädigte vor das Mikrofon tritt, ihre Leidensgeschichte erzählt und am Schluss fragt, wann BAYER die betreffende Arznei endlich vom Markt zu nehmen gedenkt, oder ob es einfach heißt: „Eine Aktionärin fragte nach dem Produkt DUOGYNON.“
Nach der massiven Kritik von Seiten der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, aber auch der „Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapier-Besitz“, gelobte Werner Baumann diesmal Besserung. Er bekundete, der Konzern habe das „Feedback aufgenommen“ und „mehr interaktive Elemente eingebaut“. Das Rede-Recht wollte er seinen AktionärInnen zwar immer noch nicht zugestehen, jedoch konnten diese Video-Statements abgeben. Auch durften die AktienhalterInnen nun wenigstens Nachfragen stellen, wenn der Global Player ihrer Meinung nach Antworten schuldig geblieben war.
Allerdings wollte der Gentech-Gigant die einzelnen Fragen immer noch nicht konkreten Personen oder Gruppen zuordnen. Er stellte die Fragen vielmehr zu bestimmten Blocks zusammen, beantwortete sie in einem Aufwasch und führte zu Beginn alle FragestellerInnen gemeinsam auf. „Wir kommen jetzt zum nächsten Themen-Komplex ‚Strategie’, und hier haben uns Fragen von folgenden Aktionärinnen und Aktionären erreicht: Marc Tüngler von der ‚Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapier-Besitz’ (DSW), Hendrik Schmidt von DWS INVESTMENT, Janne Werning von UNION INVESTMENT, Ingo Speich von DEKA INVESTMENT, COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und ihnen nahestehenden Personen und Organisationen ...“, so hörte sich das dann an. Und bisweilen war es unmöglich, in der langen Antwort auch nur den Part zu identifizieren, welcher die CBG betraf, weil die Vorstände die Fragen oft in ihren eigenen Worten wiedergaben. Nur wenn es hieß: „Eine Frage unterstellt, dass ...“, bestand kein Zweifel daran, dass die Coordination oder „ihr nahestehende Personen und Organisationen“ sie gestellt hatten. Dementsprechend hielt sich der Informationswert der ManagerInnen-Verlautbarungen für Außenstehende in Grenzen.
Zudem ließ der Konzern nicht wenige Fragen unter den Tisch fallen und verweigerte viele Auskünfte, z. B. darüber, wie viel Geld er jeweils in konventionelle und gentechnologische Pflanzenzüchtungsprojekte steckt. Aus „Wettbewerbsgründen“ wollte er dazu ebenso wenig etwas sagen wie zu den Entwicklungskosten für die Gen-Scheren im Vergleich zur Gentechnik 1.0 sowie zu den Geschäften mit seiner Gentech-Baumwolle: „Bezüglich der Bt-Baumwolle bitten wir um Verständnis, dass wir Verkaufszahlen auf Produkt-Ebene nicht ausweisen.“ Wie viel Kohlendioxid bei der extrem energie-intensiven Herstellung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor im US-amerikanischen Soda Springs anfällt, behielt das Unternehmen ebenfalls für sich. „Wir erheben die Emissionen von einzelnen Standorten nicht“, erklärte der Vorstandsvorsitzende. Und auch zum Stand der Dinge bei den Ermittlungen in Sachen „IBEROGAST“ – die Kölner Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht der gefährlichen Körperverletzung nach, weil eine Patientin nach der Einnahme des Magenmittels verstarb – äußerte sich der BAYER-Chef nicht. „Wir bitten (...) um Verständnis, dass wir zu laufenden rechtlichen Verfahren keine Angaben machen“, so Baumann, um dann doch ein Plädoyer für die Arznei zu halten: „IBEROGAST ist ein bewährtes, wirksames und auch sicheres Medikament. Dies ist durch eine Anzahl von klinischen Studien und Anwendungsbeobachtungen belegt.“
Auch zu seinen anderen umstrittenen Produkten stand der Gentech-Gigant in Treue fest. „Die von nationalen und internationalen Zulassungsbehörden durchgeführten Bewertungen haben ergeben, dass Glyphosat bei sachgerechtem Einsatz sicher und nicht krebserregend ist“, beschied der Große Vorsitzende. Die Ribonukleinsäure-Interferenz (RNAi) – eine Gen-Technologie, die in dem neuen Labor-Mais der SMARTSTAX-Produktlinie zur Anwendung kommt, um die Pflanze vor dem Maiswurzelbohrer zu schützen – hält der Konzern ebenfalls für sicher. Der Initiative TESTBIOTECH zufolge kann die Ribonukleinsäure zwar mit der Darmflora von Mensch und Tier interagieren, in den Blutkreislauf gelangen und sogar in die Steuerung von Genen eingreifen, aber BAYER ficht das an. „Uns liegen keine verlässlichen wissenschaftlichen Nachweise dafür vor, dass die sachgerechte Anwendung von Produkten mit einer Wirkungsweise auf RNAi-Basis zu negativen Effekten führt“, konstatierte der Agrar-Vorstand Liam Condon. Das Hormon-Mittel DUOGYNON, das die jetzige BAYER-Tochter SCHERING bis 1978 auch unter dem Namen PRIMODOS als Schwangerschaftstest vermarktete, obwohl es katastrophale Folgen für Neugeborene hatte, erhielt ebenfalls die Absolution des Unternehmens. „BAYER schließt PRIMODOS bzw. DUOGYNON nach wie vor als Ursache für embryonale Missbildungen aus“, bekundete Pharma-Vorstand Stefan Oelrich.

Krokodilstränen
Darum beließ der Konzern es den Betroffenen gegenüber stets dabei, Betroffenheit zu heucheln: „Das Schicksal von Menschen, die infolge von körperlicher Behinderung täglich zu kämpfen haben, tut uns sehr leid.“ Einem ehemaligen Heimkind, das in den 1960er Jahren als Versuchskaninchen für BAYER-Psychopharmaka herhalten musste, antwortete Oelrich: „Dass Ihre eigenen Erfahrungen in diesem Zusammenhang so schlecht sind und Sie und andere Menschen darunter bis heute leiden, das bedauere ich sehr.“ Er wusste zwar auch nicht mehr zu sagen, warum diese Tests damals gemacht wurden, aber eines konnte er auf jeden Fall ausschließen: „eine missbräuchliche Durchführung von Prüfungen oder Studien mit diesen Produkten durch unser Unternehmen“.
Und auch für die 78-jährige Tran To Nga, die im Vietnam-Krieg durch das Versprühen von Agent Orange massive gesundheitliche Schäden erlitten hatte und deshalb zurzeit vor einem französischen Gericht von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO Schadensersatz fordert, blieb nur eine Beileidsbekundung. „Obwohl wir Frau Tran To Nga großes Mitgefühl entgegenbringen, glauben wir, dass es zahlreiche Gründe gibt, die die Abweisung dieses Falles rechtfertigen.“ Auf die Frage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), ob der Konzern den Einsatz von Agent Orange als Kriegsverbrechen einschätzt, antwortete Agrar-Chef Liam Condon derweil: „MONSANTO und andere Hersteller haben Agent Orange im Auftrag der US-Regierung hergestellt. Die US-Regierung legte strenge Bedingungen für die Produktion von Agent Orange fest und entschied, ob, wann, wo und wie das Mittel eingesetzt wurde. Uns steht es nicht zu, Jahrzehnte nach Ende des Vietnam-Konflikts die politischen und militärischen Handlungen der damaligen Konflikt-Parteien völkerrechtlich zu bewerten.“ Was er dann aber doch tat: „Kein Gericht hat festgestellt, dass die Hersteller durch die Produktion des Entlaubungsmittels für den Kriegsgebrauch der US-Regierung gegen das Völkerrecht verstießen. Die US-Gerichte wiesen diese Anschuldigungen ausdrücklich zurück und kamen zu dem Schluss, dass die Hersteller nicht für Schadensersatz-Ansprüche haften müssen.“ Die keineswegs nur passive Rolle, die MONSANTO beim „Herbicidal warfare“ spielte, verschwieg er dabei wohlweislich: Das Unternehmen hatte sich bereits seit 1950 im regen Austausch mit der Chemiewaffen-Abteilung des Militärs über die Kriegsverwendungsfähigkeit des Mittels befunden.
Angesichts der desaströsen Schadensbilanz der BAYER-Produkte wollte die CBG wissen, warum der Konzern seine Geschäftspolitik nicht radikal ändert und die Sicherheit seiner Erzeugnisse sorgfältiger prüft. Aber Werner Baumann sah keine Defizite in diesem Bereich und folglich auch keinen Anlass zu einem Strategie-Wechsel: „Die Sicherheit der Anwendung unserer Produkte ist uns ein zentrales Anliegen und ein sehr hohes Gut. Im Rahmen der Produkt-Entwicklung prüfen wir gemäß geltender regulatorischer Anforderungen und teilweise weit darüber hinaus gehend die Sicherheit unserer Produkte auf das Genaueste.“

Keine Reue
Auch ansonsten zeigte sich der Global Player nur wenig reumütig. Trotz der ganzen Glyphosat-Klagen und der schwachen Erträge der zusammengelegten Agrar-Sparten von BAYER und MONSANTO verteidigte Baumann die Akquisition: „An der langfristigen strategischen Logik des Zusammenschlusses hat sich (...) nichts geändert. Der Ansatz, unser Cropprotection-Geschäft vollständig vertikal zu integrieren mit dem führenden Anbieter von Saatgut und so zum führenden Anbieter in diesem Bereich zu werden, ist weiterhin überaus valide.“ Das Vorgehen, in den Staaten des globalen Südens Pestizide zu vertreiben, die in der Europäischen Union wegen ihrer Gefährlichkeit keine Zulassung (mehr) haben, rechtfertigte das Unternehmen ebenfalls. „Richtig ist, dass wir in einigen Ländern Pflanzenschutzmittel vertreiben, die in der EU nicht zugelassen sind. Dies ist aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen der landwirtschaftlichen Praxis auch nicht überraschend und sagt nichts über die Sicherheit der jeweiligen Pflanzenschutzmittel aus“, so Condon. Im Übrigen seien umgekehrt auch viele Ackergifte, die etwa in Brasilien keine Genehmigung hätten, in der EU zugelassen, betonte er allen Ernstes. Die Aktien-Gesellschaft machte auch keine Anstalten, von dieser Politik der doppelten Standards abzurücken. Allein in Brasilien verkauft das Unternehmen zwölf hierzulande nicht genehmigte Ackergifte und in Südafrika sieben. Zumindest eines von ihnen – Carbendazim – will es in Zukunft nicht mehr vermarkten. Die Coordination fragte deshalb, ob der Konzern noch weitere Ausmusterungen plant. Das verneinte der Cropscience-Leiter jedoch. „Wir treffen kontinuierlich Entscheidungen über unsere Produkte auf der Basis von Sicherheitsaspekten aber auch von anderen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Erwägungen für Landwirte. In diesem Kontext bestehen derzeit keine Absichten, die genannten Wirkstoffe aus den Märkten zu nehmen“, führte der Ire aus.
Kritik an seinem Steuergebaren wies der Leverkusener Multi ebenfalls zurück, obwohl er nach einer Studie der Grünen im Europa-Parlament in den letzten zehn Jahren durch kreative Buchführung rund drei Milliarden Euro an Abgaben sparte. Damit nicht genug, trat der Global Player durch die Verlagerung seiner Patent-Abteilung ins nordrhein-westfälische Steuer-Paradies Monheim auch noch einen gnadenlosen Unterbietungswettbewerb der Kommunen los. In dessen Folge senkte BAYERs Stammsitz Leverkusen 2019 die Sätze drastisch. Der Konzern jedoch war sich an diesem 27. April keiner Schuld bewusst. „Wir begrüßen alle Bemühungen der Stadt Leverkusen für einen wettbewerbsfähigen Standort“ erklärte Finanzvorstand Wolfgang Nickl frank und frei. Der Manager räumte auch ein, dass der Global Player dabei ein Wörtchen mitredete: „Bei allen wichtigen Kommunen stehen wir im regelmäßigen Austausch mit den jeweiligen Kämmerern.“ So wusste das Unternehmen schon früh über die Pläne der Stadt Bescheid. Das wurde „dann auch im Rahmen aktueller Restrukturierungsprojekte berücksichtigt“, so Nickl, und führte zur Rückverlagerung einiger Unternehmensteile nach Leverkusen.

Klartext
Mit den von der CBG eingereichten Fragen konnte der BAYER-Konzern so einiges anstellen: Sie ganz wegfallen lassen, sie in seinen eigenen Worten so wiedergeben, dass ihr kritischer Gehalt verschwand, sie kaltstellen, indem sie gemeinsam mit denen der Investment-Gesellschaften beantwortet wurden oder „aus Wettbewerbsgründen“ nicht auf sie eingehen. Überdies behielt der Agrar-Riese in jedem Fall das letzte Wort.
Mit den Video-Statements war ein solcher Umgang nicht möglich. Sie erlaubten es den AktivistInnen, Sachverhalte – wenn auch nur zwei Minuten lang – im Zusammenhang darzustellen und Tacheles zu reden. Und davon machten alle ausgiebig Gebrauch. Wiebke Beushausen von INKOTA und Peter Clausing vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK prangerten den Export von Pestiziden, die in der EU nicht zugelassen sind, in die Länder des Südens an. Bettina Müller von POWERSHIFT schilderte die drastischen Folgen der Sprüh-Einsätze mit Glyphosat in Lateinamerika. „In Argentinien beispielsweise liegt die Zahl der an Krebs erkrankten Menschen in Dörfern, die aus der Luft mit Glyphosat & Co. besprüht wurden, viermal über dem Landesdurchschnitt“, so Müller. Sa-scha Gabizon von WOMEN ENGAGE FOR A COMMON FUTURE (WECF) machte auf die Gefahr durch hormon-ähnlich wirkende Chemikalien aufmerksam, zu denen für nicht wenige WissenschaftlerInnen auch Glyphosat zählt. Brigitte Hincha vom Vorstand der Coordination thematisierte derweil das von Glyphosat beförderte Artensterben, und das tat ihr CBG-Kollege Simon Ernst ebenfalls. „Profit kann nicht das Prinzip sein, nach dem die Ernährung und die Landwirtschaft sich zu organisieren hat“, lautete seine Schlussfolgerung. CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann nahm zu dem Prozess Stellung, den die „Agent Orange“-Geschädigte Tran To Nga in Frankreich gegen die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO führt, und Tú Qùyh-nhu Nguyen von der Initiative COLLECTIF VIETNAM DIOXINE konfrontierte Baumann & Co. in diesem Zusammenhang mit der Frage: „Will der BAYER-Vorstand endlich Verantwortung übernehmen und einer gerechten Entschädigung aller Geschädigten von Agent Orange nachkommen?“ Ebendies forderte Andre Sommer in Sachen „DUOGYNON“ und Susan Tabbach in Sachen „YASMINELLE“, einem Verhütungsmittel BAYERs mit erhöhtem Thrombose-Risiko. Der Autor dieser Zeilen resümierte schließlich in seinem Statement: „Die Bilanz des BAYER-Konzerns für das Geschäftsjahr 2020 ist desaströs – in sozialer Hinsicht, in juristischer Hinsicht, in gesellschaftlicher Hinsicht, in ökologischer Hinsicht und sogar in ökonomischer Hinsicht.“ Folgerichtig appellierte er am Schluss seiner Ausführungen an die AktienhalterInnen, gegen die Entlastung des Vorstands zu stimmen.

Bilanz
20.000 Gegenstimmen von kritischen AktionärInnen hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN schon vor der Hauptversammlung einsammeln können. Das „Schwarzbuch BAYER“, das die CBG dann in der Veranstaltung selbst präsentierte, dürfte die Zahl noch einmal um einiges erhöht haben. Sieben Gegenanträge, elf Video-Statements, vier schriftliche Stellungnahmen und über 200 Fragen – nicht nur von der CBG, sondern auch von TESTBIOTECH, RISIKO-PILLE, DUOGYNON-Geschädigten, OXFAM, dem GEN-ETHISCHEN NETZWERK, DER ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT E.V., DER AURELIA STIFTUNG und dem BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ – boten nämlich mächtig Stoff zur Meinungsbildung. Zudem wechselte mit DEKA INVESTMENT auch ein großer Vermögensverwalter ins Lager der Nein-SagerInnen. Am Ende des Tages fanden sich deshalb dort mehr als 50 Millionen Aktien wieder: 9,92 Prozent lehnten die Entlastung des Vorstandes ab. BesitzerInnen von noch einmal über 20 Millionen Aktien enthielten sich, und gegen die Entlastung des Aufsichtsrates stimmten 7,42 Prozent. Ein deutlicher Ausdruck dessen, dass auch ein Teil der AktionärInnen auf der Seite der Gesundheit, der Umwelt, der Menschenrechte und der sozialen Rechte steht und gegen die Geschäftspolitik BAYERs Stellung bezieht.
CBG-Urgestein Axel Köhler-Schnura zog am Ende dieses Resümee der zweiten Online-Hauptversammlung des Leverkusener Multis: „Es ist sehr, sehr beschämend, mit welcher Heuchelei da heute die Verantwortlichen im Konzern ihr Beileid, ihr Mitleid mit den Opfern ausgedrückt haben, aber gleichzeitig in aller Härte an den Standpunkten festgehalten haben. Nämlich: ‚Glyphosat muss auf dem Markt bleiben’ (...) Agent Orange, Steuerflucht: alles bestens, alles super, alles toll! Unschuld, Unschuld, Unschuld (...) Dieser Widerspruch fiel am heutigen Tag jedem, der das verfolgt hat, direkt ins Auge.“⎜

Abstimmungsergebnisse
Gewinnverwendung
Nein-Stimmen 1,6 Mio. 0,3 %

Entlastung Vorstand
Nein-Stimmen 50 Mio. 9,92 %

Entlastung Aufsichtsrat
Nein-Stimmen 37 Mio. 7,42 %

Die Abstimmungen auf Hauptversammlungen von Konzernen wer-den bestimmt von wenigen Groß-aktionärInnen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.). Sie besitzen bis zu 90 und mehr Prozent aller Aktien und haben so viele Stimmen, wie sie Aktien besitzen.
Die mehreren hunderttausend Klein-aktionärInnen bei BAYER halten zusammen lediglich fünf bis zehn Prozent aller Aktien. Entsprechend beachtlich sind die Abstimmungsergebnisse.
Die Kritischen AktionärInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatten zur Gewinnverteilung, zur Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und zur Wahl alternative Anträge gestellt. Der Erfolg dieser Anträge wird deutlich an den Gegenstimmen zu den Anträgen des Vorstands.

Steuerflucht stoppen!

CBG Redaktion

Die BAYER AG verschiebt ihre Gewinne systematisch in Niedrigsteuer-Länder. Jahrelang zahlte der Konzern keinerlei Gewerbe- und Körperschaftssteuer in Deutschland. Die Finanzierung des Staatshaushalts wird dadurch immer mehr der lohnabhängigen Bevölkerung aufgebürdet. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert ein Ende des ruinösen Steuer-Wettlaufs.

[Stellenanzeige] Stellenangebot

CBG Redaktion

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. (CBG) arbeitet seit 35 Jahren kritisch zur Geschäftspolitik des Pharma- und Agro-Konzerns BAYER. Wir kritisieren die ungezügelte Macht multinationaler Unternehmen und organisieren Kampagnen zu Themen wie Pestizidvergiftungen, gefährliche Pharmazeutika, Lobbyismus, Steuerflucht, Gentechnik, Störfall-Risiken oder Arbeitsbedingungen. Die CBG informiert die Öffentlichkeit, organisiert Protestaktionen und unterstützt Geschädigte.

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Ihre künftigen Aufgaben
Als Leiter/in Campaigning sind Sie mit Unterstützung des fünfköpfigen Vorstands, externer Dienstleister sowie der ehrenamtlichen AktivistInnen verantwortlich für die Arbeit und Entwicklung des Vereins.
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Da wir die Position bald besetzen möchten, freuen wir uns über eine zeitnahe Bewerbung.

Für Fragen steht Ihnen Herr Philipp Mimkes bei der CBG gerne zur Verfügung.

Weitere Informationen zur Arbeit der CBG finden Sie unter: www.CBGnetwork.org

[Belgien] Steuerflucht

CBG Redaktion

Presse Info vom 12. Januar 2016

„Steuerflucht von BAYER endlich beenden!“

EU erklärt belgisches Steuerspar-Modell für illegal / BAYER AG verlagert Milliardenbeträge nach Benelux

Die EU-Kommission hat gestern ein belgisches Steuerspar-Modell für illegal erklärt; 35 transnationale Firmen sollen insgesamt 700 Millionen Euro nachzahlen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert den BAYER-Konzern zu diesem Anlass auf, die Verlagerung von Firmenteilen in Steueroasen zu unterbinden. Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Die Steuertricks internationaler Konzerne kosten die Finanzämter jährlich viele Milliarden Euro. Die Finanzierung der Staatshaushalte wird dadurch immer mehr der lohnabhängigen Bevölkerung aufgebürdet. Es ist nicht hinzunehmen, dass BAYER und Co. immer weniger zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen!“.

Das im Jahr 2005 eingerichtete Steuersparmodell mit dem griffigen Namen „Only in Belgium“ wandte sich speziell an multinationale Konzerne. Die Firmen konnten dadurch die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer um 50 bis 90 Prozent senken. Das belgische Finanzministerium hatte die Steuerpraxis im Januar 2015 gestoppt, als die EU-Kommission mit den ersten Ermittlungen begann.

Zwar wurden die Namen der begünstigten Firmen gestern nicht genannt. Der Leverkusener Pharma- und Agro-Konzern gehört jedoch zu den großen Nutznießern der bisherigen Regelungen. Bereits 2011 hatte BAYER die Mittel seiner in Antwerpen ansässigen Tochter-Gesellschaft auf acht Milliarden Euro verdoppelt. Hintergrund hierfür ist, dass Belgien Zinszahlungen auf das Eigenkapital gewährt, wodurch fiktive Zinsen steuerlich geltend gemacht werden können. BAYER konnte dadurch den in Belgien erzielten Gewinn von 254,8 Millionen Euro fast komplett mit nach Hause nehmen: lediglich Steuern in Höhe von 10,8 Millionen Euro fielen an, was einer Steuerquote von 4,3 Prozent entspricht. Auf Anfrage äußerte der Konzern lapidar: „BAYER nutzt wie einige andere Unternehmen das günstige makrowirtschaftliche Klima in Belgien, das durch den Abzug für Risikokapital geschaffen wurde.“

Um in den Genuss der Sonder-Konditionen zu kommen, konzentrierte der Konzern auch das firmeninterne Bank-Wesen in Belgien. Auf Nachfrage der Coordination gegen BAYER-Gefahren nannte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in der letztjährigen Hauptversammlung den immensen Umfang der Transaktionen: 2014 gewährte allein BAYER Antwerpen anderen Konzern-Töchtern Kredite in Höhe von 13,4 Milliarden Euro. Die hierauf berechneten Zinsen mindern in Ländern wie Deutschland oder den USA die Steuern, werden in Belgien jedoch nur minimal versteuert.

Zusätzlich gründete der Konzern in Benelux Briefkasten-Firmen wie Bayer World Investments, Bayer Capital Corporation oder Bayer Global Investments, die Anteile an rund einem Fünftel aller 350 Tochtergesellschaften halten und damit die Voraussetzung für die BAYER-internen Verrechnungen schaffen. Allein aus den USA verlagerte der Konzern Firmenanteile im Wert von mehr als einer Milliarde Euro nach Benelux.

Um Druck gegen das Steuerdumping aufbauen zu können, fordert die Coordination gegen BAYER-Gefahren die EU-weite Einführung einer länderspezifischen Berichterstattung („country by country reporting“), ein EU-weit einheitliches System zur Körperschaftssteuer-Bemessung sowie ein öffentlich einsehbares Steuer-Register.

Zudem muss der „Fremdvergleichsgrundsatz“ auf den Verhandlungstisch kommen: dieser generiert ein riesiges Potenzial an steuerlich absetzbaren Posten, indem er Transaktionen innerhalb großer Unternehmensverbünde mit Geschäften zwischen rechtlich eigenständigen Firmen gleichstellt. Nur hierdurch ist es möglich, dass sich Konzerne steuersparend in Gläubiger und Schuldner, Käufer und Verkäufer, Lizenznehmer und Lizenzgeber aufspalten können. Diese Beschäftigung mit sich selbst erfreut sich zunehmender Beliebtheit: nach Auskunft der Deutschen Bundesbank hatten bereits 1999 firmen-interne Kredite einen Anteil von 25 Prozent an allen bundesdeutschen Direktinvestitionen im Ausland.

Forderungen der CBG hier unterstützen

weitere Informationen zur Steuer-Modellen von BAYER:
=> Steuerflucht nach Belgien
=> Artikel „Im Steuer-Paradies“
=> Steuerflucht am Konzern-Sitz Leverkusen

[BAYER HV 2016] Hauptversammlung 2016

CBG Redaktion

Am 29. April fand in Köln die BAYER-Hauptversammlung statt. Auch in diesem Jahr protestierten Umweltschützer, Geschädigte und Anwohner gegen die Geschäftspolitik des Konzerns.

alle Redetexte der Kritischen Aktionär/innen

=> Aktionsbericht zu den Protesten + Foto-Impressionen

Presseberichte:
=> Leverkusener Anzeiger: Massives Sicherheitsaufkommen bei Bayer-Hauptversammlung
=> Neues Deutschland: Steuerflucht und schwindende Gewerkschaftsrechte bei BAYER
=> Umstrittene CO-Pipeline wird zum Thema auf Bayer HV
=> Leverkusener Anzeiger: CBG-Protest zur BAYER-HV
=> jW: »Bayer erfindet die Wechseljahre des Mannes«
=> Bonner Generalanzeiger: Die Schattenseite der Rendite
=> Neues Deutschland: Interview mit Axel Köhler-Schnura (CBG)
=> Leverkusener Anzeiger: Protest der CBG zur BAYER-Hauptversammlung

Gegenanträge und Presse Infos
=> Verbot gefährlicher Antibaby-Pillen gefordert
=> BUND: Protest bei Bayer-Hauptversammlung gegen bienengefährdende Pestizide
=> Gegenantrag der CBG zu Steuerflucht der Bayer AG
=> Gegenantrag der CBG zu Marketing im Kindergarten
=> Pestizidverkauf in Indien: ECCHR fordert nicht-Entlastung von Bayer-Vorstand
=> BAYER: Entlassungen und Druck auf Gewerkschaften
=> Öko-Schwindel: Gegenantrag zur „Dream Production“
=> CBG legt Gegenantrag zur Vermarktung von GenSoja ein
=> Testosteron-Marketing von BAYER unverantwortlich!

[gallery]

Steuerflucht

CBG Redaktion

3. Dezember 2015

Steuerflucht von BAYER

Patentabteilung: Umzug in Steueroase Monheim

Der Leverkusener Anzeiger berichtet heute, dass die Patentabteilung des BAYER-Konzerns im Jahr 2012 nach Monheim umgezogen ist. Kurz zuvor, im Juni 2011, waren die Patentrechte eigens in eine neue Firma ausgelagert worden, die Bayer Intellectual Property GmbH.

Monheim, nördlich an Leverkusen grenzend, hatte sich im Jahr 2012 zur rheinischen Steueroase gewandelt: Der Gewerbesteuer-Hebesatz wurde von 435 auf 300 Punkte gesenkt. Leverkusen berechnete die Gewerbesteuer zum selben Zeitpunkt auf der Basis von 460 Punkten. Dank zahlreicher Firmen-Verlagerungen verdreifachten sich dadurch die Monheimer Einnahmen innerhalb von zwölf Monaten. Noch beeindruckender ist die Entwicklung, wenn man den Zeitraum von 2010 bis 2013 betrachtet: innerhalb von nur drei Jahren stieg die verbuchte Gewerbesteuer von 16 Mio. auf 262 Millionen – ein Anstieg um 1.500 Prozent. Für das laufende Jahr erwartet Monheim 225 Millionen Euro, etwa das Vierfache der größeren Nachbarstadt Leverkusen.

Nach Schätzung von Apostolos Tsalastras, dem Kämmerer von Oberhausen, hätte Bayer Intellectual Property in Leverkusen 30 Millionen Euro Gewerbesteuer zahlen müssen. In Monheim waren es wegen des niedrigeren Hebesatzes rund 10 Millionen weniger. Bestätigt wird das weder bei Bayer noch im Rathaus von Monheim - mit Hinweis auf das Steuergeheimnis.

weitere Informationen zur Steuerflucht von BAYER:
=> Steuern in Leverkusen
=> (leise) Kritik der SPD
=> Artikel „Im Steuer Paradies“

[Leverkusen] Steuerflucht

CBG Redaktion

3. November 2015

Steuerflucht der BAYER AG

Leverkusen: pro Kopf nur 10% der Gewerbesteuern von Düsseldorf

Im Leverkusener Stadtrat beschrieb der Stadtkämmerer Frank Stein gestern die schwierige Finanzlage der Stadt. Ziel bleibe der Haushaltsausgleich im Jahr 2018. Bis 2021 müsse das Land jedoch über 70 Millionen Euro zuschießen.

Hauptproblem bleiben die „nur noch homöopathischen Gewerbesteuereinnahmen“ der Stadt, wie Stein es ausdrückte. Nach dem desaströsen Einbruch dieser vormaligen Haupteinnahmequelle in den vergangenen drei Jahren, in denen die bekannten Großunternehmen Standortentscheidungen gegen Leverkusen trafen und legale Steueroptimierungsinstrumente exzessiv nutzten, liegen die Gewerbesteuereinnahmen der vormals prosperierenden Großstadt auf dem Niveau einer mittleren kreisangehörigen Gemeinde.

Im Ergebnis nimmt Leverkusen pro Kopf nur ein Zehntel (!) der Gewerbesteuern von Düsseldorf ein. Selbst die klamme Millionenstadt Köln nimmt pro Einwohner den achtfachen Betrag ein (siehe Grafik). Nach Angaben von Stein führt die Stadt Leverkusen gegenwärtig Gespräche mit „verschiedenen relevanten Steuerzahlern“ – gemeint sind wohl in erster Linie BAYER, LANXESS und COVESTRO.

Besserung ist jedoch nicht in Sicht. Im Fall von BAYER etwa besitzen holländische und belgische Briefkasten-Firmen wie BAYER WOLRD INVESTMENTS Anteile an rund einem Fünftel aller 350 Gesellschaften des Unternehmens und senken dadurch die Steuerlast. Auch Kreditgeschäfte werden über Benelux geführt: allein BAYER-Antwerpen gewährte im vergangenen Jahr anderen Konzerntöchtern Kredite in Höhe von 13,4 Milliarden Euro. Die hierauf berechneten Zinsen mindern in Ländern wie Deutschland oder den USA die Steuern, werden in Belgien jedoch nur minimal versteuert.

Leverkusen, immerhin Stammsitz des wertvollsten DAX-Konzerns, darbt dank solcher Tricks schon seit zwei Dekaden. Mehrere Jahre lang musste die Kommune mit Nothaushalten über die Runden kommen, weil BAYER weniger Gewerbesteuern überwies und manchmal – wie 1999, 2001, 2003 und 2004 – auch gar keine.

Die letzte Hiobsbotschaft erreichte Leverkusen im Zusammenhang mit der Übernahme der Sparte für nicht-verschreibungspflichtige Produkte vom US-Unternehmen MERCK. „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen“, verlautbarte der Konzern bei der Bekanntgabe des Deals. Im September 2014 gab die Firma dem Stadtkämmerer Frank Stein die genaue Größe bekannt. Stein musste als Synergie-Defekt nicht nur „Einbrüche im zweistelligen Millionen-Bereich“ hinnehmen, sondern für die beiden letzten Jahre auch noch Gewerbesteuer-Einnahmen rückerstatten. Gerade einmal 60 Millionen Euro Gewerbesteuer wird die Kommune in diesem Jahr einnehmen, 1990 war es noch mehr als doppelt so viel.

weitere Informationen:
=> Steuerflucht aus Leverkusen
=> Artikel „Im Steuer-Paradies“

[Steuerflucht] STICHWORT BAYER 04/2015

CBG Redaktion

BAYERs Steuer-Oasen

Belgische Spezialitäten

Auf seinen Hauptversammlungen zeigt sich der Leverkusener Chemie-Multi nie besonders auskunftsfreudig. Zu seiner Steuerspar-Praxis gab er der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN am 27. Mai 2015 in der Kölner Messehalle jedoch einige Hinweise, die mehr Einblick in die Trick-Kiste ermöglichen. Gegenwärtig laufen zwar auf internationaler Ebene Bestrebungen, deren Arsenal ein wenig zu reduzieren, konkrete Resultate können die PolitikerInnen allerdings noch nicht vorweisen.

Auf der diesjährigen Hauptversammlung des Leverkusener Multis machte sich der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers gar nicht erst die Mühe, die sinkenden Steuerzahlungen des Unternehmens abzustreiten, welche Städten mit BAYER-Niederlassungen das Leben so schwer macht. In seiner Entgegnung auf einen kritischen Rede-Beitrag der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bekannte er mit bemerkenswerter Offenheit: „Die Strukturen des heutigen globalen Konzerns sind mit denen von BAYER aus den 80er und 90er Jahren nicht mehr vergleichbar.“ Wie unvergleichbar aber genau, mochte er lieber nicht beziffern. Die Frage, wieviel Gewerbesteuer der Stammsitz Leverkusen 2014 erhielt, beantwortete der Holländer nicht. Dafür gab der Chemiker einige Auskünfte über die steuer-mindernden „Strukturen des heutigen globalen Konzerns“.

Steueroase Belgien
Der Global Player verdankt seine Steuerersparnisse nämlich nicht nur den Abgabe-Senkungen, die sein ehemaliger Finanzchef Heribert Zitzelsberger ab 1999 als Staatssekretär im Finanzministerium auf den Weg brachte, sondern auch neuen Organisationsformen, die das konsequente Ausnutzen der sich einer großen, weitverzweigten Aktien-Gesellschaft in der großen, weiten Welt so bietenden Spar-Möglichkeiten gestatten.
Praktischerweise wurde BAYER dabei gleich in unmittelbarer Nachbarschaft fündig: in Belgien und in Holland. Die Flamen und Wallonen bringen es im Schattenfinanzplatz-Index des TAX JUSTICE NETWORK auf Platz 9, während die Niederlande dort Rang 15 belegen. Und Brüssel wirbt sogar ganz offen mit der dunklen Seite des Landes: „Verschiedene Steuer-Anreize im Bereich der Personen- und Unternehmenssteuer machen Belgien zu einem der attraktivsten Standorte für ein Unternehmen.“
Als „eine der innovativsten Maßnahmen“ preist das Finanzministerium dabei die „Notional Interest Deduction“ (NID) an. Sie erlaubt es, fiktive Zinsen steuerlich geltend zu machen. Was wie ein neues Kapitel aus dem neoliberalen Märchenbuch der wundersamen Geld-Vermehrung anmutet, begründet die Behörde ganz rational. Ein Unternehmen, das genug Eigenkapital besitzt, um seine Geschäfte zu tätigen, darf gegenüber einem Unternehmen, das sich dafür Geld leihen muss und die Zinszahlungen von der Steuer absetzen kann, nicht benachteiligt werden, meint sie. Der „Föderale Öffentliche Dienst Finanzen“ beruft sich dabei auf den von allen Staaten, die der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) angehören, akzeptierten Fremdvergleichsgrundsatz („arm’s length principle“), wonach für firmen-interne Transaktionen mit Waren, Dienstleistungen, Lizenzen oder Krediten dieselben Standards zu gelten haben wie für firmen-externe.
Also zieht der belgische Staat vom Gewinn vor Steuern die fiktiven Zinsen ab, die der Konzern für das Eigenkapital zahlen müsste, wenn es Fremdkapital wäre, und senkt so den Steuersatz von rund 34 Prozent auf bis zu 4,2 Prozent ab. Und auch, wenn Konzern-Mütter ihren Tochter-Gesellschaften Geld leihen und dafür – kaum minder fiktive – Zinsen berechnen, kommt die „Notional Interest Deduction“ zum Einsatz. Wie genau, das illustriert ein Rechenexempel: Ein Unternehmen hat einer Zweigstelle 100.000 Euro geliehen und dafür einen Zinssatz von 4 Prozent berechnet. Der Gewinn vor Steuern beträgt 4.000 Euro, und davon darf es jetzt 3.000 Euro fiktive Eigenkapital-Verzinsung nach dem NID-Faktor von drei Prozent abziehen und reduziert so den Steuersatz von 34 Prozent auf 8,5 Prozent. Den Sinn der NID-Übung nennt das Ministerium im Übrigen ganz offen: „Internationalen Unternehmen eröffnet es Möglichkeiten, Aktivitäten wie firmen-interne Finanzierung, das Beschaffungswesen oder das Factoring (das Zusammenführen von Außenständen, Anm. SWB) einer belgischen Tochter-Gesellschaft zu übertragen.“
Der Leverkusener Multi nahm die Einladung dankend an. 2011 verdoppelte er die Mittel seiner in Antwerpen ansässigen Niederlassung auf acht Milliarden Euro und konnte seinen Gewinn von 254,8 Millionen Euro fast komplett wieder mit nach Hause nehmen. Lediglich 10,8 Millionen Euro musste er dort lassen – das entspricht einer Steuerquote von 4,3 Prozent. „BAYER nutzt wie einige andere Unternehmen das günstige makrowirtschaftliche Klima in Belgien, das durch den Abzug für Risikokapital geschaffen wurde“, erklärte ein Unternehmenssprecher dazu und fand nichts Anstößiges daran: „Gegen den Vorwurf der Steuertrickserei verwahren wir uns ausdrücklich.“ Der Abzug von Eigenkapital-Zinsen in Belgien stelle kein Steuerschlupfloch dar, sondern trage dem Grundsatz der Steuer-Neutralität der Unternehmensfinanzierung Rechnung – führte der Öffentlichkeitsarbeiter laut Welt aus.
Auch das firmen-interne Bank-Wesen konzentrierte der Pharma-Riese in Belgien, um in den Genuss der Sonder-Konditionen zu kommen. In welchem immensen Umfang die Konzern-Kasse Geld verleiht, beantwortete Marijn Dekkers der CBG im Mai auf der Hauptversammlung: 2014 hat allein BAYER Antwerpen anderen Töchtern des Global Players Kredite in einem Volumen von 13,4 Milliarden Euro gewährt. Eine Win-win-Situation: Während Belgien kaum Abgaben auf die Gewinne aus den Finanz-Geschäften erhebt, stehen die 13,4 Milliarden bei den kredit-nehmenden BAYER-Gesellschaften als steuerminderndes Minus in den Büchern.
Darüber hinaus hält die vom Finanzministerium eifrig beworbene „belgische Steuer-Landschaft“ noch so manches andere Schmankerl bereit. Sie lädt explizit zu Steuer-Absprachen mit den Finanzämtern ein, erhebt gar keine Abgaben auf Dividenden-Einkünfte, kaum welche auf solche, die aus Zahlungen für die Nutzung von Patenten und Marken-Rechten erwachsen und verweist zudem noch auf beste Beziehungen zu Steuer-Oasen wie etwa Mauritius.
Im nachbarlichen Holland gibt es ebenfalls blühende Steuerlandschaften mit steuerfreien Dividenden-Einkünften, kaum belasteten Zins-, Markenrechts- und Patentlizenz-Einkünften, speziellen Angeboten für den konzern-internen Handel und der Möglichkeit von einvernehmlichen Abgabe-Agreements. Das alles sorgt für einen regen Geschäftsverkehr. Die 23.000 niederländischen Briefkasten-Firmen, die Unternehmen in dem Staat gegründet haben, brachten es allein 2011 auf Transaktionen im Wert von acht Billionen Euro. Natürlich darf BAYER da nicht fehlen. BAYER WORLD INVESTMENTS, BAYER GLOBAL INVESTMENTS und BAYER CAPITAL CORPORATION haben ihren Sitz in der Heimat des BAYER-Chefs. Zusammen mit ihren belgischen Pendants halten sie Anteile an rund einem Fünftel aller 350 Tochter-Gesellschaften des Multis und schaffen damit die Voraussetzung für die BAYER-internen Geschäfte.

Leverkusen darbt
Diese „Strukturen des heutigen globalen Konzerns“ sorgen zusammen mit den firmen-freundlichen Steuerstrukturen des heutigen neoliberalen Staats für ständig sinkende Unternehmenssteuer-Einnahmen. Auf diese Weise steigt der Pharma-Multi zur wertvollsten deutschen Aktien-Gesellschaft auf – und sein Stammsitz Leverkusen zum Armenhaus ab. Die Stadt befindet sich in der Haushaltssicherung und muss deshalb strenge Spar-Vorgaben des Landes Nordrhein-Westfalen erfüllen. Zudem gehört die Kommune dem „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ an, der sie – wiederum gegen Auflagen – mit dringend benötigten finanziellen Mitteln versorgt. Diese Notlage trieb Leverkusener KommunalpolitikerInnen auch dazu, am 24. Februar 2015 nach Berlin zu fahren, um dort gemeinsam mit ihren KollegInnen aus Bochum, Gelsenkirchen und fast 30 weiteren Städten von den Spitzen-PolitikerInnen mehr Unterstützung zu verlangen. „Wird den notleidenden Kommunen nicht konkret geholfen, ist der soziale Frieden in Gefahr“, warnten die Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) aus Oberhausen und Peter Jung (CDU) aus Wuppertal – ebenfalls eine darbende Stadt mit BAYER-Standort – laut Rheinischer Post, die ihren Artikel zum Thema mit „Bürgermeister betteln bei Gabriel“ überschrieb.
Im letzten Jahr forderte BAYER von der Kommune sogar noch 28 Millionen Euro Gewerbesteuer-Vorauszahlungen zurück. Der Global Player hatte zwischendurch nämlich für rund zehn Milliarden Euro eine Sparte des US-Unternehmens MERCK gekauft, und das lässt sich natürlich absetzen. Als Konsequenz daraus musste Stadtkämmerer Frank Stein seinen Haushaltsentwurf ebenso dem Schredder überantworten wie sein Entschuldungskonzept.
Dementsprechend geriet seine Haushaltsrede zur Trauerrede. „Die für Städte im Allgemeinen und die Stadt Leverkusen im Besonderen verhängnisvollen Defizite des Steuersystems sind Ergebnis einer seit gut 25 Jahren fortgesetzten verfehlten Steuergesetzgebung“, klagte Stein über das Wirken von Zitzelsberger & Co., bevor er ins Detail ging: „Die Gewerbesteuer ist durch den Gesetzgeber so verhunzt worden, das sie schon seit Langem kein praktikables Instrument für kommunale Finanzpolitik ist.“ Mit unter 30 Millionen Euro vermeldete der Kassenwart ein „Allzeittief“ bei diesem Einnahme-Posten und gab auch keine Aussicht auf Besserung. Eine „deutlich erkennbar nicht konjunkturell, sondern strukturell bedingte und damit nachhaltige Reduzierung“ machte er aus.
Diese Entwicklung treffe zwar alle Städte, hätte aber „spezifische Leverkusener Aspekte“, so Stein. In einem Exkurs zur kommunalen Wirtschaftsgeschichte ging er näher darauf ein. „Erst kam das Werk, dann kam die Stadt“, hob der Kassenwart an, unterstrich dann aber auch den Anteil, den die Kommune am Gedeihen des BAYER-Konzerns hatte, indem sie ihm einen Großteil der technischen, sozialen und kulturellen Infrastruktur bereitstellte. Es entstand „manches in privater Regie, aber letztlich das meiste in kommunaler Trägerschaft und Finanzierungsverantwortung“, rückte Frank Stein die Dimensionen zurecht. Und lange war dies auch ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, das Leverkusen eine beachtliche Steuerstärke eintrug. Irgendwann jedoch profitierte nur noch einer. „Den industriellen Kern (...) gibt es nach wie vor, und er ist nach wie vor ein Ort großer Wertschöpfung. Aber aus betriebswirtschaftlichen und steuersystematischen Gründen, die im Einzelnen detailliert zu erörtern einen Verstoß gegen das Steuergeheimnis bedeuten würde, korrespondiert diese Wertschöpfung nicht mehr mit einer entsprechenden Steuerstärke der Stadt“, führte Stein aus und brachte damit das Dilemma Leverkusens auf den Punkt.
Dieses Missverhältnis empört – quer durch die Parteien – auch viele KommunalpolitikerInnen. Von einem CBG-Mitglied um einen Kommentar zu BAYERs Steuer-Enthaltsamkeit gebeten, antwortete der Christdemokrat Thomas Eimermacher: „Tatsache ist, dass unsere Stadt heutzutage nur noch einen Bruchteil der Gewerbesteuer-Einnahmen erzielt wie vor 20 Jahren und davor, bei deutlichst gestiegenen Kosten und breiterem Aufgaben-Spektrum. Diese Rechnung kann natürlich nicht aufgehen.“ Der sozialdemokratische Ratsherr Dr. Hans Klose stimmte in das Klagelied ein. „Ich halte die steuerliche Behandlung der Wirtschaft z. Z. für völlig verfehlt,“ konstatierte Klose. Und der sozialdemokratische Bürgermeister Uwe Richrath ging BAYER im Wahlkampf sogar frontal an. Die Weltfirma beteilige sich in Leverkusen „sehr wenig“ am lokalen Gewerbesteuer-Aufkommen, sagte er laut Leverkusener Anzeiger. Später ruderte der Sozialdemokrat allerdings zurück: „Ich wollte BAYER nicht angreifen.“ NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans, der Richrath begleitet hatte, sah hingegen keine Veranlassung, seine Kritik am Global Player zurückzunehmen. Dass eine Stadt wie Leverkusen „mit der Weltmarke BAYER aus dem Stärkungspakt gestützt werden muss – das glaubt erst mal keiner“, hatte Walter-Borjans bei dem Lokaltermin festgestellt und den Konzern in die Pflicht genommen: „Ich erwarte schon, dass ein Unternehmen sich seiner Standort-Verantwortung bewusst ist.“ Und in seinem Antwort-Schreiben an das CBG-Mitglied schlug der Minister noch deutlichere Töne an. „Erst recht in Zeiten schwieriger Haushaltslagen können wir es uns nicht leisten, dass sich Unternehmen systematisch davor drücken, ihren Anteil an der Finanzierung des Gemeinwesens zu leisten“, so der Sozialdemokrat. „Nordrhein-Westfalen ist nicht bereit, so ein Verhalten noch länger hinzunehmen“, hielt er fest und nannte als Beispiele Initiativen des Landes auf nationaler und internationaler Ebene zur Verhinderung von Steuerumgehung und zur Schaffung von mehr Transparenz.

Politische Reaktionen
Die Leverkusener SPD-Vorsitzende Eva Lux setzt in ihrem Brief an den CBG-Aktivisten auf die gemeinsame Initiative der OECD-Länder, die Steuervermeidungsstrategien von BAYER & Co. zu durchkreuzen. Daran arbeitet die OECD allerdings schon seit geraumer Zeit, ohne bisher konkrete Ergebnisse vorweisen zu können. Bereits im Juli 2013 hatte sie 15 zentrale Baustellen benannt wie etwa Maßnahmen gegen Steuertricks mit Krediten, Zinsen, Patenten, Markenrechten und firmen-internen Geschäften. Darüber hinaus nahm sie sich vor, gegen solche Doppelbesteuerungsabkommen vorzugehen, die zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen statt lediglich eine doppelte Belastung zu unterbinden. Zudem will die Organisation strengere Transparenz-Vorschriften erlassen.
Bisher besteht unter den Staaten jedoch noch bei acht dieser 15 Punkte Diskussionsbedarf; zu einer Einigung über ein abgestimmtes Vorgehen kam es erst bei sieben. Beispielsweise gelang es noch nicht, zu einer Übereinkunft bezüglich der sogenannten Patent-Boxen zu kommen, zu deren Einrichtung manche Länder mit unschlagbar niedrigen Körperschaftssteuern auf Lizenz-Erträge locken. Deshalb zeichnet sich jetzt die umgekehrte Entwicklung ab: Immer mehr Nationen machen selbst ein solches unmoralisches Angebot. Zuletzt gaben die USA entsprechende Pläne bekannt. Überdies sperren sich die Vereinigten Staaten vehement gegen allzu umfassende steuerliche Offenlegungspflichten. Nachrichten wie diese sähen Zweifel am Gelingen des OECD-Vorhabens. Die Faz etwa mahnt: „Niemand sollte sich zu viel davon versprechen“. Allenfalls „die eine oder Ungereimtheit im internationalen Steuerrecht“ könnte der Zeitung zufolge am Ende des Tages auf dem Müllhaufen der Geschichte landen.
Auch die Europäische Union unternimmt Anstrengungen, BAYER & Co. an der kreativen Steuer-Gestaltung zu hindern. Wie die OECD hat sie sich vorgenommen, den Konzernen die firmen-internen Deals mit materiellen und immateriellen Gütern zu Lasten der Finanzämter zu erschweren und die Firmen zu mehr Transparenz in Sachen „Abgaben“ zu veranlassen. Zudem plant Brüssel, innerhalb der EU ein einheitliches System zur Körperschaftssteuer-Bemessung einzuführen. Allerdings laufen die entsprechenden Diskussionen und Verhandlungen schon ziemlich lange. Und während dabei schon so manches wie etwa verpflichtende Mindeststeuer-Sätze auf der Strecke geblieben ist, gibt es noch immer keine konkreten Resultate.
Ob solche bei einem Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, der 18 Jahre lang der Steueroase Luxemburg als Premierminister vorstand, überhaupt zu erwarten sind, daran bestehen so einige Zweifel. Aber auch die Bundesregierung zeichnet sich nicht gerade durch konstruktive Mitarbeit aus. So wartete der Sonderausschuss des Europäischen Parlaments vergeblich auf Unterlagen zu den bundesdeutschen Steuer-Praktiken. Finanzminister Wolfgang Schäuble sah das Steuergeheimnis bedroht und wollte lediglich mündlich Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus hat die Große Koalition dem Vorstoß der EU-ParlamentarierInnen, BAYER & Co. zu länder-spezifischen Steuer-Auskünften zu zwingen, um so dem auf die Spur zu kommen, was der Leverkusener Multi „tax planning“ nennt, im Ministerrat die Unterstützung verweigert.
Damit stellte sie sich unverhohlen in den Dienst des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“ (BDI), der ein solches „country-by-country-reporting“ als „systemfremd“ ablehnt. Auch gegen eine einheitliche Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage wendet sich der Verband. Das gehe „in die falsche Richtung“, erklärte der BDI. Die Lobby-Organisation warnte davor, „grenzüberschreitend tätige Unternehmen im internationalen Wettbewerb“ zu benachteiligen und das Augenmerk nur auf die Steuermissbrauchsvermeidung zu legen. Stattdessen plädiert der Bundesverband für den Erhalt der ruinösen Länder-Konkurrenz um die Multis bzw. für einen „fairen Steuerwettbewerb in der EU“.
In EU-Gremien versucht die Industrie ebenfalls, ihren Einfluss geltend zu machen. Der Leverkusener Multi hat etwa den Chef der Stelle für konzern-interne Verrechnungspreise, die sich natürlich in der Abteilung für „Global Tax Projects“ befindet, in das Beratungsgremium EU JOINT TRANSFER PRICING FORUM beordert. Dort widmet er sich gemeinsam mit seinen KollegInnen von PRICEWATERHOUSECOOPER, VOLVO und DELOITTE unter anderem der Aufgabe, Brüssel davon zu überzeugen, „Steuerhindernisse zu beseitigen, welche die ökonomischen Transaktionen zwischen EU-Ländern einschränken“.
Angesichts dieser Lobby-Aktivitäten und der Bereitschaft vieler Regierungen, den Bedenken der Multis Rechnung zu tragen, stehen die Chancen für das EU-Projekt nicht gut. Dabei müsste eigentlich noch viel Grundsätzlicheres auf den Verhandlungstisch kommen wie etwa das „arm’s length principle“ bzw. der Fremdvergleichsgrundsatz. Dieser generiert nämlich ein riesiges Potenzial an steuerlich absetzbaren Posten, indem er Transaktionen innerhalb großer Unternehmensverbünde mit Geschäften zwischen rechtlich eigenständigen Firmen gleichstellt. So können sich dann die Konzerne nach Lust und Laune steuersparend in Gläubiger und Schuldner, Käufer und Verkäufer, Lizenznehmer und Lizenzgeber aufspalten. Und diese Beschäftigung mit sich selbst erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Nach Auskunft der Deutschen Bundesbank hatten bereits 1999 allein firmen-interne Kredite einen Anteil von 25 Prozent an allen bundesdeutschen Direktinvestitionen im Ausland.
Und hierzulande wäre eine Rückabwicklung der Unternehmenssteuer-„Reform“ vonnöten, die der BAYER-Mann Heribert Zitzelsberger eingefädelt hat mit ihrer Senkung des Körperschaftssteuersatzes von 40 auf 25 Prozent und der Streichung von Abgaben auf Gewinne aus dem Verkauf von Betriebsteilen. Nach DGB-Berechnungen bescherte dieses Paragrafen-Werk zusammen mit einigen danach erfolgten „Nachbesserungen“ dem Fiskus allein 2013 Mindereinnahmen in Höhe von 45 Milliarden Euro. Aber zu einer Reform der Reform wird es nicht kommen. Und so muss sich Leverkusens Kämmerer Frank Stein weiter Gedanken darum machen, wie er die steigenden Soziallasten und Personalkosten stemmt ohne einen völligen Kahlschlag bei kulturellen oder sozialen Einrichtungen vorzunehmen und in den Fatalismus zu verfallen, den er „die Vergeblichkeitsfalle“ nennt. Von Jan Pehrke

Steuerflucht

CBG Redaktion

Presse Info vom 9. Juli 2015

Krise von Gewerbe- und Körperschaftssteuern:

SPD traut sich (leise) Kritik an BAYER

Der Oberbürgermeister-Kandidat der SPD in Leverkusen, Uwe Richrath, hat das Unternehmen BAYER wegen seiner Konzern-Steuerpolitik kritisiert. Die Weltfirma beteilige sich in Leverkusen „sehr wenig“ am lokalen Gewerbesteuer-Aufkommen, so Richrath gestern auf einer Wahlkampfveranstaltung. Den selben Tenor hatte die Haushaltsrede 2015 des Leverkusener Stadtkämmerers Frank Stein.

Auch NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans erlaubte sich leise Kritik: „Ich erwarte schon, dass sich ein Unternehmen seiner Standort-Verantwortung bewusst ist“. Dass eine Stadt wie Leverkusen „mit der Weltmarke BAYER aus dem Stärkungspakt gestützt werden muss – das glaubt erst mal keiner“, so der Minister. Aber es sei nun mal so, dass weltweit agierende Konzerne eine Armada von Spezialisten bezahlen, „die daran arbeiten, dass die Steuerbelastung nicht so hoch ist“.

Laut Walter-Borjans müsse man „Druck machen“, um eine gerechte Besteuerung zu erreichen. Eine merkwürdige Argumentation - als ob die Steuergesetze vom Himmel gefallen wären und nicht von der Politik in Kooperation mit den Industrieverbänden beschlossen worden wären. Ein Beispiel hierfür ist die große Unternehmenssteuer-Reform der Jahrtausendwende, die zum Einbruch der Gewerbe- und Körperschaftssteuern führte: Die von Minister Hans Eichel präsentierte „Reform“ war ein gemeinsames Kind von SPD und Industrie. Ausgearbeitet wurde das Gesetz vom damaligen Finanzstaatssekretär Heribert Zitzelsberger, der zuvor die Steuer-Abteilung bei BAYER geleitet hatte.

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren kommentiert: „Die Konzerne entziehen sich immer weiter ihrer Verantwortung für die Allgemeinheit - zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung, die über steigende Steuern und Abgaben die Zeche zahlen muss. Es ist nicht hinzunehmen, dass BAYER und Co. immer weniger zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen.“ Pehrke hatte die Steuerspar-Modelle des Konzerns in der BAYER-Hauptversammlung am 27. Mai kritisiert. Marijn Dekkers, Vorstandsvorsitzender von BAYER, hatte ihm in bemerkenswerter Offenheit geantwortet: „Die Strukturen des heutigen globalen Konzerns sind mit denen von BAYER aus den 80er und 90er Jahren nicht mehr vergleichbar.“ So kommt es, dass Städte wie Leverkusen heute nur die Hälfte an Gewerbesteuern verbuchen wie vor 25 Jahren - trotz deutlich gestiegener Unternehmensgewinne.

Dekkers gab auch Auskünfte zu den Verschiebungen innerhalb des Konzerns. So besitzen holländische und belgische Briefkasten-Firmen wie BAYER WOLRD INVESTMENTS Anteile an rund einem Fünftel aller 350 Gesellschaften des Unternehmens und senken dadurch die Steuerlast. Auch das Volumen der Steuerspar-Geschäfte ist immens: allein BAYER-Antwerpen gewährte im vergangenen Jahr anderen Konzerntöchtern Kredite in Höhe von 13,4 Milliarden Euro. Die hierauf berechneten Zinsen mindern in Ländern wie Deutschland oder den USA die Steuern, werden in Belgien jedoch nur minimal versteuert.

Leverkusen, Stammsitz des wertvollsten DAX-Konzerns, darbt dank solcher Tricks schon seit zwei Dekaden. Mehrere Jahre lang musste die Kommune mit Nothaushalten über die Runden kommen, weil BAYER weniger Gewerbesteuern überwies und manchmal – wie 1999, 2001, 2003 und 2004 – auch gar keine. Obwohl BAYER inzwischen zum wertvollsten Unternehmen im Dax aufgestiegen war, musste Leverkusen 2013 dem Stärkungspakt Stadtfinanzen beitreten.

Die letzte Hiobsbotschaft erreichte Leverkusen im Zusammenhang mit der Übernahme der Sparte für nicht-verschreibungspflichtige Produkte vom US-Unternehmen MERCK. „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen“, verlautbarte der Konzern bei der Bekanntgabe des Deals. Im September 2014 gab die Firma dem Stadtkämmerer Frank Stein die genaue Größe bekannt. Stein musste als Synergie-Defekt nicht nur „Einbrüche im zweistelligen Millionen-Bereich“ hinnehmen, sondern für die beiden letzten Jahre auch noch Gewerbesteuer-Einnahmen rückerstatten. Gerade einmal 60 Millionen Euro Gewerbesteuer wird die Kommune in diesem Jahr einnehmen, 1990 war es noch mehr als doppelt so viel.

zur Steuerbefreiung durch Rot/Grün ein aufschlussreicher Artikel der FAZ

weitere Informationen

[Plastikmüll] Hauptversammlung 2015

CBG Redaktion

Presse Information vom 27. Mai 2015

BAYER Hauptversammlung: Protest gegen Plastikmüll

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren protestiert anlässlich der heutigen Hauptversammlung der BAYER AG gegen die Verschmutzung der Ozeane durch Plastikmüll. Die Aktionärinnen und Aktionäre werden mit einem „Meer“ aus blauen Stoffbahnen mit darauf schwimmendem Kunststoffmüll begrüßt.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert in Gegenanträgen zur heutigen BAYER-Hauptversammlung, den Vorstand nicht zu entlasten. Aus Protest gegen die Mitverantwortung des Konzerns für die Verschmutzung von Flüssen und Meeren hat die CBG am Eingang der Kölner Messehallen ein „Meer“ mit darauf schwimmendem Plastikmüll aufgebaut.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Auch in der Amtszeit von Marijn Dekkers wurde die Umstellung auf nachwachsende Rohstoffe und biologisch abbaubare Endprodukte verschlafen. BAYER ist somit für die wachsende Belastung der Gewässer mit Plastikmüll mitverantwortlich. Der Gipfel der nicht-nachhaltigen Produktion ist der Verkauf von Mikroplastik, das von den Kläranlagen nicht aufgefangen werden kann und das sich in kürzester Zeit in der Nahrungskette findet.“

Jedes Jahr gelangen rund zwanzig Millionen Tonnen Kunststoff in die Weltmeere. Da die meisten Kunststoffe biologisch kaum abbaubar sind, gefährden sie die Umwelt über Jahrhunderte hinweg. BAYER gehört sowohl im Bereich Polyurethan als auch bei Polycarbonaten zu den weltweit größten Herstellern.

Mikroplastik von BAYER („Baycusan“) findet sich unter anderem in Kosmetika und Putzmitteln - früher wurden hierfür zerkleinerte Fruchtkerne eingesetzt. In Bier, Milch, Mineralwasser und Honig wurde Mikroplastik bereits nachgewiesen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert Maßnahmen, um die Gefahr einzudämmen. Kunststoffe müssen so weit wie möglich durch biologisch abbaubare Stoffe ersetzt werden, der Verkauf von Mikroplastik muss eingestellt werden. Der Verein verlangt zudem eine Umkehr der Beweislast: Nicht Behörden oder die Verbraucher/innen müssen die Gefährlichkeit eines Stoffes beweisen, sondern die Produzenten dessen Ungefährlichkeit.

In der heutigen Hauptversammlung werden mindestens zwanzig Wortbeiträge zu den Kehrseiten der Geschäftspolitik gehalten. Themen dabei sind unter anderem Steuerflucht, Gentechnik, gefährliche Pestizide, Kontrazeptiva mit erhöhtem Nebenwirkungsprofil sowie die Risiken des Gerinnungshemmers Xarelto.

=> alle Infos zur Hauptversammlung
=> Plastikmüll: Forderungen hier unterschreiben

[BlackRock] Hauptversammlung 2015

CBG Redaktion

Presse Information vom 26. Mai 2015

morgige Hauptversammlung der Bayer AG

Kritik an Steuerflucht und intransparenter Aktionärs-Struktur

Dr. Werner Rügemer, Experte für Steuerflucht und globale Kapitalstrukturen, kritisiert die mangelnde Transparenz der Aktionärsstruktur von BAYER. In dem 340-seitigen Geschäftsbericht des Konzerns wird kein einziger Anteilseigner genannt. „Warum werden die Eigentümer und damit die wichtigsten Gewinner des Unternehmens versteckt?“, so Rügemer.

Besondere Fragen wirft das Engagement des Großaktionärs BlackRock auf. BlackRock hat seine BAYER-Aktien auf sechs Gesellschaften verteilt. Diese haben ihren Sitz in Steueroasen wie Jersey oder den Cayman Islands und halten zum Teil dieselben Aktien. Das Bundesamt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht – Bafin – verhängte im März eine Rekordbuße von 3,25 Millionen Euro gegen BlackRock. Grund hierfür waren unrichtige und verspätete Mitteilungen über gehaltene Stimmrechtsanteile. Rügemer weiter: „BlackRock mindert seine Steuern in Staaten wie Deutschland und den USA, von deren Infrastruktur BlackRock als Miteigentümer von Produktionsstätten profitiert. Wie beurteilt dies der Vorstand von BAYER dieses Vorgehen?“.

Werner Rügemer kritisiert auch die wiederholte Beauftragung der Ratingagenturen Standard & Poor’s und Moody’s durch BAYER. BlackRock ist Miteigentümer der Agenturen; eine unabhängige Bewertung sei daher nicht gegeben.

hier finden Sie die vollständige Rede

Steuerflucht

CBG Redaktion

Presse Info vom 15. Januar 2015

Die Steuertricks der BAYER AG

„Konzerne angemessen besteuern!“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute eine Untersuchung zu Steuertricks des Leverkusener BAYER-Konzerns veröffentlicht. Darin wird gezeigt, wie das Unternehmen Gewinne in Länder mit niedriger Steuerlast verschiebt. Die Stadt Leverkusen, Sitz von Deutschlands wertvollster Firma, blutet derweil aus.

Die BAYER AG hat in den vergangenen Jahren systematisch Gewinne in Niedrigsteuer-Länder verschoben. Mehrere Jahre lang zahlte der Konzern in Deutschland keine Gewerbe- und Körperschaftssteuer. Städte wie Leverkusen und Wuppertal mussten daher Nothaushalte verabschieden. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert, den ruinösen Steuer-Wettlauf zu beenden. Jan Pehrke vom Vorstand der CBG: „Die Armrechenkünste internationaler Konzerne kosten die Finanzämter viele Milliarden Euro pro Jahr. Die Finanzierung des Staatshaushalts wird dadurch immer mehr der lohnabhängigen Bevölkerung aufgebürdet. Es wird höchste Zeit, große Unternehmen angemessen an der öffentlichen Steuerlast zu beteiligen!“.

Allein in Holland besitzt BAYER 15 Tochtergesellschaften. Mit den heimatlichen Gefühlen des Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers hat das jedoch wenig zu tun. Der Nachbar wirbt vielmehr aggressiv mit Angeboten zum Sparen von Unternehmenssteuern. So ist die Nutzung von geistigem Eigentum und Namensrechten in so genannten „Patent-Boxen“ für nur fünf Prozent Körperschaftssteuer zu haben. Auf diese Weise können die BAYER-Töchter die Gebühren, die sie etwa für eine ASPIRIN-Lizenz entrichten müssen, steuermindernd geltend machen, während diese in Holland als Einnahmen kaum ins Gewicht fallen. Auch als Standort für eine konzern-interne Bank, die den Teilgesellschaften Geld für Investitionen leiht, eignet sich das Land. Die für die Kredite zu zahlenden Zinsen wirken in Deutschland steuermindernd, indessen sie in Mijdrecht bei BAYER WOLRD INVESTMENTS B.V. den Gewinn kaum schmälern.

BAYER verschob daher im Jahr 2012 Anteile im Wert von 1,4 Milliarden Euro aus den USA zur holländischen Tochterfirma BAYER WORLD INVESTMENTS. BAYER GLOBAL INVESTMENTS bekam 526 Millionen Euro schwere Anteile von französischen Teilgesellschaften. Darüber hinaus hat der Konzern in den Niederlanden zu günstigen Konditionen eine Euro-Anleihe über 1,3 Milliarden Euro begeben, für welche die BAYER CAPITAL CORPORATION eine Haftungsverpflichtung eingegangen ist.

Auch nach Belgien steuerflüchtet BAYER, da das Land Zinsen auf Eigenkapital gewährt. Im Jahr 2011 verdoppelte das Unternehmen die Mittel seiner in Antwerpen ansässigen Tochter-Gesellschaft auf acht Milliarden Euro und konnte seinen Gewinn von 254,8 Millionen Euro fast komplett mit nach Hause nehmen. Lediglich 10,8 Millionen Euro musste er dort lassen – das entspricht einer Steuerquote von 4,3 Prozent. In Luxemburg hingegen nutzt BAYER das günstige versicherungswirtschaftliche Klima und hat dort sowohl die INDURISK RÜCKVERSICHERUNG AG als auch die PANDIAS RE AG angesiedelt.

Gewinne dort anfallen zu lassen, wo es nichts kostet, und Verluste da, wo der Fiskus droht, bezeichnet Finanz-Vorstand Werner Baumann als „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“. Baumann untersteht eine Abteilung für „Global Tax Projects“. Die Angestellten dort befassen sich unter anderem mit dem „Tax Planning“ und dem „Transfer Pricing“, also der Ermittlung von Preisen für konzern-interne Deals mit Markenrechten, Lizenzen oder realen Produkten.

Wie sehr das Steuerdumping dem Gemeinwesen schadet, zeigt das Beispiel Leverkusen. Die Stadt, immerhin Stammsitz des wertvollsten DAX-Konzerns, darbt seit zwei Dekaden. Mehrere Jahre lang musste die Kommune mit Nothaushalten über die Runden kommen, weil BAYER weniger Gewerbesteuern überwies und manchmal – wie 1999, 2001, 2003 und 2004 – auch gar keine. 2013 musste Leverkusen gar dem Stärkungspakt Stadtfinanzen beitreten.

Die letzte Hiobsbotschaft erreichte Leverkusen im Zusammenhang mit der Übernahme der Sparte für nicht-verschreibungspflichtige Produkte vom US-Unternehmen MERCK. „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen“, verlautbarte der Konzern bei der Bekanntgabe des Deals. Im September 2014 gab die Firma dem Stadtkämmerer Frank Stein die genaue Größe bekannt. Stein muss als Synergie-Defekt nicht nur „Einbrüche im zweistelligen Millionen-Bereich“ hinnehmen, sondern für die beiden letzten Jahre auch noch Gewerbesteuer-Einnahmen rückerstatten. Gerade einmal 60 Millionen Euro Gewerbesteuer wird die Kommune in diesem Jahr einnehmen. Zum Vergleich: 1990 hatte allein BAYER das Doppelte überwiesen.

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren abschließend: „Die Konzerne entziehen sich immer weiter ihrer Verantwortung für die Allgemeinheit - zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung, die über steigende Steuern und Abgaben die Zeche zahlen muss. Es ist nicht hinzunehmen, dass BAYER und Co. immer weniger zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen.“

Die vollständige Untersuchung finden Sie hier

[Steuern] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

BAYER zahlt kaum Abgaben

Im Steuer-Paradies

Was APPLE, GOOGLE, STARBUCKS und andere wegen ihrer ganz legalen Steuertricks momentan in der Kritik stehenden Global Player können, kann BAYER schon lange. Auch der Leverkusener Multi nutzt jede Gelegenheit, um sich vor dem Fiskus noch ärmer zu rechnen als er es steuertechnisch nach den unzähligen Gesetzes-„Reformen“ seit 2001 ohnehin schon ist. Und so kommt es dann, dass mit Leverkusen die Stadt, an dem Deutschlands wertvollster Konzern seinen Firmen-Sitz hat, ein Sparpaket nach dem anderen verabschieden muss.

Die meisten Niederlassungen hat der Leverkusener Multi in seinem Stammland. Dann folgen die Staaten mit den größten Absatzmärkten wie die USA und China. Nur der prominente Platz einer Nation in der Aufstellung verwundert: der Hollands. 15 Filialen betreibt der Konzern dort. Mit den heimatlichen Gefühlen seines niederländischen Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers hat das allerdings wenig zu tun. Der Nachbar wirbt vielmehr aggressiv mit seinem günstigen „Fiskal-Klima“ und offeriert vielfältige Angebote zum Sparen von Unternehmenssteuern. So ist die Nutzung von geistigem Eigentum oder Namensrechten in so genannten Patent-Boxen für unschlagbare fünf Prozent Körperschaftssteuer zu haben. Auf diese Weise können die BAYER-Töchter die Gebühren, die sie etwa für eine ASPIRIN-Lizenz entrichten müssen, steuermindernd geltend machen, während diese in Holland als Einnahmen finanzamt-technisch kaum ins Gewicht fallen. Auch als Standort für eine konzern-interne Bank, die den Teilgesellschaften Geld für Investitionen leiht, eignet sich das Land. In diesem Fall wirken die für die Kredite zu zahlenden Zinsen steuermindernd, indessen sie in Mijdrecht bei BAYER WOLRD INVESTMENTS B. V. den Gewinn nicht groß schmälern.

Steuerstandort BENELUX
Darum hat der Global Player die Besitz-Verhältnisse innerhalb seines Imperiums binnen der letzten Jahre ein wenig neu geordnet. 2012 verschob er Anteile an seinen US-Gesellschaften im Wert von 1,4 Milliarden Euro nach Holland zu BAYER WORLD INVESTMENTS, und BAYER GLOBAL INVESTMENTS bekam 526 Millionen Euro schwere Anteile von BAYERs französischen Teilgesellschaften zugewiesen. Darüber hinaus hat der Konzern in den Niederlanden zu günstigen Konditionen eine Euro-Anleihe über 1,3 Milliarden Euro begeben, für welche die BAYER CAPITAL CORPORATION eine Haftungsverpflichtung eingegangen ist.
Aber auch nach Belgien steuerflüchtet der Agro-Mogul. Das Land gewährt nämlich Zinsen auf Eigenkapital und lockt damit ausländisches Geld zur Steuer-Veranschlagung an. Deshalb verdoppelte der Leverkusener Multi 2011 die Mittel seiner in Antwerpen ansässigen Tochter-Gesellschaft auf acht Milliarden Euro und konnte seinen Gewinn von 254,8 Millionen Euro fast komplett wieder mit nach Hause nehmen. Lediglich 10,8 Millionen Euro musste er dort lassen – das entspricht einer Steuerquote von 4,3 Prozent. Zur Erklärung heißt es aus der Zentrale des Global Players lediglich: „BAYER nutzt wie einige andere Unternehmen das günstige makrowirtschaftliche Klima in Belgien, das durch den Abzug für Risikokapital geschaffen wurde.“ In Luxemburg hingegen nutzt der Pharma-Riese das günstige versicherungswirtschaftliche Klima und hat dort sowohl die INDURISK RÜCKVERSICHERUNG AG als auch die PANDIAS RE AG angesiedelt.

Heimische Wohltaten
Gewinne dort anfallen zu lassen, wo es nichts kostet und Verluste da, wo der Fiskus droht – „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“ nennt BAYERs Finanz-Vorstand Werner Baumann diese Operation. In seiner Abteilung gibt es eine Extra-Stelle für „Global Tax Projects“. Die Angestellten dort befassen sich unter anderem mit dem „Tax Planning“ und dem „Transfer Pricing“, also der Ermittlung von Preisen für konzern-interne Deals mit Markenrechten, Lizenzen oder realen Produkten.
Dabei bedürfte es einer solchen „Ergebnis-Umverteilung“ eigentlich gar nicht groß, denn in heimischen Gefilden lebt es sich auch ganz steuerparadiesisch. Und für das sonnige Klima hat der Global Player nicht zuletzt selbst gesorgt. 1999 wechselte mit Heribert Zitzelsberger nämlich der Finanz-Chef des Unternehmens als Staatssekretär ins Finanzministerium. „Wir haben mit Herrn Zitzelsberger unseren besten Mann entsandt und gehen davon aus, dass er in unserem Sinn tätig wird“, kommentierte der damalige Vorstandsvorsitzende Manfred Schneider auf der Hauptversammlung den Wechsel. Und jener enttäuschte die Erwartungen seines ehemaligen Bosses nicht. „Keinem der Berliner Großkopfeten hat die deutsche Großindustrie so viel Wohltaten zu verdanken wie Heribert Zitzelsberger“, konstatierte die Berliner Zeitung einmal.
Die unter seiner Federführung konzipierte, 2001 in Kraft getretene „Unternehmenssteuer-Reform“ senkte den Körperschaftssteuersatz von 40 auf 25 Prozent ab. Wenn die Unternehmen ihren zu den alten Bedingungen versteuerten Gewinn nachträglich an die AktionärInnen ausschütteten, konnten sie sogar noch rückwirkend in den Genuss der Herabsetzung kommen. Der Leverkusener Multi ließ sich das nicht zweimal sagen, erhöhte seine Dividende auf astronomische 1,40 Euro und erhielt vom Finanzamt 250 Millionen zurück. Zudem stellte das Gesetzes-Werk Veräußerungsgewinne steuerfrei. Die Konzerne brauchten aus diesem Grund für den Erlös aus dem Verkauf von Unternehmensteilen keinen Cent mehr an den Fiskus abzuführen. Auch den Einkauf gestaltete der Staatssekretär günstiger. „In Deutschland können als einzigem Industrie-Land der Welt alle Ausgaben (...) de facto voll steuerlich abgesetzt werden“, kritisierten Lorenz Jarass und Gustav M. Obermair in ihrem Buch „Geheimnisse der Unternehmenssteuern“ Zitzelbergers Werk.
Und von seinen Nachfolgern gab es dann noch einmal Nachschlag. 2008 senkte die Große Koalition mit Peer Steinbrück als Finanzminister die Körperschaftssteuer auf 15 Prozent ab. Dass der SPD-Politiker im Gegenzug mittels einer Zinsschranke den Verkehr auf den konzern-internen Steuer-Verschiebebahnhöfen einschränkte und auch Leasing-Gebühren wieder in größerem Maße der Abgabe-Pflicht unterwarf, schmälerte den Wert des Steuergeschenkes nur wenig: Auf sechs Milliarden Euro bezifferte es die damalige Bundesregierung selber. Zwei Jahre später folgte mit dem „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“, das der in Folge der Finanzkrise darbenden Konjunktur Beine machen sollte, die nächste kleine Aufmerksamkeit. 2,4 Milliarden Euro an Steuer-Entlastungen brachte diese mit sich. CDU und FDP hoben die Zinsschranke wieder an und gestatteten den Unternehmen, beim Kauf von Firmen auch deren Verlust-Vorträge mit in die eigene Rechnung zu übertragen. Zudem erleichterten die Parteien BAYER & Co. die steuer-optimierende „regionale Ergebnis-Verteilung“ zwischen Tochter- und Muttergesellschaften. Und sogar Rationalisierungen konnten die Multis nun von der Steuer absetzen. Schwarz-Gelb ließ nämlich „den Abzug von Verlusten bei Umstrukturierungen innerhalb verbundener Unternehmen“ wieder zu.
Die Armrechenkünste international operierender Konzerne kosten die hiesigen Finanzämter rund fünf Milliarden Euro. Im Vergleich zu mittelständischen Unternehmen mit Deutschland als einzigem Standort zahlen die Big Player 30 Prozent weniger Steuern auf ihren Umsatz. Und so haben zwar die Gewinne der Multis die Finanzkrise längst hinter sich gelassen, das insgesamt von den Gesellschaften erbrachte Abgaben-Aufkommen aber nicht, da dieses vor allem die kleineren Firmen tragen müssen bzw. „die Gewerbesteuer die Rolle als stärkste Unternehmenssteuer übernommen hat“, wie es der langjährige Steuerausschuss-Vorsitzende des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“, Bernd Jonas, ausdrückt. Unterm Strich spielen jedoch sogar Gewerbe- und Körperschaftssteuer zusammen nur eine Nebenrolle. Gerade einmal 1,8 Prozent der Finanzamt-Einnahmen stammen aus diesen Quellen. Für den Rest sorgen die abhängig Beschäftigten.
In anderen Staaten stellt sich die Situation ähnlich dar. Seit Mitte der 1980er Jahre, als sich mit dem Neoliberalismus die angebotsorientierte, verstärkt auf das Wohl der Konzerne ausgerichtete Wirtschaftspolitik durchsetzte, hat ein Steuerabsenkungswettlauf ohnegleichen begonnen. In den Industrieländern sanken die Steuerhöchstsätze in dem Zeitraum von 45 auf 25 Prozent. Gleichzeitig boten sich den Konzernen immer mehr Möglichkeiten zur „kreativen Steuer-Gestaltung“. Nach Schätzungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben sie ca. 1.500 Milliarden Euro auf die Reise in die besten Steuer-Standorte geschickt und dem Zugriff der heimischen Behörden entzogen.

Leverkusen darbt
Wie sehr diese Konzern-Beglückung dem Gemeinwesen schadet, zeigt das Beispiel „Leverkusen“. Die Stadt, die der Stammsitz des wertvollsten bundesdeutschen DAX-Konzerns ist, darbt bereits seit zwei Dekaden. Mehrere Jahre lang musste die Kommune mit Nothaushalten über die Runden kommen, weil BAYER weniger Gewerbesteuern überwies – und manchmal wie 1999, 2001, 2003 und 2004 – auch gar keine. 2013 blieb ihr deshalb nichts anderes übrig, als dem Stärkungspakt Stadtfinanzen beizutreten. „So viel Schwimmbäder können wir gar nicht schließen, um die Steuerausfälle abzufangen“, klagte der Oberbürgermeister Paul Hebbel (CDU) 2002, nachdem der Pharma-Riese das Kunststück fertig gebracht hatte, den Skandal um den todbringenden Cholesterin-Senker LIPOBAY per Verlustvortrag von der Steuer abzusetzen. Die Verantwortlichen der ebenso gepeinigten Standort-Stadt Dormagen erhoben sogar Zweifel an der Seriosität der BAYER-Zahlen. „Dass der Gewinn bei Null liegt, kann mir keiner erklären. Und solange mir das keiner erklären kann, glaube ich es nicht“, so der damalige Kämmerer Jürgen Alef. Der Global Player gab ihm dann ein wenig Nachhilfe in Steuer-Arithmetik: „Wir müssen deutlich unterscheiden zwischen dem Bilanz-Gewinn eines Unternehmens und dem so genannten steuerpflichtigen Gewerbe-Ertrag, der für die Gewerbesteuer maßgeblich ist.“
2011 reichten dem Pharma-Riesen dann genau acht Buchstaben, bzw. deren Tilgung, um das Finanzamt zu düpieren. Er hatte die Entscheidung gefällt, keine Medikamente mehr unter dem Namen SCHERING zu vertreiben, und da der Wert der Marke in der Bilanz – aus welchen Gründen auch immer – mit 405 Millionen Euro angesetzt ist, schrumpfte der steuerpflichtige Gewinn entsprechend. Die letzte Hiobsbotschaft von BAYER erreichte Leverkusen erst Anfang Mai 2014 im Zusammenhang mit der Entscheidung des Pillen-Produzenten, vom US-Unternehmen MERCK die Sparte mit den nicht verschreibungspflichtigen Produkten zu erstehen. Im Zuge des Geschäfts versprach er zwar sogleich ein um zwei Prozent höheres Ergebnis pro Aktie und bezifferte den Effizienz-Gewinn auf 400 Millionen Euro, aber die Stadt profitiert nicht nur nicht davon, ihr erwachsen aus dem, was das Unternehmen seinen AktionärInnen gegenüber als zusätzliche „Synergie-Effekte“ pries, sogar noch erhebliche Nachteile. „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen“, hatte der Gen-Gigant zur Feier des Tages nämlich verlautbart. Im September 2014 gab er dem Stadtkämmerer Frank Stein die genaue Größe bekannt. Und der kam ganz geplättet aus dem Chemie-„Park“ zurück. Er muss als Synergie-Defekt nicht nur „Einbrüche im zweistelligen Millionen-Bereich“ hinnehmen, sondern für die beiden letzten Jahre auch noch – wohl vornehmlich an BAYER – Gewerbesteuer-Einnahmen zurückerstatten. Gerade einmal 60 Millionen Euro Gewerbesteuer wird die Kommune einnehmen. Der Haushaltsentwurf ist nun ebenso ein Fall für den Schredder wie das Entschuldungskonzept. „Der Sparkommissar winkt“, droht Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn schon, und sein Kämmerer blickt düster in die Zukunft. Bei der Gewerbesteuer „müssen wir künftig von ganz anderen Volumina ausgehen“, so Stein.

OECD vs. BAYER & Co.?
Aber die FinanzministerInnen der 20 größten Wirtschaftsmächte (G 20) wollen jetzt zu einer Rückhol-Aktion ansetzen, da das Treiben von BAYER & Co. zunehmend ihre Haushaltsplanung gefährdet. „Die G 20 sehen in der aggressiven Steuerplanung ein ernstes Risiko für die Steuereinnahmen, die Souveränität und für faire Steuersysteme weltweit“, erklärten die Industrienationen. Auf ihrem Moskauer G20-Treffen im Sommer 2013 beschlossen die PolitikerInnen unter anderem, bis zum September 2015 Regelungen zu einer verbesserten Steuer-Transparenz zu schaffen, Steuer-Schlupflöcher zu schließen und die Auswahl an ganz legalen Steuertricks zu beschränken. Zudem beabsichtigen sie, die steuermindernde Preisgestaltung bei konzern-internen Geschäften zu regulieren, welche die Finanzämter oft vor Probleme stellt. „Wie soll man als Finanz-Fahnder kontrollieren, ob die Herstellung von 20 ASPIRIN-Tabletten drei Euro oder drei Cent kostet“, klagte etwa ein Finanzbeamter einmal. 60 Prozent des Welthandels machen solche internen Geschäfte der OECD zufolge schon aus.
Auf ihrem Weg hin zu mehr Steuergerechtigkeit musste der Industrieländer-Verbund allerdings schon kräftig Federn lassen. So gelang es bei der 2014er-Zusammenkunft der G20-FinanzministerInnen im australischen Cairns nicht, eine Übereinkunft zu den Patentboxen zu treffen. Darum beschreiten immer mehr Länder den umgekehrten Weg und führen selbst eine solche Regelung ein. Zuletzt stieß Irland dazu. Auf internationalen Druck hin schloss das Land das berühmt-berüchtigte Steuer-Schlupfloch „Double Irish“ und schnitt den Konzernen damit den Weg auf die Bermudas via Dublin ab – um dann mit der Patentbox aber gleich ein neues aufzumachen.
BAYER hätte hierzulande ebenfalls gerne solch eine praktische Einrichtung. Immer wieder hatte der Konzern, auf die Praxis in anderen Ländern verweisend, die Einführung gefordert und schreckte dabei nicht einmal vor Drohungen zurück: „Es liegt auf der Hand, dass solche Unterschiede auch bei Standort-Entscheidungen den Ausschlag geben können“. Die Große Koalition macht nach der Devise „If you can’t beat them, join them“ jetzt auch Anstalten nachzuziehen, es könnte sich dabei allerdings auch um ein taktisches Manöver handeln, um andere Länder dazu zu bewegen, die Regelung wieder abzuschaffen. Gespräche darüber hat es auf der „Berlin Tax Conference“ Ende Oktober 2014 bereits gegeben – und sogar schon eine Deadline: 2020 haben die PolitikerInnen als Zeitpunkt für das Auslaufen des Steuerspar-Modells ins Auge gefasst. Ab dann soll es nur noch für die wirklich in dem jeweiligen Land erbrachten Forschungsleistungen Rabatte geben. Aber wenn eine solche einheitliche Regelung wirklich kommt, darf BAYER sich im Zuge der „Harmonisierung“ berechtigte Hoffnungen auf mehr „Forschungsförderung“ auch in heimatlichen Gefilden machen.
Und noch andere Schmankerl kündigen sich für BAYER & Co. an. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs nährt nämlich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke, weshalb sie vor einer ungewissen Zukunft steht. Zudem fühlen sich die Multis berufen, weitere Veränderungen anzumahnen. „Dringende Verfahrensvereinfachungen sind in der Einkommens-, der Umsatz-, der Gewerbe- und der Körperschaftssteuer erforderlich“, schrieben acht Wirtschaftsverbände unisono an die FachpolitikerInnen. Eine „Win-Win-Situation“ versprachen sie bei Vollzug. Und in Zeiten abschwächender Konjunktur-Daten wächst die Bereitschaft der Bundesregierung, die Wunschliste der Unternehmen weiter abzuarbeiten. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil stellte etwa schon einmal bessere Abschreibungsmöglichkeiten in Aussicht.

Gute Aussichten
Eine Kehrtwende in Sachen „Unternehmenssteuern“ haben BAYER & Co. also nicht mehr zu befürchten. Die Faz schreibt schon die ganze OECD-Initiative ab. „Niemand sollte sich zu viel davon versprechen“, mahnt die Zeitung. Allenfalls „die eine oder Ungereimtheit im internationalen Steuerrecht“ könnte am Ende auf der Strecke bleiben. Und Grundsätzliches wie die Hinterfragung der Berechtigung konzern-interner Geschäfte, globale Mindeststeuersätze, einheitliche Bemessungsgrundlagen, eine nach Ländern aufgeschlüsselte Veröffentlichung der Steuer-Zahlungen oder die Einführung von Quellensteuern – also der Pflicht, Abgaben dort zu entrichten, wo die wirkliche Produktion stattfindet –, kam gar nicht erst auf den Verhandlungstisch.
Gute Aussichten also für den Global Player. Und wie sollte ihm auch ausgerechnet im Kapitalismus, der nichts anderes will, als den Konzernen optimale Rahmenbedingungen für die Kapital-Verwertung zu liefern, die Steuer-Gesetzgebung zu Schaden gereichen? Falls dann die politische Landschaft doch einmal der besonderen Pflege bedarf, so stehen BAYER & Co. dafür genügend Möglichkeiten offen. Der Leverkusener Multi hat das schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts kultiviert. „Alle Schwierigkeiten lassen sich nur überwinden durch planmäßige Beeinflussung“, hielt der damalige Generaldirektor Carl Duisberg fest und gab die Marschroute vor: „Wo wir einwirken können und müssen, das ist die Parteipolitik ... Was ist zur Durchsetzung unserer Gedanken notwendig? Geld“. Heutzutage findet diese Einwirkung unter anderem durch die Schmalenbach-Gesellschaft statt, in dessen Arbeitskreis „Steuern“ BAYERs „Head of Tax“ Bernd-Peter Bier sitzt. Diese illustre Runde verfolgt nach eigener Aussage „das Ziel, die Entwicklungen des Unternehmensteuerrechts in der Bundesrepublik durch Veröffentlichungen und Diskussionsveranstaltungen zu begleiten. Ziel dieser Bemühungen ist es, im Sinne der Schmalenbach-Gesellschaft den Prozess der Gesetzgebung in Deutschland und die Aktivitäten in Europa zu begleiten und auf diese Weise an der Gestaltung der Unternehmensbesteuerung mitzuwirken.“ In Brüssel finden sich da noch Mitbegleiter wie die Lobby-Organisationen „Bundesverband der deutschen Industrie“ und „Business Europe“ sowie Steuerspar-Dienstleister wie PRICE WATERHOUSE COOPERS (PwC), über die der Leverkusener Multi die Steuer-Politik der EU steuern kann. Denn wie notierte der ehemalige US-Präsident Rutherford B. Hayes schon 1876 in sein Tagebuch: „Dies ist keine Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk mehr. Dies ist eine Regierung von Unternehmen, durch Unternehmen und für Unternehmen.“ Von Jan Pehrke

[BAYER HV 2015] Hauptversammlung 2015

CBG Redaktion

Am 27. Mai fand in Köln die BAYER-Hauptversammlung statt. Die HV stand im Zeichen heftiger Proteste. Zusammen mit Umweltorganisationen und Geschädigten prangerte die Coordination gegen BAYER-Gefahren die Schattenseiten der Konzern-Profite an. In 26 Redebeiträgen wurden risikoreiche Pharmaprodukte, gentechnisches Saatgut, Plastikmüll, Tierversuche und gefährliche Pestizide kritisiert.

alle Redetexte der Kritischen Aktionär/innen

=> Aktionsbericht und Artikel zu den Forderungen der Kritiker

=> Fotos von den Aktionen

taz: Coordination schaltet 4-seitige Beilage

Medienberichte
=> Lev Anzeiger: Steuerzahler Bayer unter der Lupe
=> taz: Protest wegen Bienensterben
=> Rheinische Post: Bayer-Aktionäre treffen auf heile und kranke Welten
=> junge Welt: Chemiemulti am Pranger
=> Leverkusener Anzeiger: Protest zur Bayer-Hauptversammlung
=> Rheinische Post: Pillen-Protest zur Bayer-Versammlung
=> Neuss-Grevenbroicher Zeitung: Bayer-Kritiker monieren die MaterialScience-Abspaltung
=> Apotheke Adhoc: Yasmin-Proteste vor Bayer-Hauptversammlung

Gegenanträge
=> Coordination fordert Verbot von Mikroplastik / Gegenantrag eingereicht
=> Coordination reicht Gegenantrag zur Ausgliederung von Bayer MaterialScience ein
=> Fake Werbung: CBG fordert Nicht-Entlastung des Vorstands von BAYER
=> CBG reicht Gegenantrag zu Plastikmüll von BAYER ein
=> Coordination reicht Gegenantrag zum MS-Präparat Betaferon ein
=> Gegenantrag zur CO-Pipeline Dormagen Leverkusen

Presse Infos
=> Glyphosat und Glufosinat freiwillig vom Markt nehmen
=> Kritik an Steuerflucht und intransparenter Aktionärs-Struktur
=> Verhütungsimplantat Jadelle: Protest gegen bevölkerungspolitisch motivierte Vermarktungsoffensive
=> Geschädigte fordern Verbot gefährlicher Antibaby-Pillen
=> Protest gegen Kohlenmonoxid-Pipeline in Gedenken von Kläger Heinz-Josef Muhr
=> SumOfUs protestiert in BAYER-Hauptversammlung gegen bienenschädigende Insektengifte
=> BAYER Hauptversammlung: Protest gegen Plastikmüll

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[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Erfolgreiche Jahrestagung
2014 fand die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „No Taxes – Die Steuerflucht großer Konzerne“ in einem etwas anderen Rahmen als gewohnt statt. Der Coordination war es nämlich gelungen, Sahra Wagenknecht von der Partei „Die Linke“ als Gastrednerin zu gewinnen, weshalb die CBG die Veranstaltung in den Bürgersaal der Düsseldorfer Arcaden verlegte. Und die Bundestagsabgeordnete enttäuschte die Erwartungen der 160 BesucherInnen nicht. Imposant schilderte sie die ganz legalen Steuertricks der Global Player, denen es gelingt, sich vornehmlich durch interne Geschäfte mit Waren, Krediten und Lizenzen so arm zu rechnen, dass – wie im Fall von IKEA – für den Fiskus gerade mal fünf Prozent vom Gewinn übrig bleiben. Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG skizzierte im Anschluss den größeren politischen Rahmen, der dieses Treiben überhaupt erst ermöglicht, und illustrierte schließlich am konkreten Beispiel „BAYER“ die gängigen Steuervermeidungsstrategien wie etwa diejenige, die BAYERs Finanz-Vorstand Werner Baumann „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“ nennt. Nach den Vorträgen entwickelte sich dann noch eine lebhafte Diskussion, so dass die BesucherInnen am Ende angeregt, ein bisschen klüger und hoffentlich motiviert zu einem Engagement gegen die Machenschaften von BAYER & Co. ihre Heimreise antraten.

CBG-Vortrag in Tutzing
Im August 2014 hatte die „Politische Akademie Tutzing“ die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu einem Vortrag eingeladen. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes referierte im Rahmen des Seminars „Werte-Bildung im Chemie-Unterricht“ vor größtenteils promovierten ChemikerInnen zum Thema „Bewertung der Risiken der chemischen Industrie“. Über drei Stunden berichtete Mimkes über die Gefährdungspotenziale bei BAYER & Co. Aber auch danach erlahmte das Interesse nicht, so dass sich im Anschluss an den Beitrag noch eine intensive Diskussion entspann. Die Seminar-Leitung freute sich über den ganzen Input und bot der Coordination an, sie bei passender Gelegenheit wieder nach Tutzing zu holen.

Nobelpreis für Kailash Satyarthi
In diesem Jahr erhielt Kailash Satyarthi, der langjährige Vorsitzende des GLOBAL MARCH AGAINST CHILD LABOUR, für sein Engagement gegen die Kinderarbeit den Friedensnobelpreis. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lernte den Inder 2003 durch eine Kooperation kennen. Sie gab in diesem Jahr gemeinsam mit dem GLOBAL MARCH und dem INDIA COMMITTEE OF THE NETHERLANDS eine Studie heraus, welche unter anderem das große Ausmaß von Kinderarbeit auf den Feldern eines Zulieferers von BAYER CROPSCIENCE dokumentierte. Auch den Offenen Brief an den damaligen BAYER-Chef Werner Wenning mit der Forderung, diese Praxis nicht länger zu dulden, unterschrieb die indische Initiative mit. So trug sie mit dazu bei, durch politischen Druck eine deutliche Verbesserung der Situation zu erreichen. Deshalb freute sich die CBG sehr über die Stockholmer Entscheidung und sandte Kailash Satyarthi herzliche Glückwünsche.

BUKO-Veranstaltung zu Uganda
Die BUKO Pharma Kampagne hat eine neue Studie zur Geschäftspraxis der drei Pharma-Riesen BAYER, BOEHRINGER und BAXTER in Uganda herausgegeben. Im Spätsommer 2014 kam mit Denis Kibira ein Mitwirkender an der Untersuchung aus Afrika nach Deutschland, um persönlich ein Bild von der Situation vor Ort zu geben. Am 6. September machte der Apotheker und Geschäftsführer der Initiative COALITION FOR HEALTH PROMOTION AND SOCIAL DEVELOPMENT in der Kölner Alten Feuerwache Station, und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) trat aus gegebenem Anlass als Mitveranstalter auf. Von BAYER wusste Kibira nur wenig Gutes zu berichten. Der Leverkusener Multi bietet für die in Uganda am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen kaum Arzneien an, weil er sich in Forschung & Entwicklung lieber auf die mehr Rendite versprechenden Mittel gegen westliche Zivilisationskrankheiten konzentriert. Zudem vermarktet der Konzern in dem Land viele umstrittene und deshalb als irrational eingestufte Pharmazeutika: 21 von 49 Medikamenten fallen unter diese Kategorie. Zu den als unentbehrlich erachteten Mitteln des Global Players hingegen hat die Bevölkerung wegen der hohen Preise kaum Zugang; sie finden sich zumeist nur in Privatkliniken und Privat-Apotheken.

ESSURE-Kampagne zeigt Wirkung
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich. So hat in den USA die Aktivistin Erin Brockovich, die durch einen Hollywood-Film über ihr Umwelt-Engagement zu großer Popularität gelangte, eine Kampagne gegen das Medizin-Produkt initiiert. Ihre Landsmännin Michelle Garcia setzte das Thema sogar auf die Tagesordnung der letzten Hauptversammlung des Leverkusener Multis. Auch im Internet verbreitet sich der Protest. Die FACEBOOK-Gruppe „Essure Problems“ hat aktuell über 11.000 Mitglieder. Das alles zeigt Wirkung – die Umsätze entwickeln sich nicht so wie erhofft. Die genauen Zahlen wollte der Konzern dem Internet-Portal Fierce Medical Devices wohlweislich nicht nennen. Selbst bei der Investoren-Konferenz im Juli 2014 musste das Unternehmen eingestehen: „Es gibt ein paar Klagen in den sozialen Medien, aber die Dinge bessern sich.“

Protest gegen „Food Partnership“
Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit dem Leverkusener Multi, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in zwei Projekte mit BAYER-Beteiligung, die „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und die „Competitive African Rice Initiative“ (CARE). Diese dienen dem Agro-Riesen als Vehikel, um seinen nach einer agro-industriellen Produktionsweise verlangenden, nicht zur Wiederaussaat geeigneten Hybrid-Reis zu vermarkten. Am 15. Oktober 2014, dem Welternährungstag, protestierten die Initiativen OXFAM und FIAN gegen die GFP. Um die fatalen Auswirkungen des Joint Ventures zu illustrieren, ließen die Organisationen Doubles von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller mit einer Riesen-Kugel, auf der die Namen von BAYER, BASF und MONSANTO prangten, Kleinbauern und Kleinbäuerinnen wegkegeln. „Mehr als die Hälfte aller weltweit Hungernden sind Kleinbäuerinnen und -bauern. Mit ihnen sollte die Bundesregierung gezielt zusammenarbeiten. Konzerne mit Steuergeldern zu fördern, ob direkt oder indirekt, macht niemanden satt außer die Konzerne selbst“, so David Hachfeld von OXFAM.

Mehr unabhängige Arznei-Forschung!
Der an der Universität Mainz tätige Mediziner Peter Galle hat in der Faz die zu große Abhängigkeit seiner Zunft von BAYER & Co. beklagt. So sei das Mitwirken von ÄrztInnen bei Arznei-Tests „von Abhängigkeiten und Vorbedingungen belastet, die einer objektiven Wissensvermehrung im Wege stehen können“, schreibt Galle und nennt als Beispiel die „Anpassung des Studien-Designs auf eine Effekt-Maximierung“. Zudem verhindert die Ausrichtung der Konzerne auf profitable Medikamente seiner Meinung nach die Entwicklung von Präparaten für kleinere PatientInnen-Gruppen. Angesichts der zu geringen Ausstattung der Universitätskliniken und zu kleiner Fördersummen der „Deutschen Forschungsgemeinschaft“ fordert er die Politik zu mehr Investitionen in unabhängige Pharma-Forschung auf. Und auch den Pillen-Riesen verlangt er einen Obolus zu dieser ab.

DUOGYNON: Kritik an BAYER
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Der Lehrer Andre Sommer forderte den Leverkusener Multi deshalb stellvertretend für andere Betroffene auf, ihm Einblick in die DUOGYNON-Akten zu gewähren. So wollte er feststellen, welche Kenntnis der Konzern von der verheerenden Wirkung des Mittels hatte, um dann Schadensersatz-Ansprüche prüfen zu können. Der Pharma-Riese weigerte sich allerdings, und auch per Klage erreichte Sommer keine Öffnung der Archive. Der Leiter des „Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte“, Walter Schwerdtfeger, kritisiert die Haltung des Unternehmens. Auf die Frage der WirtschaftsWoche: „Ist es nachvollziehbar, dass BAYER die Akten zu einem Hormon-Präparat nicht herausrückt, das etliche Patienten geschädigt haben soll?“, gibt der Biologe eine klare Antwort. „Es dürfte für BAYER schwer werden, die Akten dauerhaft zurückzuhalten. Grundsätzlich müssen die Unternehmen anerkennen, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch auf solche Daten hat“, so Schwerdtfeger.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER stößt Kunststoff-Sparte ab
Jahrelang hatten die Finanzmärkte den Leverkusener Multi mit der Forderung konfrontiert, sich von seiner Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) zu trennen und auch konkrete Maßnahmen ergriffen, um den Konzern zum Verkauf zu bewegen. So belegten sie Aktien von Mischkonzernen wie BAYER mit einem Konglomeratsabschlag. Aber erst jetzt, da der Einfluss von Finanzinvestoren wie BLACKROCK auf den Global Player so groß ist wie nie, gab er dem Druck nach und kündigte an, BMS an die Börse bringen zu wollen (siehe SWB 4/14). Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE versuchte, dagegen vorzugehen, musste sich aber geschlagen geben. „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen“, erklärten die GewerkschaftsvertreterInnen. Das Management hatte angekündigt, den Bereich sonst finanziell auszuhungern. Ein klarer Fall von Erpressung also. Dabei hatte die Belegschaft in der Vergangenheit viele Opfer gebracht, um das Geschäftsfeld im Unternehmensverbund halten zu können. Über 2.000 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz, der Rest musste eine untertarifliche Bezahlung, das Streichen von Bonus-Zahlungen und immer neue Rationalisierungsprogramme über sich ergehen lassen. Alles umsonst, wie sich jetzt herausstellt.

BLACKROCK schreibt BAYER & Co.
BLACKROCK ist der weltweit größte Finanzinvestor und besitzt von fast allen Global Playern Aktien (siehe SWB 4/14). An BAYER hält er rund 30 Prozent der Geschäftsanteile. Seine Einfluss macht BLACKROCK-Chef Laurence Fink unter anderem durch an die Vorstandschefs „seiner“ Unternehmen adressierte Briefe geltend. Im März 2014 erhielten der Leverkusener Multi und die anderen Konzerne ein Schreiben, in dem Fink gnädigerweise konzedierte, auf schnelles Geld durch kurzfristrige Anlage-Strategien verzichten zu wollen. Aktien-Rückkäufe und Verschuldungen zwecks Dividenden-Erhöhungen anstelle von Investitionen in die Zukunft seien deshalb nicht in seinem Sinne, bedeutete der US-Amerikaner den ManagerInnen. Im Gegenzug verlangte er von den Bossen aber, ihm für eine mehr auf längerfristiges Wachstum angelegte Firmen-Politik gut ausgearbeitete Business-Pläne mit überprüfbaren Zielvorgaben vorzulegen, „um das geduldige Kapital anzuziehen, das sie haben wollen“.

4,83 Millionen für Dekkers
Im Geschäftsjahr 2013 strich BAYER-Chef Marijn Dekkers ein Salär von 4,83 Millionen Euro ein. Dazu kommen noch Pensionszusagen in Höhe von 677.000 Euro. Seine drei Vorstandskollegen verdienten zusammen 8,7 Millionen Euro und ein „Ruhegeld“ von 594.000 Euro.

BAYER kann nicht forschen
„BAYER ist ein Innovationsunternehmen von Weltrang“ tönte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers 2013 auf der Hauptversammlung des Konzerns. Tatsächlich aber hat das Unternehmen mit der Forschung so seine liebe Mühe. „Wir sind gut in der Entwicklung, aber nicht so gut in der Forschung“, gesteht Forschungsvorstand Kemal Malik ein. Darum arbeitet der Global Player seit einigen Jahren verstärkt mit Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen. 2012 existierten allein im Pharma-Bereich 326 solcher Kooperationen.

Ein Kind der Großchemie
Seit Januar 2014 hat Frank Löllgen den Vorsitz des Nordrhein-Bezirkes der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) inne und ist damit auch für BAYER zuständig. Löllgen kennt den Leverkusener Multi sehr gut. Er hat dort eine Ausbildung zum Chemie-Laboranten gemacht und seinen Förderer, den heutigen IG-BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis, kennengelernt. Eine besonders kritische Haltung hat der 52-Jährige zum Global Player nicht. Zu seiner 2011 erfolgten Berufung zum Leverkusener Bezirksleiter der Chemie-Gewerkschaft sagt er rückblickend: „Ich bin ein Kind der Großchemie. Dieses Gebiet mit BAYER zu übernehmen, war eine Auszeichnung.“

Betriebsrat muss putzen
Zwischen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und alternativen Gewerkschaftsgruppen wie dem BELEGSCHAFTSTEAM gab es in der Vergangenheit öfters Konflikte. „Wir brauchen in der Opposition keine Opposition“, meinte etwa der heutige Betriebsratsvorsitzende des Leverkusener BAYER-Werkes, Oliver Zühlke, als das BELEGSCHAFTSTEAM und die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT bei den Betriebsratswahlen 2010 einer Personen- statt Gruppenliste nicht zustimmen mochten, weil die Organisationen befürchteten, dabei ihre Kenntlichkeit zu verlieren. Diese Animositäten könnten jetzt zu einer Auseinandersetzung beigetragen haben, die bis vor das Arbeitsgericht ging. Ein BELEGSCHAFTSTEAM-Betriebsratsmitglied hatte dort gegen BAYER und den Betriebsrat geklagt, weil er nach der Wahl seinen Status als freigestellter Beschäftigten-Vertreter verloren hatte und trotz 40-jähriger Betriebszugehörigkeit plötzlich „als bestbezahlte Putzfrau bei BAYER“ arbeiten musste. Zühlke gab zwar formale Fehler bei der Personalausschuss-Entscheidung auf Aberkennung der Freistellung zu, erklärte sie aber trotzdem für rechtmäßig. Die Richterin forderte die drei Parteien auf, eine außergerichtliche Einigung bei einem Streitschlichtungsgremium zu suchen.

IG BCE vs. VAA
In der Chemie-Industrie wächst der Anteil der Beschäftigten mit hohen Bildungsabschlüssen, während der Anteil der weniger gut qualifizierten Betriebsangehörigen sinkt. Deshalb machen sich die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und der „Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter in der chemischen Industrie“ (VAA) zunehmend Konkurrenz. Die IG BCE versucht, in die Domäne des eher rechts von ihr stehenden VAA einzudringen. So machte sich ihr Vorsitzender Michael Vassiliadis jüngst die sonst vornehmlich in bürgerlichen Kreisen kursierende Forderung nach Abschaffung der kalten Progression, also des möglichen Auffressens einer Lohn-Erhöhung durch eine steuerliche Mehrbelastung, zu Eigen, was ihm allerdings Kritik von vielen GewerkschaftskollegInnen eintrug. DGB-Chef und BAYER-Aufsichtsrat Reiner Hoffmann trägt diese Strategie jedoch mit und betont: „Wir wollen nicht mehr nur mit Mindestlohn und Prekariat identifiziert werden.“ Der VAA indes hat es auch nicht mehr nur auf Belegschaftsmitglieder aus den Top-Etagen abgesehen und sammelt eifrig Betriebsratssitze. So haben VAAlerInnen an den BAYER-Standorten Berlin, Frankfurt und Bergkamen Mandate errungen. Vasiliadis kritisierte das Vorgehen des Verbandes in einem Brief an VAA-Hauptgeschäftsführer Gerhard Kronisch scharf. „Für uns ist irritierend, in welchem Umfang der VAA mit eigenen Listen bei den zurückliegenden Betriebsratswahlen außerhalb seiner Stamm-Klientel angetreten ist“, ereiferte er sich.

ERSTE & DRITTE WELT

Bienenkiller in kleinen Dosen
BAYERs Insektizid THUNDER enthält den für das weltweite Bienensterben mitverantwortlichen Wirkstoff Imidacloprid. In Afrika will der Konzern dieses Mittel jetzt für weniger als einen Dollar auch in Mini-Packungen anbieten, um sich den Markt für Kleinbauern und -bäuerinnen besser zu erschließen. Für die bedrohte Insekten-Art bedeutet das nichts Gutes.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkort für Euthanasie-Opfer
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörder-Konzern hatte auch für die Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff im Angebot. Er stellte für die „Aktion T4“ – benannt nach der Berliner Adresse des Planungszentrums für den Massenmord, das sich in der Tiergartenstr. 4 befand – das Kohlenmonoxid zur Verfügung. Im November 2011 entschied der Bundestag, in würdigerer Form als bisher an die „Aktion T4“-Toten zu erinnern und einen Gedenk- und Informationsort an der Tiergartenstraße zu errichten. Am 2. September 2014 fand die feierliche Eröffnung im Beisein des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit und der Kulturstaatsministerin Monika Grütters statt.

Platz nach Norbert Wollheim benannt
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, den zentralen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen den Weg ebnete. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Die Studenten und Studentilannen erhielten ihre Forderung jedoch aufrecht und gaben der Alma Mater etwa 2009 im Zuge des damaligen Bildungsstreits symbolisch den Namen „Norbert Wollheim Universität“. Und ihre Beharrlichkeit zahlte sich aus. Überlebenden-Gruppen, das „Fritz-Bauer-Institut“ und die „Jewish Claim Conference schlossen sich den Studierenden an, und 2014 gab die Universitätsleitung schließlich nach: Sie entschied sich, als Adresse fortan nicht mehr „Grüneburg-Platz 1“, sondern „Norbert-Wollheim-Platz 1“ zu führen.

POLITIK & EINFLUSS

TTIP: BAYER antichambriert
Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen der EU mit den USA diktieren die Multis den PolitikerInnen die Agenda. Allein von Anfang 2012 bis April 2013 fanden 130 Treffen der VerhandlerInnen mit Konzern-VertreterInnen oder Unternehmensverbänden in Sachen „TTIP“ statt. Diejenigen Lobby-Organisationen, denen BAYER angehört, sprachen nach Recherchen des CORPORATE EUROPE OBSERVATORY besonders oft vor. „Business Europe“, der europäische Chemie-Verband CEFIC, der „US Chamber of Commerce“ und der „Bundesverband der deutschen Industrie“ – diese Lobby-Vereinigungen hatten die meisten Gesprächstermine mit der „Generaldirektion Handel“ der EU. Dabei dürften auch solche „Handelshemmnisse“ auf der Tagesordnung gestanden haben, die dem Leverkusener Multi besonders im Wege stehen wie etwa strenge Sicherheitsauflagen für Genpflanzen, Pestizide und andere Chemikalien.

BAYER sponsert RepublikanerInnen
Im Jahr der Wahlen zum US-Kongress spendete BAYER bis zum Oktober 2014 über 325.000 Dollar an PolitikerInnen. RepublikanerInnen, die für das Repräsentantenhaus kandidierten, erhielten 158.000 Dollar vom Konzern, ihre demokratischen KonkurrentInnen 55.000 Dollar. Republikanische SenatsaspirantInnen bedachte der Pharma-Riese mit 53.000 Dollar, ihre demokratischen Pendants mit 33.000 Dollar.

Auf der Bilderberg-Gästeliste
Bei der jährlich stattfindenden Bilderberg-Konferenz handelt es sich um eine Zusammenkunft hochrangiger PolitikerInnen und WirtschaftsmanagerInnen aus den Industrie-Nationen. 1980 stand der damalige BAYER-Chef Herbert Grunewald auf der Gästeliste und 2004 das ehemalige BAYER-Aufsichtsratsmitglied Jürgen Weber.

Gentech-Kampagne in Argentinien
Argentinien ist das Land mit der weltweit drittgrößten Anbaufläche für Genpflanzen. Um das Reservoir noch ein wenig besser ausschöpfen zu können, ist ein neues Gesetz in Planung, „das von der Industrie entwickelt und vom Landwirtschaftsminister akzeptiert wurde“, wie das „U.S. Department of Agriculture“ mit bemerkenswerter Offenheit festhält. BAYER und den anderen in der „Argentine Seed Association“ organisierten Unternehmen geht es dabei vordringlich darum, die Zulassungsverfahren zu beschleunigen. Umweltgruppen haben jedoch eine Kampagne gegen das Vorhaben organisiert. Darum sah sich der US-amerikanische „Foreign Agriculture Service“ (FAS), der vor Ort in Buenos Aires ein Büro unterhält, gezwungen, ebenfalls Aktivitäten zu entfalten. Unter anderem plant der FAS PR-Maßnahmen für die Risiko-Technologie wie Workshops, Konferenzen mit argentinischen MinisterInnen, WissenschaftlerInnen und Medien-VertreterInnen sowie Kooperationen mit Universitäten und VerbraucherInnen-Organisationen.

BAYER-freundliche EEG-„Reform“
Immer wieder hatten BAYER & Co. in der Vergangenheit über die hohen Strom-Kosten geklagt, die ihnen das „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) durch die Förderung von Windkraft & Co. angeblich beschert. Dabei gewährte das Paragraphen-Werk energie-intensiven Betrieben großzügige Rabatte, für welche die Privathaushalte aufzukommen hatten. Für diese stieg die Strom-Rechnung seit 2008 um 38 Prozent, während diejenige der Konzerne in dem Zeitraum sogar um ein Prozent niedriger ausfiel. Die ungleiche Lasten-Verteilung brachte das ganze EEG in Verruf, weshalb schon Schwarz-Gelb eine „Reform“ begann, welche die Große Koalition unter der Ägide von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dann abschloss. Der Vize-Kanzler drosselte den Ausbau der Erneuerbaren Energien und schaffte es gleichzeitig, die von Brüssel als unerlaubte Subventionen angesehenen Industrie-Privilegien größtenteils beizubehalten. Nur ein kleines Entgegenkommen forderte er dafür von den Unternehmen. Der Sozialdemokrat plante, ihnen auch für die Energie, die sie in ihren eigenen Kraftwerken produzieren, einen Beitrag zur Ökostrom-Förderung abzuverlangen. Aber sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. Der Leverkusener Multi, der fast 60 Prozent seines Energie-Bedarfs selber deckt, warnte: „Unsere KWK (Kraft/Wärme-Koppelung, Anm. SWB)-Anlagen würden sich, sollten diese Pläne umgesetzt werden, nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen, sowohl die bestehenden als auch die neuen.“ Pflichtschuldig machte sich Gabriel sogleich ans „Nachbessern“. Das Gesetz, das am 1. August 2014 in Kraft trat, lässt – vorerst bis 2017 – Altanlagen verschont und macht nur neu errichtete abgabepflichtig, wobei es BAYER & Co. dafür aber noch Ausgleichszahlungen gewährt. Sogar die Faz musste sich über diese Zugeständnisse wundern: „Noch vor Wochen hätte niemand damit gerechnet, dass Betriebe bei der Ökosteuer-Reform fast ungeschoren davonkommen.“

Ordnungsruf von Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hat mal wieder das angeblich innovationsfeindliche Klima in der Bundesrepublik kritisiert. „Unsere industrielle Basis beginnt zu bröckeln“, warnte er in der Faz. Zu geringe Forschungsausgaben, zu hohe Energie-Kosten, zu wenig naturwissenschaftlicher Unterricht in den Schulen und eine angeblich nicht immer sachgerechte Bewertung neuer Produkte durch die Politik – all das gefährdet seiner Meinung nach die Zukunft des Standortes Deutschland.

Ordnungsruf von Wenning
Kaum ein Monat vergeht ohne ein Lamento des Leverkusener Multis über die hohen Energie-Kosten (s. o.), obwohl die Politik dem Unternehmen viel niedrigere Tarife als den Privathaushalten beschert hat. Der BAYER-Aufsichtsratschef Werner Wenning ging jetzt sogar so weit, eine neue Hartz-Runde zu fordern, um die angeblich so horrenden Strom-Rechnungen der Konzerne volkswirtschaftlich zu kompensieren. „Ich mache mir große Sorgen, dass wir bald an einem Punkt angelangt sind, wo wir eine Agenda 2025 brauchen, also harte Einschnitte, damit wir im internationalen Wettbewerb nicht zurückfallen“, so Wenning.

Blesner weiht BAYER-Center ein
Im September 2014 reiste Peter Bleser, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, nach China, um „neue Export-Möglichkeiten für deutsche Agrar-Produkte auszuloten“. Während seines Aufenthalts weihte er gemeinsam mit dem stellvertretenden chinesischen Landwirtschaftsminister Niu Dun auch ein BAYER-Schulungscenter in der Nähe von Nanking ein, in dem der Leverkusener Multi bei den FarmerInnen künftig für sein Saatgut und seine Pestizide werben will. „Ich sehe in dem neuen Informationszentrum eine große Chance, das vorhandene Fachwissen über eine erfolgreiche und nachhaltige Erzeugung an die chinesische Landwirte weiterzugeben“, sagte Bleser zur Eröffnung.

Duin spricht Grußwort
Zu der Veranstaltung „Standpunkt am Standort: Motor und Partner für Innovation – Pharma-Industrie in NRW“, welche die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE am 31.10.2014 in Monheim mit dem von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ und der Biotech-Firma UCB co-managte, sprach der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) ein Grußwort.

Gabriel für BAYER & Co. in China
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) betätigte sich im April 2014 auf seiner China-Reise als Chef-Lobbyist von BAYER & Co. So forderte er seine Gesprächspartner in Peking auf, den Unternehmen einen besseren Rechtsrahmen im Allgemeinen und einen besseren Patentschutz im Besonderen zu gewähren. Auch bei den Ausschreibungen mahnte er Veränderungen im Sinne bundesdeutscher Firmen an. Zudem stufte er den Technologie-Transfer als Zugangsvoraussetzung für den chinesischen Markt ebenso sehr als Handelshemmnis ein wie die in manchen Branchen bestehende Auflage für ausländische Konzerne, mit einheimischen Partnern Joint Ventures eingehen zu müssen.

Neues Gesetz für IT-Sicherheit
Der Leverkusener Multi registriert des öfteren Attacken auf sein Computer-Netz. 2012 etwa gab es einen Hacker-Angriff aus China mit dem Ziel, Industrie-Spionage zu betreiben. Zuvor schon musste er sich des Computer-Virus’ Stuxnet erwehren. Auch die politische HackerInnen-Gruppe „Anonymus“ störte schon die digitalen Betriebsabläufe. Anderen Konzernen ergeht es ähnlich. Deshalb plant die Bundesregierung ein IT-Sicherheitsgesetz. Sie will eine Meldepflicht für die Opfer von Cybercrimes einführen und dem Bundeskriminalamt mehr Kompetenzen verleihen. Zudem plant die Große Koalition, die entsprechenden Abteilungen von BKA, Verfassungsschutz und „Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik“ mit mehr Personal auszustatten.

Dekkers neuer VCI-Präsident
BAYER-Chef Marijn Dekkers ist neuer Vorsitzender des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI). Im September 2014 hat er das Amt für die nächsten zwei Jahre übernommen.

Dekkers reist nach Russland
BAYER & Co. machten vor der Ukraine-Krise gute Geschäfte in Russland. Auf 750 Millionen Euro belief sich 2013 der Umsatz des Leverkusener Multis, wozu vor allem die Pharma-Sparte beitrug. Weil der Konzern auf dem Pillen-Markt mit jährlichen Steigerungsraten von acht bis neun Prozent und bis 2017 mit Gesamterträgen auf dem russischen Markt in Höhe von 1,3 Milliarden Euro rechnete, baute er seine Präsenz in dem Land stark aus. Die Diskussion um Wirtschaftssanktionen im Frühjahr 2014 alarmierte das Unternehmen deshalb. „Ich hoffe, dass die Situation diplomatisch gelöst werden kann“, ließ sich der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers damals vernehmen. Seine Hoffnung erfüllte sich nicht, die Strafmaßnahmen kamen. Ob er jetzt auch zu den Firmen-Bossen gehört, die Angela Merkel laut Spiegel mittels ständiger Anrufe drängen, für eine Lockerung der Handelsbeschränkungen einzutreten, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall gehörte Dekkers aber der Wirtschaftsdelegation an, die im Oktober 2014 auf Einladung des russischen Premierministers Dmitri Medwedew zu einer Zusammenkunft ausländischer Investoren geflogen war. Das Kanzleramt war über diese Reise-Diplomatie not amused. „Was wir am wenigsten brauchen, ist eine Nebenaußenpolitik der Konzerne“, so ein Berliner Spitzen-Beamter.

Eine neue „Lex BAYER“
Über die marode Leverkusener Autobahn-Brücke dürfen keine schweren LKWs mehr fahren. Zum BAYER-Gelände müssen sie deshalb einen Umweg von ca. 20 Kilometern in Kauf nehmen. Ernst Grigat, bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA für die Chem-„Parks“ in Leverkusen und Dormagen verantwortlich, verfällt aus diesem Grund schon in Weltuntergangsstimmung. „Wenn nicht schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wird, fürchten wir, dass die Industrie verlagert wird. Damit ist das langsame Sterben der chemischen Industrie in Deutschland vorprogrammiert.“ Und die apokalyptischen Töne zeigen Wirkung. Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD) kündigte einen Neubau an. Und damit alles ganz schnell geht, will der Sozialdemokrat sogar das Fernstraßen-Gesetz ändern und durch eine sogenannte „Lex Leverkusen“ den BürgerInnen-Willen außen vor halten. Nach den Plänen des Politikers sollen etwaige Einsprüche in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts fallen und damit nur noch über eine Instanz gehen. Einen Zeitgewinn von bis zu anderthalb Jahren verspricht sich der Minister davon. „Wir können es uns nicht leisten, durch Klagewellen das Risiko einer Vollsperrung einzugehen“, so Groschek.

Kritik an EU-Aktienrechtreform
Die EU plant in einer neuen Richtlinie umfangreiche Aktienrechtsveränderungen. Sie will künftig die AktionärInnen alle drei Jahre über die ManagerInnen-Gehälter abstimmen lassen und dabei die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die sonst in den Unternehmen gezahlten Entgelte gewahrt wissen. Zudem beabsichtigt Brüssel, den AnteilseignerInnen ein Mitsprache-Recht zu verschaffen, wenn ein Konzern mit seinen eigenen Teil-Gesellschaften oder seinen GroßaktionärInnen Geschäfte abzuschließen gedenkt. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, Pensionsfonds und anderen institutionellen Anleger ebenso zu mehr Transparenz zu verpflichten wie die manchmal von ihnen angeheuerten StimmrechtsberaterInnen. Erwartungsgemäß laufen BAYER & Co. Sturm gegen das Vorhaben.

Juncker rudert zurück
Der Leverkusener Multi betrachtet Medikamente als ganz normale Wirtschaftsgüter. Dem wollte der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker folgen. Beim Zuschnitt der neuen Kommissionen plante er, dem Gesundheitskommissar die Zuständigkeit für die Zulassung von Arzneien und Medizinprodukten zu entziehen und den Bereich unter die Verantwortung der neuen Industrie-Kommissarin Elzbieta Bienkowska zu stellen. Erst nach massiven Protesten ließ der Luxemburger von seinem Vorhaben ab. Dagegen gelang es ihm, das bisher eigenständige Klima-Ressort aufzulösen und es mit dem Energie-Ressort zu verbinden – schlechte Aussichten also für eine engagierte Politik zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes.

PROPAGANDA & MEDIEN

COLOSS betet Bienen gesund
Der Leverkusener Multi weigert sich weiterhin beharrlich, die Mitverantwortung seiner Pestizide GAUCHO und PONCHO am weltweiten Bienensterben einzuräumen. Ja, der Konzern weigert sich sogar, den Fakt als solchen anzuerkennen. „Europäische Honigbienen sind gesünder, als in vielen Medienberichten behauptet“, vermeldete das Unternehmen jüngst und berief sich dabei auf „das unabhängige Honigbienen-Forschungsnetzwerk COLOSS“. Mit der Unabhängigkeit des Forschungskolosses ist es allerdings nicht so weit her. Er zählt BAYER nämlich zu seinen „Event Partnern“ und scheint unter Wissenschaft auch primär Krisen-Kommunikation zu verstehen. So befasste sich eine „training school“, an welcher auch Manuel Trischler vom „Bee Care Center“ des Pharma-Riesen teilnahm, hauptsächlich mit der Frage, wie angeblich unangemessenen Beiträgen von ForscherInnen zum Bienensterben zu begegnen sei. Das der Universität Bern angegliederte Institut machte bei den Unternehmen Defizite im PR-Bereich aus und empfahl ihnen Nachhilfe-Stunden in Öffentlichkeitsarbeit.

Bienen-Kümmerer BAYER
Der Leverkusener Multi steht wegen seiner bienenschädigenden Pestizide GAUCHO und PONCHO, welche die EU bis vorerst 2015 aus dem Verkehr gezogen hat, in der Kritik. Darum verstärkt der Konzern seine PR-Aktivitäten (s. o.) Wo das Unternehmen nicht schlicht versucht, die Fakten abzustreiten, da inszeniert es sich als Bienenkümmerer. Der Global Player fördert nicht nur das Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen sowie von Bienenweiden und gründet „Bee Care Center“, sondern unterstützt auch Forschungsvorhaben zum Erhalt der Bienengesundheit. So spendet er der kanadischen „University of Guelph“ 750.000 Dollar für den Aufbau eines Insekten-Gesundheitszentrums.

Neue Gentech-Kampagne
Im Februar 2014 haben BAYER & Co. eine neue PR-Kampagne für die grüne Gentechnik gestartet. „Growing Voices“ lautet der Markenname der Unternehmung, denn sie will den „lauter werdenden Stimmen, die ein Umdenken der EU in puncto ‚Gen-Pflanzen’ anmahnen“, Ausdruck verleihen. Die Auftakt-Veranstaltung fand im Brüsseler Hotel „Renaissance“ statt und brachte „Gesundes Essen – die unerzählte Geschichte der Gen-Pflanzen“ zu Gehör. Den „Science Fiction“-Stoff führten sich unter anderem damalige Angehörige der Europäischen Kommission und des EU-Parlaments, EU-BeamtInnen, UmweltpolitikerInnen, EmissärInnen von Forschungseinrichtungen – und natürlich Abgesandte der Agro-Multis zu Gemüte. Allein von BAYER waren neun VertreterInnen anwesend.

Wissenschaftliche Gentech-PR
Mit vereinten Kräften wollen die „Bill & Melinda Gates Foundation“ und BAYER, MONSANTO & Co. die Gentechnik-Debatte „entpolarisieren“. Zu diesem Behufe hat die Stiftung der Cornell Universität nicht weniger als 5,6 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Als Partner der PR-Kampagne mit wissenschaftlichem Antlitz namens „Alliance for Science“ fungiert der vom Leverkusener Multi und anderen Agro-Riesen unterstützte Lobby-Verein „International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications“ (ISAAA).

Gentech-Studie: CRIIGEN steigt aus
Im Juli 2013 hat das französische Gesundheitsministerium eine Studie über Gentech-Risiken in Auftrag gegeben. Ihr ist allerdings ein „Dialog-Forum“ angeschlossen, in dem VertreterInnen von BAYER, MONSANTO und LIMAGRAIN sitzen. Darum hat die unabhängige Wissenschaftsorganisation CRIIGEN ihren Ausstieg aus dem Projekt verkündet. „Wir können nicht mit Leuten zusammenarbeiten, die Lobbying-Taktiken benutzen, um ihre Produkte zu vermarkten und deren Akzeptanz zu erhöhen, ohne jene genauer zu untersuchen und ohne Transparenz walten zu lassen“, heißt es in der Begründung.

BAYER sponsert den „Weltthrombose-Tag“
Die „International Society on Thrombosis and Haemostasis“ hat den 13. Oktober zum „Weltthrombose-Tag“ erklärt, um stärker auf die mit den Blutgefäß-Verschlüssen einhergehenden Lebensgefahren aufmerksam zu machen. Der Leverkusener Multi gehört zu den Sponsoren der Veranstaltung, womit der Bock zum Gärtner wird. Thrombo-Embolien gehören nämlich zu den häufigsten Nebenwirkungen seiner Verhütungspillen aus der YASMIN-Familie. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte bisher 190 Sterbefälle.

BAYER erklärt Nebenwirkungen
XARELTO, YASMIN, BETAFERON, MIRENA, ESSURE – die Liste der BAYER-Medikamente, die wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik stehen, wird immer länger. Das bleibt auch in der Belegschaft nicht unbemerkt, weshalb sich der Leverkusener Multi in seiner Beschäftigten-Zeitung direkt gezwungen sah, auf die Problematik einzugehen. Da der Konzern es auch als Aufgabe seiner Angestellten erachtet, „zu Themen Stellung zu nehmen, die in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden“, will direkt ihnen künftig in einer Serie Argumente für solche Gelegenheiten an die Hand geben. Nach dem Motto „Jedes Ding hat zwei Seiten“ erklärt der Leverkusener Multi Nebenwirkungen erst einmal zu einer Naturgegebenheit. Aber natürlich hat er nach eigenen Aussage im Sinne seiner Mission „Science For A Better Life“ ein Interesse daran, diese in – natürlich ganz unabhängigen – Studien aufzuspüren und setzt angeblich auch seinen halben Forschungsetat dafür ein. Fortbildungsveranstaltungen für MedizinerInnen und Hotlines dienen ebenfalls bloß diesem Zweck – die Märchenstunde will gar kein Ende nehmen.

BAYER kauft Museum
Am Standort Lubbock hat der Leverkusener Multi das „American Museum of Agriculture“ in Beschlag genommen. Es benannte sich zu Ehren des neuen Sponsors nicht nur in „BAYER Museum of Agriculture“ um, sondern veränderte auch den Charakter seiner Dauerausstellung. Die Schau widmet sich jetzt nicht mehr so stark der Geschichte der Landwirtschaft und verlagert den Schwerpunkt stattdessen auf die Zukunft. Zur Freude des Konzern-Sprechers Lee Rivenbark illustrieren viele Exponate den BAYER-Slogan „Science for A Better Life“. Und das ganze Haus gilt ihm nun als „Leuchtturm für Wissenschaft und Innovation auf dem Gebiet ‚Landwirtschaft’“, denn: „Innovation ist das, worum es BAYER geht“.

TIERE & ARZNEIEN

Mehr BAYTRIL in den Tierställen
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten. Im Fall von BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinolone an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Und die Gefährdung nimmt zu: 2013 stieg – bei insgesamt fallenden Zahlen (1.452 gegenüber 1.619 Tonnen) – die Menge der verschriebenen Fluorchinolone von zehn auf 13 Tonnen (siehe auch SWB 4/14). Und was wie eine kleine Umschichtung bei insgesamt rückläufiger Tendenz anmutet, bedeutet wegen unterschiedlicher Dosierungsvorschriften in Wirklichkeit jedoch eine Ausweitung der Antibiotika-Zone. Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, vermögen die LandwirtInnen mit einer Tonne BAYTRIL nämlich 2,2 Millionen Tiere zu versorgen! Das Verbraucherschutzministerium verschleiert diesen Tatbestand allerdings bewusst und verkauft „Gesamtmenge im Jahr 2013 weiter gesunken“ als Erfolgsmeldung.

TIERE & VERSUCHE

Zweifel an Tierversuchen
172.287 Tierversuche hat der Leverkusener Multi 2013 durchgeführt bzw. durchführen lassen – 1.690 mehr als 2012. Eine neue Studie der WissenschaftlerInnen Pandora Pound und Michael B. Bracken bewertet die Sinnhaftigkeit solcher Tests kritisch. Angesichts hunderter am „Tier-Modell“ erprobter Medikamente, die am „Mensch-Modell“ versagten, zweifelt ihre im British Medical Journal veröffentlichte Untersuchung die Übertragbarkeit der Ergebnisse an. Zudem bescheinigt die Expertise den mit Ratten, Mäusen und anderen Lebewesen unternommenen Experimenten eine mangelhafte Qualität, was die ProbandInnen der nachfolgenden klinischen Prüfungen unnötigen Risiken aussetze. „Die aktuelle Studie zeigt erneut, dass der von manchen Kreisen gebetsmühlenartig behauptete Nutzen von Tierversuchen keinerlei Fundament hat“, konstatiert Silke Bitz von ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE.

DRUGS & PILLS

USA: Alarmierende XARELTO-Zahlen
Auch in den Vereinigten Staaten wächst die Besorgnis über die Risiken und Nebenwirkungen, die von BAYERs neuem Gerinnungshemmer XARELTO ausgehen. 680 Meldungen über unerwünschte Effekte des Präparats mit dem Wirkstoff Rivaroxaban erhielt die Gesundheitsbehörde FDA allein im ersten Quartal 2013 – 152 mehr als zu dem Konkurrenz-Medikament PRADAXA.

Nierenerkrankungen durch BETAFERON
BAYERs „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON kann Nierenschädigungen hervorrufen. Eine entsprechende Warnung veröffentlichte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) im August 2014 (siehe auch SWB 4/14). Damit erschöpfen sich die Gegen-Anzeigen des Gentech-Präparats allerdings bei Weitem nicht. 186 Meldungen über „unerwünschte Arznei-Effekte“ hat das BfArM allein im Jahr 2013 erhalten. Dazu zählen unter anderem temporäre Spastiken, Schmerz-Attacken, Verstopfung und Müdigkeit. Und im Gegensatz zu den Nebenwirkungen bleiben die Wirkungen des Mittels spärlich. Dem MS-Ratgeber der „Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf“ zufolge sind BETAFERON und andere Substanzen auf Interferon-Basis nur bei 16 Prozent der frisch Erkrankten imstande, einen zweiten Schub zu verhindern, bei fünf von sechs PatientInnen hingegen zeigen sie keinen Nutzen.

ASPIRIN gegen Krebs?

Immer wieder erscheinen Studien, die BAYERs ASPIRIN eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs bescheinigen. Diese weisen jedoch meist Mängel auf. Entweder können die WissenschaftlerInnen sich nur auf äußerst beschränktes Daten-Material stützen oder sie haben Kontakte zum BAYER-Konzern. Dies ist auch bei der Arbeit von Jack Cuzick und seinem Team der Fall, die zahlreiche Untersuchungen zum Thema ausgewertet haben und dem „Tausendsassa“ einen prophylaktischen Effekt bescheinigen. Cuzick gehört nämlich zum Beraterstab des Pharma-Riesen, und auch viele seiner MitarbeiterInnen standen oder stehen noch auf der Gehaltsliste des Unternehmens.

BAYERs Endometriose-Coup
Bei der Endometriose handelt es sich um eine gutartige Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut. Besonders während des Monatszyklusses verursacht das sich außerhalb der Gebärmutter-Höhle befindliche Gewebe Schmerzen. Zu deren Behandlung haben Frauen-ÄrztInnen früher die Verhütungspillen VALETTE oder CHLORMADINON der BAYER-Tochter JENAPHARM verschrieben. 2010 aber brachte der Leverkusener Multi mit VISANNE ein speziell für diese Krankheit zugelassenes Präparat auf den Markt. Die Produktion der beiden anderen Mittel stellte er ein, damit sie der Neuheit keine Konkurrenz machen – das Unternehmen verlangt für VISANNE nämlich rund das Fünffache des Preises von CHLORMADINON. Den höheren Kosten entspricht noch nicht einmal keine höhere Wirksamkeit. Die Arznei konzentriert sich lediglich auf die Symptom-Linderung. Zudem basiert die Zulassung auf einer dünnen Daten-Lage, die Kohorte bei der Sicherheitsanalyse umfasste nur 300 Frauen. Darum betrachten das industrie-unabhängige arznei-telegramm und das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ VISANNE auch bloß als Mittel der 2. Wahl. Ähnlich wie bei VISANNE war der Pharma-Riese in Tateinheit mit SANOFI jüngst auch im Fall von Alemtuzumab vorgegangen. Als die Konzerne die Zulassung für die Indikation „Multiple Sklerose“ erhielten, zogen sie die Arznei umgehend als Mittel zur Behandlung der chronisch-lymphatischen Leukämie“ vom Markt zurück, weil das neue Anwendungsgebiet mehr Profite verspricht (SWB 1/14).

Frankreich: MELIANE-Umsatz sinkt
2006 hatte die Französin Marion Larat nach der Einnahme des BAYER-Verhütungsmittels MELIANE einen Schlaganfall erlitten. Sechs Jahre später entschloss sie sich, den Pharma-Riesen auf Schadensersatz zu verklagen. Das damit verbundene Medien-Echo machte die Öffentlichkeit erstmals auf die mit den Kontrazeptiva der dritten und vierten Generation verbundenen Risiken aufmerksam. Die damalige Gesundheitsministerin Marisol Touraine reagierte umgehend. Sie wies die Krankenkassen an, die Kosten für MELIANE & Co. nicht mehr zu übernehmen. Und das zunehmend kritische Klima hatte Folgen: Bis Ende 2013 büßten die Mittel 60 Prozent ihres Umsatzes ein.

Kein NEXAVAR bei Brustkrebs
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib hat bislang eine Zulassung bei den Indikationen „fortgeschrittener Nierenkrebs“ und „fortgeschrittener Leberkrebs“. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu erweitern. Ein Versuch, das Mittel zusammen mit Capecitabin bei solchen Patientinnen mit fortgeschrittenen Brustkrebs-Arten zur Anwendung zu bringen, bei denen andere Medikamente versagt hatten, scheiterte jetzt allerdings. „Wir sind enttäuscht, dass die Studie keine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens bei Patienten mit fortgeschrittenem Brustkrebs zeigen konnte“, sagte der BAYER-Manager Jörg Möller. Zuvor war schon ein anderer Ansatz zur Therapie von Brustkrebs ohne Erfolg geblieben. Auch bei einer bestimmten Art von Leber-, bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs hatte NEXAVAR bereits versagt.

NICE nicht nice zu XOFIGO
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Strahlentherapie-Medikament XOFIGO (siehe auch PRODUKTION & SICHERHEIT) durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. Deshalb finanziert der „National Health Service“ die Behandlung mit dem Pharmazeutikum nicht, das bei der Prostatakrebs-Art CRPC zum Einsatz kommt, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Der Leverkusener Multi habe zu dem Mittel keine Dokumente vorgelegt, die seine Überlegenheit gegenüber vergleichbaren Arznei-Therapien demonstrieren könnten, so die Behörde. „Wir müssen zuversichtlich sein, dass die Vorteile die beträchtlichen Kosten rechtfertigen“, sagte NICE-Chef Andrew Dillon angesichts des Preises von 30.000 Euro für eine einzige Anwendung des Präparats, das den PatientInnen bei den Klinischen Tests nur zu einem ca. drei Monate längeren Leben verhalf.

Weitere Zulassungen für ADEMPAS
Bei der Arznei ADEMPAS handelt es sich um ein Mittel zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge die Bildung eines Enzyms stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Nachdem BAYER in den USA bereits die Zulassung für das Medikament erhalten hat, erteilte dem Präparat nun auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA grünes Licht. Japan hat bisher nur eine Genehmigung für das Anwendungsgebiet „CTEPH“ erteilt, ein Antrag für die Indikation „PAH“ ist noch in Bearbeitung. Wie üblich, hat der Leverkusener Multi jedoch noch viele weitere Therapie-Felder wie z. B. „die Nieren-Protektion und die Herz-Insuffizienz“ im Auge und will Millionen mit ADEMPAS machen. Das industrie-unabhängige Fach-Magazin Arzneimittelbrief hingegen kann die Euphorie des Pharma-Riesen nicht ganz teilen. Obwohl es sich bei Riociguat um eine „innovative Substanz“ handle, deren therapeutischer Mechanismus „neu und interessant“ erscheine, seien die in der Literatur beschriebenen Effekte nur „marginal“, dämpft die Publikation die Erwartungen, die BAYER nicht zuletzt durch das Öffnen der „Marketing-Schleuse“ geschürt habe.

Test the East
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Tests in ärmere Länder aus. Dort winken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und eine mangelhafte Aufsicht. Die Folge: Immer wieder kommt es zu Todesfällen. So starben 2011 in Indien 20 Menschen bei Erprobungen von BAYER-Medikamenten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN machte diesen Skandal öffentlich, und der Leverkusener Multi reagierte – er schaute sich nach anderen Nationen um. Neben China hat es ihm momentan besonders Russland angetan. 90 – teils noch laufende, teils schon abgeschlossene – Medikamenten-Erprobungen des Global Players in dem Staat weist die Datenbank „ClinicalTrials“ aus. Das CLINICIAL TRIALS CENTER oder andere Auftragsfirmen prüften für den Konzern dort unter anderem die Spirale MIRENA, das Krebsmittel NEXAVAR, den Gerinnungshemmer XARELTO und das „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON. Nach einem Bericht der Zeit bietet das Land unschlagbare Standort-Vorteile. ProbandInnen bemühen sich selbstständig um eine Teilnahme an den Tests, weil ihnen die Medikamente sonst nicht zur Verfügung stehen, und bleiben auch bei der Stange. Dass ihnen das Recht zusteht, einen Medikamenten-Versuch abzubrechen, erfahren sie oft nicht, und eine Ethik-Kommission, welche über alles wacht, existiert ebenfalls nur selten. „Die besteht in Russland häufig nur auf dem Papier“, sagt Alexander Globenko vom CLINICIAL TRIALS CENTER und berichtet zudem von MedizinerInnen, die Nebenwirkungen nicht protokollieren. Sogar die Existenz von Phantom-Studien mit erfundenen TeilnehmerInnen räumt er ein. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) weiß um diese Zustände. „Auffällig glatt“ erscheinen einer BfArM-Mitarbeiterin laut Zeit die Ergebnisse bisweilen. Selbst der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ hält die russischen Verhältnisse der Zeitung zufolge für besorgniserregend. Das dürfte den Leverkusener Multi jedoch vorerst nicht von seinem Tun abhalten.

Zweifelhafte Testosteron-Studie
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben, um NEBIDO und andere Hormone an den Mann bringen zu können. Die passenden Studien liefert BAYER dazu auch. So präsentierte der Pharma-Riese in Sofia auf einem medizinischen Kongress zum Thema „Fettleibigkeit“ eine Untersuchung, wonach eine Testosteronersatz-Therapie zu Gewichtsverlusten inklusive besserer Blutzucker- und Blutdruck-Werte führt. Allerdings hält die Expertise wissenschaftlichen Kriterien kaum stand: Sie stützt sich auf gerade einmal 46 Probanden. Richtige Studien kommen zu ganz anderen Ergebnissen. So fand eine ForscherInnen-Gruppe um Jared L. Moss von der Universität Knoxville heraus, dass die Testosteron-Spritzen die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen. Zudem beobachteten die WissenschaftlerInnen Schrumpfungen des Hodengewebes und Samenzellen-Missbildungen. Damit fügten sie der langen Liste von Risiken und Nebenwirkungen der Mittel wie Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Ödeme, Blutverdickung und Leberschäden noch einige weitere Einträge hinzu.

Arznei-Ausgaben steigen um 3,2 Prozent
Im Jahr 2013 erhöhten sich die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente im Vergleich zu 2012 um 3,2 Prozent auf 32,1 Milliarden Euro. Das geht aus den Zahlen des „Arzneiverordnungsreports 2014“ hervor. Der Herausgeber, der Pharmakologe Ulrich Schwabe, macht dafür die hohen Preise für Pharmazeutika im Allgemeinen und für patentgeschützte Medikamente im Besonderen verantwortlich. Der Leverkusener Multi hat daran einen gehörigen Anteil. So verlangt er für sein nicht eben wirkungsvolles Krebsmittel NEXAVAR über 58.000 Euro im Jahr. Eigentlich sollte das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 hier Abhilfe schaffen, denn nach diesem Paragrafen-Werk müssen die Pharma-Firmen mit ihren Arzneien ein Verfahren durchlaufen, das Kosten und Nutzen der Präparate bewertet, und sich anschließend mit den Krankenkassen auf einen Erstattungsbetrag einigen. Jährliche Einsparungen in Höhe von zwei Milliarden Euro erwarteten die PolitikerInnen von der Regelung. Die Hoffnung trog jedoch; 2013 wurden es lediglich 150 Millionen Euro. Die schwarz-gelbe Koalition war nämlich von ihren Plänen abgerückt, alle Medikamente einer Revision zu unterziehen und beschränkte sich auf neue Präparate. Zudem fallen die Abschläge äußerst mager aus. Für BAYERs Gentech-Präparat EYLEA zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – betrugen sie trotz des Prüfurteils „Kein Zusatznutzen“ gerade mal 7,6 Prozent. Von 1.136 auf 1.050 Euro hatte der Pharma-Riese den Apotheken-Verkaufspreis zu senken.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

CDU und SPD verharmlosen GAUCHO
BAYERs Pestizide GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) sind mitverantwortlich für das weltweite Bienensterben. Deshalb hat die EU ihnen 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen. Die Bundesregierung jedoch verharmlost die Gefahr dieser zur Gruppe der Neonicotinoide zählenden Ackergifte. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bezweifelt sie die Aussagekraft der meisten Untersuchungen zur Gefährlichkeit dieser Mittel und beruft sich dabei auf das bundeseigene Julius-Kühn-Institut. So bezeichnen Merkel & Co. etwa das Studien-Design als mangelhaft. Zudem zweifeln sie die Übertragbarkeit der Labor-Ergebnisse auf Freiland-Bedingungen an. Darum hält die Große Koalition es im Einklang mit BAYER & Co. auch für richtig, sich bei der Suche nach den Ursachen für die Dezimierung der Bienenvölker weiter hauptsächlich auf die Varroa-Milbe zu konzentrieren.

GAUCHO-Alternative SIVANTO?
Ab 2015 will BAYER das Pestizid Flupyradifuron (Produktname: SIVANTO) als Alternative zu Imidacloprid (GAUCHO) vermarkten, dem die EU wegen seiner bienenschädigenden Wirkung 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen hat. Flupyradifuron gehört zwar nicht wie Imidacloprid zur Gruppe der Neonicotinoide, sondern zu den Butenoliden, es ähnelt den Neonicotinoiden aber in seiner Funktionsweise. Wie diese wirkt das Flupyradifuron systemisch, also gegen eine Vielzahl von Schadinsekten, und wie diese blockiert es bei den Tieren die Reiz-Weiterleitung an den Nervenbahnen. Deshalb bestehen Zweifel daran, ob der Stoff wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet.

Brasilien: Verbot von GLYPHOS?
Wie El Salvador (siehe Ticker 3/14) plant nun auch Brasilien das Verbot von besonders gesundheitsschädlichen Pestiziden. Auf der Schwarzen Liste befinden sich mit Parathion-Methyl und Glyphosat auch zwei Wirkstoffe, die BAYER im Angebot hat. Parathion-Methyl kommt in ME 605 Spritzpulver zum Einsatz, und Glyphosat in GLYPHOS und USTINEX G. Zudem verkauft der Leverkusener Multi Glyphosat noch in Kombination mit CREDENZ und anderen gegen das Ackergift immun gemachten Genpflanzen.

Protest gegen Öko-Verordnung der EU
Die EU plant, strengere Pestizid-Grenzwerte für den ökologischen Landbau zu erlassen. Die betreffenden LandwirtInnen wenden sich allerdings gegen die Regelung. Da durch angrenzende Felder von Bauern und Bäuerinnen, die mit konventionellen Methoden arbeiten, auch Chemikalien auf ihre Äcker gelangen, fürchten sie, die neuen Limits nicht einhalten zu können.

BAYER erwirbt Herbizide
Der Leverkusener Multi hat von DUPONT Herbizide erworben, die im „Land-Management“, also nicht auf Äckern, sondern in Wäldern, auf Weide-Flächen, Industrie-Arealen oder Bahn-Gleisen zum Einsatz kommen (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Rund 30 Anti-Unkrautmittel umfasst das DUPONT-Sortiment. Dazu gehören Produkte wie PERSPECTIVE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Chlorsulfuron), ESPLANADE (Wirkstoff: Indaziflam), STREAMLINE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Metsulfuronmethyl), ESCORT (Wirkstoff: Metsulfuronmethyl) und Oust (Wirkstoff: Sulfometuronmethyl).

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft GRANAR
BAYER hat das Sojasaatgut-Geschäft des paraguayischen Unternehmens GRANAR erworben (siehe auch IMPERIUM & WELTMACHT).

Feldversuche mit Zuckerrübe
Der Leverkusener Multi und KWS kündigen Feldversuche mit einer gemeinsam entwickelten Zuckerrüben-Art an, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern wie BAYERs ATTRIBUT (Wirkstoff: Propoxycarbazone) unbeschadet, weshalb die neue Rübe schon bald ziemlich alt aussehen könnte.

GENE & KLONE

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Der Leverkusener Multi setzt besonders bei SURPASS und anderen Baumwoll-Pflanzen auf den Bazillus. Die Schadinsekten können sich jedoch immer besser auf ihn einstellen. In einer von Juliano Ricardo Farias und seinem Team durchgeführten Untersuchung gelang es dem Heerwurm schon binnen dreier Jahre, eine Resistenz gegen den Bt herauszubilden. Zudem trotzen vielerorts bereits der Baumwollkapselbohrer, die Baumwollkapseleule, die Kohlschabe, die Aschgraue Höckereule, der Eulenfalter und die „Busseola fusca“-Raupe der Substanz.

Import-Zulassung für Gentech-Mais?
Die EU-Gremien befinden zur Zeit über eine Import-Zulassung für BAYERs Gentech-Mais T25. Die Lebensmittelbehörde EFSA hat der Laborfrucht bereits eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt, obwohl sie gentechnisch auf eine Behandlung mit dem gesundheitsgefährdenden Pestizid Glufosinat geeicht ist. Darum konnte sich das „Standing Committee on the Food Chain and Animal Health“ auch nicht auf ein positives Votums einigen. Zweimal kam es zum Patt, wobei die Bundesrepublik sich jeweils der Stimme enthielt. Jetzt obliegt der Europäischen Kommission die Entscheidung. Die Pflanze reiste derweil schon mal illegal ein. 2011 entdeckte das niedersächsische Umweltministerium bei einer Untersuchung Spuren von T25 in konventionellem Mais-Saatgut aus Ungarn.

Kennzeichnungspflicht in Vermont
Seit einiger Zeit gibt es in US-amerikanischen Bundesstaaten Initiativen zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel. BAYER & Co. investieren viel Geld, um diese Vorhaben zu Fall zu bringen und können leider schon Erfolge verbuchen. In Washington und Kalifornien scheiterte ein BürgerInnen-Begehren bereits. In Vermont allerdings muss die Gentech-Industrie Farbe bekennen. Der Bundesstaat erließ ein Kennzeichnungsgesetz, das jedoch einige Lücken aufweist, wie KritikerInnen monieren. Maine und Connecticut taten es Vermont gleich, wollen das Paragrafen-Werk jedoch erst in Kraft setzen, wenn mindestens vier weitere Staaten folgen.

Stammzellen: Der Hype ist vorbei
„Die Möglichkeiten sind grenzenlos“, schwärmte im Jahr 2001 BAYERs damaliger Chef-Pharmazeut Wolfgang Hartwig über die Stammzellen. Aus ihnen wollten die GenforscherInnen des Konzerns zahlreiche Zelltypen oder Gewebe-Arten entwickeln. 2008 haben sie in Japan ein Patent (siehe Ticker 3/08) für eine Technik zur Produktion von „Induzierten Pluripotenten Stammzellen“ (IPS) angemeldet, eine Stammzellen-Art, welche die ForscherInnen durch eine „Rückprogrammierung“ normaler Körperzellen erzeugen, was die Abtötung von Embryos erspart. Aber die Möglichkeiten dieser Gentechnik sind rasch an Grenzen gestoßen. Deshalb hat sich Ernüchterung eingestellt. „BAYER ist auf dem Gebiet der Stammzell-Forschung derzeit nicht aktiv“, heißt es jetzt lapidar. Thomas Eschenhagen, der Direktor des Instituts für Experimentelle Pharmakologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, bezeichnet den Wirbel um die Stammzellen im Nachhinein als Beispiel für „kurzfristige Sensationsforschung“. „Die waren vor 15 Jahren der große Hype. Alle sind auf diese Welle aufgesprungen, aber viele dieser Versprechen haben sich als falsch oder übertrieben herausgestellt. Also ist die Forscher-Karawane weitergezogen“, sagte er in einem taz-Interview. Eschenhagen hingegen forscht weiter an der Herstellung von künstlichem Herz-Gewebe aus Stammzellen.

Neue EYLEA-Zulassung
Wann immer die Aufsichtsbehörden einer Arznei des Leverkusener Multis für ein bestimmtes Anwendungsgebiet die Genehmigung erteilen, versucht dieser, grünes Licht für weitere Indikationen zu erhalten. So verfährt er auch im Falle des Gentech-Augenpräparats EYLEA. Zunächst nur zur Behandlung der altersbedingten feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassen, können es MedizinerInnen seit einiger Zeit auch zur Behandlung der Folgen eines Zentralvenen-Verschlusses der Netzhaut verschreiben. Und jetzt dürfen sie es zusätzlich zur Therapie der von der Zuckerkrankheit hervorgerufenen Makula-Degeneration einsetzen. Zudem stimmten die japanischen Aufsichtsbehörden bereits einer Verwendung bei der „choroidalen Neovaskularisation“, einer Gewebe-Wucherung am Seh-Organ, zu. Als Augen-Allheilmittel kommt der gemeinsam mit der Firma REGENERON entwickelte EYLEA-Wirkstoff Aflibercept aber nicht in Betracht. In den Tests, die zur ersten Zulassung führten, demonstrierte er nämlich lediglich seine Nicht-Unterlegenheit gegenüber Ranibizumab. Überdies traten während der Erprobungen zahlreiche Nebenwirkungen wie Bindehaut-Blutungen, grauer Star, Augenschmerzen, Glaskörper-Trübungen und Erhöhung des Augeninnendrucks auf.

EYLEA: Es geht auch billiger
Nach einer Untersuchung der Cochrane Collaboration, einem Netzwerk von ÄrztInnen, WissenschaftlerInnen und PatientInnen-VertreterInnen, wirkt das ROCHE-Krebsmedikament AVASTIN genauso gut zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – wie ROCHEs LUCENTIS und BAYERs Gentech-Präparat EYLEA. Es hat nur einen Nachteil: Es ist zu billig, weshalb der Schweizer Konzern sich nicht selbst Konkurrenz machen will. Während eine Injektion mit LUCENTIS 900 Euro kostet und eine mit BAYERs Gentech-Präparat 1.050 Euro, schlägt AVASTIN nur mit 30 Euro zu Buche.

Hämophilie-Gentherapie
Das Unternehmen DIMENSION THERAPEUTICS entwickelt für BAYER eine neue Methode zur Behandlung der Bluter-Krankheit Hämophilie A. Dabei wollen die WissenschaftlerInnen ein Gen, das den Gerinnungsfaktor VIII produziert, direkt in die Leber einführen. Bis zu 240 Millionen Dollar an Zahlungen hat die US-amerikanische Biotech-Firma zu erwarten, sollte es ihr gelingen, das Verfahren bis zur Marktreife zu entwickeln.

WASSER, BODEN & LUFT

GAUCHO & Co. belasten Gewässer
Die Bundesländer überprüfen die Belastung der Gewässer mit BAYERs bienenschädlichen (siehe PESTIZIDE und HAUSHALTSGIFTE) Pestizid-Wirkstoffen Imidacloprid (GAUCHO) und Clothianidin (PONCHO) nicht systematisch. Es liegen nur Stichproben vor. Diese geben jedoch Anlass zur Sorge, denn sowohl Clothianidin als auch Imidacloprid überschritten teilweise die Grenzwerte. Besonders Imidacloprid tat sich dabei hervor. „Das deutet darauf hin, dass Imidacloprid ein für die Erfüllung der Anforderungen der EU-Wasserrahmen-Richtlinie relevanter Schadstoff in Oberflächen-Gewässern ist“, hält die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen zu GAUCHO & Co. fest.

Lubbock: BAYER & Co. in der Kritik
Im texanischen Bezirk Lubbock befinden sich neben dem Leverkusener Multi noch viele andere Chemie-Unternehmen. 390 Tonnen teils hochgefährlicher Stoffe lagern auf den Firmen-Arealen, oft in bedenklicher Nähe zu Siedlungen. Als es im Mai vergangenen Jahres auf dem BAYER-Gelände zu einem Austritt von Chlorwasserstoff kam, mussten deshalb die EinwohnerInnen eines ganzen Stadtteils von Guadalupe ihre Häuser verlassen. Besonders der geringe Abstand der Fabriken zu Schulen beunruhigt die LubbockerInnen. So liegen nach einer Studie des „Center for Effective Government“ 27 Bildungseinrichtungen mit insgesamt 9.500 SchülerInnen im „Einzugsgebiet“ von BAYER & Co. Die BürgerInnen verlangten aus diesem Grund genauere Information über die Substanzen, aber die Verantwortlichen des Regierungsbezirkes verweigerten die Auskunft.

Das Aus für Mikroplastik?
BAYER & Co. drängen mit ihrer Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So finden sich in Zahnpasten, Dusch-Peelings und Kontaktlinsen-Reinigern viele Kunststoff-Produkte. Der Leverkusener Multi produziert beispielsweise Polyurethane zur Verstärkung der Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups. Diese Mikroplastik-Teilchen können nicht nur Gesundheitsstörungen verursachen, sondern auch die Umwelt schädigen, denn sie passieren die Kläranlagen unbehelligt. In den Gewässern bilden die Substanzen dann den besten Nährboden für andere Giftstoffe und potenzieren so ihre Gefährlichkeit noch einm

[Krise] STICHWORT BAYER 02/2009

CBG Redaktion

BAYER und die Krise, Teil III

„Die heutigen Strukturen wird man nicht erhalten können“

Während der Leverkusener Multi die Beschäftigten im Zuge des Krisenmanagements auf weitere Zumutungen einstellt und die Politik zu weiteren Zugeständnissen bewegt, schaut er schon in die Zukunft. Und die sieht selbst dann alles andere als rosig aus, wenn der „Aufsetzpunkt“ einmal erreicht ist. „Die heutigen Strukturen jedenfalls wird man so lange nicht erhalten können“, prophezeit BAYER-Chef Werner Wenning und kündigt „langfristige Kapazitätsanpassungen“ an.

Von Jan Pehrke

BAYERs Weg durch die Krise dürfte für die Belegschaft noch steiniger werden. Die bisherige Marschroute, die sich an einem Gewinn-Rückgang von fünf Prozent orientiert, stößt auf große Hindernisse. Als „zunehmend ambitioniert“ hat BAYER-Chef Werner Wenning diese Leitlinie deshalb auf der Hauptversammlung im Mai bezeichnet.
Das liegt vor allem an der Situation bei der Kunststoffsparte des Konzerns; die Pharma- und die Landwirtschaftsabteilungen legten dagegen im ersten Quartal 2009 noch einmal kräftig zu und steigerten den Umsatz gegenüber dem Vorjahr um drei bzw. sieben Prozent. BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) hatte Auftragseinbrüche um bis zu 33 Prozent und entsprechend hohe Umsatz-Verluste zu verzeichnen. Deshalb blieb es nicht bei der „Kürzerarbeit“ ohne Lohnausgleich. So mussten die BMS-Beschäftigten bei den Bonus-Zahlungen mehr Verzicht üben als ihre Kollegen aus der Pharma- und Landwirtschaftssparte. Am Standort Brunsbüttel stimmte der Betriebsrat überdies einer viele Einschnitte vorsehenden Betriebsvereinbarung zu. Sie umfasst unter anderem die Vernichtung von 100 Arbeitsplätzen und die Überführung von Werksschutz, Feuerwehr und Sicherheitszentrale in das schon jetzt auf dem Gelände aktive VEREINIGTE SICHERHEITSUNTERNEHMEN (VSU). Die 56 Betroffenen gehören zwar vorerst weiter zu BMS, aber ihnen blüht eine Ausgliederung auf Raten. Von Tarifrunde zu Tarifrunde haben sie Lohnverzicht zu üben, bis sie bei acht Prozent unter dem Chemie-Tarif punktlanden. Und nicht genug damit, kommt auf die verbliebenen Belegschaftsangehörigen zudem noch eine Flexibilisierungsoffensive zu. Auf der Hauptversammlung forderten AktionärInnen bereits eine Trennung vom Kunststoff-Geschäft. Doch davon will der Vorstand vorerst nichts wissen.

„langfristige Anpassungen“
Aber am betriebsbedingte Kündigungen eigentlich ausschließenden „Standortsicherungsvertrag“ rütteln die Manager bereits. „Absolut ausschließen“ mochte Wenning eine solche Maßnahme nicht. Und der Personalvorstand Richard Pott bekannte zwar, alles daran zu setzen, es dazu nicht kommen zu lassen, gab aber zu bedenken: „Allerdings müssen wir unsere gesellschaftliche Verantwortung mit den betrieblichen Interessen in Einklang bringen“. Für seinen Chef indes gibt es keinen Unterschied zwischen BAYER-Wohl und Allgemeinwohl. „Es gehört nun einmal zum Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen, international wettbewerbsfähige Renditen zu erzielen“, erklärte er in der Welt.
Und aus diesem „Verantwortungsbewusstsein“ heraus droht die Kürzerarbeit bald in veritable Kurzarbeit zu münden. An den französischen BAYER-CROPSCIENCE-Standorten stehen zudem Fusionierungen von Geschäftsteilen mit dem Synergie-Effekt „Arbeitsplatzvernichtung“ an. Richtig düster sieht es allerdings erst für die Zukunft aus. Der Leverkusener Multi hält nämlich bereits nach dem „Aufsetzpunkt“ des Konjunktur-Einbruchs Ausschau und überlegt, wie es von da aus weitergehen wird. Bergauf führt dieser Weg aus der Talsohle für die BAYER-Angestellten nicht. „Außerdem gilt es zu klären, welche Strukturen kurzfristig benötigt werden, wenn vielleicht erst in fünf Jahren das Nachfrage-Niveau vor Ausbruch der Krise erreicht werden kann. Die heutigen Strukturen jedenfalls wird man so lange nicht erhalten können“, meint Wenning und spricht von „langfristigen Kapazitätsanpassungen“.
Der neue Standortsicherungsvertrag, der 2010 in Kraft tritt, soll dafür schon einmal Vorsorge treffen. Wie der BAYER-Chef auf der Hauptversammlung kundtat, müssen die Beschäftigten dann für den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen einen noch höheren Preis zahlen als bisher. „Mehr Flexibilität - bei den Löhnen, bei den Arbeitszeiten und bei den Einsatzorten“, nannte der Vorstandsvorsitzende als Bedingung für eine Neuauflage.

IG BCE willig
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) erträgt all diese Zumutungen mit Engelsgeduld. Die Gewerkschaft weicht in der Krise nicht von ihrem Schmusekurs ab und betreibt bei BAYER, wo der IG BCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt im Aufsichtsrat sitzt, und anderswo unverdrossen weiter „Co-Management“.
„Sozialpartnerschaftliches Miteinander ist Voraussetzung, in den Unternehmen schwierige Zeiten bestmöglich zu bewältigen“, erklärt sie. Weil der Kapitalismus-Kongress des DGB, der Mitte Mai in Berlin stattfand, diesem netten Miteinander keinen Platz einräumen wollte, nahm Schmoldt gar nicht erst teil. Dort solle das grundsätzliche Scheitern des Systems dargestellt werden, empörte er sich und blieb zuhause.
Mit umso größerer Energie macht die IG BCE sich zu Lasten ihrer Mitglieder im Reparaturbetrieb nützlich und segnete beispielsweise in Brunsbüttel die Rationalisierungsmaßnahmen ab. Und das alles noch nicht einmal zähneknirschend, sondern jubilierend. „Wir haben bewiesen, dass der Standort, den manche schon auf dem Abstellgleis sahen, zurück im Geschehen ist“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Hans-Joachim Möller zum unfeierlichen Anlass.
Die von der IG BCE veröffentlichte „Entschließung zur Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik“ klingt fast schon wie ein Stück von BAYER. Einen Rettungsschirm für die „Opfer der Krise“, die Realwirtschaft“, fordern Schmoldt & Co. da, zudem eine Stärkung der „industriellen Basis der Wirtschaft“, eine verbesserte steuerliche Abzugsfähigkeit von Forschungsaufwändungen und eine Entlastung der stromintensiven Branchen.

BAYERs Wunschzettel
Eben eine solche Entlastung verlangt der Leverkusener Multi seit längerem. Auch für Forschungssubventionen streitet der Gobal Player selber vehement. „Stärker mit Forschung - mit einer steuerlichen Förderung aus der Krise“ ist sein neuester Wunschzettel überschrieben, den er ganz unverblümt „Politikbrief“ nennt. „Im Unterschied zu klassischen Konjunkturmaßnahmen wirkt dieses Instrument (...) nachhaltig und macht Deutschland fit für die Zeit nach der Krise“, empfiehlt sich Werner Wenning da als Wirtschaftsweiser.
Sorge bereitet dem Unternehmenslenker auch die Situation bei den Banken, weshalb er beim Krisengipfel, zu dem Angela Merkel eingeladen hatte, die Behebung der Kreditklemme anmahnte. Für den Chemie-Multi wird nämlich das Geld teurer. Der Konzern hat zwar mit der Unternehmensanleihe eine Alternative zum Bankschalter, aber er muss den AbnehmerInnen deutlich mehr Zinsen auszahlen als früher, bei der neue Anleihe vom März diesen Jahres schon 4,6 Prozent.
BAYERs Lobbyclub, die „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ (BDA), hat derweil in ihrer Publikation „Die Krise bewältigen“ ein „Belastungsmoratorium“ verlangt und einen Maßnahme-Katalog vorgestellt. So schlägt der BDA vor, die Sozialversicherungsbeiträge von den Löhnen abzukoppeln, auf ein Prämiensystem umzustellen und ansonsten die „Eigenverantwortung“ zu stärken. Darüber hinaus plädiert die Interessensvertretung für „anpassungsfähige Arbeitsverträge“, mehr Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen, weniger Mitbestimmung und gar keinen Mindestlohn.

Die Erfüllung
Ein von BAYER und vom BDA geäußerter Wunsch war der Regierung schon Befehl: Die Anhebung der Zinsschranke. Fortan dürfen die Unternehmen wieder Zinsen bis zu einer Höhe von drei Millionen Euro von der Steuer absetzen und Gewinne ins Ausland verlagern, während die Belastungen im Lande bleiben. Der Leverkusener Multi verfuhr etwa bei firmen-internen Geschäften und beim Erwerb einer ROCHE-Sparte so. In Basel ansässig und steuerpflichtig, tauchte diese bei den hiesigen Finanzämtern nur als Kostenfaktor auf, weil BAYER die fälligen Zinsen für den zum Kauf nötigen Kredit steuerlich geltend machte. Die SPD sperrte sich lange gegen die 60 Millionen Euro teure Regelung. „Mit einer Lockerung der Zinsschranke wäre nur einigen wenigen leistungsstarken Unternehmen, nicht aber dem breiten Mittelstand geholfen“, gaben etwa Reinhard Schulz und Gabriele Frechen zu bedenken. Aber sie konnten sich nicht durchsetzen. Während die USA gerade Steuerschlupflöcher schließen und die Abgabenlast für im Ausland erzielte Gewinne erhöhen, was die US-amerikanische BAYER-Niederlassung und andere Multis postwendend zu einem vor zukünftigen Wettbewerbsnachteilen warnenden Protestbrief bewog, drückte Merkel die Vorlage durch.
Zudem gestatten CDU und SPD BAYER & Co. wieder Verlustvorträge, wenn diese sich auf Einkaufstour begeben und sich neue Firmen zulegen. Dann haben sie zukünftig wieder die Möglichkeit, aktuelle Verluste mit früheren Gewinnen zu verrechnen und so Steuerrückzahlungen zu erhalten. Die GroßkoalitionärInnen fanden sogar einen schönen Namen für diese BAYER-Beglückung: „Bürgerentlastungsgesetz“!
Und während im Krefelder Chemie-„Park“ des Agro-Riesen der Leerstand durch die Insolvenz der früheren BAYER-Tochter TRONOX zunimmt, erhält der Leverkusener Chemie- „Park“ mit freundlicher Unterstützung des Konjunkturpakets II Zuwachs. BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS) greift aus dem Topf fünf Millionen Euro für die Errichtung eines Technologie-Zentrums ab, das der Konzern gemeinsam mit der Universität Dortmund zu betreiben gedenkt.
Aber auch fernab der Heimat tut die rot-schwarze Koalition so einiges für BAYER & Co. Die neue Fördergesellschaft „Germany Trade and Invest“ betätigt sich als Botschafter der Unternehmen und arbeitet daran, ihnen besseren Zugang zu den in anderen Ländern aufgelegten Konjunktur-Paketen zu verschaffen.

Kleine Kröten
So gereicht die seit 1929 größte Krise des Kapitalismus ausgerechnet den KapitalistInnen zum Vorteil. Um die Absurdität dieser Entwicklung ein wenig zu konterkarieren, muss das Kapital ein paar wenig kapitale Eingriffe erdulden. In den Steueroasen kann es sich womöglich bald nicht mehr ganz so ausgiebig tummeln. Ein neuer Gesetzesentwurf legt den Unternehmen Mitwirkungspflichten auf, wenn diese in Staaten geschäftlich tätig sind, deren Steuerpolitik nicht den Standards der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) entspricht. Zu den auf der schwarzen Liste der OECD aufgeführten Staaten zählt wg. besonders günstiger Konditionen nebst äußerster Diskretion beispielsweise Belgien. Dort hat BAYER INTERNATIONAL seinen Sitz und wickelt Zins-Transaktionen und andere Finanz-Operationen ab. Da in dem Nachbarland keine Körperschaftssteuern anfallen, zahlte die Gesellschaft im Jahr 2002 für einen Gewinn von 96 Millionen Euro nur Abgaben in Höhe von 580.000 Euro. Eine Steuerquote von 0,61 Prozent, ob die Bundesregierung da wohl Klärungsbedarf sieht? BAYER & Co. wollen solche Fragen gar nicht erst aufkommen lassen und opponieren gegen die Vorschläge. Diese „verletzen in bedenklicher Weise rechtsstaatliche Grundsätze“, meinen die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, wo es doch gerade Länder wie Belgien sind, die in Tateinheit mit den Multis steuersparende Ausnahmezustände schaffen. Diese werden aber wohl bald wieder in das internationale Regelwerk überführt. Belgien beugte sich nämlich politischem Druck und kündigte an, ab 2010 das Bankgeheimnis ein wenig zu lüften und den ausländischen Behörden Informationen über das Treiben ihrer Klientel zur Verfügung zu stellen.
Auch die EU schreitet in Sachen „Steuerflucht“ zur Tat und treibt Regelungen zur Ausweitung der Zinsbesteuerung, zur Auskunftspflicht und zur grenzüberschreitenden Amtshilfe voran, wenngleich Peer Steinbrück mit seinem Vorstoß zur Einführung der Steuerpflicht für sämtliche Kapitalerträge scheiterte.
Überdies plant die Regierungskoalition ein neues Regelwerk für Spitzen-Manager. Sie hat vor, den Wechsel vom Vorstands- zum Aufsichtsratsposten im gleichen Unternehmen ebenso zu erschweren wie die Auszahlung von Boni und den Aufsichtsrat dazu zu verpflichten, in bestimmten Fällen Vorstandsgehaltskürzungen vorzunehmen. Zudem sollen die Bosse künftig im Rahmen einer Haftpflichtversicherung vermehrt mit eigenem Vermögen für eventuelle Missetaten haften. Da sah die Deutschland AG im Allgemeinen und seine Personifikation im Besonderen - BAYERs Oberaufseher Manfred Schneider mit seinen insgesamt fünf Aufsichtsratsmandaten - rot. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) mahnte den Bundestag, keiner „gesetzlichen Manifestation dieses Pauschalverdachtes“ Vorschub zu leisten, und Schneider & Co. schrieben einen Brandbrief an die „Sehr geehrte Bundeskanzlerin“. „Wir warnen nachdrücklich davor, unternehmerische Entscheidungen wie die Gestaltung von Vorstandsverträgen zu vereinheitlichen“ hieß es darin. Das werde der „komplexen Unternehmenswirklichkeit“ nicht gerecht, beklagten die Bestverdiener. Als „Zeichen unveränderter Ignoranz“ bezeichnete der SPD-Politiker Joachim Poß das Schreiben, und sein CDU-Kollege Otto Bernhardt reagierte ähnlich verständnislos. „Für mich ist der Brief der Beweis, dass viele Wirtschaftsbosse sich weit von der Realität entfernt haben“, so der Finanzexperte. Was hätten Bernhardt und Poß wohl zu Schneiders Verhalten auf der letzten BAYER-Hauptversammlung gesagt? Dort antwortete der Aufsichtsratschef auf die Frage, ob er bereit wäre, die ManagerInnen-Gehälter auf das 20fache eines BAYER-Durchschnittslohnes zu beschränken, schlicht, er lehne solche „statistischen Grenzen“ ab.

„Keine entscheidenden Fehler“
Für Werner Wenning ist die ganze Diskussion über Manager nur Ausdruck von Populismus. Berechtigten Anlass zu Kritik vermag er nicht zu erkennen. „Auf BAYER und auch auf den Großteil der Realwirtschaft bezogen, sehe ich in der Tat keine entscheidenden Fehler“, sagte er in einem Welt-Interview. Dabei hängen Real- und Finanzwirtschaft eng zusammen, und gerade Wenning steht dafür. Die BAYER-Oberen haben immer die jeweiligen kapitalistischen Kulturen wiedergespiegelt. Saßen einst noch Chemiker wie Herbert Grünewald dem Multi vor, so folgten darauf Diplom-Kaufleute und Betriebswirtschaftler, und mit Werner Wenning gelangte erstmals ein Finanzexperte auf den Chefsessel. Damit tat der Konzern dem finanzmarkt-getriebenen Kapitalismus von heute Genüge. „Als ausgewiesener Finanzfachmann besitzt er hohe Akzeptanz auf den internationalen Kapitalmärkten“, strich BAYERs Stelle für „Investor-Relations“ zum Führungswechsel dann auch gleich die Kern-Kompetenz des neuen Mannes heraus. Sein Vorgänger Manfred Schneider hatte mit den Finanzinvestoren und Pensionsfonds-Vertretern, die sich zunehmend in die Geschäftspolitik einmischten, noch so seine liebe Not. Aber Wenning hat den Konzern schon vor seinem Karrieresprung konsequent auf die Bedürfnisse der Finanzmärkte umgestaltet. So führte er beispielsweise vor über zehn Jahren das Wertmanagement ein, die konsequente Ausrichtung jeder Unternehmenshandlung, jedes Beschäftigen auf die Steigerung des Aktienkurses. Auch den - inzwischen gescheiterten - Börsengang in den USA trieb er maßgeblich voran. Als Vorstandsvorsitzender bestand eine seiner ersten Amtshandlungen darin, aus BAYER eine Holdung zu machen, um „Werttreiber und Wertvernichter noch leichter identifizieren zu können“. Und mit der Chemie-Sparte hatte er bald auch schon einen „Minderleister“ identifiziert. Im Jahr 2003 trennte sich das Unternehmen von diesem Geschäft und gab damit dem Druck der Kapitalmärkte nach, dem Manfred Schneider noch lange wiederstanden hatte.

Die Realwirtschaft leidet also zusehends unter Realitätsverlust, weshalb BAYER ein Teil des Problems ist, das die Wirtschaft gerade zu Lasten der Beschäftigten zu lösen versucht, damit alles noch ein bisschen kapitalistischer wird. „Wir brauchen mehr Markt und nicht weniger“, so klingt das aus Wennings Mund.

Presseschau

CBG Redaktion

Auch dieses Jahr gab es einige Berichte in der Presse über die BAYER HV 2021 und unsere Gegenproteste.

28.04.2021 Giftige Geschäfte: Chemieriese Bayer muss Milliarden zurückstellen. Opfer fordern Entschädigung wegen Schäden durch Glyphosat und »Agent Orange« junge welt von Bernd Müller

27.04.2021 Virtuelle Aktionärsshow: Kritik war auf der Hauptversammlung der Bayer AG kaum hörbar nd von Haidy Damm

27.04.2021 Sarah Wiener: „Wir brauchen ein Glyphosat-Totalverbot“ boerse-express.com

27.04.2021 Bayer-Konzern: Zwischen Impfstoff und Gen-Food tagesschau von Michael Heussen

27.04.2021 Bayer-Aktie: Es könnte kaum schlimmer aussehen! finanztrends.de von Andreas Göttling-Daxenbichler

27.04.2021 Monsanto-Klagen: Bayer gibt Rekordverlust bekannt Informationsdienst Gentechnik

Unsere Pressemitteilungen

26.April 2021 BAYER-HV morgen: Glyphosat, Agent Orange, Steuerflucht BAYER muss sich stellen!

25.April 2021 Nur noch zwei Tage bis zu den Protesten anlässlich der BAYER-HV

[Artikel Aktien] Hauptversammlung 2004

CBG Redaktion

Die Seifenblase von der Aktionärsdemokratie

Macht und Machtlosigkeit bei BAYER

von Axel Köhler-Schnura

Es ist die pure Nötigung. Die Berichterstattung über Aktienkurse ist ohne jeden Bezug zu den Alltagssorgen der breiten Bevölkerung, aber keine Nachrichtensendung, in der nicht noch die kleinste Kursschwankung gewürdigt werden. Selbst die Tagesschau, Klassiker aller Fernsehnachrichten, mutiert zur Börsen-Sendung. Ungeachtet aller Gefahren durch Kriege, Wirtschaftskrisen und Börsencrash werden so immer mehr Menschen gelockt und stecken ihre mühsam ersparten Euros in Aktien. Ganze Kegelclubs wandeln sich zu (Klein-) Aktionärsvereinigungen.

BAYER profitiert vom Börsenfieber
Von dem derart losgetretenen Börsenfieber profitiert auch die BAYER AG und ist mit ihrer Aktie breit in die Haushalte von Otto Normalverbraucher vorgedrungen. Zählte die Muttergesellschaft des BAYER-Konzerns im Jahr 1993 noch 295.000 AktionärInnen, so waren es sechs Jahre später im Jahr 2001 fast doppelt so viele: 496.000 Personen, Firmen und Institutionen besitzen heute 730 Millionen BAYER-Aktien und stellen das Grundkapital des BAYER-Konzerns in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Jede der nennwertlosen BAYER-Aktien hat damit einen Wert von 2,56 Euro.

Den größten Anteil an den BAYER-AktionärInnen stellen mit ca. 93 Prozent die Privatpersonen. Sie halten jedoch lediglich 24,0 Prozent des Kapitals, also gerade einmal 0,9 Milliarden Mark des Grundkapitals. Und von diesen 465.000 privaten AnteilseignerInnen haben wiederum 92 Prozent maximal 600 Aktien im Depot. 427.000 BAYER-AktionärInnen halten also Depots mit einem Nennwert von maximal 1.536 Euro. Damit besteht die große Masse der BAYER-AktionärInnen aus Mini- und KleinstaktionärInnen.

Die Machtlosigkeit von Otto Normalaktionär
In krassem Gegensatz zu dem hohen Anteil der PrivataktionärInnen an der Gesamtzahl aller BesitzerInnen von BAYER-Aktien stehen deren Einflussmöglichkeiten. Sie gehen defacto gegen Null.

Konkret sieht es so aus, dass 465.000 PrivataktionärInnen zusammen gerade einmal 24 Prozent des Kapitals halten. Es ist jedoch noch zwischen GroßaktionärInnen und KleinaktionärInnen zu unterscheiden. Werden die Groß- und GrößtaktionärInnen aussortiert, so muss davon ausgegangen werden, dass etwa 450.000 AnteilseignerInnen gerade einmal ca. 5 Prozent des Kapitals repräsentieren, mithin also 95 Prozent des Kapitals bei ca. 10 Prozent aller AktionärInnen liegen. Hier ist übrigens auch Schluss mit der Informationsfreudigkeit des BAYER- Konzerns. Es gibt keine gesicherten Informationen, die Angaben beruhen auf Schätzungen.

Der Einfluss der Klein- und KleinstaktionärInnen wird zusätzlich noch dadurch auf die 2-bis 3-Prozent-Grenze runtergedrückt, weil sie ihre Aktien in aller Regel nicht selbst vertreten, sondern sich über die Bank vertreten lassen, bei der sie ihre Aktien im Depot halten. Damit schmälern sie ihre Macht weiter bzw. stärken die Macht der Banken.

Die Macht der GroßaktionärInnen
76 Prozent, also mehr als Dreiviertel des Kapitals, befinden sich bei 31.000 Banken, Investmentgesellschaften und anderen institutionellen Anlegern. Hinzu kommen die bereits erwähnten privaten Groß- und GrößtaktionärInnen. Insbesondere jene, die zum erlauchten Kreis der Multi-Milliardäre gehören, die die Wirtschaft der Welt regieren. Diese treten allerdings in aller Regel nicht offen in Erscheinung. Sie verstecken sich doppelt und dreifach getarnt im Bereich der institutionellen AnlegerInnen.

Aufgrund eigenen Besitzes halten 2.276 Banken und Versicherungen bei BAYER 55 Prozent aller BAYER-Aktien. Zu ihrer Macht hinzu addieren sich die 12 Prozent, die mehrere Tausend Investmentgesellschaften halten. Oftmals sind die Investmentgesellschaften direkte Töchter der Banken. Die 2,9 Prozent, die 6.853 Anleger aus Industrie und Handel halten bzw. die 5,5 Prozent, die bei 14.537 nicht näher spezifizierten „Sonstigen“ liegen, fallen da bereits kaum noch ins Gewicht.

Und hinzu kommt noch das Depotstimmrecht. Es sorgt dafür, dass alleine die DRESDNER BANK im Rahmen der Hauptversammlung 30 und mehr Prozent aller BAYER-Aktien vertritt und die DEUTSCHE BANK z.B. weitere 17 Prozent. Damit vertreten diese beiden Banken fast 50 Prozent aller Aktien, wobei die DEUTSCHE BANK die meisten inländischen Aktion hält.

Wenn es also auf den ersten Blick so aussieht, als befände sich das BAYER-Kapital von 3,6 Milliarden Mark in breitem Streubesitz, so ist das nicht der Fall. Viele Hunderttausend AktionärInnen besitzen so gut wie nichts, einige wenige GroßaktionärInnen und GrößtaktionäreInnen besitzen nahezu alles. Es kann davon ausgegangen werden, das eine Zahl von lediglich ca. 5.000 AktionärInnen 80 und mehr Prozent des Kapitals besitzen.

Immer mehr Stimmrechte an KritikerInnen
Einziges Gegengewicht zur Macht der Banken und Großaktionäre bilden die KleinaktionärInnen, die sich von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre vertreten lassen. Seit 1982 sammeln diese beiden Organisationen die kritische Kleinaktionärsopposition und bieten Banken und BAYER-Management gleichermaßen die Stirn. Vor dem Hintergrund der Mehrheitsverhältnisse bringen sie auf den Hauptversammlungen zwar lediglich verschwindende Prozente aller Stimmen auf, werden jedoch von erheblichen Teilen aller anwesenden Klein-AktionärInnen unterstützt. Bei der diesjährigen Hauptversammlung muss sogar bei ca. 3,0 Millionen Gegenstimmen und weiteren ca. 0,8 Mio. Enthaltungen davon ausgegangen werden, dass die überwältigende Mehrheit aller anwesenden AktionärInnen mit den KritikerInnen stimmte. ein klares Votum der KleinaktionärInnen für Umweltschutz, soziale Sicherung und Menschenrechte. Die CBG wird alles daran setzen, die Zahl der Gegenstimmen weiter zu erhöhen und bittet alle AktionärInnen, ihre Stimmrechte nicht den Banken zu überlassen, sondern diese an die CIOORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zu übertragen. Dazu ist nicht viel zu erledigen. Ein Brief an die CBG reicht aus und alles Notwendige wird in die Wege geleitet.

von Dipl. Kfm. Axel Köhler-Schnura, Fon 0211 - 26 11 210, Fax 0211 - 26 11 220

Unanständig: 107 Prozent Gewinn

Dividende, Nennwert und Börsenwert

Mit einem errechneten Nennwert von 2,56 Euro haben die eigentlich nennwertlosen BAYER-Aktien einen Gesamtwert von 1,9 Milliarden Euro. Dies ist der Betrag, der in der BAYER-Bilanz als Grundkapital ausgewiesen ist. Auf ihn beziehen sich die realisierten und die ausgeschütteten Gewinne des Konzerns. Im Jahr 2004 waren dies 0,50 Cent ausgeschütteter Gewinn je Aktie, also satte ca. 20 Prozent Kapitalrendite.

BAYER-Aufsichtsratschef Dr. Manfred Schneider bekannte einmal: „Wir sind auf Profit aus, das ist unser Job!“ Zwar sind die Gewinnzahlen in 2004 mit ca. 350 Mio. Euro nicht so gigantisch wie in den Vorjahren, liegen aber immer noch bei 18,4 Prozent des Grundkapitals. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Konzern sich diesmal vorsätzlich arm gerechnet hat. Es ging darum, das Verhältnis Grundkapital zu Bilanzsumme zu verbessern, um so den Kurswert der Aktie anzufeuern und den Konzern zugleich gegen feindliche Übernahmen zu stärken. Zusätzlicher Effekt natürlich sind erhebliche Steuergewinne aufgrund der hohen Sonderabschreibungen.

An diesen Gewinnbewertungen ändert sich auch nichts dadurch, dass der Kurswert der BAYER-Aktie bei ca. 26 Euro liegt. Vielfach wird die Dividende ins Verhältnis zum Kurswert gesetzt, und da machen sich die 0,50 Euro natürlich nicht so glänzend. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass diese sogenannte Kursrendite ein falsches Bild vermittelt und hohe Kursrenditen Ausdruck von Profitgier sind. Die Differenz zwischen Nenn- und Kurswert ergibt sich nämlich lediglich aufgrund des Handels der Aktie an der Börse und ist mithin also der Eintrittspreis in das Reich der AktienspekulantInnen. Der Kurswert ist vom Nennwert völlig losgelöst und verschafft den AktionärInnen bei Kauf und Verkauf der Aktien zusätzliche Gewinn- und auch Verlustmöglichkeiten.

Kritische BAYER-AktionärInnen
Als 1982 das erste Mal KritikerInnen auf der Aktionärsversammlung des Chemie-Giganten aus Leverkusen das Wort ergriffen, hörten ihnen gerade einmal 1.200 verblüffte AktionärInnen zu. Was ihnen da, teilweise von weither angereisten Zeugen des tatsächlichen Geschehens, zu Gehör gebracht wurde, sprengte ihr Vorstellungsvermögen. Da änderte es auch nichts, dass Vorstand und Aufsichtsrat alles in immer gleichlautender Formulierung als „ohne jede Grundlage“ von sich wiesen. Es ging um haarsträubende Fälle von Umweltverseuchung, Menschenrechtsverletzungen, Gefährdung menschlicher Gesundheit und Todesfälle aufgrund gefährlicher Produkte und Produktionen, Ausbeutung und Sozialabbau - kurzum um die hässliche Kehrseite der Gewinn- und Umsatzmilliarden. „Wenn das alles stimmt, was hier vorgetragen wird, dann sitzen da nur lauter Gangster!“ rief ein fassungsloser Aktionärsvertreter und deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die BAYER-Vorstandsriege.

In den folgenden Jahren erhöhte sich die Zuhörerschaft kontinuierlich. Bis schließlich weit mehr als 25.000 AktionärInnen nach Köln anreisten, um die bis dahin noch nie dagewesene Schelte des BAYER- Managements live mitzuerleben. Ein einzigartiger Vorgang in der Geschichte deutscher Aktiengesellschaften. Der TAGESSPIEGEL / Berlin brachte es so auf den Punkt: „Jahr für Jahr meldet sich auf der Hauptversammlung der Leverkusener BAYER AG die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zu Wort. Die bestorganisierte Kritikergruppe liefert einen Alternativen Geschäftsbericht.“

BAYER reagierte. Zunächst versuchte sich der Konzern in Abschreckung. Er gründete die Initiative „Malocher gegen Schmarotzer“ und ließ in propere weiße Overalls gekleidete Werkschutzleute vor der Aktionärshauptversammlung agitieren. Das ging voll daneben, denn die anreisenden AktionärInnen erkannten nicht in den KritikerInnen die „Schmarotzer“, sondern fühlten sich selbst verunglimpft und feuerten den verkappten Malochern der BAYER-Propaganda-Abteilung die Flugblätter erbost vor die Füße. BAYER lernte, strich die „Schmarotzer“, nannte seine Abschreckungstruppe fürderhin „Die Malocher“ und stellte ihr Werkschutzleute mit selbstgebastelten DKP-Fahnen zur Seite. Auf diese Weise sollte bei den AktionärInnen Sympathie für die BAYER- freundlichen Blumen verteilenden „Malocher“ und Antipathie gegenüber den „kommunistischen“ KritikerInnen erzeugt werden. Doch auch diesmal blieben die gewünschten Effekte aus, die AktionärInnen begriffen alles nur als weitere Belebung ansonsten stinklangweiliger Hauptversammlungsroutinen.

Also griff der Chemie-Gigant zu drastischeren Mitteln. Er kürzte die Versorgung der AktionärInnen, die immerhin einen ganzen langen Tag in der stickigen Luft der Kölner Messehallen ausharren müssen, auf ein Minimum. Auf streng rationierte Marken gab es abstoßende in Plastik verpackte Papp-Sandwiches und Getränke. War es früher selbstverständlich, dass die AktionärInnen, die ja immerhin das Geld für den Betrieb gaben, mit Filmen der BAYER-Tochter AGFA und mit Kosmetika aus eigener Produktion beschert wurden, so wurden jetzt diese Aktionärspräsente ersatzlos gestrichen. Und auch die Eintrittskarten für die Hauptversammlung wurden am Rande der Legalität beschränkt. Stehen jedem Aktionär für jede seiner Aktien eine Eintrittskarte zu, so wurde jetzt nur noch eine Eintrittskarte je Depot ausgegeben.

Insgesamt gelang es dem Konzern so, die Zahl der anreisenden AktionärInnen auf ca. 6.000 herunter zu drücken, doch dabei blieb es. Seit nunmehr18 Jahren muss der Konzern es sich gefallen lassen, dass auf seiner Hauptversammlung die Hauptthemen nicht Gewinn und Dividende, sondern Umweltverbrechen, Produktionsgefahren, Menschenrechtsverletzungen und Sozialabbau sind.

BAYER befindet sich in deutscher Hand
Ist BAYER ein multinationaler Konzern, so befindet sich der Konzern doch überwiegend im Besitz deutscher AktionärInnen. Im Ausland werden lediglich 44 Prozent des Kapitals gehalten. Dabei führt Großbritannien mit 12 Prozent, gefolgt von den USA mit 9 Prozent, der Schweiz mit 8 Prozent, Luxemburg mit 4 Prozent und den Niederlanden mit 3 Prozent. Dabei sind die hohen Anteile der Schweiz und von Luxemburg sicherlich zu großen Teilen der Steuerflucht privater und institutioneller Großaktionäre aus Deutschland geschuldet, was den deutschen Anteil weiter stärkt.

Die Bosse greifen in die Kasse
Bei BAYER gibt es für Belegschaftsangehörige drei Aktienerwerbs- Programme. Da ist zunächst für die einfachen Belegschaftsangehörigen (BAYER-Deutsch: „Tarifmitarbeiter und leitende Kräfte der unteren Ebenen“) das „Aktienbeteiligungsprogramm“. Unter bestimmten Voraussetzungen können BAYER-MitarbeiterInnen zu vergünstigten Bedingungen oder im Ausgleich als Prämienleistung Aktien erwerben. Über diese Anteile können sie allerdings nicht frei verfügen, es gelten sehr restriktive Bedingungen für den Verkauf dieser Papiere.

Anders bei den „oberen Führungskräften“. Ihnen werden BAYER-Aktien im Rahmen eines „Aktien-Incentive-Programms“ gratis und zur freien Verfügung zugewiesen. „Sofern bestimmte Erfolgs- und Haltekriterien erfüllt werden“, über die sich der Leiter des BAYER-Ressorts Corporate Investor Relations, Dr. Alexander Rosar, nicht weiter äußert.

Die BAYER-Bosse schließlich (BAYER-Deutsch: „Mitarbeitergruppe der höchsten Vertragsstufe“) können sich ungehindert im Rahmen eines sogenannten „Aktien-Options-Programms“ bedienen. Hier weisen sich die Herren (Damen gibt es in der BAYER-Vorstandsriege nicht) z.B. im Rahmen von Neu-Emissionen ganze Kontingente „junger Aktien“ zum weit unter Börsenkurs liegenden Vorzugspreisen per Beschluss selbst zu. Dies kommt einem legalen Griff in die Kasse gleich.

Vor dem Hintergrund dieser Aktien-Programme für das Management wird deutlich, dass der „einfache“ Belegschaftsaktionär mit Sicherheit erheblich weniger Aktien im Depot hat, als die von BAYER gemeldeten durchschnittlich von 311 Aktien je Mitarbeiterdepot. Und der Vorstandsvorsitzende, Dr. Wenning, nennt mit Garantie ein Vielfaches dieses Durchschnitts sein Eigen.

Die BelegschaftsaktionärInnen
Zu dieser Gruppe der PrivataktionärInnen gehören auch rd. 50.000 bundesdeutsche Beschäftigte von BAYER-Werken und Tochter- Unternehmen. Diese BelegschaftsaktionärInnen halten 2,1 Prozent des Gesamtkapitals. In jedem dieser Mitarbeiterdepots, die bei COMMERZBANK, DEUTSCHE BANK und der SPARKASSE Leverkusen geführt werden, liegen durchschnittlich 311 Aktien im Wert von gerade einmal ca. 800 Euro. Damit finanzieren die Beschäftigten den Konzern zwar mit 39,9 Mio. Euro, gehören aber grundsätzlich zu den Mini-AktionärInnen. Ausländischen MitarbeiterInnen werden laut dem Chef des BAYER-Ressorts Corporate Investor Relations, Dr. Alexander Rosar, grundsätzlich keine Belegschaftsaktien angeboten.

[Unterschriften] Steuerflucht stoppen!

CBG Redaktion

Hiermit fordere ich eine Beendigung der Steuerflucht multinationaler Konzerne. Hierfür benötigen wir die EU-weite Einführung einer länderspezifischen Berichterstattung („country by country reporting“), ein EU-weit einheitliches System zur Körperschaftssteuer-Bemessung und ein öffentlich einsehbares Steuer-Register.

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