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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[OVG Münster] STICHWORT BAYER 04/2015

CBG Redaktion

CBG vs. BAYER & Uni Köln

Forschung bleibt geheim

In einem Berufungsverfahren wies das Oberlandesgericht Münster die Klage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf Einsichtnahme in den Forschungsvertrag ab, den BAYER mit der Universität Köln abgeschlossen hatte.

Von Jan Pehrke

In den Labors der Pillen-Riesen herrscht schon seit einiger Zeit kein Hochbetrieb mehr. Grundlagen-Forschung findet dort gar nicht mehr statt, und auch die Arbeit an neuen Medikamenten fahren die Konzerne zurück. Die Unternehmen scheuen die Investitionen. Lieber kaufen die Konzerne sich vielsprechende Projekte ein und entwickeln sie weiter oder setzen auf die Zusammenarbeit mit Universitäten oder wissenschaftlichen Einrichtungen. Auf über 800 solcher Partnerschaften, 326 allein im Pharma-Bereich, kann BAYER verweisen. Im Jahr 2008 vereinbarte die Aktien-Gesellschaft etwa eine Kooperation mit der Universität Köln. Der damalige NRW-Forschungsminister Andreas Pinkwart bezeichnete diese jubilierend als „die weitreichenste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“.
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) reagierte alarmiert. Was hatten der Leverkusener Multi und die Hochschule da genau ausgehandelt? Müssen sich die Kölner MedizinerInnen jetzt ökonomischen Vorgaben beugen und nach besonders profitträchtigen Arzneien forschen? Haben die WissenschaftlerInnen das Recht, die Forschungsergebnisse in jedem Falle zu publizieren? Wer kann die Neuentwicklungen schließlich als sein geistiges Eigentum verbuchen? Bei wem liegen die Verwertungsrechte? – solche Fragen stellte sich die CBG. Aber Antworten erhielt sie darauf nicht. Die Universität und der Pillen-Riese hatten sich darauf verständigt, das Thema „topsecret“ zu halten. Deshalb lehnte die Hochschule das Auskunftsbegehr mit Verweis auf das Betriebsgeheimnis ab. Die Coordination suchte sich daraufhin Verbündete und wandte sich unter Berufung auf das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz (IFG) noch einmal gemeinsam mit TRANSPARENCY INTERNATIONAL, dem ÄrztInnen-Verband IPPNW, MEDICO INTERNATIONAL, dem BUND DEMOKRATISCHER WISSENSCHAFTLERINNEN UND WISSENSCHAFTLER, der BUKO PHARMAKAMPAGNE und dem Kölner AStA an die Hochschule, um sie um eine Offenlegung des Vertrages zu ersuchen. Vergebens. Nicht einmal das Votum des NRW-Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, der eine Veröffentlichung empfahl, weil die Rahmen-Vereinbarung für ihn weder Betriebs- noch Forschungsgeheimnisse, vielmehr „im Wesentlichen organisatorische Regelungen“ enthielt, vermochte die Universitätsleitung umzustimmen.
So blieb der CBG nur der Klage-Weg. Bei der Verhandlung vor der 13. Kammer des Kölner Verwaltungsgerichts am 6. Dezember 2012 folgte der Vorsitzende Richter, Hans-Martin Niemeier, jedoch von Beginn an der Argumentation von BAYER und Universität. Er schlug den Vertrag dem Bereich „Forschung und Lehre“ zu, den das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz vom Transparenz-Gebot ausnimmt und betonte mit Berufung auf das Hochschul-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973 das hohe Gut der Wissenschaftsfreiheit, hinter dem andere Ansprüche zurückzutreten hätten. Niemeier argumentierte dabei ohne echte Grundlage: Er hatte das Kooperationsabkommen gar nicht gelesen. Hätte das Gericht Einblick genommen, so wäre das Dokument nämlich zu den Akten gekommen – und damit auch zur CBG. Und das wollte der Richter verhindern. Sein Verweis auf das Hochschul-Urteil von anno dazumal verfing ebenfalls nicht, wog dieses doch die Wissenschaftsfreiheit keinesfalls gegen gegen Offenlegungspflichten ab, sondern gegen Mitbestimmungsrechte der Studierenden. Mit seiner Entscheidung schützte das BVG damals die ProfessorInnen vor den „Zumutungen“ einer demokratischen Universität, was viel Unmut hervorrief. Zwei RichterInnen gaben ein Minderheitsvotum ab und kritisierten, durch das Urteil würde die Wissenschaftsfreiheit „sinnwidrig in ein ständisches Gruppen-Privileg und Herrschaftsrecht umgemünzt“.

Der OVG-Prozess
Die 13. Kammer des Kölner Verwaltungsgerichts münzte das Grundgesetz-Gebot mit ihrem Richter-Spruch derweil in ein Konzern-Privileg um. Darum akzeptierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN diesen nicht und ging in Berufung. Die Verhandlung fand am 18. August 2015 vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster statt. Zu Beginn wollte der Anwalt der Kölner Hochschule dem Kläger Philipp Mimkes gleich grundsätzlich das Recht bestreiten, per Informationsfreiheitsgesetz eine Einsichtnahme zu fordern, da er diese angeblich nicht als Privatperson, sondern im Namen der CBG begehre. Damit kam der BAYER-Advokat jedoch nicht durch. Der Vorsitzende Richter Sebastian Beimesche zog die Berechtigung der Klage nicht in Zweifel. Im weiteren Verlauf versuchte Mimkes dann deutlich zu machen, dass die für die Coordination relevanten Teile der Rahmen-Vereinbarung wie Regelungen zu Patent- und Verwertungsfragen nicht unmittelbar dem Forschungsbereich angehören und somit veröffentlicht gehören. Beimesche jedoch legte den Ausnahme-Passus „Forschung und Lehre“ des NRW-Informationsfreiheitsgesetzes „weitreichend“, etwa auch die Forschungsplanung umfassend aus und urteilte über den Vertrag: „Das, was von Interesse ist, ist forschungsrelevant.“ Der Jurist tat das ebenso freihändig wie sein Kölner Kollege zweieinhalb Jahre zuvor. Er kannte den Inhalt nur vom Hörensagen und in einer nicht gerade objektiven Version: Die AnwältInnen von BAYER und Universität Köln hatten ihm eine Inhaltsangabe geliefert.
Für Mimkes’ Anwalt Harro Schultze verstieß das Informationsfreiheitsgesetz nordrhein-westfälischer Machart wegen seiner Einschränkungen schlicht gegen das in der Verfassung verbürgte Demokratie-Prinzip. „Kontrolle setzt Wissen voraus“, argumentierte der Rechtsanwalt, nur so könne eine qualifizierte Öffentlichkeit entstehen. Aber auch das ließ der Richter nicht gelten. Aus dem Demokratie-Prinzip sei ein Anspruch auf eine Einsichtnahme in die Quelle nicht herleitbar, befand er. Und Ausführungen zur wachsenden Ohnmacht dem Einfluss der Konzerne gegenüber, dem der § 2 Abs. 3 mit seiner Ausnahme-Regelung Vorschub leiste, kanzelte Beimesche als „rechtspolitische Erwägungen“ ab.
Folgerichtig lautete das Urteil dann: „Universität Köln muss Forschungsvereinbarung mit der BAYER PHARMA AG nicht offenlegen.“ Damit hat nach dem Kölner Verwaltungsgericht auch die nächsthöhere Instanz der Coordination ausgerechnet im Namen der Wissenschaftsfreiheit Einblick in einen Vertrag verwehrt, gegen den der dringende Tatverdacht besteht, die Wissenschaftsfreiheit den Interessen eines multinationalen Konzerns zu opfern.
So sprach die bei der TU Dortmund für Rechtsangelegenheiten in der Forschung zuständige Brigitte Timke bei einer Veranstaltung in Düsseldorf einmal von „diktierten“ Verträgen, was BAYERs Patent-Experte Dr. Dieter Linkenheil dort auch nur bestätigen konnte. In der Regel lege das Unternehmen einen von ihm entwickelten Vertragsentwurf vor, so Linkenheil. Ein damaliger Forscher des Leverkusener Multis wollte den Hochschulen bei der Diskussion noch nicht einmal eine „Bestseller-Klausel“ in den Kontrakten zugestehen, also eine Honorierung besonders erfolgreicher Entwicklungen. Schließlich trügen die Unternehmen doch auch das wirtschaftliche Risiko, argumentierte er. Und um solche Bestseller zu erhalten, schreiben die Konzerne dem Herz-Spezialisten Dr. Erland Erdmann zufolge bei Arznei-Tests zuweilen kräftig mit. „Bevor man als Wissenschaftler die Ergebnisse einer solchen klinischen Studie veröffentlichen könne, müsse man den zur Publikation vorgesehenen Bericht in der Regel erst dem Sponsor vorlegen. Marktschädliche Äußerungen könnten dabei dem Rotstift zum Opfer fallen“, gibt die Faz seine Worte wieder.
Das Oberwaltungsgericht Münster zementierte mit seiner Entscheidung diese Wissenschaftsunfreiheit. Für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN war die Konsequenz damit klar. „Das Urteil verdeutlicht, dass das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz (IFG) überarbeitet werden muss“, erklärte sie deshalb nach dem OVG-Votum vom 18. August: „Die generelle Ausklammerung des Hochschulbereichs von jeglicher Transparenz muss durch eine differenziertere Regelung ersetzt werden, sonst droht eine Ausrichtung der universitären Forschung auf rein wirtschaftliche Interessen.“

Reaktionen
Das Bündnis „NRW blickt durch“ pflichtete dem bei. „BAYER-Urteil schreit nach Transparenz-Gesetz“, befand das Netzwerk. Und die nordrhein-westfälischen Piraten, von denen ein Vertreter den Prozess in Münster verfolgt hatte, brachten gleich einen entsprechenden Antrag in den Landtag ein. Dieser forderte die Landesregierung auf, einen „Änderungsvorschlag für das Informationsfreiheitsgesetz NRW vorzulegen, so dass die Informationsfreiheit auch Anwendung in den Bereichen Forschung und Lehre findet, ohne dass der Kernbereich der Forschungsfreiheit verletzt wird.“ Zudem verlangte die Fraktion, die Veröffentlichungspflichten universitäre Forschung betreffend im § 71a des Hochschulzukunftsgesetzes präziser festzulegen. Das lehnte Rot-Grün jedoch ab.
Hochschul-Angehörige zeigten sich in einer Hörfunk-Diskussion, die der Deutschlandfunk aus gegebenem Anlass ins Programm genommen hatte, gleichfalls unzufrieden mit dem Urteil des Oberlandesgerichts. So brachte der Präsident der TU Braunschweig, Jürgen Hesselbach, sein Bedauern über den Richterspruch mit folgenden Worten zum Ausdruck: „Wir würden es bevorzugen, wenn man die Dinge wirklich alle offenlegen könnte. Ich glaube, dass die Gesellschaft einen Anspruch darauf hat, dass man erfährt: ‚Was passiert denn in den Hochschulen’. Übrigens muss das auch unser eigenes Interesse sein, weil wir sofort in den Verdacht geraten, wir machen in unseren Forschungskellern irgendwelche kruden Dinge.“ Professor Dieter Lenzen, Präsident der Hamburger Universität, kritisierte die Ausnahme-Regelungen in den Paragrafen-Werken ebenfalls: „Der Gesetzgeber in Hamburg hat beispielsweise auf Druck der Wirtschaft darauf verzichtet, in dem Transparenz-Gesetz die Wissenschaft mit einzubeziehen. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee war.“
Unisono klagten die Professoren über die Unterfinanzierung der Hochschulen, welche die Abhängigkeit von der Wirtschaft erhöhe. Auch sorgten sie sich um die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit, wenn die ForscherInnen sich etwa zunehmend Produkt-Optimierungen widmeten oder sogar nur als bessere Dienstleister in Prüfreihen neue Industrie-Entwicklungen untersuchten. „Wenn wir immer mehr spezialisierte Hochschullehrer und -lehrerinnen haben, die immer weiter anwendungsorientiert arbeiten, gibt es am Ende niemanden mehr, der Grundlagen-Erkenntnis zumindest in Volluniversitäten sucht“, warnte Lenzen.
Bei der Universität Köln könnte davon in nächster Zeit wieder etwas mehr zu finden sein. Wie kurz vor dem Prozess bekannt wurde, verlängerten die Hochschule und der Leverkusener Multi ihren Vertrag nicht. Beide Seiten hätten daran kein Interesse gehabt, sagte Uni-Sprecher Patrick Honecker der Rheinischen Post. Die öffentliche Kritik, die beide im Zuge der Auseinandersetzung mit der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN um die Veröffentlichung der Vereinbarung einstecken mussten, dürfte an dem Ende der Zusammenarbeit in der bisherigen Form einen gehörigen Anteil gehabt haben. So ganz voneinander lassen mochten beide Parteien jedoch nicht. „Wir kooperieren weiter“, betonte ein BAYER-Anwalt in Münster.
Da das Hochschulzukunftsgesetz für abgeschlossene Projekte eine – freilich auch wieder an Auflagen gebundene – Publikationspflicht vorsieht, hat sich die CBG in einem Brief an die Universität umgehend nach einem solchen Bericht erkundigt und um Informationen zu den pharmakologischen Forschungsvorhaben, zu den patentrechtlichen Fragen und zu den Gründen für die Beendigung der Kooperation gebeten. Bis Redaktionsschluss lag eine Antwort jedoch noch nicht vor.
Zudem wartet die Coordination die Zustellung der schriftliche Urteilsbegründung ab, um anhand ihrer dann zu entscheiden, ob sie gegen den OVG-Entscheid, der eine Revision nicht zugelassen hat, Rechtsmittel einlegt.

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[Prof. Kreiss] STICHWORT BAYER 04/2015

CBG Redaktion

missbrauchte Wissenschaft

„Kooperationen mit Industrie offenlegen“

Christian Kreiß, Autor des Buchs „Gekaufte Forschung – Wissenschaft im Dienst der Konzerne“, unterstützt die Klage der Coordination gegen BAYER-Gefahren auf Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag zwischen der Uni Köln und BAYER. Der ehemalige Investmentbanker ist Professor für Finanzierung und Wirtschaftspolitik an der Hochschule Aalen.

Herr Prof. Kreiß, Ihr jüngst erschienenes Buch trägt den Untertitel „Irrweg Drittmittelforschung“. Warum?
Die Drittmittelfinanzierung deutscher Hochschulen hat sich allein von 2000 bis 2010 mehr als verdoppelt und steigt seitdem weiter an. Durch den zunehmenden Einfluss der Konzerne - sei es über direkte Zahlungen, sei es über industriefreundliche Gremienbesetzungen – wird die öffentliche Forschung immer stärker von handfesten Interessen geleitet. Letztlich stellt sich hier die Frage, ob die Wissenschaft dem Allgemeinwohl oder den Gewinninteressen einiger weniger dienen soll.

Welche Folgen hat das verstärkte Engagement der Unternehmen im Hochschulbereich?
Da können wir einige Beispiele aus der Vergangenheit betrachten. Beispielsweise bezahlte die Tabakindustrie jahrzehntelang renommierte Forscher dafür, dass sie behaupteten, Rauchen und Passivrauchen wären unschädlich. Interne Unterlagen zeigen, dass die Finanzierung der Wissenschaftler top secret war, um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu gefährden. So gelang es über Jahrzehnte hinweg, raucherfeindliche Gesetze zu verhindern. Ähnlich verfuhr die Chemieindustrie: Durch gekaufte Gutachten verfälschte sie Studienergebnisse zu gesundheitsschädigenden Stoffen wie Polychlorierten Biphenylen (PCB) und konnte diese so jahrzehntelang weiterproduzieren. Das erhöhte die Gewinne der Unternehmen und schädigte die Gesundheit zahlloser Menschen.

Immerhin wurden diese Fälle im Nachhinein bekannt.
Ja, aber aus Konzernsicht war die Strategie gekaufter und gefälschter Forschung trotzdem lukrativ. Die Strafen in Gerichtsprozessen gegen Tabak-, Chemie- und Pharmakonzerne waren in fast allen verfolgten Fällen, gemessen an den durch die Lügen erreichten Gewinnzuwächsen, sehr gering.
Heutzutage ist das Problem der gelenkten Forschung auch weniger, dass plump gefälscht wird. Es besteht vielmehr darin, dass Teilwahrheiten zur einzigen oder Gesamtwahrheit erklärt und mit großer Kapitalkraft in der Öffentlichkeit kommuniziert werden. So setzen sich in den Medien und der Politik nicht die besseren Argumente durch, sondern der dickere Geldbeutel.

Wie sieht es im Pharmabereich aus?
In der Medikamentenforschung werden derzeit rund 90 Prozent aller veröffentlichten Studien durch die Industrie finanziert. Negative Studienergebnisse werden von den Unternehmen häufig nicht veröffentlicht. Der Nutzen neuer Medikamente wird dadurch aufgebauscht, die Schäden werden verharmlost. Dies führt oftmals zu falschen Therapie-Empfehlungen, was potenziell lebensbedrohliche Konsequenzen haben kann. Nach Schätzungen unabhängiger Fachleute ist die Einnahme von Medikamenten in den USA und Europa inzwischen die dritthäufigste Todesursache.

Aber sind die Mittel aus der Wirtschaft für staatliche Hochschulen nicht immer noch klein im Vergleich zu den staatlichen Aufwendungen?
Das stimmt. Aber das Industriegeld hat eine gewaltige Hebelwirkung. Zum einen werden öffentliche Zuschüsse oft an Drittmittel der Industrie gekoppelt. Außerdem wird ein großer Teil öffentlicher Forschungsmittel über industriedominierte Gremienbesetzungen in industriefreundliche Richtung kanalisiert. Und denken Sie an die Stiftungsprofessuren: Die Sponsoren finanzieren den Lehrstuhl meist nur die ersten fünf Jahre, können aber großen Einfluss auf die Ausrichtung nehmen. Und die von der Industrie ausgewählten Lehrstuhlinhaber bleiben bis zur Rente im Amt und bleiben dem Sponsor meistens treu. Also nur die direkten Geldmittel aus der Industrie an die Hochschulen als Indikator für Industrieeinfluss zu nehmen, greift viel zu kurz.

Wir arbeiten seit Jahren zur Universität Köln. Sind Sie bei Ihren Recherchen auch auf diese Hochschule gestoßen?
Ja. Das Energiewirtschaftliche Institut der Uni Köln wird von E.ON und RWE mitfinanziert. Ein Gutachten von 2010 zur Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke, das das EWI miterstellt hat, kam zu dem Ergebnis, dass eine Verkürzung der Reaktorlaufzeiten teuer werde und nicht zu empfehlen sei. Bei der Erstellung des Gutachtens wurden laut Umweltministerium jedoch „haarsträubende Fehler“ gemacht, um zu diesem für die Betreiber und Mitfinanziers günstigen Ergebnis zu kommen.

Und wie bewerten Sie die Kooperation zwischen der Uni Köln und BAYER?
Ich kenne den Vertrag nicht, er wurde bis jetzt ja nicht offengelegt. Der Begriff „Kooperation“ wird in solchen Fällen aber häufig missbraucht. In Wirklichkeit geht es dabei meistens um Einflussnahme. Großkonzerne wie BAYER müssen die Rendite auf das eingesetzte Kapital maximieren, das sind doch keine Wohltätigkeitsvereine. Sie können es sich nicht leisten, Millionen Euro einfach so zu verschenken, da steckt immer Kalkül dahinter.
Wie sich solche Investments rentieren, ist hundertfach belegt: Die Studienergebnisse zu neuen Medikamenten müssen dazu führen, dass die neuen Pillen verkauft werden können und so das Geld wieder hereingespült wird. Das als „Kooperation“ zu bezeichnen, ist wirklich eine Verdrehung des Begriffes. Das ist Ausnützen von Finanzierungsengpässen und schädigt häufig die Allgemeinheit.

Was halten Sie von der Klage auf Einsichtnahme in den Vertrag?
Es ist das Mindeste, solche Kooperationsverträge offenzulegen. Ich würde aber einen Schritt weitergehen und direkte Zahlungen von Wirtschaftsunternehmen an öffentliche Hochschulen untersagen.

Der Vorsitzende des Kölner Hochschulrats ist ein ehemaliges Vorstandsmitglied von BAYER. Nicht anders sieht es in Mainz aus, wo der Vorsitzende vom größten Kooperationspartner, der Firma BOEHRINGER, kommt. Wie bewerten Sie diesen zusätzlichen Einfluss?
Aus Konzernsicht ist das doch ein kolossaler Erfolg! Da muss man nicht einmal mehr zahlen, um Einfluss nehmen zu können. Ein Blick in die Zusammensetzung der Hochschulräte zeigt, dass bei den nichtwissenschaftlichen Mitgliedern in den allermeisten Fällen ein enormes Ungleichgewicht zu Gunsten der Industrie vorliegt. Zivilgesellschaftliche Gruppierungen, die ein Gegengewicht zu den Geldinteressen darstellen könnten, sind fast nie vertreten. So hat die Geldseite leichtes Spiel und großen Einfluss. Das ist ein ganz neuer Trend. Vor 20 Jahren gab es das fast noch gar nicht.

Was erbrachten Ihre Bemühungen, Licht in die Zusammenarbeit von der Uni Mainz und BOEHRINGER zu bringen?
Im Rahmen einer von mir betreuten Masterarbeit hat eine Studentin Anfang 2015 einen scharfen Briefwechsel zwischen der Kanzlerin der Uni Mainz und dem Landesbeauftragten für Datenschutz Rheinland-Pfalz ausgelöst. Das Ergebnis: Die Universität Mainz und der Geldgeber, die Boehringer Ingelheim Stiftung, verweigern bis heute die Veröffentlichung der Verträge, obwohl eine Unkenntlichmachung wettbewerbsrelevanter Vertragsteile ausdrücklich zugestanden wurde.

Wie bewerten Sie die Informationsfreiheitsgesetze, die die meisten Bundesländer eingeführt haben?
Soweit ich weiß, hat der NRW-Beauftragte für Informationsfreiheit den Vertrag mit BAYER geprüft und keine Inhalte gefunden, die einer Einsichtnahme entgegenstehen. Auch in Rheinland Pfalz hat der Landesbeauftragte eine Offenlegung des Vertrags mit BOEHRINGER nachdrücklich gefordert. Dennoch wurde in beiden Fällen der Zugang verweigert. Die Gesetze sind daher ein Schritt in die richtige Richtung. Sie enthalten aber offensichtlich zu viele Ausnahmen und Ausweichmöglichkeiten. Zudem wäre es wohl gut, wenn die Voten der Landesbeauftragten bindende Wirkung bekommen würden.

Wie könnte man die Probleme aus Ihrer Sicht entschärfen?
Die Lösung dieser Missstände wäre ebenso einfach wie unkompliziert: Erstens sollten direkte Zahlungen der Industrie an öffentliche Hochschulen untersagt werden. Der Ausfall – wir reden hier von etwa 1,4 Mrd. Euro pro Jahr - wäre problemlos zu kompensieren, indem ein nur sehr kleiner Teil der milliardenschweren öffentlichen Forschungsgelder direkt den Hochschulen zur Verfügung gestellt würde, statt, wie heute üblich, über meist industriedominierte Gremien indirekt in die Forschung zu fließen. Vor allem sollten wir keinerlei direkte oder indirekte Geldflüsse von Pharmaunternehmen an Hochschulen, Hochschuleinrichtungen oder Unipersonal zulassen, insbesondere an Universitätskliniken und klinisch arbeitende Ärzte. Zweitens sollten die Gremien, die über die Verwendung öffentlicher Mittel entscheiden, nicht länger von Konzernen dominiert sein, sondern andere zivilgesellschaftliche Repräsentanten paritätisch mitberücksichtigen.
Die Fragen stellte Philipp Mimkes

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[Bevölkerungspolitik] STICHWORT BAYER 04/2015

CBG Redaktion

Kontrazeptiva als „Entwicklungshilfe“

BAYERs Bevölkerungspolitik

„Weniger Arme statt weniger Armut“ – so lautet seit einiger Zeit die Devise der Entwicklungszusammenarbeit. Die Projekte versuchen vermehrt, die Menschen der „Dritten Welt“ dazu zu bewegen, weniger Kinder in die Welt zu setzen. Als Mittel der Wahl gelten den BevölkerungspolitikerInnen dabei besondere in der „Ersten Welt“ oft gar nicht erhältliche Kontrazeptiva. Ausgesprochen gern greifen sie auf das Implantat JADELLE von BAYER zurück. Den Leverkusener Multi erfreut diese „Entwicklungshilfe“ deshalb immens: Sie verhilft ihm zu Millionen-Gewinnen.

Von Dr. Susanne Schultz und Dr. Daniel Bendix

Bevölkerungspolitik ist offiziell zurück auf der Agenda. Nicht nur als verstecktes Beiwerk unter dem Obertitel „sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“, sondern als eigenständiges Handlungsfeld der Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Bevölkerungsentwicklungen sollen als ursächlicher Faktor für fast alle Problemlagen herhalten, als Erklärung für ökonomische Krisen oder als Bedingung für wirtschaftliche „Chancen“. Reagiert wird vor allem mit „Familienplanung“ und der Verbreitung von „modernen“ Verhütungsmitteln. 2012 hatten sich internationale Organisationen, Regierungen, Privatwirtschaft und Nichtregierungsorganisationen (NRO) in London zu einem „Familienplanungsgipfel“ getroffen. Das daraus entstandene Gremium FP2020 (Family Planning 2020) stellt diese Politik-Ausrichtung folgendermaßen dar: „Familienplanung ist essentiell für Gesundheit, Freiheit und Wohlstand. Wir wissen, dass Familienplanung Frauen empowert und Gesundheit verbessert, aber wir wissen auch, dass es unzählige Auswirkungen quer durch die Gesellschaft hat. Familienplanung spielt eine zentrale Rolle für Armutsreduzierung, nachhaltige Entwicklung, Wirtschaftswachstum, Geschlechter-Gleichheit, soziale Inklusion und Umweltschutz.“
Ziel von FP2020 ist es, innerhalb von acht Jahren zusätzliche 120 Millionen Menschen im Globalen Süden Zugang zu Verhütungsmitteln zu verschaffen. In der Öffentlichkeit wurde vor allem das „JADELLE Access Program“ als großer Erfolg des Treffens präsentiert – eine Initiative der Bill & Melinda Gates Stiftung, des deutschen Pharmaunternehmens BAYER HEALTHCARE (Teilkonzern der BAYER AG) in Koordination mit der internationalen EZ. 27 Millionen Stück des von BAYER vertriebenen Verhütungsimplantats JADELLE (siehe Kasten) sollen über sechs Jahre hinweg für einen von 18 auf 8,50 US$ reduzierten Preis pro Implantat über die EZ-Programme verbreitet werden. Das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) sieht sich beim Thema „Bevölkerungsdynamik“ als „europäischer Vorreiter“. Ganz explizit geht es bei „Bevölkerungsdynamik“ nicht mehr nur um die Größe nationaler Bevölkerungen, sondern auch um deren Zusammensetzung. Der Fokus liegt auf Altersproportionen und einer offenen Ökonomisierung von Bevölkerungsfragen.

Die feinen Unterschiede
Differenziert wird in den aktuellen Bevölkerungsprogrammen zwischen unterschiedlichen Kategorien von Ländern: Erstens gibt es die Länder, insbesondere in Afrika, bei denen die Geburtenrate immer noch als zu hoch definiert wird, weil sie der Norm einer „replacement fertility“ von 2,1 Kindern pro Frau entgegenstehe. Weiterhin gibt es die Übergangsländer. Sie verzeichnen einen Rückgang der Fertilitätsraten, lassen aber aufgrund großer Jugend-Populationen immer noch hohe Bevölkerungszuwächse erwarten, wobei ihre betagten Bevölkerungen noch nicht als Problem gelten. Man spricht von einem „demographischen Bonus“, weil der Anteil der Erwerbsfähigen hoch ist und deswegen ein „günstiges Abhängigkeitsverhältnis“ bestehe. Schließlich gibt es die „alternden“ Gesellschaften, wo die Zahl der Menschen im Rentenalter steigt, die der Erwerbsfähigen sinkt.
Prinzipiell gilt somit ein universaler Maßstab: Die nationale Altersproportion entscheidet darüber, ob eine antinatalistische oder pronatalistische Regierungspolitik angesagt ist, d. h. an welchen Schrauben Regierungsstrategien drehen sollen, um die Geburten-Raten zu steigern oder zu senken. Je nach den jeweiligen demografischen Zielen werden Konzepte von Rechten, Wünschen und Selbstbestimmung von Frauen (denn selbstverständlich propagieren die Programme nicht staatliche Repression, sondern weiterhin die Freiheit des Individuums), die Regierungen wahrnehmen, fördern und stärken sollen, völlig unterschiedlich gefasst. Und es werden unterschiedliche reproduktive Technologien in den Fokus gerückt und bereitgestellt, um „Einstellungs- und Verhaltensänderungen“ zu erreichen. Ob Frauen vor „ungewollter Kinderlosigkeit“ oder vor „ungewollten Schwangerschaften“ bzw. einem „ungedeckten Bedarf“ an Verhütungsmitteln geschützt werden sollen, ob reproduktive Rechte als Zugang zu Reproduktionsmedizin oder zu Verhütungsmitteln diskutiert werden, erscheint somit nicht als eine Frage von Rassismus, sondern als „bevölkerungsdynamische“ Feinabstimmung. Staatliche demografische Ziele einerseits und individuelle Selbstbestimmungsrechte andererseits werden dabei nicht als Gegensatz oder zumindest als spannungsreich präsentiert, angeblich verträgt sich beides vielmehr bestens und schafft eine win-win-Situation.

Verhütung um jeden Preis
Der Fokus auf die Bevölkerungsdynamik hat Auswirkungen auf die programmatische Ausrichtung des BMZ. Neben klassischen Schwerpunkten sollen nun auch Investitionen in den Aufbau von Melderegistern, Bevölkerungsstatistik und Datenerfassung an Bedeutung gewinnen. Außerdem ist ein starker Trend in Richtung „Familienplanung“ deutlich sichtbar. Die Entwicklungshilfe-Statistiken der OECD verzeichnen mit 14,2 Millionen € in 2013 für Familienplanung gegenüber 7,8 Millionen € im Jahr 2011 eine deutliche Zunahme von exklusiv auf Verhütungsprogramme abzielenden Maßnahmen.
Was die direkten Käufe von Verhütungsmitteln angeht, schwanken die deutschen Ausgaben, erreichten aber 2013 einen neuen Höchststand von 29 Mio. US$. Ungleichgewichte werden auch deutlich, wenn die gesamten Basisgesundheitsinvestitionen der deutschen EZ mit Bevölkerungsprogrammen verglichen werden. So standen etwa im Jahr 2012 den Ausgaben für Bevölkerungsprogramme in Höhe von 169 Millionen € lediglich 147 Mio. € für Basisgesundheitsversorgung gegenüber, wobei die Hälfte der Investitionen mit 83 Mio. € in afrikanische Länder ging.
Noch deutlicher als in Deutschland zeichnen sich die Trends auf internationaler Ebene ab. Der Weltbevölkerungsfonds UNFPA (von Deutschland mit jährlich über 20 Millionen US$ finanziert) und die US-Entwicklungsbehörde USAID verdoppelten ihre Ausgaben für Verhütungsmittel zwischen 2006 und 2012 jeweils fast – UNFPA von 74 auf 128 Millionen und USAID von 63 auf 105 Millionen US$. Laut UNFPA spiegelt sich dieser Trend auch in den Programmen der Empfängerländer wider: „Familienplanung ist zunehmend wieder eine Priorität auf der höchsten Ebene nationaler Politik, nationaler Pläne und Programme geworden. Immer mehr Regierungen von Entwicklungsländern investieren ihre eigenen Ressourcen in Verhütungsmittel“. Trotz aller Bekenntnisse zu integrierten gesundheitspolitischen Ansätzen scheint sich dabei die Schieflage zwischen Basisgesundheitsversorgung und den spezifischen Diensten der Familienplanung zu verstärken.
Erklärtes Ziel ist eine hohe „Contraceptive Prevalance Rate“ (CPR), also eine möglichst hohe Rate von Nutzerinnen moderner Verhütungsmethoden. Die CPR erscheint als selbsterklärende Messlatte für bevölkerungspolitische Erfolge. Dass es dabei nicht um die Anerkennung von Rechten geht, sondern um die Durchsetzung von Verhaltensänderungen, wurde erst jüngst in einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) deutlich. Die AutorInnen stellten fest, dass nicht ein ungedeckter Bedarf an Verhütungsmitteln, sondern ein zu hoher Kinderwunsch quer durch alle sozialen Schichten in vielen afrikanischen Ländern das Problem sei.

Lobby-Einfluss
Das Spektakel rund um das Erreichen der „Sieben-Milliarden-Marke“ im Jahr 2011 hatte erheblichen Anteil daran, dass der Schwerpunkt „Bevölkerungsdynamik“ dermaßen in den Vordergrund geriet. BMZ und Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) organisierten eine Kampagne anlässlich des von UNFPA ausgerufenen Weltbevölkerungstags – und zwar gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW). Die DSW wurde ebenso wie das eher als Think Tank fungierende Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung von Industriellen gegründet und wird von der Industrie (u.a. BAYER HealthCare) finanziert. Einem/r BMZ-VertreterIn zufolge haben beide Organisationen wesentlichen Anteil daran, wie das Paradigma der demografischen Dividende in die BMZ-Programmatik aufgenommen wurde und welche Studien und Daten rezipiert werden. GIZ und BMZ geben die DSW fast immer ausschließlich oder an erster Stelle an, wenn es um die Förderung oder Kooperation mit der Zivilgesellschaft geht. Die DSW ist sogar auf der höchsten Ebene internationaler Politik eingebunden. Ihre Vorsitzende Renate Bähr vertritt Deutschland in der „High Level Task Force“ der Vereinten Nationen für den Revisionsprozess 20 Jahre nach der UN-Weltbevölkerungskonferenz von Kairo.

Türöffner für neue Märkte
Der Markt für Verhütungsmittel belief sich 2009 auf 11,2 Milliarden US$, und soll bis 2016 auf 14,5 Milliarden US$ steigen. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von ca. vier Prozent. Marktführer sind BAYER (Jahresumsatz 3 Milliarden. US$), TEVAT (1,2 Milliarden US$) und MERCK & CO. (1 Milliarde US$). Auch der Markt in so genannten „Entwicklungsländern“ ist in den letzten Jahren erheblich gewachsen, was Aufmerksamkeit und Investitionen angeht. 2014 konstatierte die „Reproductive Health Supplies Coalition“, die sich für Bereitstellung von Verhütungsmitteln engagiert, dass in den zurückliegenden fünf Jahren die EZ-Mittel für Kontrazeptiva um 50 Prozent auf 275 Millionen US$ gestiegen waren. Dies wurde vor allem durch erhöhte Investitionen in Implantate erreicht (ihr Anteil am Zuwachs betrug 68 Prozent). In Bezug auf das „Hilfsgeschäft“ mit Verhütungsmitteln sind UNFPA und USAID die größten Käufer. Sie decken ca. drei Viertel des Marktes ab.
Zwei deutsche Firmen – BAYER und HELM MEDICAL – gehören zu den großen Belieferern von UNFPA. Wenn die Geschäfte von BAYER OY (Sitz in Finnland, produziert JADELLE), BAYER HEALTHCARE (Sitz in Berlin, vermarktet JADELLE) und BAYER S. A. (Ecuador) zusammengerechnet werden, war der Leverkusener Multi 2012 und 2013 bei weitem das Unternehmen mit dem monetär größten Liefervolumen. , 2013 konnte der Konzern den UNFPA-Marktanteil nochmal deutlich steigern und liegt nun bei ca. 59 Millionen US$ oder 16 Prozent der gesamten UNFPA-Einkäufe. Vor allem der entwicklungspolitische Markt für Implantate ist in den letzten Jahren geradezu explodiert: Wurden im sogenannten Hilfsgeschäft der acht größten „Geber“ 2006 lediglich knapp über sieben Millionen US$ für Implantate ausgegeben, waren es 2012 mehr als zehnmal so viel. Zum Vergleich: Die Gesamtausgaben der EZ für Familienplanung sind in diesem Zeitraum um etwas mehr als 50 Prozent gestiegen.

BMZ setzt auf BAYER
Lange bevor BAYER, USAID und andere das „JADELLE Access Program“ etablierten und eine Abnahmegarantie zum vergünstigten Preis aushandelten , um 27 Millionen Frauen in den ärmsten Ländern der Welt damit zu beglücken, setzte das BMZ bereits einseitig auf das BAYER-Implantat: In Äthiopien finanzierte die „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) zwischen 2003 und 2007 den Ankauf von 45.000 JADELLE-Implantaten für das Gesundheitsministerium. Und in Kenia stellte die KfW Geld für die „testweise“ Verbreitung von „Familienplanungs“-Gutscheinen zur Verfügung, die ausschließlich gegen ein JADELLE-Implantat, Spirale oder Sterilisationen eingelöst werden konnten (ausgegeben wurden über 25.000 Gutscheine). Auch in einem Handbuch für Jugendaufklärung in Simbabwe nennt die GIZ nur JADELLE als Beispiel für Implantate.
Neben Implantaten und oralen Kontrazeptiva ist BAYER im „Hilfsgeschäft“ noch mit Einmonatsspritzen (NORIGYNON), der „Minipille“ (MICROLUT) und der in vielen Ländern weit verbreiteten Dreimonatsspritze (NORISTERAT) vertreten. Bei Verhütungsspritzen dominiert allerdings DEPO-PROVERA von PFIZER deutlich den Markt. BAYER setzt nur ca. ein Zehntel der Menge von PFIZER ab, kommt aber im Rahmen von Familienplanungsprogrammen im Globalen Süden trotzdem noch auf 9,2 Millionen für seine Injektionen25.

Einen geben – zwei nehmen
Die zunehmende Fokussierung auf technologische Lösungen zur Verringerung des Bevölkerungswachstums ist keine konzertierte Aktion von EZ und Pharma-Business. Sie bereitet aber für die Pharma-Unternehmen ein extrem günstiges Geschäftsklima und lässt die Geldquellen sprudeln, mit denen sie Kontrazeptiva-Märkte dort ausweiten können, wo sie bisher als unrentabel galten. Denn die Budgets der Bevölkerungsprogramme fließen sowohl in den – per Vertrag über Jahre garantierten – Kauf der Mittel selber als auch in die Subventionierung des Marketings oder in Schulungen.
Ausgebaut und verfeinert werden diese Kooperationen im Rahmen verschiedener Modelle öffentlich-privater Partnerschaften, die auf einer zunehmend engeren Kooperation zwischen Privatsponsoren bzw. „philanthropischen“ Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen, Firmen und staatlichen EZ-Institutionen beruhen – frei nach dem Motto des Ex-BMZ-Ministers Dirk Niebel (2013): „Mit jedem Euro Entwicklungszusammenarbeit fließen langfristig zwei Euro zurück zu uns“.
Besonders besorgniserregend erscheint das derzeitige Stillschweigen – ganz im Unterschied zu den 1980er und 1990er Jahren, wo sich international vernetzte Frauengesundheits- und Menschenrechtsbewegungen mit der Beobachtung antinatalistischer Programme befassten und auch die Verhütungsmittelforschung und -verbreitung in den Blick nahmen. Heute gibt es keinen internationalen Austausch über den Boom der Implantate. Wie die Implantat-Märkte konkret erobert werden und was die Nutzerinnen dabei erleben, dazu gibt es keine Öffentlichkeit. Ebenso fehlt eine Diskussion und kritische Forschung dazu, welche Ungleichgewichte sich in der EZ zwischen Investitionen in Familienplanung und Basisgesundheitsversorgung entwickeln und wie sich die Etats zu reproduktiver Gesundheit ausgestalten.

Angst vor den Risiken
Wenn in den operationellen Expertisen der internationalen EZ doch die Skepsis oder der Widerstand derjenigen aufscheint, die die Nutzerinnen oder Käuferinnen der neuen Pharma-Produkte sein sollen, dann ist oft von den „demand side barriers“ die Rede, d. h. von den Gründen für eine als zu gering erachtete Nachfrage. Besonders aufschlussreich ist das Ergebnis einer Studie des Guttmacher Institute zur Frage, warum verheiratete Frauen mit einem „ungedeckten Bedarf“ an Verhütungsmitteln denn keine Verhütungsmittel nutzten. Die Antwort liest sich simpel: „Bedenken über Nebenwirkungen und gesundheitliche Auswirkungen der Methoden waren mit Abstand der meist genannte Grund“.

JADELLE

JADELLE, auch bekannt unter dem klinischen Namen NORPLANT II, ist eine Entwicklung des US-amerikanischen Think Tanks „Population Council“, der sich der Bevölkerungspolitik widmet. Das Präparat ermöglicht einen Empfängnisverhütungsschutz von bis zu fünf Jahren. Der Wirkstoff, das Hormon Levonorgestrel, entspricht dem des Vorgänger-Produkts NORPLANT I, das bereits in den 1980er Jahren getestet und in der Folge über die EZ verbreitet wurde (Bock von Wülfingen 2001). Der einzige Unterschied: Die MedizinerInnen führen bei dem JADELLE-Eingriff nur zwei statt sechs mit dem Hormon gefüllte Silikonröhrchen in den Oberarm ein. Deshalb gilt das Kontrazeptivum als
einfacher zu implantieren und zu entfernen, ohne gegenüber NORPLANT I an Effektivität einzubüßen. Allerdings führt das „Population Council“ selbst an, dass es bei 7,5 Prozent der Nutzerinnen zu Problemen bei der Entfernung kam, da sich das Gewebe um die Silikonstäbchen vernarbt hatte oder die Röhrchen im Körper umherwandern. Auch ist die Abbruchquote hoch, was mit den beträchtlichen Nebenwirkungen zu tun hat: Nach hauseigenen Studien des „Population Council“ (2013) lassen sich innerhalb von drei Jahren knapp 30 Prozent der Nutzerinnen das Implantat wegen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme oder Haarausfall entfernen.29 Während eine international gut vernetzte Frauengesundheitsbewegung NORPLANT I unter Beobachtung stellte und es weltweit zu Protestkampagnen kam, die das Präparat als Inbegriff eines technischen Machbarkeitswahns bevölkerungspolitischer Strategien ablehnten, verläuft die Durchsetzung der neuen Methode heute im Stillen. Vergessen scheint auch zu sein, dass Ende der 1990er Jahre etwa 36.000 Klägerinnen in den USA von der damaligen Lizenzinhaberin von NORPLANT, dem Pharmaunternehmen WYETH AYERST, über 50 Millionen US$ als Kompensation für Gesundsschädigungen erhielten.

Zu den AutorInnen:
Dr. Susanne Schultz ist Mitarbeiterin des GEN-ETHISCHEN NETZWERKS in Berlin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Goethe-Universität Frankfurt.

Dr. Daniel Bendix ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet „Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien“ der Universität Kassel. Außerdem gehört er zum Team des Vereins glokal e. V. in Berlin.

Eine andere Version dieses Artikels ist bereits im Pharma-Brief Nr. 4-5, Mai/Juni 2015 erschienen.

[Pestizide] STICHWORT BAYER 04/2015

CBG Redaktion

BAYER & Co. setzen Pestizid-Limits fest

Grenzwertige Grenzwerte

Die Bestimmung der Pestizid-Grenzwerte erfolgt keinesfalls nach wissenschaftlich objektiven Kriterien, wie gutgläubige Laien vielleicht annehmen mögen. Und wenn es zu arge Überschreitungen gibt, dürfen BAYER & Co. nach dem Motto „Was nicht passt, wird passend gemacht“ sogar selbst Hand anlegen.

Von Lars Neumeister

Eine der ersten Fragen, die ich bekomme, wenn ich für jemanden Ergebnisse von Pestizid-Tests in Lebensmitteln auswerte, lautet: „Wurden die Grenzwerte überschritten?“ Damit sind die gesetzlich erlaubten Höchstgehalte gemeint. Sie stellen für viele immer noch die Messlatte der Rückstandsbelastung dar und gelten politisch als Indikator für erfolgreichen oder weniger erfolgreichen VerbraucherInnen-Schutz. Das ist jedoch falsch. Man muss nur genau hinhören und hinsehen, um das zu wissen. Werden sehr viele Höchstgehalte für Pestizide überschritten, stellen sich PolitikerInnen, politisch motivierte Institutionen und Produzenten hin und sagen: „Die gesetzlich festgelegten Höchstgehalte sind keine toxikologischen Grenzwerte. Sie dienen der Überprüfung der Guten landwirtschaftlichen Praxis.“ (1) Ist die Anzahl der Überschreitungen aber gering, hört man: „Das ist ein Erfolg unserer Verbraucherschutzpolitik.“ BAYER veröffentlicht bei einer zurückgehenden Beanstandungsquote sogar Pressemitteilungen wie: „Immer weniger Pflanzenschutzmittel-Rückstände in Lebensmitteln“ (2).

Auch das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ ignoriert die Belastung unterhalb der gesetzlichen Höchstmengen und leitet aus einer niedrigen Beanstandungsquote ab: „Die Belastung von Lebensmitteln mit Pflanzenschutzmittel-Rückständen bleibt auf einem niedrigen Niveau.“ (3)
Das ist etwa so, als würde man die allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 250 km/h anheben und dann aufgrund weniger Geschwindigkeitsüberschreitungen behaupten, alle AutofahrerInnen führen langsamer.

In Wahrheit sagen die Daten zu Über- oder Unterschreitungen der gesetzlich erlaubte Höchstgehalte fast gar nichts aus. Im Jahr 2011 gab es beispielswiese es sehr viele Überschreitungen von Glyphosat in getrockneten Linsen (fast 100 Prozent der Proben). Im darauffolgenden Jahr 2012 jedoch nur noch eine. Ursache des wundersamen Rückgangs: Die noch erlaubten Höchstmengen für Linsen wurden von 0,1 mg/kg auf 10 mg/kg angehoben . Und das ist kein Einzelfall. In den Jahren 2012 und 2013 gab es in Deutschland viele Überschreitungen durch zwei bis dahin eher unbekannte Stoffe (Benzalkoniumchlorid BAC und Didecyldimethylammoniumchlorid DDAC), und prompt wurden 2014 die Limits auf das Hundertfache angehoben. (4)

Jährlich werden ca. 40 Prozent aller gesetzlichen Höchstgehalte verändert. (5) Auf Initiative der Lebensmittel- und der Pestizidindustrie werden oft auch genau die Höchstgehalte angehoben, die für Überschreitungen sorgen. So beantragte der Glyphosat-Hersteller MONSANTO die hundertfache Anhebung der erlaubten Glyphosat-Gehalte in Linsen. (6) Auch bei Rückständen durch das Insektizid Acetamiprid kam es 2012/13 zu einer hohen Anzahl von Höchstmengen-Überschreitungen. In der Folge sorgte die NISSO CHEMICAL EUROPE GmbH gleich dreimal für Anhebungen. Auch BAYER lässt regelmäßig Höchstgehalte anheben z. B. für Fluopyram-Rückstände in Endivien, Trifloxystrobin-Rückstände in Strauchbeeren, Spirotetramat-Rückstände in Oliven für die Öl-Produktion und Ethephon-Rückstände in Tafeltrauben und Oliven.

Will man Aussagen über Trends in der Rückstandsbelastung treffen, ist die der Anteil von Überschreitungen der Höchstgehalte (Beanstandungsquote) völlig untauglich. Denn ein gesetzlich festgelegter Höchstgehalt ist nichts weiter als ein zum Proben-Zeitraum gültiger Rechtsstand. Ein Jahr darauf oder zuvor war/ist dieser Rechtsstand oft anders. Die einzigen verlässlichen Parameter, um Trends abzulesen, wären Pestizid-Konzentrationen, die Anzahl der aufgefundenen Wirkstoffe und die mittlere Giftigkeit. Diese Parameter muss mensch dann natürlich an immer denselben Fruchtarten messen.

Ein Blick auf die Nachweisquote zeigt hingegen den stetigen Anstieg der Pestizid-Belastung. Verfolgt man die Daten aus einem der besten staatlichen Labore, dem CVUA Stuttgart, kommt man zu einer ganz anderen Einschätzung der Datenlage als Industrie und Behörden. Nur noch 5 Prozent des konventionell produzierten Obstes und 9 Prozent des konventionell produzierten Gemüses waren 2014 ohne Rückstände.

Zum Autor: Lars Neumeister betreibt den Blog Essen ohne Chemie, hat die Ratgeber-App „Essen ohne Chemie“ entwickelt und arbeitet selbstständig für Organisationen wie GREENPEACE, BUND, WWF und andere.

1 Eine Kritik des Autors an dieser Begrifflichkeit ist hier zu finden Artikel: http:www.essen-ohne-chemie.info/wenn-gut-auch-schlecht-sein-darf-gute-landwirtschaftliche-praxis-ein-irrefuehrender-begriff/

2 BAYER CROPSCIENCE (2015): Immer weniger Pflanzenschutzmittelrückstände in Lebensmitteln. Mitteilung vom 05.02.2015 auf http:agrar.bayer.de/Aktuelles/Nachrichten/2015/01/Weniger%20PSM-Rueckstand.aspx?category=aktuelles.

3 BVL (2015): Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln konstant auf niedrigem Niveau. BVL stellt Bericht für 2013 vor – Einzelne Lebensmittelgruppen unterschiedlich betroffen. Presseinformation des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vom 13.04.2015.

4 Verordnung (EU) Nr. 1119/2014 der Kommission vom 16. Oktober 2014 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Höchstgehalte an Rückständen von Benzalkoniumchlorid und Didecyldimethylammoniumchlorid in oder auf bestimmten Erzeugnissen. OJ L 304, 23.10.2014, p. 43–74

5 Veränderungen der Höchstgehalte: Bezogen auf festgelegte Höchstgehalte über der analytischen Bestimmungsgrenze. Ohne Doppelnennungen durch Gruppen.

6 EFSA (2012): Modification of the existing MRL for glyphosate in lentils. EFSA Journal 2012; 10(1):2550. European Food Safety Authority. doi:10.2903/j.efsa.2012.2550. Siehe: EFSA Journal 2013;11(12):3506; EFSA Journal 2012;10(12):3051; EFSA Journal 2014;12(9):3824 20 pp.

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Marburg: Duisberg bleibt Dr. h. c.
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele Menschen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund und Lüdenscheid hatte das schon Erfolg (siehe auch SWB 1/15). Andere Orte wie z. B. Frankfurt, Marl und Dormagen haben noch keine Entscheidung gefällt. Bonn und Waldshut-Tiengen hingegen haben einen entsprechenden Änderungsantrag schon abgelehnt. Auch die Universität Marburg hielt an Duisberg fest und ließ ihm seine Ehrendoktor-Würde. Der Fakultätsrat kam zu der Entscheidung, den Titel posthum nicht aberkennen zu können, was rechtlich aber sehr wohl möglich ist. Die Dekanin versicherte der CBG jedoch, der Fall habe „im Fachbereich großes Interesse geweckt“ und die Hochschule wolle „in Lehrveranstaltungen und durch Arbeiten von Nachwuchs-Wissenschaftlern die Rolle Duisbergs untersuchen“.

USA: Protest gegen GAUCHO & Co.
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Die EU hat deshalb Imidacloprid, Clothianidin und andere Stoffe dieser Substanz-Klasse mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Auch in den USA wächst die Kritik an diesen Agro-Chemikalien. So kamen Mitte September 2015 BienenzüchterInnen, LandwirtInnen und UmweltschützerInnen in North Carolinas Hauptstadt Raleigh zusammen, um dem Gouverneur eine das Verbot dieser Mittel verlangende Petition zu übergeben, die 500.000 Menschen unterzeichnet haben. Ursprünglich wollten die AktivistInnen den Leverkusener Multi selber die Unterschriften aushändigen, aber das Unternehmen folgte einer entsprechenden Einladung nicht. „Wenn es BAYER wirklich ernst ist mit der Bienengesundheit, dann muss der Konzern den mehr als 500.000 Amerikanern Gehör schenken, die ihn zum Wohl der Umwelt, des Lebensmittel-Systems und der Nahrungsmittel-Versorgung auffordern, den Verkauf bienengefährlicher Pestizide zu stoppen“, sagte Tiffany Finck-Haynes von FRIENDS OF THE EARTH.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER expandiert in Afrika
Für BAYERs Landwirtschaftssparte spielt der afrikanische Kontinent eine immer größere Rolle. Bis zum Jahr 2023 erwartet der Konzern eine Verdoppelung des dortigen Ackergift-Marktes. Deshalb besitzt er mittlerweile in zwölf afrikanischen Ländern Niederlassungen, wobei der Gen-Gigant sich auf die wirtschaftlich erfolgreicheren Nationen konzentriert. Der Global Player bietet in diesen Staaten nicht nur Saatgut und Pestizide an, sondern hält auch Schulungen ab. Zudem arbeitet der Konzern intensiv mit dem öffentlichen Sektor zusammen – und greift dafür teilweise auf Entwicklungshilfe-Gelder zurück. So gehört die Aktien-Gesellschaft etwa der „German Food Partnership“ (GFP) an, die das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ mit rund 30 Firmen gegründet hat, und betreibt im GFP-Rahmen die „Competitive African Rice Initiative“. „BAYER CROPSCIENCE unterhält bereits Public-Private-Partnerships entlang der gesamten Lebensmittel-Wertschöpfungskette – von landwirtschaftlichen Lieferketten über eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung und die Agrarforschung bis hin zur Mikrofinanzierung“, verkündete das Unternehmen 2014 auf dem „AGCO Africa Summit“ in Berlin stolz, den es gemeinsam mit dem Landmaschinen-Hersteller AGCO, RABOBANK und der „Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft“ veranstaltet. Dabei hat der Multi auch die Kleinbauern und -bäuerinnen entdeckt, zumindest rhetorisch, gibt es doch von Entwicklungshilfe-Organisationen immer wieder Kritik am „Think Big“ des agro-industriellen Komplexes. „Afrikanische Kleinbetriebe können einen großen Beitrag zur Ernährung der Weltbevölkerung leisten“, sagt der BAYER-Manager Marc Reichardt. Allerdings müssten sie dafür größer werden und auf die „innovativen“ Produkte seines Hauses zurückgreifen, meint er. Hunger und Unterernährung gehen für ihn nämlich nicht auf Verteilungsprobleme zurück, sondern „auf den mangelnden Zugang zu Produktionsmitteln wie Dünger, qualitativ hochwertiges Saatgut, innovative chemische und biologische Pflanzenschutz-Lösungen sowie Maschinen und andere wichtige landwirtschaftliche Geräte“.

POLITIK & EINFLUSS

Massive Kritik an IMI
Im Jahr 2009 hat die EU die „Innovative Medicines Initiative“ (IMI) gestartet, um die europäische Pharma-Branche im internationalen Wettbewerb zu stärken. Der „Public Private Partnership“ zwischen Brüssel, den Pharma-Multis, Universitäten und Forschungseinrichtungen steht dafür ein Etat von fünf Milliarden Euro zur Verfügung. Die Hochschulen hatten zunächst große Hoffnungen in das Projekt gesteckt, weil sie hofften, endlich ähnlich große Etats wie BAYER & Co. zur Verfügung zu haben und so ihre Stellung gegenüber der Industrie stärken zu können. Nun äußern sie jedoch vehemente Kritik an IMI, weil Big Pharma die Forschungspläne diktiert. Die Unternehmen hätten „eine sehr starke Vormachtstellung“, klagt eine Forscherin. So behindern die Multis etwa Vorhaben, wenn diese eigenen zu sehr ähnelten, oder zwingen Instituten Studien-Designs auf, die den Einrichtungen keinen vollständigen Zugang zu den Daten erlauben. Bereits im Oktober 2010 prangerten deshalb die beiden europäischen Hochschulverbände „League of European Research Universities“ und „European University Association“ das Vorgehen der Pillen-Riesen an. Der EU-Haushaltsausschuss monierte derweil einen intransparenten Umgang mit den Förder-Milliarden und gab die Gelder erst mit Verzögerung frei. BAYER hingegen schwärmt von der „Innovative Medicines Initiative“: „IMI hat mit über 40 großen Konsortien erfolgreich ein neues Modell der Zusammenarbeit aller relevanten Partner im Gesundheitsbereich etabliert, um übergreifende Problemfelder zu bearbeiten, die keine Institution allein bearbeiten könnte oder würde.“ Eines dieser Problemfelder stellen für die Konzerne offenbar die PatientInnen dar. Deshalb wollen sie sich mit Hilfe von IMI in der „Europäische Patienten-Akademie zu therapeutischen Innovationen“ die passenden heranzüchten.
„Mit einem geeigneten Training können Patienten-Vertreter akzeptierte Partner in Wissenschaft, Ethik- und Kontrollausschüssen werden und dabei klinische Studien, Arzneimittel-Entwicklung und Zugangsstrategien verbessern und beschleunigen“, meinen die Unternehmen. Der Leverkusener Multi leitet im Rahmen von IMI zudem mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf einen Forschungsverbund, der Biomarker zur Krebs-Diagnose entwickelt. Darüber hinaus ist er an der Entwicklung einer Software beteiligt, welche die Risiken und Nebenwirkungen von Arzneimittel-Kandidaten in klinischen Tests analysieren soll. Überdies baut der Global Player einen europäischen Masterstudiengang für ArzneimittelsicherheitsexpertInnen mit auf und mischt unter anderem noch bei Projekten zur Immunologie und zum Management von medizinischen Daten mit.

Vapi: bald noch verseuchter?
Die indischen Behörden stufen Vapi als den verschmutztesten Ort des Landes ein. Nirgendwo sonst im Staat sind Wasser, Boden und Luft derart verseucht. Der Leverkusener Multi hat gehörigen Anteil daran. Er zählt die Stadt neben Dormagen, Knapsack, Frankfurt und Kansas City zu den wichtigsten Pestizid-Standorten. Seine dortige Produktionsstätte belastet die Umwelt jedoch deutlich stärker als das die entsprechenden Anlagen in der Bundesrepublik oder den USA tun. So stammen 94,9 Prozent aller die Ozonschicht zerstörenden Stoffe, die der Konzern weltweit emittiert, aus Vapi. Bei den flüchtigen organischen Substanzen, den so genannten VOCs, beträgt der Anteil 68,2 Prozent. Wegen solcher und anderer Dreckschleudern hat eine frühere indische Regierung ein Gesetz erlassen, das neue Ansiedlungen im Industrie-Gebiet verbietet. Die „Vapi Industries Association“, der BAYER nicht angehört, will jetzt eine Aufhebung des Moratoriums erreichen. Und Premierminister Narenda Modi hat bereits Entgegenkommen signalisiert. Der Himmel über Vapi könnte also bald noch düsterer werden.

Duin beim „Bio-Europe-Spring“
Im März 2015 besuchte der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin in Paris die Biotech-Konferenz „Bio-Europe-Spring“, auf der auch BAYER vertreten war. Beim NRW-Landesempfang, der unter dem Motto „Schlüssel-Technologien made in NRW“ stand, sprach der Sozialdemokrat Gruß- und Schlusswort.

Grußwort von Löhrmann
Die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann hat gute Beziehungen zu BAYER. So bedachte sie dann auch die Feier zum 50-jährigen Bestehen des Landeswettbewerbs „Jugend forscht“, die im Leverkusener BayKomm stattfand, mit einem Grußwort.

Schmidt beim „AGCO Africa Summit“
Seit einiger Zeit hat BAYER den afrikanischen Kontinent als Absatzmarkt für seine Landwirtschaftsprodukte entdeckt (siehe ERSTE & DRITTE WELT). Darum veranstaltet der Leverkusener Multi seit einiger Zeit in Berlin gemeinsam mit dem Landmaschinen-Hersteller AGCO, RABOBANK und der staatlichen „Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft“ auch einen Kongress zum Agro-Business in Afrika. Und in diesem Jahr konnte der Global Player dort Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt als Gast begrüßen. Der CSU-Politiker mahnte auf dem „AGCO Africa Summit“ aus gegebenem Anlass, die Entwicklung in den Ländern dürfte nicht an den Kleinbauern und -bäuerinnen vorbeigehen und müsse „im Einklang mit der Umwelt und den Schutzrechten der Bevölkerung stehen“.

PROPAGANDA & MEDIEN

Extrem-Lobbying in Brüssel
Im Jahr 2014 ließ BAYER sich das Lobbying bei der Europäischen Union in Brüssel rund 2,5 Millionen Euro kosten. 15 Personen beschäftigt der Leverkusener Multi dort; acht von ihnen haben offiziell Zugang zu den EU-ParlamentarierInnen.

Von der FDA zu BAYER
BAYERs Ruf in den Vereinigten Staaten ist wegen der vielen Schadensersatz-Prozesse um YASMIN, XARELTO & Co. nicht der Beste. Darum ging der Leverkusener Multi jetzt in die Offensive und verpflichtete mit Steven Immergut einen ehemaligen Mitarbeiter der Presseabteilung der US-Gesundheitsbehörde FDA als obersten Öffentlichkeitsarbeiter seiner US-amerikanischen Pharma-Sparte.

Bisphenol-Lobbying in Brüssel
Viele Chemikalien enthalten Wirkstoffe, die in ihrem chemischen Aufbau Hormonen ähneln. Zu diesen endokrinen Disruptoren zählen im BAYER-Sortiment unter anderem Biozide wie BAYER GARTEN FLIEGENSPRAY und Bisphenol A, das z. B. in Lebensmittel-Verpackungen Verwendung findet. Vom menschlichen Körper aufgenommen, können diese Substanzen Fehlsteuerungen im Organismus auslösen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen. Die Europäische Union plant deshalb Maßnahmen, aber der Lobby-Druck verzögert den Prozess massiv. Der Leverkusener Multi kann dabei kräftig mitbremsen, denn er verfügt über das notwendige Herrschaftswissen. Einer seiner Brüsseler LobbyistInnen (s. o.) sitzt nämlich als Beobachter in der ExpertInnen-Gruppe der EU-Kommission zu den endokrinen Disruptoren.

PR-Offensive zu ESSURE
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich. Allein die Facebook-Gruppe „Essure Problems“ hat über 11.000 Mitglieder. Der Konzern reagiert darauf mit einer PR-Offensive. Der oberste US-amerikanische Öffentlichkeitsarbeiter des Unternehmens, Ray Kerins, hat sein Team angewiesen, direkt mit den Verfasserinnen von Facebook-Posts und Twitter-Nachrichten Kontakt aufzunehmen und Schadensbegrenzung zu betreiben.

PR-Offensive zum Bienensterben
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Die EU hat deshalb Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Auch in den USA wächst die Kritik an diesen Substanzen (siehe auch AKTION & KRITIK). Deshalb hat die US-amerikanische Öffentlichkeitsarbeitsabteilung des Leverkusener Multis, die 80 Beschäftigte umfasst, eine PR-Offensive gestartet. Sie schuf ein mobiles „Bee Care Center“ und zog damit vor den Kongress, den Washingtoner Bahnhof und den Botanischen Garten, um den Konzern als großen Bienen-Kümmerer in Szene zu setzen. Zudem spendete der Agro-Riese Geld für das Anpflanzen von Blumen mit pollen-reichen Blüten.

BAYER sponsert Pestizid-Kongress
BAYER und MONSANTO zählten zu den Hauptsponsoren des „18. Internationalen Pflanzenschutz-Kongress IPPC“, der Ende August 2015 in Berlin stattfand. Die anwesenden WissenschaftlerInnen fanden dann auch kein kritisches Wort zu dem von den beiden Agro-Multis vertriebenen Pestizid Glyphosat, obwohl die Weltgesundheitsorganisation WHO dieses unlängst als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Es werde nur nicht immer sachgemäß angewandt, meinten die ForscherInnen und schlugen Schulungsprogramme für LandwirtInnen vor. Einen Zusammenhang zwischen den milden Gaben der Konzerne und den wohlmeinenden Äußerungen zu der chemischen Keule stritt der Kongress-Präsident Holger Deising allerdings vehement ab. „Als Vorsitzender des Programm-Komitees kann ich sagen, dass zu keiner Zeit so etwas eine Rolle gespielt hat. Wir haben keine Abhängigkeiten von irgendwelchen Industrie-Firmen“, sagte der an der Hallenser „Martin-Luther-Universität“ zu Pflanzen-Krankheiten und Pflanzenschutz forschende Professor.

BAYER sponsert „CancerLinQ“
Krebs-Medikamente nehmen in BAYERs Produkt-Palette viel Raum ein. Darum legt der Pharma-Riese Wert darauf, sich mit den entsprechenden Medizin-Gesellschaften wie z. B. der „American Society of Clinical Oncology“ (ASCO) gutzustellen. Und kleine Geschenke erhalten dabei die Freundschaft. So spendete der Leverkusener Multi eine Million Dollar für das ASCO-Projekt „CancerLinQ“, eine Internet-Plattform, die Daten von Krebs-PatientInnen zusammenträgt. Sicherlich spekuliert der Leverkusener Multi dabei auch darauf, später einmal Zugang zu dieser Datenbank zu erhalten.

BAYER bildet JournalistInnen fort
Seit 2014 kooperiert der Leverkusener Multi mit der US-amerikanischen „National Press Foundation“ und finanziert Fortbildungsprogramme zu medizinischen Themen. Dieses Jahr bietet er ein Seminar zu Masern und der Kontroverse um Schutz-Impfungen an.

DRUGS & PILLS

Studie warnt vor Testosteron-Pillen
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben. Studien warnen hingegen vor den Mitteln. So stellte eine Untersuchung von Shalender Bhasin, die das Journal of the American Medical Association veröffentlichte, ausbleibende Haupt-, dafür aber zahlreiche Nebenwirkungen fest. Der Mediziner von der „Harvard Medical School“ konnte keinerlei positive Effekte der Produkte auf die Arterien-Verkalkung feststellen, auch Potenz- oder Libido-Probleme behoben NEBIDO & Co. nicht. Dafür beobachteten Bhasin und sein Team viele gesundheitsgefährdende Begleiterscheinungen wie eine Blut-Verdickung, welche die Thrombose-Gefahr anwachsen lässt und einen gestiegenen PSA-Wert, der auf ein erhöhtes Prostatakrebs-Risiko verweist. Zu ähnlich besorgniserregenden Ergebnissen war zuvor schon die Studie einer ForscherInnen-Gruppe um Jared L. Moss von der Universität Knoxville gekommen. Sie hatte herausgefunden, dass die Testosteron-Spritzen die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen. Zudem registrierten die WissenschaftlerInnen Schrumpfungen des Hodengewebes und Samenzellen-Missbildungen. Auf der langen Liste der Risiken und Nebenwirkungen von Testosteron-Medikamenten stehen außerdem Herzinfarkt, Harntrakt-Schädigungen, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Ödeme und Leberschäden.

Gefährliche Hormonersatz-Therapie
BAYER & Co. ist es gelungen, die Wechseljahre zu einer Krankheit zu erklären, bei der nur eins hilft: die Hormonersatz-Therapie. Was die Konzerne „Menopausen-Management“ nennen, bezeichnen KritikerInnen als „die Medikalisierung körperlicher Umbruchphasen im Leben von Frauen“. Und diese setzt die Patientinnen erheblichen Gesundheitsgefahren aus. So erhöhen die Hormon-Gaben das Risiko für Demenz, Thrombosen, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Brustkrebs. Und Anfang 2015 hat ein ForscherInnen-Team um Richard Peto von der Universität Oxford diese Liste noch um Eierstockkrebs erweitert. Ob das alles bei der derzeitigen Überarbeitung der ärztlichen Leitlinie zur Hormonersatz-Therapie Berücksichtigung findet, steht allerdings in Zweifel. Der Leverkusener Multi hat nämlich beste Beziehungen zu den FrauenärztInnen im Allgemeinen und ihrer Fach-Organisation „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ im Besonderen.

Pillen-Preise mit Akzeptanz-Problem
Der Leverkusener Multi rechtfertigt die hohen Arzneimittel-Preise stets mit dem hohen Forschungsaufwand, den er angeblich betreiben muss, um neue Medikamente zu kreieren. Dabei steckt der Konzern viel mehr Geld in das Pharma-Marketing als in die Pharma-Forschung. So will denn auch das Argument in der Bevölkerung nicht so recht verfangen, wie der Pillen-Riese durch eine von ihm in Auftrag gegebene Umfrage erfuhr. Der Aussage: „Damit die Arzneimittel-Industrie teure Forschung auch langfristig finanzieren kann, ist es wichtig, dass sie angemessene Preise erzielt“, mochten nämlich nur 51 Prozent der Befragten zustimmen. „Daran wollen und müssen wir arbeiten“, kommentierte Frank Schöning, der Geschäftsführer von BAYER VITAL, bedröppelt das enttäuschende Ergebnis.

Kooperation mit PROTEROS
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit PROTEROS vereinbart. Der Leverkusener Multi will auf der Basis eines von dem Münchner Biotech-Unternehmen entdeckten Proteins, das Regulationsprozesse der Herz-Membranen steuert, ein Medikament entwickeln und finanziert deshalb die weiteren Forschungsarbeiten der Firma.

PESTIZIDE& HAUSHALTSGIFTE

Pestizide in Lebensmitteln
Die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) veröffentlichte im Frühjahr 2015 die Ergebnisse ihrer Untersuchung über Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln. In 45 Prozent aller 81.000 Proben fanden sich Spuren von Agro-Chemikalien. Bei 1,5 Prozent der Samples überschritten die Rückstände die zulässigen Höchstwerte. Dabei lagen auch viele von BAYER vertriebene Wirkstoffe über den zulässigen Limits. So wiesen die ForscherInnen Überdosen von Tebuconazole, Trifloxystrobin, Ethephon, Spiromesifen, Chlorpyrifos, Pencycuron, Folpet, Prochloraz und Carbendazim nach.

Grenzwerte nach BAYER-Gusto
Jährlich ändern sich ca. 40 Prozent der gesetzlich festgelegten Pestizid-Grenzwerte. Deren Bestimmung erfolgt nämlich keinesfalls nach wissenschaftlich objektiven Kriterien, wie Gutgläubige vielleicht annehmen mögen. Die Limits richten sich vielmehr nach dem Aufkommen der Überschreitungen. Gibt es zu viele davon, so legen die Behörden die Latte nach dem Motto „Was nicht passt, wird passend gemacht“ auf Antrag der Konzerne einfach ein bisschen höher. Auch BAYER wird in diesem Sinne tätig. So hat der Agro-Riese beispielsweise die Höchstgehalte für Fluopyram-Rückstände in Endivien, Trifloxystrobin-Rückstände in Strauchbeeren, Spirotetramat-Rückstände in Oliven für die Öl-Produktion und Ethephon-Rückstände in Tafeltrauben und Oliven anheben lassen.

MOON PRIVILEGE schädigt Reben
BAYERs Antipilz-Mittel MOON PRIVILEGE (Wirkstoff: Fluopyram) hat verheerende Schäden im Weinbau verursacht. Die Reben vertrockneten und trugen kaum Beeren; die Blätter zeigten Deformationserscheinungen. Durch den Ernte-Ausfall entstand allein schweizer Weinbauern und -bäuerinnen ein Minus von rund 135 Millionen Franken. Ihre KollegInnen in Österreich, Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien klagen ebenfalls über Verluste durch das Pestizid, das der Leverkusener Multi auch unter dem Namen „LUNA PRIVILEGE“ vertreibt. Mit den ersten Schadensersatz-Klagen sieht der Agro-Riese sich deshalb schon konfrontiert. Und er scheint sogar gewillt zu zahlen. Es besteht „eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang“, räumt das Unternehmen ein. Angesichts der unvorhergesehenen Risiken und Nebenwirkungen des Mittels steht zudem die Zulassungspraxis der Behörden in der Kritik.

Mehr MPE aus Hürth
BAYERs Pestizid-Wirkstoff Glufosinat erfreut sich derzeit einer großen Nachfrage, weil immer mehr Unkräuter der MONSANTO-Substanz Glyphosat trotzen. Darum erweitert der Leverkusener Multi an vielen Standorten die Produktionskapazitäten für die unter den Namen LIBERTY und BASTA vermarktete Agro-Chemikalie. Nachdem der Konzern unlängst die Fertigung in Höchst ausgebaut hatte, nahm er im August 2015 in Hürth-Knapsack eine neue Anlage für das Glufosinat-Vorprodukt Methanphosphonigsäureester (MPE) in Betrieb. Dass die EU angekündigt hat, Glufosinat 2017 wegen seiner Gefährlichkeit aus dem Verkehr zu ziehen, störte das Unternehmen dabei nicht. Der Global Player hat es nämlich hauptsächlich auf die Absatz-Märkte in Südamerika und in den USA abgesehen. Dort investiert er in Mobile, Alabama und Muskegon, Michigan ebenfalls kräftig, um die Herstellung der Substanz zu forcieren. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisiert diese Praxis der doppelten Standards scharf und fordert ein weltweites Verbot der Chemikalie.

Vorerst weiter mit Glyphosat
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation die Substanz im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft und damit das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ in Erklärungsnot gebracht, das der Agro-Chemikalie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt hatte. Eigentlich sollte die Europäische Union bis Ende 2015 über eine Verlängerung der Zulassung des Stoffes befinden. Nun hat die Kommission die Entscheidung aber wegen der unterschiedlichen Einschätzungen des Glyphosat-Sicherheitsprofils vertagt und den Verkauf des Pestizids vorerst bis zum Juni 2016 weiter genehmigt. Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger kritisierte das scharf. „Es ist inakzeptabel, dass die EU-Kommission Europas Bevölkerung weiter einer Substanz aussetzen will, die von der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wurde“, so Weiger.

WHO kritisiert Glyphosat-Studien
Während die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation das umstrittene, auch von BAYER vertriebene Pestizid Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ bezeichnete (s. o.), stufte eine andere Abteilung der WHO die Agro-Chemikalie als unbedenklich ein. Eine aus WHO-WissenschaftlerInnen und ForscherInnen der Agrar-Organisation der Vereinten Nationen gebildete Gruppe, die „Joint FAO/WHO Meetings on Pesticide Residues (JMPR), konnte keine gesundheitsgefährdenden Glyphosat-Effekte ausmachen, was die Agro-Riesen natürlich gerne hörten und weiterverbreiteten. Jetzt haben aber vom JMPR selbst berufene ExpertInnen dem Gremium bei ihrer Bewertung Versäumnisse nachgewiesen. So hat dieses nach Meinung der Fachleute viele Studien nicht ausgewertet und sich bei seinem Votum stattdessen vorwiegend auf Untersuchungen der Hersteller gestützt. In Anbetracht dieses Urteils tritt die WHO nun für eine Neubewertung des Ackergifts ein. Und der Grünen-Politiker Harald Ebner forderte ein sofortiges Verbot: „Es kann nicht sein, dass Menschen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind, weil die zuständigen Behörden womöglich vorsätzlich im Profit-Interesse gepfuscht haben.“

GENE & KLONE

Genpollen fliegen bis zu 4,5 km weit
In einem großangelegten Versuch haben die Universität Bremen, das Ökologie-Büro Bremen und das „Bundesamt für Naturschutz“ über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg untersucht, wie weit sich Pollen von gen-manipulierten Pflanzen ausbreiten. Das Ergebnis hat die Fachwelt in Erstaunen versetzt: Strecken von bis zu 4,5 Kilometer legte der Blütenstaub zurück. Die gängigen Regeln, die höchstens einen Abstand von ein paar hundert Metern zwischen Feldern mit Gen-Konstrukten und solchen mit konventionellen Ackerfrüchten vorschreiben, waren damit Makulatur. Die Europäische Lebensmittel-Behörde EFSA zog die Konsequenz und setzte das Zulassungsverfahren für den von PIONEER und DOW AGROSCIENCES entwickelten Gentech-Mais 1507, der unter anderem gegen das gefährliche BAYER-Pestizid Glufosinat resistent ist, erst einmal aus.

China lässt BAYER-Soja rein
Ein Großteil der chinesischen Bevölkerung steht der Gentechnik skeptisch gegenüber. Deshalb hat die Regierung bisher den Anbau von Labor-Früchten nicht genehmigt. Und auch beim Import von Pflanzen mit verändertem Erbgut zeigt sich das Land restriktiv. Seit im Jahr 2013 an den Häfen eine Ladung Soja anlandete, die mit SYNGENTAs in dem Staat nicht zugelassenen Produkt AGRISURE VIPTERA kontaminiert war, ließen die Behörden ein Fünftel der Lieferungen wieder zurückgehen. Zudem nimmt sich das Reich der Mitte viel Zeit für Genehmigungsverfahren. BAYER & Co. kritisierten dieses Vorgehen scharf und bezeichneten es als „allzu politisch“, „intransparent“ und „unkalkulierbar“. Das hat offensichtlich gefruchtet. Ende 2014 genehmigte der Staat den Import von BAYERs Soja LL55, der gentechnisch auf eine gemeinsame Verwendung mit dem gefährlichen Pestizid Glufosinat geeicht ist. Als „gute Nachricht für die Landwirte“ und „gute Nachricht für BAYER“ bezeichnete der Leverkusener Multi die Entscheidung.

Wieder kein EYLEA-Zusatznutzen
BAYERs zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassene Augen-Arznei EYLEA erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. In den klinischen Prüfungen gelang es dem Gentech-Medikament mit dem Wirkstoff Aflibercept nicht, das NOVARTIS-Präparat LUCENTIS zu übertrumpfen, was der Leverkusener Multi auch selbst einräumen musste. Trotzdem erweitert der Leverkusener Multi das Anwendungsspektrum des Mittels permanent. Und auch bei den neuen Indikationen sieht die Bilanz nicht besser aus. Das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) hat dem Präparat noch nie einen Zusatznutzen bescheinigen können. Erst im Juni 2015 lehnte die Behörde wieder einen BAYER-Antrag ab. Sie vermochte EYLEA bei der Behandlung eines Sehschärfe-Verlustes bei einem Makula-Ödem, das von einem Verschluss einzelner Augen-Venen herrührt, keinen Vorteil gegenüber anderen Therapie-Formen zu bescheinigen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Bisphenol auf Bundesrat-Agenda
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A (siehe auch POLITIK & EINFLUSS). Drei Prozent davon kommen in Verpackungen von Nahrungsmitteln wie etwa Konservendosen zum Einsatz. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau Hormonen, was zu Stoffwechsel-Irritationen und damit zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann. Die EU hat deshalb bereits die Verwendung des Stoffes in Babyflaschen untersagt und schärfere Grenzwerte erlassen. Nordrhein-Westfalen und zwei weiteren Bundesländern gehen diese Maßnahmen allerdings nicht weit genug. Sie brachten in den Bundesrat einen Antrag mit der Forderung ein, die Verwendung von Bisphenol in Lebensmittel-Verpackungen generell zu verbieten, so wie es Frankreich schon getan hat.

Dauerproblem Holzschutzmittel
BAYERs Tochter-Firma DESOWAG hat bis Mitte der 1980er Jahre das Holzschutzmittel XYLADECOR produziert, das rund 200.000 Menschen vergiftete. Erst als die Geschädigten gegen den Konzern und andere Hersteller vor Gericht zogen und damit das bislang größte Umwelt-Strafverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik initiierten, trennte sich der Leverkusener Multi von der DESOWAG. In vielen Häusern treiben die Produkte aber nach wie vor ihr Unwesen. Die Stiftung Warentest hat noch 2013 in Holz-Proben hohe Konzentrationen festgestellt. Ein besonderes Risiko besteht nach Meinung von ExpertInnen, wenn Umbau-Maßnahmen anstehen und die gefährlichen Stoffe etwa durch das Abschleifen von Holz verstärkt freigesetzt werden. Die Politik verschließt jedoch die Augen vor dem Problem. „Der Bundesregierung liegen keine wissenschaftlichen Untersuchungen vor, dass nachweisbare gesundheitliche Gefahren für Bewohnerinnen und Bewohner heute noch von den vormals mit PCP- oder Lindan-haltigen Holzschutzmitteln gestrichenen Wohnhäusern ausgehen“, heißt es in einer Antwort der Großen Koalition auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ zu den anhaltenden Folgen des Holzschutzmittel-Skandals.

Anfrage zum Holzschutzmittel-Skandal
In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ zu den nachhaltigen Folgen des Holzschutzmittel-Skandals blieb die Bundesregierung nicht nur, was die immer noch andauernden Gesundheitsgefährdungen durch das ehemalige BAYER-Produkt XYLADECOR und andere Präparate anbetrifft, einsilbig und scheinheilig (s. o.). Obwohl ExpertInnen bereits Anfang der 1980er Jahre vor XYLADEDOR & Co. gewarnt hatten, reagierte das damalige Bundesgesundheitsamt nicht. Dieses sei zwar den Berichten „vertieft nachgegangen. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den eingetretenen Gesundheitsstörungen und Holzschutzmittel-Belastung konnte aber nicht belegt werden“, so die Große Koalition. Auch wussten Merkel & Co. nicht zu sagen, warum die Geschädigten ihre Ansprüche gegen BAYER und die anderen Unternehmen in Prozessen kaum geltend machen konnten: „Der Bundesregierung liegen darüber keine Erkenntnisse vor.“ Ebenfalls keine Informationen hat diese zum Ausmaß der Verbreitung der Mittel, zur Zahl der Opfer und zu den Kosten, welche die Substanzen verursachten.

CO & CO.

Einwendung gegen neuen Rhein-Düker
Nicht nur die zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld verlegte Kohlenmonoxid-Pipeline wirft Sicherheitsfragen auf. Auch die in den 1960er Jahren zwischen Dormagen und Leverkusen gebaute Verbindung hat gravierende Mängel. Das offenbarte sich der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, nachdem sie bei der Bezirksregierung Köln Einsicht in die entsprechenden Unterlagen genommen hatte. Besonders an dem Rhein-Düker, mittels dessen die Pipeline den Fluss unterquert, zeigen sich Korrosionsschäden, also Abnutzungserscheinungen an den Bau-Bestandteilen. Die CBG veröffentlichte den Befund, und kurz danach kündigte BAYER einen Düker-Neubau an. Dieses Vorhaben beseitigt die Gefahr jedoch nicht, die von dem Transport gefährlichen Giftgases quer durch das Land ausgeht. Darum lehnt die Coordination es ab und hat eine Einwendung gegen das Projekt formuliert. „Ein solches Risiko ist für die Bevölkerung untragbar und wegen der Möglichkeit einer dezentralen Kohlenmonoxid-Produktion in den einzelnen Werken auch nicht notwendig“, heißt es in dem Schreiben an die Bezirksregierung unter anderem.

STANDORTE & PRODUKTION

Brunsbüttel: Neustart für MDI-Plan
2012 kündigte BAYER an, die TDI-Anlage am Standort Brunsbüttel zu einer Fertigungsstätte für MDI umzurüsten. Ein Jahr später legte der Leverkusener Multi die Pläne wieder ad acta, da die Absatz-Zahlen für TDI stiegen. Jetzt holt der Konzern sie erneut hervor – und muss sich abermals mit der Kritik der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) an dem Vorhaben befassen. Nach Ansicht der Coordination berücksichtigt das Vorhaben die Möglichkeit eines Austrittes großer Mengen des Giftgases Phosgen nämlich nicht in ausreichendem Maße. So will das Unternehmen den Bau zwar mit einer Einhausung schützen, womit er einer langjährigen Forderung der Umweltverbände nachkommt, diese aber nicht aus Beton, sondern nur aus Blechplatten errichten. Zudem verzichtet der Konzern auf eine Ammoniak-Wand als zweites Sicherheitssystem.

BAYER-Opfer Hohenbudberg
Die Standort-Städte, die heute so sehr unter BAYERs verkommener Steuer-Moral leiden, haben schon viel Opfer für den Konzern erbracht. So musste in Krefeld einst ein ganzer Ortsteil dem Expansionsdrang des Multis weichen. In den 1960er Jahren besiegelte die Erweiterung des Chemie-„Parks“ das Schicksal von Hohenbudberg und seiner rund 2.000 EinwohnerInnen. Heute zeugen nur noch die Kirche St. Matthias und drei Häuser von seiner Existenz.

RECHT & UNBILLIG

Uni-Vertrag bleibt vorerst geheim
Im Jahr 2008 ging BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung ein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten die Organisationen eine Offenlegung des Vertrages. Die Universität verweigerte das jedoch, weshalb die CBG eine Klage einreichte. Nach dem Kölner Verwaltungsgericht lehnte diese nun auch das Oberverwaltungsgericht Münster ab (siehe auch SWB 4/15). In der Urteilsbegründung verwies der Richter auf einen Ausnahme-Paragrafen im Informationsfreiheitsgesetz NRW, der Forschung und Lehre von Offenlegungspflichten entbindet. Während der Verhandlung hatte die Coordination vergeblich darauf hingewiesen, dass sich ihr Interesse an dem Vertrag gerade auf die Teile bezieht, die nicht unmittelbar der Wissenschaft zuzuordnen sind, beispielsweise Vereinbarungen zu Patenten und zur Verwertung der Ergebnisse. „Das Urteil verdeutlicht, dass das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz überarbeitet werden muss. Die generelle Ausklammerung des Hochschulbereichs von jeglicher Transparenz muss durch eine differenzierte Regelung ersetzt werden, sonst droht eine Ausrichtung der universitären Forschung auf rein wirtschaftliche Interessen“, erklärte die CBG nach dem Richter-Spruch. Eine Entscheidung darüber, ob sie gegen den OVG-Entscheid, der eine Revision nicht zugelassen hat, Beschwerde einlegt, hat die Coordination noch nicht gefällt.

Millionen-Strafe für Explosion
Am BAYER-Standort Institute war es am 28. August 2008 zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Beschäftigte starben (SWB 3/08). Anschließend nahm die US-amerikanische Arbeitsschutzbehörde OSHA Untersuchungen auf und stellte „mangelhafte Sicherheits-Systeme, signifikante Mängel der Notfall-Abläufe und eine fehlerhafte Schulung der Mitarbeiter“ fest. Wegen dieser und anderer Versäumnisse muss der Leverkusener Multi nun eine Strafe von 5,6 Millionen Dollar zahlen. Das Geld fließt nach dem Willen der US-Umweltbehörde EPA zum größten Teil in Projekte, welche die Sicherheit von Chemie-Anlagen erhöhen. Bereits 2010 hatte die Arbeitsschutzbehörde OSHA dem Global Player in der Sache eine Kompensationszahlung von 150.000 Dollar auferlegt.

Weiterer YASMIN-Vergleich
Frauen, die drospirenon-haltige Pillen wie BAYERs YASMIN zur Empfängnis-Verhütung nehmen, tragen im Vergleich zu solchen, die levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva bevorzugen, ein bis zu doppelt so hohes Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Massen von Geschädigten oder deren Hinterbliebene haben deshalb bisher vor allem in den USA Einzel- oder Sammelklagen gegen den Multi angestrengt. Im August 2015 kam es dort gegen die Zahlung von 57 Millionen Dollar zu einem Vergleich mit 1.200 Betroffenen. Insgesamt kosteten den Pillen-Riesen solche Vereinbarungen schon über zwei Milliarden Dollar.

Behörden gegen Kontrazeptiva-Monopol
Als der Leverkusener Multi 2014 vom US-Unternehmen MERCK die Sparte mit den nicht verschreibungspflichtigen Produkten erwarb, gelangten nicht nur Sonnencremes, Fußpflege-Mittel und Magen/Darm-Arzneien neu ins BAYER-Sortiment, sondern auch die MERCILON-Kontrazeptiva mit den Wirkstoffen Desogestrel und Ethinylestradiol. Zusammen mit seinen anderen Verhütungsmitteln kommt der Pharma-Riese damit in Südkorea auf einen Markt-Anteil von 82 Prozent. Das war der dortigen Monopol-Kommission zu viel. Deshalb wies sie den Global Player an, sich von einem Teil dieses Geschäftssegmentes zu trennen.

Das Potenzmittel-Kartell
In der Schweiz zieht sich die juristische Auseinandersetzung um ein Potenzmittel-Kartell, das BAYER, PFIZER und ELI LILLY gebildet hatten, schon lange Jahre hin. Nach Ermittlung der Behörden hatten sich die Pharma-Multis für LEVITRA & Co. auf identische Preis-Empfehlungen geeinigt. Die Wettbewerbskommission WEKO hat deshalb 2009 Strafen in Höhe von insgesamt 5,7 Millionen Franken verhängt. Die Multis fochten die Entscheidung jedoch juristisch an. Das Bundesverwaltungsgericht des Landes erklärte die Klage 2013 auch für berechtigt. Es gebe gar keinen Wettbewerb in diesem Segment, da ein Werbeverbot herrsche und der Schamfaktor die KonsumentInnen von Preisvergleichen abhalte, befanden die RichterInnen, und wo es keinen Wettbewerb gebe, kann es auch keine Wettbewerbsverstöße geben. Anfang 2015 hob das schweizer Bundesgericht dieses Urteil aber auf und verwies den Fall wieder an das Verwaltungsgericht.

Whistleblower-Schutz für Simpson
In ihrer Zeit als BAYER-Beschäftigte bekam Laurie Simpson einen umfassenden Einblick in die Praxis des Leverkusener Multis, die Risiken seiner Arzneimittel zu verschweigen und diese mit Hilfe illegaler Marketing-Methoden zu vertreiben. Sie kritisierte dieses Vorgehen intern und musste dafür berufliche Nachteile in Kauf nehmen. Darum machte sie die Fälle öffentlich und begann zwei Prozesse gegen den Pharma-Riesen. In dem Verfahren um das bei OPs zum Einsatz kommende Blutstill-Präparat TRASYLOL wirft Simpson dem Konzern vor, der medizinischen Öffentlichkeit und den PatientInnen das gesundheitsgefährdende Potenzial des Mittels verheimlicht zu haben, ungeachtet der Tatsache, dass dazu eindeutige Informationen vorlagen. Zudem beschuldigt sie das Unternehmen, den Verkauf des Pharmazeutikums mit illegalen Methoden wie dem Einräumen von Rabatten und der Gewährung anderer Vergünstigungen befeuert zu haben. Darüber hinaus lastet sie dem Global Player an, den Gebrauch von TRASYLOL auch bei Operationen wie beispielsweise Leber-Transplantationen empfohlen zu haben, obwohl für die Indikationen gar keine Zulassungen vorlagen. Zwei ihrer Vorwürfe hielt ein Gericht in New Jersey für so substanziell und schwerwiegend, dass es Simpson das Recht zusprach, dafür den „False Claims Act“ in Anspruch zu nehmen, das US-amerikanische Schutzprogramm für WhistleblowerInnen. BAYER focht die Entscheidung an, konnte sich jedoch nicht durchsetzen.

FORSCHUNG & LEHRE

Forschungssubventionen: 8 Millionen
Im Jahr 2014 förderte die öffentliche Hand allein in der Bundesrepublik 80 Forschungsprojekte mit BAYER-Beteiligung und zahlte dem Konzern dafür ca. acht Millionen Euro.

BAYERs Nachhaltigkeitslehrstuhl
Der Leverkusener Multi finanziert an der Berliner Humboldt-Universität einen Lehrstuhl für „Nachhaltige Landnutzung und Klimawandel“. Mit dem Kohlendioxid-Ausstoß des Global Players, der 2014 rund 8,7 Millionen Tonnen betrug, dürfte sich der Stiftungsprofessor Hermann Lotze-Camper dabei eher nicht beschäftigen.

[Glyphosat] Glyphosat stoppen!

CBG Redaktion

Glyphosat stoppen!

Kampagne der Coordination gegen BAYER-Gefahren gegen Ackergift von BAYER und MONSANTO hier unterstützen

Achtung: CBG kämpft noch immer um finanzielle Existenz
Fördermitglieder und Spenden dringend benötigt

Glyphosat ist das meistgespritzte Pestizid der Welt. Jahr für Jahr landen mehr als 700.000 Tonnen auf den Äckern. Meist wird der Wirkstoff in Kombination mit genmanipulierten Pflanzen wie Mais oder Soja eingesetzt.

Glyphosat ist omnipräsent. Regelmäßig werden Rückstände in Getreide und Brot gefunden - aber auch in menschlichem Urin und in der Muttermilch. Selbst bei Großstadtbewohner/innen.

Dies birgt große Gefahren: nach Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend“. Die Substanz steht zudem in Verdacht, die Embryonalentwicklung zu stören. In den lateinamerikanischen Soja-Anbaugebieten, in denen riesige Mengen Glyphosat gespritzt werden, explodiert die Zahl von Totgeburten und Fehlbildungen.

In der BAYER-Hauptversammlung hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren immer wieder gefordert, den Verkauf der gefährlichen Herbizide Glyphosat und Glufosinat einzustellen – doch ohne Erfolg. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers lobte die „herausragenden Eigenschaften“ seiner Produkte und weigerte sich sogar, die Verkaufsmengen zu nennen. Wegen angeblicher Betriebsgeheimnisse.

Im Frühjahr 2016 läuft die EU-Zulassung für Glufosinat aus. Die nächsten Monate sind daher von entscheidender Bedeutung. Sollte der Stoff verboten werden, so lässt sich auch der Verkauf von Gen-Saatgut, das mit Glyphosat gekoppelt ist, nicht weiter rechtfertigen.

Deutschland spielt im Hinblick auf ein mögliches Verbot eine entscheidende Rolle: Vier deutsche Behörden unter Federführung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) überprüfen im Auftrag der EU die Risiken des Wirkstoffs. Im bisherigen Verfahren griff die Behörde fast ausschließlich auf Studien von BAYER und MONSANTO zurück. Mehr als die Hälfte aller in Fachzeitschriften publizierten Untersuchungen – oftmals von unabhängigen Forschern – blieb unberücksichtigt. Hinzu kommt: Die von der Industrie eingereichten Studien sind der Öffentlichkeit und damit einer Überprüfung durch unabhängige Wissenschaftler/innen nicht zugänglich. Erneut wegen angeblicher Betriebsgeheimnisse.

Solange der Krebsverdacht und eine mögliche Fruchtschädigung nicht widerlegt sind, muss Glyphosat aus dem Verkehr gezogen werden. Bitte unterstützen Sie unsere Kampagne mit einer Spende und mit Ihrer Unterschrift! alle Informationen zur Kampagne finden Sie hier.

So können Sie helfen:
=> Unterstützen Sie die Forderung nach einem Verbot
=> Helfen Sie mit einer Spende auf unserer Internetseite
=> werden Sie Förder/in (mtl. ab fünf €)

KonzernKritik vor dem Aus

Wenn wir einem der großen Multis die Stirn bieten, brauchen wir Unterstützung und Rückendeckung. Es kostet Geld, Hintergründe zu recherchieren, Skandale aufzudecken und Proteste zu organisieren. Auch wenn wir sparsam und fast vollständig ehrenamtlich arbeiten.
Da wir keinerlei öffentliche Förderung erhalten, sind wir auf die Solidarität der Menschen angewiesen.
Natürlich wissen wir, dass bei vielen unserer Förderinnen und Förderer alle finanziellen Reserven ausgeschöpft sind. Fühlen Sie sich bitte nicht gedrängt, handeln Sie ganz nach Ihren Möglichkeiten. Wir wissen die Unterstützung in jedem Fall sehr zu schätzen.
Mit herzlichen Soli-Grüßen

Axel Köhler-Schnura
Gründer und Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren

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Plastikmüll

CBG Redaktion

Die Firma BAYER (bzw. ihre Tochterfirma Covestro) gehört zu den größten Kunststoff-Produzenten der Welt. Laut einer aktuellen Studie des Umweltbundesamtes landen jährlich zwischen 20 und 30 Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert von den Herstellern eine Umrüstung auf biologisch abbaubare Produkte sowie ein Verbot von Mikroplastik (siehe Infos zur Kampagne).

29. September 2015, Umweltbundesamt

Mikroplastik im Meer – wie viel? Woher?

UBA: Großer Plastikabfall verdient deutlich mehr Aufmerksamkeit

Mikroplastik, das in Peelings oder Duschgels eingesetzt wird, leistet einen mengenmäßig vergleichsweise geringen, gleichwohl unnötigen Beitrag zur Umweltverschmutzung. Das ergab eine Studie für das Umweltbundesamt (UBA). Danach werden vermutlich rund 500 Tonnen solcher primärer Mikropartikel aus Polyethylen, dem weltweit am häufigsten verwendeten Kunststoff, pro Jahr in Deutschland in kosmetischen Mitteln verwendet. Die mengenmäßig bedeutsamste Quelle für Mikroplastik im Meer ist aber die Zersetzung größerer Plastikteile. Wenn großer Plastikmüll – von der Plastiktüte bis zum Fischernetz – über Flüsse oder direkt ins Meer gelangt, werden die großen Teile durch Wind, Wetter und Gezeiten zu sogenanntem sekundärem Mikroplastik zermahlen und zerkleinert. Rund sechs bis zehn Prozent der weltweiten Kunststoffproduktion landen laut Studie in den Weltmeeren. Weltweit werden pro Jahr rund 300 Millionen Tonnen Kunststoffe hergestellt (Stand 2013). Es ist davon auszugehen, dass bis zu 30 Millionen Tonnen davon pro Jahr weltweit im Meer laden – davon in Europa allein 3,4 bis 5,7 Millionen Tonnen pro Jahr.

Die Studie rät daher, sich nicht nur auf das primäre Mikroplastik zu konzentrieren, sondern den Eintrag von Kunststoffen in die Umwelt generell viel drastischer zu reduzieren. Nur so kann wirksam der Entstehung von sekundärem Mikroplastik in Meeren oder Binnengewässern vorgebeugt werden – und das nicht nur in Deutschland oder der EU, sondern weltweit. Mittlerweile wurden unter deutscher Federführung globale und regionale Aktionspläne zur Bekämpfung von Meeresmüll innerhalb des G7-Prozesses und der Regionalkooperationen OSPAR (Schutz der Meeresumwelt des Nord-Ost-Atlantiks) sowie HELCOM (Schutz der Meeresumwelt der Ostsee) verabschiedet. Im Rahmen der Umsetzung der europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56/EG) wird ebenfalls ein umfassendes Programm für die heimische Nord- und Ostsee aufgestellt.

In Teilaspekten werden diese Maßnahmen aus den Aktionsplänen bereits umgesetzt. Ein Beispiel ist die Fishing-For-Litter-Initiative. Fischerkutter werden hierbei so ausgestattet, dass sie aus dem Meer gefischten Müll an Bord verstauen und kostenfrei und sachgerecht in den Häfen entsorgen können. Das Projekt wird mittlerweile von allen Küstenbundesländern unterstützt und durchgeführt.

Kunststoffe bedrohen zunehmend die Meeresökosysteme. Mit durchschnittlich 75 Prozent dominiert Kunststoff auch an Europas Stränden die Müllfunde. Von 663 Arten ist bekannt, dass sie negativ von diesem Müll betroffen sind. Mehr als die Hälfte dieser Arten nimmt Kunststoffabfälle auf oder verfängt sich in ihnen. Auch Mikropartikel können dabei – je nach Größe des Lebewesens – genauso wie größere Kunststoffteile zu Verletzungen des Verdauungstraktes führen, die Verdauung behindern sowie die Nahrungsaufnahme blockieren. Mikropartikel aus Kunststoff können zudem als Transportmittel fungieren, an dem sich Schadstoffe, invasive Arten und Krankheitserreger anlagern.

Neben Polyethylen in kosmetischen Mitteln haben die Autoren der aktuellen Literatur-Studie weitere Anwendungsgebiete des primären Mikroplastiks analysiert. Für Wasch- und Reinigungsmittel sowie Strahlmittel in Deutschland schätzen die Autoren das Aufkommen auf jeweils weniger als 100 Tonnen pro Jahr. Für Kunststoffwachse erwarten die Autoren dagegen etwa 100.000 Tonnen pro Jahr. Hierbei handelt es sich um wachsartige Dispersionen von Kunststoffpartikeln, die als Trennmittel und zur Oberflächenbeschichtung verwendet werden. Weitere Quellen für sekundäre Mikropartikel aus Kunststoff sind u.a. Chemiefasern, die aus der Kleidung und sonstigen Textilien ausgewaschen werden (80-400 t/a), Reifenabrieb aus dem Straßenverkehr (60.000-111.000 t/a) und der Verlust von Rohpellets für die weitere Verarbeitung zu Kunststofferzeugnissen während Produktion und Transport (21.000-210.000 t/a).

[Konzernprotest] Seminar: „Wenn Konzerne den Protest managen“

CBG Redaktion

Ort: Humboldt-Universität Berlin, Seminargebäude am Hegelplatz
Zeit: Samstag, 26. September, 10.00 bis 18.30 Uhr
Eintritt: frei
Veranstalter: Robin Wood, Lobbycontrol, Linke Medienakademie, klimaretter.info

Vortrag der Coordination gegen BAYER-Gefahren: Eine Fallstudie David gegen Goliath“, 15.45 bis 17 Uhr

Wie funktionieren PR-Kampagnen unter dem Deckmantel zivilgesellschaftlichen Engagements? Welche neuen Formen von Protest- und Akzeptanzmanagement gibt es? Welche Gegenstrategien sind erfolgreich? In über 30 Workshops und Vorträgen werden Methoden des Protestmanagements in verschiedenen gesellschaftlichen Konfliktzonen ausgeleuchtet.

Ob beim Braunkohle-Tagebau oder bei Verkehrsprojekten wie Stuttgart 21, Konzerne kalkulieren gesellschaftliche Proteste gegen (Groß-)Projekte längst mit ein. Protest einfach nur verhindern oder lediglich zu ignorieren war gestern. Heute sollen spezialisierte PR-Agenturen „Argumente managen“, Proteste übertönen oder neutralisieren.

Doch wie genau sehen die Strategien der Konzerne und PR-Macher aus, wer sind die Akteure und welche Gegenstrategien gibt es? Genau diesen wichtigen Fragen geht die Tagung „Wenn Konzerne den Protest managen“ nach. Wir laden Sie herzlich ein, am 26. September in Berlin mit zu diskutieren.

In dem Vortrag „Eine Fallstudie David gegen Goliath“ wird Philipp Mimkes von der 35-jährigen Auseinandersetzung mit dem Chemie- und Pharmakonzern BAYER und den Reaktionen des Konzerns berichten.

Anmeldung: info@linkemedienakademie.de

Informationen zur Tagung: www.konzernprotest.de/

Störfall Institute

CBG Redaktion

Presse Information vom 22. September 2015
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Tödliche Explosion im „Bhopal-Schwesterwerk“

USA: BAYER zahlt 5,6 Mio Dollar

Sieben Jahre nach der tödlichen Explosion in einer Pestizidfabrik im amerikanischen Institute zahlt BAYER CropScience 5,6 Millionen Dollar. Dies gab das amerikanische Justizministerium gestern bekannt. Wegen „schwerwiegender Sicherheitsmängel“ wurde eine Strafe von knapp einer Million Dollar verhängt; die restliche Summe wird für Sicherheitsmaßnahmen in mehreren Werken des Konzerns verwendet.

Die Fabrik in West Virginia gehörte ursprünglich zu Union Carbide und galt als „Schwesterwerk“ von Bhopal, weil dort ebenfalls die hochgefährliche Chemikalie Methyl Isocyanat (MIC) eingesetzt wurde. Selbst nachdem in Bhopal 1984 mindestens 20.000 Menschen durch austretendes MIC getötet wurden, lagerten in Institute Dutzende Tonnen der Chemikalie. Das Werk gelangte im Jahr 2002 in den Besitz von BAYER.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) und örtliche Initiativen warnten jahrelang vor den Risiken der Fabrik. Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Die Explosion in Institute zeigt exemplarisch, welche Gefahren Konzerne wie BAYER auf der Jagd nach Profiten in Kauf nehmen. Wir fordern, dass die chemische Industrie auf den großtechnischen Einsatz tödlicher Chemikalien wie MIC und Phosgen grundsätzlich verzichtet. Auch müssen chemische Fabriken von unabhängigen und gut ausgerüsteten Behörden überwacht werden - auf freiwillige Maßnahmen ist kein Verlass, denn BAYER tolerierte auch die gravierenden Sicherheitsmängel in Institute über Jahre hinweg.“

Mimkes hatte vier Monate vor der Explosion in der BAYER-Hauptversammlung einen Stopp der MIC-Produktion in Institute gefordert. Der damalige BAYER-Chef Werner Wenning wies jedoch jeglichen Handlungsbedarf zurück: Die Anlagen entsprächen den „neuesten Sicherheitsstandards“ und hätten eine „ausgezeichnete Störfallbilanz“. Kurz darauf, im August 2008, kam es zu der folgenschweren Explosion, bei der zwei Arbeiter ihr Leben verloren. Die Flammen schlugen rund 50 Meter in den Himmel, die Detonation war in einem Umkreis von 15 km zu spüren.

Eine Untersuchung im US-Kongress kam zu dem Ergebnis: „Durch die Explosion flog ein mehrere Tonnen wiegender Rückstandsbehälter 15 Meter durch das Werk und zerstörte praktisch alles auf seinem Weg. Hätte dieses Geschoss den MIC-Tank getroffen, hätten die Konsequenzen das Desaster in Bhopal 1984 in den Schatten stellen können.“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kooperierte bei der Aufklärung der Unglücksursachen auch mit der US-Aufsichtsbehörde Chemical Safety Board (CSB). Ein Untersuchungsbericht des CSB urteilte, dass gravierende Sicherheitsmängel zu der Explosion geführt hatten. Laut CSB waren beim Hochfahren einer Produktionsanlage die Sicherheits-Systeme vorsätzlich außer Kraft gesetzt worden.

BAYER versuchte nach dem Störfall, Bürgerinitiativen und kritische Journalist/innen in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Vertreter von BAYER hatten unter Eid zugeben müssen, dass die Firma Anti-Terrorgesetze dazu missbrauchen wollte, die öffentliche Diskussion über die Sicherheitslage in Institute abzuwürgen. Der US-Kongress urteilte hierzu: „BAYER beteiligte sich an einer Geheimhaltungskampagne. Die Firma hat den Sicherheitskräften entscheidende Informationen vorenthalten, hat den Ermittlern der Bundesbehörden nur eingeschränkten Zugang zu Informationen gewährt, hat die Arbeit von Medien und Bürgerinitiativen unterminiert und hat die Öffentlichkeit unrichtig und irreführend informiert.“

ausführliche Informationen zur Kampagne

[Flashmob Mirena] Mirena

CBG Redaktion

Risiko Hormonspirale

Die Hormon-Horrorspirale: Virtueller Flashmob

Am vergangenen Wochenende fand auf der Facebook-Seite vom Pharmaunternehmen Bayer ein virtueller Flashmob statt (Freitag, der 18. September bis Sonntag, der 20 Sept.). An diesem Flashmob beteiligten sich 80-100 Frauen verschiedener Nationalitäten, um sich gegen die gezielten Falschinformationen zu den Hormonspiralen Mirena und Jaydess zu wehren. Neben persönlichen Erfahrungsberichten, wurde der Pharmakonzern immer wieder zum Handeln aufgefordert.

1. Da der Wirkstoff (Levonogestrel) der Hormonspirale über den Blutkreislauf auf den gesamten Körper wirkt, muss die Aussage im Beipackzettel korrigiert werden, die Hormonspirale wirke nur “lokal“. Schon nach einer Stunde findet man Nachweise im Blut. Die Hormonspirale wirkt nicht lokal!

2. Der Wirkstoff ist in der Muttermilch nachweisbar, deshalb Hormonspiralen-Verbot für stillende Frauen!

Außerdem wurde eine Vervollständigung des Beipackzettels gefordert, da u. a. das Ärzteblatt schon seit 2009 über psychische Nebenwirkungen der Hormonspirale berichtet, darunter Panikattacken, Angststörungen, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen und Unruhe.

Gestartet wurde Freitag abend auf der Facebook-Seite von Bayer. Auf dieser Seite wurden im Lauf der Nacht alle Beiträge kommentarlos gelöscht, so dass es leider nicht mehr möglich war, dort den Flashmob fortzuführen. Somit wurde er auf der FB-Seite von Bayer HealthCare fortgesetzt. Es wurde dort bis Sonntag nacht geschrieben. Am Montag wurden dann auch hier Beiträge gelöscht.

Die Administratoren von Bayer HealthCare antworteten und äußerten Mitgefühl für die Patientinnen, unabhängig von den Ursachen ihrer Beschwerden. Bei Fragen oder Nebenwirkungen wäre ein Arzt zu konsultieren. Außerdem baten sie um Verständnis, da aus rechtlicher Sicht, alle Kommentare zu verschreibungspflichtigen Medikamenten gelöscht werden müssten (Anmerkung: dies ist von besonderer Ironie, da eine Werbeagentur im Auftrag von Bayer hunderte positiver Kommentare zu Mirena im Internet gepostet hat, siehe hier). Weitere Informationen könne man dem Link entnehmen, jedoch war dieser Link für niemanden zu öffnen.

Mit dieser bisher einmaligen Aktion wollte man auf die fehlerhaften Informationen von Bayer bezüglich der Hormonspiralen hinweisen. Dieser Missstand dauert schon zu lange an. Für weitere Informationen besuchen Sie bitte folgende Webadresse: www.risiko-hormonspirale.de
Dort sind Studien zur Hormonspirale und weitere Informationen zur Problematik der Hormonspirale zu finden.

Glyphosat

CBG Redaktion

Glyphosat: Kampagne der Coordination

21. September 2015

Herbizid Glyphosat

Weltgesundheitsorganisation: Risiken unter den Tisch gekehrt

Anfang 2016 läuft die EU-Zulassung für Glyphosat ab. Das weltweit bestverkaufte Pestizid steht im Verdacht, Fehlbildungen zu verursachen. Zudem wird Glyphosat von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Nun fordert die WHO, die Risiken vollkommen neu zu untersuchen, da zentrale Studien bislang nicht berücksichtigt wurden.

Das umstrittene Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat muss nach Ansicht einer Expertenkommission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) völlig neu bewertet werden. Viele Studien, die mögliche Risiken belegen, seien bei früheren Einschätzungen nicht berücksichtigt worden, heißt es in einem Bericht, der jetzt von der WHO veröffentlicht wurde.

Nachdem Glyphosat im März von der Internationalen Krebsforschungsagentur der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wurde, hatten Hersteller wie MONSANTO und BAYER stets auf ein anderes Gremium verwiesen, das „Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues“ (JMPR). Dieses hatte dem Unkrautvernichter bescheinigt, in den erlaubten Mengen weder Krebs noch Schäden am Erbgut zu verursachen.

Doch jetzt rät selbst eine vom JMPR eingesetzte Expertengruppe, diesen Persilschein zu überprüfen. Die Arbeitsgruppe empfiehlt eine vollständige Neubewertung von Glyphosat. Das JMPR habe „viele“ von den WHO-Tumorforschern verwendete Studien, vor allem aus Fachzeitschriften, nicht ausgewertet. Die Experten heben hervor, dass die Krebsforscher nicht nur Untersuchungen, in denen es allein um Glyphosat geht, sondern auch solche mit Mischungen analysiert hätten. Pestizidprodukte bestehen meist aus einer Kombination aus dem Wirkstoff und mehreren Hilfssubstanzen.

Kritisiert wird außerdem, dass sich die JMPR zu sehr auf Studien konzentriert habe, die von den Herstellern selbst stammen. Das Problem dabei: Viele Industriestudien fallen unter das Geschäftsgeheimnis, sind nicht veröffentlicht und können von externen Wissenschaftlern nicht geprüft werden. Die JMPR-Gruppe solle ihre Einschätzung von Glyphosat komplett überarbeiten, so die Empfehlung der WHO-Expertenkommission.

Dieses Urteil bringt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Erklärungsnot. Die deutsche Behörde hat Glyphosat in der Vergangenheit immer wieder als unbedenklich eingestuft, obwohl das Pestizid auch im Verdacht steht, Missbildungen und andere schwere Gesundheitsschäden zu verursachen.

Die Einschätzung der WHO könnte weitreichende Folgen haben. Denn die Zulassungen für Glyphosat in der EU und in den USA laufen Ende des Jahres aus und müssen verlängert werden. Die EU-Kommission hatte vergangene Woche angekündigt, dass sich die Risikoprüfung hinziehen werde bis Sommer 2016. Die derzeitige Genehmigung, die im Wesentlichen auf dem Urteil des deutschen BfR beruht, solle bis dahin verlängert werden.

Der Gentechnik-Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Harald Ebner, forderte nach Bekanntwerden des Berichts, die Anwendung von Glyphosat zu stoppen. „Es kann nicht sein, dass Menschen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind, weil die zuständigen Behörden womöglich vorsätzlich im Profitinteresse gepfuscht haben.“ Die EU müsse ihr laufendes Verfahren für eine neue Zulassung von Glyphosat abbrechen.

Ursprünglich war Glyphosat von MONSANTO unter dem Handelsnamen „Roundup“ auf den Markt gebracht worden. Da der Patentschutz abgelaufen ist, wird das Ackergift inzwischen auch von BAYER verkauft. Der Leverkusener Konzern vermarktet das Herbizid unter den Namen GLYPHOS, USTINEX G und KEEPER und hat auch glyphosat-resistentes Saatgut im Programm.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren und die Agrarkampagne hatten in der jüngsten BAYER-Hauptversammlung gefordert, die Zulassung der gefährlichen Herbizide Glyphosat und Glufosinat zu entziehen.

Seminar Plastikmüll

CBG Redaktion
Mit 40 TeilnehmerInnen, drei spannenden Referaten, ausführlichen Diskussionen und einer Installation zum Thema Plastikmüll verlief die diesjährige Jahrestagung der Coordination gegen BAYER-Gefahren sehr erfolgreich. Ausführliche Informationen zur Kampagne der CBG finden sich hier.

Seminar „Die Plastik-Flut“

Ein Öko-Desaster made by BAYER & Co

Samstag, 7. November, 9.30 - 17 Uhr Umweltzentrum Düsseldorf, Merowinger Str. 88 Jahr für Jahr landen rund zwanzig Millionen Tonnen Kunststoff in den Weltmeeren. Allein auf dem Pazifik treibt ein 3 Millionen Quadratkilometer großer Müllteppich. Teilweise befindet sich im Wasser mehr Plastik als Plankton. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten ist der BAYER-Konzern (mit seiner neuen Tochterfirma COVESTRO) für dieses Umweltdesaster mitverantwortlich. BAYER-Produkte wie Polycarbonat, MDI oder TDI sind biologisch kaum abbaubar und können die Biosphäre über Jahrhunderte hinweg belasten. Kunststoffe im Meer werden durch Wind und Wellen klein gerieben und von Mikroorganismen oder Fischen aufgenommen. Besonders unverantwortlich sind Kunststoffe aus der BAYCUSAN-Reihe, die der Konzern als Grundstoffe für Haarpflegemittel, Lotionen, Hautcremes und Putzmittel anbietet. Da die Klärwerke nicht in der Lage sind, den Eintrag in die Gewässer zu verhindern, wurden solche Kunststoffe bereits in Lebensmitteln nachgewiesen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren organisiert daher am 7. November in Düsseldorf die Tagung „Die Plastik-Flut: Ein Öko-Desaster made by BAYER & Co“. Der renommierte Meeres-Chemiker Prof. Dr. Gerd Liebezeit hält den Eingangsvortrag. Liebezeit wird auf die Belastung der Meere, die Konsequenzen für Flora und Fauna sowie auf mögliche Risiken für Menschen eingehen. Im zweiten Referat wird Marijana Toben vom Meeresschutzbüro des Bund für Umwelt und Naturschutz die BUND-Kampagne zu Mikroplastik vorstellen. Der Verband hat kürzlich einen Einkaufsratgeber veröffentlicht, mit dem Verbraucherinnen und Verbraucher die Verwendung von Mikroplastik vermeiden können. Nach jedem Vortrag schließt sich eine 30-minütige Diskussion an. Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren wird abschließend die Plastik-Produktion von BAYER/COVESTRO erläutern und Kampagnen gegen gefährliche Kunststoffe vorstellen. Die Coordination führt seit Anfang des Jahres eine Kampagne zur Verhinderung von Plastikmüll. Der Eintritt zur Tagung ist wie immer frei, um auch bei geringen finanziellen Möglichkeiten eine Teilnahme zu ermöglichen. Finanzielle Not darf politische Betätigung nicht verunmöglichen. Das bedeutet, dass wir zur Abdeckung der Kosten auf finanzielle Hilfe angewiesen sind. Bitte spenden Sie hier.

Programm (Änderungen vorbehalten)

ab 9.30 Uhr Anmeldung 10.00 Uhr Begrüßung Uwe Friedrich, Vorstandsmitglied Coordination gegen BAYER-Gefahren 10.15 Uhr Plastikmüll im Meer – sichtbare und unsichtbare Gefahren Prof. Dr. Gerd Liebezeit, Institut für Chemie und Biologie des Meeres, Universität Oldenburg 11.15 Uhr Nachfragen und Diskussion 12.00 Pause Während der Pause diskutiert CBG-Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura mit Interessierten über Perspektiven konzernkritischer Arbeit 14.00 Uhr Mikroplastik: Die Kampagne des BUND Marijana Toben, Meeresschutzbüro des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) 14.45 Uhr Nachfragen und Diskussion 15.15 Uhr Pause 15.30 Uhr Polyurethan, Polycarbonat und Baycusan: Die Kunststoff-Produktion des BAYER-Konzerns Philipp Mimkes, Vorstandsmitglied Coordination gegen BAYER-Gefahren 16.15 Abschlussdiskussion Ende gegen 17 Uhr ACHTUNG: Da wir nur 50 Plätze vergeben können, bitten wir um rechtzeitige Anmeldung. Im vergangenen Jahr konnten wir leider nicht alle Anmeldungen berücksichtigen. Auch bitten wir bei Nicht-Erscheinen um rechtzeitige Abmeldung, damit wir freiwerdende Plätze anderweitig vergeben können. [gallery]

CO-Pipeline stoppen!

CBG Redaktion

Presse Information vom 11. September 2015

Leitung zwischen BAYER-Werken Leverkusen und Dormagen

CO-Pipeline: Ärzte fordern Stilllegung

94 Ärztinnen und Ärzte aus Leverkusen, Dormagen, Hilden und Mettmann unterstützen die Forderung nach einer sofortigen Stilllegung der Kohlenmonoxid-Leitung zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Leverkusen. Nach Auffassung der Medizinerinnen und Mediziner sei das Gefahrenpotenzial für die Bevölkerung untragbar hoch. Im Fall eines Unfalls gäbe es kaum Rettungsmöglichkeiten. Initiiert wurde der Brief an die Landesregierung und den BAYER-Vorstand von der Anästhesistin und Rettungsärztin Dr. Annette Bauer und dem Kinderarzt Dr. Gottfried Arnold.

Dr. Arnold fordert eine Beendigung von jeglichem CO-Transport: „Kohlenmonoxid ist hochgiftig und mit den menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbar. Die bestehenden Leckerkennungs-Systeme schlagen erst an, wenn bereits 100 m³ CO ausgetreten sind. Dabei können schon ein oder zwei Atemzüge ausreichen, um einen Mensch zu töten. Ein Vollbruch der Leitung könnte eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes zur Folge haben.“ Gottfried Arnold kritisiert, dass die Gefahrstoffe in 50 Jahre alten Rohren transportiert werden und dass die Trasse von Leverkusen nach Dormagen nie auf Kampfmittel untersucht wurde.

Die umstrittene Leitung wurde bereits in den 1960er Jahren gebaut. Die Rohre wurden jahrzehntelang für den Transport von ungefährlichen Gasen wie Stickstoff und CO2 verwendet. Im Jahr 2001 wurde die Pipeline ohne reguläres Genehmigungsverfahren für Kohlenmonoxid umgewidmet – ein Fall ohne Vorbild in Deutschland. Durch Akteneinsicht bei der Bezirksregierung Köln konnte Anfang 2014 nachgewiesen werden, dass Teile der Trasse schwere Schäden aufwiesen. Kurz darauf leitete BAYER den Transport von Kohlenmonoxid auf ein anderes Rohr um und gab den Neubau der besonders maroden Rhein-Unterquerung bekannt.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) begrüßt die Stilllegung der alten Leitungen unter dem Rhein und den Bau eines begehbaren Tunnels („Düker“) für den Transport von Gasen wie Sauerstoff, Erdgas oder Stickstoff. Für das hochgefährliche Kohlenmonoxid müsse eine Zulassung jedoch verweigert werden. Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Eine vor 50 Jahren gebaute Pipeline entspricht nicht dem heutigen Stand der Technik, zumal die Leitung für deutlich ungefährlichere Gase konzipiert wurde. Selbst die internen Gutachten von BAYER sprechen von einem Gefahrenbereich von 350 Metern beidseits der Trasse. In diesem Abstand befinden sich die Wohngebiete von Wiesdorf, Merkenich, Rheinkassel, Langel, Hitdorf und Worringen.“

Gottfried Arnold abschließend: „Wir sind nicht länger gewillt, dieses Hochrisikoprojekt außerhalb des Werksgeländes von BAYER hinzunehmen, nur damit das Unternehmen eine unverantwortlich große Menge an CO vorhalten kann. Daher verlangen wir, die CO-Pipeline von Dormagen nach Leverkusen schnellstens zu stoppen!“.

weitere Informationen zur Kampagne

Fake-Werbung

CBG Redaktion

Presse Information vom 10. September 2015
Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)

Gefälschte Postings: Ethik-Rat rügt BAYER

Zehntausende gefälschter Einträge / Werbung für verschreibungspflichtige Präparate / Strafanzeige der CBG: Staatsanwalt lehnt Ermittlungen ab

Der Österreichische Ethik-Rat für Public Relations hat heute eine Rüge gegen den Pharmakonzern BAYER und sechs weitere Unternehmen „wegen planmäßiger Täuschung von Userinnen und Usern in großem Stil durch gefälschte Postings“ ausgesprochen. Getadelt wird auch die Agentur mhoch3, die in Sozialen Netzwerken hunderttausende gefälschter Kommentare verbreitet hatte. Die Freiwillige Selbstkontrolle der deutschen Pharmahersteller hingegen wurde nicht aktiv – wegen angeblicher Verjährung.

BAYER hatte bei mhoch3 unter anderem eine Kampagne für die umstrittene Hormonspirale Mirena in Auftrag gegeben, obwohl Werbung für verschreibungspflichtige Präparate generell verboten ist. Der Ethik-Rat urteilt daher: „Die jahrelange und weitreichende Zusammenarbeit mit mhoch3 in sensiblen Themenbereichen wie der Debatte über die umstrittene Hormonspirale Mirena ist daher scharf zu kritisieren und muss von den damals für Kommunikation Zuständigen verantwortet werden.“ Nach Angaben des Ethik-Rats sind die Postings größtenteils bis heute online.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte nach Bekanntwerden der Fälle Strafanzeige gegen die Verantwortlichen bei BAYER eingereicht, da durch die Kampagne offenkundig Gesetze umgangen werden sollten. Die Staatsanwaltschaft Köln stellte das Verfahren jedoch ohne eigene Ermittlungen ein – mit einer geradezu grotesken Begründung: Zwar verbiete es das Heilmittelwerbegesetz, „eine aus fachkundigen Kreisen vorgegebene objektive Informationsvermittlung vorzutäuschen“. Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um Experten, sondern um Laien (wenn auch fingierte), weswegen das Gesetz nicht greife. Die Staatsanwaltschaft übergab das Verfahren Ende August an das Ordnungsamt Leverkusen zwecks „Prüfung etwaiger Ordnungswidrigkeiten“.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren kommentiert: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Pharmahersteller wie BAYER die öffentliche Diskussion über risikoreiche Präparate manipulieren. Gerade angesichts der weitreichenden Verlagerung der Marketingaktivitäten in das Internet benötigen wir schärfere Regulierungen. Gesetzgeber und Gerichte müssen die systematische Unterwanderung Sozialer Netzwerke dringend stoppen. Dieser Aufgabe ist ein Ordnungsamt – bei allem Respekt – nicht gewachsen.“

Die Agentur aus Wien hatte über Jahre hinweg mit Hilfe erfundener Identitäten hunderttausende gefälschter Kommentare gepostet, unter anderem bei Facebook, YouTube und Spiegel.de. Auch Einträge bei wikipedia frisierte mhoch3. Im Auftrag von BAYER hatte die Agentur Postings im Tonfall hilfsbereiter Freundinnen veröffentlicht: „also ich hab mir vor einem jahr die hormonspirale mirena einsetzen lassen und ich muss sagen, dass ich sehr zufrieden damit bin. hatte am anfang angst vor dem einsezten, doch das war halb so schlimm“ oder: „Ich habe mir die Mirena einsetzen lassen, ist ebenfalls eine hormonspirale und damit hatte mein Frauenarzt sehr gute Erfahrungen bereits gemacht (…) – das kann ich voll empfehlen“. Die Rechtschreibfehler sollten Authentizität suggerieren.

Auch gehörte es zu den Aufgaben von mhoch3, die zahlreiche Berichte über unerwünschte Reaktionen zu entkräften, etwa: „@ sporzal: mein tip es könnte auch eventuell nicht von der mirena kommen, sondern eventuell eine Allergie sein, ich hab das leider auch erst mal in vor kurzer zeit festgestellt, ich hatte echt total oft Kopfweh und das ist nicht lustig – das kann ich nachvollziehen“. Die erfundene Userin „MauMau“ begab sich hierfür eigens in das hormonspirale-forum.de, in dem sich betroffene Frauen über ihre Erfahrungen mit Mirena austauschen.

In einem internen Fazit der Agentur hieß es: „Grundsätzlich ist zu sagen, dass das Internet eine ideale Plattform zur Verbreitung von Informationen zum Thema Verhütung darstellt“. In zahlreichen Fällen hätten die Reaktionen der Nutzerinnen gezeigt, dass sie den freundlichen Kommentaren Glauben schenkten und sich für die Spirale interessierten. Aufgedeckt wurden die Machenschaften im vergangenen November vom österreichischen Monatsmagazin „Datum“.

Insgesamt gehen rund 10 Prozent des Marketing-Budgets großer Unternehmen in Social Media. Täglich werden Millionen Postings gescannt, um das Verhalten der KonsumentInnen in Echtzeit zu erfassen und personalisierte Werbung zu ermöglichen. Wegen ihrer erhöhten Glaubwürdigkeit nehmen dabei private Internet-Kommentare einen immer größeren Raum ein. Angesichts der Vielzahl von „Social Media Agenturen“ muss jedoch davon ausgegangen, dass die Mehrzahl solcher Bewertungen gefälscht ist.

Die Firma BAYER verlagerte in den vergangenen Jahren immer mehr Marketing-Aktivitäten in das Internet. So betreibt das Unternehmen eigene Webseiten wie pille.com oder testosteron.de, die es als „Informationsangebote“ tarnt. Auch hierdurch soll das Werbeverbot für Medikamente umgangen werden. Insgesamt gibt der Konzern jährlich rund elf Milliarden Euro für Werbung und Vertrieb aus. Eine Aufschlüsselung der gewaltigen Marketingausgaben lehnt BAYER – auch auf Nachfrage – ab.

Aktenzeichen bei der Staatsanwaltschaft Köln: 117 UJs 1/15

weitere Informationen:
=> zur Strafanzeige
=> zur Hormonspirale Mirena

Antibaby-Pillen

CBG Redaktion

Seit dem Jahr 2009 führt die Coordination gegen BAYER-Gefahren zusammen mit geschädigten Frauen eine Kampagne für ein Verbot von Antibaby-Pillen mit erhöhtem Thrombose-Risiko (ausführliche Infos). Wir dokumentieren Auszüge des neues Buchs „Die Pille und ich“, in der das Marketing der Firmen Schering, Jenapharm und BAYER beschrieben wird.

Auszug aus dem Buch: „Die Pille und ich – Vom Symbol der sexuellen Befreiung zur Lifestyle-Droge“

Katrin Wegner, C.H. Beck Verlag, 14,95 Euro

Stand bei der Markteinführung der Pille ihre sichere Verhütung, die viele unangenehme Begleiterscheinungen mit sich brachte, im Zentrum, sind einige ihrer Nebenwirkungen heute erwünscht: 87 Prozent der 14- bis 17-jährigen Mädchen lassen sich die Pille verschreiben, aber viele in der Altersgruppe denken noch gar nicht an Verhütung, sondern sehen in der Pille ein Wundermittel, das den eigenen Körper zu formen vermag. Sie erhoffen sich mit dem kleinen Dragee einen strahlenden Teint, glänzendes Haar und das Ende pubertärer Stimmungsschwankungen. Mittlerweile gibt es viele Pillensorten, die neben sicherer Verhütung auch schönere Haut und geschmeidigeres Haar versprechen. Pillen mit dem Gestagen Drospirenon sollen sogar gleich zwei Wunder auf einmal bewirken: Die Pfunde purzeln lassen und angeblich auch luststeigernd wirken - nicht ganz ungefährlich: Das Risiko, an einer Thrombose zu erkranken, ist um das Zweifache höher als bei anderen Pillen älterer Generationen. Längst wurden die jugendlichen Mädchen von der Pharmaindustrie als neue Zielgruppe entdeckt und so mancher Konzern bietet die Pille in einem süßen Schmuckkästchen an: Als „Pille mit Herz“ werden die kleinen Dragees mit rosa Schlüsselanhängern und Schminktäschchen überreicht. Das Medikament hinter der schönen Verpackung ist oftmals nur noch schwer zu erkennen.

Die Pille – Vom Verhütungsmittel zur Lifestyle-Droge? Die Marketingabteilungen der Pharmafirmen waren nicht die ersten, die der Öffentlichkeit mitteilten, dass die Pille weit mehr als nur verhüten kann. Bereits 1977 verkündete ein Frauenarzt im Spiegel die positiven Nebenwirkungen für eine strahlende Haut und stellte die Lifestyle-Effekte in den Vordergrund. Zehn Jahre später wurde von dem Pharmakonzern Schering ein neues Konzept zur Einführung neuer Pillensorten eingeläutet, das sich von da an nicht mehr nur auf das Fachpublikum beschränkte. Zwar erlaubt es das Heilmittelwerbegesetz nicht, verschreibungspflichtige Mittel in der Öffentlichkeit zu bewerben – Werbung darf nur gegenüber Ärzten oder Apothekern stattfinden –, doch handelt es sich offiziell nicht um Reklame, wenn der Produktname nicht genannt, sondern lediglich deutlich wird, dass ein Präparat von einem bestimmten Hersteller stammt. Schering brachte 1987 die Pille Femovan auf den Markt und schaltete zum ersten Mal in Frauen- und Mädchenzeitschriften ganzseitige, in den Farben der Pillenpackung gehaltene Anzeigen, die zwar weder den Namen des Präparats verrieten, noch das Produkt direkt bewarben, aber Fragen zur Sexualität und Empfängnisverhütung streiften. Diese Anzeigen wirkten wie redaktionelle Artikel mit Inhalten wie „Stress vorm ersten Mal?“ oder „Darf eigentlich mein Freund mit zum Frauenarzt?“ Außerdem ließ Schering an die niedergelassenen Frauenärzte eine Tonbandkassette mit dem Titel „Falling in love – dem Körper zuliebe“ verteilen, die mit der ersten Femovan - Pillenpackung überreicht werden konnte. Mit diesen Aufklärungskampagnen, die sich direkt an Mädchen und junge Frauen richtete, rollte die Pille wie selbstverständlich ins Leben der jungen Frauen.

Die Geburtsstunde der multifunktionalen Pille, die mehr kann als nur zu verhüten, aber wurde bereits 1978 eingeläutet, als die Diane auf dem westdeutschen Markt erschien: Sie wurde als Kontrazeptiva und speziell gegen Vermännlichungserscheinungen und Akne eingesetzt. In ärztlichen Fachzeitschriften zunächst noch neutral beworben und für Frauen mit klinischen Formen der Hautkrankheit Akne empfohlen, änderte sich die Werbung 1994 schlagartig: Plötzlich hieß es, dass die Diane noch mehr könne, als nur eine Therapie gegen Akne zu sein, denn ihre zusätzliche Wirkung bestehe darin, das Selbstbewusstsein der Konsumentinnen zu steigern. Die Werbung richtete sich nun an alle Frauen mit Hautproblemen – egal ob es sich um Akne handelte oder lediglich um Mitesser und normale Pubertätspickel. Mit Hilfe des speziellen Pillenpräparates durfte sich ab jetzt jede Frau in ihrer Haut schön fühlen. Damit brach auch das Zeitalter an, in dem immer mehr Pillensorten auf den Markt kamen, die sich an bestimmte Frauentypen in ihren jeweiligen Lebenslagen richteten und ihnen noch mehr Lebensqualität versprachen. Die für die Pillenwerbungen verwendeten Fotos in Fachzeitschriften zeigten die verschiedensten Frauen: Die schlanke, modische Frau, den sportlichen Typ, die konsumorientierte Frau, umringt von Einkaufstüten, Mädchen beim Tennisspielen, Jugendliche auf einer Cocktail-Party, erotisch anmutende Pärchen oder Frauen, die sich lasziv rekeln. Die Pille stand für ihr individuelles Lebensglück und beschränkte sich damit nicht mehr allein auf ihre verhütende Wirkung, sondern suggerierte, auch die psychischen und sozialen Befindlichkeiten der Frau beeinflussen zu können.

Viele Ärzte entnehmen die Informationen, die sie an ihre Patientinnen weiterreichen, Medizin-Journalen. Denn sobald eine neue Pille auf dem Markt erscheint, werden die Produktangaben des Konzerns in diversen Fachzeitschriften abgedruckt. Am 15. November 2000 hieß es zum Beispiel in den Produktinformationen der von Jenapharm und Schering neu auf den Markt gekommenen Pillen mit Drospirenon, sie beinhalteten „sogar die Möglichkeit zur Gewichtsabnahme.“ Im Speculum – Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe stand: „Das klinische Profil des Präparates zeichnet sich aus durch eine, vor allem am Beginn der Einnahme bemerkenswerte Reduktion des Körpergewichts.“ Entsprechend verschrieben einige Frauenärzte das kleine Dragee nun mit dem Hinweis auf diesen Effekt. Auch Tageszeitungen verbreiteten die attraktivitätssteigernde Wirkung der Pille wie ein Lauffeuer: So berichtete die B.Z.: „Neue Antibabypille macht sogar schlank.“ Und die taz meldete einen Tag später unter der Überschrift: „Anti-Baby-Pille goes Lifestyle“, dass sie „schlanker und fitter machen soll“.

Auch in Internetforen unterhalten sich Mädchen und Frauen über Lifestyle und Verhütung und preisen bestimmte Pillensorten an. Auf der Internetplattform Planet-Liebe zum Beispiel schwärmen junge Frauen von den neuesten Sorten: „Seit noch nicht ganz einem Monat nehme ich die Y. Und jetzt geht das wie von allein. Von gestern auf heut hab ich 600 Gramm abgenommen.“ (Userin auf Forum Planet-Liebe, 5.7.2006) Eine andere Diskussionsteilnehmerin schwört auf eine andere Pillensorte und ihre sagenhaften Fähigkeiten, dem Traum der schlanken Linie näher zu kommen: „Als ich mit der M. angefangen habe, habe ich innerhalb von knapp 3 Monaten 10 kg abgenommen, ohne irgendwas dafür zu tun.“ (Userin auf Forum Planet-Liebe, 5.7.2006) Auch in den Interviews berichteten viele der Mädchen, dass ihre Informationen aus dem Internet stammten.

Die BUKO Pharma-Kampagne aus Bielefeld spürt seit Jahren versteckte Werbung auf: Suchte man 2007 im Internet nach Informationen zur Verhütung und gab das Stichwort „Pille“ bei Google ein, so erschien unter anderem ein Link zu dem Internetauftritt der Firma Grünenthal. Auf der verlinkten Seite wurde ein Präparat vorgestellt, das gerade junge Mädchen, die noch kein Verhütungsmittel benötigen, dazu animieren sollte, das Produkt trotzdem – wegen seiner positive Wirkung auf Haut und Haare – anzuwenden. So hieß es gleich auf der Startseite: „Wusstest du, dass es Mikropillen mit Beauty-Faktor für die Haut gibt?“ Des Weiteren wurde eine günstige Wirkung auf fettige Haare und Schuppen versprochen: „Wer das Problem von innen angehen will, findet auch hier Hilfe bei bestimmten Pillen. Diese speziell designten Mikropillen machen nicht nur den Teint rosig, denn die überhöhte Talgproduktion wird natürlich auch auf der Kopfhaut reduziert. Das Ergebnis: fülliges, glänzendes Haar, das nicht mehr so leicht nachfettet!“ Mit dem Argument, dass diese Informationen einer Verabreichung des Medikaments eindeutig Vorschub leisteten, Schönheit zudem keine zugelassene Indikation für Empfängnisverhütung sei, meldeten Mitarbeiterinnen der BUKO Pharma-Kampagne den Fall bei der Aufsichtsbehörde. Diese aber wollte zunächst keine Ordnungswidrigkeit feststellen und begründete es mit Konkurrenzprodukten anderer Firmen, die im Internet ähnlich aufgebaut seien. Zwar existiert die Seite mittlerweile nicht mehr, doch ist es schwierig, einmal verbreitete Informationen wieder aus dem Gedächtnis zu löschen.

Manche Frauen leiden kurz vor ihrer Regelblutung unter Reizbarkeit, Müdigkeit, Bauchschmerzen und Stimmungsschwankungen. In seltenen Fällen werden diese Beschwerden so stark, dass der Tagesablauf beeinträchtigt ist (Prämenstruellen Syndrom / PMS). Die Firma Jenapharm warb im Internet mit einem ganz besonderen Service: Frauen konnte sich täglich ihr persönliches „PMS-Risiko“ ausrechnen lassen. Das Ergebnis war mit dem Hinweis versehen, die Pille könnte die Beschwerden „beseitigen oder zumindest vermindern“. Nach Auswertung des Tests erschienen zum Beispiel Texte wie: „(…) Bei Frauen, die mit einer Pille verhüten, bleibt die Leistungsfähigkeit den ganzen Zyklus über erhalten. Dafür sorgt der durch die Pillen-Einnahme konstante Östrogenspiegel.“ Es gibt also für alles eine medikamentöse Lösung und das Ideal, stets leistungsfähig zu sein, scheint dank der Pille möglich. Keine Frau muss auch nur einen einzigen schlechten Tag ertragen – mit der geeigneten Pille wird jeder Tag perfekt.

Als 2009 die Antibabypille Qlaira von Bayer auf den Markt kam, wurde sie von der Presse gefeiert und bejubelt: „Erste Antibabypille mit natürlichen Hormonen“ oder die erste „Pille komplett ohne Chemie“ als „Alternative zur hormonellen Verhütung“ füllten die Schlagzeilen. Tatsächlich war Qlaira die erste Antibabypille, die nicht mehr das vorher übliche künstliche Östrogen Ethinylestradiol enthält, stattdessen aber Estradiolvalerat, ein Östrogen, welches in das bei der Frau natürlich vorkommende Estradiol umgewandelt wird. Trotzdem enthält diese Pille auch weiterhin ein künstliches Hormon, nämlich das künstliche Gestagen Dienogest, ist also nach wie vor chemisch und alles andere als natürlich. Auf der Internetseite dieser Pillensorte konnte man einen Persönlichkeitstest durchführen, um zu erfahren, welcher Lebenstyp man ist, um dann die am besten geeignete Pille einzunehmen.

Auch in Mädchenzeitschriften finden sich Informationen über die Wirkung der Pille, insbesondere ihre verschönernden Effekte. Sie stammen nicht aus der Feder der Pharmaindustrie, sondern von Redakteuren und Leserinnen. In der Jolie hieß es über eine bestimmte Pillensorte: „Wie so oft hilft auch die C. bei Hautproblemen. Manche Verwenderinnen berichten davon, dass ihr Busen gewachsen sei.“ In Bravo Girl fragt ein 16-jähriges Mädchen die Psychologin der Rubrik „Body & Soul“, ob sie eine Einwilligungserklärung ihrer Eltern bräuchte, um sich die Pille verschreiben zu lassen. Die Redakteurin beantwortet die Frage und fügt unaufgefordert hinzu: „Der Arzt wird dich auch beraten, welche Pille für dich die richtige ist – frag ihn doch nach den neuen Präparaten, die gut für die Haut sind und nicht dick machen.“ In der Zeitschrift Mädchen veranstaltete eine Pillenmarke ein Preisausschreiben, bei der es Bettwäsche mit Rosenmotiven zu gewinnen gab. Rosen sind zugleich das Markenzeichen dieser Pillensorte und die erste Pillenpackung kann vom Arzt mit einem Rosendöschen überreicht werden. Anscheinend sollen sich Mädchen, die diese Pille nehmen, wie auf Rosen gebettet fühlen, aber auch die Siegerinnen des Preisausschreibens dürfen dieses Gefühl in ihrer gewonnenen Rosen-Bettwäsche erleben. Gleichzeitig wurde den Mitwirkenden nahegelegt, auf die angegebenen Internetseiten zu klicken, um an Informationen zum Thema Verhütung zu gelangen. Bei der Website handelte es sich um den Internetauftritt des Pharmakonzerns, der die Pillensorte anbot. Dieselbe Pillenmarke veranstaltete in der Mädchen-Zeitschrift Sugar eine Verhütungsumfrage und veröffentlichte die Ergebnisse ebenfalls mit dem Hinweis, sich bei Bedarf für mehr Informationen über Sexualität und Verhütung auf ihrer Seite zu erkundigen.

Neuerdings hat sich ein ganz neues Feld aufgetan, das nur schwer zu kontrollieren ist: Gibt man bei YouTube den Suchbegriff „Pille“ ein, erscheinen private Werbefilme zur Antibabypille, zum Beispiel zum Produkt Jubrele. Das Video wurde im Dezember 2013 veröffentlicht und bis Juni 2015 fast 14000 Mal angeklickt. Darin erzählt eine Frau mittleren Alters über ihre Erfahrung mit der Pille: „Ich nehme sie jetzt schon drei Monate und kann sie nur empfehlen. Nebenwirkungen habe ich nur im positiven Sinne bemerkt, die Haare wachsen total schnell.“ Unter ihrem Video finden sich Links zum Internetauftritt von Jubrele und zur Webseite von Diagnostika.

Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhundert schoss die Werbung der Konzerne oft weit über ihr Ziel hinaus. Viele Internetseiten der Pharmafirmen waren bis 2012 zielgruppenorientiert aufgebaut. Sie richteten sich mit ihrer poppigen Aufmachung an Jugendliche und verwendeten ihre Sprache. Dabei stellten sie aber weniger die Informationen in den Vordergrund, welchen Nutzen das Medikament erfüllte und welche negativen Nebenwirkungen es auslösen könnte, sondern eher die Vermittlung eines Lebensgefühls: Versprechungen wie „schöne Haut“ oder „schönes Haar“ versteckten sich geschickt hinter Schminktipps oder Informationen über die Liebe: „Welche Pille verhütet ganz sanft, ist leicht und macht dabei schön? Die neue Pille mit Herz“, „sanfte, sichere Pille für junge Mädchen und Frauen“ mit „positiven Auswirkungen auf Haut, Haare und Figur“, „Beauty-Effekt“, „Feel-good-Faktor“, „Figur-Bonus“ oder „Die Pille, mit der man sich sehen lassen kann“, „Pille für die Schönheit … Schönes, volles Haar sind Ausdruck von Attraktivität und Weiblichkeit. Und frau fühlt sich wohl in ihrer Haut, kann selbstbewusst und mit sich zufrieden sein. (…) Zusatzeigenschaften, die Frauen strahlen lassen“. Das alles sind Verheißungen, die im Netz von Pharmakonzernen nicht mehr zu finden sind, sich aber bis heute als Zauberformeln in den Köpfen halten.

Katrin Wegner sprach mit über 250 Frauen aus drei Generationen über die Bedeutung der Pille in ihrem Leben. Gerade bei den 13- bis 17-Jährigen diente sie in erster Linie dazu, ihr Aussehen zu verbessern und somit die Lebensqualität zu steigern. Einem Mädchen war sogar nicht klar, dass die Pille auch verhüten kann. Einst half die Pille den Frauen, sich sexuell zu befreien und ein selbstbestimmtes Leben zu führen, doch heute ist zu beobachten, dass die Pille auch dazu beiträgt, Frauen und vor allem junge Mädchen noch stärker in gängige Klischees zu pressen.

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[Hochschulkoop.] Hochschulkooperationen

CBG Redaktion

Piratenfraktion NRW, 3. September 2015

Rede von Dr. Joachim Paul im Landtag NRW

Informationsfreiheit darf nicht an der Universitätstür Halt machen! – Landesregierung muss endlich für Transparenz sorgen.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier und zu Hause! Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Aber diese Freiheit entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. Das will ich zu Beginn ausdrücklich unterstreichen; denn das bedeutet nicht, dass die Informationsfreiheit, die im selben Artikel des Grundgesetzes garantiert wird, ausgehebelt werden darf.

Das wollen wir mit unserem Antrag debattieren, der sich auf die bestehende Landesgesetzgebung bezieht. Anstoß waren die jüngst zurückliegende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster zur Frage der Veröffentlichung des Kooperationsvertrages zwischen der Bayer AG und der Universität zu Köln und darüber hinaus ein Passus aus unserem Wahlprogramm 2012.

Wir Piraten sind der Auffassung, dass die Forschungsfreiheit an den Hochschulen gefährdet ist, wenn private Auftraggeber gezielt ein bestimmtes Forschungsergebnis verfolgen können. Dadurch wird eine ergebnisorientierte Forschung unter dem Deckmantel von Neutralität und Sachlichkeit später als öffentliches universitäres Forschungsergebnis präsentiert. Wir fordern daher eine deutliche Nennung der privaten Förderer und Kooperationspartner.

Durch Verträge gehen die Rechte an den Forschungsergebnissen oftmals vollständig an den privaten Auftraggeber über. Dadurch werden Patente in der privaten Wirtschaft geschaffen, die durch öffentliche Gelder mitfinanziert sind. Das ist zunächst einmal okay. Aber wenn die Patente dann irgendwann in Asien oder den USA auftauchen und unsere Gesellschaft nichts davon hat, dann ist das nicht so schön.

Bei Beteiligung von öffentlichen Geldern sind unserer Meinung nach alle Forschungsergebnisse öffentlich zu machen.

Wie ist es aktuell in NRW? Das Informationsfreiheitsgesetz blendet aktuell den Forschungsbereich aus und versieht alles, was mit Transparenz zu tun haben sollte, mit einem Freibrief für Partikularinteressen von Unternehmen. Auch die marginalen Veränderungen im sogenannten Hochschulzukunftsgesetz zur Veröffentlichung von Drittmittelprojekten und Forschungskooperationen sind – gemessen am gesamtgesellschaftlichen Transparenzanspruch – unzureichend.

Diese Landesregierung spricht viel von Verantwortung, kippt aber vor Lobbyinteressen um. So sah der Referentenentwurf der Landesregierung zum Hochschulzukunftsgesetz zunächst vor, dass die Hochschulen zur Veröffentlichung von Drittmittelprojekten und Forschungskooperationen verpflichtet werden. Der Aufschrei von Lobbyverbänden war riesengroß und der Untergang des Abendlandes wurde herbeibeschworen. Schwuppdiwupp wurde dieser Passus wieder geändert.

Wir sehen es ähnlich wie der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages, der Folgendes zur Veröffentlichung von Kooperationen sagte. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich:

„Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen gewinnen an Bedeutung. Um einer übermäßigen Einflussnahme auf das Handeln einer Hochschule entgegenzuwirken und größere Transparenz sicherzustellen, käme die Einführung einer Veröffentlichungspflicht für Kooperationsverträge in Betracht.“

„Dem Interesse an größerer Transparenz hinsichtlich der Kooperationen von Hochschulen und Unternehmen könnte jedoch durch eine inhaltlich beschränkte Offenlegungspflicht begegnet werden. Eine Veröffentlichung der Fördersumme sowie der Laufzeit einer Kooperation dürfte grundsätzlich mit den Grundrechtspositionen der Beteiligten zu vereinbaren sein.“

„Letztlich stellt sich auch die Frage, ob und wie einer zunehmenden Einflussnahme von Unternehmen auf Hochschulen entgegengewirkt werden sollte.“

„Eine Veröffentlichungspflicht, die sich auch auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse erstreckt, wäre ein Eingriff in Artikel 12 Abs. 1 GG. Ein solcher Eingriff ist als Eingriff in die Berufsausübung zu werten und wäre gerechtfertigt, wenn das zu Grunde liegende Gesetz durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht.“

„Im Ergebnis dürfte eine auf einzelne Vertragsdetails beschränkte Veröffentlichungspflicht mit der Berufsfreiheit vereinbar sein.“

Das ist ein Abwägungsproblem. Es besteht auf der einen Seite ein öffentliches Interesse an dem, was an den Hochschulen als gesellschaftlichen Einrichtungen passiert. Auf der anderen Seite gibt es auch privatwirtschaftliche Interessen von Unternehmen.

Entsprechend dem von uns genannten Passus in der Antwort auf die Regierungserklärung von Hannelore Kraft im Januar kann man von Datensparsamkeit und Datenvorsicht sprechen: Also so viele Daten wie möglich, um die Öffentlichkeit genügend zu informieren, aber so wenige Daten wie nötig, um etwaige Betriebsgeheimnisse usw. zu wahren.

In NRW ist diesbezüglich leider nicht so viel passiert. Eigentlich gar nichts. Wir fordern daher die Landesregierung auf, die nötigen Änderungen im Informationsfreiheitsgesetz und dem Hochschulzukunftsgesetz vorzunehmen, um der Einflussnahme auf die Freiheit der Forschung und Lehre zu begegnen und auch die notwendige Transparenz herzustellen, damit es dem Wissenschaftsstandort NRW nicht schadet. – Vielen Dank. Wir freuen uns auf konstruktive Diskussionen im Ausschuss.

Der vollständige Antrag der Piraten

Informationen zum Prozess

Covestro

CBG Redaktion

Presse Info vom 28. August 2015
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Ausgliederung von COVESTRO am 1. September:

„Risiken für Belegschaft, Anwohner und Kommunen bleiben im Dunkeln“

Die Firma BAYER vollzieht am 1. September die formale Trennung von ihrem Kunststoff-Geschäft. Unter dem Namen COVESTRO will der Konzern die Sparte an die Börse bringen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) sieht dabei wichtige Fragen ungeklärt. So befürchtet die CBG weitere Arbeitsplatzverluste, höhere Störfall-Risiken und einen Rückgang der Gewerbesteuern.

Arbeitsplätze
Durch die Ausgliederung drohen weitere Arbeitsplatz-Verluste, eine Parzellierung des Unternehmens und die Schließung weniger rentabler Bereiche.
Bereits in der Vergangenheit vernichtete BAYER in der Kunststoffproduktion über 2.000 Arbeitsplätze. Die Gewerkschaften konnten für die COVESTRO-Beschäftigten zwar eine Arbeitsplatzgarantie aushandeln, diese gilt jedoch nur für die deutschen Standorte und nur bis 2020. Die Belegschaft des Werks in Antwerpen konnte erst nach einem Streik eine vergleichbare Vereinbarung durchsetzen. In den USA hingegen, wo der Konzern 95 % der Belegschaft einen Tarifvertrag verweigert und wo die Gewerkschaften vom Unternehmen aus den meisten Werken gedrängt wurden, droht ein sozialer Kahlschlag.
Welche Entwicklung langfristig zu befürchten ist, zeigt die ehemalige Chemie-Sparte von BAYER, die vor zehn Jahren unter dem Namen Lanxess ausgegliedert wurde. Seitdem fielen mehrere Tausend Arbeitsplätze weg, ein großer Teil der Belegschaft erlitt Lohneinbußen. Über die Jahre wurde Lanxess immer weiter aufgespalten. Mehrere Bereiche wurden geschlossen, andere verkauft.

Anlagensicherheit
Unter dem Dach von COVESTRO befinden sich einige der – nach Atomkraftwerken – gefährlichsten Industrieanlagen in Deutschland. So kommen bei der Produktion von Polyurethan und Polycarbonat tausende Tonnen toxischer Stoffe zum Einsatz, darunter Chlor, Ammoniak, Kohlenmonoxid und Phosgen. Die künftigen Besitzer könnten versucht sein, den von BAYER eingeschlagenen Kurs fortzusetzen und die Kosten für Wartung, Personal und Feuerwehren weiter abzusenken. Dies würde zu erhöhten Störfallrisiken führen.
Konsequenzen hat der Schritt auch für die umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld. Sollte die Leitung jemals in Betrieb gehen, so wäre unklar, von wem sie in zehn oder zwanzig Jahren betrieben wird. Auch das Sicherheitsniveau und die Haftungsgrenzen stünden in den Sternen.
Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG kommentiert: „Es ist unverantwortlich, hochgefährliche Anlagen zu bauen, ohne dauerhaft die Verantwortung für ihre Sicherheit zu übernehmen. Stoffe wie Phosgen sollten wegen ihrer Gefährlichkeit grundsätzlich nicht zum Einsatz kommen.“

Ökologischer Umbau
Die Produktion von COVESTRO basiert zu 90 % auf fossilen Rohstoffen. Eine Umstellung der Sparte auf nachwachsende Rohstoffe und biologisch abbaubare Produkte hat BAYER verschlafen. Neue Anlagen, wie die im letzten Jahr eröffnete TDI-Produktion, zementieren den enormen Ressourcen-Verbrauch über Jahrzehnte hinweg. Die von BAYER bislang vorgestellten Verfahren wie die sogenannte „dream production“ können nur wenige Prozent der Produktionsmenge abdecken und sind nicht viel mehr als Alibi-Projekte.
Hierzu Philipp Mimkes: „Parallel zur Energiewende wird es in absehbarer Zeit auch zu einer Chemiewende kommen - zum einen wegen des Klimaschutzes, zum anderen wegen schwindender Ressourcen. COVESTRO ist auf diesen Wandel nicht vorbereitet, dabei können Dämmstoffe, Polymere, Lacke oder Textilfasern schon heute in hoher Qualität aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden.“

Gewerbesteuern
An Standorten wie Leverkusen, Krefeld und Brunsbüttel drohen weitere Steuer-Verluste. Im vergangenen Jahr hatten die Private Equity-Firmen Advent, Carlyle, Cinven und KKR ihr Interesse an einer Übernahme bekundet. Sollte COVESTRO von Finanzinvestoren gekauft werden, so kommen auf die Kommunen zusätzliche Ausfälle zu. Private-Equity-Gesellschaften bürden den Verkaufspreis meist ihren Neuerwerbungen als Schulden auf und senken so deren Gewinn und die Steuerlast. Zudem haben die Finanz-Konzerne häufig ihren Sitz in Steueroasen.

Jan Pehrke vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert abschließend: „Bei COVESTRO darf es keine „doppelten Standards“ geben: alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit müssen einen Schutz vor Entlassungen erhalten. Zudem muss BAYER zusichern, dass die Sparte nicht an Hedgefonds verkauft wird und keine untragbaren Schulden übertragen bekommt. Schließlich muss garantiert werden, dass es durch den Börsengang zu keiner Absenkung der Sicherheits-Standards und der Haftungsgrenzen kommt“.

weitere Infos zur Ausgliederung

[Teldafax] Sportsponsoring

CBG Redaktion

25. August 2015

Bayer 04: 13 Millionen für den Ex-Sponsor

Der Fußballverein Bayer Leverkusen hat den mehrjährigen Rechtsstreit mit seinem früheren Hauptsponsor Teldafax beendet. Der Werksklub stimmte einem Vorschlag des Oberlandesgerichts Köln zu und bezahlt rund 13 Millionen Euro, um das Verfahren zu beenden.

Das Landgericht Köln hatte im Oktober 2014 zunächst entschieden, dass der Klub rund 16 Millionen Euro plus Zinsen zurückzahlen muss. Die Summe war zwischen 2009 und 2011 geflossen - einem Zeitraum, in dem Teldafax nach Erkenntnissen des Insolvenzverwalters überschuldet war und die Insolvenz verschleppte. Der Insolvenzverwalter hatte Bayer 04 vorgeworfen, zum Zeitpunkt der Zahlungen schon von der Zahlungsunfähigkeit gewusst zu haben und das Geld trotzdem genommen zu haben - während rund 700.000 Privatkunden Geld aus Vorauszahlungen für Stromlieferungen verloren. Bayer Leverkusen ging gegen das Urteil in Berufung, was nun zu dem Vergleich führte.

TelDaFax war von 2007 bis 2011 Trikotsponsor des Vereins. Sympathieträger Rudi Völler war damals unter dem Motto „Wechseln ist ein Klax. Mit TelDaFax“ das Gesicht der Kampagne.

Der Verein kannte jedoch frühzeitig die Schieflage des Stromversorgers. So schrieben die drei TelDaFax-Vorstände im Juli 2009 einen Brief an ihren Aufsichtsrat, in dem vor der drohenden Insolvenz gewarnt wurde. Bayer 04 war über das Schreiben offenbar informiert.

Zwei Monate später, im September 2009, bat TelDaFax um ein Treffen mit dem damaligen Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser. Teilnehmer der Sitzung bestätigen, dass es in dem Gespräch um eine mögliche Insolvenz ging. Dies erklärt auch, warum Holzhäuser nur fünf Tage später ein Fax an den damaligen Vorstandschef von TelDaFax sandte und eine Änderung des Sponsorvertrags vorschlug. Die Zahlungen sollten gestundet werden, außerdem wollte der Verein seinem Sponsor eine Sonderkündigungs-Option einräumen.

Bayer 04 lernte aus dem Fiasko wenig: Nachfolger von TelDaFax wurde ausgerechnet der Wettanbieter Betfair. Sportwetten sind heutzutage ein Milliarden-Geschäft, wovon der Fußball natürlich nicht unbeeinflusst bleibt. Besonders zum Saisonende gibt es in vielen Ländern Absprachen und Bestechungsgelder - Schiedsrichter Hoyzer und die Sapina-Brüder lassen schön grüßen. Wie unseriös auch diese Zusammenarbeit war, zeigt sich an der nach nur wenigen Monaten erfolgten Kündigung des Vertrags zwischen Bayer 04 und Betfair.

BAYER 04 kassiert bis zuletzt

[CO Leitung] CO-Pipeline stoppen!

CBG Redaktion

Presse Information vom 21. August 2015
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

Einwendung gegen geplante Rheinunterquerung:

„CO-Pipeline von Dormagen nach Leverkusen stilllegen“

Muster-Einwendung (bis 31. August einreichen): http://www.CBGnetwork.org/downloads/Einwendung_CO_Leitung.rtf

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert, die von der Firma BAYER MaterialScience geplante Kohlenmonoxid-Leitung unter dem Rhein („Düker“) nicht zu genehmigen. In einem heute an die Bezirksregierung Köln gesandten Schreiben begrüßt die CBG zwar die Stilllegung des maroden Alt-Dükers und den Bau eines begehbaren Tunnels für den Transport von Gasen wie Sauerstoff, Erdgas oder Stickstoff. Für das hochgefährliche Kohlenmonoxid (CO) müsse eine Zulassung jedoch verweigert werden.

Die Rhein-Unterquerung ist Teil einer bereits in den 60er Jahren gebauten Leitung zwischen den BAYER-Werken Leverkusen und Dormagen. Diese wurde jahrzehntelang für den Transport von ungefährlichen Gasen wie Stickstoff und CO2 verwendet. Im Jahr 2001 wurde die Pipeline ohne reguläres Genehmigungsverfahren für Kohlenmonoxid umgewidmet – ein Fall ohne Vorbild in Deutschland. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte Anfang 2014 durch Akteneinsicht bei der Bezirksregierung Köln nachweisen können, dass die Leitung unter dem Rhein schwere Schäden aufweist. Kurz darauf hatte BAYER den CO-Transport auf ein anderes Rohr umgeleitet und den Neubau des Dükers beschlossen.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Eine vor 50 Jahren gebaute Pipeline entspricht nicht dem heutigen Stand der Technik, zumal die Leitung für deutlich ungefährlichere Gase konzipiert wurde. Für die Pipeline ist nie ein worst case-Szenario erstellt worden. Ein Gutachter von BAYER sprach jedoch in einem firmeninternen Schreiben von einem Gefahrenbereich von 350 Metern beidseits der Trasse.“ In diesem Abstand finden sich die Wohngebiete von Wiesdorf, Merkenich, Rheinkassel, Langel, Hitdorf und Worringen.

Die Firma BAYER räumt in den Antragsunterlagen ein, dass eine Explosion „nicht 100-prozentig ausgeschlossen werden“ könne, was „als katastrophal einzuschätzen“ sei. Mimkes weiter: „Ein solches Risiko ist für die Bevölkerung untragbar und wegen der Möglichkeit einer dezentralen Kohlenmonoxid-Produktion in den einzelnen Werken auch nicht notwendig“.

Dipl.-Ing. Bernhard Wening, seit 1991 Sachverständiger für Gasleitungen und bis 2012 „Leiter Qualität und Regelsetzung“ bei RWE, ergänzt: „Die damalige Umwidmung der Kohlendioxid-Leitung auf den Transport von Kohlenmonoxid ohne umfangreiche Sicherheitsvorgaben halte ich für äußerst unsachgemäß. Gefahrstoffe wie CO sollten nur im Labormaßstab transportiert und ansonsten am Ort ihres Verbrauchs produziert werden“.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert eine Stilllegung der gesamten CO-Leitung von Dormagen nach Leverkusen. Der Verband kritisiert zudem, dass für den Düker ein einfaches Plangenehmigungsverfahren gewählt wurde. Ein reguläres Genehmigungsverfahren müsste die gesamte Leitung von Dormagen bis Leverkusen umfassen und eine Umweltverträglichkeitsprüfung beinhalten.

weitere Informationen:
=> Die vollständige Stellungnahme der CBG
=> Kampagne zu CO-Pipelines

[Urteil OVG] Hochschulkooperationen

CBG Redaktion

Presse Info vom 19. August 2015
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

Gestriges Urteil des OVG Münster: „Informationsfreiheits-Gesetz erweitern“

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat gestern eine Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag zwischen der Universität Köln und der BAYER AG verweigert. In der Urteilsbegründung verwies das OVG auf einen Ausnahme-Paragrafen im Informationsfreiheitsgesetz NRW zu Forschung und Wissenschaft. Während der Verhandlung hatte die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) vergeblich darauf hingewiesen, dass sich ihre Forderung nach Offenlegung gerade auf die Teile des Dokuments bezieht, die nicht unmittelbar dem Forschungsbereich zuzuordnen sind, beispielsweise Vereinbarungen zu Patenten und zur Verwertung der Ergebnisse. Die CBG befürchtet nun eine wachsende Einflussnahme großer Konzerne auf wissenschaftliche Einrichtungen und fordert eine Erweiterung der Informationsfreiheits-Gesetze.

Philipp Mimkes, Kläger im gestrigen Verfahren: „Das Urteil verdeutlicht, dass das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz (IFG) überarbeitet werden muss. Die generelle Ausklammerung des Hochschulbereichs von jeglicher Transparenz muss durch eine differenzierte Regelung ersetzt werden, sonst droht eine Ausrichtung der universitären Forschung auf rein wirtschaftliche Interessen. Bei der Formulierung des IFG hatte der Gesetzgeber sicher nicht eine generelle Geheimhaltung von Industriekooperationen im Sinn - zumal eine Bedrohung der wissenschaftlichen Freiheit heute weniger von staatlicher Seite zu befürchten ist als durch den übermäßigen Einfluss großer Unternehmen.“

Die Position der CBG wird vom Informationsfreiheitsbeauftragten des Landes NRW gestützt, der nach Prüfung des Vertrags eine Offenlegung empfohlen hatte. Philipp Mimkes kritisiert, dass das OVG Münster – wie schon die Vorinstanz – ohne Kenntnis des strittigen Vertrags geurteilt hatte. Eine differenzierte Betrachtung der Vertragsinhalte sei somit nicht möglich gewesen. Die CBG prüft daher, Rechtsmittel gegen die Nichtzulassung zur Revision einzulegen.

Zahlreiche Verbände unterstützen die Forderung nach Offenlegung des Vertrags, darunter Transparency International, der Ärzte-Verband IPPNW, medico international sowie der Deutsche Hochschulverband. Auch die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland fordert mehr Transparenz. In einer Entschließung heißt es: „Einer verborgenen Einflussnahme auf Forschungsgegenstände, Forschungsergebnisse und auf deren Veröffentlichung kann nur durch eine konsequente Politik der Offenheit begegnet werden. Eine Veröffentlichungspflicht sollte mindestens die Identität der Drittmittelgeber, die Laufzeit der Projekte, deren Förderungsumfang, und die Einflussmöglichkeiten auf Forschungsziele und -ergebnisse umfassen.“

Chronologie zum Prozess

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