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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[Blockupy] Termin

CBG Redaktion

23. Januar 2015, 10.30 Uhr
Axel Köhler-Schnura gegen das Land Hessen
Verwaltungsgericht, Saal 4
Adalbertstr. 18
60486 Frankfurt

Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)
ethecon - Stiftung Ethik & Ökonomie

Am 1. Juni 2013 wurde das Gründungs- und Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren bzw. von ethecon, Axel Köhler-Schnura, als Teilnehmer der friedlichen Blockupy-Demonstration in Frankfurt gegen Finanz-Spekulation, Konzernmacht und Banken-Profite Opfer von brutaler Polizeigewalt. Es gelang ihm, die skandalösen Vorfälle damals direkt bundesweit breit öffentlich zu machen (siehe Anhang „Erlebnisbericht“).

Auch reichte er zwei Klagen ein: Eine Strafanzeige gegen die unbekannten Täter sowie eine Verwaltungsklage zur Klärung der Zulässigkeit der von den zuständigen Behörden gedeckten polizeilichen Gewalt-Maßnahmen. Beide Klagen sind noch immer anhängig, im Fall der Verwaltungsklage kommt es jetzt, mehr als anderthalb Jahre später, zur ersten (!) Verhandlung.

Wir sind mit unserem Vorstandsmitglied Axel Köhler-Schnura solidarisch, verurteilen das Vorgehen der Staatsmacht und fordern die juristische Aufklärung und Aburteilung der Täter und der Verantwortlichen.

Wir wünschen Axel viel Erfolg bei der anstehenden öffentlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt und freuen uns über möglichst große öffentliche Beteiligung an diesem Termin.

Zugleich rufen wir zu Spenden für die Finanzierung der Prozess-Kosten auf.
Spenden bitte unter dem Stichwort „Gegen Polizeigewalt!“
Spenden-Konto der Stiftung ethecon
bei der EthikBank
IBAN DE 58 830 944 95 000 30 45 536
BIC GENODEF1ETK
Konto 30 45 536
BLZ 830 944 95
Sie können auch per PayPal auf unserer Seite oben rechts spenden.
Oder spenden Sie per Lastschriftverfahren hier.
Solidaritätsgrüße richten Sie bitte an Axel persönlich: axel@koehler-schnura.de
Es folgt die Erklärung anlässlich des anstehenden Prozesstermins.

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Information vom 16.01.2015

War die Polizei-Brutalität gegen friedliche TeilnehmerInnen der Blockupy-Demonstration am 01. Juni 2013 in Frankfurt rechtlich zulässig?
Was wird das Verwaltungsgericht dazu sagen?

Der Kläger
Am 01. Juni 2013 begab sich der Kläger (Jg. 1949) nach Frankfurt/Main, um an einer Demonstration teilzunehmen. Aufgerufen hatte das Aktionsnetzwerk Blockupy.
Der Kläger wollte im Rahmen dieser Demonstration seinem Unmut Ausdruck verleihen darüber,
dass einige wenige Ultrareiche im Interesse ihrer Profite und ihrer Macht die Welt in eine seit 2008 andauernde und nach wie vor unkalkulierbare Krise gestürzt haben;
dass die im (Aktien-)Besitz dieser Ultrareichen befindlichen Banken und Konzerne allgemein menschliche Moral und Ethik missachten und den Frieden, die Umwelt und die Rechte der Menschen mit Füßen treten;
dass die herrschende Politik diese für die Menschheit und den Planeten gefährlichen Profite der Ultrareichen mit Steuermitteln in Billionenhöhe fördert und stützt;
dass die Milliarden und Abermilliarden, die den „systemrelevanten“ Banken und Konzernen in den Rachen geworfen werden, der öffentlichen Daseinsfürsorge entzogen werden;
dass die Ultrareichen für die durch ihr profitgetriebenes Handeln angerichteten Schäden aus jeder strafrechtlichen und sonstigen Haftung entlassen werden und stattdessen die Folgen der Allgemeinheit aufgebürdet werden.
Im Verlauf der friedlichen Demonstration wurde der Kläger - ebenso wie zahlreiche andere DemonstrantInnen, wie die Demonstration als Ganzes und wie auch viele VertreterInnen der Medien - Opfer von Polizeiwillkür und von brutaler Polizeigewalt (die Schilderung der Erlebnisse des Klägers anbei in einem Bericht „Getreten, geprügelt, mit Giftgas bekämpft“ vom 02. Juni 2013).
Den DemonstrantInnen - und damit dem Kläger - wurden die ihnen nach Verfassung und Gerichtsbeschluss zustehende Demonstration und die ihnen ebenfalls nach Verfassung und Gerichtsbeschluss zustehende Demonstrationsroute gewaltsam verweigert. Es gab Hunderte von der Polizei verletzte Menschen. Darunter der Kläger.

Der Rechtsbruch

Axel Köhler-Schnura: „Innenministerium und Polizeiführung brachen bei der Blockupy-Demonstration vorsätzlich und ohne jeden Anlass die Verfassung und die Grundrechte. Sie hinderten mich, und mit mir Tausende anderer friedlicher Menschen, im Rahmen des Demonstrationsrechtes ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen. Schlimmer noch, sie ließen stundenlang wahllos auf friedliche Menschen einprügeln, ließen Giftgas und Schlagstöcke einsetzen. Nur der Besonnenheit der DemonstrantInnen ist es zu verdanken, dass es nicht zu Tumult und Aufruhr kam. Eine schwarze Stunde der Demokratie.“

Die Verfahren

Strafanzeige
Wegen der ärztlich dokumentierten Körperverletzung erstattete Axel Köhler-Schnura Strafanzeige (Aktenzeichen bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt 6130 Ujs 412271/13).
Zweitens
Wegen der Verletzung seiner Grundrechte reichte Axel Köhler-Schnura Klage vor dem Verwaltungsgericht ein (Aktenzeichen Verwaltungsgericht Frankfurt 5 K 4435/13).

Die Sachstände

Strafsache
Die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei haben größte Schwierigkeiten, die TäterInnen ausfindig zu machen. Und zwar, weil sämtliche prügelnden PolizistInnen - wie allgemein und seit Jahren üblich - komplett vermummt (!) waren und keinerlei erkennbare Identifikationsmerkmale trugen. Der Kläger dringt auf weitere Ermittlungsschritte und fordert im übrigen die Kennzeichnungspflicht für ausnahmslos alle PolizistInnen im Dienst.

Verwaltungsklage
In der Verwaltungssache versucht die Polizeiführung in umfangreichen Schriftsätzen ihr Verhalten gegenüber dem Gericht zu rechtfertigen. Selbst Filme, die die willkürlichen und gewalttätigen Übergriffe dokumentieren (siehe ausführliches Filmprotokoll anbei), werden wortreich gerechtfertigt. Im Rahmen der öffentlichen Verhandlung am 23. Januar 2015 wird die Unhaltbarkeit dieser Ausflüchte nachgewiesen werden.

Steuerflucht

CBG Redaktion

Presse Info vom 15. Januar 2015

Die Steuertricks der BAYER AG

„Konzerne angemessen besteuern!“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute eine Untersuchung zu Steuertricks des Leverkusener BAYER-Konzerns veröffentlicht. Darin wird gezeigt, wie das Unternehmen Gewinne in Länder mit niedriger Steuerlast verschiebt. Die Stadt Leverkusen, Sitz von Deutschlands wertvollster Firma, blutet derweil aus.

Die BAYER AG hat in den vergangenen Jahren systematisch Gewinne in Niedrigsteuer-Länder verschoben. Mehrere Jahre lang zahlte der Konzern in Deutschland keine Gewerbe- und Körperschaftssteuer. Städte wie Leverkusen und Wuppertal mussten daher Nothaushalte verabschieden. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert, den ruinösen Steuer-Wettlauf zu beenden. Jan Pehrke vom Vorstand der CBG: „Die Armrechenkünste internationaler Konzerne kosten die Finanzämter viele Milliarden Euro pro Jahr. Die Finanzierung des Staatshaushalts wird dadurch immer mehr der lohnabhängigen Bevölkerung aufgebürdet. Es wird höchste Zeit, große Unternehmen angemessen an der öffentlichen Steuerlast zu beteiligen!“.

Allein in Holland besitzt BAYER 15 Tochtergesellschaften. Mit den heimatlichen Gefühlen des Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers hat das jedoch wenig zu tun. Der Nachbar wirbt vielmehr aggressiv mit Angeboten zum Sparen von Unternehmenssteuern. So ist die Nutzung von geistigem Eigentum und Namensrechten in so genannten „Patent-Boxen“ für nur fünf Prozent Körperschaftssteuer zu haben. Auf diese Weise können die BAYER-Töchter die Gebühren, die sie etwa für eine ASPIRIN-Lizenz entrichten müssen, steuermindernd geltend machen, während diese in Holland als Einnahmen kaum ins Gewicht fallen. Auch als Standort für eine konzern-interne Bank, die den Teilgesellschaften Geld für Investitionen leiht, eignet sich das Land. Die für die Kredite zu zahlenden Zinsen wirken in Deutschland steuermindernd, indessen sie in Mijdrecht bei BAYER WOLRD INVESTMENTS B.V. den Gewinn kaum schmälern.

BAYER verschob daher im Jahr 2012 Anteile im Wert von 1,4 Milliarden Euro aus den USA zur holländischen Tochterfirma BAYER WORLD INVESTMENTS. BAYER GLOBAL INVESTMENTS bekam 526 Millionen Euro schwere Anteile von französischen Teilgesellschaften. Darüber hinaus hat der Konzern in den Niederlanden zu günstigen Konditionen eine Euro-Anleihe über 1,3 Milliarden Euro begeben, für welche die BAYER CAPITAL CORPORATION eine Haftungsverpflichtung eingegangen ist.

Auch nach Belgien steuerflüchtet BAYER, da das Land Zinsen auf Eigenkapital gewährt. Im Jahr 2011 verdoppelte das Unternehmen die Mittel seiner in Antwerpen ansässigen Tochter-Gesellschaft auf acht Milliarden Euro und konnte seinen Gewinn von 254,8 Millionen Euro fast komplett mit nach Hause nehmen. Lediglich 10,8 Millionen Euro musste er dort lassen – das entspricht einer Steuerquote von 4,3 Prozent. In Luxemburg hingegen nutzt BAYER das günstige versicherungswirtschaftliche Klima und hat dort sowohl die INDURISK RÜCKVERSICHERUNG AG als auch die PANDIAS RE AG angesiedelt.

Gewinne dort anfallen zu lassen, wo es nichts kostet, und Verluste da, wo der Fiskus droht, bezeichnet Finanz-Vorstand Werner Baumann als „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“. Baumann untersteht eine Abteilung für „Global Tax Projects“. Die Angestellten dort befassen sich unter anderem mit dem „Tax Planning“ und dem „Transfer Pricing“, also der Ermittlung von Preisen für konzern-interne Deals mit Markenrechten, Lizenzen oder realen Produkten.

Wie sehr das Steuerdumping dem Gemeinwesen schadet, zeigt das Beispiel Leverkusen. Die Stadt, immerhin Stammsitz des wertvollsten DAX-Konzerns, darbt seit zwei Dekaden. Mehrere Jahre lang musste die Kommune mit Nothaushalten über die Runden kommen, weil BAYER weniger Gewerbesteuern überwies und manchmal – wie 1999, 2001, 2003 und 2004 – auch gar keine. 2013 musste Leverkusen gar dem Stärkungspakt Stadtfinanzen beitreten.

Die letzte Hiobsbotschaft erreichte Leverkusen im Zusammenhang mit der Übernahme der Sparte für nicht-verschreibungspflichtige Produkte vom US-Unternehmen MERCK. „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen“, verlautbarte der Konzern bei der Bekanntgabe des Deals. Im September 2014 gab die Firma dem Stadtkämmerer Frank Stein die genaue Größe bekannt. Stein muss als Synergie-Defekt nicht nur „Einbrüche im zweistelligen Millionen-Bereich“ hinnehmen, sondern für die beiden letzten Jahre auch noch Gewerbesteuer-Einnahmen rückerstatten. Gerade einmal 60 Millionen Euro Gewerbesteuer wird die Kommune in diesem Jahr einnehmen. Zum Vergleich: 1990 hatte allein BAYER das Doppelte überwiesen.

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren abschließend: „Die Konzerne entziehen sich immer weiter ihrer Verantwortung für die Allgemeinheit - zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung, die über steigende Steuern und Abgaben die Zeche zahlen muss. Es ist nicht hinzunehmen, dass BAYER und Co. immer weniger zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen.“

Die vollständige Untersuchung finden Sie hier

Bisphenol A

CBG Redaktion

Jährlich werden rund vier Millionen Tonnen Bisphenol A hergestellt. Der BAYER-Konzern gehört neben den US-Firmen Dow Chemicals und Hexion sowie den taiwanesischen Unternehmen Nan Ya Plastics und Chang Chun Plastics zu den größten Herstellern weltweit.

Telepolis, 5. Januar 2015

Frankreich verbietet Bisphenol A in Lebensmittelverpackungen

Seit 1. Januar des neuen Jahres ist in Frankreich die Herstellung, der Import wie auch der Export von Lebensmittelverpackungen verboten, die Bisphenol A enthalten. Ähnliche Bestrebungen soll es auch in Dänemark, Schweden und in Belgien geben, aber bislang gilt Frankreich als „Vorreiter“. Laut Medienberichten, die die Avant-Garde-Rolle herausstellen, ist aber noch unklar, wie sich das Gesetz mit EU-Regelungen verträgt.

Zwar, so schreibt Le Monde, sei in EU-Regeln zum freien Güterverkehr festgelegt, dass er Einschränkungen dort findet, wo es um den Schutz der Gesundheit und des Lebens der Individuen geht, aber es sei fraglich, ob das auch praktisch durchgesetzt werden könne, wenn ein Staat gegen 27 andere stehe. Frankreich sei „an dieser Front beachtenswert isoliert“, stellt die Zeitung fest, es sei das einzige Land der Welt, das entschieden habe, die Exposition seiner Bevölkerung an die chemische Verbindung drastisch zu reduzieren - zu Lasten seiner Wettbewerbsfähigkeit, zumindest auf kurze Frist. In Zeiten, wo genau die Wettbewerbsfähigkeit das große Wirtschaftsthema im Nachbarland ist, ließe sich hinzufügen.

Bisphenol A (BPA) ist in vielen Gütern zum Alltagsgebrauch enthalten. Es bildet „das chemische Rückgrat der meisten formstabilen, transparenten Polycarbonatkunststoffe“, veranschaulicht ein Spektrum-Bericht. Die Chemikalie findet sich in Plastikwasserflaschen, in Kochuntensilien, Plastikgeschirr, Plastikbesteck, aber auch in Beschichtungen von Konservendosen, Getränkedosen, in Gehäusen von Elektrogeräten und in CDs etc. Auch im Feinstaub hat man Spuren von BPA entdeckt.

BPA kann unter bestimmten Umständen, etwa Hitze, in Lebensmittel diffundieren. Seit Jahren wird BPA, das Ähnlichkeiten mit dem Hormon Östrogen hat, verdächtigt, „negative Auswirkungen auf die Gesundheit zu haben“ (siehe Pubertät bei Mädchen beginnt immer früher und Angriff auf das männliche Gehirn), weswegen Babyflaschen mit Bisphenol A seit Januar 2011 EU-weit verboten sind.

Doch vor einem weitergehenden Verbot hat sich die EU bislang gescheut. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nimmt zwar eine mögliche Schädlichkeit durch BPA-Exposition auf „Leber und Nieren sowie Auswirkungen auf die Brustdrüsen“ und ein damit verbundenes Risiko durch die BPA-Exposition zur Kenntnis, spricht aber vor allem von „möglichen schädlichen Wirkungen“ und davon, dass „weiterhin Unwägbarkeiten hinsichtlich einer Reihe weiterer Gesundheitsgefährdungen bestehen“.

So entschied die EFSA bisher, „dass BPA ein geringes Gesundheitsrisiko für Verbraucher darstellt“, da die Exposition gegenüber dem chemischen Stoff weit unter den vorläufigen Grenzwerten liege. Im Dezember 2014 wurde „eine umfassende Neubewertung der Risiken der Chemikalie fertiggestellt“. Ende Januar soll sie vorgestellt werden.

Ob damit die Chancen auf ein weiterreichendes Verbot wachsen, sei unsicher, läßt der Le Monde-Bericht anklingen. Denn in der Sache Bisphonal A sei eine „Kluft überdeutlich“: diejenige zwischen den Forschungsresultaten und dem Verhalten der großen Aufsichtsbehörden wie die EFSA in Europa und der FDA in den USA. Zwischen 1996 und 2014 seien mehrere tausend wissenschaftliche Arbeiten zur BPA erschienen, die meisten würden Verbindungen zwischen der Chemikalie und einer Vielzahl von Krankheiten - Diabetes Typ 2, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Prostatakrebs u.a. - feststellen bzw. bestätigen, aber die Aufsichtsbehörden würden sich demgegenüber versperren. Möglich aber, dass die Weiterentwicklung von Ersatzstoffen zu einer anderen Haltung führt. Von Thomas Pany

alle Infos zur Kampagne

[Interview Gotzsche] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

Interview mit Prof. Peter Gøtzsche

Autor des preisgekrönten Buchs „Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität: Wie die Pharmaindustrie unser Gesundheitswesen korrumpiert“

Professor Gøtzsche, Ihr Buch hat im englischsprachigen Raum große Aufmerksamkeit erlangt. Wann kommt es in Deutschland heraus?
Es erscheint am 14. November im Riva Verlag, München.

Unser Netzwerk beschäftigt sich seit über 30 Jahren speziell mit BAYER. Wie wichtig ist die deutsche Pharmaindustrie, zum Beispiel in Bezug auf Lobbying?
Alle großen Pharmaunternehmen betreiben heftiges Lobbying, auch auf europäischer Ebene.

Die Firma BAYER hat viele Pharmaskandale zu verantworten, von Heroin bis Lipobay. Welche Erfahrung haben Sie mit diesem Unternehmen gemacht?
Wie andere große Pharmaunternehmen auch hat sich BAYER an organisierter Kriminalität beteiligt, zum Beispiel an der Bestechung von Ärzten oder dem Betrug am amerikanischen Gesundheitsprogramm Medicaid.
Im 2. Weltkrieg hat BAYER medizinische Experimente an KZ-Häftlingen durchgeführt. Ein Brief aus dieser Zeit zeigt, dass BAYER vom KZ Auschwitz 150 Frauen für jeweils 170 Mark kaufte. BAYER schrieb an den Kommandanten: „Die Versuche wurden gemacht. Alle Personen starben. Wir werden uns bezüglich einer neuen Sendung bald mit Ihnen in Verbindung setzen.“ Deutsche Unternehmen haben KZ-Häftlingen zum Beispiel Typhusbakterien gespritzt und danach verschiedene Medikamente ausprobiert.

Warum vergleichen Sie die Pharmaindustrie mit dem Organisierten Verbrechen?
Weil ich herausgefunden habe, dass das Geschäftsmodell der zehn größten Pharma-Unternehmen organisierte Kriminalität beinhaltet.

In den 80er Jahren infizierten BAYER-Produkte Tausende Bluter mit HIV. Interne Dokumente zeigen, dass die Firmenleitung die Risiken kannte, die kontaminierten Produkte aber weiter verkaufte. Ist dies ein Beispiel für kriminelle Geschäfte?
An dieser Stelle ist BAYER nicht alleine. Es gab viele Firmen, die kontaminierte Blutprodukte verkauften.

BAYER gibt jährlich rund 10 Milliarden Euro für Werbung und Vertrieb aus. Hierunter fallen Medikamentengaben an Krankenhäuser, Ärzte-Fortbildungen, Pharmareferenten, Spenden an Lobbyverbände etc. Der Konzern verweigert jedoch eine Aufschlüsselung dieser Summe. Sollte die Industrie gezwungen werden, solche Ausgaben im Detail zu veröffentlichen?
Ja, natürlich. Wir sollten aber einen Schritt weiter gehen und Werbung für Medikamente generell verbieten. Tabakwerbung haben wir schließlich auch reglementiert, und das Pharmamarketing ist ebenso gefährlich.

Warum gelingt es den Firmen immer wieder, unnütze und sogar gefährliche Präparate auf den Markt zu drücken?
Es ist üblich, die Ergebnisse von Medikamententests zu verfälschen und die Gefahren von Arzneimitteln zu verheimlichen. Zudem stoßen wir überall auf das Geld der Pharmaindustrie - jeder mit Einfluss im Gesundheitswesen soll gekauft werden. Der Industrie gelingt es auf allen Ebenen, wichtige Personen zu bestechen – bis hin zu Gesundheitsministern.
Aber besonders gefährlich ist das Pharmamarketing. Die Lügen sind häufig so eklatant, dass die Firmen das exakte Gegenteil der Wahrheit behaupten.

Gibt es Abschätzungen, wie viele Menschen an Nebenwirkungen sterben?
Untersuchungen aus verschiedenen Teilen der Welt kommen zu konsistenten Ergebnissen. So sterben in den USA pro Jahr schätzungsweise 200.000 PatientInnen an medikamentösen Nebenwirkungen. Etwa in der Hälfte der Fälle werden die Präparate ordnungsgemäß eingenommen. Die andere Hälfte stirbt wegen Überdosierungen oder weil der behandelnde Arzt nicht auf Interaktionen mit anderen Arzneien geachtet hat. Den Medizinern können wir allerdings kaum einen Vorwurf machen: fast jedes Medikament hat 20 oder mehr Sicherheitshinweise und Kontraindikationen. Es ist absolut unmöglich, diese alle zu kennen.

Welcher Anteil der Präparate auf dem Markt ist denn aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Wir könnten auf ziemlich einfachem Weg 95% der Medikamenten-Ausgaben sparen und hätten sogar eine gesündere Bevölkerung. Allein wenn wir bei Präparaten mit derselben Wirkung immer das preiswerteste Mittel auswählen würden, ließe sich etwa die Hälfte der Kosten sparen.
In vielen Fällen wäre es schlichtweg besser, gar keine Medikamente zu verschreiben. Alle Mittel haben unerwünschte Nebenwirkungen, die zusammen genommen für eine schreckliche Anzahl von Todesfällen verantwortlich sind. Schmerzmittel werden beispielsweise viel zu häufig verwendet. Auch sollten wir nur einen winzigen Teil der heute verwendeten Psychopharmaka verschreiben, denn diese sind generell gefährlich, wenn sie länger als ein paar Wochen eingenommen werden.

Antibabypillen aus der Yasmin-Reihe haben ein deutlich erhöhtes Embolierisiko im Vergleich zu älteren Präparaten. Allein in den USA hat BAYER fast zwei Milliarden Dollar an geschädigte Frauen gezahlt. Warum wurden diese Pillen trotzdem noch nicht verboten?
Einer meiner dänischen Kollegen veröffentlichte frühzeitig zwei Studien, die ein erhöhtes Risiko von Blutgerinnseln durch Pillen wie Yaz oder Yasmin zeigten. Er wurde von Ärzten, die auf der Gehaltsliste von BAYER stehen, in aggressiver Weise angegriffen. BAYER hat zudem Studien finanziert, die das erhöhte Risiko bestritten.

BAYER gehört zu den weltweit größten Anbietern freiverkäuflicher Medikamente. Was ist das größte Problem in diesem Bereich?
Vieles davon taugt nichts – außer den Käufern das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Wie beurteilen Sie die regelmäßig wiederkehrenden Versuche, eine tägliche Einnahme von Aspirin als Prävention gegen Herzerkrankungen und spezielle Krebsarten zu etablieren, sogar für Gesunde?
Dagegen ist nichts einzuwenden, schließlich wollen wir alle länger leben. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass sehr wenige von einer solchen Prophylaxe profitieren würden, während viele geschädigt würden. Es ist daher keine gute Idee, die gesamte Bevölkerung präventiv zu behandeln. Generell ist die Überbehandlung von Gesunden eines der größten – zugleich für die Industrie lukrativsten - Probleme im heutigen Gesundheitswesen.

BAYER und die Uniklinik Köln haben 2008 einen weit reichenden Kooperationsvertrag geschlossen. Wir haben vergebens versucht, Einblick in die Abmachung zu erhalten. Stimmen Sie mit uns darin überein, dass solche Geheimkooperationen zu einer Ausrichtung der Forschung nach rein wirtschaftlichen Kriterien führen?
Ich bin ein großer Gegner solcher Kooperationen. Die Erfahrung zeigt, dass die beteiligten Firmen meist die Gewinne abschöpfen und die Ergebnisse für sich beanspruchen. Die Steuerzahler zahlen die Zeche, indem sie viel zu teure Medikamente erstatten müssen.
Außerdem: ist es akzeptabel, eine Kooperation mit einer Branche einzugehen, deren Handeln oftmals kriminell ist und die aus Profitgründen den Tod vieler PatientInnen in Kauf nimmt? Ich meine Nein. Klinische Studien sollten vollkommen unabhängig von der Pharmafirmen durchgeführt werden. Und grundsätzlich darf es im Gesundheitswesen keine geheimen Kooperationen geben. Sie sollten eine Einsichtnahme gerichtlich erzwingen, oder sich bei einem Ombudsmann bzw der Politik beschweren (Anm. der Redaktion: die Politik feierte den Vertrag seinerzeit als „großen Gewinn für die Arzneimittel-Forschung“; vor Gericht scheiterte eine Einsichtnahme bislang).

Öffentlich finanzierte Studien kommen häufig zu anderen Ergebnissen als Untersuchungen der Industrie. Wie kommt das?
Es ist nicht sinnvoll, dass ein Unternehmen, das mit schöngefärbten Studien Milliarden Euro oder Dollar verdienen kann, meist der einzige ist, der jemals die Rohdaten der Studien zu Gesicht bekommt.
Wir haben ein System, in dem die Pharmaunternehmen ihre eigenen Richter sind. Das ist doch merkwürdig, in anderen Bereichen lassen wir dies schließlich auch nicht zu. Es wäre zum Beispiel lächerlich, zu einem Richter zu sagen: „Ich habe selbst ermittelt, hier sind alle Beweise“. Aber genau dieses System haben wir im Gesundheitswesen akzeptiert. Die Industrie macht ihre eigenen Studien und manipuliert sie häufig in einem schrecklichen Ausmaß. Aus diesem Grund können wir den Veröffentlichungen der Unternehmen - selbst in angesehenen Fachzeitschriften - nicht vertrauen.

Nach Ihrer Aussage ist das System voller Interessenkonflikte. Ärzte werden von Pharmaunternehmen bezahlt, Mitarbeiter von Behörden wechseln in die Industrie (und umgekehrt). Wie könnte man diese Situation ändern?
Wir stoßen überall auf das Geld der Industrie. Ich schlage daher vor, Pharmawerbung schlichtweg zu verbieten. Gute Medikamente werden sich immer durchsetzen, hierfür benötigen wir keine Werbung.
Ein Werbeverbot würde dazu führen, dass Ärzte nicht mehr von Pharmareferenten korrumpiert werden können. Die Herausgeber medizinischer Fachzeitschriften hätten nicht mehr so große Angst, Artikel zu veröffentlichen, die nicht im Interesse der Industrie sind. Mit Hilfe einer solchen Reform könnten wir die Fachmagazine aus der Umklammerung von „Big Pharma“ befreien.

Haben Sie weitere Forderungen zur Regulierung der Pharmaindustrie?
Die Industrie behält die Rohdaten ihrer Studien für sich. Stattdessen sollten wir neue Medikamente von öffentlichen Einrichtungen untersuchen lassen. Die Hersteller könnten die Tests bezahlen, sollten aber mit den Studien selbst nichts zu tun haben. Ärzte sollten auch keine Zuwendungen der Industrie annehmen dürfen.
Aktuell sind leider viele Mediziner bereit, als Mit-Autoren von Studien zu fungieren, zu deren Rohdaten ihnen der Zugriff verweigert wird und die in Wahrheit von den Firmen verfasst werden. Dabei könnten die Studien ohne die Mitwirkung der Ärzte und ihrer PatientInnen nicht durchgeführt werden. Dies ist ein Verrat akademischer Integrität und ein Bruch des Patienten-Vertrauens. Ärzte und Selbsthilfegruppen müssen das Geld einer derart korrupten Industrie schlichtweg zurückweisen.

In Ihrem Buch heißt es, dass diejenigen, die das kriminelle Handeln der Pharmaindustrie aufdecken, zu Parias werden. Haben Sie nach dem Erscheinen des Buchs Rückschläge erleben müssen?
Nein, im Gegenteil, das Buch hat viel Lob erhalten. Von der Industrie direkt habe ich natürlich nichts gehört. Es gab aber einige unverblümte Lügen seitens der Lobbyverbände der Industrie und ihrer bezahlten Partner in den Reihen der Ärzteschaft. Die Fragen stellte Philipp Mimkes (CBG)

Prof. Peter Christian Gøtzsche, Direktor des Nordic Cochrane Centers, ist Spezialist für Innere Medizin. Von 1975-83 war er in der Pharmaindustrie in den Bereichen Klinische Studien und behördliche Regulierung tätig. Von 1984-95 arbeitete er in Kopenhagener Krankenhäusern. 1993 gehörte er zu den Gründern der Cochrane Collaboration. Gøtzsche wurde 2010 an der Universität Kopenhagen zum Professor für klinisches Forschungsdesign und Analyse ernannt.

[Steuern] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

BAYER zahlt kaum Abgaben

Im Steuer-Paradies

Was APPLE, GOOGLE, STARBUCKS und andere wegen ihrer ganz legalen Steuertricks momentan in der Kritik stehenden Global Player können, kann BAYER schon lange. Auch der Leverkusener Multi nutzt jede Gelegenheit, um sich vor dem Fiskus noch ärmer zu rechnen als er es steuertechnisch nach den unzähligen Gesetzes-„Reformen“ seit 2001 ohnehin schon ist. Und so kommt es dann, dass mit Leverkusen die Stadt, an dem Deutschlands wertvollster Konzern seinen Firmen-Sitz hat, ein Sparpaket nach dem anderen verabschieden muss.

Die meisten Niederlassungen hat der Leverkusener Multi in seinem Stammland. Dann folgen die Staaten mit den größten Absatzmärkten wie die USA und China. Nur der prominente Platz einer Nation in der Aufstellung verwundert: der Hollands. 15 Filialen betreibt der Konzern dort. Mit den heimatlichen Gefühlen seines niederländischen Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers hat das allerdings wenig zu tun. Der Nachbar wirbt vielmehr aggressiv mit seinem günstigen „Fiskal-Klima“ und offeriert vielfältige Angebote zum Sparen von Unternehmenssteuern. So ist die Nutzung von geistigem Eigentum oder Namensrechten in so genannten Patent-Boxen für unschlagbare fünf Prozent Körperschaftssteuer zu haben. Auf diese Weise können die BAYER-Töchter die Gebühren, die sie etwa für eine ASPIRIN-Lizenz entrichten müssen, steuermindernd geltend machen, während diese in Holland als Einnahmen finanzamt-technisch kaum ins Gewicht fallen. Auch als Standort für eine konzern-interne Bank, die den Teilgesellschaften Geld für Investitionen leiht, eignet sich das Land. In diesem Fall wirken die für die Kredite zu zahlenden Zinsen steuermindernd, indessen sie in Mijdrecht bei BAYER WOLRD INVESTMENTS B. V. den Gewinn nicht groß schmälern.

Steuerstandort BENELUX
Darum hat der Global Player die Besitz-Verhältnisse innerhalb seines Imperiums binnen der letzten Jahre ein wenig neu geordnet. 2012 verschob er Anteile an seinen US-Gesellschaften im Wert von 1,4 Milliarden Euro nach Holland zu BAYER WORLD INVESTMENTS, und BAYER GLOBAL INVESTMENTS bekam 526 Millionen Euro schwere Anteile von BAYERs französischen Teilgesellschaften zugewiesen. Darüber hinaus hat der Konzern in den Niederlanden zu günstigen Konditionen eine Euro-Anleihe über 1,3 Milliarden Euro begeben, für welche die BAYER CAPITAL CORPORATION eine Haftungsverpflichtung eingegangen ist.
Aber auch nach Belgien steuerflüchtet der Agro-Mogul. Das Land gewährt nämlich Zinsen auf Eigenkapital und lockt damit ausländisches Geld zur Steuer-Veranschlagung an. Deshalb verdoppelte der Leverkusener Multi 2011 die Mittel seiner in Antwerpen ansässigen Tochter-Gesellschaft auf acht Milliarden Euro und konnte seinen Gewinn von 254,8 Millionen Euro fast komplett wieder mit nach Hause nehmen. Lediglich 10,8 Millionen Euro musste er dort lassen – das entspricht einer Steuerquote von 4,3 Prozent. Zur Erklärung heißt es aus der Zentrale des Global Players lediglich: „BAYER nutzt wie einige andere Unternehmen das günstige makrowirtschaftliche Klima in Belgien, das durch den Abzug für Risikokapital geschaffen wurde.“ In Luxemburg hingegen nutzt der Pharma-Riese das günstige versicherungswirtschaftliche Klima und hat dort sowohl die INDURISK RÜCKVERSICHERUNG AG als auch die PANDIAS RE AG angesiedelt.

Heimische Wohltaten
Gewinne dort anfallen zu lassen, wo es nichts kostet und Verluste da, wo der Fiskus droht – „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“ nennt BAYERs Finanz-Vorstand Werner Baumann diese Operation. In seiner Abteilung gibt es eine Extra-Stelle für „Global Tax Projects“. Die Angestellten dort befassen sich unter anderem mit dem „Tax Planning“ und dem „Transfer Pricing“, also der Ermittlung von Preisen für konzern-interne Deals mit Markenrechten, Lizenzen oder realen Produkten.
Dabei bedürfte es einer solchen „Ergebnis-Umverteilung“ eigentlich gar nicht groß, denn in heimischen Gefilden lebt es sich auch ganz steuerparadiesisch. Und für das sonnige Klima hat der Global Player nicht zuletzt selbst gesorgt. 1999 wechselte mit Heribert Zitzelsberger nämlich der Finanz-Chef des Unternehmens als Staatssekretär ins Finanzministerium. „Wir haben mit Herrn Zitzelsberger unseren besten Mann entsandt und gehen davon aus, dass er in unserem Sinn tätig wird“, kommentierte der damalige Vorstandsvorsitzende Manfred Schneider auf der Hauptversammlung den Wechsel. Und jener enttäuschte die Erwartungen seines ehemaligen Bosses nicht. „Keinem der Berliner Großkopfeten hat die deutsche Großindustrie so viel Wohltaten zu verdanken wie Heribert Zitzelsberger“, konstatierte die Berliner Zeitung einmal.
Die unter seiner Federführung konzipierte, 2001 in Kraft getretene „Unternehmenssteuer-Reform“ senkte den Körperschaftssteuersatz von 40 auf 25 Prozent ab. Wenn die Unternehmen ihren zu den alten Bedingungen versteuerten Gewinn nachträglich an die AktionärInnen ausschütteten, konnten sie sogar noch rückwirkend in den Genuss der Herabsetzung kommen. Der Leverkusener Multi ließ sich das nicht zweimal sagen, erhöhte seine Dividende auf astronomische 1,40 Euro und erhielt vom Finanzamt 250 Millionen zurück. Zudem stellte das Gesetzes-Werk Veräußerungsgewinne steuerfrei. Die Konzerne brauchten aus diesem Grund für den Erlös aus dem Verkauf von Unternehmensteilen keinen Cent mehr an den Fiskus abzuführen. Auch den Einkauf gestaltete der Staatssekretär günstiger. „In Deutschland können als einzigem Industrie-Land der Welt alle Ausgaben (...) de facto voll steuerlich abgesetzt werden“, kritisierten Lorenz Jarass und Gustav M. Obermair in ihrem Buch „Geheimnisse der Unternehmenssteuern“ Zitzelbergers Werk.
Und von seinen Nachfolgern gab es dann noch einmal Nachschlag. 2008 senkte die Große Koalition mit Peer Steinbrück als Finanzminister die Körperschaftssteuer auf 15 Prozent ab. Dass der SPD-Politiker im Gegenzug mittels einer Zinsschranke den Verkehr auf den konzern-internen Steuer-Verschiebebahnhöfen einschränkte und auch Leasing-Gebühren wieder in größerem Maße der Abgabe-Pflicht unterwarf, schmälerte den Wert des Steuergeschenkes nur wenig: Auf sechs Milliarden Euro bezifferte es die damalige Bundesregierung selber. Zwei Jahre später folgte mit dem „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“, das der in Folge der Finanzkrise darbenden Konjunktur Beine machen sollte, die nächste kleine Aufmerksamkeit. 2,4 Milliarden Euro an Steuer-Entlastungen brachte diese mit sich. CDU und FDP hoben die Zinsschranke wieder an und gestatteten den Unternehmen, beim Kauf von Firmen auch deren Verlust-Vorträge mit in die eigene Rechnung zu übertragen. Zudem erleichterten die Parteien BAYER & Co. die steuer-optimierende „regionale Ergebnis-Verteilung“ zwischen Tochter- und Muttergesellschaften. Und sogar Rationalisierungen konnten die Multis nun von der Steuer absetzen. Schwarz-Gelb ließ nämlich „den Abzug von Verlusten bei Umstrukturierungen innerhalb verbundener Unternehmen“ wieder zu.
Die Armrechenkünste international operierender Konzerne kosten die hiesigen Finanzämter rund fünf Milliarden Euro. Im Vergleich zu mittelständischen Unternehmen mit Deutschland als einzigem Standort zahlen die Big Player 30 Prozent weniger Steuern auf ihren Umsatz. Und so haben zwar die Gewinne der Multis die Finanzkrise längst hinter sich gelassen, das insgesamt von den Gesellschaften erbrachte Abgaben-Aufkommen aber nicht, da dieses vor allem die kleineren Firmen tragen müssen bzw. „die Gewerbesteuer die Rolle als stärkste Unternehmenssteuer übernommen hat“, wie es der langjährige Steuerausschuss-Vorsitzende des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“, Bernd Jonas, ausdrückt. Unterm Strich spielen jedoch sogar Gewerbe- und Körperschaftssteuer zusammen nur eine Nebenrolle. Gerade einmal 1,8 Prozent der Finanzamt-Einnahmen stammen aus diesen Quellen. Für den Rest sorgen die abhängig Beschäftigten.
In anderen Staaten stellt sich die Situation ähnlich dar. Seit Mitte der 1980er Jahre, als sich mit dem Neoliberalismus die angebotsorientierte, verstärkt auf das Wohl der Konzerne ausgerichtete Wirtschaftspolitik durchsetzte, hat ein Steuerabsenkungswettlauf ohnegleichen begonnen. In den Industrieländern sanken die Steuerhöchstsätze in dem Zeitraum von 45 auf 25 Prozent. Gleichzeitig boten sich den Konzernen immer mehr Möglichkeiten zur „kreativen Steuer-Gestaltung“. Nach Schätzungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben sie ca. 1.500 Milliarden Euro auf die Reise in die besten Steuer-Standorte geschickt und dem Zugriff der heimischen Behörden entzogen.

Leverkusen darbt
Wie sehr diese Konzern-Beglückung dem Gemeinwesen schadet, zeigt das Beispiel „Leverkusen“. Die Stadt, die der Stammsitz des wertvollsten bundesdeutschen DAX-Konzerns ist, darbt bereits seit zwei Dekaden. Mehrere Jahre lang musste die Kommune mit Nothaushalten über die Runden kommen, weil BAYER weniger Gewerbesteuern überwies – und manchmal wie 1999, 2001, 2003 und 2004 – auch gar keine. 2013 blieb ihr deshalb nichts anderes übrig, als dem Stärkungspakt Stadtfinanzen beizutreten. „So viel Schwimmbäder können wir gar nicht schließen, um die Steuerausfälle abzufangen“, klagte der Oberbürgermeister Paul Hebbel (CDU) 2002, nachdem der Pharma-Riese das Kunststück fertig gebracht hatte, den Skandal um den todbringenden Cholesterin-Senker LIPOBAY per Verlustvortrag von der Steuer abzusetzen. Die Verantwortlichen der ebenso gepeinigten Standort-Stadt Dormagen erhoben sogar Zweifel an der Seriosität der BAYER-Zahlen. „Dass der Gewinn bei Null liegt, kann mir keiner erklären. Und solange mir das keiner erklären kann, glaube ich es nicht“, so der damalige Kämmerer Jürgen Alef. Der Global Player gab ihm dann ein wenig Nachhilfe in Steuer-Arithmetik: „Wir müssen deutlich unterscheiden zwischen dem Bilanz-Gewinn eines Unternehmens und dem so genannten steuerpflichtigen Gewerbe-Ertrag, der für die Gewerbesteuer maßgeblich ist.“
2011 reichten dem Pharma-Riesen dann genau acht Buchstaben, bzw. deren Tilgung, um das Finanzamt zu düpieren. Er hatte die Entscheidung gefällt, keine Medikamente mehr unter dem Namen SCHERING zu vertreiben, und da der Wert der Marke in der Bilanz – aus welchen Gründen auch immer – mit 405 Millionen Euro angesetzt ist, schrumpfte der steuerpflichtige Gewinn entsprechend. Die letzte Hiobsbotschaft von BAYER erreichte Leverkusen erst Anfang Mai 2014 im Zusammenhang mit der Entscheidung des Pillen-Produzenten, vom US-Unternehmen MERCK die Sparte mit den nicht verschreibungspflichtigen Produkten zu erstehen. Im Zuge des Geschäfts versprach er zwar sogleich ein um zwei Prozent höheres Ergebnis pro Aktie und bezifferte den Effizienz-Gewinn auf 400 Millionen Euro, aber die Stadt profitiert nicht nur nicht davon, ihr erwachsen aus dem, was das Unternehmen seinen AktionärInnen gegenüber als zusätzliche „Synergie-Effekte“ pries, sogar noch erhebliche Nachteile. „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen“, hatte der Gen-Gigant zur Feier des Tages nämlich verlautbart. Im September 2014 gab er dem Stadtkämmerer Frank Stein die genaue Größe bekannt. Und der kam ganz geplättet aus dem Chemie-„Park“ zurück. Er muss als Synergie-Defekt nicht nur „Einbrüche im zweistelligen Millionen-Bereich“ hinnehmen, sondern für die beiden letzten Jahre auch noch – wohl vornehmlich an BAYER – Gewerbesteuer-Einnahmen zurückerstatten. Gerade einmal 60 Millionen Euro Gewerbesteuer wird die Kommune einnehmen. Der Haushaltsentwurf ist nun ebenso ein Fall für den Schredder wie das Entschuldungskonzept. „Der Sparkommissar winkt“, droht Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn schon, und sein Kämmerer blickt düster in die Zukunft. Bei der Gewerbesteuer „müssen wir künftig von ganz anderen Volumina ausgehen“, so Stein.

OECD vs. BAYER & Co.?
Aber die FinanzministerInnen der 20 größten Wirtschaftsmächte (G 20) wollen jetzt zu einer Rückhol-Aktion ansetzen, da das Treiben von BAYER & Co. zunehmend ihre Haushaltsplanung gefährdet. „Die G 20 sehen in der aggressiven Steuerplanung ein ernstes Risiko für die Steuereinnahmen, die Souveränität und für faire Steuersysteme weltweit“, erklärten die Industrienationen. Auf ihrem Moskauer G20-Treffen im Sommer 2013 beschlossen die PolitikerInnen unter anderem, bis zum September 2015 Regelungen zu einer verbesserten Steuer-Transparenz zu schaffen, Steuer-Schlupflöcher zu schließen und die Auswahl an ganz legalen Steuertricks zu beschränken. Zudem beabsichtigen sie, die steuermindernde Preisgestaltung bei konzern-internen Geschäften zu regulieren, welche die Finanzämter oft vor Probleme stellt. „Wie soll man als Finanz-Fahnder kontrollieren, ob die Herstellung von 20 ASPIRIN-Tabletten drei Euro oder drei Cent kostet“, klagte etwa ein Finanzbeamter einmal. 60 Prozent des Welthandels machen solche internen Geschäfte der OECD zufolge schon aus.
Auf ihrem Weg hin zu mehr Steuergerechtigkeit musste der Industrieländer-Verbund allerdings schon kräftig Federn lassen. So gelang es bei der 2014er-Zusammenkunft der G20-FinanzministerInnen im australischen Cairns nicht, eine Übereinkunft zu den Patentboxen zu treffen. Darum beschreiten immer mehr Länder den umgekehrten Weg und führen selbst eine solche Regelung ein. Zuletzt stieß Irland dazu. Auf internationalen Druck hin schloss das Land das berühmt-berüchtigte Steuer-Schlupfloch „Double Irish“ und schnitt den Konzernen damit den Weg auf die Bermudas via Dublin ab – um dann mit der Patentbox aber gleich ein neues aufzumachen.
BAYER hätte hierzulande ebenfalls gerne solch eine praktische Einrichtung. Immer wieder hatte der Konzern, auf die Praxis in anderen Ländern verweisend, die Einführung gefordert und schreckte dabei nicht einmal vor Drohungen zurück: „Es liegt auf der Hand, dass solche Unterschiede auch bei Standort-Entscheidungen den Ausschlag geben können“. Die Große Koalition macht nach der Devise „If you can’t beat them, join them“ jetzt auch Anstalten nachzuziehen, es könnte sich dabei allerdings auch um ein taktisches Manöver handeln, um andere Länder dazu zu bewegen, die Regelung wieder abzuschaffen. Gespräche darüber hat es auf der „Berlin Tax Conference“ Ende Oktober 2014 bereits gegeben – und sogar schon eine Deadline: 2020 haben die PolitikerInnen als Zeitpunkt für das Auslaufen des Steuerspar-Modells ins Auge gefasst. Ab dann soll es nur noch für die wirklich in dem jeweiligen Land erbrachten Forschungsleistungen Rabatte geben. Aber wenn eine solche einheitliche Regelung wirklich kommt, darf BAYER sich im Zuge der „Harmonisierung“ berechtigte Hoffnungen auf mehr „Forschungsförderung“ auch in heimatlichen Gefilden machen.
Und noch andere Schmankerl kündigen sich für BAYER & Co. an. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs nährt nämlich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke, weshalb sie vor einer ungewissen Zukunft steht. Zudem fühlen sich die Multis berufen, weitere Veränderungen anzumahnen. „Dringende Verfahrensvereinfachungen sind in der Einkommens-, der Umsatz-, der Gewerbe- und der Körperschaftssteuer erforderlich“, schrieben acht Wirtschaftsverbände unisono an die FachpolitikerInnen. Eine „Win-Win-Situation“ versprachen sie bei Vollzug. Und in Zeiten abschwächender Konjunktur-Daten wächst die Bereitschaft der Bundesregierung, die Wunschliste der Unternehmen weiter abzuarbeiten. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil stellte etwa schon einmal bessere Abschreibungsmöglichkeiten in Aussicht.

Gute Aussichten
Eine Kehrtwende in Sachen „Unternehmenssteuern“ haben BAYER & Co. also nicht mehr zu befürchten. Die Faz schreibt schon die ganze OECD-Initiative ab. „Niemand sollte sich zu viel davon versprechen“, mahnt die Zeitung. Allenfalls „die eine oder Ungereimtheit im internationalen Steuerrecht“ könnte am Ende auf der Strecke bleiben. Und Grundsätzliches wie die Hinterfragung der Berechtigung konzern-interner Geschäfte, globale Mindeststeuersätze, einheitliche Bemessungsgrundlagen, eine nach Ländern aufgeschlüsselte Veröffentlichung der Steuer-Zahlungen oder die Einführung von Quellensteuern – also der Pflicht, Abgaben dort zu entrichten, wo die wirkliche Produktion stattfindet –, kam gar nicht erst auf den Verhandlungstisch.
Gute Aussichten also für den Global Player. Und wie sollte ihm auch ausgerechnet im Kapitalismus, der nichts anderes will, als den Konzernen optimale Rahmenbedingungen für die Kapital-Verwertung zu liefern, die Steuer-Gesetzgebung zu Schaden gereichen? Falls dann die politische Landschaft doch einmal der besonderen Pflege bedarf, so stehen BAYER & Co. dafür genügend Möglichkeiten offen. Der Leverkusener Multi hat das schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts kultiviert. „Alle Schwierigkeiten lassen sich nur überwinden durch planmäßige Beeinflussung“, hielt der damalige Generaldirektor Carl Duisberg fest und gab die Marschroute vor: „Wo wir einwirken können und müssen, das ist die Parteipolitik ... Was ist zur Durchsetzung unserer Gedanken notwendig? Geld“. Heutzutage findet diese Einwirkung unter anderem durch die Schmalenbach-Gesellschaft statt, in dessen Arbeitskreis „Steuern“ BAYERs „Head of Tax“ Bernd-Peter Bier sitzt. Diese illustre Runde verfolgt nach eigener Aussage „das Ziel, die Entwicklungen des Unternehmensteuerrechts in der Bundesrepublik durch Veröffentlichungen und Diskussionsveranstaltungen zu begleiten. Ziel dieser Bemühungen ist es, im Sinne der Schmalenbach-Gesellschaft den Prozess der Gesetzgebung in Deutschland und die Aktivitäten in Europa zu begleiten und auf diese Weise an der Gestaltung der Unternehmensbesteuerung mitzuwirken.“ In Brüssel finden sich da noch Mitbegleiter wie die Lobby-Organisationen „Bundesverband der deutschen Industrie“ und „Business Europe“ sowie Steuerspar-Dienstleister wie PRICE WATERHOUSE COOPERS (PwC), über die der Leverkusener Multi die Steuer-Politik der EU steuern kann. Denn wie notierte der ehemalige US-Präsident Rutherford B. Hayes schon 1876 in sein Tagebuch: „Dies ist keine Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk mehr. Dies ist eine Regierung von Unternehmen, durch Unternehmen und für Unternehmen.“ Von Jan Pehrke

Schadstoffe

CBG Redaktion

Presse Information vom 20. März 2015

Schadstoff-Belastung von Schulen und öffentlichen Gebäuden

Neues Buch jetzt online

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute das Buch „Schadstoffe an Schulen und öffentlichen Gebäuden“ veröffentlicht. Autor ist der Biologe und Fachtoxikologe Dr. Hans-Ulrich Hill. Das Manuskript ist ab sofort online verfügbar.

Das Buch gibt einen Überblick zur Belastung öffentlicher Gebäude mit Gefahrstoffen wie Flammschutzmitteln, Pestiziden, Asbest, Lösungsmitteln und Polychlorierten Biphenylen (PCB). Auf 400 Seiten werden die Risiken für die Gesundheit – insbesondere von Kindern und Jugendlichen – dargelegt. Auch das Kartell von Behörden, Industrie und firmen-abhängigen Gutachtern, welches die Gefahren meist verharmlost und wirksame Sanierungen verhindert, wird untersucht. Abschließend beschreibt das Buch praktische Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Sanierung von Gebäuden.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Untersuchung von Dr Hans-Ulrich Hill gibt einen wertvollen Überblick zur – oftmals wissentlich erfolgten – Kontamination öffentlicher Gebäude und zum schäbigen Umgang mit den Betroffenen. Aus den massenhaften Vergiftungen müssen dringend Konsequenzen gezogen werden: Wir benötigen industrie-unabhängige Toxikologen und Gutachter zur umfassenden Untersuchung aller Schäden. Zudem müssen Firmen, die wissentlich Gefahrstoffe verkauft haben, nach dem Verursacherprinzip haften. Auch müssen strafrechtliche Konsequenzen gezogen werden.“

Untersuchungen in den 90er Jahren zeigten, dass allein 15.000 Schulen mit hochgiftigen PCB belastet waren. PCB sind krebserregend, können Hormon- und Immunsystem schädigen und Schilddrüsen, Leber und Nieren angreifen. Die Sanierung der belasteten Gebäude dauert bis heute an und verschlingt Milliarden; die Kosten bleiben zum größten Teil an Ländern und Kommunen hängen. Die PCB-Hersteller, in erster Linie die Firmen MONSANTO und BAYER, hatten die Gefahren zwar frühzeitig gekannt. Dennoch mussten sich die Unternehmen an den horrenden Kosten nicht beteiligen und wurden auch nicht juristisch belangt.

Dr. Hans-Ulrich Hill arbeitet als Fachjournalist und Gesundheitsberater in den Bereichen Umweltchemikalien und Umweltmedizin. Zuvor erschienene Bücher von ihm sind „Chronisch krank durch Chemikalien“ (3. Auflage 2012), „Umweltschadstoffe und Neurodegenerative Erkrankungen des Gehirns“ (4. Auflage 2014) und „Multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS) – Ein Krankheitsbild der chronischen Multisystemerkrankungen“ (3. Auflage 2010).

ausführliche Informationen zum Thema PCB

[BAYER HV 2015] Hauptversammlung 2015

CBG Redaktion

Am 27. Mai fand in Köln die BAYER-Hauptversammlung statt. Die HV stand im Zeichen heftiger Proteste. Zusammen mit Umweltorganisationen und Geschädigten prangerte die Coordination gegen BAYER-Gefahren die Schattenseiten der Konzern-Profite an. In 26 Redebeiträgen wurden risikoreiche Pharmaprodukte, gentechnisches Saatgut, Plastikmüll, Tierversuche und gefährliche Pestizide kritisiert.

alle Redetexte der Kritischen Aktionär/innen

=> Aktionsbericht und Artikel zu den Forderungen der Kritiker

=> Fotos von den Aktionen

taz: Coordination schaltet 4-seitige Beilage

Medienberichte
=> Lev Anzeiger: Steuerzahler Bayer unter der Lupe
=> taz: Protest wegen Bienensterben
=> Rheinische Post: Bayer-Aktionäre treffen auf heile und kranke Welten
=> junge Welt: Chemiemulti am Pranger
=> Leverkusener Anzeiger: Protest zur Bayer-Hauptversammlung
=> Rheinische Post: Pillen-Protest zur Bayer-Versammlung
=> Neuss-Grevenbroicher Zeitung: Bayer-Kritiker monieren die MaterialScience-Abspaltung
=> Apotheke Adhoc: Yasmin-Proteste vor Bayer-Hauptversammlung

Gegenanträge
=> Coordination fordert Verbot von Mikroplastik / Gegenantrag eingereicht
=> Coordination reicht Gegenantrag zur Ausgliederung von Bayer MaterialScience ein
=> Fake Werbung: CBG fordert Nicht-Entlastung des Vorstands von BAYER
=> CBG reicht Gegenantrag zu Plastikmüll von BAYER ein
=> Coordination reicht Gegenantrag zum MS-Präparat Betaferon ein
=> Gegenantrag zur CO-Pipeline Dormagen Leverkusen

Presse Infos
=> Glyphosat und Glufosinat freiwillig vom Markt nehmen
=> Kritik an Steuerflucht und intransparenter Aktionärs-Struktur
=> Verhütungsimplantat Jadelle: Protest gegen bevölkerungspolitisch motivierte Vermarktungsoffensive
=> Geschädigte fordern Verbot gefährlicher Antibaby-Pillen
=> Protest gegen Kohlenmonoxid-Pipeline in Gedenken von Kläger Heinz-Josef Muhr
=> SumOfUs protestiert in BAYER-Hauptversammlung gegen bienenschädigende Insektengifte
=> BAYER Hauptversammlung: Protest gegen Plastikmüll

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[Fake Werbung] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

Gefakte Jubel-Postings

Marken-Pflege à la BAYER

Die PR-Agentur Mhoch3 hat für BAYER und andere Firmen über Jahre hinweg gefälschte Postings in Onlineforen platziert. Auf hunderttausende Kommentare brachte es das österreichische Unternehmen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert strafrechtliche Ermittlungen gegen die Verantwortlichen.

Von Philipp Mimkes

Mehr als 10 Prozent ihres Marketing-Budgets geben große Konzerne für Social Media aus. Die Unternehmen streuen Werbeclips, die auf ein junges Publikum abzielen, über YouTube. Auf Flickr halten sie Foto-Wettbewerbe ab, und auf Facebook initiieren sie Gewinnspiele. Täglich scannen die Firmen Millionen von Postings, um das Verhalten der KonsumentInnen in Echtzeit zu erfassen und personalisierte Werbung zu ermöglichen.
Zugleich nehmen private Internet-Kommentare bei der Bewertung neuer Produkte einen immer größeren Raum ein. Die Urteile unabhängiger User wirken glaubhafter als die Werbeversprechungen der Hersteller. Doch die scheinbar demokratische Internet-Welt weckt Begehrlichkeiten: immer wieder werden Unternehmen dabei erwischt, wikipedia-Einträge zu frisieren, positive Kommentare selbst zu verfassen oder im Internet Schleichwerbung zu betreiben.
Wie systematisch auch die sozialen Medien unterwandert werden, offenbaren Dokumente von whistleblowern, die das österreichische Magazin Datum erhalten hat. Demnach veröffentlichte allein die Wiener Agentur Mhoch3 mehrere hunderttausend gefälschter Postings. Dutzende Belegschaftsangehörige schufen Tausende von Identitäten, die sich im Netz über Reiseziele, Autos, Glücksspiele oder neue CDs ausließen.
Die von Mhoch3 gefakten Kommentare finden sich zu rund 80 Prozent auf deutschen Foren, darunter Plattformen und soziale Netzwerke wie GuteFrage.net oder YouTube, Nachrichtenseiten wie Spiegel Online und focus.de sowie Sparten-Angebote wie MeinAuto.de. Die PR-Profis geben sich dabei meist als unbedarfte NutzerInnen aus, die aus Freundlichkeit Unterstützung anbieten. Rechtschreibfehler und persönliche Fragen sollen dabei Authentizität suggerieren.
Nach Aussage des Geschäftsführers von Mhoch3, Martin Kirchbaumer, bietet das Unternehmen das sogenannte „Online-Reputationsmanagement“ seit zehn Jahren an und betreibt es auch weiterhin. Zu den Kunden der Agentur gehören Unternehmen wie TUI, OPEL, die BANK AUSTRIA und die Musikfirma UNIVERSAL. Zum Aufgaben-Profil heißt es in den Verträgen: „Tägliches professionelles Verbreiten der Informationen in allen passenden und relevanten Kanälen bzw. Zielgruppen“ oder „laufendes Posten für die Aufrechterhaltung der positiven Diskussionen“. Bei reaktiven Kampagnen, mit denen auf negative Vorkommnisse reagiert wird, versprechen die PR-Leute, innerhalb von einer Stunde aktiv werden zu können.

Flächendeckende Unterwanderung
Nach Berechnung des Magazins Datum veröffentlicht allein Mhoch3 jährlich rund 80.000 bis 100.000 PR-Postings. Neue Angestellte erfinden zunächst eine Reihe von Online-Identitäten, die mit Namen, Alter, Fotos, Hobbys und Kindern ausgestattet werden. Je nach Wünschen des Auftraggebers vermögen sie dann in die Rolle eines Familienvaters zu schlüpfen, der eine Ferienunterkunft mieten möchte, oder in die einer Studentin auf der Suche nach einer neuen Digitalkamera. Vor jeder Kampagne erhalten die PR-SchreiberInnen eine Schulung, mitunter sogar persönliche Vorträge der Kunden.
Im Auftrag eines Glücksspiel-Anbieters heißt es dann zum Beispiel: „Was verboten gehört, sind unnötige Bevormundungen von Seiten des Staates“ oder noch direkter: „Ich hab auch Bekannte, die sich bei win2day ganz schön was dazuverdienen“. Im Dienst eines Kamera-Herstellers wiederum stand folgendes Posting: „Bildstabilisator? Gut entscheidung. Ich glaube mit dem sigma 150mm wirst du viel spaß haben bei makroaufnahmen“. Viele der gefakten Kommentare finden sich bis heute im Netz.
Allein die Aktivitäten von Mhoch3 decken weite Teile der virtuellen Welt ab. So wird in einer Abrechnung für den Reiseveranstalter TUI eine Reichweite von bis zu drei Millionen Usern berechnet. Zwar kennt niemand die Zahl der Anbieter; es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass keine Nische des Internets frei von Fälschungen ist.
Ein wie auch immer geartetes Unrechtsbewusstsein ist bei Mhoch3 nicht vorhanden. Die MitarbeiterInnen werden von Agentur-Chef Kirchbaumer auf Nachfrage zu „Online-Journalisten“ geadelt, deren Aufgabe es sei, „böswillige Verleumdungen in das richtige Licht“ zu rücken. Den Unterschied von Wahrheit und Lüge sieht er nicht so eng, denn „unsere Redakteure bewegen sich in einem Kulturkreis, wo weder die Identität offengelegt wird noch die Interessenslage“.

Gute Plattform für BAYER
Im Fall des Chemiekonzerns BAYER warb Mhoch3 unter anderem für Flohmittel wie ADVANTIX, ADVANTAGE und KILTIX aus der Veterinärsparte des Konzerns, die giftige Pestizid-Wirkstoffe wie Imidacloprid, Propoxur oder Flumethrin enthalten. Zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit sollten die Beschäftigten eigens ein Haustier erfinden. In Internet-Einträgen heißt es dann etwa: „Benny was hast du deiner katze letzt endlich gegeben damit die Flöhe verschwinden? Wir behandeln immer mitn Spot On von Bayer namens Advantage- kennst du das?...wünsch Euch viel Glück!“.
Noch kritischer zu bewerten ist das Marketing für die umstrittene Hormonspirale MIRENA, durch das auch eine Gesundheitsgefährdung der Anwenderinnen in Kauf genommen wird. Denn obwohl für MIRENA Berichte über teils schwerwiegende Nebenwirkungen vorliegen, veröffentlichte die Agentur Postings im Tonfall hilfsbereiter Freundinnen: „also ich hab mir vor einem jahr die hormonspirale mirena einsetzen lassen und ich muss sagen, dass ich sehr zufrieden damit bin. hatte am anfang angst vor dem einsezten, doch das war halb so schlimm“ (Olivia34, psychologie.at) oder: „Ich habe mir die Mirena einsetzen lassen, ist ebenfalls eine hormonspirale und damit hatte mein Frauenarzt sehr gute Erfahrungen bereits gemacht (…) – das kann ich voll empfehlen“.
Auch gehörte es zu den Aufgaben der Agentur, die zahlreiche Berichte über unerwünschte Reaktionen zu entkräften: „@ sporzal: mein tip es könnte auch eventuell nicht von der mirena kommen, sondern eventuell eine Allergie sein, ich hab das leider auch erst mal in vor kurzer zeit festgestellt, ich hatte echt total oft Kopfweh und das ist nicht lustig – das kann ich nachvollziehen“. Die erfundene Userin „MauMau“ begab sich hierfür eigens in das hormonspirale-forum.de, in dem sich betroffene Frauen über ihre Erfahrungen mit MIRENA austauschen.
Für den Leverkusener Multi, der unlautere Werbe-Methoden offiziell ablehnt – „Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“ –, hat sich das Investment offenbar gelohnt. Das interne Fazit von Mhoch3 nach der MIRENA-Kampagne kommt zu dem Ergebnis: „Grundsätzlich ist zu sagen, dass das Internet eine ideale Plattform zur Verbreitung von Informationen zum Thema Verhütung darstellt“. In zahlreichen Fällen hätten die Reaktionen der Nutzerinnen gezeigt, dass sie den freundlichen Kommentaren Glauben schenkten und sich für die Spirale interessierten. Der Umsatz für die Spirale stieg im vergangenen Jahr auf über 700 Millionen Euro.

Werbeverbot umgangen
Jan Pehrke vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert strafrechtliche Ermittlungen gegen die Verantwortlichen: „Unlautere Medikamentenwerbung hat bei BAYER Tradition. Im vorliegenden Fall sollten ganz offensichtlich die Gesetze umgangen werden, denn Werbung für verschreibungspflichtige Präparate wie MIRENA ist schlichtweg verboten. Wir dürfen nicht zulassen, dass Pharmahersteller die Risiken von Medikamenten verharmlosen und schamlos die öffentliche Diskussion manipulieren!“.
Der BAYER-Konzern gibt pro Jahr rund zehn Milliarden Euro für Werbung und Vertrieb aus. Hierunter fällt der gesamte Graubereich des Pharma-Marketings: Medikamenten-Proben für Praxen und Krankenhäuser; Anwendungs-Studien, deren Ergebnisse meist in der Schublade verschwinden; Finanzierung von Fortbildungen und Ärzte-Kongressen; die Arbeit tausender Pharma-ReferentInnen; Spenden an medizinische Fachgesellschaften und Lobbyverbände etc. Eine Aufschlüsselung der gewaltigen Marketing-Ausgaben lehnt der Konzern – auch auf Nachfrage – ab.
In den vergangenen Jahren verlagerte BAYER immer mehr Marketing-Aktivitäten in das Internet. So betreibt das Leverkusener Unternehmen eigene Webseiten wie pille.com oder testosteron.de, die es als „Informationsangebote“ tarnt. Auch hierdurch soll das Werbeverbot für Medikamente umgangen werden. Häufig überschreitet das Marketing die Grenzen des Erlaubten; die Strafen für unlautere Werbung kalkuliert der Konzern jedoch von vornherein mit ein – er kann sie aus der Portokasse begleichen.
Axel Köhler-Schnura von der CBG kommt daher zu dem Ergebnis: „BAYER betreibt für viele Medikamente unverantwortliches Marketing. Aktuell sind zum Beispiel die Antibabypillen aus der YASMIN-Reihe oder der Gerinnungshemmer XARELTO zu nennen – beides Präparate mit hohem Gefährdungspotenzial. Zudem unterwandert die Pharmaindustrie Selbsthilfegruppen und Patienten-Verbände. Zusammenfassend lässt sich sagen: Für goldene Bilanzen geht BAYER auch über Leichen.“

weitere Informationen:
=> Artikel „Die Netzflüsterer“: http://www.datum.at/artikel/die-netzfluesterer
=> BAYER verschleiert Marketing-Ausgaben
=> Pharmamarketing bei BAYER
=> Social Marketing bei BAYER
=> Informationen zu Mirena

[Werbung Xarelto] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

BAYERs Verkaufsoffensive

Der XARELTO-Masterplan

Der Leverkusener Multi drückt seinen neuen Gerinnungshemmer XARELTO aggressiv in den Markt. Er geht dabei nach einem Masterplan vor, der einen erschütternden Einblick in die kruden Marketing-Methoden des Konzerns gewährt.

Von Jan Pehrke

„Ich bin in Eindhoven aufgewachsen, mich haben die Erfahrungen von PHILIPS geprägt. PHILIPS hat vor 30 Jahren vieles erfunden, aber es waren meistens andere, die am Markt erfolgreich waren“, mit diesen Worten begründete BAYER-Chef Marijn Dekkers in der Süddeutschen Zeitung, warum ihm das Marketing so sehr am Herzen liegt. Folgerichtig bestand eine seine ersten Amtshandlungen beim Leverkusener Multi darin, die Aufwendungen in diesem Bereich zu erhöhen. Beliefen sich die sogenannten Vertriebskosten im Jahr 2010 noch auf „nur“ 8,8 Milliarden Euro, so steigerten sie sich unter der Ägide des Holländers bis 2013 auf über zehn Milliarden Euro. „Die neuen Produkte müssen schließlich auch verkauft werden“, heißt es dazu lapidar. Ein Großteil des Werbe-Etats floss dabei in den Pharma-Sektor und diente hauptsächlich der Lancierung eines Medikamentes: des Gerinnungshemmers XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban.

BAYERs Märchenstunde
Nach einem detailliert ausgearbeiteten Masterplan geht der Pillen-Riese bei seinen Vermarktungsaktivitäten vor. „Die Kraft des Geschichtenerzählens entfesseln“ – so heißt die Strategie für 2014. Da das Jahr eines „mit wenig ‚harten Neuigkeiten’“ ist, halten die PR-ExpertInnen fest: „Es wird wichtig für uns sein, unsere eigenen Neuigkeiten zu kreieren.“ Und den Rahmen für die diesjährige Märchenstunde steckt der „2014 XARELTO PR Plan“ ab. Zwei Geschichten stellt er den Pharma-DrückerInnen zur Auswahl: die „Giving back“-Geschichte und die „Continuing to Circulate“-Geschichte.
In der „Giving back“-Story gibt die Arznei allen etwas zurück. Den PatientInnen winken weniger ÄrztInnen-Termine, mehr Komfort und mehr Freiheit. Die MedizinerInnen dürfen sich derweil dank des unkomplizierten Handlings über mehr Zeit und folglich mehr Geld freuen. Auf Kongressen rechnete BAYER ihnen schon haarklein die Effizienz-Gewinne vor, die sich daraus ergeben, auf das Spritzen des Medikamentes verzichten zu können. Die „Stoppuhr-Studie“ wartete mit dem Befund auf, „dass für die Gabe einer Tablette durchschnittlich 46 Sekunden weniger aufgewendet werden müssen als für eine Injektion. Auf einer Station mit 40 Betten ergibt sich so eine tägliche Zeitersparnis von ca. 30 bis 40 Minuten“. Damit nicht genug, passt die „Zurückgeben“-Story den Werbe-StrategInnen zufolge auch noch bestens zu dem Ansinnen des Leverkusener Multis, „mittels Sponsoring und Fortbildungsinitiativen“ die Marktführerschaft bei den Gerinnungshemmern zu übernehmen.
Die Zirkulationsgeschichte hingegen handelt von einem sagenumwobenen Elixir, das den roten Saft in den Adern auf wundersame Weise ertüchtigt und so arme Seelen wieder dem Rad des Lebens zuführt, ohne die Kreise der weißen Halbgötter weiter durch lästige Blut-Untersuchungen zu stören.
Unabhängig davon, für welche der Geschichten sich die Pharma-Manager schließlich entschieden haben, Alona Rudnitsky dürfte in jeder von ihnen eine Rolle gespielt haben. Diese Figur haben sich die Pillen-PoetInnen ausgedacht, um für den nötigen „Human Touch“ zu sorgen. Und das hört sich dann so an: „Alona Rudnitsky, 69, musste jahrelang jeden Monat ihre Gerinnungswerte kontrollieren lassen. Jetzt verbringt sie diese Stunden mit ihrer Enkelin und muss sich um ihre Gerinnungswerte keine Sorgen mehr machen.“ Auch die Krankengeschichte Hillary Clintons, in deren Kopf ÄrztInnen schon zweimal Blutgerinnsel aufgespürt haben, halten die ÖffentlichkeitsarbeiterInnen für erzählenswert, weil sie am Beispiel einer weithin bekannten Person die Dringlichkeit der Gabe von Blutverdünnern unterstreicht.
Der Frage der Risiken und Nebenwirkungen von XARELTO will der Masterplan offensiv begegnen. „BAYER HEALTHCARE durch eine proaktive Kommunikation der Blutungsrisiken und der verantwortungsvollen Einnahme als tonangebend in der Sicherheitsdebatte positionieren“, nimmt er sich vor. Darum rät er den Konzern-Beschäftigten auch, den heiklen Punkt, dass es zu der Arznei kein Gegenmittel gibt, das im Falle eines Falles Blutungen stillen kann, wie es bei Marcumar und anderen Vitamin-K-Antagonisten (VKA) das Vitamin K als Antidot tut, von selber anzusprechen. Dabei gilt es allerdings, den Nutzen dieser Notfall-Medizin in Zweifel zu ziehen. Die „Mythen rund um VKA-Antidote“ zu zerstreuen, lautet die entsprechende Arbeitsanweisung.
Die entsprechenden Textbausteine dafür hatte vorher schon eine Handreichung bereitgestellt, welche die Außendienst-MitarbeiterInnen in die Lage versetzen wollte, auf den Spiegel-Artikel „BAYER-Blutverdünner XARELTO unter Verdacht“ zu reagieren, der von 72 Todesfällen und 750 Meldungen über unerwünschte Arznei-Wirkungen allein in den ersten acht Monaten des Jahres 2013 berichtet hatte. Während der Leverkusener Multi – letztlich erfolglos – versuchte, via Presserat gegen die Veröffentlichung vorzugehen, lieferte das Schriftstück „Talking Lines“ für die Krisen-Kommunikation. Eigentlich bräuchte XARELTO gar kein Antidot, lautete eine der Sprachregelungen, denn schon ein simples Absetzen rufe den Vitamin-K-Effekt hervor, da sich das BAYER-Produkt schon binnen 8 bis 12 Stunden im Körper abbaue und nicht erst nach ein paar Tagen wie Marcumar & Co. Auch die schon von zahlreichen BAYER-Hauptversammlungen bekannte rhetorische Figur, welche die Meldungen über Nebenwirkungen als bloße Verdachtsfälle abtut, empfehlen die AutorInnen zur Weiterverwendung: „Es ist wichtig festzuhalten, dass gemeldete unerwünschte Arznei-Effekte nicht notwendigerweise bedeuten, dass es einen Kausalzusammenhang zwischen ihnen und dem Produkt gibt.“ Vier Hauptbotschaften sollten die mit dem Medikament befassten Beschäftigten MedizinerInnen, Medien und Öffentlichkeit dem Dokument zufolge übermitteln: Das Nutzen/Risiko-Profil von XARELTO bleibt günstig; das sich in der Praxis herauskristallisierte Sicherheitsprofil bestätigt die Ergebnisse der klinischen Tests; das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ hat jüngst das positive Nutzen/Risiko-Profil bestätigt; BAYER tut alles, ÄrztInnen dazu anzuhalten, einen verantwortlichen Umgang mit dem Gerinnungshemmer zu pflegen.

Beziehungsarbeit
Damit „die Macht des Geschichtenerzählens“ auch ihr ganzes Potenzial zu entfesseln vermag, müssen ihr viele Kanäle zur Verbreitung zur Verfügung stehen. Für BAYERs PR-Abteilungen in den einzelnen Ländern gibt der „2014 XARELTO PR Plan“ deshalb die Devise aus: „Das Netzwerk mit den einheimischen MedienvertreterInnen stärken und ausweiten“. Darüber hinaus hält er es für angeraten, Beziehungen zu besonders einflussreichen JournalistInnen aufzubauen. Auch direkte Anrufe bei Redaktionen zur Lancierung des Medikamentes – im Fachjargon „media sell-in“ genannt – gehören zum Instrumentarium. Zudem regt das 50-seitige Strategie-Papier an, Roundtables mit SchreiberInnen zu organisieren, „um die XARELTO-Story zu pushen“, und Fortbildungsveranstaltungen abzuhalten.
In medizinische Fachzeitschriften wollen die Verkaufsprofis mittels anerkannter ExpertInnen dringen, die sich als Mietmäuler hergeben und dem Gerinnungshemmer so die nötige wissenschaftliche Autorität verleihen. Schon 2013 hatte sich Dr. Michael Spannagl von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität für so etwas zur Verfügung gestellt. Auf Kongressen und Fortbildungsveranstaltungen pries der Herr Professor das Pharmazeutikum an. Bis August 2013 brachte er es auf 19 Referate zum Thema – und einen Nebenverdienst von 16.200 Euro. Zudem gelang es ihm, in der Publikation Der Allgemeinarzt eine XARELTO-Laudatio zu platzieren, ohne seine Beziehungen zu BAYER offenzulegen. Ein „klares Versäumnis“ sei das gewesen, gesteht Spannagl dem Spiegel später und räumt auch ein, XARELTO und die anderen neuen Gerinnungshemmer seien „im Marketing zu banal dargestellt“ worden. Andere „Key Opinion Leader“, die in dem betreffenden Jahr auf der Payroll des Konzerns landeten und als Werbeträger für die Arznei dienten, waren Professor Dr. Rupert Bauersachs vom Klinikum Darmstadt und Professor Dr. Johannes Brachmann vom Klinikum Coburg. Auch anderweitig nutzte der Pillen-Riese noch Kongresse und andere Branchen-Zusammenkünfte „als Plattform, um die XARELTO-Story zu erzählen“. So bestückte er sie mit Werbeständen und hielt auf ihnen Symposien zu dem Produkt ab.
Frühere PR-Pläne für das Medikament setzten sogar auf eine Art von Direkt-Marketing. BAYER sandte ÄrztInnen XARELTO-Muster per Post zu. Weil dieses seit Mitte der 1980er Jahre aber eigentlich verboten ist, sofern keine Anforderung vorliegt, ließ der Konzern die ÄrztInnen Empfangsbestätigungen unterschreiben, die ihm als „Just-in-Time“-Antrag für die Proben galten. Das brachte dem Leverkusener Multi nicht nur eine Anzeige der industrie-unabhängigen Publikation arznei-telegramm ein, sondern auch eine Vorladung bei der „Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittel-Industrie“ (FSA). In den USA bekam das Unternehmen ebenfalls Ärger. Die Gesundheitsbehörde FDA verwies die XARELTO-Geschichte, wonach dem Mittel eine Herzinfarkt-vorbeugende Wirkung zukomme, ins Reich der Märchen. Sie wies den Pharma-Riesen stattdessen an, sich an den weit profaneren Text des Beipackzettels zu halten, der die Story ein wenig anders erzählt und vor einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko warnt.
Davon ließ die Marketing-Abteilung sich aber nicht sonderlich beeindrucken. Sie spintisierte munter weiter und fand genug Gläubige. Die Verkäufe schossen in den Himmel. In den ersten neun Monaten des Jahres 2014 konnte XARELTO die Zahlen im Vergleich zu 2013 fast verdoppeln. Von 633 Millionen Euro auf 1,16 Milliarden Euro kletterten sie und verwiesen das Konkurrenz-Produkt PRADAXA mit dem Wirkstoff Dabigatran klar auf die Plätze. Dabei hatte das Medikament bereits 2013 enorm zugelegt. Den Grund dafür wusste der „Arzneimittelreport 2014“ ganz deutlich zu nennen: „Da Dabigatran länger auf dem Markt erhältlich ist und früher eine Zulassungserweiterung als Rivaroxaban bekommen hatte und da bis heute keine pharmakologischen Vorteile oder gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Wirkstoffen belegt wurden, kann diese extreme Steigerung bei Rivaroxaban nur durch Marketing- und Werbemaßnahmen zustande gekommen sein.“

Infos zu Xarelto

[Verkauf BMS] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

BAYER stößt Plaste-Geschäft ab

Die Chemie stimmt nicht mehr

2013 hatte BAYER noch mit pompösen Feierlichkeiten seinen 150. Geburtstag begangen. Fast auf den Tag genau ein Jahr später legt der Konzern seine Chemie-Geschichte ad acta: Er gibt bekannt, sich von seiner Kunststoff-Sparte trennen zu wollen. Damit beugt der Leverkusener Multi sich dem Drängen der Finanzinvestoren, die einen solchen Schritt seit Langem gefordert haben, und setzt 16.800 Beschäftigte einer ungewissen Zukunft aus.

BAYERs Wurzeln liegen in der Chemie. Seinen Anfang nahm das Unternehmen 1863 mit der Fertigung von synthetischen Farben. Nach und nach kamen dann Arzneimittel, Kunststoffe, Kunstfasern, Pestizide sowie andere Produkte dazu und stellten den Konzern auf vier Säulen: Chemie, Kunststoffe, Pharma und Landwirtschaft. Diese trugen mehr als hundert Jahre. Aber ab den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geriet die Struktur unter Druck. Der Neoliberalismus und die in seinem Zuge erstarkten Finanzmärkte gaben die Parole „Konzentration auf das Kerngeschäft“ aus. Nach dieser Ideologie sollten die Konzerne den Schwerpunkt auf solche Bereiche legen, in denen sie zu den Top-Anbietern auf dem Weltmarkt gehörten, und den Rest abstoßen. Um den Forderungen Nachdruck zu verschaffen, straften die großen Investoren Zuwiderhandlungen von BAYER & Co. mit einem „Konglomeratsabschlag“. Diesen nahm die Aktien-Gesellschaft lange Zeit in Kauf. Das 4-Säulen-Modell mit seiner komplexen Konstruktion schützte sie nämlich vor feindlichen Übernahmen. Zudem erlaubte es dem Global Player, Schwächephasen einer Sparte mit guten Erträgen bei anderen auszugleichen. Das, was die BörsianerInnen verächtlich „Quersubventionierung“ nannten, half ihm beispielsweise, die Krise um den Cholesterinsenker LIPOBAY zu überstehen, dessen todbringende Nebenwirkungen den Multi zu Schadensersatz-Zahlungen in Milliarden-Höhe zwangen.

BAYER wird zur Holding
Dennoch schwächte der Pharma-GAU das Unternehmen, das sich gerade auf einen Börsengang an der Wall Street vorbereitete, so sehr, dass es den Märkten Entgegenkommen signalisierte – zunächst nur formal. Der Konzern verlieh sich im Jahr 2002 eine Holding-Struktur und spaltete sich in vier voneinander völlig unabhängige Aktien-Gesellschaften auf, was die Loslösung der einzelnen Sparten bedeutend erleichterte. Einen „Umbruch, tief greifender als jeder andere in der BAYER-Geschichte“ nannte der heutige Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning damals diesen Schritt. Er frohlockte, das Unternehmen werde dadurch „Werttreiber und Wertvernichter noch leichter identifizieren können“ und verkündete unheilvoll: „BAYER wird in der Lage sein, schneller die Konsequenzen daraus zu ziehen.“
Entsprechend positiv reagierte der Aktienmarkt – und entsprechend besorgt zeigten sich Belegschaft und Gewerkschaft. Für sie unterminierte die neue Gesellschaftsform die Tragfähigkeit der Säulen „Chemie“, „Kunststoffe“, „Pharma“ und „Landwirtschaft“. Darüber hinaus sahen sie durch die Vierteilung ihren Einfluss schwinden. Nur zähneknirschend gaben die VertreterInnen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE im Aufsichtsrat deshalb ihr Placet. Die Zustimmung habe man sich nur durch teure Zugeständnisse abringen lassen, verteidigte sich der damalige Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erhard Gipperich und zählte die Übernahme des beschäftigungssichernden Standort-Vertrags durch die AGs, die Schaffung von Standort-Betriebsräten und die Beibehaltung des Gesamtbetriebsrats zu den Verhandlungserfolgen. Der zu dem Zeitpunkt das Amt des IG-BCE-Vorsitzenden innehabende Hubertus Schmoldt kündigte darüber hinaus eine spezielle Tarif-Regelung für die neue Holding an. „Auch das gibt Sicherheit, dass BAYER nicht den Weg der früheren HOECHST beschreitet und sich nach völliger Aufspaltung nur auf den Pharma-Bereich konzentriert“, meinte er.

Die erste Säule fällt
Schon ein Jahr später trieb der Leverkusener Multi dann vermeintliche Wertvernichter auf: Er gab wegen angeblich zu geringer Renditen die Trennung von der Chemie-Abteilung und von Teilen der Kunststoff-Sparte bekannt. Ein Fünftel des Unternehmens stellte der Konzern damit zur Disposition. Nachdem er vorher schon die Geschäftsfelder „Anorganische Chemie“, „Titandioxid“, „Silikon“, „Ingenieur-Keramik“ und „Textil-Farben“ abgestoßen hatte, verabschiedete der Global Player sich nun von diversen Kunststoffen sowie von den Faser-, Leder-, Textil- und Papier-Chemikalien.
Die AktionärInnen jublilierten. Nach den entsprechenden Presse-Meldungen stieg die Aktie um acht Prozent. An den Standorten löste die Nachricht indes einen Schock aus. In Leverkusen gingen BAYER-Beschäftigte sogar auf die Straße und forderten den Erhalt der Chemie-Sparte. Die IG BCE segnete das Vorhaben jedoch – mit dem inzwischen schon habituell gewordenen Zähneknirschen – ab. „Das Herz sagt nein, der Kopf sagt ja”, so Erhard Gipperich. „Hätten wir uns verweigert, wäre es nach 2004 zu Entlassungen gekommen – im großen Stil”, meinte er, abermals auf Konzessionen von Seiten BAYERs verweisend wie etwa die Zusage, die „Standortsicherungsvereinbarung” bis Ende 2007 zu verlängern. Während der inzwischen zum Vorstandsvorsitzenden aufgestiegene Werner Wenning bekundete, der Konzern werde sich künftig „ohne Wenn und Aber” auf Pharma, Landwirtschaft und hochwertige Kunststoff-Materialien stützen, zog die Abspaltung unter dem Namen „LANXESS“ an die Börse. Dort spaltete der als BAYERs „Reste-Rampe“ titulierte Neuling kräftig weiter ab, um die Rendite-Vorgaben des Aktienmarktes erfüllen zu können – und kämpft aktuell mit enormen Schwierigkeiten.

BMS fällt
Der Aderlass ging unterdessen weiter. Dem Manager Magazin zufolge hatte der Leverkusener Multi schon 2007 nach einem Käufer für BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) Ausschau gehalten, aber die Finanzkrise stoppte die Versuche. Zwei Jahre später machten dann Meldungen über Verhandlungen mit der INTERNATIONAL PETROLIUM INVESTMENT COMPANY (IPIC) die Runde. Aber erst der neue BAYER-Chef Marijn Dekkers sollte die Sache schließlich unter Dach und Fach bringen. Schon als die Konzern-Oberen sich auf die Suche nach einem neuen Vorstandsvorsitzenden machten, gehörte ein „Track Record im Portfolio-Management“, also Erfahrung im Kaufen von Firmen und Verkaufen von Betriebsteilen, zum Anforderungsprofil. Und über diese verfügte Dekkers nicht zu knapp. Bei seinem früheren Arbeitgeber hatte er 45 Firmensparten veräußert, die Hälfte der 130 Fabriken dicht gemacht und 5.000 von 13.000 Arbeitsplätzen vernichtet, ehe er FISHER SCIENTIFIC erwarb und damit die Beschäftigtenzahl auf 35.000 erhöhte. Auf solche „Talente“ setzte der Kapitalmarkt. „Von Wennings designiertem Nachfolger Marijn Dekkers erhoffen sich viele Analysten, dass sich der erste nicht im Konzern aufgewachsene Vorstandschef möglichst schnell vom ungeliebten Kunststoff-Geschäft trennt“, hielt der Der Platow-Brief zur Amtseinführung fest. Und das Handelsblatt formulierte ähnliche Erwartungen. Vorerst jedoch hielt der Holländer sich bedeckt. „Für Aussagen ist es viel zu früh“, konstatierte er und nannte als sein Credo: „Evolution statt Revolution“.
Aber im September 2014 gab es dann doch die Revolution, nachdem es vorher schon zu einigen Aufstandsversuchen in Sachen „BMS“ gekommen war. Auch die Übernahme des Geschäfts mit nicht rezeptpflichtigen Arzneien von MERCK & Co. stellt sich im Nachhinein als anti-evolutionäre Tat dar. Durch diese verschoben sich nämlich die Risikoausgleichsmechanismen weg von den drei Säulen zu einer einzigen Sparte hin. Fußpflege-Mittel, Sonnencremes, Allergie- und Magen/Darm-Arzneien sowie Pharmazeutika gegen Erkältungen und Hautkrankheiten werfen zwar keine exorbitanten Profite ab, bescheren dem Konzern aber kontinuierliche Einkünfte und sorgen so für ein gutes Polster, falls einmal eine aussichtsreiche Pharma-Entwicklung floppt.
Eine nicht unwesentliche Rolle bei dem Entschluss, sich BAYER MATERIAL SCIENCE zu entledigen, dürfte der immer größer werdende Einfluss der Finanzinvestoren gespielt haben – aktuell besitzt allein BLACKROCK rund 30 Prozent der BAYER-Aktien (siehe SWB 4/14). Aufspaltung ist nämlich das liebste Spiel der Branche, auch die Mitbewerber DOW CHEMICAL und DUPONT drängen Hedge Funds und andere Akteure momentan, Unternehmensteile zu veräußern. Und so hieß es schließlich: „BAYER will sich in Zukunft ausschließlich auf die Life-Science-Geschäfte HealthCare und CropScience konzentrieren und MaterialScience als eigenständiges Unternehmen an die Börse bringen.“ Bei einem guten Angebot mochten die ManagerInnen einen Verkauf jedoch auch nicht ausschließen.
Was die Rheinische Post „Das Ende einer BAYER-Ära“ nannte, war für Marijn Dekkers lediglich „eine Frage der Investitionspolitik“. Der Süddeutschen Zeitung sagte er: „Wir müssen entscheiden, wofür wir bei BAYER künftig Geld ausgeben wollen (...) Da die Bereiche Gesundheit und Agrarwirtschaft höhere Renditen erwirtschaften, würden wir unsere Ressourcen vor allem dort konzentrieren.“ Er gab dabei sogar noch vor, nicht bloß schnöde Profit-Interessen zu verfolgen, vielmehr auch für BMS nur das Beste zu wollen. Weil die Sparte bei BAYER zu kurz komme, sei es besser, ihr „einen eigenen Zugang zum Kapitalmarkt zu verschaffen“, meinte der Große Vorsitzende. Und im offiziellen Konzern-Statement lässt er sich mit den Worten vernehmen: „Wir sind davon überzeugt, dass MaterialScience die Selbstständigkeit nutzen wird, um die erreichte Stärke noch besser, schneller und flexibler einsetzen zu können.“
Die wirtschaftsfreundliche Presse sprach indes Tacheles. Vom „Abwurf der bisherigen Gift-Pille Chemie“ kündete die Faz, dabei mit ihrer Metaphorik keinesfalls auf die Risiken und Nebenwirkungen von Plaste & Elaste anspielen wollend, sondern lediglich auf die angebliche Ertragsschwäche des Bereichs. Der Aktionär konstatierte derweil trocken: „Last abgestreift“. Und seine Klientel teilte die Einschätzung. Am Tag der Bekanntgabe der Abwicklung erklomm die BAYER-Aktie ein Allzeit-Hoch. „Nun wird das Kind verstoßen – und die Aktionäre applaudieren“, kommentierte die Westdeutsche Zeitung: „Deren Votum ist für den Konzernlenker wichtiger als die Klage der Gewerkschaft, dass die Arbeitnehmer der Kunststoff-Sparte doch zum Weltruhm von BAYER beigetragen hätten.“ In der Börsen-Arithmetik gewann das BAYER-Ganze nach der Devise „Weniger ist mehr“ durch die Subtraktion seiner Teile: Der Konzern stieg im September 2014 zum wertvollsten DAX-Unternehmen auf.
Entsprechend niedergedrückt reagierten Beschäftigte und GewerkschaftlerInnen. „Bei Pharma wird eine Rendite von 30 Prozent erreicht. Wir schaffen zehn Prozent. Aber das reicht dem Vorstand nicht mehr“, so die Uerdinger Betriebsratsvorsitzende Petra Kohnen. „Viele von uns arbeiten in der dritten Generation im Konzern. Nicht als BAYER-Beschäftiger in Rente zu gehen, fällt schwer“, fasste sie die Stimmung unter der Belegschaft zusammen. Immer wieder hatten die ArbeiterInnen und Angestellten an den Kunststoff-Standorten Opfer erbracht, um die angeblich schlechten Geschäftszahlen zu verbessern und die Sparte im Unternehmen zu halten. Sie hatten in den letzten Jahren die Vernichtung von über 2.000 Arbeitsplätzen, Werksschließungen, untertarifliche Bezahlung, Effizienz-Programme und die Streichung von Boni erduldet – und jetzt stellt sich heraus: Das alles war umsonst. Im Aufsichtsrat hatten sich die GewerkschaftsvertreterInnen lange gegen den Plan der BAYER-Oberen gestemmt, mussten letztendlich aber klein beigeben: „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen.“ Sonst hätte das Management keine finanziellen Mittel mehr bereitgestellt, womit der Bereich eine äußerst kritische Entwicklung genommen hätte, erläuterten die Delegierten.

Absehbare Reaktionen
Abermals jedoch machte die IG BCE gute Miene zum bösen Spiel. Wie üblich verwies die Gewerkschaft dabei auf dem Global Player abgetrotzte Konzessionen wie die Regelungen der neuen Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV), die eine Arbeitsplatz-Garantie für die BMS-Beschäftigten bis 2020 – also auch noch für die ersten Jahre der Post-BAYER-Zeit – vorsehen. „Die Trennung von MaterialScience ist ein tiefgreifender Einschnitt für die Kolleginnen und Kollegen. Mit dieser Vereinbarung ist es uns jedoch gelungen, eine gute Basis für die Zukunftssicherung der Arbeitsplätze in beiden Gesellschaften zu schaffen“, stellte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Thomas de Win fest. Allerdings gilt diese Übereinkunft nur für die rund 6.500 KollegInnen in den deutschen Werken. Das Schicksal der 10.000 anderen Belegschaftsmitglieder in den über die ganze Welt verstreuten Niederlassungen war nicht Gegenstand der Gespräche. Darum erheben nun auch diese entsprechende Ansprüche. So erklärte Levi Sollie, Vertrauensmann der belgischen Gewerkschaft ALGEMEEN BELGISCH VAKVERBOND (ABVV) bei BAYER MATERIALSCIENCE in Antwerpen: „Die Gewerkschaften fordern eine Jobgarantie, so wie sie die deutsche Belegschaft erhalten hat. BAYER hat die Verantwortung, unsere Löhne und Arbeitsbedingungen für die kommenden Jahre zu garantieren. Im März 2015 wird das Antwerpener BAYER-Werk seinen 50. Geburtstag begehen - den meisten Arbeitern ist aber nicht nach Feiern zu Mute. Worauf wir jetzt zählen, ist ein Abkommen zur Sicherung der Arbeitsplätze“. Darüber gab es zwar erste Verhandlungen, aber dieselben Konditionen wie ihren deutschen KollegInnen wollte der Multi den AntwerpenerInnen nicht zugestehen. So sollte etwa die Arbeitsplatz-Garantie bloß bis 2017 gelten.
Boomende Börsen, betretene Beschäftige, zähneknirschende Zustimmung von Seiten der Gewerkschaft – um das übliche chemische Reaktionsschema bei den Abspaltungsprozessen zu komplettieren, fehlte jetzt eigentlich nur noch die Bestandsgarantie für die verbliebenen Säulen, und auch die folgte umgehend. Mittelfristig stehe eine Trennung vom Pestizid-Geschäft nicht zur Debatte. Es werde auch in fünf Jahren auf jeden Fall noch zu BAYER gehören, gab Dekkers dem Handelsblatt zu Protokoll. In einem anderen Interview kündigte er sogar eine engere Zusammenarbeit der ForscherInnen aus beiden Sparten an. Ob aber die eher vage Klammer „Life Science“ zwei so unterschiedliche Sphären wirklich auf Dauer zusammenhalten kann, bleibt abzuwarten. Die Börsen-Zeitung sieht die Landwirtschaftsabteilung jedenfalls schon auf dem besten Wege, den Staffelstab des „Wertvernichters“ von BMS zu übernehmen: „In diese Position wird in einem Life-Science-Konzern auch das Pflanzenschutz-Geschäft geraten, das zudem zyklisch ist.“ Auf alle Fälle steht der Leverkusener Multi nun vor einem Umstrukturierungsprozess, denn für das, was von dem Konglomerat übrig geblieben ist, braucht es kein Holding-Konstrukt mehr. „Wir werden uns die Organisation ansehen“, sagt der Vorstandsvorsitzende deshalb auch.
Zunächst einmal ist der Konzern jedoch vollauf mit der Abwicklung von BMS beschäftigt. Trotz formaler Eigenständigkeit gestaltet sich die Loslösung nämlich gar nicht so einfach, weil es doch noch viele Verbindungen zu den anderen Unternehmenstöchtern und der Muttergesellschaft gibt. So unterhält MaterialScience zum Chem„park“-Betreiber CURRENTA, einem Gemeinschaftsunternehmen von BAYER und LANXESS, Geschäftsbeziehungen. Auch arbeiten die Dienstleister BAYER BUSINESS SERVICES und BAYER TECHNOLOGY SERVICES für die Kunststoff-Abteilung. Ebenso gilt es, die Vermögenswerte auseinanderzudividieren – und die Schulden. LANXESS hatte der Global Player nämlich damals zum Abschied noch Belastungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro mit auf den Weg gegeben, was dort für ernstliche Verstimmung sorgte.
Die alte BMS-Mannschaft wollte der Vorstand aus verständlichen Gründen nicht mit den Trennungsaufgaben betrauen. So nimmt jetzt Klaus Schäfer die Position des bisherigen Produktionschefs Tony Van Osselaer ein, der in Rente ging, und auch den Posten des Finanz-Vorstandes besetzte BAYER um. Mit Frank Lutz füllt ihn jetzt ein Mann aus, der auf Erfahrungen bei der DEUTSCHEN BANK und bei GOLDMAN SACHS verweisen kann. Diese beiden Finanzhäuser sind es dann auch, welche den Weg der Plaste & Elaste-Sparte in die Selbstständigkeit vorbereiten. BAYER favorisiert dabei einen regulären Börsengang. Der Konzern-Mutter würde ihr verstoßenes Kind auf diese Weise nämlich einen großen Batzen Geld einbringen. Sollte das Klima an den Aktienmärkten jedoch nicht genügend Erlöse versprechen, so hätte der Konzern noch die Alternative, genauso wie bei der Abspaltung von LANXESS zu verfahren und den bisherigen AktionärInnen des Unternehmens in einem sogenannten Spin-Off Papiere des ausgemusterten Firmenteils zu schenken. „BAYER hätte dann keine Erlöse, dafür müsste die Kunststoff-Sparte erhebliche Teile der Konzern-Schulden tragen“, hält das manager-magazin fest.
Begehrlichkeiten haben aber auch schon Beteiligungsgesellschaften angemeldet. Die Private-Equity-Multis ADVENT, CARLYLE, CINVEN, CVC und KKR haben Ende Oktober 2014 die Gründung eines Konsortiums angekündigt, um MaterialScience zu erwerben. „Kein Kommentar“ – hieß es dazu aus Leverkusen. Die für die Linkspartei im Bundestag sitzende Sahra Wagenknecht warnt den Leverkusener Multi eindringlich davor, auf eine solche Offerte einzugehen. „Beim Börsengang müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, damit eine Übernahme des Tochter-Unternehmens durch Zockerbuden so unwahrscheinlich wie möglich wird. Schon 2006 hatte die BAYER AG mit HC STARCK ein Tochter-Unternehmen direkt den Heuschrecken überlassen. Das Ergebnis für die Beschäftigten waren rücksichtloser Stellenabbau und schlechtere Arbeitsbedingungen.“
Aber von moralischen Erwägungen lässt BAYER sich nicht leiten. Sonst hätte der Konzern BMS gar nicht erst zur Disposition gestellt und damit rund 17.000 Beschäftigte einer ungewissen Zukunft ausgesetzt. Das Unternehmen orientiert sich nur am Profit-Prinzip und an den Rendite-Erwartungen von Aktionären wie BLACKROCK, hinter denen Pensionsfonds und Superreiche stehen. Und ein solches Wohlverhalten belohnt die Börse. Sie machte den Global Player nach Bekanntgabe der Trennung von der Plaste-Abteilung nicht nur zum wertvollsten bundesdeutschen Konzern, sie sieht sogar noch Luft nach oben. So gab jüngst die BAADER BANK eine Kauf-Empfehlung ab, weil die Entflechtungsarbeiten so zügig vorankämen. Damit nicht genug, krönte das Manager Magazin den BAYER-Filetierer Marijn Dekkers für seine Schandtat zu schlechter Letzt auch noch zum „Manager des Jahres“. Von Jan Pehrke

[Testamente] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

Bleibendes schaffen mit Testamenten

Den Stab weiterreichen

Von Zeit zu Zeit wird die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in Testamenten bedacht oder bekommt Vermächtnisse überschrieben. Die ErblasserInnen fühlten sich der Coordination in ihrem Leben auf eine besondere Weise verbunden, kämpften mit ihr für eine gerechtere Welt ohne machtvolle Konzerne und wollten Sorge tragen, dass etwas davon auch über den eigenen Tod hinaus weitergetragen wird. Mitglieder, die geerbt haben, übertragen der CBG ebenfalls gelegentlich kleinere oder umfangreichere Teile des Nachlasses, was eine große Hilfe für die Arbeit des Netzwerkes darstellt.

Von Jan Pehrke

Als W. (

  • ) eine größere Erbschaft gemacht hatte, wollte er davon nichts für sich. Er entschloss sich vielmehr, die Summe einer der Initiativen, die er seit Längerem unterstützte, zur Verfügung zu stellen. Dabei entschied sich der gelernte Chemiker für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Nach seinen Worten gab zweierlei den Ausschlag: „die konsequent ‚radikale’ konzern- und (trotz des eng gefassten Namens ‚umfassend’) system-kritische Haltung einerseits, und andererseits meine Bevorzugung relativ ‚kleiner’, aber im Verhältnis zur Größe hochaktiver Organisationen“. Ihn überzeugte letztlich, dass die Coordination sich „Change“ und nicht „Charity“ auf die Fahnen geschrieben hat, also für eine grundsätzliche Änderung der politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen eintritt statt Almosen zu verteilen oder sich einzelnen, eng umrissenen Projekten zu widmen.

Nach W.s tut „Change“ bei BAYER & Co. nämlich bitter not. Zu der Erkenntnis gelangte W. aus eigener Erfahrung, denn er kennt die Chemie-Industrie von innen – und war auch für ein Innenleben vorgesehen. Schon sein Vater arbeitete als Chemiker, der Junge wuchs kaum einen Kilometer von dem Werk entfernt auf, und zeigte auch schon bald ein reges Interesse für Atome, Moleküle und Ionen. So studierte er das Fach „und zwar aus echtem Interesse/Faszination“. Er kam zwar schon als Schüler zu der Erkenntnis, „dass ‚unser’ System die Umwelt zerstört und den Ast absägt, auf dem die Menschheit sitzt“ und betätigte sich im Umweltschutz, aber erst Semesterferien-Jobs in der Schwefelsäure-Produktion einer Fabrik sorgten für einen endgültigen Bewusstseinswandel. Die praktische Erfahrung ließ bei ihm die Erkenntnis wachsen: „Industrie = Umweltmord“ und brachte ihn zur COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.

Zugleich änderte W. sein Leben von Grund auf und wurde zu einem „Konsumverweigerer aus Gewissensgründen“, der „weggeben“ und „umFAIRteilen“ bereichernder findet als „ausgeben“. Und angesichts einer alarmierenden Weltlage – „es war schon vor ein paar Jährchen 5 vor 12“ – kam er zu dem Schluss: „Bei der CBG ist das Geld (von allen mir bekannten Möglichkeiten) am besten investiert (in die Zukunft der Umwelt und der Menschheit).“

Was ist mit nun dem Erbe von W. geschehen? Die CBG leidet bereits seit mehr als 20 Jahren darunter, dass ihre Ende der 1980er Jahre erstellte EDV-Datenbank vollkommen überholt ist. Wir haben gebibbert und gebangt, ob sie überhaupt den Jahrtausendwechsel übersteht. Ein Crash wäre das „Aus“ gewesen. Für eine Neuprogrammierung fehlte das Geld. Bei mehr als einer Million Stammdatensätze und zig Millionen zusätzlichen Datensätzen ist das ein anspruchsvolles Projekt. Das lässt sich nicht mal eben so nebenher finanzieren. Mit dem Erbe wurde es möglich. Und so hat sich der Erblasser in die Geschichte der CBG eingeschrieben.

Auch A.

  • und S.# bedachten die Coordination. Sie hatten einen Teil des Nachlasses einer an Krebs verstorbenen Freundin zu betreuen, die Mitglied und Förderin der CBG war. Als Pharmazeutin, die der Schul-Medizin gleichwohl kritisch gegenüberstand, hatte sie ihren Weg zum Netzwerk gefunden, betätigte sich darüber hinaus aber auch noch bei anderen Gruppen wie z. B. ATTAC. An Brustkrebs erkrankt, machte sie sich unter anderem für die Anerkennung alternativer Behandlungsmethoden stark und schreckte dabei nicht einmal vor einer Klage gegen die Krankenkasse zurück. Diese „Vita activa“ brachte die beiden Frauen dazu, der CBG einen Betrag aus dem Nachlass zu überantworten: „Wir dachten, das passt genau zu ihrem Lebensweg, zu der politischen Arbeit, die sie gemacht hat, zu ihrer eigenen Betroffenheit und zu ihrem Einsatz für ihre Rechte als Patientin.“

Menschen, die nicht anderen anheimstellen mögen, was mit ihrem Erbe geschehen soll, treffen schon beizeiten Vorsorge. Diese Personen haben die Stärke gefunden, sich ihrem eigenen Tod zu stellen, was nicht jedem gelingt, denn der Tod stellt in unserer Zeit ein großes Tabu dar. Er passt nicht in einen Staat mit einem Wirtschaftssystem, das auf ein ständiges „mehr“, auf Akkumulation angelegt ist und sich ins Unendliche träumt.
Deshalb verdrängt die Gesellschaft alles, was mit dem Sterben zu tun hat, und legt Friedhöfe beispielsweise bevorzugt an den Rändern der Städte an. Einige empfinden das jedoch als einen falschen Weg, der auch zu einem falschen Leben führt.

Vielleicht hat sich der eine oder andere von ihnen dabei auch von dem Schweizer Autoren und globalisierungskritischem Aktivisten Jean Ziegler leiten lassen, der das Sterben in seinem Buch „Die Lebenden und der Tod“ als unverbrüchlich zum Erden-Dasein dazugehörig bestimmt hat. Ziegler zufolge verleiht erst der Tod dem Menschen durch das Aufzeigen seiner eigenen Grenze ein Bewusstsein von sich selbst und trägt ihm nur eines auf: „Jeden Tag – durch Gedanken, Taten und Träume – so viel Glück für sich und die anderen, so viel Sinn zu erschaffen, dass, am Ende des Lebens, dieses Leben seiner eigenen Negativität so viel Sinn wie möglich entgegenzusetzen vermag.“ Den Menschen nun, welche die Coordination darüber informiert haben, sie in ihrem Testament bedacht oder ihr ein Vermächtnis zugeeignet zu haben, war es wichtig, auch über ihren eigenen Tod hinaus noch Sinn stiften zu können und haben dafür in der CBG den geeigneten Adressaten gesehen.

Dass Testamente, die das gesamte Erbe umfassen, oder Vermächtnisse, die sich auf Teile des Nachlasses beschränken können, geschrieben werden, hat aber auch noch eine andere Bedeutung. Insbesondere in den Fällen, in denen es keine gesetzlichen Erben gibt. Dann nämlich fällt nach den gesetzlichen Bestimmungen die gesamte Hinterlassenschaft an den Staat. Bereits mehrfach mussten wir erleben, dass dies bei MäzenatInnen der Coordination geschah, obwohl die ErblasserInnen vorhatten, die CBG mit einem Vermächtnis bzw. einer Erbschaft zu bedenken. Eine Notaufnahme in ein Krankenhaus vermag da bereits einen Strich durch die Rechnung zu machen: Auf einer Intensiv-Station lässt sich kein Testament mehr erstellen. Die eigenen Vorstellungen sind dann unwiederbringlich verloren.

Dabei ist eine solche Verfügung nicht in Stein gemeißelt. Ein Testament kann jederzeit widerrufen werden, wenn sich die Lebensumstände ändern – zum Negativen etwa durch eine schwere Krankheit oder auch zum Positiven durch unverhofften Familien-Zuwachs, dem man für später etwas mitgeben möchte. Für solche oder auch andere Fragen, die Erbschaften, Testamente, Vermächtnisse oder Schenkungen betreffen, vermittelt die Coordination gerne eine kostenlose juristische Erstberatung. Zudem hat die CBG einen Leitfaden mit Informationen zu Erbschaften erstellt. Auch steht sie natürlich jederzeit für persönliche und vor allem vertrauliche Gespräche zum Thema bereit. Dabei ist der Rahmen stets unverbindlich. Die CBG erwartet bei einer ersten Kontakt-Aufnahme keine definitiven Entscheidungen. Aus Erfahrung weiß sie, wie viele Schritte bis zu einem Entschluss nötig sind, jemandem wirklich ein Testament und ein Vermächtnis zuzueignen. So geht es manchmal bei einem solchen Austausch nur um die Schwierigkeiten, die es aller vernünftigen Einsichten und gefasster Entschlüsse zum Trotz bereiten kann, sich durch das Abfassen eines Testaments mit seinem eigenen Tod konfrontiert zu sehen.

Durch diese Angebote gewährleistet die CBG, dass Interessierte schließlich wohlüberlegt unter den verschiedenen Alternativen die für sie beste Möglichkeit auswählen können, um den Stab weiterzureichen und damit nachfolgenden Generationen in ihrem Engagement für eine Welt, die nicht mehr vom Profitstreben der Konzerne geprägt ist, etwas mitzugeben.

  • der vollständige Name ist der Redaktion bekannt

[Carl Duisberg] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

Erfolg der CBG-Kampagne

Dortmund ohne Duisberg

Zum 150. Geburtstag von Carl Duisberg im Jahr 2011 forderte die CBG die Umbenennung der nach dem langjährigen BAYER-Generaldirektor benannten Straßen und Schulen. Der Chemiker tauge wegen seiner Verantwortung für Gaskrieg und Zwangsarbeit nicht als Vorbild für künftige Generationen, so die Coordination. Nun trug die Kampagne Früchte: Die Dortmunder Carl-Duisberg-Straße wird umbenannt, auch in anderen Städten laufen entsprechende Anträge.

Am Ende ging es schnell: eine große Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken und Piraten stimmte für die Umbenennung der Dortmunder Carl-Duisberg-Straße. Künftig wird sie „Kleine Löwenstraße“ heißen. Auch die CDU gab ihren ursprünglichen Widerstand auf, stimmte jedoch für eine Umbenennung in „Heiliger Weg“. Ein Brief des BAYER-Konzerns, der die Namensänderung in letzter Minute verhindern sollte, fand keine Berücksichtigung.
Damit kam Ende November 2014 ein Verfahren zum Abschluss, das mit einem Aufruf der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN drei Jahre zuvor begonnen hatte: Zum 150. Geburtstag des ehemaligen BAYER-Generaldirektors forderte die CBG eine Umbenennung der nach Duisberg benannten Straßen (so in Bonn, Krefeld, Frankfurt, Dormagen, Wuppertal und Leverkusen), der gemeinnützigen Carl-Duisberg-Centren und des Wuppertaler Carl-Duisberg-Gymnasiums. Auch die Leverkusener Ehrenbürgerwürde solle aberkannt werden, verlangte die Coordination.
Der ehemalige Dortmunder Ratsherr Richard Kelber nahm dies zum Anlass, einen Bürgerantrag zur Umbenennung der örtlichen Carl-Duisberg-Straße zu stellen. Zunächst wurde der Antrag immer wieder vertagt. Dann sollte er in geheimer Sitzung beraten werden – angeblich um die Persönlichkeitsrechte (!) des 1935 verstorbenen Duisbergs zu schützen. Aufgrund öffentlicher Kritik trat die zuständige Bezirksvertretung schließlich die Flucht nach vorne an: In einem gemeinsamen Antrag forderten SPD, Grüne und CDU das Stadtarchiv auf, alle Dortmunder Straßen zu untersuchen und eine Liste untragbarer Namens-Paten vorzulegen.

Umfangreiche Prüfung
Um die weit über tausend Straßen durchzugehen, benötigte das Stadtarchiv weitere 18 Monate. Schließlich legte es im September 2014 eine Aufstellung mit sechs Namen vor, die „man sich als weltoffene Stadt nicht leisten kann“, so Archiv-Leiter Dr. Stefan Mühlhofer. In der Liste finden sich nationalsozialistische Schriftsteller wie Karl Wagenfeld und Friedrich Castelle sowie der Konteradmiral Maximilian von Spee.
Zum ehemaligen BAYER-Chef heißt es in der Stellungnahme: „In der Bewertung der Person Carl Duisbergs durch das Stadtarchiv wurden durchaus auch die bis heute positiv zu wertenden Aspekte in seiner Lebensleistung berücksichtigt. Nichtsdestotrotz empfiehlt das Stadtarchiv, bei der Abwägung aller Aspekte des Lebens von Carl Duisberg, eine Umbenennung.“
Zur Begründung schreiben die Historiker: „Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. (…) Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die - auch nach dem damals geltenden internationalen Kriegsrecht illegale - Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. (…) Als Patriarch lehnte er bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab. Er war von Beginn an Gegner der Weimarer Demokratie.“
Jan Pehrke vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN begrüßt die Entscheidung: „Carl Duisberg, der geistige Vater der IG FARBEN, ging für Profite buchstäblich über Leichen. Er war nicht nur ein ‚Kind seiner Zeit’, sondern trug entscheidend zu den mörderischen Entwicklungen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts bei. Auch die noch verbleibenden Carl-Duisberg-Straßen sollten daher umbenannt werden.“

BAYER rüstet auf
Schon um 1900 hatte Carl Duisberg rücksichtslos die Vermarktung von Heroin als angeblich harmlosem Hustenmittel betrieben. Als Wissenschaftler das Suchtpotenzial von Heroin anprangerten, äußerte Duisberg – zu diesem Zeitpunkt Prokurist bei BAYER –, man müsse die „Gegner mundtot schlagen“. Obwohl sich rasch die Gefahr der Abhängigkeit herausstellte, ließ Duisberg den gewinnbringenden Verkauf mehr als ein Jahrzehnt lang fortführen.
Zu Beginn des ersten Weltkriegs griff die deutsche Chemie-Industrie, mit Carl Duisberg und BASF-Chef Carl Bosch an der Spitze, erstmals in die Weltgeschichte ein. Die eilig errichteten Anlagen zur Ammoniak-Synthese ermöglichten dem von den Weltmärkten abgeschnittenen Deutschen Reich erst die Produktion von Sprengstoffen und Schießpulver und damit die weitere Kriegsführung.
Von 1914 an entwickelte Duisberg gemeinsam mit dem späteren Nobelpreisträger Fritz Haber Giftgase wie „Grünkreuz“ und „Senfgas“, testete diese persönlich auf Truppenübungsplätzen und verlangte vehement ihren Einsatz. So schrieb Duisberg an die Oberste Heeresleitung: „Dieses Chlorkohlenoxyd ist das gemeinste Zeug, das ich kenne. ... Ich kann deshalb nur noch einmal dringend empfehlen, die Gelegenheit dieses Krieges nicht vorübergehen zu lassen, ohne auch die Hexa-Granate zu prüfen“. Duisberg und Haber verstießen damit wissentlich gegen die Haager Landkriegsordnung.
Auch forderte der BAYER-Generaldirektor mit dem Ausspruch „Öffnen Sie das große Menschenbassin Belgien" den Einsatz von Zwangsarbeitern. Das Reichsamt des Inneren griff den Vorschlag auf und ließ rund 60.000 Belgier deportieren, was international zu Protesten führte. Rund 12.000 Verschleppte starben.
Carl Duisberg engagierte sich in der vom antisemitischen „Alldeutschen Verband“ gesteuerten Kriegszielbewegung und forderte die Annexion des besetzten Belgien und von Nordfrankreich, etwas später auch „deutschen Lebensraum“ in Polen und Russland. Zudem befürwortete er den uneingeschränkten U-Boot-Krieg und lehnte Friedensverhandlungen vehement ab. 1917 trat er in die rechtsextreme „Deutsche Vaterlandspartei“ ein.
Durch die Lieferungen an das Militär stieg der Profit in ungeahnte Höhen. Entsprechend jubelte der BAYER-Chef im Juli 1915: „Sähen Sie jetzt einmal, wie es hier in Leverkusen aussieht, wie die ganze Fabrik umgekrempelt und umorganisiert ist, wie wir fast nichts mehr als Kriegslieferungen ausführen (...), so würden Sie Ihre helle Freude haben.“
Diese Rüstungsgeschäfte brachten Duisberg zum Kriegsende auf die Auslieferungslisten der Alliierten. Da er eine Anklage als Kriegsverbrecher fürchtete, floh er in die neutrale Schweiz. Wegen seiner guten Verbindungen – auch in die USA – wurde er jedoch nicht weiter belangt.
In den 20er Jahren erfüllte sich schließlich Duisbergs Lebenstraum, der Zusammenschluss der deutschen Chemie-Industrie zur IG FARBEN, deren Aufsichtsratsvorsitzender er dann auch wurde. Der BAYER-Generaldirektor haderte mit der Demokratie von Weimar und organisierte Spenden an konservative und nationale Parteien, spätestens seit 1930 auch an die NSDAP. 1931 verlangte er in einer Rede vor der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf die Schaffung eines „europäischen Wirtschaftsblocks von Bordeaux bis Odessa“ unter deutscher Dominanz. Von den Nationalsozialisten erhielten die IG FARBEN im Gegenzug für ihre Millionen-Spenden noch vor der so genannten „Machtergreifung“ Absatzgarantien für synthetischen Treibstoff und Kautschuk. In der Folgezeit kooperierte kein Unternehmen so eng mit dem Dritten Reich wie das Chemie-Kartell.

Kampagne geht weiter
BAYER setzt unbeirrt auf seinen einstigen Lenker. So veröffentlichte der Konzern zum 150. Geburtstag Duisbergs im September 2011 eine wahre Eloge. Von Duisbergs „Ziel, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern“ ist darin ebenso die Rede wie von seinem angeblichen sozialen Engagement sowie seiner Rolle als „Kunstliebhaber und –förderer“.
In der BAYER-Hauptversammlung im vergangenen April betrieb Marijn Dekkers dann reinsten Geschichtsrevisionismus. Auf einen Gegenantrag der CBG antwortete der Vorstandsvorsitzende, dass BAYER die Rolle von Duisberg im Ersten Weltkrieg umfassend aufgearbeitet habe. Dann dozierte Dekkers: „Die historischen Verdienste Carl Duisbergs sind weithin anerkannt. Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein und setzte sich für den Umweltschutz ein, lange bevor es gesetzliche Regelungen dazu gab“. Ein Hohn nicht nur angesichts von Duisbergs Widerwillen gegen Abwasser-Reinigung, die er als „Vergeudung von Nationalkapital“ ansah.
Für die Kampagne der CBG gibt es derweil in vielen Städten Unterstützung. In Marburg konnte eine ehemalige Chemie-Studentin erreichen, dass am dortigen Duisberg-Studentenwohnheim eine Plakette mit einer kritischen Würdigung angebracht wurde. In Frankfurt wurden rund um die Duisbergstraße Flugblätter verteilt, zudem kam – wie auch in Lüdenscheid – ein Antrag zur Namensänderung auf den Weg. Der Leverkusener Stadtrat befasste sich ebenfalls mit dem Thema, lehnte eine Umbenennung – wohl mit Rücksichtnahme auf den größten Steuerzahler – jedoch ab. Offiziell wurde die Absage mit Verweis auf die hohen Kosten begründet.
Jan Pehrke abschließend: „Carl Duisberg war ein überzeugter Nationalist, eine herrschsüchtiger Patriarch und ein erbitterter Feind der Gewerkschaften. Man kann Duisberg nur als ‚verbrecherisches Genie’ bezeichnen, das die Moral Zeit seines Lebens dem Geschäftssinn unterordnete.“ Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird die Kampagne daher fortführen. Als nächster Schritt ist ein Gegenantrag zur Hauptversammlung des Konzerns im Mai geplant. Von Philipp Mimkes

alle Infos zur Kampagne

[Editorial] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

unlängst hat das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ die neuesten Zahlen zur Antibiotikaabgabe in der Tiermedizin vorgelegt. Was zunächst wie eine gute Neuigkeit klingt, nämlich: „Gesamtmenge im Jahr 2013 weiter gesunken - geringe, aber zunehmende Abgabe von Antibiotika der jüngeren Generation“, birgt in Wirklichkeit eine alarmierende Nachricht: Seit Beginn der Datenerhebungen ist der Verbrauch der für die Humanmedizin besonders wichtigen Reserveantibiotika in der Tiermedizin sprunghaft angestiegen. Bei den Cephalosporinen der 3. Generation stieg die Abgabe innerhalb von zwei Jahren um bis zu 25 Prozent, bei den Fluorchinolonen, zu denen unter anderem BAYERs BAYTRIL gehört, sogar um bis zu 60 Prozent. Zusätzliche Brisanz erhalten diese Daten, wenn man berücksichtigt, dass diese Antibiotika der jüngeren Generation wesentlich geringer dosiert werden - bis zu einem Faktor 70 pro Therapie-Zyklus !
Wegen dieser Entwicklung hat sich im Juni diesen Jahres in Hannover die „Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung“ gegründet. Sie sieht ihre Aufgabe darin, VerbraucherInnen und PatientInnen zu informieren, damit Ihnen die Folgen der Massentierhaltung stärker bewusst werden. In der Verantwortung für die Gesundheit unserer PatientInnen treten wir für einen sinnvollen Einsatz von Antibiotika in der Human- und Tiermedizin ein und wenden uns daher gegen den systemimmanenten Einsatz von Antibiotika in der agrar-industriellen Tierhaltung mit ihren Gefahren für Menschen und Umwelt.
Die Ärzte und das Pflegepersonal in Praxen und Kliniken führen einen oft aussichtslosen Kampf gegen Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern. MRSA und ESBL-bildende Keime sind Bakterien, die gegen konventionelle antibiotische Therapien resistent sind. Das Auftreten von MRSA hat sich seit 1992 verzehnfacht. Vorsichtige Schätzungen sprechen von 132.000 MRSA-Nachweisen pro Jahr in Deutschland und etwa 25.000 Todesfällen an antibiotikaresistenten Keimen pro Jahr in der EU. Nur besonders spektakuläre Fälle wie der ESBL-Tod von mehreren Frühgeborenen auf einer Station oder die EHEC/HUS-Epidemie finden Niederschlag in der Presse.
Die betroffenen PatientInnen müssen unter großem Aufwand in den Kliniken isoliert werden. Die manchmal noch wirksamen sogenannten Reserveantibiotika sollte man besser „ausrangierte Antibiotika“ nennen, da deren Anwendung wegen ihres Nebenwirkungspotentials früher z. T. aufgegeben wurde. Innovative Antibiotika fehlen, ihre Entwicklung verspricht keine großen Profite für BAYER & Co.
In den Gegenden mit einer hohen Dichte von Massentierställen im Nordwesten Deutschlands lässt sich nachweisen, daß eine zunehmende Anzahl von MRSA-Keimen aus der Nutztierhaltung stammt. Diese Keime (life-stock-associated oder LA-MRSA) machen nach einer Untersuchung der Uniklinik Münster 30 Prozent der MRSA aus. Hochrisiko-PatientInnen sind LandwirtInnen und ihre Angestellten, Schlachthof-Personal und TierärztInnen. LandwirtInnen, die konventionelle Schweinezucht betreiben, sind zu 50-86 Prozent Träger dieser Keime, TierärztInnen bis zu 100 Prozent.
Als ersten Schritt verlangt die Ärzteinitiative deshalb, unverzichtbare Antibiotikaklassen wie Fluorchinolone und Cephalosporine unverzüglich für den exklusiven Einsatz in der Humanmedizin zu reservieren. Zudem fordern wir eine bessere Kontrolle des Antibiotika-Einsatzes und mehr Gelder für die Erforschung von Infektionen mit multiresistenten Erregern. Darüber hinaus treten wir dafür ein, statt der industriellen Landwirtschaft die tiergerechte Haltung in bäuerlichen Betrieben zu fördern.

Dr. rer. nat. Peter Sauer für die ÄRZTE-INITIATIVE GEGEN MASSENTIERHALTUNG

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Umbenennungskampagne erfolgreich
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund hatte das jetzt Erfolg (siehe auch SWB 1/15). Eine große Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken und Piraten stimmte dafür, die Carl-Duisberg-Straße in „Kleine Löwenstraße“ umzutaufen. Und auch Lüdenscheid möchte Duisberg nicht mehr ehren und suchte sich für einen Weg einen neuen Namenspatron. In anderen Orten, wie in Frankfurt, Dormagen, Bonn, Krefeld, Wuppertal, und Maxdorf/Ludwigshafen läuft die Kampagne unterdessen weiter.

Kampagne für Patent-Gesetz
Mit Patenten auf Pharmazeutika sichern sich BAYER & Co. Monopol-Profite. Dieses Vorgehen macht die Arzneien besonders für Menschen in Armutsregionen unerschwinglich. Viele Länder versuchen allerdings, ihrer Bevölkerung trotzdem den Zugang zu den benötigten Medikamenten zu sichern. So berief sich Südafrika im Jahr 2001 auf einen Ausnahme-Paragrafen des internationalen TRIPS-Patentschutzabkommens und führte Nachahmer-Präparate von AIDS-Medikamenten ein, was BAYER und 40 weitere Pharma-Riesen zu einer Klage veranlasste. 2008 beschloss der Staat deshalb, die Praxis durch ein Patent-Gesetz gerichtsfest zu machen. Zu einer Verabschiedung des Paragrafen-Werkes kam es jedoch noch nicht. Extrem-Lobbying von BAYER & Co. hat das bis jetzt verhindern können – allein der US-amerikanische Pillenhersteller-Verband PhRMA steckte 450.000 Dollar in eine PR-Kampagne gegen den Plan. (Ticker 2/14). Es gibt aber auch Gegenkräfte: Die AIDS-Initiative TREATMENT ACTION CAMPAIGN versammelte 50.000 Organisationen und Einzelpersonen hinter sich, um für das Gesetz – unter anderem durch einen Offenen Brief an den südafrikanischen Ministerpräsidenten Jacob Zuma – zu werben.

KAPITAL & ARBEIT

Plischke bald im Aufsichtsrat?
Lange Zeit war es für die Vorstandsvorsitzenden von BAYER & Co. Usus, nach ihrer Amtperiode als Firmenlenker den Posten des Aufsichtsratschefs zu übernehmen. 2009 hat die damalige Große Koalition diesem Automatismus jedoch einen Riegel vorgeschoben. Nach Ansicht von CDU und SPD standen die internen Lösungen einer wirklichen Kontrolle der Geschäftspolitik im Wege. Deshalb erlegten sie den wechselwilligen ManagerInnen eine zwei-jährige Karenzzeit auf. Äußerst widerwillig saß diese Werner Wenning ab, ehe er als Aufsichtsratsvorsitzender zum Leverkusener Multi zurückkehrte. Und jetzt richtet sich auch der 2014 pensionierte ehemalige Forschungsvorstand Wolfgang Plischke in der Warteschleife auf ein Comeback beim Pillen-Riesen ein. „Der Leverkusener Pharma-Konzern möchte auf seine Expertise und langjährigen internationalen Erfahrungen nicht verzichten“, vermeldet die Faz. Zu dieser „Expertise“ hatte es unter anderem gehört, trotz interner Warnungen so lange es nur irgend ging an dem Cholesterinsenker LIPOBAY festzuhalten, welcher dann schließlich bis zu seinem von den Behörden erzwungenen Vertriebsstopp über 100 Menschen den Tod brachte.

Multifunktionär Wenning
Mit seinem Posten als BAYER-Aufsichtsratschef fühlt sich Werner Wenning noch längst nicht ausgelastet. Dieselbe Position bekleidet er bei E.ON, und bei SIEMENS rückte er jüngst zum Aufsichtsratsvize vor. Einfache Mandate nimmt er zudem in den Kontrollgremien der DEUTSCHEN BANK und der Versicherungsgesellschaft TALANX wahr. Darüber hinaus hat Wenning Sitze in den Gesellschafter-Ausschüssen von HENKEL und FREUDENBERG.

ERSTE & DRITTE WELT

Afrika im Fokus
Auf der Suche nach Absatz-Gebieten hat der Leverkusener Multi einen neuen Kontinent entdeckt. „2014 steht eine Afrika-Strategie hoch oben auf der Agenda“, bekundete der Konzern unlängst (Ticker 3/14). Machte das Unternehmen dort 2012 einen Umsatz von 711 Millionen Euro, so erwartet es bis 2018 eine Steigerung auf über eine Milliarde Euro. In einzelnen Staaten rechnet es sogar mit einem Plus von über 30 Prozent. Die meisten Hoffnungen ruhen dabei auf dem Pharma-Sektor, der bereits jetzt für die größten BAYER-Einnahmen in Afrika sorgt. „Schon im vergangenen Jahrzehnt haben sich die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit in Afrika mehr als verdoppelt“, frohlockt der Pillen-Produzent. Vor allem mit Diabetika, Anti-Infektiva und Verhütungsmitteln macht er dort Geschäfte. Bei den Kontrazeptiva darf er dabei sogar auf die tatkräftige Unterstützung durch Entwicklungshilfe-Programme zur Familien-Planung bzw. Bevölkerungspolitik zählen. „Wir haben ein einzigartiges Portfolio, und unsere Mission ‚BAYER: Science For A Better Life’ steht für genau das, was Afrika braucht“, meint der Konzern. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE kommt da zu einer ganz anderen Einschätzung. Die Initiative untersuchte das Gebaren von BAYER & Co. in Uganda, das als beispielhaft auch für die Unternehmenspolitiken in anderen Ländern des Kontinents gelten kann, und stellt dem Konzern ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. So vermarktet dieser dort viele umstrittene und deshalb als irrational eingestufte Pharmazeutika: 21 von 49 Medikamenten fallen unter diese Kategorie. Zu den als unentbehrlich erachteten Mitteln des Global Players hingegen hat die Bevölkerung wegen der hohen Preise kaum Zugang; sie finden sich zumeist nur in Privatkliniken und Privat-Apotheken. Darüber hinaus bietet der Multi in dem Staat für die am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen kaum Arzneien an, weil er sich in Forschung & Entwicklung lieber auf die mehr Rendite versprechenden Mittel gegen westliche Zivilisationskrankheiten konzentriert. Ähnlich verhalten sich die anderen großen Pharma-Hersteller. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden rund eine Milliarde Menschen an Plagen wie Ebola, Tuberkulose, Flussblindheit oder Bilharziose, gegen die Big Pharma kein Mittel weiß.

Kein Moxifloxacin bei TBC
Die Pharma-Multis haben die ärmeren Staaten nicht in ihrer Kundendatei. Deshalb müssen öffentliche oder private Institutionen einspringen, um Medikamenten-Entwicklungen für Krankheiten zu fördern, die besonders häufig in sogenannten Entwicklungsländern auftreten. Eine solche Organisation ist die „Global Alliance for TB-Drug-Development“. Bill Gates, die Rockefeller Foundation, die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA und diverse andere Vereinigungen finanzieren im Rahmen des Verbundes die Suche nach neuen Tuberkulose-Behandlungsmethoden. So fließt auch Geld für die Erprobung einer Kombinationstherapie von Tbc-Arzneien mit BAYERs Antibiotikum AVALOX; speziell für diesen Forschungsansatz hatte die Stiftung von Bill und Melinda Gates im Frühjahr 2006 noch einmal 100 Millionen Dollar locker gemacht. Das Präparat sollte die Genesung beschleunigen, auf diese Weise die Bildung Antibiotika-resistenter Bakterienstämme eindämmen und so die Überlebenschancen der PatientInnen erhöhen. Dies schaffte das Mittel jedoch nicht: Die verkürzte Therapie wirkte sich negativ auf den Heilungsprozess aus und führte häufiger zu Rückfällen.

Indien weniger im Fokus
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Erprobungen in ärmere Länder aus. Besondern in Indien finden BAYER & Co. günstige Standort-Bedingungen vor. Dort locken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und fehlende Kontrollen. Die Risiken und Nebenwirkungen sind dementsprechend hoch. Allein von 2007 bis 2011 kamen 158 TeilnehmerInnen an klinischen Prüfungen mit BAYER-Präparaten ums Leben. Das bewog die indischen Behörden, strengere Regeln einzuführen. So machten sie es den Pharma-Riesen zur Pflicht, für alle etwaigen Gesundheitsstörungen ihrer ProbandInnen aufzukommen. Der Leverkusener Multi reagierte prompt: Er stornierte schon angesetzte Versuche mit seinem Gerinnungshemmer XARELTO.

BAYER’S TONIC in Indien
In ärmeren Regionen können die Menschen sich oft keinen MedizinerInnen-Besuch leisten. Die Pharma-Riesen reagieren darauf, indem sie ominöse Allheilmittel auf den Markt werfen. So vertreibt der Leverkusener Multi in „Entwicklungsländern“ etwa BAYER’S TONIC mit den Ingredienzien Leber-Extrakt, Hefe, Zucker und Alkohol als Stärkungsmittel. In Indien bewarb der Multi das Produkt ungeachtet seines Alkohol-Gehaltes von rund zehn Prozent speziell für Kinder. Erst nach Protesten von Gesundheitsinitiativen sah das Unternehmen davon ab und druckte ein Warnhinweis auf die Packung. Trotzdem empfehlen es ApothekerInnen aus alter Gewohnheit immer noch für diese Altersgruppe, wie Testkäufe der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gezeigt haben. Und das Versprechen, das Präparat ohne Alkohol herzustellen, hat der Konzern bis heute nicht eingelöst.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Eine kleine BAYER-Buße
BAYER war bereits an den Vorbereitungen zum Ersten Weltkrieg beteiligt und avancierte später zum wichtigsten Lieferanten chemischer Waffen. Generaldirektor Carl Duisberg fischte auch im „Menschenbassin Belgien“ nach ZwangsarbeiterInnen und formulierte die Kriegsziele mit. Der fatalen Rolle, die der Leverkusener Multi bei dem Waffengang spielte, stellte er sich im Gedenkjahr 2014 allerdings nicht. Bei der letzten Hauptversammlung vom CBGler Axel Köhler-Schnura mit der Kritik an Duisbergs Kriegsverbrechen konfrontiert, antwortete Unternehmenschef Marijn Dekkers: „Die historischen Verdienste Carl Duisbergs sind weithin anerkannt. Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein und setzte sich für den Umweltschutz ein, lange bevor es gesetzliche Regelungen dazu gab.“ Später im Jahr aber kam es doch noch zu einer kleinen Geste der Reue von Seiten des Global Players. Am Volkstrauertag beteiligten sich Christian Zöller und Iris Müller-Florath von der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA an einem Rundgang zu den Erinnerungsorten des Ersten Weltkriegs in Leverkusen, zu denen auch das Tor 4 des Chem„parks“ zählt. Dort hielt Zöller, der bei dem Unternehmen für den „Politik- und Bürgerdialog“ zuständig ist, eine Ansprache zur historischen Verantwortung des Konzerns. Als „Krieg der Chemiker“ bezeichnete Zöller darin den Ersten Weltkrieg und berichtete dann von BAYERs Chemiewaffen-Produktion.

KAPITAL & ARBEIT

Selbstbedienung im Ideen-Pool
Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit betont der Leverkusener Multi die Unverzichtbarkeit des Schutzes des geistigen Eigentums. An den Ideen seiner Beschäftigten vergreift der Konzern sich jedoch ganz unverblümt. So erklärt der Pharma-Riese frank und frei, dank der Verbesserungsvorschläge der Beschäftigten aus dem „BAYER Ideen-Pool“ bereits im ersten Jahr der Umsetzung über vier Millionen Euro eingespart zu haben. An Prämien zahlte er indessen nur rund 1,3 Millionen Euro aus.

Neue „Innovationsplattform“
Nicht nur qua Ideen-Pool (s. o.) beutet BAYER das Potenzial seiner Beschäftigten aus. Seit Mai 2014 betreibt der Leverkusener Multi eine sogenannte Innovationsplattform mit Namen „WeSolve“, auf der er die Belegschaft mit konkreten Fragestellungen konfrontiert. „Wie könnte eine Technologie aussehen, um Schädlingsbefall aus der Ferne zu erkennen?“, will der Konzern da beispielsweise von seinen Belegschaftsangehörigen wissen. Mit der Resonanz auf diese Maßnahme zur Abschöpfung von Wissen zeigt sich das Unternehmen angesichts von bisher 800 Beiträgen zufrieden. „Das Feedback ist sehr positiv“, lässt „Global Program Manager“ Puneet Kumar Srivastava verlauten.

POLITIK & EINFLUSS

„Lex BAYER“ verabschiedet
Über die marode Leverkusener Autobahn-Brücke, zu derem beklagenswerten Zustand BAYERs immenser Liefer-Verkehr nicht wenig beigetragen hat, dürfen keine schweren LKWs mehr fahren. Zum Gelände des Chemie-Multis müssen sie deshalb einen Umweg von ca. 20 Kilometern in Kauf nehmen. Ernst Grigat, bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA für die Chem-„Parks“ in Leverkusen und Dormagen verantwortlich, verfällt aus diesem Grund schon in Weltuntergangsstimmung. „Wenn nicht schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wird, fürchten wir, dass die Industrie verlagert wird. Damit ist das langsame Sterben der chemischen Industrie in Deutschland vorprogrammiert.“ Und die apokalyptischen Töne zeigen Wirkung. Grigat bekommt eine neue Brücke, und damit alles ganz schnell gehen kann, änderte die Bundesregierung Ende März 2015 sogar das Bundesfernstraßen-Gesetz. Dieses erschwert es den BürgerInnen nämlich, gegen die Planungen vorzugehen, indem es kurzen Prozess macht: Etwaige Einsprüche dürfen nur noch über eine Instanz gehen. Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD) verspricht sich davon einen Zeitgewinn von bis zu anderthalb Jahren. Ein Problem mit der Beschneidung der BürgerInnen-Rechte hat er nicht. Als wichtiger erachtet es der Sozialdemokrat, dass der Neubau steht, bevor die Rheinbrücke gar nicht mehr befahrbar ist. „Wir können es uns nicht leisten, durch Klagewellen das Risiko einer Vollsperrung einzugehen“, so Groschek. Sogar die zwischen der Brücke und dem Kreuz Leverkusen geplante acht-spurige Stelzen-Autobahn fällt unter die „Lex BAYER“, was die Stadtverwaltung an BAYERs Stammsitz erboste. „Im Leverkusener Rathaus herrscht Entsetzen über die Pläne“, vermeldete der Leverkusener Anzeiger. Es spreche überhaupt nichts dafür, die Klagerechte der Bürger in Sachen „Stelzen-Autobahn“ einzuschränken, gab das Blatt die Worte von Bau-Dezernentin Andrea Deppe wieder.

Groschek erhält Wunschliste
Der Leverkusener Multi trägt dank ganz legaler Steuertricks zwar kaum noch etwas zur Finanzierung des Gemeinwesens bei, dafür wachsen aber die Begehrlichkeiten. So sieht er den Staat nicht nur beim Bau neuer Brücken in der Pflicht (s. o.), ganz allgemein fordert der Konzern mehr Anstrengungen im Bereich „Infrastruktur“. Deshalb überreichte der Branchen-Verband „ChemCologne“ dem nordrhein-westfälischen Bauminister Michael Groschek schon im letzten Jahr eine Wunschliste in Form der Studie „Chemie-Logistik im Rheinland“. Aber nicht nur neue Bau-Maßnahmen mahnen BAYER & Co. darin an, sie beanspruchen auch ein Mitsprache-Recht bei den Projekten. „Für eine funktionierende Chemie-Logistik ist es wichtig, dass bei der Verkehrsinfrastruktur-Planung die besonderen Bedürfnisse der chemischen Industrie (Gefahrgut-Transport) berücksichtigt werden“, schreiben die Unternehmen Groschek ins Stammbuch.

Kraft weiht TDI-Anlage mit ein
Am 9. Dezember 2014 weihte der Leverkusener Multi in Dormagen seine neue Kunststoff-Anlage ein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Verbände hatten sich im Vorfeld gegen das Projekt ausgesprochen und ihre Kritik auf einem Erörterungstermin im Herbst 2011 vorgetragen. Die Coordination stieß sich vor allem am großen Ressourcen-Verbrauch der Fertigungsstätte und am avisierten Gebrauch des gefährlichen Giftgases Phosgen als Zwischenprodukt, ohne Schutzmaßnahmen durch eine Beton-Ummantelung der Produktionsstätte zu treffen. Darüber hinaus monierte sie den zu geringen Sicherheitsabstand zu Wohnsiedlungen und Verkehrseinrichtungen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gab all dem hingegen bei der feierlichen Eröffnung ihren landesmütterlichen Segen. Sie bescheinigte dem Global Player, mit der TDI-Produktion ein Signal für den Umweltschutz zu setzen. Und obwohl der Konzern gerade einmal drei Monate vorher die Trennung von seiner Plaste-Sparte bekanntgegeben hatte, weil sie seinen Rendite-Vorstellungen nicht mehr entsprach, stimmte für die Sozialdemokratin die Chemie. „Die Investition macht die Leistungsstärke des BAYER-Standortes deutlich. Es ist aber auch ein wichtiges Zeichen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Nordrhein-Westfalens als attraktiver Chemie-Standort“, bekundete sie.

Schöning im VFA-Vorstand
Klaus Schöning, Leiter von BAYER HEALTHCARE, hat einen Posten im Vorstand des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller errungen. Als einer der größten bundesdeutschen Arznei-Produzenten hat der Multi Schöning zufolge eine Art natürliches Recht auf einen solchen Sitz: „Daraus ergibt sich auch unser Anspruch, Verbandsarbeit aktiv mitzugestalten.“ Besonders aktiv will der Manager den Dialog mit Bundestagsabgeordneten und anderen wichtigen EntscheiderInnen in Berlin vorantreiben. „Diese Gespräche sind wichtig, um den Wert der Arzneimittelbranche und insbesondere unserer innovativen Medikamente für die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft deutlich zu machen“, so der Healthcare-Chef.

Regierung startet Pharma-Dialog
Im September 2014 hat die Bundesregierung den „Pharma-Dialog“ ins Leben gerufen. In einer konzertierten Aktion wollen das Gesundheits-, Wirtschafts- und das Forschungsministerium den Pillen-Produzenten bessere Rahmenbedingungen verschaffen. „Erklärtes Ziel des Dialogs ist die Stärkung des Pharma-Standortes Deutschland“, freut sich der Leverkusener Multi. Schon zwei Monate nach dem Start der Initiative durfte der Global Player Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zum Antrittsbesuch begrüßen und sich von ihm loben lassen: Als einen der „innovativsten Wirtschaftszweige unseres Landes“ bezeichnete Gröhe die Arznei-Branche. BAYER-Chef Marijn Dekkers möchte dafür allerdings mehr Anerkennung und kündigte an, diese bei den Pharma-Dialogen auch einzufordern. „Wenn uns Politik und Gesellschaft unterstützen, können wir weiterhin in Deutschland forschen, innovative Arzneimittel für die ganze Welt entwickeln und im globalen Wettbewerb vorne mitspielen“, sagte er mit einem kaum verhohlenen drohenden Unterton. Der Vorsitzende des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller“, Hagen Pfundner, hat derweil schon einen Akteur ausgemacht, der angeblich einen Keil zwischen Politik und Pharma-Konzerne treibt: die Krankenkassen. Durch ihre Dominanz bei den Preisverhandlungen für neue Medikamente würden sich „Politik und Industrie voneinander entfernen“, meint der Lobbyist. Aber er weiß Abhilfe. WissenschaftlerInnen sollen an den Gesprächen teilnehmen und den Einfluss von DAK & Co. reduzieren, rät Pfundner.

Kritik am AMNOG
Die PolitikerInnen erwarteten vom 2011 eingeführten Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) Einsparungen bei den Medikamenten-Ausgaben von bis zu zwei Milliarden Euro. Die Kosten/Nutzen-Bewertung von bereits zugelassenen Pillen sollte nämlich die Spreu vom Weizen trennen und die Pharma-Riesen bei Minderleistern oder 08/15-Produkten zu finanziellen Zugeständnissen zwingen. Die mit dem Paragrafen-Werk verbundene Hoffnung trog jedoch, nicht zuletzt, weil die schwarz-gelbe Koalition auf Druck der Pharma-Lobby von ihren Plänen abgerückt war, alle Arzneien einer Revision zu unterziehen und sich stattdessen auf neue Präparate beschränkte. BAYER & Co. reicht dies jedoch nicht. Sie fordern einen weiteren AMNOG-Rückbau. So stößt sich Frank Schöning von BAYER VITAL an dem, was das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) unter Zusatznutzen versteht. „Wenn kein Zusatznutzen festgestellt wird, bedeutet das nicht automatisch, dass ein Produkt keinen Zusatznutzen hat“, sagte er bei einem vom Leverkusener Multi anberaumten Presse-Gespräch und warf dem IQWIG vor, „patienten-relevante Endpunkte“ bei ihren Untersuchungen nicht in ausreichendem Maß zu berücksichtigen. Der BAYER-Manager hätte nämlich schon gerne einen Zusatznutzen für ein Produkt ausgewiesen bekommen, wenn es nicht mehr dreimal, sondern nur noch zweimal am Tag eingenommen werden muss. Hilfestellung leistete Schöning bei dem Termin die Geschäftsführerin des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Industrie“, Birgit Fischer. „Es besteht der Verdacht, dass es einzig und allein um die Reduzierung der Preise geht“, mit diesen Worten kritisierte die Lobbyistin das Bewertungsverfahren.

Mehr Gentech-Importe gefordert
Die europäischen Dachverbände der Futtermittel- und Fleisch-Industrie sowie der LandwirtInnen fordern die EU auf, mehr Importgenehmigungen für Gen-Pflanzen von BAYER, MONSANTO & Co. zu erteilen. Wenn nicht mehr Ackerblüten wie BAYERs T25-Mais oder die beiden Baumwoll-Arten T304-40 und LL25xGHB614 auf den Markt kommen und eingeführte Sorten konventioneller Art keine Spuren dieser Laborfrüchte enthalten dürfen, ist nach dem Horror-Szenario der Lobby-Organisationen die Nahrungsmittel-Sicherheit gefährdet.

Obamas Klima-Plan gefährdet
Die Obama-Administration bereitet einen „Clean Power Plan“ vor. Dieser will den Energie-Erzeugern vorschreiben, die Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent zu verringern. BAYER & Co. laufen Sturm gegen das Vorhaben, weil sie höhere Strom-Preise befürchten. Der Industrie-Verband „Chamber of Commerce“ legte umgehend eine Studie vor, um Stimmung gegen die Gesetzes-Initiative zu machen. 290 Milliarden Dollar müssten die VerbraucherInnen infolge des Obama-Projekts bis 2030 mehr für Energie zahlen, rechnete der Lobby-Club vor. Und auch die in Diensten der Konzerne stehende JuristInnen-Vereinigung „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) entfaltete sogleich Aktivitäten. In mehr als 12 Bundesstaaten schrieb die Organisation, welcher der Leverkusener Multi seit 1992 angehört, für republikanische PolitikerInnen Eingaben gegen den „Clean Power Plan“.

PROPAGANDA & MEDIEN

Marken-Pflege bei Facebook
„BAYER duldet keine Gesetzes-Verstöße bei der Vermarktung seiner Produkte. Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“, heißt es in einem Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Dennoch überschreitet er immer wieder die Grenzen des Erlaubten. So hat der Konzern die österreichische PR-Agentur Mhoch3 engagiert, um „Online-Reputationsmanagement“ zu betreiben und mittels gefaketer Postings Produkte des Unternehmens auf Facebook und in Foren anzupreisen (siehe auch SWB 1/15). In krudem Stil, der für Authentizität bürgen soll, ist auf chefkoch.de dann beispielsweise „Benny was hast du deiner katze letzt endlich gegeben damit die Flöhe verschwinden? Wir behandeln immer mitn Spot On von Bayer namens Advantage- kennst du das?...wünsch Euch viel Glück“ zu lesen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN geht gegen diese Werbe-Praxis von BAYER gerichtlich vor und hat Strafanzeige gestellt.

Greenwashing mit Merkel
Um sich trotz immensen Schadstoff-Ausstoßes als Umweltengel präsentieren zu können, unterstützt BAYER einige Naturschutzprojekte. Dabei erhielt der Konzern jetzt auch Schützenhilfe von der Bundeskanzlerin persönlich. Angela Merkel machte 2014 auf ihrem Weg nach Australien zum G20-Gipfel einen kurzen Stopp in Neuseeland und besuchte dort auch das vom Leverkusener Multi gesponserte „Motutapu Restoration Trust“-Projekt, das sich gefährdeter Vogel-Arten annimmt. „Das war eine hervorragende Gelegenheit, Angela Merkel zu zeigen, wie wir uns als Unternehmen für das Gemeinwohl einsetzen“, freute sich BAYERs Neuseeland-Chef Holger Detje.

Redwashing mit „Philos“-Preis
Blutern widmet BAYER besondere Aufmerksamkeit, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 80er Jahren Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen seine Präparate aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Deshalb erhalten die Bluter-Verbände viele Zuwendungen. Zu diesen zählt auch der „Philos“-Preis, mit dem der Pharma-Riese besondere Projekte auszeichnet. Im Februar 2015 überreichte er der „Interessensgemeinschaft Hämophiler“ für ihr Wochenend-Seminar „Hämophilie im Alter“ einen Scheck in Höhe von 10.000 Euro.

PR mit Präventionskampagne
Immer wieder führt der Leverkusener Multi Präventionskampagnen durch, die nur vordergründig der gesundheitlichen Aufklärung und der körperlichen Fitness dienen. Jüngstes Beispiel: Die gemeinsam mit der „Deutschen Schlaganfall-Hilfe“ und der „Deutsche Sporthochschule Köln“ initiierte Aktion „Rote Karte dem Schlaganfall“. Diese hat vielmehr nur den Zweck, ADALAT und XARELTO als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe zu bewerben und die Beziehungen zu den Kooperationspartnern zu vertiefen.

BAYER sucht den Diabetes-Star
Der Leverkusener Multi möchte Diabetes-Kranke schon möglichst früh binden und so den Absatz seines umstrittenen Diabetikums GLUCOBAY und seiner Blutzucker-Messgeräte erhöhen. Zu diesem Behufe ruft er zum „‚Fine Stars’-Modelcasting 2015“ auf. Dieses sucht nach Kindern und Jugendlichen mit Diabetes, die sich von ihrer Krankheit „nicht unterkriegen lassen und voll im Leben stehen“. Die GewinnerInnen dürfen dem Konzern dann als Diabetes-„BotschafterInnen“ dienen. Den Namen verdankt die Casting-Show der Giraffe Fine aus dem Kölner Zoo, für welche der Pharma-Riese 2008 werbewirksam eine Patenschaft übernommen hatte.

BAYER sponsert „Weltverhütungstag“
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht selbst heute noch großer Beliebtheit, denn sie eröffnet den Verhütungsmitteln des Konzerns gute Absatzchancen in den ärmeren Ländern. Darum ist der Pharma-Riese auch der Hauptsponsor des „Weltverhütungstages“, der 2014 sogar einen Aktionsplan verabschiedet hat, um BAYERs Produkt-Palette vorzustellen bzw. „den Bedarf nach korrekten, objektiven und leicht verfügbaren Informationen zum Thema Verhütung“ zu stillen.

Keine Angst vor Fortbildungskodex
Die „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittel-Industrie“ (FSA) hat einen neuen Transparenz-Kodex zum Umgang mit ÄrztInnen verabschiedet. Dieser schreibt die Veröffentlichung von finanziellen Zuwendungen oder geldwerten Leistungen vor, welche BAYER & Co. MedizinerInnen gerne für Fortbildungen, Beratungsleistungen und wissenschaftlich unsinnige Beobachtungsstudien, welche nur der Einstellung der PatientInnen auf das jeweilige Konzern-Präparat dienen, angedeihen lassen. Mit „nachteiligen nennenswerten Auswirkungen“ der Initiative rechnet der Pharma-Riese allerdings nicht. DoktorInnen, die keine „individuelle Transparenz“ wünschen, müssen nämlich nicht mit der Publizierung ihres Namens rechnen, da der Kodex viele Ausnahme-Regelungen vorsieht. Und dem Beispiel einiger Unternehmen, die MedizinerInnen für Vorträge künftig nicht mehr bezahlen wollen, mag der Global Player auch nicht folgen. „Bei Einhaltung der Transparenz-Regeln im Kodex spricht aus unserer Sicht nichts gegen eine angemessene Honorierung von ärztlichen Leistungen“, meint der Konzern.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2014 unterstützte die Stiftung unter anderem das „Junge Ensemble“ des Theas-Theaters in Bergisch-Gladbach, ein Ferien-Angebot des Bistums Magdeburg für sozial benachteiligte Kinder, den Jugendmigrationsdienst Wolfen und den Europa-Jugendbauernhof Deetz.

DRUGS & PILLS

Kein NEXAVAR bei Leberkrebs
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib ist bislang zur Behandlung von fortgeschrittenem Nierenkrebs, fortgeschrittenem Leberkrebs und einer bestimmten Art von Schilddrüsenkrebs, bei der zuvor eine Bestrahlung mit radioaktivem Jod keine Fortschritte erzielte, zugelassen. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu erweitern. So versuchte er jüngst, das gemeinsam mit dem Unternehmen ONYX entwickelte Medikament bei solchen Leberkrebs-PatientInnen zur Anwendung zu bringen, denen die ÄrztInnen alle Geschwüre entfernt hatten. Aber die entsprechenden Tests erbrachten kein positives Ergebnis. Zuvor war bereits eine andere Leberkrebs-Erprobung gescheitert, und auch bei Brust, Lungen-, Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs konnte NEXAVAR keine Therapie-Erfolge erzielen. Der Pillen-Riese bleibt aber beharrlich. „Obwohl wir vom Ausgang der Studie enttäuscht sind, wollen wir weiterhin das Potenzial des Wirkstoffes in allen Stadien von Leberkrebs untersuchen“, so der Pharma-Entwicklungschef Jörg Möller.

ESSURE 2.0
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich nach etwa drei Monaten die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich, und das dürfte sich in nächster Zeit auch nicht ändern. Der Leverkusener Multi arbeitet zwar gerade an einer Weiterentwicklung des Medizin-Produktes, aber um eine Veränderung des Risiko-Profils geht es ihm dabei nicht. Dem Konzern ist es vielmehr um eine schnellere Wirkung zu tun: Er will den Prozess beschleunigen, der die Einleiter-Zugänge versperrt. Entsprechende klinische Tests laufen bereits.

Ein bisschen Gender-Medizin
Die Schulmedizin begreift den Körper als Maschine, und Maschinen haben kein Geschlecht. Entsprechend stellen die Pharma-Konzerne für Männer und Frauen dieselben Medikamente her. Dabei differieren die Krankheiten und Krankheitsverläufe zum Teil sehr. So machen sich etwa die Symptome für einen Herzinfarkt bei weiblichen Personen anders als bei männlichen Personen bemerkbar. Jetzt will auch der Leverkusener Multi dem kleinen pharmakologischen Unterschied mehr Aufmerksamkeit widmen. Ein gemeinsam mit der Berliner Charité unternommenes Forschungsprojekt hat zu dem Sinneswandel geführt.

Neue XOFIGO-Studie
Der Leverkusener Multi sucht nach einer neuen Anwendungsmöglichkeit für sein gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickeltes Medikament XOFIGO. Bisher hat das Präparat eine Zulassung bei der Prostatakrebs-Art CRPC, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Dann soll eine radioaktive Bestrahlung mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid das Wachstum der Tumor-Zellen hemmen. Und jetzt testet der Pharma-Riese das Mittel in Kombination mit den Pharmazeutika Abirateron-acetat und Prednison bei Patienten, die sich noch keiner Chemo-Therapie unterzogen haben. Das Produkt vermag allerdings schon in seinem angestammten Gebiet nicht recht zu überzeugen. Bei den Klinischen Tests verlängerte es die Lebensdauer der Krebs-Kranken um noch nicht einmal drei Monate. In England übernimmt deshalb der dortige „National Health Service“ die XOFIGO-Behandlungskosten nicht.

Tests mit Prostata-Arznei
BAYER entwickelt gemeinsam mit dem finnischen Unternehmen ORION ein Medikament für Prostatakrebs-Patienten, die zwar noch keine Metastasen haben, aber erhöhte, nicht auf eine Behandlung mit Testosteron-Blockern reagierende PSA-Werte. Das Präparat soll die Arbeit des Androgen-Rezeptors stören und so die Bildung von Testosteron hemmen, welches das Tumor-Wachstum befördert. Die entsprechenden Tests der Phase III haben im Herbst 2014 begonnen.

Neue ADEMPAS-Studie
Bei der Arznei ADEMPAS handelt es sich um ein Mittel zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge die Bildung eines Enzyms stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Da der Leverkusener Multi aus Profit-Gründen ständig nach neuen Anwendungsmöglichkeiten für seine Arzneien sucht, will er das Präparat jetzt auch bei solchen CTEPH-PatientInnen einsetzen, bei denen eine Behandlung mit PDE-E-Hemmern keinen Erfolg gezeigt hat. Entsprechende Studien mit dem Mittel, dessen Wirkung der industrie-unabhängige Arzneibrief als „marginal“ bezeichnet, laufen zurzeit.

ALEVE doch nicht Klassenbester
Entzündungshemmende Schmerzmittel wie BAYERs ALEVE (Wirksubstanz: Naproxen) steigern bei längerer Einnahme das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere Herz-Kreislauf-Krankheiten mit möglicher Todesfolge deutlich. Einige neuere Studien hatten allerdings das Gefährdungspotenzial von ALEVE geringer als das der anderen Präparate eingeschätzt. Die US-Gesundheitsbehörde kündigte daraufhin an, dem Leverkusener Multi zu gestatten, dieses auf den Packungen zu vermerken, sollte sich der Befund bestätigen. Dies tat er allerdings nicht. Der FDA-Beratungsausschuss überprüfte die Untersuchungsergebnisse und konnte keine gravierenden Unterschiede zwischen den Mitteln feststellen.

Zulassung für Verhütungspflaster
Die Europäische Arzneimittel-Behörde EMA hat einem Verhütungspflaster von BAYER die Zulassung erteilt. Das Produkt enthält 0,55 mg des Hormons Ethinylestradiol und 2,1 mg des Hormons Gestoden. Damit überschreiten die Konzentrationen diejenigen von Kontrazeptiva in Pillen-Form. Dem Leverkusener Multi zufolge stellt das jedoch keine Gefahr dar, da die Wirkstoffe peu à peu über die Woche verteilt in den Organismus gelangen. Studien bescheinigen den Pflastern im Allgemeinen dagegen ein höheres Gefährdungspotenzial als anderen Verhütungsmethoden. Bei Vergleichsuntersuchungen mit Pillen und Vaginal-Ringen zeigten sie ein schlechteres Risiko-Profil.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben auf Obama-Agenda
Der US-Präsident Barak Obama hat eine landesweite Strategie gegen das Bienensterben angekündigt. „Das Problem ist ernst und stellt eine bedeutende Herausforderung dar, die im Interesse der Nachhaltigkeit unserer Nahrungsmittel-Produktion in Angriff genommen werden muss“, heißt es in dem „Presidential Memorandum“. Zu dem Maßnahmen-Katalog gehört auch, den Anteil zu untersuchen, den Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie die BAYER-Mittel PONCHO und GAUCHO an dem Verenden der Tiere haben. Vielen Initiativen geht der Schritt der Regierung indes nicht weit genug. Der US-amerikanische Ableger des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKES (PAN) und mehr als 125 weitere Gruppen appellierten an Obama, es seinen europäischen Kollegen gleichzutun und die gefährlichen Mittel umgehend aus dem Verkehr zu ziehen.

FENOMENAL nicht phänomenal
BAYERs vor einiger Zeit auf den Markt gebrachtes Antipilzmittel FENOMENAL (Wirkstoffe: Fosetyl und Fenamidone) ist alles andere als phänomenal. Das für Erdbeeren, Zierpflanzen und Ziergehölze bestimmte Pestizid hatte erhebliche Schwierigkeiten, seine Zulassung zu erhalten. So urteilte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) zunächst: „Für die Erdbeer-Indikationen konnte die hinreichende Wirksamkeit nicht belegt werden.“ Die vorgelegten Unterlagen schätzte das BVL als mangelhaft und unvollständig ein. Bei eigenen Labor-Untersuchungen ermittelte es deutlich höhere Rückstandswerte als der Leverkusener Multi. Auch bei der Abbau-Zeit kamen die WissenschaftlerInnen auf andere Zahlen als der Konzern. Zudem bemängelte das Amt zu alte Sicherheitsdatenblätter und das Fehlen von Material aus bundesdeutschen Feldversuchen zur Rückstandsbewertung. Das Risiko, dass sich die Rote Wurzelfäule und andere Pilz-Arten bald auf die Wirkstoffe einstellen und Resistenzen herausbilden könnten, schätzte es „beim Fosetyl gering, beim Fenamidone hingegen hoch“ ein. Überdies hatte der Agro-Riese dem Bundesamt zufolge eine viel zu hohe Dosierung empfohlen. Erst durch das Nachreichen von Dokumenten hat der Global Player dann grünes Licht für fast alle der beantragten Anwendungsgebiete erhalten.

Neues Reis-Herbizid
„Mit der Entdeckung der herbiziden Wirkung bestimmter Sulfonylharnstoff-Verbindungen (...) erfolgte ein Quantensprung in der chemischen Unkrautbekämpfung“, hielt noch 2012 eine vom staatlichen Julius-Kühn-Forschungsinstitut für Kulturpflanzen veranstaltete Konferenz fest, an der auch ein Vertreter des Leverkusener Multis teilnahm. Inzwischen ist der Ruhm der 1985 auf Sulfonylharnstoff-Basis eingeführten Stoffe allerdings verblasst. So trotzen etwa auf den Reisfeldern immer mehr Wildpflanzen den BAYER-Mitteln RAFT (Wirkstoff: Oxadiargyl), TOPSTAR (Oxadiargyl), SUNRICE (Ethoxysulfuron), WHIP SUPER (Fenoxaprop-p-ethyl) und RICESTAR (Fenoxaprop-p-ethyl). Doch der Agro-Riese will nun Abhilfe schaffen und vermarktet für Reis-Kulturen mit COUNCIL COMPLETE ein neues Produkt. In Südkorea schon zugelassen, erwartet der Konzern in Kürze weitere Genehmigungen in asiatischen Ländern für das Mittel mit den Ingredienzien Triafamone und Tefuryltrione. „Tefuryltrione bekämpft sehr effektiv Unkräuter, die gegen Herbizide aus der chemischen Klasse der Sulfonylharnstoffe resistent sind und sich auf den südkoreanischen Reisfeldern zunehmend ausbreiten“, verspricht der Konzern.

BAYER erforscht Resistenzen
Die oligopol-artigen Strukturen auf dem Agro-Markt schwächen die Innovationskräfte der Branche immens (SWB 1/14). So haben BAYER & Co. seit Dekaden kein neues Anti-Unkrautmittel mehr entwickelt. Die Folge: Schon 238 Wildpflanzen-Arten sind immun gegen die gängigen Chemie-Cocktails geworden. Der Leverkusener Multi räumt das sogar selber ein. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, sagt der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Jetzt will der Global Player seine Anstrengungen in dem Bereich jedoch intensivieren. Er eröffnet in Frankfurt ein Kompetenz-Zentrum für Unkraut-Resistenzen mit 12 Beschäftigen. Bis diese neue Mittel entwickelt haben, dürften allerdings noch einige Jährchen ins Land ziehen, wenn es ihnen denn überhaupt gelingt.

Bio boomt
Die Absatz-Chancen für Pestizide auf biologischer Basis vergrößern sich. ExpertInnen sagen für das Jahr 2020 ein Markt-Potenzial von drei Milliarden Dollar voraus. Darum baut BAYER mit Produkten wie dem Anti-Wurmmittel BIBACT und dem Anti-Pilzmittel CONTANS, dessen komplette Vertriebsrechte für Europa der Konzern sich im Oktober 2014 gesichert hat, das „Bio“-Segment zielstrebig aus. Auch in Forschung & Entwicklung investiert der Agro-Riese. So stehen am Standort West Sacramento schon 100.000 Bakterien-Stämme als Pflanzenschutz-Versuchsobjekte zur Verfügung. Der Leverkusener Multi hebt als Vorteile der Bio-Methode die sehr spezifische und deshalb Resistenz-Bildungen verhindernde Wirkungsweise sowie die flexiblen Einsatzmöglichkeiten bis zum Tag der Ernte hervor. Er will deshalb jedoch seinen Agrogift-Schrank nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. „Wir setzen auf integrierte Angebote für Nutzpflanzen. Also auf die Auswahl des passenden Saatguts und die beste Kombination aus chemischen und biologischen Produkten“, so BAYER-Manager Ashish Malik.

Pestizid-Gegnerin angegriffen
Die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung der Pestizid-Ausbringung – und zu einer Ausweitung der Gesundheitsschädigungen. Im argentinischen Ituzaingó etwa kommt ein Drittel der Neugeborenen mit Missbildungen zu Welt; bei 80 Prozent der BewohnerInnen wiesen WissenschaftlerInnen Rückstände von Agrochemikalien im Blut nach. Viele Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, haben daran einen Anteil, so etwa Glyphosate (GLYPHOS, USTINEX G), und Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER). Aber die Betroffenen setzen sich zur Wehr und gründen Initiativen wie die „Mütter von Ituzaingó“. Damit setzen sie sich jedoch Gefahren aus. So wurde die Aktivistin Sofia Gatica überfallen, und als Grund kommt für sie nur ihr aktuelles Engagement gegen eine Saatgut-Aufbereitungsanlage von MONSANTO in Frage.

Mehr Pestizide in Afrika
Auf der Suche nach Absatz-Gebieten ist der Leverkusener Multi in Afrika fündig geworden. Nicht nur mehr Pharmazeutika (siehe ERSTE & DRITTE WELT), sondern auch mehr Pestizide möchte BAYER auf dem Kontinent absetzen – bis 2020 strebt der Agro-Riese eine Umsatz-Verdoppelung an. Deshalb baut er seine Präsenz vor Ort aus. In Angola, der Elfenbeinküste, Nigeria und Tansania will er demnächst Repräsentanzen eröffnen.

PFLANZEN & SAATEN

Neuer Hybrid-Reis mit KAIIMA
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit dem israelischen Unternehmen KAIIMA AGRITECH vereinbart, um neue hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Reis-Sorten zu kreieren. Dabei kommt die von KAIIMA entwickelte, ohne Gentech-Verfahren auskommende EP-Technologie zum Einsatz, die den Pflanzen zu mehr Robustheit verhelfen soll, indem sie ihren Chromosomen-Satz vervielfacht.

Neuer Hybrid-Raps in Kanada
Der Leverkusener Multi hat in Kanada eine neue Art seines hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Raps’ der INVIGOR-Produktreihe herausgebracht, den er in Kombination mit seinem Ultragift Glufosinat vermarktet. Die Sorte soll den LandwirtInnen BAYER zufolge eine spätere und deshalb ertragreichere Ernte ermöglichen, weil sie über besonders stabile, dem Regen trotzende Schoten verfügt.

Neuer Weizen in Osteuropa
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen, die am meisten verbreitete Kulturpflanze der Welt, einen Schwerpunkt. Sieben Zuchtstationen unterhält BAYER mittlerweile; zudem kooperiert das Unternehmen mit vielen Weizenforschungsinstituten. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren. Spätestens dann soll auch die erste hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete und deshalb mehr Ertrag versprechende Sorte auf den Markt kommen. Und eine selbstentwickelte konventionelle Weizen-Art bietet der Global Player schon ab diesem Jahr an, vorerst allerdings nur in Osteuropa.

GENE & KLONE

BAYER-Raps kreuzt aus
Die Schweiz erlaubt keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Trotzdem entdeckten WissenschaftlerInnen dort Spuren von MS8, RF3 und MS8xRF3 – drei Sorten des BAYER-Genraps’ der INVIGOR-Produktlinie. Die ExpertInnen vermuten, dass die gegen das Ultra-Gift Glufosinat resistente Laborfrucht über den Baseler Rheinhafen mit einer Weizenlieferung aus Kanada in das Land gelangte. Demnach wäre dort ein guter Teil der Weizen-Ernte kontaminiert.

Verunreinigungen durch STARLINK
Zu den Erblasten, die BAYER 2001 mit dem Kauf von AVENTIS CROPSCIENCE übernahm, gehörte der Gen-Mais STARLINK. Dieser hatte ein Jahr zuvor für den ersten großen Gentechnik-Skandal in der Geschichte gesorgt. Obwohl nur in den USA und auch da lediglich als Futtermittel zugelassen, wies die Initiative GENETICALLY ENGINEERED FOOD ALERT (GEFA) Spuren der Laborfrucht in rund 300 Lebensmitteln nach. Allein der Lebensmittel-Konzern KRAFT musste daraufhin 2,5 Mio. Packungen Maismehl-Chips zurückrufen. AVENTIS blieb damals nichts anderes übrig, als die Gen-Pflanze vom Markt zu nehmen. Trotzdem treibt diese immer noch ihr Unwesen. So tauchte STARLINK Ende 2013 in saudi-arabischen Lebensmitteln auf.

Super-Pflanzen, Super-Unkräuter
Die gentechnische Veränderung beschleunigt das Wachstum von Ackerfrüchten. Wenn diese auskreuzen und ihre Eigenschaften auf Unkräuter übertragen, wie es häufig geschieht, gedeihen diese ebenfalls üppiger. Das hat ein US-amerikanisches WissenschaftlerInnen-Team um Allison Snow herausgefunden und in dem Fachjournal New Phytologist publiziert.

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Der Leverkusener Multi setzt besonders bei SURPASS und anderen Baumwoll-Pflanzen auf den Bazillus. Baumwollkapselbohrer & Co. können sich jedoch immer besser auf ihn einstellen, fünf von 13 Insekten-Arten kann er kaum mehr etwas anhaben. Zu diesem Befund kamen WissenschaftlerInnen des französischen Forschungsinstituts CIRAD und der „University of Arizona“ nach einer Auswertung entsprechender Studien. Brasilianische ForscherInnen von der Universität São Paulo um Juliano Ricardo Farias bestätigten die Resultate. Diese Situation zwingt die LandwirtInnen dazu, zusätzliche Insektizide einzusetzen. Die Behauptung von BAYER & Co., die Gentechnik würde den Pestizid-Verbrauch senken, erweist sich also wieder einmal als falsch.

Indien: Versuche mit Bt-Reis
Die Gentechnik ist in Indien sehr umstritten. Als einzige Laborfrucht darf auf den Äckern bisher die mit dem Insekten-Gift des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückte Baumwolle blühen. Vor allem zwischen Landwirtschafts- und Umweltministerium gab es immer wieder Auseinandersetzungen um die Risikotechnologie. Im Dezember 2013 musste jedoch die gentech-kritische Umweltministerin Jayanthi Natarajan ihren Rücktritt erklären. Seither hat sich das umweltpolitische Klima im Land geändert. Die Aufsichtsbehörde GEAC gab grünes Licht für rund 200 Feldversuche mit gentechnisch manipulierten Pflanzen, darunter auch für solche mit Bt-Reis aus dem Hause BAYER. Die Lobby-Organisation ABLE-AG, welcher der Leverkusener Multi, MONSANTO und andere Agro-Riese angehören, bedankte sich in einem Schreiben umgehend für das Entgegenkommen. Das letzte Wort in der Sache ist allerdings noch nicht gesprochen. Dem Obersten Gerichtshof des Landes liegt nämlich immer noch der Antrag zur Entscheidung vor, ein zehnjähriges Moratorium für Freisetzungsversuche zu verhängen.

Mehr Gentech mit CELLECTIS
Der Leverkusener Multi baut seine Kooperation mit dem US-Unternehmen CELLECTIS PLANT SCIENCE auf dem Gebiet der Gentechnik aus. CELLECTIS entwickelt für den Konzern neue Raps-Sorten und gewährt ihm Zugang zu neuen Technologien. Von diesen erwartet sich die BAYER-Forscherin Catherine Feuillet viel: „Sie ermöglichen so präzise Modifikationen des Genoms oder der Gene, dass Veränderungen des gesamten Pflanzen-Genoms vermieden werden.“

Neue Gentech-Baumwolle
In den USA bietet BAYER seit Neuestem sein Baumwoll-Saatgut der FIBERMAX-Produktreihe mit einer kombinierten Insektizid- und Herbizid-Resistenz an. Die Pflanzen trotzen sowohl Glyphosat als auch dem Antiunkraut-Mittel Glufosinat, weshalb die LandwirtInnen die entsprechenden Pestizide gleich im Doppelpack ausbringen können. Und die haben es in sich: Glyphosat steht im Verdacht, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Glufosinat wirkt ebenfalls reproduktionstoxisch. Zudem ist es imstande, Missbildungen bei Föten zu verursachen, Verhaltensstörungen hervorzurufen und die Entwicklung des Gehirns zu beeinträchtigen. Wegen dieser Risiken und Nebenwirkung muss die Substanz in Europa bis September 2017 vom Markt verschwinden.

Suche nach Signalstoffen
Der Leverkusener Multi hat mit TARGENOMIX, einer Ausgründung des „Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie“ eine Forschungskooperation vereinbart, um die Wirkungsweise von bestimmten Signalstoffen zu ergründen, die für das Gedeihen der Ackerfrüchte wichtig sind. Auf Basis dieser Erkenntnisse hofft der Agro-Riese dann, „innovative Lösungsansätze für den Pflanzenschutz und die Pflanzen-Gesundheit“ gewinnen zu können.

Wieder kein EYLEA-Zusatznutzen
BAYERs zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassene Augen-Arznei EYLEA (Ticker 2/12) erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. In den klinischen Prüfungen gelang es dem Gentech-Medikament mit dem Wirkstoff Aflibercept nicht, das NOVARTIS-Präparat LUCENTIS zu übertrumpfen, was der Leverkusener Multi auch selbst einräumen musste. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) mag ebenfalls partout keinen Zusatznutzen zu erkennen. Nachdem es schon bei der eigentlichen Makula-Degeneration keinen durch EYLEA bewirkten Therapie-Fortschritt festmachen konnte, gelang ihr das für das Anwendungsgebiet „diabetisches Makula-Ödem“ ebenso wenig. Der Pharma-Riese hat gegen die Entscheidung Einspruch eingelegt.

KOGENATE-Allergien
Gleich zwei Studien bescheinigten BAYERs Blutgerinnungspräparat KOGENATE und dem ebenfalls vom Leverkusener Multi entwickelten, seit geraumer Zeit aber von BEHRING vertriebenem Mittel HEXILATE NEXGEN eine mangelhafte Wirkung. Neue, vorher nicht behandelte Bluter-Patienten reagieren auf diese beiden Gentech-Mittel der zweiten Generation öfter allergisch als auf Blutprodukte der dritten Generation, so der Befund. Für den Bluter-Weltverband „World Federation of Hemophilia“ legt dieses Ergebnis nahe, die Pharmazeutika Menschen mit frisch diagnostizierter Hämophilie lieber nicht zu verschreiben. Die Organisation forderte daher die US-Gesundheitsbehörde FDA auf, die Daten umgehend zu überprüfen. Das europäische FDA-Pendant EMA wies indes BAYER und BEHRING an, auf dem Beipackzettel auf das erhöhte Risiko von Immun-Reaktionen hinzuweisen. Zudem kündigte die Behörde eine Überprüfung der in der Fachzeitschrift Blood veröffentlichten Expertisen an.

Neues KOGENATE
In den 1980er Jahren starben Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutpräparaten BAYERs, weil das Unternehmen die Pharmazeutika aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte, obwohl das verarbeitete Blut auch von Risiko-Gruppen stammte. Ende des Jahrzehnts brachte der Leverkusener Multi dann mit KOGENATE ein Produkt heraus, bei dem gentechnisch manipulierte Zellen das Plasma vervielfältigen, weshalb der Bedarf an Spenderblut drastisch sank. Und nun hat der Konzern für die KOGENATE-Version BAY 81-8973 die Vermarktungsgenehmigung erhalten, die gar keine menschlichen Blut-Bestandteile mehr enthält. Mit Risiken behaftet ist die Arznei dennoch, denn rund ein Drittel der Patienten mit Blutgerinnungsstörungen bildet Antikörper gegen die Mittel heraus und reagiert allergisch auf sie (s. o.). Darüber hinaus will der Leverkusener Multi noch in diesem Jahr den Zulassungsantrag für eine KOGENATE-Variante stellen, bei der sich nur die Darreichungsform ändert. Das Präparat hält sich länger im Körper, weshalb eine Infusion pro Woche reicht.

Engere Kooperation mit VENTANA
Der Leverkusener Multi weitet die Zusammenarbeit mit VENTANA auf dem Gebiet der Krebsforschung aus. Die ROCHE-Tochter soll für BAYER künftig Tests entwickeln, mit denen der Pharma-Riese kontrollieren kann, ob und wie die von ihm entwickelten Antikörper auf Tumor-Zellen wirken.

WASSER, BODEN & LUFT

PCB unter Tage
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. So schlummern in alten Bergwerksstollen bis zu 10.000 Tonnen PCB. Unter Tage war die Substanz als derjenige Bestandteil von Hydraulik-Ölen in Verwendung, der für die schwere Entflammbarkeit sorgte. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Als gefährlichen Sondermüll behandelten die Konzerne die Giftbrühe damals nicht. Die RAG beispielsweise vermag für gerade einmal zwei Prozent der zwischen 1979 und 1984 in den Saarbergwerken genutzten Öle Entsorgungsnachweise vorzuweisen. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Im Erdreich und in den Abwässern der Zechen finden sich ebenfalls PCB-Spuren. Damit nicht genug, könnten die Polychlorierten Biphenyle schon bald ans Tageslicht gelangen. Die RAG will sich nämlich das kostspielige Abpumpen des Grubenwassers sparen und hat deshalb bereits einige Maschinen abgestellt. Deshalb droht das Wasser die Stollen zu fluten, das PCB auszuspülen und ins Grundwasser, in Flüsse und Bäche weiterzuleiten. „Da tickt eine ökologische Zeitbombe“, so Steffen Potel vom BUND. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat jetzt erst einmal ein Gutachten über die Gefahren in Auftrag gegeben und die RAG angewiesen, keine weiteren Schächte unter Wasser zu setzen, bis das Ergebnis der Studie vorliegt.

Altlast in Krefeld
In Krefeld schlummert unter der 1980 errichteten Siedlung an der Mauritzstraße eine Altlast. In Stichproben-Untersuchungen wiesen GutachterInnen unter anderem Arsen, Blei, Chrom und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) nach. Wegen der hohen Konzentration riet ein Immunologe einem Anwohner sogar, seinen Keller nicht ohne Schutzmaske zu betreten. Der Grund und Boden, auf dem die Häuser entstanden, gehörte der BAYER-Immobiliengesellschaft. Vor Baubeginn hatte sie die Vertiefungen des Areals mit Material aus der nahe gelegenen städtischen Mülldeponie aufgeschüttet, die nicht zuletzt der Chemie-Multi nutzte. „Auch BAYER hat dort abgekippt. Ich habe es als Kind selbst gesehen“, erinnert sich Heike Hoffmann, die Vorsitzende des Bürgervereins Uerdingen. Nach Erschließung des Geländes parzellierte die Konzern-Tochter es und verkaufte nach und nach die einzelnen Grundstücke. Allzu schnell wuchsen die Häuser jedoch nicht. So kam es 1979 und dann noch einmal 1985 zu Unterbrechungen der Arbeiten. „Rita Thiele von den Grünen hat damals für einen Baustopp gesorgt. Wegen der Altlasten im Boden. Dann gab es eine Unbedenklichkeitsbescheinigung von der Stadt und von BAYER“, so der ebenfalls auf verseuchtem Grund und Boden lebende BAYER-Pensioniär Volkmar Sander. Um das Erdreich genauer zu untersuchen, finanziert das Land Nordrhein-Westfalen jetzt den größten Teil einer umfangreichen, 140.000 Euro teuren Studie – den Leverkusener Multi nimmt es dazu nicht in Haftung. Unterdessen melden sich bei den AnwohnerInnen schon Immobilien-SpekulantInnen, die ihre Chance wittern. „Ich habe gehört, dass Sie auf einem Drecksberg sitzen“ – mit diesen Worten wollte ein windiger Geschäftsmann dem ehemaligen BAYER-Werker Eduard Jansen schon sein Haus für den Schnäppchen-Preis von 60.000 Euro abkaufen.

Glyphosat in der Umwelt
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz. Aber auch die Laborfrüchte des Leverkusener Multis verfügen über eingebaute Resistenzen gegen die Substanz. Zudem enthalten BAYERs Ackergifte GLYPHOS und USTINEX G den Stoff. US-amerikanische WissenschaftlerInnen haben jetzt in einer großen Studie untersucht, inwieweit Glyphosat die Umwelt belastet. Das Ergebnis ist alarmierend: In zahlreichen Boden- und Wasserproben wiesen die ForscherInnen die Agro-Chemikalie nach.

GIFTIG, ÄTZEND, EXPLOSIV

BAYER braucht mehr Bisphenol
Das in BAYERs Bitterfelder Chemie-„Park“ ansässige japanische Unternehmen HI-BIS GmbH will die Bisphenol-Produktion verdoppeln und hat deshalb eine neue Fertigungsanlage errichtet. Es kommt damit der steigenden Nachfrage von Seiten des Leverkusener Multis nach, der nicht nur einen 10-Prozent-Anteil an HI-BIS hält, sondern auch als alleiniger Abnehmer der Chemikalie fungiert. Er benötigt sie als Vorprodukt für seinen Kunststoff APEC, der vornehmlich in der Medizin-, Licht- und Elektrotechnik und bei Haushaltsgeräten Verwendung findet. Problematisch ist der Einsatz von Bisphenol, wenn die menschliche Haut in Kontakt mit der Chemikalie kommt, wie das etwa bei Verpackungen für medizinische Geräte der Fall ist. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau nämlich Hormonen, was den menschlichen Stoffwechsel durcheinanderbringen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie zu Herz- und Lebererkrankungen führen kann.

Schärfere Bisphenol-Grenzwerte
Die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) hat das Gesundheitsrisiko neu untersucht, das von der auch von BAYER verwendeten und in Umlauf gebrachten Industrie-Chemikalie Bisphenol A (s. o.) ausgeht. Sie ermittelte mögliche Beeinträchtigungen der Funktionen von Leber, Nieren sowie Brustdrüsen und empfahl eine Absenkung der noch tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge von 50 Mikrogramm um den Faktor 10 auf fünf Mikrogramm. Weil Hinweise auf weitere Gesundheitsgefährdungen durch den Stoff vorliegen, will sie diesen Grenzwert als vorläufigen verstanden wissen. Nach Ansicht des Leverkusener Multi hingegen sind „keine schädlichen Wirkungen nachgewiesen“ bzw. besteht „lediglich ein geringes Gesundheitsrisiko“. „Obwohl es gar keinen Beweis für eine toxische Wirkung“ gebe, hätte die EFSA ihre Entscheidung „in einer äußerst konservativen Herangehensweise“ und „ausschließlich aus Gründen des vorsorgenden Gesundheitsschutzes“ getroffen, moniert der Multi. Die Aussagekraft der Niedrigdosen-Studien, auf welche sich die Behörde bei ihrem Votum stützte, zweifelt der Konzern an. „Niedrigdosis-Effekte sind unter Toxikologen heftig umstritten“, befindet er.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Neues Brandschutz-Konzept
Metall-Alkyle wie Triethylalumninium (TEA) oder Trimethylaluminium (TMA) entzünden sich bei Kontakt mit Luft oder Wasser sofort. Tritt der Ernstfall ein, kann deshalb nur Trockenlöschpulver oder Sand zum Einsatz kommen, was die Arbeit der Feuerwehr sehr erschwert. Bei BAYER liegt der letzte große Knall etwas mehr als fünf Jahre zurück. In dem Bergkamener Werk kam es am 5.9.09 zu einer großen Explosion und zwei kleineren Folge-Detonationen. Ausgelöst hatte die Kettenreaktion eine defekte Pumpe, die Metallalkyl-Reste aus einem Container absaugen sollte. Vier Beschäftigte erlitten damals einen Schock und mussten sich einer ärztlichen Behandlung unterziehen. Dass ihnen nicht mehr passiert ist, rechneten Sachverständige später einem „unheimlichen Glück“ zu. Nun will der Leverkusener Multi mehr Sicherheitsvorkehrungen in puncto „Metall-Alkyle“ treffen. Er hat für diese Stoffe, die als Katalysatoren oder zur Beschichtung von Kunststoffe dienen, ein neues Brandschutz-Konzept entwickelt. Um Leckagen zu vermeiden, empfiehlt der Verfasser der Handreichung, der BAYER-Ingenieur Armin Heyn, unter anderem die Lagerung in doppelwandigen Tanks aus Carbon-Stahl. Überdies hält er bei Teilen der Rohrleitungen ständige Schweißnaht-Überprüfungen für unabdingbar. Darüber hinaus sollten die Pipelines über vor Rost schützende Edelstahl-Halter verfügen. Auch dürften nur hermetisch dichte Pumpen zum Einsatz kommen. Zur Gewährleistung des Brandschutzes rät das Konzept-Papier dazu, die Tanks auf Betonsockel zu stellen, was im Falle eines Falles vor einer Unterfeuerung schützt. Zudem schlägt es die Errichtung von Brandschutzwänden zwischen den einzelnen Metallakyl-Behältnissen und eine Raumluft-Überwachung vor.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Brand in Knapsack
Am 21.10.14 kam es in einer Pestizid-Anlage von BAYER zu einem Brand. Der Stoff Methylphosphin trat aus und entzündete sich sofort. Über Kunststoff-Leitungen und Ummantelungen verbreitete sich das Feuer. Eine übelriechende Rauchwolke zog über die nahegelegenen Wohngebiete. Die Feuerwehr schloss eine Gefahr für die Bevölkerung trotzdem umgehend aus, was die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte. „Man kann nach einem solchen Vorfall nicht einfach Entwarnung geben. Niemand kennt die genaue Zusammensetzung der Brandgase, der Oxidationsprodukte und den Anteil an nicht verbranntem Methylphosphin. Von daher lassen sich langfristige Gesundheitsschäden der Anwohner nicht mit Sicherheit ausschließen“, erklärte die Coordination.

Natronlauge tritt aus
Am 21.12.14 entwichen aus einer Rohrleitungsanlage des Dormagener BAYER-Werk rund drei Kubikmeter einer 32-prozentigen Natronlauge. Als Ursache für den Austritt der stark ätzend wirkenden Substanz gibt der Leverkusener Multi eine defekte Dichtung an.

Kohlenmonoxid tritt aus
Im Antwerpener BAYER-Werk zerbarst am 16.9.14 ein Teil der Dichtung eines Wärmetauschers. Aus dem Leck treten mit den heißen Prozessgas-Strömen auch rund 150 Kilogramm Kohlenmonoxid aus. Der Leverkusener Multi musste die Anlage mit Stickstoff spülen, um das Entweichen noch größerer Stoffmengen zu verhindern.

2014: Sechs Transport-Unfälle
Für das Jahr 2014 verzeichnet BAYERs Geschäftsbericht sechs Transport-Unfälle. Am 6. Januar geriet in Brasilien ein LKW in einen Unfall und verlor 1.300 Kilogramm MDI-Kunststoff. Am 27.3. entweicht aus einem vom Brunsbütteler Werk kommenden Tankwagen der Kunststoff TDI. Am 13.5 trat in den USA aus einem Laster nach einem Zusammenstoß mit einem PKW Container-Heizflüssigkeit aus. Am 31. Juli starb in den USA ein LKW-Fahrer, als sein Fahrzeug von der Straße abkam und gegen einen Baum prallte. Dabei schleuderte die komplette Ladung Makrolon in einen Graben. Am 6.8. rann in den USA aus einem Transport-Fahrzeug Salzsäure, was eine mehrstündige Straßen-Sperrung nach sich zog. Und am 23.8 kam es in Indien zu einem Unfall, in dessen Folge 8.500 Kilo Polyol ins Freie geriet, das mit Sand und Absorptionsmitteln gebunden werden musste.

2014: Acht Lade-Unfälle
Für das Jahr 2014 verzeichnet BAYERs Geschäftsbericht acht Unfälle, die sich beim Be-, Ent- oder Umladen von Stoffen ereigneten. Am 10.4 liefen in einem US-amerikanischen Werk des Leverkusener Multis aus einem noch unter Druck stehenden Versorgungsschlauch 100 Liter einer Flüssigkeit aus. Am 6.6. trat in Pittsburgh bei der Einlagerung von Propylenoxid eine Leckage auf, aus der die krebserregende und das Erbgut schädigende Flüssigkeit entwich. Am 26.6 ereignete sich am südafrikanischen Standort Nigel beim Umfüllen einer Chemikalie eine Explosion geringeren Grades, eine sogenannten Verpuffung. Am 28.8. kippte in Australien auf einem Container-Ladedock ein Fass mit dem Kunststoff-Produkt Desmodur um und schlug leck; 250 Liter des Stoffes rannen heraus. Am 18.9. wurde im Hafen von Marseille ein Polyol-Container beschädigt, 24 Tonnen der Substanz drangen nach draußen. Am 7.10 gelangten beim Entladen eines Bisphenol-Containers ein bis zwei Kubikmeter der Chemikalie ins Freie. Am 21.11. riss in einer US-amerikanischen Niederlassung der Entlade-Schlauch eines Kunststoff-Behältnisses, woraufhin 190 Liter hinausflossen. Am 15.12. ereignete sich auf dem Gelände einer US-Fabrik des Leverkusener Multis ein Zwischenfall. Beim Umladen des Kunststoffes TDA kam es an einer Pumpendichtung zu einem Defekt, und 150 Liter des Produktes strömten aus.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Jobs, weniger Steuern?
Wuppertal, Standort von BAYERs Pharma-Produktion, erwägt, die Unternehmen mit Steuer-Anreizen zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu bewegen. Das Konzeptpapier „Wuppertal 2025“ sieht vor, den Gewerbesteuer-Satz von 490 auf 475 Prozentpunkte zu senken, falls die Firmen es schaffen, 5.000 neue Jobs einzurichten. Die „Industrie- und Handelskammer“ (IHK) zeigt sich allerdings nur wenig begeistert von der Idee. Ihrer Ansicht nach müsste vielmehr die Stadt in Vorleistung treten. „Sie sollte ein elementares Interesse daran haben, im Wettbewerb der Kommunen untereinander eine gute Position einzunehmen, was den Standort betrifft – und ohne Konditionen günstige Rahmenbedingungen anbieten“, so IHK-Geschäftsführer Uwe Mensch.

Mehr Salzsäure aus Wuppertal
BAYER erweitert am Standort Wuppertal eine Anlage, welche die bei der Kunststoff-Produktion anfallende Salzsäure aufbereitet, zwischenlagert und transportfertig macht.

Leerstand in Brunsbüttel
Die vielen Verkäufe von Teilgesellschaften haben den Flächenbedarf des Leverkusener Multis beträchtlich schrumpfen lassen. Um die Areale trotzdem auszunutzen,

Strafanzeige

CBG Redaktion

Für Nachfragen: die Staatsanwaltschaft Köln hat das Verfahren eröffnet, Aktenzeichen: 117 UJs 1/15

Presse Information vom 22. Dezember 2014

BAYER: unlautere Medikamenten-Werbung in sozialen Medien

Coordination gegen BAYER-Gefahren reicht Strafanzeige ein

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hat heute bei der Staatsanwaltschaft Köln Strafanzeige eingereicht. Die CBG wirft dem BAYER-Konzern vor, unlautere Medikamenten-Werbung in sozialen Netzwerken zu betreiben.

Nach Recherchen des Magazins DATUM hat die österreichische PR-Agentur Mhoch3 über Jahre hinweg hunderttausende Postings in Onlineforen platziert. Dutzende Belegschaftsangehörige schufen hierfür Hunderte falscher Identitäten und machten im Netz Schleichwerbung für Autos, Fotoapparate, Glücksspiele oder neue CDs. Der BAYER-Konzern beauftragte Werbung für das Flohmittel Advantix und die Hormonspirale Mirena, obwohl Reklame für verschreibungspflichtige Präparate nur in Fachzeitschriften erlaubt ist.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Pharmahersteller wie BAYER die Risiken von Medikamenten verharmlosen und schamlos die öffentliche Diskussion manipulieren. Wenn eine einzelne Agentur jährlich hunderttausend Postings schalten kann, müssen wir davon ausgehen, dass ein großer Teil der online-Kommentare gefälscht ist. Gesetzgeber und Gerichte müssen die systematische Unterwanderung des internets daher dringend stoppen.“

Rechtsanwalt Sven Forst, der die Anzeige im Auftrag der CBG verfasst hat, ergänzt: „Wenn die Vorwürfe zutreffen, ist zu prüfen, ob dadurch Straftatbestände oder Ordnungswidrigkeitentatbestände erfüllt wurden. So könnten beispielsweise Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz vorliegen.“

Obwohl für Mirena Berichte über teils schwerwiegende Nebenwirkungen vorliegen, veröffentlichte die Agentur Postings im Tonfall hilfsbereiter Freundinnen: „also ich hab mir vor einem jahr die hormonspirale mirena einsetzen lassen und ich muss sagen, dass ich sehr zufrieden damit bin. hatte am anfang angst vor dem einsezten, doch das war halb so schlimm“ oder: „Ich habe mir die Mirena einsetzen lassen, ist ebenfalls eine hormonspirale und damit hatte mein Frauenarzt sehr gute Erfahrungen bereits gemacht (…) – das kann ich voll empfehlen“. Die Rechtschreibfehler sollten Authentizität suggerieren.

Die gefakten Kommentare finden sich auf Plattformen wie YouTube, Facebook, GuteFrage.net sowie Nachrichtenseiten wie Spiegel.de und Focus.de. In den Postings ist keinerlei Hinweis auf die PR-Agentur oder deren Auftraggeber zu finden. Zur Aufgabe der Agentur gehörte es auch, Einträge bei wikipedia zu frisieren.

Der BAYER-Konzern gibt pro Jahr rund zehn Milliarden Euro für Werbung und Vertrieb aus. Hierunter fällt der gesamte Graubereich des Pharma-Marketings: Medikamenten-Proben für Praxen und Krankenhäuser; Anwendungs-Studien, deren Ergebnisse meist in der Schublade verschwinden; Finanzierung von Fortbildungen und Ärzte-Kongressen; die Arbeit tausender Pharma-ReferentInnen; Spenden an medizinische Fachgesellschaften und Lobbyverbände etc. Eine Aufschlüsselung der gewaltigen Marketing-Ausgaben lehnt der Konzern ab.

In den vergangenen Jahren verlagerte BAYER immer mehr Marketing-Aktivitäten in das Internet. So betreibt das Leverkusener Unternehmen eigene Webseiten wie pille.com oder testosteron.de, die es als „Informationsangebote“ tarnt. Auch hierdurch soll das Werbeverbot für Medikamente umgangen werden.

weitere Informationen:
=> Artikel „Die Netzflüsterer“: http://www.datum.at/artikel/die-netzfluesterer
=> BAYER verschleiert Marketing-Ausgaben
=> Pharmamarketing bei BAYER
=> Social Marketing bei BAYER
=> Informationen zu Mirena

Xarelto

CBG Redaktion

Das Darmstädter Echo berichtet heute über Leberschäden durch den Gerinnungshemmer Xarelto. Anders als in dem Text dargestellt, treten solche Schädigungen häufig auf. So erhielt die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) in den ersten zehn Monaten des Jahres 2013 rund 320 diesbezügliche Meldungen. Sieben tödliche Verläufe waren darunter und 26 Fälle von Leberversagen.

Schwere Schäden nach Tablettengabe

Nach der Einnahme von „Xarelto“ erlitt Cevriye Yilmaz ein Leberversagen – Klage gegen Hausarzt

18. Dezember 2014 -- Wenn sich Cevriye Yilmaz Fotos von ihrem Klinikaufenthalt anschaut, ist sie immer noch geschockt. „Ich bin froh, dass ich noch lebe“, sagt die 39 Jahre alte Darmstädterin. Tagelang hat sie im Koma gelegen wegen akuten Leberversagens, mit den Folgeschäden an Leber und Lunge kämpft sie bis heute: Die Einzelhandelskauffrau ist zu 60 Prozent behindert und muss mit ihrem Sohn von einer Erwerbsminderungsrente leben.
Wer die Hauptschuld an ihrer Misere trägt, ist für die Darmstädterin klar: ihr Hausarzt. Er habe ihr ein relativ neues Medikament verschrieben und, so klagt sie, nach dem Einsetzen schwerwiegender Nebenwirkungen nicht angemessen reagiert. „Er hat mich zerstört, meine Gesundheit, meine Psyche, meine Zukunft.“
Yilmaz' Rückblick: Nach einer Knieoperation Anfang 2013 bot ihr der langjähriger Hausarzt statt der üblichen Thrombose-Spritzen das Blutverdünnungsmittel „Xarelto“ in Tablettenform an. „Über die Nebenwirkungen klärte er mich nicht auf“, betont die Patientin, das könne eine sie begleitende Freundin bezeugen. „Da ich schon einige Jahre seine Patientin war, vertraute ich ihm.“

Bauchschmerzen und Übelkeit
Dann ging es ihr sehr schlecht: Sie fühlte sich schwach, litt unter Bauchschmerzen, Übelkeit. Mehrmals suchte sie ihren Hausarzt auf, der ihr etwas gegen die Übelkeit verschrieb. Doch ihr Zustand verschlechterte sich weiter – auch, nachdem sie in Absprache mit ihm „Xarelto“ nach einigen Tagen absetzte.
Am 18. Februar 2013 suchte sie ein letztes Mal seine Praxis auf. Er habe sie nur abgetastet und gesagt, sie habe eine Darmblutung und solle ein Abführmittel gegen die Verstopfung nehmen. Dann müsse es besser werden.
„Es war leider nicht so“, sagt Yilmaz. Als sie am Tag danach in der Praxis anrief, habe der Arzt ihr nur ausrichten lassen, sie solle weiter abführen. Sechs Tage später fand sie sich mit akutem Leberversagen im Krankenhaus wieder, wo sie zwei Monate lang bleiben musste.
Cevriye Yilmaz ist sich sicher, dass „Xarelto“ sie krank gemacht hat. Dabei stützt sie sich auf mehrere Krankenhausberichte, die einen Zusammenhang mit der Einnahme des Bayer-Medikaments als denkbar erklären. Dass das Mittel besondere Risiken birgt, ist bekannt (dazu „Hintergrund“).
Doch wie ihr Hausarzt betont, gibt es bislang keinen einzigen dokumentierten Fall von Leberversagen in Verbindung mit „Xarelto“. Die wenigsten Patienten hätten Probleme damit. Also verschreibt er es weiterhin, wie er dem ECHO mitteilt. Er räumt ein, dass er im angespannten Praxisalltag über alle Risiken gar nicht aufklären könne und stattdessen auf den Beipackzettel verweise.
Doch Yilmaz wirft ihm auch nicht in erster Linie vor, dass er ihr „Xarelto“ verschrieben hat. „Ich werfe ihm vor, dass er nicht rechtzeitig reagiert hat.“ Er hätte weitere Schritte einleiten müssen, als sich ihr Zustand zunehmend verschlechterte. Die Situation sei nicht so bedenklich gewesen, dass andere Schritte hätten eingeleitet werden müssen, sagt der Hausarzt.
Cevriye Yilmaz hat sich unter anderem an die Gutachter- und Schlichtungsstelle der Landesärztekammer Hessen gewandt, doch Recht bekam sie nur bedingt. Zwar betonen die Gutachter, der Verordner dieses Präparats müsse besondere Vorsicht walten lassen und über Risiken aufklären. Ein erhöhtes Risiko zur Leberschädigung durch „Xarelto“ sei aber nicht bekannt.
Eine Darmblutung allerdings, so räumen die Gutachter ein, hätte als hochgefährliches Ereignis eine sofortige Einweisung notwendig gemacht. Doch glauben sie den Angaben des Hausarztes, er habe nie von einer solchen gesprochen. Yilmaz aber bleibt dabei, dass sie dafür eine Zeugin habe.
Wiegt das Wort des Arztes mehr? Die Landesärztekammer teilt auf ECHO-Anfrage mit: Wenn Aussage gegen Aussage steht, gilt, was in der ärztlichen Dokumentation steht.
„In dubio pro Kammermitglied“, kommentiert das Yilmaz‘ Anwalt Thomas Löw, den sie mit der Sache betraut hat. Auch für ihn ist klar: Der Hausarzt hat sie weder ausreichend aufgeklärt noch untersucht, als es zu Komplikationen kam. „Aber wir können nicht nachweisen, dass es ,Xarelto‘ allein war.“ Es sei kein weiterer Fall mit entsprechendem Beschwerdebild bekannt.
Cevriye Yilmaz ruft deswegen andere Patienten mit ähnlichen Erfahrungen auf, sich zu melden. „Ich kämpfe um mein Recht.“ Aber eines ist ihr mindestens genau so wichtig: „Dass mit mehr Achtsamkeit vorgegangen wird, wenn Ärzte Medikamente verschreiben.“ Schließlich gehe es um Menschenleben.

Xarelto: Umstrittenes Blutverdünnungsmittel von Bayer mit besonderen Risiken

Das Blutverdünnungsmittel Xarelto des Pharmakonzerns Bayer ist seit 2008 auf dem Markt und nicht unumstritten. So berichteten voriges Jahr Medien über zunehmende Meldungen unerwünschter Nebenwirkungen und Todesfälle im Zusammenhang mit der Einnahme des Präparats beim zuständigen „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM). Dort seien allein 2012 insgesamt 750 Verdachtsfälle registriert worden, darunter 58 Todesfälle – Tendenz steigend.

BfArM-Pressesprecher Maik Pommer bestätigt das auf ECHO-Anfrage. Doch müsse man diese Zahlen in Zusammenhang damit sehen, dass auch die Verordnungen rasant nach oben geschnellt seien. Während heute 30 mal mehr Patienten Xarelto einnähmen, habe sich die Zahl der Verdachtsmeldungen verdoppelt.

Er betont, ein Zusammenhang zwischen dem Medikament und Todesfällen sei nicht nachweisbar. Dennoch gingen von Xarelto besondere Risiken aus, die in der Vergangenheit von Ärzten teils nicht ausreichend beachtet und kommuniziert worden seien. Deswegen hat das Bundesinstitut vorigen September eine Extra-Information an Ärzte ausgegeben. Darin wird unterstrichen, dass es ein erhöhtes Blutungsrisiko gibt – auch deshalb, weil es im Gegensatz zu vergleichbaren anderen Präparaten wie Marcumar dafür noch kein Gegenmittel gibt.

Warum wird so ein risikoträchtiger Wirkstoff überhaupt zugelassen? „Wenn ein Arzneimittel ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis hat, muss es zugelassen werden“, erläutert Pommer. Nebenwirkungen gebe es immer, auch bei anderen vergleichbaren Mitteln.

„Marcumar ist sicher nicht ideal, auch da gibt es Todesfälle“, befindet Philipp Mimkes vom Netzwerk „Coordination gegen Bayer-Gefahren“. Doch im Gegensatz zu Xarelto seien etwaige Blutungen da stoppbar.

Überhaupt sei einiges dubios in Zusammenhang mit der Einführung des neuen Wirkstoffs: Studien des Herstellers seien mangelhaft und manipuliert worden, weswegen das Mittel in den USA nicht zugelassen sei. Gleichzeitig fahre Bayer eine aggressive Marketingstrategie und bedränge Ärzte. „Die Verschreibungszahlen gehen in die Hunderttausende.“ So zählt Xarelto längst zu den Kassenschlagern des Pharmariesen Bayer.

ausführliche Informationen zu Xarelto

[Antwerpen] Ausgliederung MaterialScience

CBG Redaktion

Presse Information vom 12. Dezember 2014

Ausgliederung von BAYER MaterialScience:

Belegschaft in Antwerpen fordert Gleichbehandlung

Die Belegschaft von BAYER MaterialScience im belgischen Antwerpen fordert eine Gleichstellung mit den deutschen Beschäftigten. Die von der Gewerkschaft ausgehandelte Arbeitsplatz-Garantie bis 2020 gilt bislang nur für die deutschen Mitarbeiter/innen. Deswegen beteiligen sich die Antwerpener Mitarbeiter an den landesweiten Streiks am 15. Dezember.

Fotos von Streikposten am BAYER-Werk Antwerpen am 15. Dez.

Die im Oktober beschlossene Ausgliederung der Kunststoff-Sparte BAYER MaterialScience (BMS) droht zu Lasten der ausländischen Beschäftigten zu gehen. Die von der IG BCE ausgehandelte fünfjährige Arbeitsplatzgarantie gilt bislang nur für die deutschen Standorte.

In Antwerpen, einem der größten ausländischen BMS-Standorte, wurden die jüngsten Verhandlungen ohne Ergebnis abgebrochen. Levi Sollie, Vertrauensmann der Gewerkschaft Algemeen Belgisch Vakverbond (ABVV): „Wir fordern eine Jobgarantie, so wie sie die deutsche Belegschaft erhalten hat. In den zwölfstündigen Gesprächen mit der Werksleitung wurde uns jedoch kein ernsthaftes Angebot unterbreitet. Zwar wollte BAYER einen Bestand der Arbeitsplätze bis 2020 zusichern, allerdings hätte die Vereinbarung einen ´Solidarbeitrag der Belegschaft` beinhalten sollen. Auch hätte die Vereinbarung nicht für die Mitarbeiter der Verwaltung – immerhin 200 der 840 Mitarbeiter – gegolten.“ Die Belegschaft wird sich daher an dem landesweiten Streik am Montag beteiligen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) befürchtet eine Parzellierung von BAYER MaterialScience, die Vernichtung von Arbeitsplätzen und eine Absenkung der Löhne - so wie bei der Ausgliederungen der Chemie-Sparte Lanxess geschehen. Die CBG fordert den BAYER-Vorstand auf, die Kunststoffsparte nur an einen Investor zu verkaufen, der den Bestand der Arbeitsplätze weltweit garantiert.

Material Science hatte stets in der Gewinnzone gelegen, dennoch forderten Investoren seit Jahren eine Abspaltung. Um die Kunststoff-Sparte im Unternehmen zu halten, waren der Belegschaft in den vergangenen Jahren zahlreiche Zugeständnisse abverlangt worden. So hatte BAYER mittels mehrerer „Effizienz-Programme“ über 2.000 Arbeitsplätze vernichtet, Werke geschlossen und Bonus-Zahlungen gestrichen.

Levi Sollie abschließend: „BAYER hat die Verantwortung, unsere Löhne und Arbeitsbedingungen für die kommenden Jahre zu garantieren. Im März 2015 wird das Antwerpener BAYER-Werk seinen 50. Geburtstag begehen - den meisten Arbeitern ist aber nicht nach Feiern zu Mute.“

Patente

CBG Redaktion

Presse Info vom 12. Dezember 2014

Indien: Supreme Court weist Patentklage von BAYER ab

Urteil macht Weg für bezahlbare Medikamente frei / weltweite Signalwirkung / Indien „Apotheke der Armen“

Die Firma BAYER hat im Patentstreit um das Krebsmittels Nexavar eine letztinstanzliche Niederlage erlitten. Der Oberste Gerichtshof in Delhi bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und ließ eine Zwangslizenz für den Generikahersteller Natco Pharma in Kraft. BAYER hatte das Präparat zum Vielfachen eines indischen Jahreslohns angeboten und dadurch rund 98% der Betroffenen von einer Behandlung ausgeschlossen.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren begrüßt das Urteil: „Große Pharmahersteller können mit Hilfe von Patenten wahre Mondpreise verlangen. Die öffentliche Gesundheitsvorsorge muss jedoch Vorrang haben gegenüber monopolistischen Profiten der Produzenten. Denn für Patienten in armen Ländern sind Patente oftmals eine Frage von Leben und Tod.“

Bis in die 70er Jahre hatten auch westliche Länder Patente auf Medikamente nur teilweise akzeptiert, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu sichern. „Da Indien der weltweit wichtigste Lieferant für günstige Pharmazeutika ist, hätte ein Erfolg von BAYER schwerwiegende Folgen für die Gesundheitsversorgung in ärmeren Ländern gehabt. Die Rechtfertigung der Industrie, nur mit hohen Einnahmen ließe sich die Entwicklung neuer Präparate finanzieren, geht dabei an der Realität vorbei: Mehr als doppelt so viel wie für die Forschung geben BAYER und Co. für Werbung und Marketing aus“, so Mimkes weiter.

Einen seltenen – und verstörenden - Einblick in die Denkweise der Pharmaindustrie hatte Marijn Dekkers, Vorstandsvorsitzender von BAYER, auf einer Podiumsdiskussion im Dezember 2013 gewährt: „Wir haben dieses Medikament nicht für den indischen Markt entwickelt, um ehrlich zu sein. Wir haben es für Patienten im Westen entwickelt, die es sich leisten können“. Natco Pharma verkauft das Medikament in Indien nun zu einem um 97 Prozent niedrigeren Preis. Natco zahlt dafür eine Lizenzgebühr in Höhe von sechs Prozent der Verkaufserlöse an BAYER.

Gesundheitsinitiativen aus Indien und Deutschland, darunter Health Action International, das indische Peoples Health Movement, Ärzte ohne Grenzen, die Coordination gegen BAYER-Gefahren, die BUKO Pharma-Kampagne, der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte und medico international, hatten BAYER wiederholt aufgefordert, die Klage zurückzuziehen. Vertreter der Initiativen hatten auch mehrfach Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung eingereicht.

ausführliche Informationen zur Kampagne