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Beiträge verschlagwortet als “Repression”

[Entmietung] Stichwort BAYER 04/21

CBG Redaktion

Kahlschlag in Berlin

BAYER entmietet

Der BAYER-Konzern will in Berlin einen ganzen Kiez mit rund 140 Wohnungen abreißen lassen, um auf den Grundstücken neue Gebäude für sich zu errichten. Dabei gibt es viele Alternativen, die keinen Wohnraum kosten. Dementsprechend laufen die MieterInnen Sturm gegen die Pläne.

Von Jan Pehrke (mit Material der INTERESSENGEMEINSCHAFT DER BEWOHNERINNEN DES METTMANNKIEZES)

„BAYER nimmt billigend in Kauf, die BewohnerInnen in Not und Verzweiflung zu treiben und auf die Straße zu setzen“, heißt es in einem Offenen Brief von MieterInnen von Wohnungen auf der Tegeler Straße und der Fennstraße in Berlin-Wedding an die BezirkspolitikerInnen. „Wir appellieren nachdrücklich an die politisch Verantwortlichen, die Wohnraum-Vernichtung abzuwenden und dafür die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen“, so Niklas Gohlke von der INTERESSENGEMEINSCHAFT DER BEWOHNERINNEN DES METTMANNKIEZES. Nicht nur Wohnhäuser will der Leverkusener Multi dort plattmachen, um Gewerbe-Immobilien hochzuziehen, sondern auch eine KiTa mit Spielplatz im Grünen, Künstler*innen-Ateliers, Gewerbebetriebe im zugehörigen Gewerbehof und Büroräume.
Das Gelände befindet sich in Nachbarschaft zur Betriebsfläche des Pharma-Riesen. Nach derzeitiger planungsrechtlicher Situation liegen die Häuser in einem sogenannten beschränkten Arbeitsgebiet. Sie genießen Bestandsschutz, solange der Eigentümer das wünscht. Aber der wünscht das nicht mehr; er hat andere Pläne. Der Konzern versucht den Eindruck zu erwecken, dass durch eine millionen-schwere „Erweiterung der Aktivitäten“ Arbeitsplätze gesichert werden könnten. „Die Zukunftssicherheit von mehr als 1.000 Arbeitsplätzen in Berlin“ solle dadurch „langfristig und nachhaltig gewährleistet werden“, so der Agro-Riese. Allerdings gibt es auf seinem Firmen-Gelände schon Platz genug, mehr als 25 Prozent der Fläche sind unbebaut. Daher wirkt die Behauptung, dass weniger als fünf Prozent des Areals einen so unverzichtbaren Beitrag zum Erhalt des Standortes darstellen, dass er schwerwiegende existenzielle Nöte und Folgeschäden für so viele Menschen rechtfertigt, alles andere als überzeugend. Vielmehr sprechen belastbare Indizien für pure Immobilien-Spekulation. So hat BAYER erst im Mai 2021 ein Bürogebäude an der Sellerstraße mit 15.800 m2 für 100 Millionen Euro an den Immobilienfonds QUEST INVESTMENT PARTNERS verkauft. Im Moment mietet das Unternehmen dieses Gebäude zu einem vergleichsweise günstigen Preis zurück. Der Mietvertrag läuft jedoch nur noch wenige Jahre – das war natürlich die Bedingung dafür, dass BAYER die Immobilie für diesen Wucherpreis an QUEST veräußern konnte – und wird in Zukunft deutlich höher ausfallen, um den Kaufpreis wieder einzuspielen. Darum hat sich der Leverkusener Multi nach etwas Neuem umgeschaut und ist auf sein eigenes Grundstück an der Tegeler Straße gestoßen. Für einen direkten Verkauf wäre es nicht in Frage gekommen, denn es hätte nicht viel eingebracht. Potenziellen InvestorInnen wäre klar gewesen, dass sie diese geschichtsträchtigen Gebäude nicht einfach so hätten räumen und abreißen lassen können. Die Aktien-Gesellschaft hingegen spekuliert darauf, dass die Politik ihr den Weg frei macht, wenn sie das Arbeitsplatz-Argument aus der Tasche zieht.
Letztlich versucht BAYER sich hier also auf dem Rücken der langjährigen MieterInnen an einer Profitmaximierung durch Immobilien-Spekulation. Das erscheint vor dem Hintergrund der milliarden-schweren Strafzahlungen in den MONSANTO-Prozessen auch irgendwie logisch, stößt jedoch auf unerwartete Hindernisse. Die MieterInnen schließen sich zusammen, gründen eine Initiative und gehen für ihre Interessen auf die Straße. Der Leverkusener Multi setzt derweil auf Repression und schickt seinen Werksschutz auf Patrouille. Aber der Mettmann-Kiez lässt sich nicht einschüchtern. 70 Menschen fanden sich Mitte September auf der Kundgebung vor den vom Kahlschlag bedrohten Häusern ein.
Die Lokalpolitik wissen die AktivistInnen dabei hinter sich. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen brachte mit Erfolg einen Dringlichkeitsantrag in die Bezirksverordneten-Versammlung ein, der das Bezirksamt auffordert, sich dafür einzusetzen, „dass die beabsichtigten Abrisse der Tegeler Straße 2-5 nicht umgesetzt und die bereits erfolgten Kündigungen der Wohnungen der MieterInnen umgehend zurückgenommen werden.“ Aber der BAYER-Konzern, der die Häuser auf der Tegeler Straße 1,6 und 7 und auf der Fennstraße 33 und 34 vorerst stehenlassen will, weiß das Gesetz wieder mal hinter sich. „Die betroffenen Gebäude sind planungsrechtlich nicht mehr für Wohnzwecke ausgewiesen“, erklärt das Unternehmen. Darum müsste das Land Berlin ein neues Paragrafen-Werk ausarbeiten, was nicht zu erwarten steht. Aber am Tag der Bundestagswahl hat sie ein ganz neues Instrument in die Hand bekommen. Da stimmten nämlich 56 Prozent der Berliner*innen für Enteignungen von sozial unverantwortlichen GrundeigentümerInnen. ⎜

[Verfassungsbeschwerde] CBG vs. BAYER

CBG Redaktion

Verfassungsbeschwerde wg. Versammlungsrechtsverstoß

Im Jahr 2017 hat der BAYER-Konzern die Stadt Bonn und die Polizei gezielt instrumentalisiert, um Proteste anlässlich seiner jährlichen Hauptversammlung massiv zu behindern. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) ging im Vorfeld mit Eilverfahren dagegen vor und konnte direkt weitreichende Erfolge erzielen. Nach dem AktionärInnen-Treffen reichte die CBG dennoch zwei Feststellungsklagen ein, nicht nur weil Wiederholungsgefahr drohte, sondern weil eine gründliche juristische Prüfung durch die KonzernkritikerInnen ergab, dass durch die bedenkliche Verquickung zwischen privaten Interessen und hoheitlichen Aufgaben massive Gefahren für das im Grundgesetz garantierte Versammlungsrecht gegeben sind. Nachdem die CBG mit ihrer Sichtweise bei den Gerichten bis zum Bundesverwaltungsgericht nicht durchdringen konnte, reicht das internationale konzernkritische Netzwerk zur Verteidigung der Versammlungsfreiheit und zur Abwendung einer Privatisierung hoheitlicher Aufgaben nun Verfassungsbeschwerde ein.

Von Axel Köhler-Schnura

Die Geschichte BAYERs ist auch eine Geschichte des Protestes und des Widerstands gegen BAYER. Seit seiner Gründung im Jahr 1863 hat der Konzern immer wieder versucht, Kritik zum Schweigen zu bringen und Einzelpersonen oder Organisationen mit allen Mitteln, auch rechtlichen, unter Druck zu setzen. Vor allem der seit 1978 aktiven Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) sollte es schon oft an den Kragen gehen. So führte der internationale Chemie- und Pharma-Gigant aus Leverkusen immer wieder Prozesse gegen die CBG, die mit dem Wort „BAYER“ in ihrem Namen den Gegner auch klar benannt hatte. Das bislang größte juristische Verfahren begann im Jahr 1987, als der Global Player die CBG mit juristischen Mitteln finanziell zu ruinieren suchte. BAYER warf der Coordination damals unzulässige Schmähkritik vor und klagte trotz erdrückender Gegenbeweise erfolgreich durch alle Instanzen. Im Ergebnis fielen bei der CBG für Strafen sowie für Anwalts- und Gerichtskosten hohe sechsstellige Summen an, der Konzern glaubte sich am Ziel. Doch die CBG zog vor das Bundesverfassungsgericht – und gewann 1992 spektakulär mit einem bis heute richtungsweisenden Urteil für die Verteidigung der Meinungsfreiheit. Die damalige Kritik der CBG war vollumfänglich von Recht und Gesetz gedeckt, befanden die höchsten RichterInnen der Republik unter Vorsitz des späteren Bundespräsidenten Roman Herzog.
Nun zieht die CBG abermals vor das Bundesverfassungsgericht (BverG). Diesmal geht es nicht um die bedrohte Meinungsfreiheit, sondern um die Verteidigung der Versammlungsfreiheit. Nach Meinung der BAYER-KritikerInnen ist diese nämlich durch Versuche, das Versammlungsrecht und hoheitliche Aufgaben zu privatisieren sowie durch eine unheilvolle Verquickung zwischen staatlichen Einrichtungen mit Verfassungsauftrag und der juristischen Macht privater Konzerne, wie sie bislang nur aus Bananenrepubliken bekannt war, ernsthaft in Gefahr.

Zur Vorgeschichte

Im Sommer 2016 gab BAYER die Übernahme von MONSANTO bekannt. Das hatte unmittelbar massive internationale Proteste zur Folge, ging es doch um den Versuch des Konzerns, im Bereich der Agro-Branche ein neues, marktbeherrschendes Unternehmen zu schaffen. Auch in der CBG brodelte es, von nah und fern fluteten alarmierte Zuschriften und Aufrufe zum Widerstand die Aktions- und Informationskanäle des weltweit agierenden Selbsthilfe-Netzwerkes.
Dabei war klar, dass nach Den Haag, wo vom 14. bis zum 16. Oktober das Internationale MONSANTO-Tribunal stattfand, die Hauptversammlung des BAYER-Konzerns am 28. April 2017 in Köln der nächste Höhepunkt der Protestwelle werden würde.

Entsprechend waren eine Kundgebung vor den Türen der HV, kritische Redebeiträge an den Mikrofonen des AktionärInnentreffens, eine große Demonstration in Köln, zahlreiche dezentrale Aktionen sowie ein internationales Townhall-Meeting in Planung. Dieser Formierung von weltweitem Widerstand wollte sich der Global Player allerdings nicht stellen. Knapp vor dem HV-Tag verlegte er das AktionärInnen-Treffen kurzfristig nach Bonn. Offenbar hoffte er, so die Kritik unterlaufen zu können. Die sicherlich beachtlichen Kosten für die Hallenkündigung in Köln sowie für den Aufbau vollkommen neuer Logistik am Zielstandort spielten keine Rolle.

Doch falsch gedacht. Die Coordination reagierte sofort und meldete vor dem neuen BAYER-Tagungssaal im World Conference Center Bonn (WCCB) versammlungsrechtlich korrekt eine Demonstration an. Der Konzern war völlig überrumpelt, griff ganz tief in die Trick-Kiste und setzte brachial seine geballte juristische und ökonomische Macht als „Weltunternehmen“ im „kleinen Dorf am Rhein“ ein. Immer nach dem Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche. Auf der einen Seite lockte er mit der dauerhaften Hauptversammlungspräsenz eines internationalen Multis in der Stadt, die nach der Verlegung von Parlament und Regierung nach Berlin von einer Welthauptstadt zu einem Provinznest verkommen war und vor dem Bankrott stand; auf der anderen Seite versetzte er die für die Straßenordnung zuständige Stadt Bonn sowie die für das Versammlungsrecht zuständige Polizei mit einer mehr als martialischen „Gefahrenanalyse“ in Angst und Schrecken. Dieses Papier blies die in Kooperation mit der CBG geplanten friedlichen Proteste eines breiten internationalen Bündnisses zu Vernichtungsattacken auf und rückte sie in die Nähe terroristischer Gewalt.

Dieses Sicherheitskonzept wurde ohne jede eigene Prüfung geschweige denn einer eigenen Einschätzung der Gefährdungslage übernommen. Es war den Behörden noch nicht einmal in Gänze bekannt. Und so kam es denn, dass Stadt und Polizei die bereits Tage vor der BAYER-Intervention eingereichte versammlungsrechtliche Anmeldung der CBG für den öffentlich zugänglichen, städtischen „Platz der Vereinten Nationen“ stornierten, dem Chemie- und Pharma-Multi aus Leverkusen nahezu den gesamten öffentlichen Raum vor dem WCCB für die Errichtung eines riesigen Zeltes zur Verfügung stellten, weil nach BAYERs Konzept die Sicherheitschecks nur dort und nicht innerhalb des Gebäudes möglich waren, obwohl es über die entsprechenden Vorrichtungen verfügte, den Platz mit übermannshohen Gittern sperrten, und obendrein den geplanten internationalen Protesten unter massiv einschränkenden Auflagen einen Ort weit von der Hauptversammlung entfernt zuwiesen.

Sahnehäubchen war, dass all das den Anmeldern der Protest-Aktionen extrem kurzfristig vor der AktionärInnen-Versammlung mitgeteilt wurde.
Aber auch Stadt und Polizei mussten zur Kenntnis nehmen, dass sie durchaus einen erfahrenen Gegner vor sich hatten. Obwohl die CBG weitgehend ehrenamtlich agiert, brachte sie binnen Stunden juristische Eilverfahren in Gang und trieb diese durch alle erforderlichen Gerichtsinstanzen. Im Ergebnis kassierten die RichterInnen die meisten der polizeilichen Willkür- und Repressionsauflagen, sie mussten ersatzlos gestrichen werden. Und auch der Platz musste zu einem kleinen Teil wieder freigegeben werden. Nur der Kern – das Zelt, die Sperrung und die großflächige Abriegelung des WCCB – blieben. Wobei auch die Gerichte bei ihrer Entscheidungsfindung die von privaten Interessen geprägte „Gefahrenanalyse“ des Konzerns ohne jede weitere Prüfung einfach schluckten.
Damit segneten die RichterInnen nicht nur die vom BAYER-Konzern initiierte Verletzung des im Grundgesetz gesicherten Rechts auf Freiheit der Versammlung ab, sondern auch die Abtretung hoheitlicher Aufgaben an das Unternehmen. Sie nahmen keinerlei Anstoß daran, dass die Prüfung einer Gefahrenlage, die Feststellung der Qualität derselben sowie die Ausarbeitung von geeigneten Vorschlägen zur Abwehr möglicher Risiken in der Hand des Unternehmens lag. Ein privatrechtlicher Player, der Leverkusener Multi, hatte mit einer ausschließlich seinen eigenen Interessen folgenden windigen „Gefahrenanalyse“ sowie mit der Zusage dauerhafter Präsenz seiner Hauptversammlung die Stadt und die Versammlungsbehörden in Bonn geködert, um sich lästige Proteste vom Hals zu schaffen.

Behörden und Gerichte übernahmen die von den BAYER-AnwältInnen in ihren Schriftsätzen mit Verweis auf eine „Gefahrenanalyse“ aufgestellten Behauptungen ungeprüft und unkommentiert, ohne sich das gesammte Konzept zur Durcharbeitung vorlegen zu lassen. Damit verletzten sie den Wesenskern der Gewaltenteilung im Versammlungsrecht, der eben genau eine solche Prüfung durch unabhängige staatliche Instanzen vorsieht, und zwar mit ausserordentlichen Anforderungen an die Sorgfalt und die Ausgewogenheit, da es sich wichtige Rechtsgüter handelt. Zudem machten Stadt, Polizei und Gerichte sich in einer allgemeinen zivilgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit großer öffentlicher Tragweite einseitig zum Erfüllungsgehilfen einer der beiden Konflikt-Parteien, dem BAYER-Konzern und dessen Interessen, die er gegen die KritikerInnen des Unternehmens durchzusetzen suchte.

Um die Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise der Behörden in Bonn überprüfen zu lassen, reichte die CBG unmittelbar nach der BAYER-Hauptversammlung zwei Feststellungsklagen vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln ein. Die erste hatte die Genehmigung zur Absperrung des öffentlich zugänglichen städtischen „Platzes der Vereinten Nationen“, die das Verkehrsamt der Stadt Bonn BAYER erteilt hatte, zum Gegenstand. Die zweite focht die versammlungsrechtliche Entscheidung der Polizei Bonn zu Gunsten des BAYER-Konzerns an, die eingereichte Anmeldung für eine Protestkundgebung vor den Toren der Hauptversammlung abzulehnen und an eine andere Stelle zu verlegen. Letzteres übrigens vor dem Hintergrund, dass seit 1982 Jahr für Jahr solche Aktionen vor den HV-Türen des Chemie-Riesen in Köln sowie je einmal auch in Düsseldorf und Essen friedlich stattgefunden hatten; und dass gerichtlich mehrere Versuche des Konzerns, diese Proteste zu unterbinden bzw. weit vom Ort des Geschehens weg zu verlagern, als unvereinbar mit dem Versammlungsrecht abgewiesen worden waren.

Kaum hatte die CBG die Klagen eingereicht, kam es zu einer erstaunlichen juristischen Einmaligkeit: Die Schriftsätze der beklagten Parteien – Stadt und Polizei Bonn – orientierten sich durchweg an den von den BAYER-AnwältInnen erstellten Schriftsätzen. Möglich wurde das, weil die Gerichte den Konzern als „betroffene Partei“ kurzerhand „beigeladen“ hatten. Damit öffnete sich die Tür dafür, dass die gesamte Prozessführung in diesen und den folgenden Gerichtsverfahren gegen Stadt und Polizei Bonn faktisch nicht von den Behörden, sondern von einer interessengleiteten privaten Partei geprägt und ausgestaltet wurde. Für unbefangene BeobachterInnen schien nicht mehr die sach- und fachgerechte unabhängige Überprüfung der versammlungsrechtlich Entscheidungen durch die Gerichte im Zentrum zu stehen, sondern die Meinung der Konzern-JuristInnen im Hinblick auf die Durch- und Umsetzung der von ihnen selbst als geeignet ausgearbeiteten Maßnahmen in Reaktion auf die von BAYER selbst definierte „Gefahrenlage“.

Nicht genug damit: Alle Gerichte – vom Verwaltungsgericht in Köln bis hin zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig – nahmen keinerlei Anstoß an dieser Gemengelage. Immerhin wurden die zur Verteidigung der Behörden arbeitenden AnwältInnen nicht aus den Kassen dieser Behörden bezahlt, sondern aus dem Etat des BAYER-Konzerns. Die Gerichte entlasteten die Behörden sogar vom Vorwurf der kritiklosen Übernahme der BAYER-„Gefahrenanalyse“, indem sie argumentierten, es sei gar nicht nötig gewesen, dass die Stadt Bonn und die Polizei in Gänze Kenntnis von BAYERs Sicherheitskonzept gehabt hätten, dass vielmehr die Kenntnis einiger „Eckpunkte“ reiche. Womit sich die Gerichte – von VG über OVG bis hin zu BVerwG – zugleich selbst von der Pflicht befreiten, die Vorlage der „Gefahrenanalyse“ einzufordern und eine Überprüfung vorzunehmen. Sie legitimierten so, dass Behörden und Justiz vollumfänglich den Argumentationen der BAYER-AnwältInnen folgten und ein diffuses privates Sicherheitskonzept als Grundlage für eine Gefahrenprognose nach § 15 Versammlungsgesetz (VersG) ausreichen ließen.

Das alles wäre bloß eine Justizposse, wäre es nicht von derart grundsätzlichem Gewicht. Es wurden private Interessen bedient und das Versammlungsrecht wurde massiv durch eine Privatisierung hoheitlicher Aufgaben in Gefahr gebracht. Eine unabhängige Prüfung durch die Gerichte war nicht erkennbar, da die von den Behörden übernommene „Gefahrenanalyse“ der privaten BAYER AG nicht ansatzweise hinterfragt und angezweifelt, ja noch nicht einmal eine Vorlage dieser BAYER-Dokumente verlangt wurde. Und das alles vor dem Hintergrund, dass es eine in den Konflikt involvierte Partei war, an die die hoheitlichen Aufgaben einer Gefahrenprognose nach § 15 Versammlungsgesetz (VersG) gleichsam abgetreten wurden, dass also einseitig Partei ergriffen bzw. der Durchsetzung der Interessen einer der Konfliktparteien einseitig Vorschub geleistet wurde. Wobei die von dieser Entgleisung demokratischer Gewaltenteilung profitierende Partei mit BAYER obendrein ein gewichtiger privater Player war. Da ist es nur noch eine passende Anekdote, dass das Oberverwaltungsgericht keine Bedenken hatte, die Beratung nach einem Lokaltermin am WCCB in den Räumen der von BAYER für viel Geld angeheuerten Kanzlei durchzuführen.

Die Verfassungsbeschwerde

Es stehen also Fragen im Raum wie etwa: Dürfen private Dritte über Grundrechte entscheiden? Können hoheitliche Aufgaben an private Parteien übertragen werden? Dürfen private Grundlagen bei der Prüfung verfassungsrechtlicher Entscheidungen ungeprüft übernommen werden?

CBG-Rechtsbeistand Sven Forst fasst die Problematik zusammen: „Die Versammlungsbehörde hat bei ihrem Eingriff in das Recht der Versammlungsfreiheit ausschließlich auf Angaben privater Dritter zurückgegriffen, ohne eine eigene Gefahrenanalyse durchzuführen. Eine solche faktische Übertragung hoheitlicher Entscheidungen auf einen privaten Dritten ist mit Art. 8 GG nicht vereinbar und widerspricht der Grundrechtsverpflichtung des Staates“.
Die CBG sieht sich alarmiert und weist auf die weitreichende Gefahr für zivilgesellschaftliche Proteste hin: „Eine Privatisierung des Versammlungsrechts muss unbedingt verhindert werden, andernfalls würde es Konzernen möglich, nach Belieben Proteste zu unterbinden“, meint beispielsweise Gründungsvorstand Axel Köhler-Schnura.

Zugleich zeigt sich die CBG entsetzt darüber, wie viel Raum Behörden und Gerichte – bewusst oder unbewusst – der juristischen Macht von Konzern-AnwältInnen geben. Immerhin ist die Bundesrepublik ein demokratisch verfasster Staat. Dass Gerichte es hierzulande nicht rügen bzw. kommentarlos akzeptieren, wenn Behörden sich in juristischen Verfahren bedenkenlos, ohne kritische Distanz und ohne Einschränkungen von konzernfinanzierten AnwältInnen leiten lassen und obendrein ihre hoheitliche Verantwortung an diese abtreten, deutet auf gefährliche Verquickungen hin. Noch problematischer erscheint das dadurch, dass in diesem Fall der Konzern, der die juristische Verteidigung für Stadt und Polizei Bonn quasi spendierte, ursächlicher Anlass für die von den Gerichten zu prüfenden juristischen Entscheidungen der zuständigen Behörden war.
Die CBG bekräftigt ihre Entschlossenheit, gegen ein derartiges Zusammenspiel von Behörden, Justiz und Konzernen sowie gegen die drohende Privatisierung originär hoheitlicher Aufgaben mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln vorzugehen und das Grundrecht der Versammlungsfreiheit zu verteidigen. Entsprechend hat die Coordination das höchste deutsche Gericht, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen und im November 2020 Verfassungsbeschwerde eingereicht. CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann: „Die CBG führt diesen Kampf nicht nur für sich selbst. Es geht um eine Grundsatzfrage. Alle, die ein Interesse daran haben, dass Konzernkritik im öffentlichen Raum nicht von ebendiesen Konzernen zum Schweigen gebracht werden können, sind aufgerufen, uns in dieser Auseinandersetzung zu unterstützen.“

Die Kosten

Die ganzen bisherigen Verfahren gegen die von privaten Interessen geleiteten Einschränkungen der grundgesetzlich garantierten Versammlungsfreiheit verursachten be--reits immense Kosten für Recherche, juristische Arbeit, öffentliche Kommunikation etc. Um unsere Verfassungsbeschwerde weiter zu qualifizieren, wollen wir zudem noch ein spezielles juristisches Gutachten erstellen lassen. Das allerdings kostet nochmals erheblich.
Wir bitten deshalb um finanzielle Unterstützung durch Spenden auf das Konto unseres Rechtshilfefonds.

CBG RechtshilfeFonds (www.CBGnetwork org/7669.html
Spenden mit Stichwort „RechtshilfeFonds“ bitte auf das Konto:
DE94 8309 4495 0003 1999 91

Vollumfänglich ist die Verfassungsbeschwerde auf unserer Internetseite zu finden: www.CBGnetwork.org/7669.html

Einbruch-Serie

CBG Redaktion
Im April 2012 wurde mind. dreimal in die Büro- und Wohnräume des bekannten Konzernkritikers Axel Köhler-Schnura und seiner Familie in Düsseldorf eingebrochen. Bei den Einbrüchen wurden gezielt Daten und Datenträger entwendet, die mit der politischen Arbeit von Köhler-Schnura im Zusammenhang stehen. Nach Aussage der Kripo erscheint ein Zusammenhang mit der politischen Arbeit von Köhler-Schnura plausibel. => Keine Einschüchterung von Kritikern! Erklärung von CBG, attac, BBU und Kritischen Aktionären => die taz, die junge Welt und Radio Dreyeckland berichten => 900 Solidaritäts-Schreiben eingegangen => Aufstellung des BUND: Spitzel und Spione bei Umweltgruppen und NGOs => angesichts der Einbruch-Serie weisen wir auf weitergehende Repressionen bei österreichischen Tierschützern hin

[Brüning] Die Totengräber der Demokratie

CBG Redaktion

Die Politik der IG FARBEN in der Weimarer Republik

Vor 100 Jahren, am 30. März 1930, übernahm Heinrich Brüning die Regierungsgeschäfte der Weimarer Republik. Mit seiner autoritären Politik, die auf Notverordnungen setzte und dem Parlament so eine StatistInnen-Rolle zuwies, erfüllte er die Forderungen des vom IG-FARBEN-Aufsichtsratschef Carl Duisberg geleiteten „Reichsverbandes der deutschen Industrie“ – und ebnete dem Faschismus den Weg.

Von Reiner Zilkenat

Die Großoffensive des deutschen Monopolkapitals gegen die Arbeiterbewegung und die von ihr erkämpften Errungenschaften begann im Jahr 1929. Sie entwickelte sich parallel zur kapitalistischen Weltwirtschaftskrise, die im Herbst des Jahres begonnen hatte.(1) Welche Ziele sollten realisiert werden?
Erstens sollten die Arbeiter-Organisationen dauerhaft politisch ausgeschaltet werden. Dabei ging es sowohl um die auf revolutionäre Überwindung des Kapitalismus orientierte KPD als auch um die SPD, die auf Reformen innerhalb der bürgerlich-parlamentarischen Ordnung setzte, sowie den von ihr dominierten „Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund“. So wollte die Wirtschaft die vom sozialdemokratischen Kanzler Hermann Müller geführte Regierung durch ein autoritär regierendes Kabinett ersetzt wissen, das seine Amtsgeschäfte mit Hilfe von Notverordnungen führen sollte.

Zweitens ging es den Exponenten des Monopolkapitals um die rückhaltlose Wiederherstellung des „Herr-im-Hause“-Status’. Sie reklamierten unverblümt die Rolle des Hausherren in einem Staat für sich, der ihrer Auffassung nach zu viele Kompromisse zu Gunsten der Arbeitenden eingegangen war. In der Kritik standen u. a. der Acht-Stunden-Arbeitstag, das Tarifvertragswesen und der Rechtsanspruch für Erwerbslose auf Zahlung staatlicher Unterstützung.

Drittens existierte ein grundsätzlicher Konsens innerhalb der deutschen Monopolbourgeoisie darüber, dass langfristig ein zweiter „Griff nach der Weltmacht“ vorbereitet werden müsse. Zunächst galt es, die „Fesseln von Versailles“ abzustreifen, die der Weimarer Republik nur ein 100.000-Mann-Heer gestatteten. Unter größtmöglicher Geheimhaltung traf das Kapital in Konzern-Betrieben, z. B. bei den Borsig-Werken in Berlin, mit Wissen und Unterstützung der Reichsregierung Vorbereitungen für den „Tag X“, an dem die Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages ihre Gültigkeit verlieren würden, und rüstete sich für die Produktion moderner Waffen.

Parole „Kapitalbildung“

Um ein solches Programm vorzubereiten, tagte am 20. und 21. September 1929 in Düsseldorf die Mitgliederversammlung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI). Hierbei handelte es sich um die mit Abstand einflussreichste Interessenvertretung des deutschen Kapitals, in der die mächtigsten Monopol-Herren des Landes den Ton angaben. Es war „das Gremium der wirklichen Beherrscher Deutschlands“, wie es der kommunistische Reichstagsabgeordnete Theodor Neubauer ausdrückte.(2)

Als Präsident amtierte Carl Duisberg, der Aufsichtsratsvorsitzender der 1925 von BAYER mitgegründeten IG-FARBEN AG, des größten Chemiekonzerns weltweit. Im Präsidium des RDI saßen u. a. Carl-Friedrich von Siemens, Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens-Halske- und der Siemens-Schuckert-Werke AG; Paul Silverberg, Generaldirektor des Rheinischen Braunkohlensyndikats, des größten Produzenten von Braunkohle in Europa; Ernst von Borsig, Großindustrieller aus Berlin und zugleich Vorsitzender der „Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ und Paul Reusch, Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungshütte AG. Die wichtigste Aufgabe des RDI bestand darin, eine gemeinsame Strategie der deutschen Großindustrie zu formulieren und durchzusetzen.

Die Tagung des RDI fasste den Beschluss, eine programmatische Denkschrift zu erarbeiten, in der die wichtigsten Ziele des Verbandes gegenüber der Reichsregierung und der Öffentlichkeit dargestellt werden sollten. In welche Richtung die in dieser Denkschrift zu formulierenden Vorschläge weisen sollten, legte in Düsseldorf Prof. Dr. Paul Duden, Vorsitzender des Direktoriums der IG Farben, unmissverständlich dar. Er gab die Parole aus, die künftig im Mittelpunkt des RDI-Forderungskatalogs stand: Im Zentrum aller wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen des Staates, aber auch der Inhalte von Tarifverträgen, habe die Förderung der „Kapitalbildung“ für die Unternehmen zu stehen. Deshalb sei „eine mechanische Tariferhöhung (…) identisch mit einer Schmälerung der Kapitalbildung“; es könne „der bisherige Weg auf diesem Gebiete der Tarifbildung nicht weiter gegangen werden.“(3) Der Kapitalbildung müsste auch die Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik des Staates untergeordnet werden. Um jedes Missverständnis über seine Idealvorstellungen zur Festlegung von Löhnen und Gehältern auszuschließen, ließ Duden am Ende seiner Ausführungen die Katze aus dem Sack: Vorbildlich sei in diesem Zusammenhang die „magna charta del lavoro“ („Große Arbeitsverfassung“) des faschistischen Italien, die Streiks strikt untersagte und jede freie Betätigung von Gewerkschaften verbot!(4)

Aufstieg oder Niedergang?

Wenn auch Ende 1929 noch nicht erkannt werden konnte, welche beispiellosen Dimensionen die mittlerweile aus den USA nach Deutschland übergreifende Weltwirtschaftskrise in den kommenden Jahren noch erreichen sollte, so hatte der RDI allerdings begriffen, dass für die von ihm forcierte Kapitaloffensive jetzt günstigere Bedingungen herangereift waren. Angesichts rasch wachsender Arbeitslosigkeit und der damit einhergehenden Schwächung der Kampfkraft der Arbeiter-Organisationen waren die Chancen der Großindustriellen gestiegen, ihre politischen und ökonomischen Ziele durchzusetzen.

Am 2. Dezember 1979 wurde die Denkschrift des RDI der Öffentlichkeit zugeleitet. Welche wesentlichen Forderungen waren in ihr enthalten? Zunächst postulierte der Verband die „Freimachung“ der deutschen Wirtschaft: „Sie muss verschont bleiben von Experimenten und politischen Einflüssen, die von außen her in den Wirtschaftsprozess hineingetragen werden. Der Aufstieg der Industrie und die Beschaffung von auskömmlichen Arbeitsplätzen für die Bevölkerung und die Beseitigung der Arbeitslosigkeit kann nur auf der Grundlage der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und eines frei schaffenden Gewerbes erzielt werden.“ Und weiter: „Staat und Volk haben (…) das größte Interesse an einer arbeitsfreudigen und erfolgsgläubigen Unternehmerschicht. Je tüchtiger und optimistischer sie ist, je mehr Bewegungsfreiheit sie für ihre Arbeit hat, umso größer wird auch die Produktivität der Wirtschaft, ihre soziale Kapazität, umso günstiger werden auch die Lebensbedingungen für die Bevölkerung.“(5)

Weiteren Lohnerhöhungen erteilte der RDI eine klare Absage. Vielmehr könne die Verbesserung der Lebenshaltung für die breite Masse nur „auf dem Wege einer vermehrten Kapitalbildung und einer Wiederherstellung der Rentabilität“(6), d. h. durch den absoluten Vorrang der Mehrung unternehmerischer Profite erreicht werden.

Zur Steigerung der Profite forderten Duisberg & Co. weitere Reduzierungen der für Unternehmen relevanten Steuern, diese seien „auf das unumgängliche notwendige Maß zurückzudämmen“. Konkret verlangte die Denkschrift die „sofortige Herabsetzung der Gewerbesteuer mindestens auf die Hälfte“(7), wobei perspektivisch „ihre vollständige Beseitigung“(8) gefordert wurde, sowie eine gleichartige Reduzierung der Grundvermögenssteuer und die Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer auf maximal 25 Prozent.(9) Neue Arten von Steuern müssten eingeführt werden, die besonders die Lohnabhängigen zahlen würden, hieß es zudem. Hierzu zählte vor allem das Projekt einer „Mietsteuer“(10), die alle zur Miete wohnenden Bürgerinnen und Bürger, in Höhe eines festzulegenden Anteils ihrer Mietzahlung, an die Finanzämter abzuführen hätten.(11)

Weiterhin propagierten die Unternehmenslenker die Privatisierung öffentlicher Betriebe. Zur Begründung führten sie fernab jeder realen Erfahrung an: Nur „das freie Unternehmertum“ habe sich „als fähig erwiesen, den schwierigen Markt- und Wirtschaftsverhältnissen der Zeit gerecht zu werden und sich stets dabei auch verantwortungsvoll gegenüber den sozialen Forderungen des Staates gezeigt.“(12) Ferner sollten vor allem die Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherungen drastisch schrumpfen. „Die Sozialversicherung soll die wirklich Schutzbedürftigen und Notleidenden betreuen, eine unberechtigte, die Volksmoral schädigende Ausnutzung ihrer Einrichtungen aber verhindern.“(13) Dazu hatte der Aufsichtsratsvorsitzende des Deutschen Kali-Syndikates, August Rosterg, bereits am 5. Mai 1929 in einem Zeitungsartikel die Melodie vorgegeben, als er behauptete, „die Hälfte aller Kranken sind Simulanten“.(14) Für die Erwerbslosen galt, dass die Zahlungen der „Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ an sie weiter eingeschränkt werden sollten.(15)
Über die Sphäre der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik hinaus wiesen die Vorschläge zur „Reform“ des Staates und seiner Organe. Hierzu gehörte besonders die Eliminierung des wichtigsten und ältesten Rechtes eines jeden Parlamentes, nämlich das der Bewilligung und Kontrolle des Staatshaushaltes. In diesem Zusammenhang schrieb der RDI ganz unverblümt: „Der Reichstag muss in der Ausübung seines Rechtes, Ausgaben zu bewilligen, weitgehende Selbstbeschränkung üben. Ohne Zustimmung der Reichsregierung dürfen die Ausgaben nicht erhöht werden.“(16)

Im Schlusskapitel der Denkschrift stand dann der heuchlerische Satz: „Wir sind uns darüber klar, dass eine gründliche Durchführung der Reformen von allen Seiten Opfer verlangt, aber diese Opfer müssen unbedingt gebracht werden, um die Gesamtheit der Wirtschaft und des Volkes vor dem Zusammenbruch zu retten.“(17)

Faschisierungskurs

Eine realistische Einschätzung der Denkschrift „Aufstieg oder Niedergang“ konnte nur zu dem Ergebnis gelangen, dass der hier vorgeschlagene ökonomische und politische Kurs nicht im Rahmen einer bürgerlich-parlamentarischen Ordnung realisiert werden konnte. Vielmehr deutete die Gesamtheit der in dieser Denkschrift niedergelegten Forderungen ohne jeden Zweifel in Richtung eines autoritären Regimes. Aus alldem ergab sich: Mit seiner Denkschrift hatte der RDI einen sehr wesentlichen Beitrag zur Installierung einer Variante monopolkapitalistischer Herrschaft geleistet, wie sie das ab dem 30. März 1930 regierende Kabinett unter Heinrich Brüning praktizierte, das seine Amtsgeschäfte mit Hilfe von Notverordnungen des Reichspräsidenten führte anstatt mit vom Parlament verabschiedeten Gesetzen. Zugleich legte es ein Programm für die weitere Faschisierung Deutschlands und den forcierten Kampf gegen die Arbeiterbewegung vor. In den darauffolgenden Jahren zeigte sich dann, dass Kapitaloffensive und Faschisierung nichts anderes waren als zwei Seiten einer Medaille.

Doch der Wechsel der Kanzlerschaft von Hermann Müller zu Heinrich Brüning, und im Verlauf des Jahres 1932 zu Franz von Papen und Kurt von Schleicher, genügte den tonangebenden Herren der Industrie nicht. Nachdem die NSDAP einen immer größer werdenden Massenanhang gewinnen konnte und sie aus den Reichstagswahlen im Juli und November 1932 als stärkste Partei hervorgegangen war (37,3 bzw. 33,1 Prozent der abgegebenen Stimmen), setzten bedeutende Monopolherren und Bankiers endgültig auf Hitler und seine faschistische Bewegung. Einige von ihnen, darunter Fritz Thyssen und Albert Vögler, Aufsichtsratsvorsitzender bzw. Generaldirektor der Vereinigten Stahlwerke AG, der ehemalige Präsident der Reichsbank Hjalmar Schacht, das Vorstandmitglied der zum FLICK-Konzern gehörenden Mitteldeutschen Stahlwerke AG, Otto Steinbrinck, der Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank AG, Franz Heinrich Witthoeft sowie Otto Wolff, einer der weltweit größten Stahlhändler und Großaktionär diverser Großkonzernen, ebneten der faschistischen Partei durch finanzielle Alimentierung und politische Unterstützung den Weg in die Reichskanzlei.(18)
Und die IG FARBEN AG? Sie pflegte unter anderem über Heinrich Gattineau, Leiter der Presse- und Volkswirtschaftlichen Abteilung des Konzerns, und Heinrich Bütefisch, Direktor der Leuna-Werke, spätestens seit 1931 Kontakte zu Adolf Hitler persönlich sowie zum Gauleiter der NSDAP in Thüringen, SS-Obergruppenführer Fritz Sauckel.(19) Bei diesen Kontakten ging es vor allem um die zur Führung eines Angriffskrieges notwendige Energie-Autarkie Deutschlands. Hier boten sich die IG Farben AG mit ihrem Projekt der Herstellung synthetischen Benzins als Problemlöser an. Das Unternehmen sicherte Hitler und Heß die unbegrenzte Lieferung von Treibstoffen zu. Im Gegenzug erhielt die Firma nach 1933 Absatz-Garantien für synthetischen Treibstoff und Kautschuk („Buna”). Das dafür notwendige Verfahren der aufwendigen Kohlehydrierung war auf dem Weltmarkt bis dahin nicht konkurrenzfähig und damit eine gigantische Fehlinvestition des Konzerns. Nur durch den „Benzin-Pakt“ konnte es sich schließlich amortisieren.Und umgekehrt taten die VertreterInnen der IG FARBEN AG alles, um den „Führer“ der NSDAP an die Macht gelangen zu lassen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Als am 5. März 1933 – kurz nach der Machtübergabe an die Nazis – eine vertrauliche Runde von RepräsentantInnen der Monopole mit Adolf Hitler und Hermann Göring im Palais des Reichstagspräsidenten in Berlin tagte, ging es darum, für die bevorstehenden Wahlen Geld für die Kassen der NSDAP einzusammeln. Der IG-Vertreter Georg von Schnitzler, Vorstandsmitglied des Konzerns, zeigte sich von allen anwesenden Industriellen und Bankiers am spendabelsten. Er sagte die Überweisung von 400.000 Reichsmark auf das Konto der faschistischen Partei zu; eine Investition, die sich aus der Sicht des Konzerns rentieren sollte.(20) Hitler konnte mit Hilfe des Terrors der SA und SS sowie des Einsatzes des staatlichen Repressionsapparates die Wahlen gewinnen (43,9 Prozent der abgegebenen Stimmen plus 8,3 Prozent für die verbündete Deutschnationale Volkspartei) und mit den ökonomischen, politischen, militärischen und ideologischen Kriegsvorbereitungen beginnen; die Unterstützung des weltweit größten Konzerns der chemischen Industrie war ihm dabei sicher.
Die Denkschrift des RDI vom Dezember 1929 stand am Beginn des Prozesses der Faschisierung in Deutschland. Die maßgeblichen Repräsentanten der IG FARBEN gehörten zu den treibenden Kräften und zu den Begünstigten dieses Prozesses. Am Ende lag Europa in Trümmern. Dass die von den Alliierten als Kriegsverbrecher in Nürnberg („Fall 6“) angeklagten Lenker des Konzerns mit vergleichsweise milden Strafen für ihre an KZ-Häftlingen, in Gefangenschaft geratenen Soldaten und SklavenarbeiterInnen verübten Verbrechen davonkamen, war ebenso dem von den USA provozierten Kalten Krieg geschuldet wie der am 31. Januar 1951 verkündete „Gnadenerlass“. Durch diesen Akt des Hohen Kommissars der US-Regierung und Militär-Gouverneurs in Deutschland, John McCloy, erlangten die braunen Manager schon bald ihre Freiheit wieder. Und so konnten Verurteilte wie etwa Fritz ter Meer, Hans Kühne, Heinrich Hörlein oder Wilhelm Rudolf Mann wieder zu BAYER stoßen und dort ihre Karrieren fortsetzen.

Dieser Text ist die erweiterte Fassung eines Artikels, der am 30.11.2019 in der jungen Welt erschien.

Fußnoten

(1) Siehe zum Folgenden Reiner Zilkenat: Sozialabbau in der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932/33, in: Isaf Grün/Benedikt Hopmann/Reinhold Niemerg, Hrsg.: Gegenmacht statt Ohnmacht. 100 Jahre Betriebsverfassungsgesetz – Der Kampf um Mitbestimmung, Gemeineigentum und Demokratisierung, Hamburg 2020 (VSA-Verlag), S.65ff.
(2)Verhandlungen des Deutschen Reichstages, 4. Wahlperiode, 1928/1930, 115. Sitzung, 13. Dezember 1929, Seite 3544B, (Band 426 der Gesamtreihe).
(3) Mitgliederversammlung des „Reichsverbandes der Deutschen Industrie“ am 20. und 21. September 1929 in Düsseldorf, Berlin 1929 (Veröffentlichungen des RDI, Nr.48), S.49.
(4) Siehe ebenda.
(5) Aufstieg oder Niedergang? Deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik 1929. Eine Denkschrift des Präsidiums des „Reichsverbandes der Deutschen Industrie“, Berlin 1929 (Veröffentlichungen des RDI, Nr.49), S.7f.
(6) Ebenda, S.8.
(7) Ebenda, S.14.
(8) Ebenda, S.35.
(9) Ebenda, S.56.
(10) Ebenda, S.15
(11) Ebenda, S.39.
(12) Ebenda, S.21.
(13) Ebenda, S.12.
(14) August Rosterg: Drehpunkte der deutschen Wirtschaftspolitik, in: Deutsche Bergwerks-Zeitung, Nr.105, 5.5.1929.
(15) Siehe Aufstieg oder Niedergang, S.28f.
(16) Ebenda, S.14.
(17) Ebenda, S.45.
(18) Siehe Reiner Zilkenat: Das deutsche Großkapital, der Keppler-Kreis und die NSDAP: Eine unentbehrliche Vorgeschichte des 30. Januar 1933, in: Rundbrief, hrsg. von der AG Antifaschismus beim Parteivorstand der Partei DIE LINKE, Heft 3-4/2012, S.4ff.; erweiterte Fassung in: https://nrw-archiv.vvn-bda.de/bilder/keppler-kreis.pdf (letzter Abruf: 14.2.2020)
(19) Siehe derselbe: „Gefangene Hitlers“. Ende November 1945 wurden 23 Manager der IG Farben verhaftet, in: junge Welt, 2.12.2015, S.12/13.
(20) Siehe James Borkin: Die unheilige Allianz der I.G. Farben. Eine Interessengemeinschaft im Dritten Reich, Frankfurt a. M. u. New York 1979, S. 59 u. Helmuth Tammen: Die I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft. (1925-1933). Ein Chemiekonzern in der Weimarer Republik, Berlin 1978, S.284 u. 431f.

[Bevölkerungspolitik] STICHWORT BAYER 04/2015

CBG Redaktion

Kontrazeptiva als „Entwicklungshilfe“

BAYERs Bevölkerungspolitik

„Weniger Arme statt weniger Armut“ – so lautet seit einiger Zeit die Devise der Entwicklungszusammenarbeit. Die Projekte versuchen vermehrt, die Menschen der „Dritten Welt“ dazu zu bewegen, weniger Kinder in die Welt zu setzen. Als Mittel der Wahl gelten den BevölkerungspolitikerInnen dabei besondere in der „Ersten Welt“ oft gar nicht erhältliche Kontrazeptiva. Ausgesprochen gern greifen sie auf das Implantat JADELLE von BAYER zurück. Den Leverkusener Multi erfreut diese „Entwicklungshilfe“ deshalb immens: Sie verhilft ihm zu Millionen-Gewinnen.

Von Dr. Susanne Schultz und Dr. Daniel Bendix

Bevölkerungspolitik ist offiziell zurück auf der Agenda. Nicht nur als verstecktes Beiwerk unter dem Obertitel „sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“, sondern als eigenständiges Handlungsfeld der Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Bevölkerungsentwicklungen sollen als ursächlicher Faktor für fast alle Problemlagen herhalten, als Erklärung für ökonomische Krisen oder als Bedingung für wirtschaftliche „Chancen“. Reagiert wird vor allem mit „Familienplanung“ und der Verbreitung von „modernen“ Verhütungsmitteln. 2012 hatten sich internationale Organisationen, Regierungen, Privatwirtschaft und Nichtregierungsorganisationen (NRO) in London zu einem „Familienplanungsgipfel“ getroffen. Das daraus entstandene Gremium FP2020 (Family Planning 2020) stellt diese Politik-Ausrichtung folgendermaßen dar: „Familienplanung ist essentiell für Gesundheit, Freiheit und Wohlstand. Wir wissen, dass Familienplanung Frauen empowert und Gesundheit verbessert, aber wir wissen auch, dass es unzählige Auswirkungen quer durch die Gesellschaft hat. Familienplanung spielt eine zentrale Rolle für Armutsreduzierung, nachhaltige Entwicklung, Wirtschaftswachstum, Geschlechter-Gleichheit, soziale Inklusion und Umweltschutz.“
Ziel von FP2020 ist es, innerhalb von acht Jahren zusätzliche 120 Millionen Menschen im Globalen Süden Zugang zu Verhütungsmitteln zu verschaffen. In der Öffentlichkeit wurde vor allem das „JADELLE Access Program“ als großer Erfolg des Treffens präsentiert – eine Initiative der Bill & Melinda Gates Stiftung, des deutschen Pharmaunternehmens BAYER HEALTHCARE (Teilkonzern der BAYER AG) in Koordination mit der internationalen EZ. 27 Millionen Stück des von BAYER vertriebenen Verhütungsimplantats JADELLE (siehe Kasten) sollen über sechs Jahre hinweg für einen von 18 auf 8,50 US$ reduzierten Preis pro Implantat über die EZ-Programme verbreitet werden. Das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) sieht sich beim Thema „Bevölkerungsdynamik“ als „europäischer Vorreiter“. Ganz explizit geht es bei „Bevölkerungsdynamik“ nicht mehr nur um die Größe nationaler Bevölkerungen, sondern auch um deren Zusammensetzung. Der Fokus liegt auf Altersproportionen und einer offenen Ökonomisierung von Bevölkerungsfragen.

Die feinen Unterschiede
Differenziert wird in den aktuellen Bevölkerungsprogrammen zwischen unterschiedlichen Kategorien von Ländern: Erstens gibt es die Länder, insbesondere in Afrika, bei denen die Geburtenrate immer noch als zu hoch definiert wird, weil sie der Norm einer „replacement fertility“ von 2,1 Kindern pro Frau entgegenstehe. Weiterhin gibt es die Übergangsländer. Sie verzeichnen einen Rückgang der Fertilitätsraten, lassen aber aufgrund großer Jugend-Populationen immer noch hohe Bevölkerungszuwächse erwarten, wobei ihre betagten Bevölkerungen noch nicht als Problem gelten. Man spricht von einem „demographischen Bonus“, weil der Anteil der Erwerbsfähigen hoch ist und deswegen ein „günstiges Abhängigkeitsverhältnis“ bestehe. Schließlich gibt es die „alternden“ Gesellschaften, wo die Zahl der Menschen im Rentenalter steigt, die der Erwerbsfähigen sinkt.
Prinzipiell gilt somit ein universaler Maßstab: Die nationale Altersproportion entscheidet darüber, ob eine antinatalistische oder pronatalistische Regierungspolitik angesagt ist, d. h. an welchen Schrauben Regierungsstrategien drehen sollen, um die Geburten-Raten zu steigern oder zu senken. Je nach den jeweiligen demografischen Zielen werden Konzepte von Rechten, Wünschen und Selbstbestimmung von Frauen (denn selbstverständlich propagieren die Programme nicht staatliche Repression, sondern weiterhin die Freiheit des Individuums), die Regierungen wahrnehmen, fördern und stärken sollen, völlig unterschiedlich gefasst. Und es werden unterschiedliche reproduktive Technologien in den Fokus gerückt und bereitgestellt, um „Einstellungs- und Verhaltensänderungen“ zu erreichen. Ob Frauen vor „ungewollter Kinderlosigkeit“ oder vor „ungewollten Schwangerschaften“ bzw. einem „ungedeckten Bedarf“ an Verhütungsmitteln geschützt werden sollen, ob reproduktive Rechte als Zugang zu Reproduktionsmedizin oder zu Verhütungsmitteln diskutiert werden, erscheint somit nicht als eine Frage von Rassismus, sondern als „bevölkerungsdynamische“ Feinabstimmung. Staatliche demografische Ziele einerseits und individuelle Selbstbestimmungsrechte andererseits werden dabei nicht als Gegensatz oder zumindest als spannungsreich präsentiert, angeblich verträgt sich beides vielmehr bestens und schafft eine win-win-Situation.

Verhütung um jeden Preis
Der Fokus auf die Bevölkerungsdynamik hat Auswirkungen auf die programmatische Ausrichtung des BMZ. Neben klassischen Schwerpunkten sollen nun auch Investitionen in den Aufbau von Melderegistern, Bevölkerungsstatistik und Datenerfassung an Bedeutung gewinnen. Außerdem ist ein starker Trend in Richtung „Familienplanung“ deutlich sichtbar. Die Entwicklungshilfe-Statistiken der OECD verzeichnen mit 14,2 Millionen € in 2013 für Familienplanung gegenüber 7,8 Millionen € im Jahr 2011 eine deutliche Zunahme von exklusiv auf Verhütungsprogramme abzielenden Maßnahmen.
Was die direkten Käufe von Verhütungsmitteln angeht, schwanken die deutschen Ausgaben, erreichten aber 2013 einen neuen Höchststand von 29 Mio. US$. Ungleichgewichte werden auch deutlich, wenn die gesamten Basisgesundheitsinvestitionen der deutschen EZ mit Bevölkerungsprogrammen verglichen werden. So standen etwa im Jahr 2012 den Ausgaben für Bevölkerungsprogramme in Höhe von 169 Millionen € lediglich 147 Mio. € für Basisgesundheitsversorgung gegenüber, wobei die Hälfte der Investitionen mit 83 Mio. € in afrikanische Länder ging.
Noch deutlicher als in Deutschland zeichnen sich die Trends auf internationaler Ebene ab. Der Weltbevölkerungsfonds UNFPA (von Deutschland mit jährlich über 20 Millionen US$ finanziert) und die US-Entwicklungsbehörde USAID verdoppelten ihre Ausgaben für Verhütungsmittel zwischen 2006 und 2012 jeweils fast – UNFPA von 74 auf 128 Millionen und USAID von 63 auf 105 Millionen US$. Laut UNFPA spiegelt sich dieser Trend auch in den Programmen der Empfängerländer wider: „Familienplanung ist zunehmend wieder eine Priorität auf der höchsten Ebene nationaler Politik, nationaler Pläne und Programme geworden. Immer mehr Regierungen von Entwicklungsländern investieren ihre eigenen Ressourcen in Verhütungsmittel“. Trotz aller Bekenntnisse zu integrierten gesundheitspolitischen Ansätzen scheint sich dabei die Schieflage zwischen Basisgesundheitsversorgung und den spezifischen Diensten der Familienplanung zu verstärken.
Erklärtes Ziel ist eine hohe „Contraceptive Prevalance Rate“ (CPR), also eine möglichst hohe Rate von Nutzerinnen moderner Verhütungsmethoden. Die CPR erscheint als selbsterklärende Messlatte für bevölkerungspolitische Erfolge. Dass es dabei nicht um die Anerkennung von Rechten geht, sondern um die Durchsetzung von Verhaltensänderungen, wurde erst jüngst in einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) deutlich. Die AutorInnen stellten fest, dass nicht ein ungedeckter Bedarf an Verhütungsmitteln, sondern ein zu hoher Kinderwunsch quer durch alle sozialen Schichten in vielen afrikanischen Ländern das Problem sei.

Lobby-Einfluss
Das Spektakel rund um das Erreichen der „Sieben-Milliarden-Marke“ im Jahr 2011 hatte erheblichen Anteil daran, dass der Schwerpunkt „Bevölkerungsdynamik“ dermaßen in den Vordergrund geriet. BMZ und Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) organisierten eine Kampagne anlässlich des von UNFPA ausgerufenen Weltbevölkerungstags – und zwar gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW). Die DSW wurde ebenso wie das eher als Think Tank fungierende Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung von Industriellen gegründet und wird von der Industrie (u.a. BAYER HealthCare) finanziert. Einem/r BMZ-VertreterIn zufolge haben beide Organisationen wesentlichen Anteil daran, wie das Paradigma der demografischen Dividende in die BMZ-Programmatik aufgenommen wurde und welche Studien und Daten rezipiert werden. GIZ und BMZ geben die DSW fast immer ausschließlich oder an erster Stelle an, wenn es um die Förderung oder Kooperation mit der Zivilgesellschaft geht. Die DSW ist sogar auf der höchsten Ebene internationaler Politik eingebunden. Ihre Vorsitzende Renate Bähr vertritt Deutschland in der „High Level Task Force“ der Vereinten Nationen für den Revisionsprozess 20 Jahre nach der UN-Weltbevölkerungskonferenz von Kairo.

Türöffner für neue Märkte
Der Markt für Verhütungsmittel belief sich 2009 auf 11,2 Milliarden US$, und soll bis 2016 auf 14,5 Milliarden US$ steigen. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von ca. vier Prozent. Marktführer sind BAYER (Jahresumsatz 3 Milliarden. US$), TEVAT (1,2 Milliarden US$) und MERCK & CO. (1 Milliarde US$). Auch der Markt in so genannten „Entwicklungsländern“ ist in den letzten Jahren erheblich gewachsen, was Aufmerksamkeit und Investitionen angeht. 2014 konstatierte die „Reproductive Health Supplies Coalition“, die sich für Bereitstellung von Verhütungsmitteln engagiert, dass in den zurückliegenden fünf Jahren die EZ-Mittel für Kontrazeptiva um 50 Prozent auf 275 Millionen US$ gestiegen waren. Dies wurde vor allem durch erhöhte Investitionen in Implantate erreicht (ihr Anteil am Zuwachs betrug 68 Prozent). In Bezug auf das „Hilfsgeschäft“ mit Verhütungsmitteln sind UNFPA und USAID die größten Käufer. Sie decken ca. drei Viertel des Marktes ab.
Zwei deutsche Firmen – BAYER und HELM MEDICAL – gehören zu den großen Belieferern von UNFPA. Wenn die Geschäfte von BAYER OY (Sitz in Finnland, produziert JADELLE), BAYER HEALTHCARE (Sitz in Berlin, vermarktet JADELLE) und BAYER S. A. (Ecuador) zusammengerechnet werden, war der Leverkusener Multi 2012 und 2013 bei weitem das Unternehmen mit dem monetär größten Liefervolumen. , 2013 konnte der Konzern den UNFPA-Marktanteil nochmal deutlich steigern und liegt nun bei ca. 59 Millionen US$ oder 16 Prozent der gesamten UNFPA-Einkäufe. Vor allem der entwicklungspolitische Markt für Implantate ist in den letzten Jahren geradezu explodiert: Wurden im sogenannten Hilfsgeschäft der acht größten „Geber“ 2006 lediglich knapp über sieben Millionen US$ für Implantate ausgegeben, waren es 2012 mehr als zehnmal so viel. Zum Vergleich: Die Gesamtausgaben der EZ für Familienplanung sind in diesem Zeitraum um etwas mehr als 50 Prozent gestiegen.

BMZ setzt auf BAYER
Lange bevor BAYER, USAID und andere das „JADELLE Access Program“ etablierten und eine Abnahmegarantie zum vergünstigten Preis aushandelten , um 27 Millionen Frauen in den ärmsten Ländern der Welt damit zu beglücken, setzte das BMZ bereits einseitig auf das BAYER-Implantat: In Äthiopien finanzierte die „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) zwischen 2003 und 2007 den Ankauf von 45.000 JADELLE-Implantaten für das Gesundheitsministerium. Und in Kenia stellte die KfW Geld für die „testweise“ Verbreitung von „Familienplanungs“-Gutscheinen zur Verfügung, die ausschließlich gegen ein JADELLE-Implantat, Spirale oder Sterilisationen eingelöst werden konnten (ausgegeben wurden über 25.000 Gutscheine). Auch in einem Handbuch für Jugendaufklärung in Simbabwe nennt die GIZ nur JADELLE als Beispiel für Implantate.
Neben Implantaten und oralen Kontrazeptiva ist BAYER im „Hilfsgeschäft“ noch mit Einmonatsspritzen (NORIGYNON), der „Minipille“ (MICROLUT) und der in vielen Ländern weit verbreiteten Dreimonatsspritze (NORISTERAT) vertreten. Bei Verhütungsspritzen dominiert allerdings DEPO-PROVERA von PFIZER deutlich den Markt. BAYER setzt nur ca. ein Zehntel der Menge von PFIZER ab, kommt aber im Rahmen von Familienplanungsprogrammen im Globalen Süden trotzdem noch auf 9,2 Millionen für seine Injektionen25.

Einen geben – zwei nehmen
Die zunehmende Fokussierung auf technologische Lösungen zur Verringerung des Bevölkerungswachstums ist keine konzertierte Aktion von EZ und Pharma-Business. Sie bereitet aber für die Pharma-Unternehmen ein extrem günstiges Geschäftsklima und lässt die Geldquellen sprudeln, mit denen sie Kontrazeptiva-Märkte dort ausweiten können, wo sie bisher als unrentabel galten. Denn die Budgets der Bevölkerungsprogramme fließen sowohl in den – per Vertrag über Jahre garantierten – Kauf der Mittel selber als auch in die Subventionierung des Marketings oder in Schulungen.
Ausgebaut und verfeinert werden diese Kooperationen im Rahmen verschiedener Modelle öffentlich-privater Partnerschaften, die auf einer zunehmend engeren Kooperation zwischen Privatsponsoren bzw. „philanthropischen“ Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen, Firmen und staatlichen EZ-Institutionen beruhen – frei nach dem Motto des Ex-BMZ-Ministers Dirk Niebel (2013): „Mit jedem Euro Entwicklungszusammenarbeit fließen langfristig zwei Euro zurück zu uns“.
Besonders besorgniserregend erscheint das derzeitige Stillschweigen – ganz im Unterschied zu den 1980er und 1990er Jahren, wo sich international vernetzte Frauengesundheits- und Menschenrechtsbewegungen mit der Beobachtung antinatalistischer Programme befassten und auch die Verhütungsmittelforschung und -verbreitung in den Blick nahmen. Heute gibt es keinen internationalen Austausch über den Boom der Implantate. Wie die Implantat-Märkte konkret erobert werden und was die Nutzerinnen dabei erleben, dazu gibt es keine Öffentlichkeit. Ebenso fehlt eine Diskussion und kritische Forschung dazu, welche Ungleichgewichte sich in der EZ zwischen Investitionen in Familienplanung und Basisgesundheitsversorgung entwickeln und wie sich die Etats zu reproduktiver Gesundheit ausgestalten.

Angst vor den Risiken
Wenn in den operationellen Expertisen der internationalen EZ doch die Skepsis oder der Widerstand derjenigen aufscheint, die die Nutzerinnen oder Käuferinnen der neuen Pharma-Produkte sein sollen, dann ist oft von den „demand side barriers“ die Rede, d. h. von den Gründen für eine als zu gering erachtete Nachfrage. Besonders aufschlussreich ist das Ergebnis einer Studie des Guttmacher Institute zur Frage, warum verheiratete Frauen mit einem „ungedeckten Bedarf“ an Verhütungsmitteln denn keine Verhütungsmittel nutzten. Die Antwort liest sich simpel: „Bedenken über Nebenwirkungen und gesundheitliche Auswirkungen der Methoden waren mit Abstand der meist genannte Grund“.

JADELLE

JADELLE, auch bekannt unter dem klinischen Namen NORPLANT II, ist eine Entwicklung des US-amerikanischen Think Tanks „Population Council“, der sich der Bevölkerungspolitik widmet. Das Präparat ermöglicht einen Empfängnisverhütungsschutz von bis zu fünf Jahren. Der Wirkstoff, das Hormon Levonorgestrel, entspricht dem des Vorgänger-Produkts NORPLANT I, das bereits in den 1980er Jahren getestet und in der Folge über die EZ verbreitet wurde (Bock von Wülfingen 2001). Der einzige Unterschied: Die MedizinerInnen führen bei dem JADELLE-Eingriff nur zwei statt sechs mit dem Hormon gefüllte Silikonröhrchen in den Oberarm ein. Deshalb gilt das Kontrazeptivum als
einfacher zu implantieren und zu entfernen, ohne gegenüber NORPLANT I an Effektivität einzubüßen. Allerdings führt das „Population Council“ selbst an, dass es bei 7,5 Prozent der Nutzerinnen zu Problemen bei der Entfernung kam, da sich das Gewebe um die Silikonstäbchen vernarbt hatte oder die Röhrchen im Körper umherwandern. Auch ist die Abbruchquote hoch, was mit den beträchtlichen Nebenwirkungen zu tun hat: Nach hauseigenen Studien des „Population Council“ (2013) lassen sich innerhalb von drei Jahren knapp 30 Prozent der Nutzerinnen das Implantat wegen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme oder Haarausfall entfernen.29 Während eine international gut vernetzte Frauengesundheitsbewegung NORPLANT I unter Beobachtung stellte und es weltweit zu Protestkampagnen kam, die das Präparat als Inbegriff eines technischen Machbarkeitswahns bevölkerungspolitischer Strategien ablehnten, verläuft die Durchsetzung der neuen Methode heute im Stillen. Vergessen scheint auch zu sein, dass Ende der 1990er Jahre etwa 36.000 Klägerinnen in den USA von der damaligen Lizenzinhaberin von NORPLANT, dem Pharmaunternehmen WYETH AYERST, über 50 Millionen US$ als Kompensation für Gesundsschädigungen erhielten.

Zu den AutorInnen:
Dr. Susanne Schultz ist Mitarbeiterin des GEN-ETHISCHEN NETZWERKS in Berlin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Goethe-Universität Frankfurt.

Dr. Daniel Bendix ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet „Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien“ der Universität Kassel. Außerdem gehört er zum Team des Vereins glokal e. V. in Berlin.

Eine andere Version dieses Artikels ist bereits im Pharma-Brief Nr. 4-5, Mai/Juni 2015 erschienen.

[Dialog] STICHWORT BAYER 03/2014

CBG Redaktion

Kein Dialog mit der CBG

BAYERs Rückzieher

Ein für den 14. Mai geplantes Treffen zwischen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und dem Leiter der Kommunikationsabteilung von BAYER ist nicht zustande gekommen. Knackpunkt war, dass der Konzern einer Teilnahme von Journalisten zunächst zustimmte, die Zusage später jedoch wieder zurücknahm. Die CBG ist weiter an Gesprächen interessiert, besteht dabei aber auf Transparenz. Entsprechende Grundsätze hat der Verein schon in den 80er Jahren beschlossen.

„Mein Name ist Herbert Heitmann, und ich bin seit dem 1. September 2013 für die weltweite Kommunikation, die Beziehungen zu Regierungen und Nicht-Regierungsorganisationen der BAYER AG zuständig. Mit Interesse habe ich ihre Webseiten und Publikationen gelesen und würde mich gerne mit Ihnen austauschen. Dabei ist mir besonders daran gelegen, zu erfahren, was ihre Ziele sind, und ob bzw. wie wir gegebenenfalls zusammenarbeiten können.“ So lautete kurz und knapp das erste Gesprächsangebot des Konzerns, das die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN seit ihrer Gründung im Jahr 1978 erhalten hat.
Der Vereinsvorstand antwortete, dass die CBG für ernst gemeinte Gespräche natürlich zu Verfügung stünde. Das Treffen solle der Lösung aktueller Probleme dienen, zum Beispiel in Hinblick auf gefährliche Medikamente oder den Ausstoß von Treibhausgasen. Auch sei Transparenz unabdingbar: Da die Geschäftstätigkeit von BAYER von großer Bedeutung für die Allgemeinheit ist, kämen vertrauliche „Kamingespräche“ nicht in Frage. Die CBG machte eine Aufzeichnung des Gesprächs, eine Teilnahme von Journalisten und einen neutralen Gesprächsort zur Bedingung. Alternativ sei auch eine Podiumsdiskussion möglich.
Herbert Heitmann antwortete: „Da ich zu dem stehe, was ich sage, gibt es keinen Grund, dies im Stillen oder Geheimen zu tun, weshalb Sie zu einem solchen ersten Kennenlernen gerne andere hinzuladen können“. Auch die Aufzeichnung des Gesprächs stelle kein Problem dar. Die Coordination schlug einen Termin vor und buchte einen geeigneten Raum.
Kurz darauf rückte der PR-Chef von seiner vorherigen Zusage wieder ab („möchte ich bei unserem ersten Gespräch auf die Begleitung durch Journalisten auf Ihrer wie meiner Seite verzichten“). Das lang vorbereitete Treffen platzte. Damit der Vorgang für die Öffentlichkeit nachvollziehbar ist, stellte die CBG den vollständigen Briefwechsel unter CBGnetwork.org online.

Strategiepapier des BDI
Gespräche von NGOs mit Unternehmen sind in mehrfacher Hinsicht problematisch. Auch wenn die Treffen noch so harmlos daherkommen („Runder Tisch“, „Meinungsaustausch“ etc.), begegnen sich niemals gleichberechtigte Partner. Die Unternehmen sitzen mit ihren Strukturen und Ressourcen stets am längeren Hebel.
Grundsätzlich muss bedacht werden, dass Konzerne den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten folgen müssen. Bereits im ersten Semester eines BWL-Studiums wird das Grundgesetz betrieblicher Zweckverfolgung gelehrt: Gewinn-Maximierung. Alles andere ist nur Mittel zum Zweck. Umweltschutz und sozialer Fortschritt müssen immer gegen den betrieblichen Gewinn-Zwang verteidigt und durchgesetzt werden. Entsprechend sind die Motive von Unternehmensvertretern zu werten. Sie nehmen an Gesprächen nicht teil, um tatsächlich den Umweltschutz oder soziale Rechte zu befördern, sondern um den Gewinnerwirtschaftungsprozess zu optimieren, den sie durch NGO-Arbeit gestört sehen.
Gespräche können daher im Einzelfall Chancen bieten, sie bergen jedoch auch eine Reihe von Risiken. So kann der Konzern mit seiner „Dialogbereitschaft“ punkten und damit öffentlichen Druck verringern – selbst wenn er sich inhaltlich gar nicht bewegt. Das Unternehmen erhält Einblick in die Funktionsweise kritischer Gruppen und kann sich leichter auf deren Kampagnen einstellen. Im schlimmsten Fall lassen sich konzernkritische Organisationen auseinanderdividieren in „vernünftige“, mit denen ein Dialog möglich ist, und „radikale“, deren Forderungen angeblich indiskutabel sind.
Dass solche Bedenken gerechtfertigt sind, zeigt ein internes Strategiepapier des „Bundesverbands der Deutschen Industrie“ (BDI), das der CBG vor einigen Jahren zugespielt wurde. In dem Diskussionspapier „Nichtregierungsorganisationen - Herausforderung für die Wirtschaftsverbände” beklagt der BDI den großen Einfluss unabhängiger Organisationen auf die öffentliche Meinung. Sorge bereitet den Industrielobbyist/innen, dass NGOs nicht nur die klassischen Problemfelder Umwelt und Menschenrechte beackern, sondern auch zu wirtschaftsrelevanten Themen wie Internationaler Handel, Produktionsbedingungen oder Auslandsinvestitionen Stellung beziehen.
Der BDI bildete daher eine Arbeitsgruppe, die Informationen über Mitgliedschaft, Finanzierung und innere Struktur der wichtigsten NGOs sammelt und Strategien im Umgang mit den unliebsamen KritikerInnen erstellt. Im Konfliktfall empfiehlt der BDI die Strategie des Dialogs. Hiermit könne „Expertise abgeschöpft” und den KritikerInnen der Wind aus den Segeln genommen werden. Auch wäre es auf diese Weise „ohne Aufgabe des eigenen Standpunktes“ möglich, das Potenzial des Gegners abzuschätzen und Konfliktsituationen zu vermeiden. Es biete sich „die Chance für verbesserte Interessen-Durchsetzung gegenüber der Politik und Image-Gewinn in der Öffentlichkeit”.
Die Sorge, als Feigenblatt missbraucht zu werden, ist also berechtigt und muss bei möglichen Gesprächen mitbedacht werden.

Dialogkriterien
Bereits in den 80er Jahren hat die Mitgliederversammlung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Kriterien für etwaige Gespräche mit BAYER beschlossen. Hierin heißt es, dass die CBG „Gespräche mit BAYER als wesentliches Instrument zur Durchsetzung ihrer Ziele“ betrachtet und daher Treffen mit dem Konzern auf allen Ebenen anstrebt. Um Unabhängigkeit und Transparenz zu gewährleisten, wurden hierfür eine Reihe von Bedingungen beschlossen, unter anderem:
1. an einem Treffen nehmen mindestens zwei VertreterInnen des Vereins teil; die CBG legt ihre Teilnehmer in eigener Verantwortung fest. Eine Negativ-Auslese durch BAYER findet nicht statt.
2. die CBG nimmt kein Geld von der Gegenseite an, auch nicht für Reisekosten.
3. Öffentlichkeit muss stets gewährleistet sein. Die VertreterInnen der Coordination haben daher das Recht der Weitergabe von Gesprächsinformationen. Ebenso können sie Dritte zu den Gesprächen hinzuziehen, insbesondere Journalisten.

Einschüchterung von KritikerInnen
Axel Köhler-Schnura, Gründungsmitglied der Coordination, nahm so zu der Absage Stellung: „Wir stehen weiterhin für ein Treffen zu Verfügung. Es ist sehr bedauerlich, dass BAYER zunächst unseren Vorschlägen folgte, dann die Zusage jedoch zurückzog - nur weil Journalisten an dem Gespräch teilnehmen sollten.“ Zugleich erinnert Köhler-Schnura daran, dass KritikerInnen des Konzerns in den vergangenen Jahrzehnten größter Repression ausgesetzt waren: „Seit wir uns im Jahr 1978 anlässlich der großen Unfälle in den BAYER-Werken Wuppertal und Dormagen als Bürgerinitiative gründeten, mussten wir durchgängig feststellen, dass Probleme nicht ausgeräumt, sondern mit Propaganda-Milliarden und Heerscharen von Anwälten schöngeredet wurden“.
So leitete der Konzern mehrfach juristische Schritte gegen die CBG ein. 1988 zwang er den Verein, wegen angeblicher Verwechslungsgefahr den ursprünglichen Namen „BAYER-Coordination“ aufzugeben. Angesichts sechsstelliger Streitwerte musste sich die CBG ebenso fügen wie im Jahr 2001, als das Unternehmen gerichtlich gegen die website www.BayerWatch.org vorging.

Drohung gegen BUND
Eine für die CBG existenzbedrohende Auseinandersetzung begann 1987: Wegen eines Flugblatts forderte BAYER unter Androhung „von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten bzw. einer Geldstrafe von bis zu DM 500.000“ eine Unterlassungserklärung. Die CBG ließ es auf einen Prozess ankommen - und der Mut zum Risiko zahlte sich aus: nach einem fünfjährigen Prozess-Marathon hob das Bundesverfassungsgericht unter dem damaligen Vorsitzenden Roman Herzog alle vorangegangenen Urteile auf und gab der CBG Recht. Der Erfolg wurde in den Medien und unter Juristen viel beachtet, dennoch blieb der Verein auf Kosten von über 150.000 Mark sitzen.
Dass es bei BAYER jedoch keinen neuen Umgang mit Kritik gibt, zeigt die jüngste Abmahnung gegen den BUND. Die Freiburger Gruppe des Umweltverbands hatte die Pestizide PONCHO und GAUCHO als „bienengefährlich“ bezeichnet. Obwohl die Wirkstoffe tatsächlich wegen ihrer Gefahr für Bienen jüngst verboten wurden, verlangte BAYER unter Androhung einer Vertragsstrafe von 10.000 Euro eine Löschung des Artikels. Der BUND machte den Vorgang öffentlich: „Unser kleiner Regionalverband muss mit jedem Cent rechnen, um seine Arbeit leisten zu können, und dennoch müssen wir der Macht der großen Konzerne standhalten und dürfen uns nicht verbiegen lassen“.

Gespräch weiter möglich
Ob das Treffen mit BAYER zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt wird, ist derzeit unklar. Doch auch wenn die CBG weiter an einem Austausch interessiert ist, wäre es unrealistisch, hiervon relevante Fortschritte zu erwarten. Entscheidend für den Konzern ist letztlich der Profit, und nicht der good will einzelner Beschäftigter (sofern dieser überhaupt vorhanden ist).
Auch würden die Investoren keine Änderung der Geschäftspolitik dulden, wenn diese zu verringerten Renditen führte. Belegt wird dies durch die jüngste Hauptversammlung, in der der Vorstand die geschilderten Probleme ausnahmslos leugnete. Der PR-Chef, der in der Hierarchie zwei Stufen unter dem Vorstand steht, kann sich über solche Vorgaben nicht hinwegsetzen. Zumal Herbert Heitmann selbst einräumt, dass es ihm nicht um die Behebung von Problemfällen, sondern um die Außendarstellung geht („mein Auftrag ist es, die Kommunikation von Bayer weiter zu verbessern“).
AktivistInnen können sich im Einzelfall auf Gespräche mit Unternehmen einlassen, sollten sich jedoch der damit verbundenen Risiken bewusst sein. Entscheidend für den Erfolg konzernkritischer Kampagnen ist letztlich der öffentliche Druck, den NGOs oder Bürgerinitiativen aufbauen können. Dieser darf durch eine Einbindung in Dialog-Programme nicht aufs Spiel gesetzt werden. Von Philipp Mimkes

siehe auch:
=> Hintergründe zum Gesprächsangebot von BAYER
=> der vollständige Briefwechsel zwischen Heitmann und CBG
=> Grundsätze der CBG für einen Dialog mit BAYER
=> die tageszeitung: „Glasnost beim Chemieriesen“

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG beim „March against MONSANTO“
Auch 2014 fand in vielen Städten der Welt wieder ein „March against MONSANTO“ statt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) beteiligte sich am 24. Mai in Düsseldorf an den Protesten. Der Leverkusener Multi unterhält nämlich schon lange gute Geschäftsbeziehungen zu dem Gen-Giganten, wie CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in seiner Kundgebungsrede erläuterte. So gründeten beide Konzerne in den 1960er Jahren das Gemeinschaftsunternehmen MOBAY, das unter anderem das berühmt-berüchtigte AGENT ORANGE herstellte. Zudem gewähren sich die Global Player gegenseitig Zugriff auf die Technologien, mit denen sie Genpflanzen immun gegen bestimmte Pestizide machen, um ihre Laborfrüchte durch Mehrfach-Resistenzen besser gegen Schadinsekten wappnen zu können. „Insofern ist der heutige ‚March against MONSANTO’ ebenso ein ‚March against BAYER’“, hielt Mimkes fest und vergaß mit BASF und SYNGENTA auch die anderen Mitglieder des Agro-Oligopols nicht.

NRW-Anfrage zu PCB
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. Deshalb finden quer durch die Republik aufwendige Sanierungen von Universitäten und Schulen statt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte zur Situation im Bund gemeinsam mit der Partei „Die Linke“ eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt (Ticker 2/14). Um den Stand der Dinge in Nordrhein-Westfalen zu erfahren, kooperierte die CBG mit den „Piraten“. Aber die Landesregierung in Düsseldorf zeigte sich auch nicht auskunftsfreudiger als die Große Koalition in Berlin. Sie wollte weder die Zahl der PCB-Vergifteten angeben noch die bisherigen Kosten der Renovierungsarbeiten beziffern. Auch sehen SPD und Grüne BAYER nicht in der Pflicht: „Zum Zeitpunkt der Abnahme der Bauvorhaben entsprachen die Ausführung und die Verwendung der Baumaterialien dem damaligen gesetzlichen Rahmen sowie den seinerzeit anerkannten Regeln der Technik. Für Schritte gegen die damaligen Hersteller von PCB-Produkten gibt es deshalb keine Veranlassung.“

Protest gegen NRW-Hochschulgesetz
Das von der rot-grünen NRW-Landesregierung geplante Hochschulzukunftsgesetz hatte ursprünglich Regelungen vorgesehen, die mehr Licht ins Dunkel von solchen Kooperationsverträgen bringen sollten, wie BAYER sie mit der Kölner Universitätsklinik abgeschlossen hat. Aber Kraft & Co. gaben dem Druck der Industrie nach und schwächten den entsprechenden Passus ab. Nach dem Willen der PolitikerInnen müssen die Partner nun erst nach dem Ende der Projekte Einblick in die Verträge gewähren. Auch bleibt es ihnen überlassen, wie viel sie preisgeben wollen. Darum unterstützte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Protest-Aktion von Studierenden-Organisationen und DGB-Jugend, die am 18. Juni anlässlich einer ExpertInnen-Anhörung zur Gesetzes-Novelle vor dem Düsseldorfer Landtag stattfand. Zudem hatte die CBG in der Sache schon Mitte März 2014 gemeinsam mit ATTAC, dem FREIEN ZUSAMMENSCHLUSS VON STUDENTINNENSCHAFTEN und anderen Gruppen einen Offenen Brief an Hannelore Kraft geschrieben.

Kritik auf BAYERs FACEBOOK-Seite
Der Leverkusener Multi muss sich auf seiner FACEBOOK-Seite ziemlich viel Kritik anhören. „Schade, dass eine so traditionsreiche Firma komplett auf die Natur und Umwelt pfeift. Hauptsache Gewinn, Gewinn und ... Gewinn“ heißt es da beispielsweise oder: „Nur noch Profite ohne Rücksicht auf die Umwelt und die Menschen. Macht endlich bezahlbare Medikamente“. Auch zu dem Prozess, den der Konzern zusammen mit SYNGENTA gegen die EU wegen des vorübergehenden Verbots von bienenschädigenden Pestiziden angestrengt hat, gibt es bissige Kommentare: „BAYER verklagt Europa, weil es ausnahmsweise einmal das Richtige tut und die Bienen schützen will. Unglaublich.“

Umbenennung von Duisberg-Straßen
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in ihren Städten vor. Leverkusen und Marburg lehnten das Begehr allerdings ab, in Dortmund und Frankfurt schweben die Verfahren noch.

KAPITAL & ARBEIT

BMS wickelt Standort Darmstadt ab
Im Rahmen des neuesten Rationalisierungsprogramms, das die Vernichtung von 700 Arbeitsplätzen vorsieht, reduziert BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) die Produktion von Kunststoff-Platten aus Polycarbonat. So beendet die Konzern-Sparte die Fertigung in Darmstadt und streicht damit 90 Stellen. Sie bekundet zwar, die Belegschaftsangehörigen nach Möglichkeit anderweitig im Unternehmen beschäftigen zu wollen, aber für alle dürfte sich kaum etwas finden. Darüber hinaus macht BMS den Standort in Peking dicht und plant, die in Australien und Neuseeland gelegenen Fertigungsstätten für LASERLITE-Platten abzustoßen.

Weniger Stimmen für Durchschaubare
Bei der letzten Betriebsratswahl am BAYER-Stammsitz Leverkusen verloren zwei der drei unabhängigen Gewerkschaftsgruppen innerhalb der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE an Boden. Die KOLLEGEN UND KOLLEGINNEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT büßten zwei Mandate ein und kamen nur noch auf drei Sitze. Die BASISBETRIEBSRÄTE mussten ebenfalls zwei von fünf Sitzen abgeben, nur das BELEGSCHAFTSTEAM konnte sich um einen Sitz steigern und verfügt nun über drei. Die restlichen der 37 Sitze holte die IG BCE. Die Wahlbeteiligung betrug 55,2 Prozent und ging damit um 3,8 Prozent zurück.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe für BAYER

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Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in die Projekte „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und „Competitive African Rice Initiative“ (CARE), in deren Rahmen der Leverkusener Multi die Vermarktung von hybridem, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Reis vorantreibt. Bis zu einem Drittel der Kosten buttert das BMZ dazu: 5,27 Millionen Euro. Das teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen mit. Maßnahmen, die verhindern, dass Schulungen von FarmerInnen zu reinen Werbeveranstaltungen der Agro-Riesen gerieren, hat sie kaum getroffen. „Bei durch Firmen-Personal durchgeführten Trainings agieren die Trainer als Vertreter des Projektes und nicht unter Firmen-Branding“, erklärt die Große Koalition, wobei „firmen-spezifische ‚Solutions’ lediglich als eine mögliche Option dargestellt werden“. Auch geht aus den Angaben der Großen Koalition hervor, wie spärlich BRIA, CARE & Co. die Bevölkerung vor Ort in ihre Planungen einbeziehen.

Entwicklungshilfe für BAYER

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Parallel zur „German Food Partnership“ (s. o.) hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, anderen Unternehmen und dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) jetzt auch die „German Healthcare Partnership“ (GHP) ins Leben gerufen. „Die GHP kombiniert die Kompetenzen und Ressourcen des privaten Sektors mit denen der Entwicklungszusammenarbeit“, heißt es auf der Website frank und frei. Zum Ziel hat die „strategische Allianz“ sich gesetzt, „den Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsleistungen in Entwicklungsländern und in aufstrebenden Märkten zu verbessern“. Und besonders auf diese aufstrebenden Märkte ist passenderweise auch BAYERs Afrika-Strategie ausgerichtet (siehe DRUGS & PILLS). Im Rahmen der GHP erhofft sich der Leverkusener Multi vor allem Entwicklungshilfe für seine Kontrazeptiva zur Familienplanung bzw. Bevölkerungskontrolle. Aber auch andere Absatzgebiete hat die GHP noch im Blick. So kümmert sie sich beispielsweise um „Business Opportunities in Healthcare in China“. Zudem hielt sie gemeinsam mit dem BDI und der „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ schon Konferenzen zu Ausfuhr-Krediten und Hermes-Bürgschaften ab. Sogar Verweise auf die vom BDI zur letzten Bundestagswahl erhobenen Forderungen nach besseren Risikoabsicherungsinstrumenten „insbesondere für den Krankenhaus-Systemexport“ finden sich auf den Seiten. Da wundert es kaum noch, dass als Repräsentant der „Public Private Partnership“ der BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber fungiert.

Konzern-Verbrechen leicht gemacht
Der Leverkusener Multi hat in seiner Geschichte vielfach gegen Menschenrechte verstoßen. Er benutzte Menschen aus der „Dritten Welt“ ohne deren Wissen als Versuchskaninchen für neue Pharma-Produkte, übte Druck auf GewerkschaftlerInnen aus und bediente sich der Kinderarbeit. Um solche Rechtsverstöße der Global Player besser ahnden zu können, hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen vor einiger Zeit „Guiding Principles on Business and Human Rights“ verabschiedet. Die EU hat ihre Mitgliedsstaaten daraufhin angehalten, eigene Aktionspläne zu erstellen. Während Länder wie die Niederlande schon ihre Gesetze geändert und Beschwerdestellen eingerichtet haben, tat die Bundesrepublik bisher nichts dergleichen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bekundete die Bundesregierung nun aber ihren Willen, die Regelung umzusetzen. Viel zu befürchten haben die Konzerne indes nicht. Um etwa der Kinderarbeit bei Subunternehmern Einhalt zu gebieten, derer sich BAYER CROPSCIENCE lange bediente (Ticker berichtete mehrfach) schweben der Großen Koalition nur „Dialogformate“ und die Unterstützung von Trainingsprogrammen vor. Haftungsregelungen plant sie auch nicht, da „es sich bei Subunternehmen begrifflich um rechtlich selbstständige Unternehmen handelt, auf die ein anderes Unternehmen keinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss ausüben kann“. SPD und CDU setzen generell darauf, „dass die Unternehmen freiwillig und aus eigener Verantwortung gesellschaftliche Verantwortung übernehmen“ und lehnen es daher auch ab, die Klage-Möglichkeiten wegen Verstößen gegen die Leitlinien des Industrieländer-Zusammenschlusses OECD zu verbessern. Dabei bestände gerade hier dringender Reformbedarf, denn bei der für solche Verfahren eingerichteten „Nationalen Kontaktstelle“, die bezeichnenderweise im Referat für Außenwirtschaftsförderung angesiedelt ist, handelt es sich um ein stumpfes Instrument. Keiner der beiden Fälle, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in der Vergangenheit dort vorbrachte – Repressionen BAYERs gegen Gewerkschaftler und Kinderarbeit bei BAYER-Zulieferern – hatte für den Leverkusener Multi irgendwelche Konsequenzen.

IG FARBEN & HEUTE

Bomben auf Leuna
Ohne die IG FARBEN hätte das „Dritte Reich“ keinen Krieg führen können. Der von BAYER mitgegründete Konzern produzierte unter anderem Waffen, Bomben und Benzin. Trotzdem zögerten die Westalliierten lange, Angriffe auf die Fabriken zu fliegen. Erst im Mai 1944 bombardierten sie die Leuna-Werke. Die USA, England und Frankreich fürchteten nach Stalingrad nämlich einen Vormarsch der Sowjetunion und bauten deshalb auf nationalsozialistische Schützenhilfe. „Es war durchaus im alliierten Interesse, dass die Wehrmacht in den folgenden zwölf Monaten über genügend Kampfkraft verfügte, um die Rote Armee auf dem Weg nach Westen zu bremsen und zu verschleißen“, mit diesen Worten zitiert Otto Köhler in seinem Artikel „Die Schlacht von Leuna“ Rolf-Dieter Möller vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam. Erst im Vorfeld der – von Stalin schon viel eher geforderten – Normandie-Invasion sollte die Kriegsmaschinerie der Nazis nach dem Willen der Alliierten ins Stocken geraten. Die Landung an der Küste Frankreichs begann knapp dreieinhalb Wochen, nachdem die US-Armee mit 800 Bombern Leuna attackiert hatte.

POLITIK & EINFLUSS

Grenzwert-Lockerungen via TTIP
Durch das Freihandelsabkommen der EU mit den USA droht eine Aufweichung der Pestizid- und Gentechnik-Gesetzgebung. BAYER & Co. investieren Unsummen in entsprechende Lobby-Aktivitäten. So fordert der US-amerikanische Agrarindustrie-Verband „Croplife“ im Zuge der Verhandlungen von Brüssel etwa, das bis Ende 2015 geltende Verbot der bienenschädigenden BAYER-Ackergifte PONCHO und GAUCHO aufzuheben und generell die Grenzwert-Regelungen zu lockern. Eine „moderne Risiko-Bewertung“ soll es stattdessen richten. Zudem streiten die Agro-Riesen dafür, nach US-amerikanischen Gepflogenheiten künftig Gentech-Rückstände in Lebensmitteln zu tolerieren und Kennzeichnungspflichten abzuschaffen. „BAYER und BASF handeln auf den Märkten in den USA und wollen nun in dem geheimen Handelsabkommen zwischen den USA und der EU das erreichen, was ihre Lobbyisten in Europa nicht geschafft haben“, kritisiert Jaydee Hanson vom CENTER FOR FOOD AND SAFETY.

USA: Mehr Energiespar-Subventionen?
BAYER unterstützt gemeinsam mit anderen im US-amerikanischen BDI-Pendant „U.S. Chamber of Commerce“ organisierten Unternehmen einen Gesetzes-Vorschlag, der gleichzeitig zu mehr Energie-Ersparnis und zu mehr Wettbewerbsfähigkeit führen soll. Der „Energy Savings and Industrial Competitiveness Act“ stellt den Konzernen nämlich Millionen-Subventionen in Aussicht, wofür diese allerdings andere Worte finden. Das Vorhaben ist geeignet, „Hindernisse beim Investieren in existierende Energie-Effizienz-Technologien abzubauen“, heißt es bei der „U. S. Chamber“. Einstweilen bleiben die Hindernisse jedoch noch bestehen, denn im Senat fand sich für das Paragrafen-Werk nicht die erforderliche Mehrheit. Das endgültige Aus bedeutet das allerdings noch nicht.

BAYER erpresst Subventionen
In den USA gelang es dem Leverkusener Multi zum wiederholten Mal, Gemeinden mit Abwanderungsplänen so unter Druck zu setzen, dass diese dem Konzern Subventionen gewähren. So stellte St. Joseph dem Unternehmen Mittel für eine Betriebserweiterung zur Verfügung, um es in der Stadt zu halten. „Die Gefahr war sehr real“, sagt der Stadtverwaltungsmitarbeiter Clint Thompson zu BAYERs Umzug-Gelüsten und nennt die milde Gabe ein „Joberhaltungsprogramm“. Dabei hatte der Global Player, als er dort im Jahr 2012 die Veterinär-Sparte des israelischen Pharma-Riesen TEVA übernahm, umgehend ein Rationalisierungsprogramm beschlossen, das am Standort die Vernichtung von 60 der 180 Arbeitsplätze vorsieht.

PhRMA fordert Strafen für Indien
Im März 2012 hat das „Indian Patent Office“ BAYERs Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (Ticker 2/12). Die Behörde berief sich dabei auf einen Ausnahme-Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS und begründete ihre Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Die Entscheidung hat Big Pharma in helle Aufregung versetzt und umgehend zu politischen Interventionen bei der Obama-Administration, dem US-amerikanischen Patentamt und beim Kongress veranlasst (Ticker 4/12). Und im Mai 2014 forderte der Industrie-Verband „Pharmaceutical Research and Manufacturers of America“ (PhRMA) die US-Regierung sogar auf, Indien auf die Liste der patentrechtlichen Schurkenstaaten zu setzen und Sanktionen gegen das Land zu beschließen.

BAYER kontrolliert sich selbst
Stillen bekommt Babys generell besser als Flaschen-Nahrung. Für Säuglinge in der „Dritten Welt“ bestehen darüber hinaus besondere Risiken. Da ihre Mütter aus Kostengründen oft zu wenig Milchpulver verwenden, leiden die Babys unter Mangelerscheinungen. In den armen Ländern erhöht sich durch diese Ernährungsform zudem das Infektionsrisiko, da zum Anrühren der Mixturen oft kein sauberes Wasser zur Verfügung steht. Darum erlauben viele Länder Werbung für Baby-Nahrung gar nicht oder nur unter strengen Auflagen, was BAYER und andere Konzerne 2006 schon zu einem Prozess gegen die philippinische Regierung bewogen hatte (Ticker 3/06). In Australien begutachtete lange eine unabhängige Monitoring-Gruppe die Reklame-Aktionen der Konzerne. Im Jahr 2010 rügte sie den Leverkusener Multi, weil dieser in einer Kampagne gegen eine mit dem Staat getroffene Vereinbarung verstoßen hatte, wonach die Hersteller darauf verzichten, ihre Erzeugnisse als dem Stillen gegenüber überlegen darzustellen. „NOVALAC-Mittel können helfen, das Schreien zu reduzieren und den Schlaf zu befördern und machen die Kinder zufrieden und die Eltern entspannter“, hatte der Pharma-Riese in der Werbung behauptet. So etwas dürfte dem Global Player bald wieder etwas leichter über die Lippen kommen. Australien hat nämlich das unabhängige Kontrollgremium abgeschafft und überlässt es in Zukunft der Industrie selber, sich auf die Finger zu schauen.

Nationale Anbau-Verbote
Bislang hat die Europäische Union zentral über die Zulassung von Genpflanzen entschieden. Brüssel plant jedoch, es ihren Mitgliedsländern künftig selber zu überlassen, ob sie die Labor-Kreationen wollen oder nicht. Nach der alten Regelung hatten es wegen vieler Gegenstimmen gerade einmal vier Sorten auf die EU-Felder geschafft. In der Hoffnung, künftig mit gentech-freundlichen Staaten besser ins Geschäft zu kommen, stritten BAYER & Co. deshalb heftig für die neue Lösung. Und ihr Lobby-Verband EuropaBio konnte seinen Einfluss bei der Umorientierung, die bereits in einen Gesetzes-Entwurf mündete, nicht zu knapp geltend machen. „Wie servil diese Lobby-Wünsche des Verbandes EuropaBio umgesetzt wurden, ist erschreckend“, sagt etwa der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. So müssen die Staaten erst einmal bei den Konzernen anklopfen und anfragen, ob die Unternehmen nicht vielleicht freiwillig von einer Vermarktung ablassen wollen. Und wenn diese die Bitte abschlagen, haben die Nationen gute – und vor allem gerichtsfeste – Gründe vorzulegen. Als besonders gut erwies sich bisher der Draht der Agro-Riesen zur britischen Regierung. EuropaBio hat Cameron & Co. sogar Tipps gegeben, wie die neue Gentech-Politik am besten zu verkaufen ist. Der Lobby-Club riet dazu, „der Botschaft einen starken ökologischen (aber natürlich auch innovationsfreundlichen und ökonomischen) Dreh zu geben. Die PolitikerInnen antworteten: „Wir würden das Wort ‚Schwerpunkt’ dem ‚Dreh’ vorziehen“, hatten aber grundsätzlich keine Einwände. Es stehen also blühende Gen-Landschaften zu erwarten, womit auch die Gefahr der Kontamination herkömmlicher Ackerfrüchte steigt. Darum optiert EuropaBio in dem Konzept-Papier „A new strategy for GM issues“ für einen „package deal“ und will die Renationalisierung des Zulassungsprozesses mit einer Aufhebung des Rückstandsverbotes in Lebensmitteln und Saatgut verknüpfen. Ob das Europäische Parlament den Einflüsterungen folgt und einer solchen Paket-Lösung zustimmt, dürften die nächsten Monate zeigen.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit üppig mit Agrar-Subventionen. Fast 180.000 Euro strich der Konzern 2013 ein. Das Geld dürfte hauptsächlich BAYERs Laarcher Hof in Monheim eingestrichen haben, der als klassischer Ackerbau-Betrieb firmiert, obwohl er nur eine Versuchsküche für die Pestizide des Konzerns ist.

PROPAGANDA & MEDIEN

Presserat-Beschwerde scheitert
Im September 2013 hatte der Spiegel kritisch über BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO berichtet und dabei auch auf Material der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zurückgegriffen. Das Blatt sprach mit Geschädigten und ExpertInnen, veröffentlichte die hohen Zahlen des „Bundesinstitut für Medizinprodukte und Arzneimittel“ über Todesfälle und schwere Nebenwirkungen und informierte über die aufwendige Kampagne zur Vermarktung des Mittels. Dem Leverkusener Multi passte das natürlich gar nicht. Er schaltete den Presserat ein und reichte eine Beschwerde gegen den Spiegel-Artikel ein. Der zuständige Ausschuss lehnte diese jedoch ab. Nach Ansicht des Gremiums hatte das Magazin weder unangemessen über medizinische Sachverhalte berichtet noch die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt.

274.000 Euro für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Über 274.000 Euro verteilte der Leverkusener Multi 2013 allein an die bundesrepublikanischen Verbände. Aber natürlich nicht an alle. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter-, Augen- und Lungenkrankheiten- sowie Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Und das ist gut angelegtes Geld: „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Dr. Gerd Glaeske einmal errechnet.

BAYER: Wir wollen nur informieren
Die NDR-Sendung „Profit auf Rezept“ dokumentierte umfassend, mit welchen Methoden die Pillen-Riesen ihre Medikamente vermarkten. BAYER & Co. schenken ÄrztInnen mit Werbung angereicherte Praxis-Software, veranlassen diese durch großzügig vergütete „Anwendungsbeobachtungen“, die PatientInnen auf bestimmte Arzneien einzustellen und versorgen Krankenhäuser kostenlos mit Pharmazeutika, um die Mittel dann anschließend auf die Rezeptblöcke der nachbehandelnden ÄrztInnen zu bekommen. Der Leverkusener Multi tat sich in der Reportage besonders als Sponsor eines verlockenderweise auf Sylt stattfindenden Anästhesie-Kongresses hervor, auf dem er kräftig die Werbe-Trommel für seinen umstrittenen neuen Gerinnungshemmer XARELTO rührte. Folglich sah sich der Pharma-Gigant durch den Bericht dann auch zu einer Stellungnahme gezwungen. „Die NDR-Reportage „Profit auf Rezept“ impliziert, dass viele Ärzte bestechlich sind und die Pharma-Industrie mit unlauteren Methoden ihre neuen Arzneimittel vermarktet“, konstatiert das Unternehmen. Und das sei natürlich nicht der Fall. BAYER mache nur „lautere Werbung mit produkt-bezogenen Informationen“, damit die DoktorInnen die Pillen auch bestimmungsgemäß einsetzen könnten. Anwendungsbeobachtungen erfüllen dem Global Player zufolge ebenfalls einen wichtigen Zweck, da sie angeblich „sicherheitsrelevante Erkenntnisse“ zu Tage fördern. Darüber hinaus verwahrte er sich gegen Kritik an XARELTO, wie sie in dem Feature der Vorsitzende der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“, Wolf-Dieter Ludwig, geäußert hatte. Der Konzern verwies stattdessen auf positive Bewertungen etwa von der „Deutschen Gesellschaft für Neurologie“ (DGN). Unerwähnt ließ die Aktien-Gesellschaft dabei allerdings, dass sie zu den Sponsoren der „Deutschen Gesellschaft für Multiple Sklerose“ gehört (s. o.), die im Beirat der DGN sitzt

BAYERs Kongress-Sponsoring
Es gibt kaum einen MedizinerInnen-Kongress, den der Leverkusener Multi nicht sponsert. 2014 „unterstützte“ er nach Informationen der Initiative BIOSKOP beispielsweise die NeurologInnen-Tagung in Marburg, den Berliner Diabetes-Kongress, den Berliner Krebs-Kongress, den „Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin“ in Wiesbaden und die Jahrestagung der „Deutschen Gesellschaft für Kardiologie“. Und oftmals belässt es der Pharma-Riese zu diesen Gelegenheiten nicht bei Ausstellungsständen, sondern hält auch noch Symposien ab (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

BAYER sponsert Arzneipreis-Studie
Die „UCL School of Pharmacy“ hat festgestellt, dass die Innovationskraft der Pillen-Riesen gefährdet ist, wenn diese nicht mehr Geld für ihre Erzeugnisse bekommen. Erkenntnisfördernd hat sich dabei die Finanzierung der Studie durch BAYER und NOVARTIS ausgewirkt. ÄRZTE OHNE GRENZEN kritisierten die „Reichtum macht erfinderisch“-These der UCL hingegen scharf und werteten sie als Teil einer breiter angelegten Kampagne für höhere Arznei-Preise. Die Organisation warf den Konzernen vor, trotz immenser Profite bei der Entwicklung wichtiger Medikamente, wie z. B. neuer Antibiotika, zu versagen und forderte die Unternehmen auf, ihre Geschäftspraxis zu ändern. „Es ist dringend nötig, dass BAYER, NOVARTIS und die Industrie als Ganzes Innovationsmodelle entwickeln, die neue Pharmazeutika für alle erschwinglich hält“, so die Sprecherin Katy Athersuch.

BAYER zeichnet Bluter-Film aus
Im Rahmen seiner image-fördernden Sponsoring-Aktivitäten finanziert der Leverkusener Multi auch den „Deutschen Hörfilm-Preis“ des „Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes“. Im März 2014 hat dieser nun ausgerechnet ein Werk ausgezeichnet, in dem der Pharma-Riese selber eine nicht gerade kleine Rolle spielt. „Blutgeld“ handelt nämlich von dem AIDS-Skandal, den HIV-verseuchte Blutprodukte von BAYER und anderen Konzerne in den 1980er Jahren ausgelöst haben, weil die Unternehmen die Präparate aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierte scharf gegen das soziale Marketing des Global Players: „Wie pervers ist das denn? Das Leben Tausender Bluter hätte gerettet werden können, wenn die Verantwortlichen bei BAYER damals rechtzeitig gehandelt hätten. Und heute werden die Opfer dazu missbraucht, dem Konzern durch ‚mildtätige Gaben’ ein menschliches Antlitz zu verleihen.“

Fortbildung von JournalistInnen
Krebs-Medikamente gehören zu den lukrativsten Pharma-Präparaten BAYERs. Darum ist dem Konzern an einer guten Presse gelegen. Um eine solche zu bekommen, unterstützt er Fortbildungsmaßnahmen für JournalistInnen. So stellte er der US-amerikanischen „National Press Foundation“ Geld zur Durchführung eines Programmes zur Verfügung, das SchreiberInnen im Dezember 2014 vier Tage lang die „Cancer Issues 2014“ nahebringen will.

Keine milde Reis-Gabe
Seit einiger Zeit vermarktet BAYER seinen hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Reis massiv und erhält sogar „Entwicklungshilfe“ (siehe ERSTE & DRITTE WELT). Um seine Produkte auf die Felder zu bringen, hat er Kooperationen mit staatlichen Stellen in Indonesien, Brasilien, Burma, China, Thailand, Vietnam und auf den Philippinen vereinbart. Und auch die Schäden, die der Taifun „Yolanda“ Anfang des Jahres in Südostasien angerichtet hat, nutzte der Leverkusener Multi zu Werbe-Zwecken. So spendete er 1.000 FarmerInnen insgesamt 20 Tonnen der Sorte ARIZE. Ob diese damit glücklich werden, steht allerdings dahin. So klagten etwa indonesische LandwirtInnen über ARIZE, weil er hohe Produktionskosten verursacht, schlecht schmeckt und anfälliger gegenüber Schadinsekten ist. Zudem ist der Hybrid-Reis auf die Bedürfnisse der industriellen Landwirtschaft zugeschnitten, weshalb die Initiative ALLIANCE OF AGRARIAN REFORM MOVEMENT bereits vor einem Bauernsterben warnte.

BAYER sammelt Unterschriften
Viele chemische Substanzen ähneln in ihrem Aufbau Hormonen und wirken auch vergleichbar. Darum können sie den menschlichen Hormonhaushalt stören und so den Organismus schädigen. Die Europäische Union arbeitet gerade an einer Schwarzen Liste solcher Stoffe. Da viele von ihnen in Pestiziden zum Einsatz kommen, fürchtet der Leverkusener Multi um seine Produktpalette. Zudem beklagt er „die völlig überzogenen Registrierungsanforderungen“ der EU im Allgemeinen und das von ihr vorübergehend verhängte Verbot der bienenschädigenden BAYER-Ackergifte PONCHO und GAUCHO im Besonderen. Der Konzern hat deshalb eine Kampagne ins Leben gerufen. Er warnt bei einer Fortführung der gegenwärtigen Pestizid-Politik nicht nur vor Betriebsverlagerungen und Arbeitsplatzverlusten in der Chemie-Branche, sondern auch vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der bundesdeutschen Landwirtschaft. Viele Bauern und Bäuerinnen vermochte das Unternehmen schon zu mobilisieren; 13.000 Unterschriften sammelte der Agro-Riese unter ihnen. „Die Bauernschaft ist aufgewacht“, bekundete der Deutschland-Chef von BAYER CROPSCIENCE, der passenderweise auch dem „Industrieverband Agrar“ vorsitzt, bei der Übergabe der Unterschriften-Listen an den Bauernverbandspräsidenten Joachim Rukwied. Und der bedankte sich artig beim Global Player: „Der Einsatz von BAYER bei dieser Aktion ist in der Branche vorbildhaft (...) Gegenüber den Gremien in Brüssel können wir ein eindeutiges Signal für den Pflanzenschutz setzen.“

BAYER bei der Fußball-WM
BAYER nutzte die Fußball-WM in Brasilien als Werbe-Auftritt für „Chemie im Alltag“. „Transparente MAKROLON-Massivplatten sorgen (...) dafür, dass die 70.000 Zuschauer im künftigen Estádio Nacional in der Hauptstadt Brasilia geschützt vor Sonne und Regen verfolgen können“, vermeldete der Konzern. In der heimatlichen „Bayarena“ musste der Hausherr eine ältere Version dieser Platten jedoch wegen Brandgefahr für teures Geld auswechseln. Aber nicht nur im „Estadio Nacional“ steckt Chemie made in Leverkusen. Auch im WM-Ball, in den Fußballschuhen und in der „Wäsche mit Kompressionsfunktion, die wie eine zweite Haut am Körper sitzt“, treibt sie ihr Unwesen.

Bienenweiden made by BAYER
Obwohl die hauseigenen Pestizide nun auch schon die hauseigenen Bienen dahingerafft haben (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE), leugnet der Leverkusener Multi immer noch beharrlich den Zusammenhang zwischen der Verwendung von Agro-Giften und dem Bienensterben. Stattdessen inszeniert sich der Konzern als Bienenkümmerer. Zu seinen „Bee Care“-Aktivitäten gehört neben dem Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen in einem Feldversuch (Ticker 4/13) auch die Unterstützung von Bienenweiden. „Allein in Deutschland und Österreich stellt BAYER im Rahmen des Projektes ‚Blühende Wege’ fast 30 Gemeinden und Städten das Saatgut kostenlos zur Verfügung“, verkündet das Unternehmen.

Extrem-Lobbyismus auf Hawaii
Auf Hawaii haben einige Regierungsbezirke strenge Auflagen zum Pestizid-Gebrauch erlassen. Darüber hinaus haben sie die Aussaat von Gen-Pflanzen verboten oder planen einen entsprechenden Bann. In eine Kampagne gegen diese Regelung steckten BAYER, MONSANTO & Co. 50.000 Dollar. Dabei bedienten die Konzerne sich auch ihrer Jura-Fabrik ALEC, die PolitikerInnen Paragrafen-Werke frei Haus liefert (Ticker 4/12). Für den besonderen Zweck hatte sie ein „Modell-Gesetz“ im Angebot, das es Bundesstaaten erlaubt, auf niedrigeren Ebenen erlassene Bestimmungen wieder aufzuheben. Auch die am 9. August auf der Insel anstehende Wahl ließen sich die Unternehmen viel kosten. Ihnen wohl gesonnene Kandidaten erhielten jeweils 5-stellige Beträge. Aber nicht nur auf Hawaii steigt die Zahl der Gentechnik-GegnerInnen. Zwei Bezirke des Bundesstaates Oregon votierten ebenfalls gegen die Laborfrüchte. In Jackson County erreichte eine von FarmerInnen initiierte Petition eine Stimmen-Mehrheit, obwohl die Multis wieder ein ALEC-Gesetz gegen das Ansinnen aufgeboten und rund 450.000 Dollar in Gegenpropaganda (BAYER-Anteil: 22.000 Dollar) investiert hatten. Und im Anschluss daran gelang es auch LandwirtInnen in Josephine County, ein entsprechendes Begehr durchzusetzen.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2013 unterstützte die Stiftung unter anderem die Bergkamener Down-Syndrom-Initiative, die in Wuppertal ansässige Ökumenische Telefon-Seelsorge, den Krefelder Mitmach-Bauernhof und den Verband der Funkamateure Moers. Über die Herbert-Grünewald-Stiftung gingen zudem Gelder an eine Schwimmgruppe für Menschen mit geistiger Behinderung, an den deutschen Gehörlosen-Sportverband sowie an das Inklusion beherzigende Fußball-Team einer Essener Hilfseinrichtung. Und den ASPIRIN-Sozialpreis des Jahres erhielt das Forschungszentrum Borstel für ihr Konzept zur Tuberkulose-Aufklärung.

TIERE & ARZNEIEN

Harmloses Tierarznei-Gesetz
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massenzucht fördert die massenhafte Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen welche die human-medizinischen Pendants der Mittel dann nicht mehr wirken. 2012 lag die Gesamtmenge der verabreichten Pharmazeutika dieser Medikamenten-Gruppe bei 1.619 Tonnen. Der Anteil der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, nahm dabei gegenüber dem Vorjahr um zwei auf zehn Tonnen zu. Die Politik hatte zwar eine Gesetzes-Verschärfung angekündigt, um den Verbrauch zu verringern, es blieb jedoch bei kosmetischen Maßnahmen. So sieht die neue „Tierarzneimittel-Mitteilungsdurchführungsverordnung“ lediglich ausgeweitete Dokumentationspflichten vor. Auf diese Weise hofft das Bundeslandwirtschaftsministerium LandwirtInnen, die sich besonders freigiebig im Umgang mit BAYTRIL & Co. zeigen, herausfiltern und zur Einsicht bringen zu können. An den Strukturen der Massentierhaltung aber will die Große Koalition nichts ändern. Zudem gilt das neue Paragrafen-Werk nur für Unternehmen mit mehr als 250 Mastschweinen und mehr als 1.000 Masthühnern bzw. -puten.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2013 hat der Leverkusener Multi mehr Tierversuche durchgeführt als 2012. Während der Konzern selber seine Experimente herunterfuhr und in den Laboren „nur“ noch 142.084 Ratten, Mäuse und andere Lebewesen traktierte (2013: 147.315), vergab er mehr Tests an externe Dienstleister, und dementsprechend stieg dort die Versuchstier-Zahl von 23.282 auf 30.203.

DRUGS & PILLS

Neuer YASMIN-Beipackzettel
Von Verhütungsmitteln der dritten Generation wie BAYERs YASMIN mit dem Wirkstoff Drospirenon geht ein höheres Thromboembolie-Risiko aus als von älteren Präparaten. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte im Zusammenhang mit YASMIN bereits 190 Sterbefälle. Die Europäische Arzneimittel-Behörde EMA hat die Präparate deshalb überprüft. Trotz ihrer Gefährlichkeit sieht die Einrichtung allerdings keine Veranlassung, die Mittel zu verbieten. Sie hat bloß veranlasst, auf den Beipackzetteln deutlicher vor den möglichen Nebenwirkungen zu warnen. Zudem kündigte die EMA eine Studie zum Gefährdungspotenzial des Inhaltsstoffs Chlormadinon an, der unter anderem in BAYERs ENRIQA enthalten ist. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) beließ es jedoch nicht dabei, den Durchführungsbeschluss der EU umzusetzen: Es sprach sich ausdrücklich für die Verschreibung von älteren, risiko-ärmeren Kontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel aus.

TRASYLOL: Vor Zulassung in Gebrauch?
Im November 2007 musste der Leverkusener Multi das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Mehrere Studien hatten die Gefährlichkeit des Medikamentes belegt. So analysierte der Harvard-Professor Alexander Walker die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und konstatierte im Falle einer Behandlung mit der Arznei eine erhöhte Sterblichkeitsrate sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herz-Erkrankungen. Die EU hob das Verbot 2012 jedoch wieder auf, und der Leverkusener Multi verkaufte das Medikament an das schwedische Unternehmen NORDIC. Aber der Pharma-Riese kann die Verantwortung für die Risiken und Nebenwirkungen des Pharmazeutikums nicht so einfach abschütteln. Auf der BAYER-Hauptversammlung Ende April 2014 konfrontierte die Australierin Jennifer Lloyd den Konzern mit dem Vorwurf, den Tod ihres Vaters verschuldet zu haben. Nachdem er 1978 in einem Melbourner Hospital TRASYLOL erhalten hatte, erlitt er eine Serie von Herzinfarkten und verstarb schließlich. Noch dazu war das laut Jennifer Lloyd zu einem Zeitpunkt, da das Mittel in dem Land noch gar keine offizielle Zulassung besaß. Auf eine Erklärung zu dem frühen Gebrauch oder gar auf ein Schuldeingeständnis wartete die junge Frau in Köln jedoch vergebens.

NEXAVAR-Studie scheitert
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib hat bislang eine Zulassung bei den Indikationen „fortgeschrittener Nierenkrebs“ und „fortgeschrittener Leberkrebs“. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu verbreitern. Ein Versuch mit dem Medikament zur ergänzenden Behandlung von solchen Leberkrebs-PatientInnen, denen die MedizinerInnen alle erkennbaren Tumor-Teile herausoperiert hatten, scheiterte allerdings: Die Arznei hat die Zeit bis zum Ausbruch neuer Karzinome nicht hinauszögern können. Vorher hatte NEXAVAR schon bei Haut-, Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs versagt.

ASPIRIN verhindert keine Infarkte
Der Einsatz von ASPIRIN bei chirurgischen Eingriffen kann das Risiko von Herzinfarkten nicht vermindern. Stattdessen steigt für die PatientInnen die Gefahr, Blutungen zu erleiden. Das ergab eine Studie, die das „Population Health Research Institute“ der „McMaster University“ durchführte.

FDA: Kein ASPIRIN gegen Infarkte
Seit Jahren versucht der Leverkusener Multi nun schon, seinen „Tausendsassa“ ASPIRIN trotz eher durchwachsener Bilanz (s. o.) als Mittel zur Herzinfarkt-Prophylaxe zu etablieren. Bei Menschen, die vorbelastet sind, hat der Konzern dafür schon grünes Licht bekommen. Jetzt wollte er aber das Indikationsgebiet ausweiten und von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Genehmigung dafür erhalten, das Medikament auch Gesunden zur Vorbeugung von Infarkten andienen zu können. Das lehnte die Behörde allerdings ab. „Nach einer sorgfältigen Überprüfung klinischer Studien kam die FDA zu dem Schluss, dass aus den Daten keine Empfehlung ableitbar ist, ASPIRIN Menschen zu verabreichen, die noch keinen Herzinfarkt oder Gehirnschlag erlitten und keine Herz/Kreislauf-Probleme haben“, sagte Dr. Robert Temple. Bei dieser Gruppe übersteige das Risiko von inneren Blutungen den Nutzen, so der Forschungsdirektor der Behörde.

ASPIRIN COMPLEX hilft nicht
Der Spiegel hat Peter Sawicki, den ehemaligen Direktor des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ gebeten, verschiedene Erkältungsmittel zu bewerten. BAYERs ASPIRIN COMPLEX mit den Inhaltsstoffen Acetylsalicylsäure und Pseudoephedrin-Hydrochlorid schneidet dabei nicht gut ab. Seine schleimhaut-abschwellende Wirkung lässt laut Sawicki zu wünschen übrig. Zudem leuchtet ihm nicht ein, warum ein Beutel des Mittels neunmal teurer ist als eine ASPIRIN-Tablette. Die „Stiftung Warentest“ kommt zu einem ähnlichen Urteil: „Eine nicht sinnvolle Kombination.“ Der Leverkusener Multi widerspricht da natürlich. Vom Spiegel zu einer Stellungnahme aufgefordert, verweist er auf positive Studien-Ergebnisse und betont, die Preise von ASPIRIN pur und ASPIRIN-COMPLEX seien nicht vergleichbar.

ASPIRIN bei Darmkrebs?
Nach zwei neueren Studien kann ASPIRIN bei bestimmten Menschen das Darmkrebs-Risiko reduzieren. Bei Personen mit einer größeren Menge des Enzyms 15-PGDH im Darm vermag der „Tausendsassa“ das Gefährdungspotenzial herabzusenken. Das berichteten – allerdings anhand relativ weniger Fälle – US-WissenschaftlerInnen in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine. Zu einem ähnlichen Ergebnis waren vorher schon britische ForscherInnen gekommen (Ticker 4/09). Sie rieten aber trotzdem von einer vorbeugenden Einnahme ab, da die Wirksubstanz schwere Nebenwirkungen wie Magenbluten hat.

Leberschäden durch XARELTO
Zu den häufigsten Nebenwirkungen von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zählen Blutungen. Aber auch Leberschädigungen treten oft auf. So erhielt die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA in den ersten zehn Monaten des Jahres 2013 320 diesbezügliche Meldungen von ÄrztInnen. Sieben tödliche Verläufe waren darunter und 26 Fälle von Leberversagen. „In der entsprechenden Fachinformation (...) findet man dazu keine deutliche Warnung“, kritisiert der Arzneimittelreport der Krankenkasse Barmer GEK. Der Leverkusener Multi weist dort lediglich darauf hin, dass PatientInnen mit Leber-Erkrankungen das Medikament nicht nehmen sollten.

XARELTO macht die Kassen arm
BAYERs umstrittener Gerinnungshemmer XARELTO (s. o.) gehörte 2013 zu den umsatzträchtigsten patentgeschützten Arzneimitteln in der Bundesrepublik. Mit Erlösen von 949 Millionen Euro – fast 200 Prozent mehr als 2012 – musste das Präparat mit dem Wirkstoff Rivaroxaban nur den beiden Rheuma-Mitteln HUMIRA und ENBREL den Vortritt lassen. Das Konkurrenz-Präparat PRADAXA mit dem Wirkstoff Dabigatran kam mit 86 Millionen Euro nicht annähernd in solche Regionen. Die Krankenkasse Barmer GEK, die nur für fünf Arzneien mehr ausgab als für das BAYER-Produkt und fast ein Prozent ihres Medikamenten-Etats in das Mittel investieren musste, schreibt dies bloß dem immensem Reklame-Aufwand des Konzerns zu. „Da Dabigatran länger auf dem Markt erhältlich ist und früher eine Zulassungserweiterung als Rivaroxaban bekommen hatte und da bis heute keine pharmakologischen Vorteile oder gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Wirkstoffen belegt wurden, kann diese extreme Steigerung bei Rivaroxaban nur durch Marketing- und Werbemaßnahmen zustande gekommen sein“, heißt es im „Arzneimittelreport 2014“.

Vitamin-Pillen helfen nicht
Der Leverkusener Multi preist seine ONE-A-DAY-Vitaminpräparate als wahre Wunderpillen an. Nach Angaben des Konzerns sollen sie gleichzeitig das Herz und die Immunabwehr stärken, den Augen gut tun und dem Körper zu mehr Energie verhelfen. Dank solcher Versprechungen finden diese Produkte und andere Nahrungsergänzungsmittel aus dem Hause BAYER reißenden Absatz. Im Geschäftsjahr 2013 machte das Unternehmen damit einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Das medizinische Urteil über die zusätzlich zur Nahrung eingenommenen Substanzen fällt allerdings verheerend aus. So kam ein ForscherInnen-Team der „Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health“ um Dr. Eliseo Guallar zu dem Schluss: „Wir glauben, dass es klar ist, dass Vitamine nicht helfen.“ Da ONE-A-DAY & Co. unter Umständen sogar noch negative Wirkungen entfalten können, forderte Guallar die VerbraucherInnen unmissverständlich auf, die Stoffe nicht mehr zu kaufen.

Schwanger trotz ESSURE
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, hat unter anderem Nebenwirkungen wie Blutungen, Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und kann Allergien auslösen. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass es die Eileiter verschließt, verrichtet zudem ihren Dienst nicht zuverlässig. Die Wahrscheinlichkeit, trotz ESSURE schwanger zu werden, liegt bei 9,6 Prozent. Das ergab eine Studie der „Yale School of Medicine“ unter Leitung von Aileen Gariepy.

BAYERs Afrika-Agenda
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). Nach einer vom „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) herausgegebenen – und vom Pillen-Riesen SANOFI gesponserten – Expertise haben diese nämlich ein Volumen von bis zu 160 Milliarden Dollar. Deshalb heißt es bei BAYER: „2014 steht eine Afrika-Strategie hoch oben auf der Agenda.“ Momentan setzt die Pharma-Sparte auf dem Kontinent 650 Millionen Euro um. Der Konzern erwartet durch eine anwachsende Mittelklasse jedoch deutlich bessere Zahlen, besonders in Kenia, Tansania, Kamerun, Nigeria, der Elfenbeinküste und Südafrika. Als Türöffner für die Ausweitung des Export-Geschäfts fungieren dabei oft staatliche Hilfsorganisationen. So hat der Leverkusener Chemie-Multi in Äthiopien mit der US-amerikanischen Entwicklungshilfe-Behörde USAID ein „innovatives Geschäftsmodell“ entwickelt. Die „Contraceptive Security Initiative“ sieht vor, Frauen „mit mittlerem Einkommen in vorerst elf subsaharischen Entwicklungsländern Zugang zu bezahlbaren oralen Kontrazeptiva“ zu verschaffen. Das Unternehmen stellt dafür die Pillen bereit, und die USAID zahlt für die Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zu den Mitteln. „Einen neuen strategischen Ansatz und einen innovativen Weg zur Erschließung der Märkte in Entwicklungsländern“ nennt der Pharma-Riese das Ganze.

BAYER kauft PatientInnen-Daten
Wissen ist Macht – darum interessiert sich BAYER sehr für PatientInnen-Daten. Bei der englischen Gesundheitsbehörde NHS erwarb der Leverkusener Multi Material, „um die Größe des britischen Marktes für Gebärmutter-Wucherungen zu erkunden“ und mit diesem Wissen „den Marketingstrategie-Prozess zu füttern“. Auch andere Firmen beteiligten sich am Großeinkauf, was auf der Insel einen großen Skandal auslöste. Der Pharma-Riese hat aber noch andere Informationsquellen. So ist er in der Bundesrepublik Kunde bei der Firma PHARMAFACT, welche die Rezepte der Krankenkassen auswertet. Darum weiß der Konzern ganz genau, wie das Geschäft mit seinen Arzneien so läuft und wie er seine Pharma-DrückerInnen präparieren muss. Manchmal weiß er es sogar genauer, als die Polizei erlaubt. PHARMAFACT gab nämlich bis 2012 widerrechtlich nicht nur anonymisierte Unterlagen heraus, sondern auch solche mit Namen von MedizinerInnen, so dass BAYER & Co. ganz genaue Informationen über die Verschreibungsgepflogenheiten in den einzelnen Praxen hatten. „Die Unterlagen, die uns in Auszügen zugespielt wurden, scheinen valide zu sein. Sie könnten einen der größten Daten-Skandale der Bundesrepublik im Medizinbereich aufdecken“, so das „Unabhängige Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein“ damals.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Tod durch Endosulfan
In Argentinien starb ein Junge durch eine Vergiftung mit dem eigentlich verbotenen Pestizid Endosulfan, das auf einer nahe der Wohnung der Familie gelegenen Tomaten-Plantage zum Einsatz kam. Gegen ihren Besitzer, der den früher auch in BAYER-Produkten wie MALIX, PHASER und THIODAN enthaltenden Wirkstoff ausbringen ließ, läuft in der Sache jetzt ein Strafverfahren.

Pestizide in Pollen
Ackergifte haben einen großen Anteil am weltweiten Bienensterben. Da wundert es nicht, dass GREENPEACE die Agro-Chemikalien auch in von den Bienen gesammelten Pollen aufspüren konnte. In 72 von 107 Proben fanden sich Pestizid-Rückstände. Unter den drei am häufigsten nachgewiesenen Wirkstoffen fanden sich zwei, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind: Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER) und Thiacloprid (CALIPSO, PROTEUS). Aber es waren auch noch andere vom Leverkusener Multi verwendete Substanzen im Blütenstaub enthalten wie Fenhexamid (TELDOR), Spiroxamine (PROSPER) und Trifloxystrobin (NATIVO, CORONET).

Pestizide in Zuchtblumen
GREENPEACE hat Zierpflanzen aus Garten-Centern und Baumärkten nach Pestizid-Rückständen untersucht. In 84 der 86 Proben wurde die Organisation fündig. Und am häufigsten führte die Spur nach Leverkusen: „In Anbetracht aller nachgewiesenen Pestizide kann der größte Produzent als BAYER CROPSCIENCE identifiziert werden, der sechs von 18 nachgewiesenen Pestizide produziert“, Am häufigsten stießen die WissenschaftlerInnen dabei auf die besonders für Bienen gefährlichen Neonicotinoide GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin), deren Gebrauch die EU vorerst stark eingeschränkt hat. In 43 bzw. sieben Prozent der untersuchten Blumen trieben diese Substanzen ihr Unwesen.

Pestizide im Salat
In der NDR-Sendung markt untersuchten JournalistInnen, wie viel Pestizid-Rückstände sich auf einem Blattsalat finden lassen. Sie behandelten einen Kopf mit dem BAYER-Insektizid CALYPSO und gaben ihn anschließend in ein Labor. Die WissenschaftlerInnen wiesen sechs Milligramm des Wirkstoffes Thiacloprid pro Kilo in der Probe nach – vier Milligramm mehr, als der Gesetzgeber erlaubt. Die Redaktion konfrontierte dann den Leverkusener Multi mit dem Ergebnis. Und der konnte sich das alles nur mit einer falschen Versuchsanordnung erklären: „Wir schließen aus dem von ihnen angegebenen sehr hohen Wert von sechs Milligramm pro Kilogramm, dass entweder die empfohlende Aufwandmenge überschritten worden ist oder die Analyse unmittelbar nach der Anwendung erfolgte.“ Da schloss der Konzern aber falsch: Das Fernseh-Team hatte sich genau an die Packungsanweisung gehalten und den Salat auch erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit zur Untersuchung gebracht.

Bienensterben comes home
Nun konnte der BAYER-Konzern die Wirkung seiner Pestizide auf das Leben der Bienen einmal aus erster Hand erleben. Von dem Bienensterben mit einer Million toten Tieren, zu dem es Ende März 2014 in Leverkusen kam, waren nämlich auch eigene Bestände betroffen. Und als Ursache stellten die Behörden zweifelsfrei BAYERs Pestizid-Wirkstoff Clothianidin fest, dessen Zulassung für bestimmte Anwendungen wegen seiner bienenschädigenden Effekte eigentlich noch bis zum Dezember 2015 ruht. Von der Varroa-Milbe, welche der Agro-Riese selber immer gerne für die Dezimierung der Gattung verantwortlich macht, war dagegen weit und breit nichts zu sehen. Aus welcher Quelle das Agro-Gift stammte, vermochten die Behörden in einer nachfolgenden Untersuchung allerdings nicht mehr zu ermitteln.

Neue Bienensterben-Studien
Die beiden BAYER-Pestizide PONCHO und GAUCHO gehören zur Gruppe der Neonicotinoide. Wegen ihrer Schädlichkeit für Bienen hat die EU sie 2013 für vorerst zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen. Diverse neue Studien belegen nun, wie richtig die Entscheidung war. Ein WissenschaftlerInnen-Team der Harvard University um Chensheng Lu setzte 12 Bienenvölker Neonicotinoiden aus und ließ sechs verschont. Den Sommer über passierte nichts, aber im Winter verwaisten sechs der mit den Pestiziden traktierten Bienenstöcke – für die ForscherInnen ein klares Zeichen für die Langzeitfolgen von PONCHO & Co. Zu einem ähnlichen Befund kommt die internationale WissenschaftlerInnen-Gruppe „Task Force on Systemic Pesticides“. Sie analysierte 150 Neonicotinoid-Studien und das Fazit lautete: Die Stoffe haben verheerende Auswirkungen nicht nur auf Bienen, sondern auch auf andere Insekten, Würmer und Vögel. Da die Chemikalien also den ganzen Naturkreislauf stören, fordert die Task Force ein weltweites Verbot der Substanz-Klasse. Caspar Hallmann von der niederländischen Radboud-Universität konnte die Schäden teilweise sogar genau beziffern. Nach seiner Untersuchung geht die Vogel-Population bei einer GAUCHO-Konzentration im Oberflächen-Gewässer von mehr als 20 Billionstel Gramm pro Liter um jährlich 3,5 Prozent zurück, weil das Gift den Tieren ihre Nahrungsgrundlagen raubt.

UBA für sparsamen Glyphosat-Gebrauch
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe zum Einsatz, aber auch in BAYER-Pestiziden wie GLYPHOS oder USTINEX. Zudem will der Multi es künftig gemeinsam mit der Gensoja-Sorte „FG 72“ sowie seinen genmanipulierten Baumwoll-Arten „GHB 614“, „GHB119“ und T304-40 vermarkten. Obwohl mehrere Studien Spuren des Giftstoffes im menschlichen Organismus gefunden hatten, stellte das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) der Substanz eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Das Umweltbundesamt (UBA) plädiert hingegen für eine sparsame Verwendung des Mittels, denn es trägt nach Ansicht des UBA-Chemieexperten Klaus Günter Steinhäuser wesentlich zur Reduzierung der Artenvielfalt bei.

Glyphosat-Gebrauch eingeschränkt
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat steht im Verdacht, Fehlbildungen hervorzurufen, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Das Verbraucherschutzministerium hat deshalb eine Ausbringungsbeschränkung für den auch in BAYER-Produkten vorkommenden (s. o.) Stoff erlassen. Es erlaubt die „Spätanwendung in Getreide“ nur noch auf Teilflächen. Dem Bundesrat geht das allerdings nicht weit genug. Die Länderkammer fordert ein umfassendes Verbot des Einsatzes der Substanz bei der Reife-Beschleunigung und darüber hinaus noch einen Glyphosat-Bann für den Haus- und Gartenbereich.

El Salvador bannt BAYER-Pestizide
Von 2007 bis 2011 gingen den Behörden in El Salvador 8.159 Meldungen über Pestizid-Vergiftungen ein. Darum zog das Land die Notbremse und verbot 53 Wirkstoffe. Der Bann betrifft auch viele Substanzen, die in BAYER-Mitteln Verwendungen finden wie etwa Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN), Glyphosat (GLYPHOS, USTINEX G), Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), Parathion-Methyl (ME 605 Spritzpulver) und Methamidophos (TAMARON). Kurz darauf verweigerten die USA die Freigabe von schon bewilligten Entwicklungshilfe-Geldern, weshalb nicht wenige UmweltaktivistInnen darin eine von BAYER & Co. veranlasste Strafaktion der Obama-Administration sehen.

Teilverbot für MESUROL
Das BAYER-Pestizid MESUROL darf nicht mehr als Mittel gegen Schnecken zum Einsatz kommen. Wegen der extremen Giftigkeit des Inhaltsstoffs Methiocarb hat die EU dem Produkt für diesen Anwendungsbereich die Zulassung entzogen.

BAYER goes bio

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Der Leverkusener Multi setzt in letzter Zeit vermehrt auf „bio“, da sich Schadinsekten und Unkräuter immer besser auf die handelsüblichen Pestizide einstellen. So kaufte er jetzt das argentinische Unternehmen BIAGRO, das biologische Saatgutbehandlungsmittel auf der Basis von Mikro-Organismen und Pilzen sowie Mittel zur Stärkung des Pflanzen-Wachstums produziert.

BAYER goes bio

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Der Global Player will die Produktion von Pestiziden auf biologischer Basis erhöhen. Um mehr Chargen seines Anti-Wurmmittels BIBACT und seines Anti-Pilzmittels CONTANS herstellen zu können, baut er seine Fertigungsstätte in Wismar aus. Auch die Forschungsaktivitäten am Standort plant der Leverkusener Multi zu erweitern. Noch machen BIBACT & Co. allerdings nur einen Bruchteil der Produktpalette von BAYER AGROSCIENCE aus.

GENE & KLONE

Die Gentech-Ökonomie
In ihrer Werbung für die Gentechnologie versprechen die Agro-Riesen gerne das Grüne vom Himmel bzw. der Erde. So sollen die Laborfrüchte nicht weniger als das Welthunger-Problem lösen helfen. Im Alltagsgeschäft hört sich das alles weit profaner an. In einem Patentantrag für ein gentechnisches Verfahren redet BAYER Klartext. „Transgene Pflanzen werden vor allem eingesetzt, um das Produktionspotenzial der jeweiligen Pflanzen-Sorte bei möglichst geringem Einsatz von Produktionsmitteln möglichst günstig zu nutzen“, heißt es dort ungeschminkt.

Neues Gentech-Soja
In den USA bringt BAYER 2015 die Genlabor-Frucht CREDENZ heraus und vermeint damit laut eigener Werbeaussage, die Sojabohne neu erfunden zu haben. Der Konzern vermarktet das Produkt in zwei Variationen, einmal mit einer Resistenz gegen das Pestizid Glyphosat und einmal mit einer gegen Glufosinat. Das ursprünglich von MONSANTO entwickelte Glyphosat ist seit 30 Jahren im Einsatz und steht im Verdacht, Fehlbildungen hervorzurufen, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Da viele Wildpflanzen dem Mittel inzwischen trotzen, hofft der Leverkusener Multi mit seinem noch gefährlicheren und deshalb in der EU nur noch bis 2017 zugelassenen Glufosinat in die Lücke vorstoßen zu können. Es dürfte jedoch nur eine Frage der Zeit sein, wann sich auch hier ein Gewöhnungseffekt einstellt.

Importgenehmigung für SYNT0H2
BAYER und SYNGENTA haben für ihr Gensoja SYNT0H2, das nicht nur gegen BAYERs Ultragift Glufosinat sondern auch gegen den Pestizid-Wirkstoff Mesotrione von SYNGENTA resistent ist, von den australischen Behörden eine Importgenehmigung erhalten.

Kein geringerer Pestizid-Verbrauch
Das US-amerikanische Landwirtschaftsunternehmen hat auf der Basis von Daten aus dem Jahr 2010 untersucht, ob die Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen zu einer Reduzierung des Pestizid-Verbrauchs geführt hat, wie BAYER & Co. es in ihren Produkteinführungskampagnen versprochen hatten. Das Ergebnis fällt wenig erfreulich für die Agro-Riesen aus. Bei den Herbiziden gingen zwar am Anfang die ausgebrachten Mengen tatsächlich zurück, in den letzten Jahren stiegen sie jedoch wieder. Die Unkräuter können sich nämlich immer besser auf die Gifte einstellen, welche die Konzerne im Kombipack mit den gegen die Produkte immunen Labor-Pflanzen vermarkten. Bei den Insektiziden notierte der Report hingegen einen nachhaltigeren Rückgang, aber hier dürfte das dicke Ende, da sich Baumwoll-Kapselwurm & Co. an die Agrochemikalien gewöhnen, erst noch bevorstehen. Zudem geht die Reduzierung nicht auf die Gentechnik zurück. Auch in der konventionell betriebenen Landwirtschaft landeten weniger chemische Keulen auf den Feldern.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYERs Energie-Mix
Der Strom, den der Leverkusener Multi an seinen Standorten selbst erzeugt, speist sich zu rund zwei Dritteln aus Erdgas und zu einem Drittel aus der besonders klimaschädigenden Kohle. Wie es um die Zusammensetzung der zugekauften Energie bestellt ist, machte der Konzern bisher nie öffentlich. Deshalb fragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der letzten Hauptversammlung im April 1014 nach. Das Unternehmen gab an, das übliche Großhandelsangebot zu beziehen und nannte folgende Zahlen für den Mix: 25,6 Prozent Braunkohle, 23,9 Prozent Erneuerbare Energien, 19,6 Prozent Steinkohle, 14,4 Prozent Atomenergie und 10,5 Prozent Erdgas.

„Dream Production“ geht in Serie
Der Leverkusener Multi entwickelte gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ ein Verfahren, um Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung zu nutzen (Ticker 1/10). Nach erfolgreicher Erprobung der „Dream Production“ errichtet BAYER nun in Dormagen für 15 Millionen Euro eine kleine Fertigungsstätte. Sie soll jährlich 5.000 Tonnen Polyole für die Polyurethan-Herstellung liefern. Der Pharma-Riese feiert diese Innovation als eine Großtat zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“. Und selbst bei der günstigsten Hochrechnung fallen die Ergebnisse bescheiden aus. Sollten wirklich einmal weltweit alle Kunststoffe nach dem neuen Verfahren hergestellt werden, so wären gerade einmal 178 Millionen Tonnen Kohlendioxid gebunden – 0,6 Prozent der jährlichen Emissionen. Darüber hinaus fällt bei der „Dream Production“ selber nicht wenig CO2 ab, da energie-aufwendige Abtrennungs-, Reinigungs- und Verflüssigungsprozesse nötig sind, ehe aus den Rauchgasen der Kohlekraftwerke ein Rohstoff für die Chemie-Industrie entsteht.

Noch mehr „Dream Production“?
Ein großangelegtes Forschungsprojekt will nach Möglichkeiten suchen, um aus Kohlendioxid und anderen bei der Stahl-Produktion entstehenden Prozess-Gasen chemische Grundstoffe zu gewinnen. Neben dem Leverkusener Multi, der die Erfahrungen mit seiner „Dream Production“ (s. o.) einzubringen gedenkt, sind unter anderem THYSSENKRUPP, SIEMENS, BASF, RWE, die Universitäten Bochum und Duisburg sowie die Fraunhofer- und die Max-Planck-Gesellschaft an dem Vorhaben beteiligt.

Brückenbau auf Deponie-Gelände
Die Deponie Dhünnaue diente BAYER von 1923 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Giftmüll-Schlucker. Danach ließ der Leverkusener Multi nicht nur Gras über die Sache wachsen, sondern auch 220 Wohneinheiten sowie eine Schule, einen Kindergarten und ein Altersheim. Die Folge: Allein in der Hauptschule am Rand des Geländes traten 15 Krebserkrankungen und fünf Todesfälle auf. Die notwendigen Sanierungsmaßnahmen begannen erst in den 1990er Jahren. Der Konzern trug das verseuchte Erdreich jedoch keineswegs ab und umschloss es auch nicht vollständig. Lediglich zum Rhein hin sicherte er die Altlast mit Spundwänden ab. Deshalb ist es erforderlich, stündlich 750 Kubikmeter verseuchtes Wasser abzupumpen und zu reinigen – über Jahrhunderte hinweg. Und deshalb müssen jetzt auch die Sondierungsarbeiten zum Bau einer Autobahn-Brücke auf dem Areal äußerst vorsichtig verlaufen. Jedes Bohrloch birgt bis zu zwei Tonnen Sondermüll, was die Beschäftigten dazu nötigt, einen Ganzkörperschutz zu tragen. Auch besteht die Gefahr, dass die im Erdreich schlummernden Chemikalien die Brücken-Fundamente angreifen. „Man muss genau erkunden, welche Stoffe da vorhanden sind“, so Manfred Curbach von der Technischen Universität Dresden. Und Sven Sieberth vom Landesbetrieb Straßenbau NRW sieht ebenfalls Schwierigkeiten: „Also es könnte sein, wenn man Bereiche freilegt, dass das Material, was im Moment standfest ist, und tragfähig ist, dass es durch Witterungseinflüsse wie Regen dann aufweicht und keinen tragfähigen Untergrund hinterlässt. Also das Worst Case Scenario wäre dann, dass man (...) im schlimmsten Fall eine Betonplatte über die Deponie legen müsste, also im Prinzip wie ein Brückenbauwerk. Aber das wollen wir nicht hoffen, weil das würde zu immensen Mehrkosten (...) führen.“ Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte schon bei Beginn der Arbeiten gefordert, den Leverkusener Multi an der Finanzierung zu beteiligen. Aber das lehnt das Land Nordrhein-Westfalen ab, da es der Bauträger sei, der in die bestehende Situation eingreife. Auch an die Aufstellung eines Mahnmales denkt Rot-Grün nicht. „Ich bitte um Verständnis, dass ich hinsichtlich Ihres Wunsches nach einem Gedenkstein für mögliche Opfer der seinerzeit betriebenen Deponie zuständigkeitshalber nicht tätig werden kann“, diese Antwort erhielt ein CBG-Aktivist aus dem Verkehrsministerium auf eine entsprechende Anfrage.

NANO & CO.

BAYER verkauft auch Nano-Patente
Vollmundig hatte das „Erfinder-Unternehmen“ BAYER 2003 die Nano-Technik gepriesen. Mit einem Marktvolumen von 200 Milliarden Euro rechnete der Konzern. Zehn Jahre später verkündete er seinen Ausstieg (Ticker 3/13), da „bahnbrechende Anwendungen für den Massenmarkt“ nicht in Sicht seien. Und 2014 beendete der Leverkusener Multi das Kapitel endgültig. Der Global Player verkaufte die Patente für die ehemalige „Zukunftstechnologie“ an die Bayreuther Firma FUTURE CARBON.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosion in Kolumbien
Auf dem Gelände des BAYER-Werk nahe der kolumbischen Stadt Cali kam es am 3. Juli 2014 zu einer Explosion. Drei Menschen zogen sich dabei Verletzungen zu und mussten zur Behandlung in ein Krankenhaus.

Aus undichtem Salzstock fließt Öl
Aus Kochsalz wird Sole gewonnen, ein wichtiger Grundstoff der Kunststoff-Produktion. Darum hält der Leverkusener Multi zehn Prozent der Geschäftsanteile an dem Förder-Unternehmen SGW. Dieses hat die beim Salz-Abbau entstehenden Hohlräume an Energie-Konzerne vermietet, die dort unterirdische Öl- und Gasreservoirs unterhalten. Im Münsterland bildete sich in einer 217 Meter unter der Erdoberfläche liegenden Rohrleitung eines Stollens ein Leck. Unmengen von Öl drangen daraus an die Oberfläche und überzogen große Areale mit einem schmutzigen Film. 10 Kühe, die das Gemisch tranken, mussten TierärztInnen einschläfern. 35.000 Tonnen Öl pumpten die Hilfskräfte ab und 1.000 Tonnen verseuchtes Erdreich entsorgten sie. Die SGW hatte schon zwei Monate vor dem Austritt einen Druckabfall in den Speichern bemerkt, aber keine entscheidenden Schritte in die Wege geleitet. Claudia Baitinger vom BUND erklärte zu der Umweltkatastrophe: „Ohne die unersättliche Gier nach Sole, die von den NRW-Chemiefirmen SOLVAY, BAYER und VESTOLIT/EVONIK hauptsächlich für die Herstellung des umweltproblematischen Kunststoffes PVC seit Jahrzehnten gebraucht wird, hätte es die Begehrlichkeiten, in den entstandenen Hohlräumen unter einem der ökologisch wertvollsten Naturschutz- und FFH-Gebiete NRWs riesige Öl- und Gasspeicher anzulegen, nicht gegeben. Bereits vo

[Repression] STICHWORT BAYER 02/2014

CBG Redaktion

Die Repressionen des Konzerns

BAYER vs. CBG

Bereits seit 1978 begleitet die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN den Leverkusener Multi kritisch. Rund um den Erdball, rund um die Uhr. Unter dem Motto „Konzernmacht brechen“ haben die Recherchen, Kampagnen und Aktionen des Netzwerkes einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Geschäftstätigkeit. Beispielsweise kann das Unternehmen von 1983 an keine herkömmlichen Hauptversammlungen mehr durchführen. Entsprechend versucht der Global Player mit allen Mitteln, sich der Coordination zu erwehren. Auch gegen andere Initiativen und GewerkschaftlerInnen ergreift er Maßnahmen.

Von Jan Pehrke

Vor dreieinhalb Jahren hielt BAYERs Sicherheitschef Michael Sorge einen Vortrag, der bemerkenswerte Auskünfte über das Weltbild eines Multis gibt. Auf der Sicherheitstagung, welche die „Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft“ (ASW) und der Verfassungsschutz jedes Jahr gemeinsam abhalten, referierte der ehemalige Polizist über die „Corporate Security eines Global Players“. Ein Diagramm, das Einfluss-Faktoren auf das BAYER-Sicherheitskonzept darstellt, zeigte den Konzern dabei allein auf weiter Flur so dunklen Mächten wie dem gesetzlichen Umfeld, den Behörden, den Medien, der Kriminalität, der politischen Sphäre im Allgemeinen und dem „Extremismus im Besonderen ausgeliefert – allesamt gelten sie ihm als „Ursachen für Global Risks“.
Anschließend widmete sich der Unternehmensschützer, der im Nebenjob das Graduierten-Programm „Security Management“ an der „European Business School“ leitet, den „Megatrends im globalen Sicherheitsumfeld“. Als Hauptbedrohungen machte er die Überalterung, die Migration, die Energieversorgung, failing states und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich aus. Besonders sorgte sich Sorge hierbei um die Mega-Citys, in denen die Auslandsgesellschaften vieler Global Player ihre Hauptsitze haben. Als Beispiel nannte er die Situation in der brasilianischen Metropole São Paulo, wo 20 Prozent der elf Millionen EinwohnerInnen in Favelas leben und es gleichzeitig so viele Hubschrauber-Landeplätze wie sonst nirgends auf der Welt gibt. Unter anderem deshalb zählte „Gesellschaftlicher Wandel abgeleitet von der Diskussion um gerechte Verteilung und Diskriminierung“ mit Erscheinungsformen wie „Militanz u. a. bei technologischen und Umweltthemen“ zu den von ihm ausgemachten Megatrends. Folgerichtig betrachtete der „Head of Global Corporate Security“ auch ganz allgemein „unterschiedlich ausgeprägte Formen des politischen Extremismus und der politischen und sozialen Agitation gegen Wirtschaft und Teile der Gesellschaft“ als Gefahr für den Pharma-Riesen.

Sicherheitsrisiko CBG
Bei einer so bestimmten Gefährdungslage liegt es nahe, dass der Leverkusener Multi die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) als Sicherheitsrisiko erachtet und gegen sie Maßnahmen ergreift. Die Auswahl der gewählten Mittel gegen die Initiative, die sich im Juni 1978 nach zwei Großunfällen im Wuppertaler BAYER-Werk gründete, reicht dabei von Verleumdungen und Prozessen über geheimdienstliche Methoden wie Bespitzelungen bis hin zu Gewalt.
Eine besondere Aufmerksamkeit widmet der Konzern dabei den alljährlichen Auftritten der Coordination auf den Hauptversammlungen. Seit 1983 besucht die CBG die AktionärInnen-Treffen regelmäßig, führt vor Beginn der Veranstaltung gemeinsam mit anderen Initiativen aus aller Welt Protestaktionen durch und stellt auf der Versammlung selber viele GegenrednerInnen, darunter zahlreiche von der CBG geladene Gäste aus dem In- und Ausland. Weil das alles viel Aufmerksamkeit erfährt, versucht der Multi mit großer Anstrengung, den Schaden möglichst gering zu halten. Er hob sogar die „Bürgerinitiative: Malocher gegen Schmarotzer“ aus der Taufe. Zusammengestellt aus Werkschutz-Leuten und anderem Personal aus den eigenen Reihen, sollte die Truppe auf den HVs den „ehrlichen Arbeiter“ gegen dahergelaufene „Berufsdemonstranten“ und „rote Vögel“ in Stellung bringen. Aber den ClaqueurInnen des Leverkusener Multis war kein rechter Erfolg beschieden, obwohl sie nach Kräften gelbe BAYER-Blumen verteilten. Es fühlten sich nämlich die Falschen als „Schmarotzer“ angesprochen: die traditionellen AktionärInnen. Und die fackelten nicht lang und gingen mit ihren Regenschirmen auf die getarnten BAYER-Leute los. Also änderte der Werkschutz sein Konzept und schlug den umgekehrten Weg ein. Er staffierte seine Mannen mit DKP-Fahnen aus, um die tausenden anreisenden BAYER-AktionärInnen und insbesondere die berichtenden Medien unter Rotschock zu setzen und sie so gegen die Konzern-KritikerInnen zu immunisieren.
Und seit Neuestem übt sich das Unternehmen darin, die Proteste mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden zu lassen. Unter Berufung auf das Hausrecht drängt er die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und die anderen Gruppen mit Hilfe von Absperr-Gittern und rot-weißen Verkehrshütchen auf ein weit vom Eingang der Kölner Messehallen entferntes Rasenstück ab, um die Aktien-HalterInnen unbehelligt ins Innere leiten zu können. Die gleiche Taktik wandte 2012 die BASF an, vor Gericht erstritt sich das GEN-ETHISCHE NETZWERK allerdings das Recht, dem Chemie-Multi künftig wieder näher auf die Pelle rücken zu dürfen.
In den Hauptversammlungen selber geht der Agro-Gigant dann ähnlich rabiat gegen diejenigen vor, die sich mit dem Kauf eines Anteil-Scheins das Aktienrecht verschafft haben, das Wort zu ergreifen und diese Gelegenheit dazu nutzen, der Geschäftsbilanz BAYERs die Schadensbilanz gegenüberzustellen. Der die Veranstaltung leitende Aufsichtsratsvorsitzende unterbricht die KritikerInnen nicht nur regelmäßig, er schaltet ihnen auch schon mal das Mikrofon ab und lässt den Rest von den OrdnerInnen erledigen. „Bitte begleiten sie diese Herren zurück zu ihren Plätzen“, hieß es etwa 1995 einmal, woraufhin 30 Mann nach vorne stürmten, CBG-Mitglieder von der Rede-Bühne holten und aus dem Raum schleiften. An der Abstimmung teilnehmen durften sie dann freundlicherweise aus dem Polizeigewahrsam heraus. Das ist dann wahre AktionärInnen-Demokratie.

Klandestine Operationen
Auch sonst schreckt der Agro-Riese vor Gewalt nicht unbedingt zurück. Bei Aktionen vor den Toren der BAYER-Niederlassungen entrissen Werksschützer den ProtestlerInnen nicht nur Transparente und Flugblätter, sie schlugen sogar schon zu. Überdies versuchten sie, CBGler mit dem Auto über den Haufen zu fahren. Selbst Morddrohungen gab es in der Vergangenheit bereits, ob in diesen Fällen wirklich der Leverkusener Multi dahintersteckte, konnte allerdings nie nachgewiesen werden.
Wie überhaupt vieles unaufgeklärt bleiben muss. So kam es im Umfeld der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN immer wieder zu Einbrüchen, etwa in die Geschäftsstelle der Initiative oder in die Büros von CBG-AnwältInnen. Die letzten Vorfälle dieser Art ereigneten sich Anfang 2012. Mehrmals hintereinander drangen Unbekannte in die Geschäfts- und Privaträume eines Vorstandsmitglieds ein. Die jeweils gewechselten Schlüsselanlagen hielten sie dabei nicht auf. Ohne Spuren zu hinterlassen, entwendeten die Diebe gezielt nur Datenträger, nachdem zuvor schon HackerInnen-Angriffe stattgefunden hatten. Deshalb fand auch die Kriminalpolizei einen Zusammenhang der Taten mit der politischen Arbeit des Konzern-Kritikers, die sich nicht bloß auf sein Engagement bei der Coordination beschränkt, plausibel. Die Ermittlungen verliefen dann jedoch im Sande.
Klandestine Operationen gehören aber durchaus zum Repertoire des Konzerns. So ließ er die CBG bespitzeln. Als die Coordination einmal zu einer schul-internen Veranstaltung geladen war, um über die Gefahren von Pestiziden zu berichten, bekam sie später aus BAYER-Kreisen ein minutiöses, dreiseitiges Werksschutz-Protokoll über den Vortrag und die anschließende Diskussion zugespielt. Und bei anderen Terminen tauchte regelmäßig ein Mann auf, der sich als freier Journalist ausgab, den CBGlerInnen aber dann auf der Hauptversammlung des Unternehmens wiederbegegnete – in der Montur des Werksschutzes. Der Global Player streitet ein solches Vorgehen im Übrigen auch gar nicht ab. So räumte ein Anwalt des Unternehmens vor Gericht einmal ein: „Selbstverständlich überwacht meine Mandantin alle Veranstaltungen, auf denen Themen behandelt werden, die für BAYER relevant sind.“ Und sichtlich stolz fuhr er fort: „Wir wissen über alles Bescheid, auch in den höchsten Entscheidungsgremien der CBG.“ Der Spiegel berichtete dann auch ausführlich über den regen Austausch zwischen BAYER und dem Verfassungsschutz. Und auf einem Treffen seiner PR-ManagerInnen aus aller Welt in Frankfurt verkündete der Konzern: „Wann immer Sie Probleme mit Journalisten haben, melden Sie uns diese ans Headquarter, wir kümmern uns darum.“
Da wundert es nicht, dass der Leverkusener Multi immer wieder auf ominöse Weise Kenntnis von geplanten Aktionen hat, wie etwa 1993. Im März diesen Jahres publizierte Tierra Amiga, die Zeitschrift eines Ökologie-Netzwerkes in Uruguay, einen kritischen Artikel über BAYERs Schmerzmittel ASPIRIN. Der Pharma-Riese reagierte postwendend. Er stritt dem Blatt das Recht ab, geschützte Markennamen auch nur zu erwähnen und forderte eine Unterlassungserklärung. Die Redaktion setzte sich umgehend mit der CBG in Verbindung. Man besprach das weitere Vorgehen und kam überein, eine Presseerklärung und einen Protestbrief zu veröffentlichen. Und bereits am nächsten Tag erhielt das Magazin einen Droh-Anruf von dem Konzern mit der unmissverständlichen Botschaft, solche Schritte besser nicht zu unternehmen. „Die Schlussfolgerung ist offensichtlich“, schrieb der Chefredakteur Jorge Barreiro in einem Kommentar: „Entweder hört BAYER auf irgendeine Art die Telefongespräche der Coordination mit oder hat jemanden dort eingeschleust. In jedem der beiden Fälle ist klar, dass BAYER einen Teil seiner Energien dazu verwendet, seine Kritiker auszuspionieren.“
Vermutungen dieser Art wurden von einem Whistleblower bestätigt, der die CBG darauf hinwies, dass es über viele Jahre hinweg in ihrem inneren Kreis einen Agenten gegeben haben soll.
Manchmal laufen solche Operationen über den Werkschutz, manchmal vergibt der Leverkusener Chemie-Multi Aufträge dieser Sorte aber auch extern, damit er für etwaige Gesetzesbrüche nicht zu haften braucht. Detekteien mit so bezeichnenden Namen wie „ManagerSOS“ bieten sich für derartige Missionen an. BAYERs US-amerikanischer Pharma-Verband PhRMA heuerte etwa private ErmittlerInnen zur Überwachung der Initiative KNOWLEDGE ECOLOGY INTERNATIONAL an, die eine Kampagne über die preistreibende Wirkung der Patent-Regelungen auf dem Pillen-Markt initiiert hatte. Das „US Chamber of Commerce“, das US-amerikanische Pendant zum BDI, setzte derweil auf seinen Gegenpart US CHAMBER WATCH sowie andere Gruppen die Spezialfirmen HBGary Federal, Palentir Technologies und Berico Technologies an. Sie beschatteten KritikerInnen und schlugen ihren Auftraggebern eine Reihe von anderen Maßnahmen wie Hacker-Angriffe und Infiltrationen vor. Zudem wollten HBGary Federal & Co. CHAMBER WATCH mit falschen Informationen füttern und den Coup später öffentlich machen, um die Glaubwürdigkeit der Organisation zu unterminieren. Wie routinemäßig sich die Konzerne der Dienste Palentirs und anderer Anbieter versichern, deckte unlängst die Untersuchung „Spooky Business – Corporate Espionage Against Non-Profit-Organisations“ auf, die zahlreiche Fälle von geheimdienstlichen Industrie-Unternehmungen dokumentierte.
Fast schon harmlos mutet es dagegen an, auf Krisen-Management spezialisierte PR-Agenturen anzuheuern. Auch BAYER hat schon solche ExpertInnen engagiert. Diese haben systematisch Veröffentlichungen der Coordination gesammelt und analysiert, um die Aktionen des Netzwerkes besser ausrechnen und medial abfedern zu können. Daneben gehört es zur Kommunikationsstrategie des Pillen-Produzenten, die CBG als einen Hort von KommunistInnen darzustellen, weil eines der Mitglieder der DKP angehört. Mit dem Feindbild „Terrorist“ arbeitet er ebenfalls gerne. So lancierte das Unternehmen 1985 die Meldung „COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN plant Sprengstoffanschläge auf Chemie-Transporte“ in die Presse – und kurze Zeit später zündete dann vor dem Brüsseler BAYER-Büro wirklich eine Bombe. Dabei dürfte es sich nach Auskunft der holländischen GREENPEACE-Sektion allerdings um Liebesgrüße aus Paris vom französischen Geheimdienst gehandelt haben, der unmittelbar danach auch das GREENPEACE-Schiff „Rainbow Warrior“ versenkte.
Manchmal setzt der Leverkusener Multis aber auch einfach darauf, KritikerInnen in der Öffentlichkeit zu isolieren. Nach einer Explosion am US-amerikanischen Standort Institute, die zwei Todesopfer forderte, empfahl ein konzern-internes Strategiepapier ein solches Vorgehen gegen die ortsansässige Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC (die Bhopal-Chemikalie Methylisocyanat, Anm. SWB). „Wir sollten versuchen, die PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC zu marginalisieren und als irrelevant erscheinen zu lassen. Dies sollte gerade in der aktuell schwierigen ökonomischen Situation möglich sein, in der Arbeitsplätze so viel zählen“, lautete die Empfehlung.

Legale Operationen
Zuweilen schlägt der Leverkusener Multi zur Abwehr von KritikerInnen auch den Rechtsweg ein. In den 1980er Jahren klagte er sowohl gegen Greenpeace als auch gegen andere UmweltschützerInnen, die gegen die Einleitung von Dünnsäure in Flüsse und Gewässer protestiert hatten, und machte Schadensersatzforderungen in sechs- bis siebenstelliger Höhe geltend. 2004 gelang es BAYER vor einem englischen Gericht in einem Verfahren gegen die Tierrechtsinitiative SHAC sowie die Gruppen STOP BAYER‘S GM-CROPS, LEEDS EARTH FIRST und BAYER HAZARD, die RichterInnen dazu zu bewegen, politischen Protest als Belästigung im Sinne des „Protection against Harrassment Acts“ zu werten und Gebiete rund um Firmen-Areale und Wohnorte von Beschäftigten als Sperrgebiete auszuweisen. 2008 hatte er damit in dem Prozess „BAYER Cropscience Limited vs. STOP HUNTINGTON CRUELTY (SHAC) wiederum Erfolg. Das Urteil untersagte der Organisation, die gegen den Pharma-Riesen wegen seiner Geschäftsbeziehungen zum Tierversuchsmulti Huntington Kampagnen durchführt, künftig in der Nähe von Unternehmensniederlassungen zu demonstrieren. Ein umfangreiches Kartenwerk im Anhang des Urteils gab dabei exakt Auskunft über den Verlauf der Bannmeilen und wies den AktivistInnen als Alternative „designated protest areas“ in den hintersten Winkeln zu. Noch dazu durften diese „DPAs“ nie mehr als 20 SHAClerInnen gleichzeitig betreten und das auch nur höchstens zwei Stunden. Und erst 2013 erhielt die Freiburger BUND-Gruppe eine Abmahnung, weil sie die – inzwischen von der EU verbotenen – BAYER-Pestizide PONCHO und GAUCHO in einer Veröffentlichung als „bienengefährlich“ tituliert hatte. Diese Bezeichnung träfe nur zu, wenn innerhalb von 24 Stunden die Hälfte aller Bienen, die in Kontakt mit der Agrochemikalie gekommen waren, stürben, meinte der Konzern. Deshalb verlangte er eine Textänderung und drohte bei einer Zuwiderhandlung mit einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 Euro.
Gegen die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN leitete der Leverkusener Multi bereits mehrmals juristische Schritte ein. So zwang er sie 1988, ihren ursprünglichen Namen „BAYER-Coordination“ aufzugeben. Es bestehe „die Gefahr von Verwechslungen bzw. von Zuordnungsirrtümern“, argumentierten die Konzern-AnwältInnen, welche den „Weltruf“ der Marke durch „Ruf-Beeinträchtigungen, Image-Verfremdungen und sonstige Beeinträchtigungen“ schädigen könnten. Angesichts des hohen Streitwertes von 100.000 DM musste sich die CBG ebenso fügen wie anno 2001, als das Unternehmen gerichtlich gegen den Homepage-Namen „BAYER-Watch“ vorging.
Die langwierigste rechtliche Auseinandersetzung, die für die CBG wegen der damit verbundenen Kosten existenz-bedrohend war, begann 1987. Der Agrar-Gigant betrachtete die Passage aus einem Aufruf: „In seiner grenzenlosen Sucht nach Gewinnen und Profiten verletzt BAYER demokratische Prinzipien, Menschenrechte und politische Fairness. Missliebige Kritiker werden unter Druck gesetzt, rechte und willfährige Politiker werden unterstützt und finanziert“ als Schmähkritik und forderte unter Strafandrohung „von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten bzw. einer Geldstrafe von bis zu DM 500.000“ eine Unterlassungserklärung. Die Coordination sei „eine politische extreme Splittergruppe“, die in „ideologischer Verblendung“ handle, hieß es in der Klage-Begründung. „Wenn beispielsweise in diesem ‚Aufruf’ nachzulesen ist, der ‚BAYER-Konzern führe einen unerbittlichen Kampf um Märkte, Macht und Milliarden-Profite, der den Frieden und die Freundschaft zwischen den Völkern beeinträchtige und gefährde’, ergibt sich die Haltlosigkeit dieser Anwürfe von selbst“, hielten die Rechtanwälte in dem Schriftstück weiter fest.
Die CBG ließ es auf einen Prozess durch alle Instanzen ankommen und verlor am Ende, obwohl sie stichhaltige Beweise für Bespitzelungen und Bestechungen vorlegen konnte. Nun blieb nur noch ein Weg – der vor das Bundesverfassungsgericht (BVG). Nach reiflicher Überlegung entschloss sich die Coordination, ihn zu gehen, ungeachtet der bis dahin schon aufgelaufenen Verfahrenskosten von ca. 150.000 DM, die durch eine aufwendige Spendenkampagne zusammengetragen werden mussten. Und der Mut zum Risiko zahlte sich schlussendlich aus. 1992 hob der Erste Senat unter Präsident Roman Herzog die vorangegangenen Urteile auf. Die RichterInnen hätten es bei ihren Entscheidungsfindungen versäumt, den Grundwert „Meinungsfreiheit“ genügend zu würdigen, diesem sei aber wegen seiner „fundamentalen Bedeutung für die menschliche Person und die demokratische Ordnung“ ein besonderer Rang einzuräumen, so das BVG. BAYER nahm den RichterInnen-Spruch „mit Bedauern zur Kenntnis“. „Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, dass ehrenrührige Behauptungen vom Recht auf Meinungsfreiheit geschützt werden, wenn sie sich auf unwiderrufene Presseberichte stützen, teilt das Unternehmen nicht“, erklärte der Global Player.

Gesetze made by BAYER
Der Leverkusener Multi versucht, solche Unwägbarkeiten des Rechtssystems nach Kräften auszuschalten und nimmt deshalb massiv Einfluss auf Gesetzgebungsverfahren. In den USA etwa wollte die Aktien-Gesellschaft die Gunst der Stunde nach den Anschlägen vom 11. September nutzen, um eine juristische Ausweitung des Terrorismus-Begriffs voranzutreiben und AktivistInnen so künftig als „Öko-, „Agrar- oder „Tierrechtsterroristen“ kriminalisieren zu können. Zu diesem Zweck unterstützte er die republikanischen Politiker James Inhofe, George Nethercutt und Orrin G. Hatch, die eine entsprechende Initiative ankündigten, mit großzügigen Wahlkampfspenden. Gesetzeskraft hat schließlich nur eines ihrer Projekte erlangt, der „Animal Enterprise Terrorism Act“, aber auch für Gentechnik-GegnerInnen und andere AktivistInnen wurden die Zeiten härter. Der Journalist Will Porter fühlt sich dabei schon an das Klima der McCarthy-Ära erinnert. Was damals der „Red Scare“ war, die Beschwörung des vom Kommunismus angeblich ausgehenden roten Schreckens, das ist heutzutage in den USA der „Green Scare“ mit Tierrechts- und Umweltgruppen als Feindbildern, so Porter.
Inhofe & Co. betätigen sich bei solchen Akten nur als ausführende Organe. Auf den Leib geschrieben hat ihnen den „Animal Enterprise Terrorism Act“ und andere Gesetzes-Entwürfe das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC), eine von den Global Playern gesponserte JuristInnen-Vereinigung, die als Bindeglied zwischen der Wirtschaft und den Republikanern fungiert. Nach einer vom „Center For Media and Democracy“ veröffentlichten Untersuchung hat ALEC, in dessen Führungsgremien auch BAYER-ManagerInnen sitzen, allein von Januar bis August 2013 fast 1.000 „Unternehmenspositionen“ in den Gesetzgebungsprozess eingebracht. Unter anderem standen die Beschneidung von Gewerkschaftsrechten, Lohnreduzierungen, Absenkungen von Arbeitsstandards und die Erschwerung der Strafverfolgung von Konzernen auf der ALEC-Agenda.
Auch zur Exekutive bestehen enge Kontakte. So gehört der Chemie-Riese in den USA INFRAGARD an, einem Joint Venture zwischen Unternehmen, dem FBI und dem „Departement of Homeland Security“, deren Mitglieder sich gegenseitig über sicherheitsrelevante Fragen informieren. Hierzulande existiert seit 2006 eine entsprechende Kooperation zwischen den Multis und dem Bundeskriminalamt. Dabei setzt vor allem die Behörde auf Synergie-Effekte, denn: „Personell kann das BKA kaum mit den Konzernen konkurrieren“, wie die Zeit festhält. Von den gut besetzten „Corporate Security“-Abteilungen der Firmen erhofft sich die Kriminalpolizei des Bundes unter anderem detailliertere Informationen über die ETA in Spanien und die russische Mafia.
Ebenfalls seit 2006 finden die jährlichen Sicherheitstagungen von Verfassungsschutz und „Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft“ (ASW) statt. Referate wie „Politischer Extremismus und seine Auswirkungen auf die Wirtschaft“ bzw. „Linksextremismus und seine Auswirkungen auf die Wirtschaft“ zeichnen BAYER & Co. auf den Konferenzen ein Bild der momentan angeblich herrschenden Gefahren-Lage, gewähren schon einmal Ausblicke auf kommende Ereignisse („Mobilisierung gegen G8-Gipfel 2015 in Deutschland beginnt“) und geben Hilfe zur Selbsthilfe („Was können Sie selber tun?“).
Zu den unteren Ebenen der Exekutiv-Organe hat der Leverkusener Multi auch gute Verbindungen. Anfang der 1980er Jahre nutzte er den kurzen Dienstweg zum Wuppertaler Polizeipräsidenten, um diesen anzuhalten, der CBG die Gemeinnützigkeit zu bestreiten. Der tat wie geheißen und unterwies das Amtsgericht Solingen postwendend, die „Förderung zu unterbinden“. Im Ergebnis wurde die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf diese Weise schließlich dauerhaft von dringend benötigten finanziellen Ressourcen abgeschnitten.
Und Ende der 1980er Jahre gelang es dem Unternehmen durch die guten Beziehungen, die es zur Evangelischen Kirche im Rheinland unterhält, dafür zu sorgen, dass das damalige CBG-Vorstandsmitglied Friedel Geisler ihren PastorInnen-Titel verlor. Die Leitung erkannte ihn ihr 1988 ab, nachdem sie Geisler zuvor immer wieder vergeblich zu einem freiwilligen Verzicht aufgefordert hatte, weil sie mit ihrer „BAYER-Arbeit dem Ansehen der Kirche“ schade.

Druck auf GewerkschaftlerInnen
Auf der Sicherheitstagung im Jahr 2010 sah BAYERs Sicherheitschef Michael Sorge die Corporate Security jedoch nicht nur durch äußere, sondern auch durch „innere“ Einflussfaktoren gefährdet. Als Risiken benannte er hier unter anderem den „Wertewandel bei den Mitarbeitern“ und die „Abnahme des Zugehörigkeitsgefühls zum Unternehmen“.
Besonders Gewerkschaften können dieses Zugehörigkeitsgefühl untergraben. Darum übt der Leverkusener Multi immer wieder Druck auf GewerkschaftlerInnen aus. So wollte er 1985 der Betriebsrätin Marianne Hürten kündigen, die als grüne Spitzenkandidatin für den nordrhein-westfälischen Landtag kandidierte. Der Konzern hatte sie bei Wahl-Veranstaltungen beobachtet und stieß sich an ihren Äußerungen. Sie habe sich kritisch und polemisch „zu Fragen der Dünnsäure-Verklappung geäußert“, meldete der Werkschutz: „Sie hat von Dioxin und Cadmium bei der BAYER-Produktion gesprochen, BAYER der Profitgier bezichtigt und behauptet, dass die Vergiftungen in Spanien auf das BAYER-Produkt NEMACUR zurückzuführen seien.“ Es folgte ein Abmahnungsschreiben. „Ihr Auftreten im Wahlkampf 1985 war geeignet, dem Unternehmen schweren Schaden zuzufügen (...) Arbeitsrechtlich stellt ihr Verhalten eine schwere Vertragsverletzung dar“, hieß es darin unter anderem. Hürten ließ sich aber nicht einschüchtern, zog vors Arbeitsgericht und erreichte ihre Weiterbeschäftigung. Allerdings nur, bis ihre Zeit als gewählte Betriebsrätin ablief. Dann musste sie gehen bzw. ging freiwillig. Anno 1989 reagierte die brasilianische BAYER-Niederlassung auf einen Streik am Standort Belford Roxo mit der Entlassung von 64 Beschäftigten und noch im Jahr 2000 entledigte sich der Global Player auf den Philippinen eines kritischen Gewerkschaftlers durch ein Kündigungsschreiben.
Im Idealfall lässt der Konzern es gar nicht erst so weit kommen und hintertreibt die Gründung von Beschäftigten-Vertretungen, womit er sich in der schlechten Gesellschaft diverser anderer bundesdeutscher Unternehmen befindet. Bei einem Deutschland-Besuch kritisierte der kolumbianische Gewerkschaftler Guillermo Correa Montoya darum neben SIEMENS und DHL auch den Leverkusener Multi: „Ein anderes Beispiel ist die BAYER AG. Die hat eine Firmengeschichte von mehr als hundert Jahren in Kolumbien, aber weder im Werk Barranquilla noch in jenem in Cali gibt es eine Gewerkschaft. Das ist kein Zufall.“ Und am nordamerikanischen Standort Emeryville versuchte der Pharma-Riese die Etablierung einer Betriebsgruppe zu verhindern, indem er mit Stellen-Streichungen drohte und die BelegschaftsvertreterInnen als „Schmarotzer“ diffamierte, die es nur auf die Beiträge der ArbeiterInnen abgesehen hätten. Im Nachhaltigkeitsbericht des Konzerns ist dann der Erfolg dieser Politik bilanziert. So hat der Konzern in den USA nur mit fünf Prozent der Belegschaftsangehörigen Tarifverträge oder vergleichbare Vereinbarungen abgeschlossen, in Asien mit 15 Prozent und in Lateinamerika mit 46 Prozent, während er das in Europa mit 87 Prozent der Beschäftigten getan hat.
BAYER nutzt also zahlreiche Instrumente, um sich der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und anderer KritikerInnen zu erwehren. BAYER nutzt also zahlreiche Instrumente, um sich der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und anderer KritikerInnen zu erwehren. Die Palette reicht dabei von Gewalt und Undercover-Operationen über Klagen bis hin zu medialen Diffamierungen. Aber keines dieser Mittel hat es bisher vermocht, die CBG von ihren Zielen abzubringen. So muss der Leverkusener Multi aller bisher ergriffenen Maßnahmen zum Trotz bis heute mit dem Stachel im Fleisch leben. Die Macht des Konzerns ist nicht gebrochen, aber ihm ist ein gewichtiges Stück demokratischer Kontrolle erwachsen.

[Kohle-Importe] STICHWORT BAYER 03/2013

CBG Redaktion

BAYERs schmutzige Kohle

Der Schatten des schwarzen Goldes

Der Leverkusener Multi setzt zur Energie-Gewinnung immer mehr billige Import-Kohle ein. Doch der Preis ist hoch: In den Herkunftsländern findet der Abbau unter katastrophalen Bedingungen statt und hat verheerende soziale und ökologische Folgen.

Von Jan Pehrke

„Unsere kleinbäuerlichen Gemeinschaften können heute nicht mehr das produzieren, was sie zum alltäglichen Überleben brauchen“, so beschrieb der Kolumbianer Yoe Jefferson Arregoces Ustate 2009 in Uerdingen die Auswirkungen des Kohle-Tagebaus auf Roche und andere Dörfer. Die Mine El Cerrejón auf der Halbinsel Guajira im Nordosten des Landes – eines der größten Abbaugebiete der Welt – vernichtet nämlich systematisch die Lebensgrundlagen der häufig indigenen AnwohnerInnen. Sie verbraucht durch das Abpumpen, das Waschen des „schwarzen Goldes“ und die Bindung des Staubes enorme Mengen reinen Wassers und verunreinigt im Gegenzug die Flüsse und das Grundwasser mit Sulfat, Schwefelsäure, Schwermetallen und Selen. Auch die Luftverschmutzung ist immens, denn die Kohle-Partikel legen sich wie ein Schleier über die Region und greifen die Atem-Organe der Menschen an.

„Der Konzern hat sich unser gesamtes Land angeeignet“, beklagt sich der Gemeindevertreter. „Das Unternehmen schüchterte unsere Bevölkerung massiv ein und setzte sie unter Druck, damit der Staat zwangsenteignen konnte.“ Ustate und die Seinen trotzen dem Begehr des von den drei Global Playern ANGLO AMERICAN, BHP BILLITON und XSTRATA gebildeten Minen-Konsortiums CERREJÓN trotz massiver Repressionen. „Wir haben Angst um unser Leben“, bekannte der Südamerikaner in einem Interview mit dem Neuen Deutschland. Nicht zu Unrecht, wie sich ein paar Wochen später herausstellen sollte. „Dass er sterben werde, weil er so dumm und uneinsichtig sei“, übermittelte ihm ein Anrufer und gemahnte ihn, „bei seinem Tun an seine Kinder und seine Mutter zu denken“.

Ustate und sein Kollege Wilman Palmezano Arregoces machten auf ihrer von FIAN und MISEREOR organisierten Rundreise durch die Bundesrepublik nicht zufällig nahe des Uerdinger BAYER-Werkes Station. Der Konzern setzt nach eigenem Bekunden dort nämlich – ebenso wie im Leverkusener Stammwerk – nicht nur verstärkt Importkohle ein, das Unternehmen TRIANEL wollte in dem Chemie„park“ des Standortes sogar ein Steinkohle-Kraftwerk mit eigenem Terminal für das „schwarze Gold“ errichten und dieses auch aus der Mine von El Cerrejón beziehen. Nur massiver Bürger-Protest hatte das Projekt damals verhindert.

Die Kosten der Kohle
Aber auch ohne diese Dreckschleuder bleibt der Kohle-Hunger des Agro-Riesen immens. Rund ein Drittel seines Energie-Bedarfs deckt er mit diesem Stoff; darüber hinaus benötigt der Multi den Bodenschatz als Grundstoff zur Produktion von Kohlenmonoxid. Darum gehört der Chemie„park“-Betreiber CURRENTA, an dem BAYER 60 und LANXESS 40 Prozent der Anteile hält, auch dem „Verein der Kohlen-Importeure“ an. Die Frage, wieviel des Gesteins die Aktien-Gesellschaft jährlich aus Kolumbien bezieht, beantwortete der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers auf der letzten Hauptversammlung der Kritischen Aktionärin Antje Kleine-Wiskott, die sich in ihrem Rede-Beitrag den Risiken und Nebenwirkungen dieser Art der Energie-Versorgung gewidmet hatte: „40.000 Tonnen“.

Als Hauptbezugsländer gab der BAYER-Chef allerdings die USA und Russland an. In diesen Staaten verursacht die Kohle-Gewinnung ebenfalls „Ewigkeitskosten“ en masse. Im Hauptabbau-Gebiet Nordamerikas, der wegen ihrer Artenvielfalt auch „Arche Noah“ der USA genannten Appalachen-Region, mussten den Konzernen schon 6.500 Quadratkilometer Waldfläche weichen. Zudem greifen sie zu besonders rabiaten Methoden. So sprengen ALPHA NATURAL RESOURCES und andere Firmen zur Erschließung der Reservoirs ganze Bergspitzen weg. 500 Kuppen sind dem „Mountaintop Removal Mining“ schon zum Opfer gefallen. „Stellen Sie sich für einen Moment vor, die Zugspitze würde gesprengt und der Abraum einfach in umlegende Täler verklappt“, mit diesem Vergleich machte Bob Kincaid von der APPALACHIAN COMMUNITY HEALTH EMERGENCY CAMPAIGN den AktionärInnen der COMMERZBANK, welche die Bergbau-Multis mit finanziert, auf der vorletzten Hauptversammlung die Dimensionen dieses Umweltverbrechens bewusst.

Auch von den gesundheitlichen Folgen berichtete er. Die Stäube und die durch den Tagebau freigesetzten Giftstoffe führen unter anderem zu Fehlbildungen bei Säuglingen, Herzkreislauf-Erkrankungen, Krebs und Unterleibsschädigungen. Fast 4.000 Menschenleben fordert das „Mountaintop Removal Mining“ jährlich, hielt Kincaid fest.

In Russland stellt sich die Situation ähnlich dar. Erst Mitte Februar starben in der Teilrepublik Komi 24 Arbeiter der Workutinskaja-Mine bei einer Grubengas-Explosion – eine ebenso gefürchtete wie häufige Begleiterscheinung der Kohle-Förderung. Und die Region Kuzbass bezeichnet die FIAN-Studie „Bitter Coal“ bereits als „ökologisches Notstandsgebiet“. Die Schadstoff-Konzentration liegt dort um das bis zu 18fache höher als im übrigen Land, und entsprechend steigen die Sterbe- und Krankenraten.

„Vorwürfe falsch“
Der Leverkusener Multi, der auch Geschäfte mit den Rohstoff-Riesen macht und ihnen Kunststoff-Produkte zur Hohlraum-Verfüllung und Abdichtung liefert, weist die Kritik an der in diesen Staaten geübten Förder-Praxis ebenso zurück wie die anderen bundesdeutschen Konzerne. „Diese Vorwürfe treffen auf die heutige Situation kohle-fördernder Unternehmen vor allem im Norden Kolumbiens nicht zu“, erklärten CURRENTA und die anderen im „Verband der Kohlen-Importeure“ zusammengeschlossenen Firmen. Nach Ansicht des VDKi haben die Minen-Konzerne aus der Vergangenheit gelernt und gehen inzwischen ganz anders mit der indigenen Bevölkerung, den anderen AnwohnerInnen und den Beschäftigten um. „Der Arbeitsschutz und das Lohn-Niveau entsprechen nationalen und internationalen Standards bzw. übertreffen diese deutlich“, behauptet die Organisation. Auch die Warnungen vor den ökologischen Auswirkungen der Abbau-Aktivitäten spiegelten nicht die inzwischen unternommenen Anstrengungen zur Schadensvermeidung wider; alle Beteiligten seien um „kontinuierliche Verbesserung der Verhältnisse vor Ort bemüht“. Und der Leverkusener Multi selber sieht ebenfalls alles im grünen Bereich. BAYER würde „intensive Gespräche mit den Lieferanten“ führen und auf die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards dringen, versicherte Marijn Dekkers Antje Kleine-Wiskott auf der letzten Hauptversammlung.

Für die Kohle, die nicht direkt beim Global Player zur eigenen Strom-Produktion anlandet, sondern Teil der Lieferkette derjenigen Energie ist, die er zukauft, verbürgen sich derweil RWE, E.ON, EnBW & Co. Sie wollen zwar ihre genauen Bezugsquellen nicht nennen, verweisen jedoch auf Audits und eigene Kontrollen vor Ort, um saubere Geschäfte auszuweisen. Dabei musste sich CERREJÓN für Unbedenklichkeitsbescheinigungen allerdings nicht sonderlich ins Zeug legen. Trotz der Pläne, einen von den Indigenen als heilig angesehenen Fluss umzuleiten und des Versuches, sich die Zustimmung von Dorf-Bewohnern zur Umsiedelung mittels Kühen und Autos erkaufen zu wollen, erhielt der Minen-Multi ein Zertifikat. An dem Unternehmen DRUMMOND halten der VDKi und die Konzerne sogar trotz krimineller Umtriebe fest. So steht die Gesellschaft in den USA wegen des Vorwurfes vor Gericht, eine paramilitärische Einheit mit aufgebaut zu haben, die hunderte Morde verübte – unter anderem an den beiden Vorstehern der Bergarbeiter-Gewerkschaft Sintramienergética – und tausende Menschen aus den Kohleabbau-Gebieten vertrieb. Weitere Verfahren bereitet derweil die kolumbianische Justiz vor.

Zudem verklappte der Rohstoff-Gigant illegal Kohle in der Karibik, wie ein Gewerkschaftler enthüllte, der danach Morddrohungen erhielt. FIAN und URGEWALD informierten den VDKi und E.ON & Co. umgehend über den Fall. Während der Verband sich nicht einmal bemüßigt fühlte zu antworten, bekannte sich RWE weiter zu seinem Handelspartner: „DRUMMOND weist eine Mitverantwortung in der Sache nach wie vor strikt zurück. Mit Bezug auf die öffentlich bekannten Informationen sehen wir derzeit keinen Grund, Vertragsbeziehungen mit DRUMMOND auszusetzen.“ Nur EnBW kündigte Prüfungen an.

Berliner Helfershelfer
Und die Bundesregierung tut alles, um BAYER & Co., die 2012 fast 48 Millionen Tonnen Kohle aus dem Ausland bezogen haben, den Rücken weiterhin freizuhalten. Auf EU-Ebene sucht sie die Transparenz-Richtlinie 2004/109/EG und andere Regelungen zu verhindern, die den Konzernen eine Offenlegung der Geldströme bei Rohstoff-Geschäften abverlangen. Und auch auf heimischem Terrain wandte sich Schwarz-Gelb gegen strengere Auflagen. So lehnten CDU und FDP eine Gesetzes-Initiative der Grünen ab, die nicht nur beabsichtigte, den Unternehmen zur Vorschrift zu machen, die Bezugsquellen ihrer Steinkohle zu veröffentlichen und ihre Lieferanten auf Einhaltung sozialer und ökologischer Standards zu verpflichten, sondern das alles auch durch Monitoring-Instrumente kontrolliert sehen wollte.

Damit nicht genug, handeln Merkel & Co. sogar noch proaktiv und erschließen den Firmen durch ihre Rohstoff-Abkommen immer weitere Reservoirs zweifelhafter Provenienz. Der 2011 mit der Mongolei vereinbarte Vertrag ermöglichte RWE, SIEMENS und THYSSENKRUPP obendrein, sich selbst an der Ausbeutung einer der größten noch unerschlossenen Kohle-Vorkommen der Welt zu beteiligen. Und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Schon Anfang diesen Jahres konnte der VDKi „nennenswerte neue Produktion aus der Mongolei“ vermelden.

So wenig, wie auf Einsicht der Konzerne ist also auf Druck von Seiten der Politik zu hoffen. Einzig Aktionen von Initiativen vermögen die Lage in El Cerrejón und anderswo zu verbessern. Und da hat es in letzter Zeit so einige gegeben. Nicht nur auf den Hauptversammlungen von BAYER und der COMMERZBANK traten Importkohle-KritikerInnen auf, der DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRE UND AKTIONÄRINNEN hat das Thema auf die Tagesordnung vieler AktionärInnen-Versammlungen gesetzt. GREENPEACE, URGEWALD und FIAN engagieren sich ebenfalls. Und erst Mitte Mai führte das Bündnis GEGENSTROM.13 eine spektakuläre Operation durch. Es blockierte mit 20 Booten die Elbe und verhinderte so das Einlaufen eines kohle-beladenen Frachtschiffes aus Kolumbien in den Hamburger Hafen.

Diese Sprache verstehen CERREJÓN & Co. Wenn sie ihr Geschäftsmodell auch nicht grundlegend ändern, so agieren sie doch inzwischen gegenüber ihrer Belegschaft und den AnrainerInnen etwas vorsichtiger und nehmen auch etwas mehr Rücksicht auf die Umwelt. Aber es bleibt noch viel zu tun.

weitere Infos zur Kampagne

Jahrestagung 2012: Occupy BAYER. Geschichte und Perspektive von Konzern- und Globalisierungskritik

CBG Redaktion

jetzt Plätze sichern:

Jahrestagung der Coordination gegen BAYER-Gefahren

Datum: Samstag, 3. November, 9.30 – 18 Uhr
Ort: Umweltzentrum Düsseldorf, Merowinger Str. 88
Eintritt: frei (Spenden erbeten)

Am 3. November findet im Düsseldorfer Umweltzentrum die Jahrestagung der Coordination gegen BAYER-Gefahren statt. Unter dem Titel „Occupy BAYER. Geschichte und Perspektive von Konzern- und Globalisierungskritik“ beschäftigen wir uns mit den Wurzeln von Protest-Bewegungen in Deutschland. Zudem wollen wir die Perspektiven von „Occupy“ und anderen sozialen Bewegungen in Zeiten der Finanzkrise diskutieren.

Repression

CBG Redaktion

angesichts der Einbrüche bei unserem Vorstandsmitglied weisen wir auf weitergehende Repressionsmaßnahmen bei österreichischen Tierschützern hin:

TIERSCHÜTZER. STAATSFEIND

In den Fängen von Polizei und Justiz

Balluch, Martin

Vier Jahre lang ist er von der Polizei observiert worden, seine Telephongespräche wurden abgehört, sein E-Mail-Verkehr überwacht, sein Auto mit einem Peilsender ausgestattet. Dreieinhalb Monate musste er in Untersuchungshaft verbringen. Zwei Jahre lang bespitzelte eine Undercoveragentin der polizeilichen Sonderkommission die Aktionen des „Vereins gegen Tierfabriken“, dem er vorsteht. Angeklagt war er als Chef einer „kriminellen Organisation“ nach § 278a des österreichischen Strafgesetzbuches. Über ein Jahr stand er – mit weiteren zwölf Angeklagten – an insgesamt 100 Prozesstagen vor Gericht, an manchen Tagen von 9 Uhr früh bis 9 Uhr abends.

Der Tierschützer Martin Balluch wurde zum Staatsfeind gemacht. Systematisch hat ihn die Exekutive zu kriminalisieren versucht. Von 2006 an befand sich Balluch im Visier von Polizei und Justiz. Schon die Dauer des Prozesses haben aus dem Gerichtssaal de facto eine Verwahranstalt für die Angeklagten gemacht, die auf die Zerstörung jeden normalen Lebensalltags abzielte.

Nun hat Martin Balluch über die Jahre der Verfolgung ein Buch geschrieben. Er, der sich vor Gericht selbst verteidigte, weiß am besten, mit welchen Methoden die staatlichen Institutionen gegen ihn und seine Mitangeklagten vorgegangen sind. Doch es ist mehr geworden als ein Sachbuch über den längsten Prozess in der Geschichte der Zweiten Republik. Balluch hat seine Erinnerungen in eine literarische Form gepackt und präsentiert die harten Fakten in leicht lesbarer Form.

Seine Erzählung reicht vom Überfall eines Sondereinsatzkommandos, das ihn in Untersuchungshaft brachte, von den exekutiven Beschlüssen zur Eliminierung der Tierschützerszene, den Absurditäten des Strafantrags, den teuren linguistischen Gutachten, der Suspendierung einer Richterin, die einen Strafbescheid aufgehoben hatte, den verdeckten Ermittlungen und der Aufdeckung des Polizeispitzels durch die Verteidigung bis zu nachweislich gefälschten Akten; aber Balluch erzählt auch von viel Solidarität, beschreibt die Atmosphäre im Gerichtssaal und in der Welt draußen, deren Zustimmung und Ablehnung den Angeklagten gegenüber sich je nach medialer Berichterstattung mehrmals drehte und wendete.

„Tierschützer. Staatsfeind“ ist auch ein Buch darüber, wie nahe sich die Gesellschaft demokratiepolitisch am Abgrund befindet, wie wenig Rechtssicherheit dem einzelnen oder einer Gruppe von AktivistInnen gewährt wird, wenn sie mit starken Interessensgruppen – wie beispielsweise der Agrarindustrie, den Großgrundbesitzern oder den Jägervereinigungen – in Konflikt geraten. Es ist persönliches Dokument und gesellschaftliche Analyse zugleich.

Der Autor
Martin Balluch, Jahrgang 1964, studierte Astronomie, Mathematik und Physik in Wien und Heidelberg, wo er 1989 promovierte. 2005 erhielt er mit einer Arbeit über Tierethik einen zweiten Doktortitel in Philosophie an der Universität Wien. Er ist Obmann des „Vereins gegen Tierfabriken“. Im Frühjahr 2010 ist von ihm bei Promedia erschienen: „Widerstand in der Demokratie. Ziviler Ungehorsam und konfrontative Kampagnen”.
ISBN 978-3-85371-331-0, br., 272 Seiten, 15,90 Euro

Repression

CBG Redaktion

Wir suchen Mit-Unterzeichner für die folgende Erklärung (Privatpersonen und Organisationen). Wir erhielten bereits 900 Zuschriften
Bitte email an: CBGnetwork(at)aol.com

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU)
attac Deutschland
Dachverband Kritischer Aktionärinnen und Aktionäre
Multiwatch (Schweiz)
ethecon - Stiftung Ethik & Ökonomie

gemeinsame Erklärung vom 7. Mai 2012

Einbruch-Serie bei Konzernkritiker

Kripo eingeschaltet / Verdacht auf nicht-staatliche Akteure / Aktionen zu BP, TEPCO und BAYER

In den letzten Monaten wurde mind. dreimal in die Büro- und Wohnräume des bekannten Konzernkritikers Axel Köhler-Schnura und seiner Familie in Düsseldorf eingebrochen. Das zwischenzeitlich mehrfache Wechseln der Schlüsselanlage blieb erfolglos. Auch kam es zu Attacken von Hackern auf die EDV-Anlage von Köhler-Schnura.

Bei den Einbrüchen wurden gezielt Daten und Datenträger entwendet, die mit der politischen Arbeit von Köhler-Schnura im Zusammenhang stehen. So etwa das persönliche Notebook, das Handy und die Kamera. Die Kriminalpolizei ist eingeschaltet und ermittelt.

Die Polizei geht von professionellen Einbrechern aus, da trotz Sicherheits-Systemen keine Spuren hinterlassen wurden. Nach Aussage der Kripo erscheint ein Zusammenhang mit der politischen Arbeit von Köhler-Schnura plausibel. Die gewechselten Schließanlagen liegen der Kripo zur kriminaltechnischen Laboruntersuchung vor.

Axel Köhler-Schnura ist seit 1988 mit ökologisch ausgerichteten Firmen selbständig. Er ist ehrenamtliches Gründungsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), des Dachverbands Kritischer Aktionärinnen und Aktionäre, des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), des Pestizid Aktions-Netzwerks sowie der Stiftung ethecon. Zudem hat er sowohl die Ökobank als auch den alternativen Spar- und Rücklagefonds ProSolidar mit auf den Weg gebracht. Er ist Genossenschafter der jungen Welt und der taz. Bei den Europäischen Sozialforen in Florenz und Paris war er im internationalen Steuerungsausschuss für den Bereich Multinationale Konzerne zuständig. Ende April sprach er als kritischer Aktionär auf der BAYER-Hauptversammlung.

Köhler-Schnura wurde für sein Engagement 1998 mit dem Business Crime Control-Preis, im Jahr 2000 mit dem Preis Zivilcourage und 2011 mit dem Henry Mathews-Preis ausgezeichnet.

Im Moment ist Axel Köhler-Schnura in seiner Funktion als Gründungsstifter der Stiftung ethecon dabei, die Übergabe des Internationalen ethecon Black Planet Award an die für die Menschheitskatastrophe in Fukushima Verantwortlichen des TEPCO-Konzerns vorzubereiten. Geplant sind Aktionen mit internationaler Beteiligung in Tokio. Als er im vergangenen Jahr den Internationalen ethecon Black Planet Award 2010 an die Verantwortlichen von BP im Rahmen ebensolcher Aktionen übergeben wollte, sollte dies durch seine polizeiliche Festnahme verhindert werden.

Seine ehrenamtlichen konzern- und gesellschaftskritischen Aktivitäten riefen schon in der Vergangenheit mehrfach den BAYER-Werkschutz und den Verfassungsschutz auf den Plan. Beispielsweise wurde in den 80er Jahren zur gleichen Zeit in die Büros der Anwälte der Coordinationg gegen BAYER-Gefahren sowie in die CBG-Geschäftsstellen in Köln und Solingen gewaltsam eingedrungen und gezielt die Akten zu einer BAYER-kritischen Kampagne entwendet.

Große Konzerne und auch staatliche Stellen verstoßen immer wieder gegen verfassungsmässige Grundprinzipien und beteiligen sich sogar an verdeckten Operationen gegen demokratische Bewegungen. Das belegen z.B. die Untersuchungen des Politikwissenschaftlers Dr. Stephan Blancke (Private Intelligence, VS Verlag, Wiesbaden 2011). In der Schweiz läuft aktuell ein Prozess gegen NESTLÉ wegen Infiltration einer Gruppe von attac. Bekannt ist auch der Fall „Manfred Schlieckenrieder“, der im Auftrag von Shell, BP, vom BND und Verfassungsschutz geheimdienstlich gegen Mitglieder demokratischer Organisationen vorging. Traurige Höhepunkte solchen undemokratischen Vorgehens sind der mysteriöse Autounfall der Atom-Kritikerin Gay Silkwood 1974 sowie der gewaltsame Tod eines Greenpeace-Mitstreiters durch eine Bombe des französischen Geheimdienstes im Jahr 1985.

Wir wenden uns an die Öffentlichkeit, weil es um die ernste Verletzung der Freiheit auf Meinungsäußerung sowie sozialer und politischer Grundrechte geht. Die Attacken auf Axel Köhler-Schnura richten sich auch gegen die Organisationen, in denen er aktiv ist. Mit solchen Aktionen soll Kritik eingeschüchtert und verunmöglicht werden. Im Interesse wirtschaftlicher Macht. Verdeckte Operationen gegen KritikerInnen – egal ob in staatlichem oder privatem Auftrag – stellen eine ernste Gefahr für die Demokratie dar.

Wir verurteilen jedwede verdeckte Operation mit dem Ziel einzuschüchtern, auszuspähen, Falschinformation zu platzieren, legale Arbeit zu behindern oder kostspielige Schäden zu verursachen. Egal ob diese Aktionen von Geheimdiensten oder von Konzernen durchgeführt oder bei Sicherheitsfirmen in Auftrag gegeben werden. Stets stehen sie in krassem Gegensatz zu verbrieften demokratischen Rechten und stellen eine ernste Gefahr für die Demokratie dar. Diese gilt es gegen die zunehmenden Verletzungen von Seiten staatlicher und wirtschaftlicher Macht zu schützen.

Axel Köhler-Schnura bittet um Unterstützung: „Wir sind ratlos. Sicherheitstechnik ist für diese Einbrecher offenbar kein Problem. Zu Rate gezogene Experten meinen, “die Konzerne sind da immer fünf Schritte voraus, die Geheimdienste kennen stets den Stand der neuesten Technik„. Das einzige was in einer solch gespenstischen Situation noch hilft, ist möglichst große Öffentlichkeit. Solche Attacken, bei denen man nicht weiß, aus welcher Richtung sie kommen und was dahinter steckt, müssen in das Licht der Öffentlichkeit gerückt werden. Und natürlich brauchen wir Rückenstärkung durch Solidarisierung, aber vor allem auch durch neue Mitglieder und Spenden.“

[IG Farben] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

NS-Verbrecher in BAYER-Diensten

Das Kap der letzten Hoffnung

Nach dem Krieg setzte sich der hohe Nazi Walther Rauff nach Südamerika ab. Aber er blieb Deutschland verbunden: Rauff war zeitweilig für BAYER tätig und arbeitete für den Bundesnachrichtendienst.

Walther Rauff hatte gute Gründe, sich nach dem Krieg dem Zugriff der Alliierten zu entziehen. Im „Dritten Reich“ unterstand ihm nämlich die Entwicklung der Gaswagen. Diese mobilen Tötungskammern markierten ein Zwischenstadium hin auf dem Weg zum industrialisierten Massenmord in den KZ. Die Nazis ersannen sie, weil „Erschießen doch nicht die humanste Art sei“, sich seiner Feinde zu entledigen, wie Himmler befand. Seine Sorge galt dabei allerdings nicht den Opfern, sondern den Tätern. Der SS- und Polizeichef hatte 1941 in Minsk Massentötungen beigewohnt und sie als zu belastend für die Ausführenden erlebt. Deshalb erließ er den Befehl, nach einer „humaneren Tötungsart“ zu suchen.

Und so entstanden unter der Ägide von Walter Rauff als Gruppenleiter im Reichssicherheitshauptamt die Gaswagen. Sie leiteten tödliches Kohlenmonoxid von den Auspuffen in den Laderaum und brachten so den dort hineingepferchten Menschen den Tod. Rund 97.000 Menschen kamen auf diese Weise um. Von Minsk bis zum Kaukasus reichte die Blutspur. Rauff lehnte später jede Verantwortung dafür ab. „Ich war niemals persönlich anwesend, wenn die Todeswagen in Tätigkeit gesetzt wurden und in ihnen Personen getötet wurden“, erklärte er bei einer Vernehmung kurz nach dem Krieg. Und 1962 gab der Kriegsverbrecher zu Protokoll, dass seine Arbeit nur „die technische Seite betraf und mit der Tötung von Menschen nichts zu tun hatte“. Das anonymisierte und arbeitsteilige Töten erlaubte es den Nazi-Schergen, sich jeglichen Gefühls persönlicher Schuld zu entledigen - und genau das hatte Himmler mit seinem Vorstoß auch bezweckt.

Die KZ perfektionierten den maschinellen Mord dann weiter und machten die mobilen Gaskammern überflüssig. Rauff ging als Leiter einer Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei nach Tunis. Dort verpflichtete er alle männlichen Juden zur Zwangsarbeit und stellte ihrer Gemeinde die Kosten für die durch die alliierten Luftangriffe entstandenen Schäden in Rechnung: 20 Millionen Francs. Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Nordafrika wechselte der NS-Funktionär nach Italien. Als Leiter der Gruppe „Oberitalien West“ führte Rauff dort ein hartes Regiment. So gab er den Befehl, für jeden getöteten Deutschen zehn Italiener zu erschießen, und ging gegen Streikende und WiderstandskämpferInnen vor. Seine Vorgesetzten dankten ihm dafür, „dass die Unruhen im Keim erstickt wurden oder niedergeschlagen wurden“ und verliehen im noch Februar 1945 das Kriegsverdienstkreuz.

Dementsprechend heißt es in der Akte „Rauff“, die der US-Geheimdienst nach dem Krieg anlegte: „Die ‚Quelle‘ ist, wenn sie je freikäme, als Bedrohung zu betrachten. Sofern sie nicht ausgeschaltet wird, sollte man sie für lebenslange Einsperrung empfehlen“. Auf freiem Fuß blieb Walther Rauff dann auch nicht lange. Er landete im Lager Rimini, brach aber bald aus. Dank bester Verbindungen zum Vatikan fand er zunächst in Klöstern Unterschlupf. Später kam der SS-Standartenführer in Kontakt zu einem syrischen Militär, der ihm anbot, seine NS-Erfahrungen zu nutzen und in dem vorderasiatischen Staat den Geheimdienst mit aufzubauen. Rauff nahm die Offerte an. Nach einem Machtwechsel musste er das Land jedoch wieder verlassen und kehrte über Beirut nach Italien zurück, um von dort aus Ende 1949 nach Südamerika aufzubrechen.

In BAYER-Diensten
Seine erste Station auf dem Kontinent war Ecuador. Nach verschiedenen Tätigkeiten in Handelsvertretungen für MERCEDES BENZ, OPEL und US-amerikanische Pharma-Multis trat Rauff in die Dienste der deutsch-ecuadorianischen Firma Moeller-Martinez ein. Hier durfte er sich wahrhaft zu Hause fühlen, denn die Familie Moeller-Martinez zählte zu den glühensten Parteigängern Hitlers in dem Staat. Firmenchef Gustavo Moeller-Martinez gehörte den ecuadorianischen Ablegern der Wehrmacht und Waffen-SS an, kämpfte wie sein Sohn im Zweiten Weltkrieg und wurde nach 1945 von den Alliierten festgesetzt.

Sein Unternehmen fühlte sich ebenfalls der Heimat verbunden. Es nahm die Interessen des Leverkusener Multis und anderer bundesdeutscher Gesellschaften in Ecuador wahr. Als Prokurist und Verkaufsleiter kümmerte sich Walter Rauff dort unter anderem um die Angelegenheiten des Chemie-Multis. Die „Aufgeschlossenheit“ von BAYER, MERCEDES & Co. für NS-Täter kam nicht von ungefähr. „Die Vertretungen von Firmen wie BAYER, HOECHST und BASF hatten oft alte Kameraden in Europa und Übersee inne“, schreibt der Historiker Gerald Steinacher in seinem Buch „Nazis auf der Flucht“. Simon Wiesenthal bezeichnete derweil die Niederlassungen von SIEMENS, KRUPP und VW in Argentinien als „reine Nazi-Nester“. Bei MERCEDES bestand fast die gesamte Führungsebene aus Einwanderern, darunter Wehrmachtsangehörige, SS-Offiziere und andere Funktionsträger. Sogar die schlimmsten Nazis wie Adolf Eichmann, der Organisator der Massendeportationen von Juden und Jüdinnen, oder der Schlachtflieger Hans-Ulrich Rudel fanden ein Auskommen bei MERCEDES oder anderen bundesdeutschen Betrieben. Steinacher zufolge war dies aber nicht nur ideologischen Seilschaften zu verdanken, auch ganz praktische Erwägungen leiteten diese Personalpolitik: Die Migranten sprachen Deutsch, hatten in der Regel eine gute Ausbildung und gaben sich hoch motiviert.

Über die Zahlen der aus Deutschland, Österreich und anderen Ländern nach Südamerika geflüchteten Nationalsozialisten existieren unterschiedliche Angaben. Die Alliierten gingen von rund 50.000 Kriegsverbrechern aus. Der Historiker Holger M. Meding kommt in seinem Werk „Flucht vor Nürnberg?“ allein für Argentinien auf 19.000 EinwanderInnen. Dabei handelte es sich allerdings nicht nur um „Demokratie-Verfolgte“, wie sich die Faschisten selber nannten. Meding beziffert das Quantum der höheren NS-Funktionsträger unter den Neu-Argentiniern auf 300 bis 800 und das der gesuchten Kriegsverbrecher und Massenmörder auf 50. Gaby Weber spricht in „DAIMLER-BENZ und die Argentinien-Connection“ hingegen von „mindestens 300“ auf den Fahndungslisten stehenden Nazi-Größen.

Wie vielen davon BAYER Unterschlupf gewährte, darüber gibt es in der ohnehin spärlichen Literatur keine Informationen. Bekannt wurde nur noch ein weiterer Fall, der des Juan Felipe Darnand. Er gehörte zu der von den Nazis im besetzten Frankreich gegründeten französischen Miliz. Von Darnands Vater Joseph befehligt, machte die Truppe Jagd auf Resistance-KämpferInnen. Als sich die Vichy-Regierung nach der Landung der Alliierten auf das Schloss Sigmaringen zurückziehen musste, bildeten die Milizionäre zusammen mit ein paar hundert Soldaten ihre Leibgarde. Diese Nibelungentreue machte sie nach dem Krieg zu gesuchten Kollaborateuren. Joseph Darnand erhielt das Todesurteil und wurde erschossen. Seinem Sohn gelang unter dem Decknamen Felipe Foucachon die Flucht nach Argentinien, wo er dann unter anderem bei BAYER Arbeit fand.

Treu zu NS-Diensten
Die Seilschaften, die so etwas ermöglichten, hatten sich in den 1930er Jahren herausgebildet. Im September 1937 hielten die Manager der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN fest: „Es versteht sich dabei von selbst, dass keine Männer in unsere ausländischen Niederlassungen geschickt werden, die nicht der Deutschen Arbeitsfront angehören und die keine positive Haltung der neuen Ordnung gegenüber haben. Die dorthin beorderten Männer sollten es als ihre besondere Pflicht ansehen, das nationalsozialistische Deutschland zu repräsentieren“ (rückübersetzt aus dem Englischen, Anm. SWB).

Gemäß dieser Direktive leisteten die Angestellten BAYERs und anderer IG-Firmen wichtige Dienste für das faschistische Vaterland. Oft waren sie überdies direkt für Nazi-Organisationen tätig. So baute der BAYER-Manager und NSDAP-Funktionär Werner Siering den NS-Geheimdienst in Chile auf, während zwei seiner Kollegen in Venezuela für die Partei und den damaligen militärischen Abschirmdienst arbeiteten. In Mexiko war Baron von Humboldt in Personalunion Chef der dortigen IG-Niederlassung und der Gestapo. In Ecuador hatte L. E. Brueckmann, Leiter der zur IG FARBEN gehörenden Firma BRUECKMANN & Co., gleichzeitig das Amt eines Konsuls inne und wählte auch seine Konsulatsmitarbeiter teilweise aus Belegschaftskreisen aus. Darüber hinaus hatten zwei seiner Beschäftigten hohe Positionen in der ecuadorianischen Nazi-Partei inne. In Peru gehörten derweil zwei NS-Geheimdienstler zu den Führungskräften, und die BASF- und BAYER-Zentralen in Rio de Janeiro bezeichnete der für die Nürnberger Prozesse erstellte Untersuchungsbericht sogar als „Hauptzentren der Nazi-Aktivitäten in Brasilien“.

Darüber hinaus stellten die so genannten Verbindungsmänner der IG FARBEN in ihren monatlichen Bulletins wichtige politische, wirtschaftliche und militärische Informationen über die südamerikanischen Länder zusammen und verzeichneten beispielsweise Aufrüstungsbestrebungen oder Waffenlieferungen. „Natürlich verfügt ein Konzern wie die IG FARBEN (...) über Erfahrungen und Wissen, das von den Regierungsstellen nicht gesammelt werden kann (...) Darum ist es die Pflicht unseres Führungspersonals außerhalb Deutschlands, seine Kenntnisse allen staatlichen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen“, konstatierte IG-Direktor Max Ilgner 1936 nach einer Lateinamerika-Dienstreise.

Zudem gewährten die südamerikanischen IG-Gesellschaften vielen Nazi-Spionen Unterschlupf und arbeiteten eng mit dem „Aufklärungsausschuss“ zusammen, dem Auslandsableger von Goebbels‘ Propaganda-Ministerium. Auch spendeten sie eifrig für die NSDAP. Allein die brasilianischen BAYER-Niederlassungen brachten mehr als 3,6 Millionen Reichsmark für die Organisation auf.

BAYER & das Militär
Nach dem Krieg lebten diese Traditionen fort. Eine „Entnazifizierung“ hatten die Hitler-Getreuen in Lateinamerika noch weniger zu fürchten als ihre Kollegen daheim. Das politische Umfeld auf dem Kontinent mit seinen oftmals autokratischen oder diktatorischen Regimen kam ihnen dabei sehr entgegen. Die ideologische Wahlverwandtschaft ermöglichte ein enges Verhältnis zu den Machthabern. So klagte noch 1978 der brasilianische Gewerkschaftler Jose Ibrahim über die guten Beziehungen bundesdeutscher Unternehmen zu den Generälen: „Aus der Bundesrepublik Deutschland sind da insbesondere VW, DAIMLER-BENZ, MANNESMANN, KRUPP, BAYER, HOECHST, SIEMENS, BASF, VOIGT u. a. zu nennen. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen, zu der etwa 50 große westdeutsche Konzerne gehören, die in Brasilien die Privilegien genießen, die ihnen die Militärdiktatur einräumt“. Und zu diesen Privilegien gehörte vor allem, mit den Beschäftigten nach Belieben umspringen zu können. „Bei allen ausländischen Multis herrscht Repression in den Fabrikhallen: Der Arbeiter, der seine berechtigten Forderung stellt, der reklamiert, der protestiert, wird gefeuert und sofort bei der Polizei denunziert“, so Ibrahim.

Argentinien hat der als „Nazi-Jäger“ berühmt gewordene Simon Wiesenthal wegen seines Wohlwollens gesuchten Nazi-Größen gegenüber einmal als „Kap der letzten Hoffnung“ für Kriegsverbrecher bezeichnet. Andere Länder standen dem Andenstaat jedoch kaum nach. Walther Rauff wählte schließlich Chile als Wahlheimat. Er verließ Ecuador 1958 und beendete damit auch seine Dienste für BAYER. Unter anderem im Bundesnachrichtendienst fand er - wiederum durch alte Seilschaften - einen neuen Arbeitgeber. Seine Überzeugungen änderte Rauff nie. Auslieferungs- und Ausweisungsgesuche, von Wiesenthal, Beate Klarsfeld und anderen betrieben, scheiterten immer wieder. So konnte seine Beerdigung 1984 zu einem Klassentreffen Rechtsextremer werden, mit „Sieg Heil“- und „Heil Hitler“-Rufen und Flugblättern, die den Holocaust leugneten.
Von Jan Pehrke

[Rettungskampagne] CBG unterstützen!

CBG Redaktion

KonzernKritik in Gefahr

Coordination gegen BAYER-Gefahren startet Rettungskampagne / Flyer ab heute bundesweit gestreut / Gemeinnützigkeit verweigert / 350 neue Mitglieder notwendig

Die „legendäre Coordination gegen BAYER-Gefahren„ (taz) ist weltweit das einzige Netzwerk, das einen der großen multinationalen Konzerne rund um die Uhr kritisch unter Beobachtung stellt. Seit 1978 hat die Coordination weit über hundert Kampagnen zu Störfällen, Pestiziden, Schadstoff-Emissionen, Gentechnik, risikoreichen Pharmaprodukten, der IG Farben-Geschichte und vielem mehr initiiert. 1991 siegte das Netzwerk gar in einem spektakulären Verfahren vor dem Bundes-Verfassungsgericht gegen BAYER. Die CBG versteht ihre Arbeit als beispielhaft für alle Konzerne.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren ist jedoch akut in Gefahr. Sozialabbau und sinkende Realeinkommen haben die Spenden-Einnahmen stark sinken lassen. Die CBG muss daher eine Rettungskampagne starten. Bis Ende 2011 muss das Netzwerk 350 neue Mitglieder gewinnen, andernfalls geht das Licht aus.

Bundesweit streuen Mitglieder des Vereins ab Mitte Juli einen Alarm-Flyer. Am 9. Juli wird das Faltblatt der taz beiliegen. Danach wird es in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften sozialer Bewegungen verbreitet.

Während andere Organisationen staatliche oder kirchliche Unterstützung erhalten, muss sich die Coordination gegen BAYER-Gefahren komplett selbst finanzieren. Axel Köhler-Schnura, Gründungsmitglied der CBG: „Konzernkritik ist kein Spaziergang. Großunternehmen wehren sich mit harten Bandagen. Repression, Verleumdung, Behinderung. Auch wird uns konsequent die Gemeinnützigkeit verweigert - der lange Arm eines Konzerns wie BAYER reicht weit.“

Es gibt wohl keine NGO mit einem vergleichbaren Aktionsradius, die lediglich eine einzige bezahlte Stelle betreibt, darüber hinaus komplett ehrenamtlich arbeitet und damit fast ohne Personalkosten auskommt. Doch um trotz Finanzkrise und sinkender Realeinkommen weiter arbeiten zu können, brauchen wir mehr Fördermitglieder. Ohne Geld geht es nicht.

Bitte helfen Sie uns. Werden Sie Förderer, beteiligen Sie sich an den Kampagnen oder spenden Sie. Es kann nicht sein, dass Konzern-Kritik an Geldmangel stirbt.

So können Sie helfen:
=> werden Sie Fördermitglied (mtl. ab fünf Euro)
=> leisten Sie eine einmalige Spende
=> gewähren Sie uns ein zinsloses Darlehen oder zeichnen Sie eine 100-prozentig gesicherte Spareinlage bei ProSolidar (Infos unter info@cbgnetwork.org)

Wir wissen, dass es vielen Menschen in Zeiten sinkender Realeinkommen nicht möglich ist, finanzielle Unterstützung zu leisten. Gehören Sie dazu, dann ignorieren Sie unsere Bitte um Geld und prüfen Sie, ob Sie uns anders unterstützen können. Wir können jede Hilfe brauchen: Übersetzungsarbeiten, Betreuung von Infoständen, Teilnahme an Aktionen, fachliche Expertise, uvm.

Flyer runterladen: http://www.cbgnetwork.org/downloads/Flyer_Rettungskampagne.pdf

Update 19. August: “Dank für große Solidarität"

PRESSESTIMMEN
Erhebt sich irgendwo auf der Welt Widerstand gegen eine neue Bayer-Fabrik, greifen die Mitarbeiter der Coordination in ihr Archiv und leisten den Widersachern des Konzerns Amtshilfe.
DER SPIEGEL

Die Initiative beobachtet den weltweit größten Pestizidhersteller seit mehr als 30 Jahren, prangert Missstände an und mobilisiert die Öffentlichkeit. Ein Fulltime-Job.
Greenpeace Magazin

Bayer hat die Gruppe wegen eines Flugblattes verklagt - und erst beim Bundesverfassungsgericht verloren.
Frankfurter Rundschau

Preiswerte Arzneimittel aus Indien sind unersetzlich für die Patientenversorgung in armen Ländern, meint auch die Coordination gegen Bayer-Gefahren.
Süddeutsche Zeitung

BAYER-Chef Schneider hat ein Problem. Die Coordination gegen Bayer-Gefahren, die den Konzern seit Jahren unter Druck setzt. Auch auf der diesjährigen Aktionärsversammlung zeigte sie beharrlich die Schmuddelflecken auf der Firmenweste.
die tageszeitung

[Repression] STICHWORT BAYER 03/2011

CBG Redaktion

Repression im Dienst von BAYER & Co.

Das Imperium schlägt zurück

Politisches Engagement sieht sich seit einiger Zeit verstärkter Repression ausgesetzt. Besonders für Initiativen, die sich in ihrer Arbeit auf Wirtschaftsunternehmen konzentrieren, steigt der Druck. Das bekommen vor allem TierrechtlerInnen zu spüren, aber unter das Verdikt „Öko-Terrorismus“ können auch Gentechnik-GegnerInnen und andere AktivistInnen fallen. In den USA weckt das aufgeheizte Klima schon Erinnerungen an das antikommunistische McCarthy-Regime.

Von Jan Pehrke

Von der Demonstrationsfreiheit hat der britische Oberste Gerichtshof nur eine sehr begrenzte Vorstellung. Im Fall „BAYER CROPSCIENCE LIMITED vs. STOP HUNTINGDON CRUELTY (SHAC) untersagte er der Tierrechtsinitiative 2008 auf der Grundlage eines Gesetzes zum Schutz vor Belästigungen, künftig in der Nähe der Konzern-Niederlassungen in Cambridge, Great Chishill und anderswo zu demonstrieren. Ein umfangreiches Kartenwerk im Anhang des Urteils gibt dabei exakt Auskunft über den Verlauf der Bannmeilen und weist den AktivistInnen, die gegen den Pharma-Riesen wegen seiner Geschäftsbeziehungen zum Tierversuchsmulti HUNTINGDON Kampagnen durchführen, stattdessen „designated protest areas“ (DPAs) in den hintersten Winkeln zu. Noch dazu dürfen diese nie mehr als 20 SHAClerInnen gleichzeitig betreten und das auch nicht mehr als zwei Stunden lang. Leise müssen sie ebenfalls sein: Das Mitführen von Instrumenten verboten die JuristInnen. Alles andere würde den Tatbestand der Belästigung erfüllen.

Hohe Haftstrafen
Ähnlich hatte bereits 2004 ein RichterInnen-Spruch BAYER-Gelände zur No-Go-Area erklärt und verbriefte Grundrechte auf diese Weise zur Farce werden lassen. Aber das alles ist gar nichts im Vergleich zu anderen Prozess-Ausgängen. Im Januar 2010 verurteilte ein Gericht sieben SHAC-Mitglieder zu Haftstrafen bis zu elf Jahren, und zehn Monate früher mussten fünf SHAC-Angehörige für 15 Monate bis sechs Jahre ins Gefängnis. Der Winchester Crown Court hielt sie für schuldig, Angestellte von Huntingdon-Geschäftspartnern per Flugblatt der Päderastie bezichtigt, ihnen mit angeblich HIV-verseuchten Tampons Angst eingejagt und ihre Häuser, Autos und nähere Umgebung mit Bezeichnungen wie „Welpen-Killer“, „Mörder“ und „Abschaum“ besprüht zu haben.

Vielleicht mag einem diese Kampagne geschmacklos, überzogen und unpassend vorkommen, aber doch wohl kaum als „gleichbedeutend mit Einschüchterung, Gewalt und Terror“, als die sie das Gericht brandmarkte. Die Justiz musste sich noch nicht einmal die Mühe machen, den Angeklagten die Delikte direkt zuzuordnen. Sie erkannte auf organisierte Kriminalität und brachte eine „Verschwörung zur Erpressung“ und eine „Verschwörung zum Eingriff in ein bestehendes Vertragsverhältnis zum Schaden von Tierversuchsunternehmen“ zur Anklage.

Bei solchen zum Teil passgenau für SHAC und andere Tierrechtsorganisationen entworfenen Straftatbeständen war es zum vernichtenden Urteil dann nur noch ein kleiner Schritt. Sie hatten 2005 Eingang in den „Serious Organized Crime and Police Act“ (SOCPA) gefunden. Die Abschnitte 145 bis 149 widmen sich exquisit dem Treiben von SHAC & Co. und stellen den „Eingriff in ein bestehendes Vertragsverhältnis“ ebenso unter Strafe wie die Einschüchterung von deren Beschäftigten.

Aber auch sonst ist der SOCPA nicht ohne. Er erleichtert Verhaftungen, schränkt das Demonstrationsrecht ein und weitet den Schutz von BAYER & Co. vor Belästigungen erheblich aus. Dabei gelang der Labour-Regierung sogar das Kunststück, ein ursprünglich zur Ahndung von Stalking geschaffenes Paragraphen-Werk gegen politische AktivistInnen zu wenden, wenn auch nur unter erheblicher Kraftanstrengung. Da es nicht einmal die engagiertesten TierrechterInnen schaffen, den Konzernen permanent nachzustellen, können sie das nun bereits an einem Tag erledigen. Die findigen PolitikerInnen griffen zur paradoxen Konstruktion des Instant-Stalkings, um die Möglichkeit zu schaffen, auch gegen einmalige Aktionen vorzugehen. Und die Justiz machte von dieser Handreichung schon ausgiebig Gebrauch. Das Gesetz „wurde von der Polizei und den Gerichten benutzt, um fast alle Formen von Protest zu kriminalisieren“, bilanzierte der Journalist George Monbiot im Guardian.

In den USA gab es ähnliche Entwicklungen. 1992 verabschiedete der Kongress den „Animal Enterprise Protection Act“. Zehn Jahre später verschärfte er das Gesetz, und 2006 mutierte es auf Initiative des republikanischen Senators James Inhofe schließlich zum „Animal Enterprise Terrorism Act“ - natürlich nicht ohne nochmalige „Nachbesserungen“. In den Genuss dieser zusätzlichen Repressionen kamen die sieben TierrechtlerInnen noch nicht, die im Frühjahr 2006 im US-amerikanischen Trenton vor Gericht standen, aber es reichte auch so schon zu drastischen Strafen. Der Richter verurteilte sechs der sieben AktivistInnen, die seither unter dem Namen „SHAC 7“ bekannt sind, zu bis zu sechs Jahren Haft und einer Entschädigungszahlung von einer Million Dollar. Zur Last legte er ihnen eine Web-Kampagne, welche die Adressen von TierversuchswissenschaftlerInnen und anderen veröffentlichte und toner-fressende schwarze Faxe versendete. Mit dem Nachweis einer individuellen „Tatbeteiligung“ hielt der Jurist sich nicht lange auf. Er verwies auf das „Wir“ in diversen postings und sah eine Verschwörung am Werk bzw. sogar zwei: eine zur Verletzung des „Animal Enterprise Protection Acts“ und eine zur Belästigung vermittels moderner Kommunikationsmittel. Bei den Ermittlungen gegen TierschützerInnen gaben sich die staatlichen Stellen ebenfalls wenig zimperlich. Sie infiltrieren die Szene mit V-Leuten und schreckten nicht einmal vor dem Einsatz von agents provocateurs zurück.

Verdeckte ErmittlerInnen trugen auch in Österreich das belastende Material gegen den VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN (VGT) zusammen, das den Telefonabhör-Aktionen und Observationen der Sonderkommission Pelztier entging. 10.000 Ordner-Seiten füllt es mittlerweile und befeuert einen Prozess gegen zehn TierrechtlerInnen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 278a. Allerdings mangelt es trotz des beeindruckenden Akten-Bestandes noch an schlagkräftigen Beweisen. Das Gericht tut sich sichtlich schwer damit, den Angeklagten Buttersäure-Attentate auf Kleidergeschäfte, das Ansägen eines Hochsitzes und die Beschädigung von Autos nachzuweisen. Aber selbst wenn das zu Freisprüchen führen sollte, sind die Zehn durch die über dreimonatige Untersuchungshaft, die lange Verfahrensdauer und die dadurch entstandenen immensen Anwaltskosten schon genug gestraft.

Darüber hinaus versuchte die SOKO Pelztier, dem VGT die Finanzierung zu erschweren. So setzten sich die BeamtInnen mit dem Finanzministerium zusammen, um eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit in die Wege zu leiten. Die Steuerfahndung durchsuchte anschließend die Geschäftsräume, prüfte die Unterlagen und ordnete die Streichung der Gemeinnützigkeit an. Der Verein verfolge politische Ziele, die „ein nicht unbeachtlicher Teil der Bevölkerung“ nicht teile und die deshalb auch nicht dem Allgemeinwohl dienten, lautete die Begründung. Aber der Coup gelang nicht. Kurz vor Prozess-Beginn bestätigte das zuständige Finanzamt den bisherigen Status des VGT.

Nicht nur TierrechtlerInnen
Unter dem zunehmenden Druck leiden jedoch nicht nur TierrechtlerInnen. So definiert der Paragraph 278a des österreichischen Strafgesetzbuchs „kriminelle Organisation“ in einer Weise, die es erlaubt, fast alle politische Initiativen unter Generalverdacht zu stellen. „Eine auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung“ mit „einer größeren Anzahl von Personen“, die „erheblichen Einfluss auf Politik oder Wirtschaft anstrebt“, ist nämlich beinahe jede politisch arbeitende Gruppe. Und deshalb auch entsprechend gefährdet - nicht nur in Österreich. Martin Balluch, einer der angeklagten AktivistInnen vom VGT, hat sich in seinem Buch „Widerstand in der Demokratie“ umfassend mit dem neuen Repressionsregime beschäftigt und schreibt: „Die Entwicklung, dass Organisationsdelikte und die erweiterte Gefahrenforschung gegen NGO-Arbeit und völlig legalen und demokratiepolitisch unbedenklichen politischen Aktivismus eingesetzt werden, ist mittlerweile global zu bemerken“.

Globaler „Öko-Terror“
In Neuseeland betrachteten die Behörden die Friedensbewegung und eine Initiative für die Rechte der UreinwohnerInnen als kriminelle Vereinigungen und starteten das ganze Programm mit Lauschangriffen, Hausdurchsuchungen und Untersuchungshaft. Allerdings wollte es der Generalstaatsanwalt später nicht weiterführen und klagte die Beschuldigten schließlich nicht mehr wegen eines gemeinschaftlich begangenen Verbrechens an. Genau das aber hat die sächsische Staatsanwaltschaft mit 17 AntifaschistInnen vor. „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ legt sie ihnen wegen vermeintlicher Angriffe auf Neonazis zur Last und durchkämmte zur Beweissicherung in einer Großrazzia 20 Wohnungen. Auch für bundesdeutsche Gentechnik-GegnerInnen brechen härtere Zeiten an. So verbüßt Jörg Bergstedt gerade eine sechsmonatige Haftstrafe, weil er an einer Feldbefreiungsaktion teilgenommen hat.

In den USA rollte 2004 die „Operation Backfire“ an, die neben TierrechtlerInnen auch Mitglieder der EARTH LIBERATION FRONT (ELF) auf die Fahndungsliste setzte. „Help find four Eco-Terrorists“ forderte das FBI die Bevölkerung auf seiner Internet-Seite in einer „Top Story“ auf, die Osama Bin Laden ins Kleingedruckte verbannte. Aber wenn eine Gruppe daherkommt und die Einrichtung eines Ski-Gebiets im netten Vail mit Sabotage-Aktionen verhindern will, wie es die Staatsanwaltschaft dem Quartett vorwirft, können die Prioritäten offenbar schon einmal durcheinander geraten. Auch den Anschlag auf ein botanisches Versuchslabor der Washingtoner Universität werteten die Gerichte als „domestic terrorism“ - und handelten entsprechend: Für die den Angeklagten zur Last gelegten Delikte verhängten sie Strafen von bis zu neun Jahren. Einer der ELF-AktivistInnen erlebte die Urteilsverkündigung nicht mehr: Bill Rodgers hatte sich schon einen Monat nach seiner Inhaftierung in seiner Gefängniszelle das Leben genommen.

Aber nach „Terrorismus minus islamistisch“ suchte das FBI auch anderswo. Es observierte die TierschützerInnen von PETA, den sich für Bürgerrechte engagierenden „Thomas Merton Center“, GREENPEACE und selbst eine katholische Friedensgruppe. Einige republikanische Politiker wollten für diesen erweiterten Terrorismus-Begriff sogar eine gesetzliche Grundlage schaffen. Der Kongress lehnte den von George Nethercutt eingebrachten „Agro-Terrorism Prevention Act“ jedoch ebenso ab wie der Senat den Antrag von Orrin G. Hatch auf Einführung einer „Öko-Terrorismus“-Datenbank.

In England fand der Stalker-Paragraph „Protection from Harassment“ unter anderem Anwendung bei der Verfolgung von Protesten gegen eine Raketenabwehr-Station des US-Militärs und gegen einen Stromkonzern. Auch das Versenden zweier E-Mails an eine Pharma-Firma mit dem Appell, auf Tierversuche zu verzichten, sahen die StaatsanwältInnen als Belästigung an. Schon der Kommentar auf einer Indymedia-Seite zu den Urteilen im SHAC-Prozess, der dazu aufforderte, dem Richter seine Meinung zu sagen, reichte für eine Verhaftung nach dem „Serious Organized Crime and Police Act“.

Und an BAYER war es, all die unterschiedlichen Gruppen in einem einzigen Rechtsstreit auf der Anklagebank zu versammeln. In dem 2004 geführten Gerichtsverfahren nach dem notorischen Belästigungsparagraphen fanden sich dort neben SHAC-AktivistInnen auch Angehörige der Initiativen STOP BAYER‘S GM-CROPS, LEEDS EARTH FIRST und BAYER HAZARD wieder. Gegen die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte der Chemie-Multi ebenfalls schon wiederholt die RechtsanwältInnen eingeschaltet. 1987 verklagte er die CBG wegen eines Aufrufs, in dem es geheißen hatte: „In seiner grenzenlosen Sucht nach Gewinnen und Profiten verletzt BAYER demokratische Prinzipien, Menschenrechte und politische Fairness. Missliebige Kritiker werden bespitzelt und unter Druck gesetzt, rechte und willfährige Politiker werden unterstützt und finanziert“. In den ersten Instanzen bekam das Unternehmen Recht; ein Richter forderte sogar eine dreijährige Haftstrafe für einen CBGler. Die Coordination musste bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen und ein erhebliches finanzielles Wagnis eingehen, um dem Recht auf Meinungsfreiheit fünf Jahre nach Beginn des Prozesses wieder Geltung zu verschaffen. Im Jahr 2001 klagte der Gen-Gigant die CBG dann wegen „Verletzung des Namensrechts“ an, weil diese das Wort „BAYER“ zusammen mit dem Begriff „watch“ in einem Domain-Namen verwendet hatte. Aus Angst vor den hohen Verfahrenskosten legte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN keinen Widerspruch ein und beugte sich der Einstweiligen Verfügung, die mit einer Strafandrohung von 50.000 Euro bewehrt war.

Aber der Pharma-Riese ging nicht nur rechtlich gegen die Coordination vor. Anfang der 1980er Jahre nutzte er den kurzen Dienstweg zum Wuppertaler Polizeipräsidenten, um diesen anzuhalten, der CBG die Gemeinnützigkeit zu bestreiten. Der tat wie geheißen und unterwies das Amtsgericht Solingen postwendend, die „Förderung zu unterbinden“. Daran hielten die JuristInnen sich dann auch und schnitten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN so von dringend benötigten finanziellen Ressourcen ab.

Die Last des Erfolges
Der Hauptgrund für die zunehmende Repression ist der Erfolg von Initiativen, die sich auf Unternehmen konzentrieren. So gelang es SHAC mit seinen Kampagnen, HUNTINGDON dazu zu bringen, England zu verlassen und in den USA ökonomisches Asyl zu suchen. Auch dem Leverkusener Multi als gutem Kunde von HUNTINGDON und Konzern mit über 170.000 Tierversuchen pro Jahr machten die SHAClerInnen das Leben schon schwer. Die Gruppe setzte ihn ganz oben auf ihre Liste der inkriminierten Konzerne und agiert seit mehr als zehn Jahren global gegen den Global Player. Sie blockierte die Werkstore in Uruguay, demonstrierte vor dem Wuppertaler Pharma-Zentrum, sprach dank einer Einladung der CBG auf der BAYER-Hauptsammlung in Köln, protestierte vor der chilenischen Zentrale, störte ein BAYER-Dinner in Irland, entrollte in der Lobby der Washingtoner Zweigstelle Transparente und suchten schwedische und englische Niederlassungen heim.

Nicht umsonst konstatierte das US-amerikanische Heimatschutz-Departement deshalb: „Von Tierrechtsextremisten und Öko-Terroristen verübte Attacken gegen Unternehmen verursachen den betroffenen Unternehmen hohe Kosten und können auf die Dauer das Vertrauen in die Wirtschaft erschüttern“.

BAYER & Co. als Gesetzgeber
Auf dieses Vertrauen aber sind die Global Player in Zeiten des immer entfesselter auftretenden Kapitalismus besonders angewiesen, um ihren AktionärInnen weiterhin Extra-Renditen sichern zu können. Darum reagieren die großen Firmen empfindlicher denn je auf Störungen des „Business as usual“ - und fordern Schutzmaßnahmen ein. In den USA war die Industrie die treibende Kraft hinter den Strafverschärfungen. Sie nahm an den Senatsanhörungen teil, die den Boden für die „homeland terrorism“-Beschlüsse bereiten sollten, und unterstützte die willigsten PolitikerInnen. BAYER etwa überwies den Republikanern James Inhofe, George Nethercutt und Orrin G. Hatch, welche die Gesetzesinitiativen zum Öko-, Agrar- und Tierrechts„terrorismus“ einbrachten, großzügige Wahlkampfspenden. Ausgearbeitet hatte ihre Entwürfe das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC), eine von den Konzernen gesponserte JuristInnen-Vereinigung. „Limited Government, Free Enterprise und Federalism“ hat sie sich auf die Fahnen geschrieben, die der Leverkusener Multi mit hochhält. Die BAYER-Managerin Sandra Oliver sitzt für den Agro-Riesen in dem Beirat, der EmissärInnen aus der freien Wirtschaft vorbehalten ist. Mike Birdsong gehört der „Health and Human Services Task Force“ an, und Bill Corley, das ALEC-Mitglied des Jahres 2005 in der Sektion „Privatwirtschaft“, steht im Bundesstaat Arkansas demjenigen Gremium vor, das sich um das legislative Wohlergehen von BAYER & Co. kümmert.

Green Scare
Die Strategie, die Anschläge vom 11. September 2001 dafür zu instrumentalisieren, aus dem Begriff „Terrorismus“ ein Passepartout für alle möglichen unliebsamen politischen Aktivitäten zu machen, hat in den USA ein hysterisches Klima geschaffen, das an die McCarthy-Ära erinnert. Nur die Signalfarbe hat sich geändert: Grün ist das neue Rot. Was dem republikanischen Senator der „Red Scare“ war, die Beschwörung des vom Kommunismus angeblich ausgehenden roten Schreckens, das ist heutigen Zeiten der „Green Scare“ mit Tierrechts- und Umweltgruppen als Trägern. „Angst. Es dreht sich alles um Angst. Es geht darum, die Profite der Unternehmen zu schützen, indem man den Hauptströmungen der Tierrechts- und Umweltinitiativen - und allen anderen wachsamen sozialen Bewegungen - Angst macht, die ihnen zustehenden Rechte zu nutzen“, schreibt der Journalist Will Potter in seinem Blog „Green is the New Red“.

Auf besonders widerspenstige Gruppen zielen, aber alle treffen wollen - diese Absicht verfolgt der „Green Scare“ nach Meinung von Potter. Er appelliert deshalb an die politischen Initiativen, sich nicht auseinanderdividieren zu lassen wie zu McCarthys Zeiten. „Wir müssen starke aktivistische Gemeinschaften aufbauen, die ihre Rechte kennen und wissen, wie sie bedroht sind und was auf dem Spiel steht, wenn wir nachgeben“, sagte Will Potter in einem Interview mit der Jungle World.

Und dies gilt trotz so einiger zweifelhafter Methoden wie Sachbeschädigungen umso mehr, als die neuen Gesetze immer häufiger einst ganz legale Inanspruchnahmen der verbrieften Grundrechte als illegal inkriminieren und die demokratisch nicht legitimierte Übermacht der Konzerne ein Ungleichgewicht der Kräfte schafft, das - wenn überhaupt - nur konfrontative Kampagnen ausbalancieren können. Wenn es nämlich einen Terror gibt, dann den einen: den Terror der Ökonomie.

[Editorial] STICHWORT BAYER 03/2011

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

„Die größte terroristische Bedrohung im Inland“, sagt John Lewis, ein hoher FBI-Beamter, geht vom Öko-Terrorismus, von der Tierrechtsbewegung aus“. Die Tierrechts- und Umweltbewegung hat, wie jede andere soziale Bewegung in der Geschichte, legale und illegale Elemente. Es gibt darunter Menschen, die Flugblätter verteilen, Eingaben schreiben und sich bei der Politik Gehör verschaffen. Dann gibt es Menschen, die protestieren und zivilen Ungehorsam praktizieren. Und schließlich gibt es Menschen in Gruppen wie der ANIMAL LIBERATION FRONT und der EARTH LIBERATION FRONT, die Fenster einschmeißen, Geländewagen anzünden und Tiere aus Nerzfarmen befreien.
Tierrechts- und UmweltaktivistInnen haben keine Flugzeuge auf Gebäude gelenkt, Geiseln genommen oder Anthrax per Brief versandt. Sie haben nie irgendjemanden verletzt. Der einzige Mordversuch in der Geschichte der US-amerikanischen Tierrechtsbewegung wurde von einem Agent Provocateur initiiert. Trotzdem sieht das FBI diese Menschen als größte inländische terroristische Bedrohung an. Dieser völlig unverhältnismäßige Umgang mit der Tierrechts- und Umweltbewegung, einhergehend mit dem inflationären Gebrauch des Wortes „Terroristen“, wird oft „Green Scare“ genannt („grüne Gefahr“- in Anlehnung an die während der McCarthy-Ära beschworene „rote Gefahr“/Red Scare, Anm. SWB). Genau wie der „Red Scare“ mit seiner Hexenjagd auf KommunistInnen nutzt der „Green Scare“ ein Wort - dieses Mal ist es „Terrorist“ - um eine bestimmte politische Agenda zu verfolgen, Angst zu verbreiten und die Bewegung zu spalten.
Aber warum passiert das alles? Die Regierung und die Unternehmen machen gar keinen Hehl daraus, dass das alles geschieht, um die Profite der Multis zu schützen. So warnte das Heimatschutz-Departement die Exekutiv-Organe in einem Bulletin: „Von Tierrechtsextremisten und Öko-Terroristen verübte Attacken gegen Unternehmen verursachen den betroffenen Firmen hohe Kosten und können auf die Dauer das Vertrauen in die Wirtschaft erschüttern“. Und in einer geleakten PowerPoint-Präsentation des State Departements vor Konzernen hieß es: „Obwohl Ereignisse, die mit dem Terrorismus in Verbindung gebracht werden, die Schlagzeilen beherrschen, ist es der Tierrechtsextremismus, der Ihre gewöhnlichen Geschäftsoperationen am ehesten stören kann.
Darum geht die Regierung so hart gegen die militanten AktivistInnen vor. Angst. Es dreht sich alles um Angst. Es geht darum, die Profite der Unternehmen zu schützen, indem man den gemäßigten Tierrechts- und Umweltinitiativen - und allen anderen wachsamen sozialen Bewegungen - Angst macht, die ihnen zustehenden Rechte zu nutzen.
Industrie-Vereinigungen sagen über die „Green Scare“-Kampagne: „Das ist erst der Anfang“. Aber es könnte auch der Anfang für die AktivistInnen sein. Ich habe in den vergangenen Jahren mit Hunderten von AktivistInnen aus dem ganzen Land gesprochen. Da ist viel Angst. Aber da ist auch viel Wut. Und das ist gut. Denn die gegenwärtige Repressionswelle mag viele Taktiken des „Red Scare“ übernehmen, aber die Antwort darauf muss heutzutage eine andere sein. Es geht nicht an, sich feige von einer als Kommunist beziehungsweise Terrorist gebrandmarkten Person zu distanzieren. Das Denunzieren und Treue-Eide schwören half damals den AktivistInnen nicht und tut es auch heute nicht.
Der einzige Weg für die AktivistInnen und für die Grundrechte, diese Situation zu überstehen, besteht darin, offensiv damit umzugehen. Das bedeutet, den Durchschnittsbürgern zu erklären, dass es eine Verschwendung von Antiterrorismus-Ressourcen und eine Beleidigung der Opfer des 11. Septembers darstellt, AktivistInnen als TerroristInnen zu bezeichnen. Und das bedeutet, allen Engagierten klarzumachen, dass das Schicksal dieser AktivistInnen vielleicht nur vorwegnimmt, was uns allen blühen könnte.
Nur zusammen können wir verhindern, dass die Geschichte sich wiederholt.

Will Potter ist ein US-amerikanischer Journalist und Autor des Buches „Green is the new Red“.

[Editorial] STICHWORT BAYER 04/2009

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

Repression ist leider eine Reaktion der vom Protest betroffenen staatlichen oder wirtschaftlichen Institutionen, die weder neu noch sonderlich verwunderlich ist. Und dennoch bewerten wir Gesellschaften danach, wie sie mit politischem Dissens umgehen und wie offen sie für Einspruch und Veränderungen sind. Während über mediale Inszenierungen die Niederschlagung von Protesten außerhalb Europas oder der USA teilweise skandalisiert wird – wenigstens das noch, so muss man fast sagen – applaudiert die Öffentlichkeit der stärksten Industrienationen der Verfolgung und Unterdrückung emanzipatorischer Bewegungen in den eigenen Ländern. Die Umweltbewegung und die Tierrechtsbewegung stehen dabei besonders am Pranger. Green Scare (Grüne Angst) nennen KritikerInnen in den USA bereits die Hatz der politisch-wirtschaftlichen Allianz auf Tierrechts- und UmweltaktivistInnen, angelehnt an den antikommunistischen Red Scare der McCarthy-Ära.
Auch heute werden politisch Andersdenkende zu Sondergruppen gemacht, diese überwacht, infiltriert, von innen zu zersetzen versucht und von außen bekämpft – erneut auch unter Zuhilfenahme eines Feindstrafrechts, das sich dezidiert gegen die politischen Partizipationsformen und teils sogar gegen die Ziele der Protestbewegungen richtet. Im Falle der Tierrechtsbewegung ist dies z. B. der bereits 1992 in den USA klammheimlich erlassene „Animal Enterprise Protection Act“, der nach 9/11 semantisch in „Animal Enterprise Terrorism Act“ (AETA) umgedeutet wurde, um noch größere Spielräume bei der Verfolgung von TierbefreiungsaktivistInnen zu haben.
„Ökoterrorismus“ ist das Stigma, das den betroffenen AktivistInnen einen Teil ihrer Grund- und Freiheitsrechte raubt. Als TerroristIn verurteilt werden kann jede Person in den USA, die versucht, einem Tierausbeutungsunternehmen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, gleich mit welchen Mitteln. Die Recherche, unter anderem die Sicherung von aussagekräftigen Schriftdokumenten und das Erstellen von Foto- und Videoaufnahmen zum Beispiel in einem Tierversuchslabor, kann laut AETA ebenso als terroristischer Akt gewertet werden wie das Verteilen von Flugblättern, wenn dies zum wirtschaftlichen Schaden der Unternehmen gereicht.
Deutlicher kann die Ökonomie ihre Macht zum Bestandsschutz und zur vollkommenden Immunisierung gegen sozialen Protest nicht ausdrücken. 2006 wurden sechs AktivistInnen der SHAC-Kampagne gegen das weltweit zweitgrößte Tierversuchsauftragslabor HUNTINGDON LIFE SCIENCES (HLS) nach diesem Gesetz zu Haftstrafen von bis zu 6 Jahren verurteilt – dafür, dass sie eine Kampagne gegen das Testlabor geführt haben. Die Kampagne, die in England begann und dort im Januar diesen Jahres Haftstrafen bis zu 11 Jahren für sieben AktivistInnen nach sich zog, richtet sich nicht nur gegen HLS, sondern weltweit auch gegen alle seine GeschäftspartnerInnen. Zu diesen gehören BAYER und andere Unternehmen, welche die Tierversuche in Auftrag geben.
Die Erfahrung, dass die Ökonomie im Zeichen wirtschaftlicher Umbrüche, die mit veränderten Legitimationserfordernissen wirtschaftlichen und staatlichen Handelns einhergehen, nun zu neuen Formen der Sozialkontrolle greift – im Moment: langjährige Wegsperrung der politischen DissidentInnen – sollte alle emanzipatorische Bewegungen veranlassen, gemeinsam Gegenstrategien zu entwickeln. Auch wenn die Wirtschaft nicht in allen Ländern etwas Vergleichbares wie den AETA wird durchsetzen können, der Wege gibt es viele, wie zum Beispiel England und jüngst auch Österreich zeigen. In dem Alpenland werden Anfang kommenden Jahres zehn TierrechtlerInnen aufgrund ihrer teils erfolgreichen Kampagnenarbeit wegen vermeintlicher „Bildung einer kriminellen Organisation“ (§278a StGB) vor Gericht stehen. Diese und ähnliche Gesetze eignen sich deswegen so gut als politisches Repressionsinstrumentarium, weil kein konkreter Tatvorwurf erbracht und keine Straftat nachgewiesen werden muss, sondern allein die behauptete Zugehörigkeit zu einer so genannten Risikogruppe für die Verfolgung ausreichend ist. Repression als Risikomanagement – auch das ist nicht verwunderlich in Zeiten der totalitären Ökonomie.

Dipl.-Soz.Wiss. Melanie Bujok ist langjährige Tierbefreiungsaktivistin und lehrt im Bereich der Human-Animal-Studies.

[Ticker 4 2009] STICHWORT BAYER 04/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Jahrestagung 2009
Am 7. November 2009 fand die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „Haste mal ‘ne Billion? - Konzerne, Kapitalismus und die Krise“ statt. Zum Auftakt sprach Professor Rainer Roth vom RHEIN-MAIN-BÜNDNIS GEGEN SOZIALABBAU UND BILLIGLÖHNE über die Ursache der Krise. Das Problem einer lukrativen Kapitalverwertung hat seiner Ansicht nach zu Überproduktion und „Nachfrage-Doping“ mittels Verschuldung geführt und den Wirtschaftsorganismus schließlich kollabieren lassen. „Entwarnung“ konnte Roth deshalb noch lange nicht geben. Pedram Shahyar vom ATTAC-Koordinierungskreis arbeitete die Frage auf, warum die Linke nicht stärker von der Krise profitiert hat. Die „Globalisierung“ der Neoliberalismus-Kritik, das Vertrauen auf das Krisenmanagement der Eliten, die Rückkehr des Korporatismus von Gewerkschaften und Unternehmen, eine zu flache Krisen-Interpretation und eine Fixierung der Betroffenen auf ihr eigenes Schicksal im Zuge drohenden Job-Verlustes nannte er als Gründe. Im Anschluss daran machte Shahyar Vorschläge für eine neue linke Krisen-Politik. „Verstärkte Suche nach Alternativen“, „Deglobalisierung“, „Eigentumsfrage“ und „Gesundschrumpfung der Wirtschaft“ lauteten hier die Stichwörter. Jan Pehrke (CBG) schließlich zeichnete den Verlauf der Krise am Beispiel BAYER nach und konnte so den im Laufe des Tages erörterten, manchmal recht komplexen wirtschaftlichen Zusammenhängen Anschaulichkeit verleihen. Fast 50 TeilnehmerInnen lockte die Veranstaltung an - so viele BesucherInnen hatte eine Jahrestagung der CBG bisher noch nie. Offensichtlich bestand ein großes Interesse daran, ein Jahr nach Ausbruch der Krise eine erste Bestandsaufnahme vorzunehmen und über die Perspektiven antikapitalistischer Interventionen zu diskutieren.

Antwerpener Beschäftigte protestieren
Der Leverkusener Multi erpresst die Belegschaft des Antwerpener Werks und droht mit einer Schließung, falls die Beschäftigten nicht einer Lohnkürzung zustimmen (siehe KAPITAL & ARBEIT). Diese wollen sich darauf jedoch nicht einlassen. Deshalb nahmen die AntwerpenerInnen nicht nur an einer Großdemonstration in Brüssel teil, die unter Druck stehende Belegschaften vieler belgischer Werke zusammenführte, sondern ergriffen dort auch das Wort. Levi Sollie, der Vertrauensmann der Gewerkschaft Algemeen Belgisch Vakverbond (ABVV), sprach auf der Kundgebung über die Situation am belgischen BAYER-Standort.

Klima-Protest vor BAYER-Zentrale
Zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Kopenhagen hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) am 7. Dezember 2009 gemeinsam mit Vertretern vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZVEREIN und von der Linkspartei eine Mahnwache vor der Leverkusener BAYER-Zentrale abgehalten, um auf die Klima-Sünden des Konzerns hinzuweisen. So leitet der Pharma-Riese jährlich bis zu acht Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre und trägt auf diese Weise zum Treibhauseffekt bei. Und von einem Umdenken ist bei dem Unternehmen nichts zu spüren. Es setzt weiter auf klimaschädigende Müll- und Steinkohlekraftwerke. Darum wollte die CBG BAYER auch einen Offenen Brief übergeben, der zu einer Energie-Wende aufruft, aber dazu kam es nicht. Der Multi verweigerte die Annahme.

CEFIC für Klima-Negativpreis nominiert
LOBBYCONTROL hat den „Verband der Europäischen Chemischen Industrie“ (CEFIC) für den Negativpreis „Angry Mermaid Award“ nominiert. Die Initiative hält den Verband für würdig, die in Anspielung auf die Kopenhagener Klimakonferenz „Die aufgebrachte Meerjungfrau“ getaufte Auszeichnung zu erhalten, weil er sich durch besonders destruktive Lobbyarbeit gegen Klimaschutz-Maßnahmen hervortat. So gelang es der CEFIC LOBBYCONTROL zufolge etwa, der chemischen Industrie kostenträchtige Folgen des Handels mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten zu ersparen, weshalb Investitionen in ökologischere Verfahren unterblieben. Aber schlussendlich musste sich die CEFIC dem noch schlimmeren Finger MONSANTO geschlagen geben.

Pipeline-Protest vor Ständehaus
Am 23. November 2009 war BAYER-Chef Werner Wenning Stargast des Düsseldorfer Ständehaus-Treffs in den Räumen der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Aber der von Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo moderierte Plausch mit dem Konzern-Lenker vor Promis wie Gabriele Henkel, Heiner Kamps, Rudi Altig und Heide Rosendahl konnte nicht ungestört ablaufen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gegner der vom Leverkusener Multi geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline hielten nämlich eine Mahnwache vor dem Gebäude ab. Die Veranstalter taten dabei alles, den Protest zu erschweren. Als Tagesmieter des Ständehauses reklamierten sie das Hausrecht für sich und drängten die AktivistInnen mit Hilfe von Polizei und privatem Sicherheitsdienst an den äußersten Rand der Auffahrt, um Wenning & Co. den Abend nicht allzu sehr zu verderben. Di Lorenzo kam beim Talk jedoch nicht darum herum, die Sache aufzugreifen. „Wenning ging offensiv mit dem Thema um“, vermeldete die Rheinische Post anschließend, „Er ist fest von der absoluten Sicherheit der Leitung überzeugt, aber er weiß auch, dass keiner ausschließen kann, dass irgendein Unfall passiert“.

PRIMODOS-Anfrage
In den 50er Jahren hatte die jetzige BAYER-Tochter SCHERING den Schwangerschaftstest PRIMODOS (auch DUOGYNON) auf den Markt gebracht, der bei Neugeborenen zu Herzfehlern, Fehlbildungen an Händen und Füßen sowie zu Gaumenspalten führte. Auf der diesjährigen Hauptversammlung des Leverkusener Multis haben die Opfer des Hormon-Präparates eine Entschädigung gefordert; zudem sind Klagen in Vorbereitung (siehe RECHT & UNBILLIG). Im Juli hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) dem Gesundheitsministerium zum Fall „PRIMODOS“ einen Brief geschrieben. Die CBG wollte wissen, warum die Betroffenen bis heute keine Unterstützung erhalten und welche Unterlagen im Archiv noch zu dem Pharma-GAU existieren. Zudem fragte die Coordination, ob es bezüglich der Entschädigungsfrage Kontakte zum Pharma-Riesen und zu den Behörden in Großbritannien gibt, wo das Thema ebenfalls auf der Tagesordnung steht. Darüber hinaus erbat sie eine Stellungnahme zur Weigerung des Global Players, die Geschädigten abzufinden. Diese mochte das Gesundheitsministerium in seiner Antwort nicht abgeben. Es habe in der Sache weder Verbindung zu BAYER noch zur britischen Regierung aufgenommen und hätte auch keine Akten zu dem Fall mehr, hieß es in dem Schreiben weiter. „Zu Ihrer Frage, warum die Betroffenen keine Unterstützung erhalten haben, lassen sich daher nur Vermutungen aufgrund von nicht validen Informationen anstellen. Es scheint damals aber wohl eine gewisse Unsicherheit in der Kausalitätsbewertung zwischen den aufgetretenen Missbildungen und der Verabreichung des entsprechenden Medikamentes gegeben zu haben“, so das Ministerium.

Die „Global Compact“-Beschwerde
1999 haben sich BAYER und andere Multis am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums im „Global Compact“ dazu bekannt, soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einzuhalten. Nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat der Leverkusener Multi mit der Beinah-Katastrophe in Institute und seiner Reaktion darauf gegen die Regularien des an die UN angebundenen Industrie-Zusammenschlusses verstoßen. Der Konzern hatte im Vorfeld lange bekannte Sicherheitsmängel nicht behoben, defekte Detektoren nicht repariert und Warnsysteme deaktiviert. Nach der Explosion informierte er zudem die Öffentlichkeit unter Berufung auf die Antiterror-Gesetze nur spärlich (siehe SWB 2/09). Die CBG hat die UN deshalb in einem Offenen Brief aufgefordert, den Agro-Riesen aus dem „Global Compact“ auszuschließen. Die Antwort traf umgehend ein. Der „Global Compact“ legte dar, dass er über keinerlei Mandat verfügt, die Einhaltung seiner Prinzipien zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen auszusprechen. Nur einen Dialog moderieren könne er. Das tat er dann auch, indem er BAYER zu einer Stellungnahme aufforderte. Nach einigem Briefverkehr mit dem Leverkusener Multi und der CBG teilte die Organisation mit, sie habe die Beschwerde nun an die bundesdeutsche Dependance weiterverwiesen. Die Coordination erklärte sich damit nicht einverstanden. Sie dringt darauf, den Fall statutengemäß im Leitungsgremium zu verhandeln, und legte Protest ein.

180.000 Unterschriften gegen LL62
Im Jahr 2006 hat BAYERs Genreis LL601 für den größten Gen-GAU der Nuller-Jahre gesorgt: Trotz fehlender Zulassung tauchte er in den handelsüblichen Supermarkt-Sorten auf. Das hält den Leverkusener Multi jedoch nicht davon ab, weiter auf die Risiko-Technologie zu setzen. So liegt der EU bereits seit längerem ein Antrag zur Importgenehmigung von LL62-Reis vor. GREENPEACE hat dagegen mobil gemacht und der EU-Gesundheitskommissarin Anroulla Vassiliou, die demnächst das Bildungsressort übernimmt, im Oktober 2009 180.000 Unterschriften gegen eine Einfuhr-Lizenz übergeben.

Kritik an Beobachtungsstudien
Die „Kassenärztliche Bundesvereinigung“ (KBV) hat die Beobachtungsstudien angeprangert, mittels derer BAYER & Co. ihre Medikamente in Arztpraxen testen lassen. Aus wissenschaftlicher Sicht sind diese Anwendungsuntersuchungen, bei denen die ÄrztInnen nur einen kleinen Fragebogen ausfüllen müssen, kaum ergiebig, moniert die KBV, aus finanzieller Sicht allerdings schon - sowohl für die Konzerne als auch für die DoktorInnen. In Wahrheit verfolgen die Expertisen nämlich den Zweck, die PatientInnen auf das getestete Präparat - zumeist ein neues und deshalb besonders teures - umzustellen, und genau dafür zahlen die Unternehmen dann auch bis zu 1.000 Euro. Als „Fangprämien“ bezeichnete Leonard Hansen von der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ deshalb die Honorare, und der KBV-Vorstand Carl-Heinz Müller lässt keinen Zweifel an den Motiven von Big Pharma: „Das Ziel einer schnelleren Umsatzsteigerung ist sicher nicht von der Hand zu weisen“. Der Leverkusener Multi verfolgte dieses Ziel unter anderem mit Beobachtungsstudien zu BETAFERON. Kritik an dieser Praxis wies der Konzern immer wieder zurück. So verteidigte BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke das Vorgehen der Pillen-Produzenten im Jahr 2008 mit den Worten: „Ich halte Anwendungsbeobachtungen allerdings für sinnvoll, da sie uns Langzeitdaten über die Wirkung von Medikamenten in die Hand geben, die wir aus den Zulassungsstudien nicht bekommen“.

Mediziner kritisiert Krebsmedikamente
Im Pharma-Geschäft versprechen Krebs-Arzneien die höchsten Gewinne. ExpertInnen erwarten für die nächsten Jahre einen 66 Milliarden Dollar schweren Absatzmarkt. Mit den Heilsversprechen der Pillenriesen - BAYER etwa preist NEXAVAR als einen „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ an - ist es nach Ansicht des Krebs-Spezialisten W.-D. Ludwig allerdings nicht so weit her. Nach Meinung des Mediziners, der an der HELIOS-Klinik in Berlin-Buch arbeitet und den Vorsitz der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ innehat, sorgt vor allem eine kreative Gestaltung der klinischen Tests für den guten Leumund der Mittel. So bestimmen die Untersuchungen als Ziel der Therapie nicht etwa das Überleben der PatientInnen und dauern auch gar nicht so lange, um den Gesundheitszustand der ProbandInnen über einen angemessenen Zeitraum hinweg verfolgen zu können. Ihnen reicht es als positiver Befund aus, wenn sich das Leiden erst einmal nicht verschlimmert oder der Körper überhaupt in irgendeiner Weise auf den Pharma-Stoff anspricht, was noch überhaupt nichts über eine Beeinflussung des Krankheitsverlaufs aussagt. Da es noch kaum wirksame Krebs-Arzneien gibt, müssen die Konzerne zudem keine großen Vergleichsstudien finanzieren. Das alles erleichtert „erfolgreiche Erprobungen“ natürlich ungemein. Ludwig forderte als Konsequenz aus dieser Art von Studien mehr unabhängige Arzneimittel-Untersuchungen.

Einspruch gegen BVL-Bescheid
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hegte den Verdacht, dass der Agro-Riese diese „Nebenwirkung“ bei den Genehmigungsbehörden heruntergespielt hat und verlangte in einem Offenen Brief an das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Herausgabe der Zulassungsunterlagen. Die Behörde gab dem Begehr zwar trotz BAYER-Widerstand statt, erlaubte jedoch nur eine kurze Einsichtnahme bei einem Lokaltermin. Dagegen legte die CBG Widerspruch ein, weil so zu wenig Zeit für die Überprüfung der Dokumente bleibt.

Frankfurter Uni umbenannt
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, einen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen ermöglichte. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Im Zuge des Bildungsstreiks jedoch knüpften Studierende an die alte Idee an. Sie besetzten das Casino-Gebäude und benannten die Alma Mater symbolisch in „Norbert Wollheim Universität“ um.

Kritik an EU-Pharmapolitik
Die EU betrachtet Medikamente nicht als Bestandteil des Gesundheitswesens, sondern als Wirtschaftsgut. Deshalb untersteht das Arzneimittelrecht ebenso wie die für Pillen-Zulassungen zuständige „Europäische Arzneimittelbehörde“ dem Industrie- und nicht dem Gesundheitskommissar. An dieser Politik hat jetzt der gesundheitspolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei, der Christdemokrat Peter Liese, scharfe Kritik geübt.

KAPITAL & ARBEIT

Neue Standortsicherungsvereinbarung
BAYER hat mit dem Gesamtbetriebsrat eine neue Standortsicherungsvereinbarung abgeschlossen (siehe auch STANDORTE & PRODUKTION). Wie schon bei dem Vorgänger-Vertrag ließ sich der Leverkusener Multi das Zugeständnis, fünf Jahre auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, teuer abkaufen. So müssen die Beschäftigten jetzt ihre Arbeitszeit noch stärker den Konjunktur-Schwankungen anpassen und sogar Ortswechsel in Kauf nehmen. Bei der Sparte BAYER TECHNOLOGY SERVICES haben sie zudem eine Stunde länger zu arbeiten, ohne dafür mehr Lohn zu bekommen. „Zu bemerken ist, dass in vielen Punkten wieder einer zeitlich begrenzten Zusage des Arbeitgebers dauerhaft abgegebene Besitzstände der ArbeitnehmerInnen gegenüberstehen“, kommentieren die KOLLEGEN UND KOLLEGINNEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, das Ergebnis der Verhandlungen.

Kürzerarbeit wieder aufgehoben
Im Zuge der Wirtschaftskrise hatte BAYER in der Kunststoff-Sparte die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich um 6,7 Prozent gekürzt und weitere Maßnahmen durchgeführt, was dem Leverkusener Multi Kosten in zweistelliger Millionenhöhe ersparte. Anfang November 2009 hat der Konzern die Kürzerarbeit-Regelung wieder aufgehoben - „eine derzeit verbesserte Auftragslage“ bewog das Unternehmen zu diesem Schritt.

Antwerpen: BAYER droht mit Schließung
Am Standort Antwerpen erpresst BAYER die Belegschaft. Der Leverkusener Multi droht mit einem Aus für die Kunststoff-Produktion, wenn die Beschäftigten nicht auf zehn Prozent ihres Lohn verzichten. Die beiden Gewerkschaften Algemeen Belgisch Vakverbond (ABVV) und ACV Energie-Chemie wollen das nicht mitmachen. „Die Vertrauensleute im Antwerpener Werk werden keiner sozialen Demontage zustimmen, wir werden weder zu Lohnsenkungen noch zu Arbeitszeitverlängerungen ‚Ja‘ sagen“, kündigt ABVV-Vertrauensmann Levi Sollie an und verweist auf den 190-Millionen-Euro-Gewinn der Niederlassung. Einer Standort-Konkurrenz mit Krefeld verweigert sich die Gewerkschaft ebenfalls: „Auch werden wir nicht zulassen, dass wir gegen die Kollegen im BAYER-Werk Uerdingen ausgespielt werden“. Der Pharma-Riese musste die staatliche Schiedskommission anrufen, weil es mit den Belegschaftsvertretern zu keiner Einigung kam. Eine Entscheidung des Gremiums steht noch aus.

Gerüchte über BMS-Verkauf
Im November 2009 tauchten Gerüchte über einen von BAYER beabsichtigten Verkauf der Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) auf. Die INTERNATIONAL PETROLIUM INVESTMENT COMPANY (IPIC) mit Sitz in Abu Dhabi hatte Verhandlungen mit dem Pharma-Riesen bestätigt. Der Leverkusener Multi hielt sich dagegen bedeckt: „Marktgerüchte kommentieren wir grundsätzlich nicht“. Wenig später dementierte IPIC-Direktor Khadem Al Qubaisi die von dem Informationsdienst Chemical Industry News & Intelligence in Umlauf gebrachte Meldung. Es sei bei den Gesprächen mit BAYER nicht um einen Verkauf, sondern um ein geplantes Joint Venture in Abu Dhabi gegangen. Wie dem auch sei - Wirtschafts- und Finanzkreise machen jedenfalls weiter Verkaufsdruck. So schrieb beispielsweise das Handelsblatt unlängst angesichts wieder etwas besserer BMS-Geschäftszahlen: „Der Pharma- und Chemiekonzern kann sich wieder über seine Kunststoffe freuen. Zeit, an einen Verkauf zu denken“.

USA: BAYER gegen Gewerkschaftsgesetz
In den Vereinigten Staaten versucht der Leverkusener Multi mit aller Macht, die Gewerkschaften aus dem Konzern herauszuhalten. Immer wenn sich irgendwo die Gründung einer Beschäftigten-Vertretung anzubahnen droht, trommelt das Unternehmen die Belegschaft zusammen und warnt vor Arbeitsplatzvernichtungen, sollten sich im Werk Betriebsgruppen bilden. Folglich gibt es nur an drei von 50 BAYER-Standorten in den USA Gewerkschaften. Die Regierung Obama hat sich jetzt vorgenommen, den Organisationen den Rücken zu stärken und sie besser vor Repressionen zu schützen. Aber BAYER & Co. investieren Millionen, um das Gesetzesvorhaben zu verhindern.

IG BCE für Unternehmenssteuerreform
Der neue IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis will den industriefreundlichen Kurs seines Vorgängers Hubertus Schmoldt fortsetzen (siehe auch SWB 4/09) und demonstrierte dies auch gleich eindrucksvoll, indem er sich von dem DGB-Vorschlag distanzierte, in Zeiten der Krise den Übergang zwischen Arbeitslosengeld und Hartz IV finanziell weicher zu gestalten. Er überraschte auf dem Chemiegewerkschaftskongress in Hannover allerdings mit einer Forderung zur Reform der Unternehmensbesteuerung. So verlangte Vassiliadis, die Höhe der Körperschaftssteuer nach der Eigenkapitalrendite zu bemessen und so besonders rücksichtslose Profit-Jäger abzustrafen. „Wenn eine extreme Rendite nur mit einer sehr aggressiven Strategie erreicht werden kann, erst dann beginnt ein höherer Steuersatz“, so sein Vorschlag. Zudem möchte der Gewerkschaftler die Krisenverursacher stärker zur Verantwortung ziehen und machte sich für eine KurzarbeiterInnen-Abgabe des Bankensektors stark.

Merkel lobt die IG BCE
Bundeskanzlerin Angela Merkel trat auf dem Bundeskongress der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) auf und konnte gar nicht mehr aufhören, die Verdienste der Gewerkschaft um das Co-Management zu rühmen. Laut Frankfurter Rundschau gelang es der Politikerin, die IG BCE „innerhalb einer halben Stunde gefühlte 30 Mal zu loben und sich abwechselnd ‚herzlich‘, ‚freundlich‘ oder ‚besonders‘ zu bedanken“. In puncto Gentechnik standen ihr Vassiliadis & Co. sogar näher als die CDU-GenossInnen. Die „Zukunftsgewandtheit“ der GewerkschaftlerInnen stände auch den eigenen Parteikreisen gut zu Gesicht, vermerkte Merkel.

Betriebskrankenkassen-Fusionitis
Mitte 2007 schloss sich BAYERs Betriebskrankenkasse mit der FORTISNOVA BKK zur PRONOVA BKK zusammen. Zum Jahreswechsel fusioniert diese wiederum mit den Kassen FORD & RHEINLAND und GOETZE & PARTNER, „um unsere Position im Gesundheitsmarkt langfristig zu stärken“, wie aus der Zentrale verlautete. Name, Filialnetz und MitarbeiterInnen-Zahl bleiben erhalten, und mit über 500.000 Versicherten zählt die PRONOVA BBK nunmehr zu den 30 größten Krankenkassen der Bundesrepublik. Besonders aggressive Verhandlungen mit BAYER um Arznei-Preise dürften von ihr jedoch nicht zu erwarten sein.

ERSTE & DRITTE WELT

Afrika kommt zu BAYER
Afrika nimmt für BAYER & Co. vor allem wegen seiner Rohstoff-Vorkommen, um die ein Wettlauf mit China entbrannt ist, eine immer größere Bedeutung ein. Aus diesem Grund versuchen die Konzerne eine African Connection aufzubauen, indem sie Kontakte zu späteren Eliten aufbauen. Diesem Behufe dient das Programm „Afrika kommt“, in dessen Rahmen BAYER und weitere Unternehmen junge Spitzenkräfte des Kontinents mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes in der Bundesrepublik „weiterqualifizieren“. Die Koordination übernimmt dabei die seit langem mit dem Leverkusener Multi verbundene Agentur „Inwent“. 1921 vom damaligen BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg gegründet, hörte sie lange auch auf seinen Namen. Erst im Jahr 2002 legte die Einrichtung die Bezeichnung „Carl-Duisberg-Gesellschaft“ ab.

Venezuela hebt BAYER-Patent auf
Patente auf Medikamente verschaffen den Herstellern Monopol-Gewinne und verhindern eine preisgünstige Arzneiversorgung, was vor allem in den Ländern der Dritten Welt verheerende Folgen hat. In Venezuela wollten Pillen-Produzenten deshalb eine Nachahmer-Version von BAYERs Antibiotikum-Wirkstoff Moxifloxacin auf den Markt bringen. Der Leverkusener Multi klagte, die venezolanische Behörde SAPI prüfte - und stieß auf Unregelmäßigkeiten in der Patentschrift. Deshalb hob sie den Schutz des geistigen Eigentums für Moxifloxacin auf. Das Handelsministerium unterstützte den Schritt und erklärte, dass „Aktionen wie die von BAYER sich gegen das Recht auf Gesundheit richten und auf die Errichtung eines Industrie-Monopols zielen, ohne auf die Bedürfnisse des Volkes Rücksicht zu nehmen“. Auch Ecuador hat Maßnahmen angekündigt, um die Verfügbarkeit von Medikamenten zu verbessern. Die Regierung will die Patente von 2.000 Präparaten für ungültig erklären.

IG FARBEN & HEUTE

100 Jahre Synthese-Kautschuk
Mit großen Artikeln feierte die Presse den hundertsten Geburtstag von Synthese-Kautschuk, das der BAYER-Forscher Fritz Hofmann entwickelt hatte. In den netten Ständchen fehlten allerdings Passagen darüber, welche wichtige Rolle dieser Stoff bei den Kriegsvorbereitungen der Nazis spielte. Er machte das Verbrecherregime nämlich unabhängig von Rohstoff-Importen aus dem Ausland und verschaffte den von BAYER mitgegründeten IG FARBEN so eine profitable Führungsposition bei den wirtschaftlichen Planungen zu den Waffengängen.

IG FARBEN an „Aktion T4“ beteiligt
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörderkonzern hat auch für die „Aktion T4“ genannte Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff bereitgestellt: das heute wieder durch BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt ins Gerede gekommene Kohlenmonoxid.

IG FARBEN besaß Zeitungsanteile
Der von BAYER mitgegründete Mörderkonzern IG FARBEN war nicht auf wohlmeinende Presseberichte angewiesen - er hielt sich selbst eine Zeitung. 1929 erwarb das Unternehmen 35 Prozent der liberalen Frankfurter Zeitung und 1930 weitere 14 Prozent. Mit diesem Besitzerwechsel ging auch eine Veränderung des politischen Kurses einher. So musste unter anderem der bekannte Publizist Siegfried Kracauer gehen. Ob sich der Leverkusener Multi nach dem Krieg auch an der Neugründung des Blattes unter dem Namen Frankfurter Allgemeine Zeitung beteiligte, steht nicht fest.

  • KONZERN & VERGANGENHEIT

ASPIRIN und die Grippewelle von 1918
Im Jahr 1918 raffte die Spanische Grippe über 50 Millionen Menschen auf der Welt dahin. Nach Ansicht der Medizinerin Dr. Karen M. Starko könnten viele Sterbefälle jedoch nicht durch die Krankheit, sondern durch das Heilmittel ASPIRIN ausgelöst worden sein. BAYERs „Tausendsassa“ kam bei der Behandlung der Infizierten nämlich in einer doppelt so hohen Dosis wie heute zum Einsatz, und den Autopsien zufolge kommt der Virus als Todesursache oftmals nicht in Frage. So wiesen zahlreiche Tote kaum Lungenschädigungen auf. Deshalb konnten MedizinerInnen sich die große Mengen blutiger Flüssigkeit in den Atemorganen bisher nicht erklären - Starko aber schon: Blutungen sind eine bekannte Nebenwirkung von ASPIRIN.

POLITIK & EINFLUSS

Lobby-Register ohne CEFIC
Die CEFIC, der europäische Lobbyverband der Chemie-Unternehmen, hat 170 Beschäftigte und einen Etat von ca. 47 Millionen Euro. Die Organisation kann jedoch auch ganz bescheiden auftreten. Im neu geschaffenen Lobby-Register der EU bezifferte sie die jährlichen Kosten für ihr Antichambrieren auf schlappe 50.000 Euro. Die Umweltgruppe FRIENDS OF THE EARTH wollte daran nicht glauben und witterte eine Irreführung der Behörden. Die EU-Kommission rechnete nach und gab der Initiative Recht. Daraufhin flog die CEFIC aus dem Register. Aber seit dem Herbst 2009 ist der Verband wieder drin, weil er sich zu kapitalistischem Realismus entschlossen hatte: Der Lobbyclub korrigierte seine Zahlen um das 80-fache nach oben und fand sich mit vier Millionen Euro plötzlich auf Platz sechs der finanzkräftigsten Einflussnehmer wieder.

BAYER in Kopenhagen
Über zahlreiche Lobbyorganisationen hat BAYER in Kopenhagen substanzielle Beschlüsse zur Rettung des Klimas zu verhindern versucht. „Croplife“ bemühte sich, verbindliche Auflagen zur Kohlendioxid-Reduzierung in der Landwirtschaft abzuwenden. Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) erklärte: „Wir sind nicht mehr länger das Problem, wir sind Teil der Lösung“ und lud unter dem Titel „Business for Climate Protection“ zu einer Podiumsdiskussion, an der auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen teilnahm. „3C - Combat Climate Change“ betrieb derweil Werbung für die Kohlendioxid-Abspaltung - und damit für Kohlekraftwerke; das „International Chamber of Commerce“ und das „World Business Council for Sustainable Development“ unterstützten „3C“ dabei nach Kräften. Das tat auch „Business Europe“. Zudem hatte der Verband bereits im Oktober eine Konferenz zum Thema „Zwischen der Wirtschafts- und der Klimakrise - ist Kopenhagen der Ausweg?“ abgehalten, die unliebsamen Besuch von UmweltaktivistInnen erhielt. Darüber hinaus präsentierte „BusinessEurope“ EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit der „Copenhagen Scorecard“ eine Wunschliste in Sachen „Klimapolitik“. So sollte die Europäische Union Entwicklungsländer wie China in Dänemark zu verbindlichen Reduktionszielen drängen - und in heimischen Gefilden mehr auf „freiwillige Selbstverpflichtungen“ setzen.

„Croplife“ gegen US-Klimagesetze
„Croplife“, der US-amerikanische Verband von BAYER und anderen Agro-Multis, versucht, Obamas Klimaschutz-Agenda zu Fall zu bringen. Zu diesem Behufe hat die Organisation die Lobby-Agentur ALPINE GROUP engagiert, die in Washington über beste Kontakte verfügt.

Wenning beim Wirtschaftsgipfel
Die Kreditklemme gehört für den Leverkusener Multi zu den unangenehmsten Folgen der Wirtschaftskrise. „In der Größenordnung von zehn Milliarden Euro dürfte eine Akquisition für die meisten derzeit nicht mehr finanzierbar sein“, mit diesen Worten beklagte sich BAYER-Chef Werner Wenning in der Faz über die Beschränkung der Einkaufsmöglichkeiten. Deshalb drängte er bereits auf dem ersten Krisengipfel, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel gerufen hatte, auf eine Lösung des Problems. Auch bei der trauten Runde, die sich am 2. Dezember 2009 im Kanzleramt diesem Thema widmete, saß Wenning wieder mit dabei, flankiert unter anderem von Josef Ackermann, Dieter Hundt vom Arbeitgeberverband und Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE.

BAYER unterzeichnet NRW-Pakt
Die nordrhein-westfälische Landesregierung tut alles dafür, BAYER & Co. in politische Entscheidungen einzubinden. So rief sie beispielsweise den „Dialog Wirtschaft und Umwelt“ ins Leben. Im November 2009 haben Rüttgers & Co. jetzt mit BAYER und anderen Unternehmen einen Pakt geschlossen, denn „die Distanz zwischen Wirtschaft und Politik verhindert Wachstum“. Diese Entfremdung - „Die Wirtschaft hat vielfach geglaubt, ohne die Politik auszukommen. Die Politik hat sich an einer Manager- und Unternehmerschelte beteiligt“ - wollen Bosse und CDU/FDP-Koalition mittels Spitzentreffen schnellstmöglich aufheben. Nicht zuletzt BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt dürfte die konzertierte Aktion nötig gemacht haben.

BAYER & Co. sponsern den Staat
Die Konzerne unterstützten die Regierungstätigkeit im großen Umfang finanziell. Das geht auch aus dem 3. Zweijahresbericht über Sponsoring-Leistungen hervor, den das „Bundesministerium des Inneren“ im Mai 2009 veröffentlichte. Geld- und Sachleistungen in einer Größenordnung von fast 80 Millionen Euro brachten die Unternehmen in den Jahren 2007 und 2008 auf. BAYER befand sich natürlich ebenfalls unter den „edlen Spendern“. Der Leverkusener Multi stiftete für das Sommerfest von Bundespräsident Horst Köhler Sachleistungen im Wert von 30.000 Euro. Für den Empfang zum „Tag der Deutschen Einheit“ machte der Konzern 33.170 Euro locker und für das Kunstprojekt „inform“ 50.000 Euro.

„World Environment Day“ in Pittsburgh
Als „Bluewashing“ kritisieren die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen die Strategie der Konzerne, sich durch Kooperationen mit den Vereinten Nationen ein gutes Image zu verschaffen. BAYER tut dies hauptsächlich durch ein Sponsoring der UNEP, des Umweltprogramms der UN. So richtete das Unternehmen 2007 in Leverkusen eine Konferenz mit 150 jungen UmweltschützerInnen aus aller Welt aus. Im Oktober 2009 gelang dem Multi erneut ein Coup. Er setzte für 2010 mit Pittsburgh den Standort seines US-amerikanischen Hauptquartiers als Gastgeber-Stadt des „World Environment Day“ durch. Dort hofft sich der Chemie-Riese dann wieder einmal als Öko-Engel präsentieren zu können.

BDI treibt Gesundheitspolitik
Im November 2009 präsentierte der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) sein „gesundheitswirtschaftliches Innovationskonzept“. Die Organisation sprach sich darin für eine Abkehr vom paritätisch finanzierten Gesundheitswesen aus und trat stattdessen für „transparente, lohnunabhängige Prämien“ ein. Zudem wiederholte sie die alte BAYER-Forderung nach einer steuerlichen Absetzbarkeit von Forschungskosten. Auch „zentralistische Eingriffe in die Preisbildung“ von Medikamenten verbat sich der BDI. Darüber hinaus sollten die Krankenkassen unbesehen die Kosten für jede neu auf den Markt kommende Arznei übernehmen. Natürlich durfte in dem Papier auch eine Kritik am „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ nicht fehlen, das Kosten/Nutzen-Analysen von Arzneimitteln durchführt und dabei nach Meinung von BAYER & Co. allzu oft zu negativen Ergebnisse kommt. Aber mit einer weiteren Loslösung vom Solidarprinzip hat das „gesundheitswirtschaftliche Innovationskonzept“ den Konzernen zufolge nichts zu tun, „ohne Wenn und Aber“ sprachen sie sich gegen eine Zwei-Klassen-Medizin aus.

Verheugen kämpft gegen Werbeverbot
Das Pillengeschäft könnte noch mehr Profite abwerfen, wenn die Hersteller für verschreibungspflichtige Medikamente werben dürften. Deshalb versuchen BAYER & Co. seit geraumer Zeit, das EU-Reklameverbot zu Fall zu bringen. Den Industrie-Kommissar der EU, Günter Verheugen, haben sie dafür als Bündnispartner gewonnen. Trotzdem liegt sein Gesetzesvorschlag vorerst auf Eis, weil viele ParlamentarierInnen eine Kosten-Explosion durch eine aggressive Reklame für teure Arzneien befürchten. Der SPD-Politiker versuchte daher kurz vor Ende seiner Amtszeit noch, Medikamenten-Fälschungen als Argument dafür anzuführen, den Pharma-Riesen mehr Raum für das zuzubilligen, was sie „Informationen“ nennen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Klima-Manager Wenning?
Aus unerfindlichen Gründen ließ der Berliner Tagesspiegel in seiner Reihe „Die Klima-Manager“ auch BAYER-Chef Werner Wenning zu Wort kommen. Der gibt sich zunächst reumütig: „Die Industrie ist Teil des Problems“, nimmt dann aber flugs für sich in Anspruch, zur Lösung beitragen zu können. Gemeint ist allerdings lediglich ein Klimakrisen-Management aus dem Ackergiftschrank des Multis. So können Wenning zufolge bestimmte Pestizide den Pflanzen helfen, mit den Folgen des Klimawandels wie etwa Trockenheit umzugehen. Eine „zweite grüne Revolution“ nennt der Vorstandsvorsitzende das unbescheiden. Alleine machen will er sie jedoch nicht. „Die öffentlichen Ausgaben für Agrarforschung und landwirtschaftliche Infrastruktur reichen dafür noch nicht aus“, meint er und fordert frech Subventionen.

BAYER sponsert Klima-SkeptikerInnen
Der Leverkusener Multi bläst jährlich 7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft und setzt weiter auf klimaschädigende Kohle- und Müllkraftwerke. Darum hat er auch ein großes Interesse daran, das Problem „Klimawandel“ zu verharmlosen und unterstützt Denkfabriken, die diesen Job für das Kapital erledigen. So gehört der Konzern zu den Sponsoren des „Science Media Centers“ und des „Institute of Ideas“, das sich daneben auch gut auf Pro-Gentech-PR versteht.

Greenwashing zum G20-Gipfel
Der diesjährige G20-Gipfel der weltgrößten Industrieländer fand in Pittsburgh statt, dem Sitz von BAYERs US-amerikanischem Hauptquartier. Der Leverkusener Multi legte sich daher mächtig ins Zeug, um sich trotz seines jährlichen Kohlendioxid-Ausstoßes von 7,6 Millionen Tonnen als Umweltengel zu präsentieren und begrüßte die Staatenlenker mit großen „Welcome“-Bannern.

BAYER lädt zum Gynäkologie-Kongress
Der Leverkusener Multi hat mit QLAIRA ein neues Verhütungsmittel kreiert. Um dieses auch auf die Rezeptblöcke zu bringen, lud er 700 FrauenärztInnen ins Berliner Hotel Andel‘s zu dem Kongress „GynSights“ ein. Prof. Dr. Alfred O. Mueck und Dr. Anneliese Schwenkhagen gestalteten den Werbeblock für die Antibabypille, der nur von einigen Workshops zu gynäkologischen Themen unterbrochen wurde. Zu allem Übel firmiert das Ganze auch noch unter „Weiterbildungsmaßnahme“. „Diese Fortbildung haben wir bei der zuständigen Ärztekammer zur Zertifizierung eingereicht“ lässt BAYER die ÄrztInnen-Schar auf der Einladung wissen.

Werbekosten: vier Milliarden Dollar
Nach eigenen Angaben belaufen sich die jährlichen Marketing-Kosten von BAYER auf vier Milliarden Dollar. Allein in den USA investiert der Konzern 840 Millionen Dollar.

VI gibt TransGen-Trägerschaft auf
Die „Verbraucher Initiative“ (VI) ist mehr eine Konzern-Initiative. So hat sie sich ihr Gentechnik-Informationsportal TransGen von BAYER und anderen Gen-Giganten bezahlen lassen, was nicht ohne Einfluss auf die Berichterstattung blieb. Im November 2009 gab die VI nun endlich die Trägerschaft auf. Das Propaganda-Portal existiert jedoch weiterhin.

Standort-Kampagne in Leverkusen
BAYER spielt seinem Stammsitz Leverkusen seit längerer Zeit übel mit. Das Werk schrumpft und schrumpft und damit auch die Zahl der Arbeitsplätze, die Gewerbesteuer fließt nur noch spärlich und die vielbeschworene BAYER-Familie wird dysfunktionaler und dysfunktionaler. Was tun Konzerne in einem solchen Fall? Sie starten eine Image-Kampagne, die Eintracht beschwört. Und so heißt es nun: „Leverkusen und BAYER. Ein starkes Team“. Anzeigen beschwören den „Heimvorteil Leverkusen“, auf einer extra eingerichteten Internet-Seite betreibt der Multi Lokalpolitik und ein Fotowettbewerb zum Thema ist ebenfalls in Planung.

DRUGS & PILLS

Wieder eine YAZ-Tote
Im September 2009 erlitt eine 21-jährige Schweizerin nach der Einnahme von BAYERs Verhütungsmittel YAZ eine Lungenembolie und starb. Obwohl das Embolie-Risiko bei den Drospirenon-haltigen Kontrazeptiva wie YAZ um das 1,75fache höher liegt als bei den älteren Präparaten der 2. Generation, sah die zuständige Aufsichtsbehörde „Swissmedic“ auch nach dem neuerlichen tragischen Fall keine Veranlassung, die Pillen der YASMIN-Produktfamilie vom Markt zu nehmen. Das Heilmittel-Institut rät den MedizinerInnen lediglich zur Vorsicht. So sollen diese beim Verschreiben YASMIN & Co. auf die Gefahren aufmerksam machen; nur bei Frauen mit Hautleiden legte die Einrichtung den Einsatz der Mittel nahe. Zudem verlangt „Swissmedic“ eine Änderung des Beipackzettels - und mehr Folgen als eine andere Packungsbeilage dürfte der Pharma-GAU auch in der Bundesrepublik nicht haben.

Antibiotika nicht lukrativ
Antibiotika wie BAYERs CIPROBAY wirken gegen immer mehr Krankheitserreger nicht mehr. Das stört den Leverkusener Chemie-Multi aber kaum. Er gehört nicht zu den wenigen Pharma-Riesen, die nach Alternativen forschen. Antibiotika zählen nämlich nicht gerade zu den Kassenschlagern auf dem Pillen-Markt. Die MedizinerInnen verschreiben sie nur für wenige Tage, und neue Mittel haben die ÄrztInnen für besonders schwierige Fälle zurückzuhalten. „Medikamente, die Patienten über viele Jahre einnehmen müssen, sind viel lukrativer“, so Petra Gastmeier vom „Institut für Hygiene“ der Berliner Charité.

Senkt ASPIRIN das Darmkrebs-Risiko?
Nach einer neuen britischen Studie senkt ASPIRIN das Darmkrebs-Risiko. Die WissenschaftlerInnen warnen trotzdem vor einer vorbeugenden Einnahme des „Tausendsassas“, da er schwere Nebenwirkungen wie Magenbluten hat. Frühere Untersuchungen belegten einen Effekt von ASPIRIN nur auf eine bestimmte Art von Darm-Tumoren, weshalb die ForscherInnen ebenfalls von einer Gabe des Medikamentes zur Prophylaxe abrieten. Die einzige bisher durchgeführte Langzeitstudie sprach dem Mittel sogar jeden Nutzen bei der Darmkrebs-Prävention ab.

Keine Infarkt-Prävention mit ASPIRIN
BAYER vermarktet ASPIRIN mit großem Aufwand auch als Mittel zur Herzinfarkt-Prävention. Eine neue, im Drugs and Therapeutics Bulletin veröffentlichte Studie hat jetzt den Nutzen untersucht und kam zu einem negativen Ergebnis. Bei gesunden Menschen beugt der Tausendsassa einem Herzinfarkt nicht vor, während er das Risiko verdoppelt, innere Blutungen zu erleiden.

Brasilien: Kinder-ASPIRIN vom Markt
In Ländern der Dritten Welt vermarktet der Leverkusener Multi ASPIRIN als Allheilmittel und bietet es auch in einer Version für Kinder an, obwohl es gerade für Jüngere gravierende Risiken und Nebenwirkungen hat. So kann es bei Kindern mit Fiebererkrankungen das Reye-Syndrom auslösen, eine lebensbedrohliche Erkrankung der Leber und des Gehirns. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert BAYER deshalb seit Jahren auf, das Präparat vom Markt zu nehmen. Endlich hat der Konzern nun einen ersten Schritt gemacht und für Brasilien einen Verkaufsstopp verkündet.

FDA prüft MAGNEVIST
BAYERs Röntgen-Kontrastmittel MAGNEVIST hat bei vielen Nierenkranken eine nephrogene systemische Fibrose, ein lebensgefährliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, ausgelöst, weshalb den Gerichten bereits über 200 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen vorliegen (Ticker 2/09). Jetzt schreitet auch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ein. Ein Ausschuss beschäftigt sich mit den Risiken von MAGNEVIST und anderen Kontrastmitteln. Allzu viel Unbill hat der Leverkusener Multi jedoch nicht zu erwarten. Es dürfte mit einer Veränderung der Anwendungsempfehlungen getan sein.

Hormon-Therapie weiter geduldet
Für BAYER machen typische Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche eine Hormon-Therapie unausweichlich. Auch kosmetische Gründe lassen dem Konzern zufolge einen Pharma-Einsatz angeraten erscheinen: Sie machen angeblich die Haut straffer. Zudem nutzt das Unternehmen die Angst als Verkaufsargument. Angeblich beugen Hormone der Osteoporose vor und wirken präventiv gegen Demenz. Nach Untersuchungen ist das Gegenteil der Fall: Hormone steigern sogar das Risiko, an Demenz zu erkranken. „Ein riesiges, unkontrolliertes Experiment mit den Frauen“ nennt das arznei-telegramm deshalb das „Menopausen-Management“. Darüber hinaus schädigen Hormon-Therapien nach einer in der Fachzeitschrift Proceedings veröffentlichten Studie das Gehör. Und trotz all dieser Befunde rät die „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ auch in ihren jüngst veröffentlichten Leitlinien noch immer nicht von den Produkten ab.

LEVITRA & Co. sprengen Rentenkassen
In Brasilien heiraten immer mehr Männer um bis zu 30 Jahre jüngere Frauen, was die Sozialkassen sprengt, weil es den Staat überfordert, mehr als 15 Jahre lang Witwen-Renten auszuzahlen. BeobachterInnen führen diese Änderung im Paarungsverhalten auf den massenhaften Konsum von VIAGRA, BAYERs LEVITRA und anderen Potenzmitteln zurück und sprechen vom „VIAGRA-Effekt“.

LEVITRA als Schmelztablette
BAYER machte mit der Potenzpille LEVITRA im Geschäftsjahr 2008 einen Umsatz von 341 Millionen Euro. Das reicht dem Leverkusener Multi offenbar nicht. Er plant nämlich, das Präparat auch als Schmerztablette auf den Markt zu bringen, weil zur Einnahme dann kein Wasser mehr nötig ist, und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Sollten die Zulassungsbehörden ihn genehmigen, dann kommen bald wohl noch mehr Männer in den Genuss der zahlreichen Nebenwirkungen des Mittels. Temporärer Gedächtnisverlust, zeitweilige oder dauerhafte Hörschäden, Sehstörungen bis zum Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen zählen dazu.

BAYER kauft Krebsmittel
Der Leverkusener Multi hat sich von dem norwegischen Pharma-Unternehmen ALGETA die Vermarktungsrechte an einem Krebs-Therapeutikum gesichert. Das sich momentan in der letzten Phase der klinischen Erprobung befindende Mittel soll angeblich Krebszellen mittels Alpha-Strahlung zerstören und dabei das gesunde Gewebe schonender behandeln als vergleichbare Produkte.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben global
Im vorletzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Frankreich hat die Ausbringung von bestimmten Pestiziden wie dem vom Leverkusener Multi hergestellten GAUCHO bereits seit längerem streng reglementiert, während Italien das Mittel ganz verboten hat. In Staaten, die keine Maßnahmen getroffen haben, setzt sich indessen das Bienensterben fort. Aktuell haben ImkerInnen in Polen und Argentinien große Verluste zu beklagen.

Gepanschte Pestizide
In Brasilien hat der Leverkusener Multi seine Pestizide nach ganz eigenen Rezepten zusammengebraut und ohne Genehmigung gefährliche Mixturen angerührt (siehe auch SWB 4/09). Das stellte die brasilianische Gesundheitsbehörde „Agência Nacional de Vigilância Sanitária“ (Anvisa) bei einer Inspektion des BAYER-Werks in Belford Roxo fest. Sie ordnete daraufhin einen vorläufigen Verkaufs- und Produktions-Stopp für zwölf Ackergifte an. Auch mit einer Strafe in Höhe von 1,5 Millionen Real (rund 580.000 Euro) muss der Konzern rechnen.

Pestizide in Kräutern und Gewürzen
GREENPEACE hat Kräuter und Gewürze nach Pestizid-Rückständen untersucht und wies in einem Viertel der 37 Proben Spuren nach. Auch Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind, waren mit von der Partie. Unter anderem stießen die WissenschaftlerInnen auf Chlorpyrifos, Imidacloprid, Methomyl, Thiabendazol und das hierzulande längst verbotene Methamidophos.

OBERON schädigt Orchideen
In Neuseeland hat das BAYER-Pestizid OBERON die Ernten von Orchideen-ZüchterInnen zerstört (siehe auch SWB 4/09). Der Leverkusener Multi musste das Ackergift nach dem Flurschaden aus dem Verkehr ziehen; inzwischen hat er jedoch eine Wiederzulassung für Tomaten- und Paprika-Kulturen erreicht. Rund 20 Prozent der Erträge hat das Insektizid auf dem Gewissen; der Einnahme-Verlust für die ZüchterInnen beträgt vier Millionen neuseeländische Dollar. Der Konzern hat den Betroffenen eine Entschädigung angeboten, aber mehr als die Hälfte lehnte ab. Viele der Orchideen-PflanzerInnen mussten nach dem GAU nämlich ihr Geschäft aufgeben, weil es zu lange dauern würde, die Blumen wieder in derselben Art zu kultivieren. Der Züchter Paul Hulshof hat aus Protest gegen das Zerstörungswerk des Agro-Multis eine LKW-Ladung kaputter Orchideen vor der neuseeländischen BAYER-Zentrale in Glenfield ausgekippt.

Tomaten-Rückruf wg. VOLARE
In Italien hat sich BAYERs Antipilzmittel VOLARE (Inhaltsstoffe: Propamocarb-Hydrochlorid und Fluopicolid) auf Tomatenfeldern vorzeitig zersetzt und einen üblen Chlorgeruch verströmt. Die Behörden mussten deshalb eine große Tomaten-Rückrufaktion starten.

Soja-Boom treibt Pestizid-Verbrauch
Im brasilianischen Bundesstaat Matto Grosso hat sich die Soja-Anbaufläche von 1998 bis 2008 verdreifacht. Dementsprechend wächst der Pestizid-Verbrauch. Neben Paraquat und Duquat kommt dabei auch das in Europa seit langem verbotene Endosulfan zum Einsatz, das zur Produktpalette von BAYER gehörte. Nach Aussage des Universitätsprofessors Wanderlei Antonio Pignati haben die Ackergifte die Kranken-Raten massiv steigen lassen. Allein in Sorriso, „der Hauptstadt des Soja“, haben die Krebserkrankungen und Missbildungen seit dem Boom um das Fünffache zugenommen. Auch Lungenkrankheiten und Allergien treten vermehrt auf. Zu allem Unglück nutzen die Soja-Barone die Agro-Chemikalien sogar dazu, um Kleinbauern und -bäuerinnen zu vertreiben, indem sie die Dörfer regelrecht mit Endosulfan & Co. einnebeln.

Pestizide fördern Dengue-Fieber
In Südamerika breitet sich das Dengue-Fieber immer stärker aus. Die eigentlich seit den 50er Jahren als eingedämmt geltende Krankheit hat sich inzwischen zu einer regelrechten Epidemie entwickelt. In Bolivien starben 2009 bereits 20 Menschen, in Brasilien 38. In diesen beiden Ländern und Argentinien erkrankten bisher insgesamt 68.000 Menschen. Der Agronom Alberto Lapolla führt den Anstieg der Zahlen neben dem Klimawandel, welcher den Moskitos als Überträgern bessere Lebensbedingungen bietet, auf den mit der Ausweitung des Soja-Anbaus einhergehenden exzessiven Pestizid-Einsatz zurück. Agrochemikalien wie Glyphosat, das nicht nur in MONSANTOs ROUNDUP, sondern auch in den BAYER-Produkten GLYPHOS, KEEPER und USTINEX enthalten ist, vergiften Lapolla zufolge nämlich Fische, Frösche, Kröten und andere natürliche Feinde der Moskitos. „Wir können ohne Übertreibung feststellen, dass die Amphibien in den Sojaanbau-Gebieten der Vergangenheit angehören. Sie wurden von den Pestiziden vernichtet, die bei der Aussaat verwendet werden“, so Lapolla.

Pestizide erhöhen Parkinson-Risiko
Pestizide haben Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem, darum befördern sie viele Krankheiten. Besonders Menschen, die täglich mit Agrochemikalien umgehen, gefährden ihre Gesundheit. So erhöhen Ackergifte das Risiko, an Parkinson zu erkranken, beträchtlich. Permethrin, das unter anderem in BAYERs Insektenmittel COOPEX und der gegen Flöhe wirkenden Tier-Arznei ADVANTIX enthalten ist, lässt diese Gefahren um das Dreifache ansteigen. Das wies eine neue, in den Archives of Neurology veröffentlichte Studie nach.

Immer mehr Pestizide
BAYER & Co. produzieren immer mehr Pestizide. Die in der Bundesrepublik hergestellte Wirkstoff-Menge wuchs 2008 im Vergleich zum Vorjahr von 86.733 Tonnen auf 115.756 Tonnen - eine Erhöhung um 33,5 Prozent! Auch der Export nahm zu. Er stieg von 101.565 auf 108.931 Tonnen an.

GENE & KLONE

NEXAVAR bei Schilddrüsenkrebs?
Der Leverkusener Multi versucht unentwegt, das Anwendungsspektrum seiner zur Behandlung von fortgeschrittenem Nieren- und Leberkrebs zugelassenen Gentech-Arznei NEXAVAR zu erweitern. Für die Indikation „Schilddrüsenkrebs“ hat gerade die dritte und letzte Testphase begonnen. Entsprechende Versuche laufen auch zur Therapie von Brust- und fortgeschrittenem Lungenkrebs; bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs versagte das Medikament dagegen.

NEXAVAR wieder zu teuer
Nicht nur der Berliner Krebs-Spezialist W.-D. Ludwig beurteilt den Wert von neuen Krebsmedikamenten kritisch (siehe AKTION & KRITIK). Das britische Pendant zum bundesdeutschen „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, die Sondergesundheitsbehörde NICE, kommt zum selben Ergebnis. Sie unterzog BAYERs zur Behandlung von Leberkrebs zugelassene Gentech-Arznei NEXAVAR einer Kosten/Nutzen-Analyse und stellte ein schlechtes Zeugnis aus. Deshalb ersetzen die Krankenkassen die Kosten nicht. Zuvor war die NICE schon zum Nierenkrebs-NEXAVAR nicht „nice“ gewesen.

Krebs-Antikörper erreicht Testphase
Das Biotech-Unternehmen MORPHOSYS entwickelt für BAYER einen Antikörper, der ein Molekül ausschalten soll, das eine Rolle bei Krebserkrankungen spielt. Inzwischen sind die Forschungen so weit gediehen, dass die erste Phase der klinischen Tests beginnen kann. Die Konkurrenz hat gegenüber dem Konzern allerdings einen Vorsprung. Der Antikörper des Unternehmens WILEX, der dasselbe Ziel anvisiert wie der des Leverkusener Multis, befindet sich bereits in der Endrunde der Erprobung.

Raps-Genom entschlüsselt
BAYER hat gemeinsam mit der „University of Queensland“, dem Pekinger Genomics-Institut und dem niederländischen Unternehmen KEYGENE das komplette Erbgut der Rapssorte Canola entschlüsselt. Der Leverkusener Multi will die Erkenntnisse zur Beschleunigung seiner Forschungs- und Zuchtprogramme nutzen. So hat der Konzern vor, den Ölgehalt der Pflanzen zu erhöhen. Solchermaßen angereicherter Raps eignet sich besonders gut als Rohstoff für die Agrosprit-Produktion, die immer mehr Ackerflächen in Anspruch nimmt und so die ausreichende Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln gefährdet.

BAYER kauft neue Gentechnik ein

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Der Leverkusener Multi hat vom US-Unternehmen CHROMATIN die Nutzungsrechte an einer Technologie erworben, die es erlaubt, mehrere Gene auf ein Chromosom zu übertragen. Der Konzern will dieses Verfahren unter anderem bei der Produktion seiner Baumwoll-Pflanzen nutzen.

BAYER kauft neue Gentechnik ein

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Der Leverkusener Multi hat das US-amerikanische Biotech-Unternehmen ATHENIX gekauft. Nach BAYER-Angaben verfügt ATHENIX über eine „umfangreiche Entwicklungsplattform von Pflanzen-Eigenschaften“ zur konventionellen Einzüchtung sowie „über die branchenweit größte Kollektion von so genannten Bt-Genen“, die das Ackerfrüchte-Erbgut mit dem für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis bestücken. Auch gegen Fadenwürmer hat die Firma etwas im Angebot. Zudem hat sie Lizenz-Abkommen mit Konzernen geschlossen, die jährlich 500 Millionen Euro einbringen.

Neues Baumwoll-Forschungszentrum
Baumwolle - gentechnisch manipuliert, konventionell oder mit eingezüchteten Sondereigenschaften - gehört zu den Kerngeschäften BAYERs. Deshalb hat der Agro-Multi jetzt auch im texanischen Lubbock ein neues Zentrum für Baumwollforschung und -züchtung in Betrieb genommen.

WASSER, BODEN & LUFT

PCB-Verbrennung: 15.000 Tonnen
Besonders wegen ihrer langen Halbwertzeit zählen Polychlorierte Biphenyle (PCB) zu den gefährlichsten Chemikalien überhaupt. Obwohl bereits seit 1985 verboten, ist die Substanz, zu deren Hauptanbietern BAYER gehörte, noch nicht aus dem Alltag verschwunden und überdauert beispielsweise als Isoliermaterial in Gebäuden. Und wenn etwa Sanierungsmaßnahmen anstehen, findet das PCB auch seinen Weg zurück zu BAYER und landet in den Sondermüll-Verbrennungsanlagen des Konzerns. Allein der Leverkusener Ofen schluckt jährlich 15.000 Tonnen - und spuckt angeblich kaum PCB-Rückstände aus.

Warnung vor Tabun
Etwa 6.000 Giftgas-Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg liegen zweieinhalb Seemeilen vor Helgoland in der Nordsee (Ticker 2/09). Bestückt sind sie mit dem Kampfstoff Tabun, den Gerhard Schrader 1936 im Leverkusener BAYER-Werk entwickelt hatte. Nach Einschätzung der schleswig-holsteinischen Katastrophenschutz-Behörde ist die Substanz durch Seewasser, Druck und Korrosion schon lange aus den Geschützen ins Meer entwichen. Das „Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrologie“ hat deshalb davor gewarnt, in dem Gebiet „grundnahe Fischerei“ zu betreiben. Eine Bergung oder andere Maßnahmen planen die zuständigen Institutionen derzeit nicht.

Wolfenbüttel: Bodensanierung beendet
Im letzten Jahr hat BAYER die Pestizid-Produktion am Standort Wolfenbüttel aufgegeben und ein verseuchtes Werksgelände hinterlassen. Nicht nur 325 Kilogramm Pestizide schlummern im Erdreich, sondern auch 3.000 Kilogramm Benzol sowie Lösungsmittel, Mineralöle und Schlacken. Für den größten Schadstoff-Eintrag hatte 1978 - damals betrieb SCHERING auf dem Gelände eine Chemie-Produktion - eine Explosion gesorgt, denn mit dem Löschwasser versickerte ein ganzer Chemie-Cocktail (Ticker 3/09). Die Sanierung des Grunds gestaltete sich schwierig. Im Laufe der Arbeiten entdeckten die Fachleute noch mehr Schadstoffe und erweiterten ihren Aktionsradius um 200 Quadratmeter. Im November 2009 hatten sie dann auf 1.200 Quadratmetern bis zu einer Tiefe von acht Metern Erde ausgehoben und beendeten ihre Tätigkeit. Die Reinigung des Grundwassers allerdings dürfte noch lange dauern. Der Geologe Jürgen Röhrs veranschlagt dafür 50 Jahre; BAYER will es hingegen in einer Dekade schaffen.

Antwerpen: Stadt gegen Kraftwerk
Der Energie-Riese E.ON will für BAYER am Standort Antwerpen ein Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 1.100 Megawatt bauen. Die Stadt hat sich jetzt angesichts der zu erwartenden Kohlendioxid-Emissionen von ca. sechs Millionen Tonnen und des Schadstoff-Ausstoßes gegen das Projekt ausgesprochen. Ein Aus für die Dreckschleuder bedeutet dieses Votum jedoch nicht.

CO2: Darf‘s ein bisschen weniger sein?
7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat BAYER im Jahr 2008 produziert. Nun hat der Konzern angekündigt, diese Menge bis zum Jahr 2013 um zehn Prozent reduzieren und die Emissionen mittels eines neuen Verfahrens zu Chlor-Herstellung weiter senken zu wollen. Klimawende sieht anders aus.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Bisphenol in Schnullern
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) wirkt hormon-ähnlich und kann deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern. Eine neue Studie, die der BUND gemeinsam mit GLOBAL 2000 in Auftrag gab, hat nun eine hohe Bisphenol-Konzentration in Schnullern festgestellt. 400 Mikrogramm pro Kilogramm wiesen die WissenschaftlerInnen nach.

Sexualstörungen durch Bisphenol
Das von BAYER massenhaft produzierte Bisphenol A kann nach einer von US-amerikanischen und chinesischen WissenschaftlerInnen gemeinsam durchgeführten Studie das Geschlechtsleben beeinträchtigen. Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz mit der Chemikalie in Kontakt kamen, klagten den ForscherInnen zufolge deutlich häufiger über Ejakulationsstörungen, Erektionsprobleme und Unlustgefühle.

Phthalate stören Geschlechtsentwicklung
Phthalate und andere Weichmacher beeinträchtigen die Geschlechtsentwicklung. Da die von BAYER in großen Mengen hergestellten Stoffe hormon-ähnlich wirken, stören sie die Produktion von Testosteron. So beobachteten ForscherInnen bei Kindern zwischen drei und sechs Jahren, die im Mutterleib hohen Weichmacher-Konzentrationen ausgesetzt waren, ein markant unmännlicheres Spielverhalten als bei ihren unbelasteten Altersgenossen.

Modernisierung der Chlorproduktion?
BAYER gehört zu den letzten Chlor-Herstellern, die noch das veraltete Amalgam-Verfahren einsetzen, bei dem das hochgefährliche Schwermetall Quecksilber emittiert wird - mittelständische Betriebe haben ihre Anlagen längst umgerüstet. Nun hat der Chemie-Multi am Standort Krefeld endlich auch Modernisierungsmaßnahmen angekündigt. Allerdings stellte er diese erpresserisch unter Vorbehalt: Nur wenn es ein „Ja“ zur Kohlenmonoxid-Pipeline und zum Kohlekraftwerk gibt, will er die nötigen Investitionen vornehmen.

CO & CO.

Pipeline nicht erdbebensicher
In der Niederrheinische Bucht gibt es nach Aussage des Diplom-Physikers Klaus Lehmann vom „Geologischen Dienst NRW“ eine „moderate Erdbeben-Gefährlichkeit“. Die letzte größere Erderschütterung hatte eine Stärke von 5,9. Sie ging vom niederländischen Roermond aus und war bis Krefeld spürbar. Im Damenbecken des Schwimmbades entstanden Risse, weshalb die Stadt die Badeanstalt schloss. Deshalb muss BAYERs von Dormagen nach Krefeld verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline auch absolut erdbebensicher sein. Dies ist aber nach Einschätzung des „Geologischen Dienstes“ „bislang nicht ausreichend nachgewiesen“. Die Behörde hält in ihrem Gutachten zusätzliche Untersuchungen und Berechnungen für erforderlich, um beispielsweise Bodenrutschungen ausschließen zu können. BAYER weist die Kritik zurück: „Unsere Experten und der TÜV kommen zu anderen Schlussfolgerungen. Daran halten wir uns“.

CDUler fordern Pipeline-Stopp
Vier CDU-Landespolitiker haben in einem Offenen Brief an BAYER-Chef Werner Wenning einen Stopp der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline gefordert. „Beenden Sie sofort das Projekt CO-Pipeline. Tödlich giftiges Gas wie CO muss am Entstehungsort verarbeitet werden - in keinem Fall gehört es in eine Leitung, die durch Wohngebiete, Schulgelände und Kindertagesstätten geführt wird“, heißt es in dem Schreiben. Wenning zeigte sich wenig beeindruckt. „Unsere Pipeline erfüllt den höchsten Sicherheitsstandard“, versicherte er wieder einmal. Der BAYER-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Thomas de Win sprang seinem Boss bei, sprach von „platten Vorwürfen“ und warf den PolitikerInnen vor, auf Kosten des Leverkusener Multis Wahlkampf betreiben zu wollen.

Uhlenberg übt Kritik
Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte der Firma WINGAS als Bauherr von BAYERs umstrittener Kohlenmonoxid-Pipeline vorgeschrieben, den Boden vor Beginn der Verlegungsarbeiten sorgfältig mit Detektoren nach Fliegerbomben und anderen Kampfmitteln zu durchsuchen. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung jedoch nur unvollständig nach (Ticker 3/09). Deshalb geht nun auch der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckard Uhlenberg auf Distanz zum Bau. Er habe das Vertrauen in WINGAS verloren, erklärte der CDU-Politiker vor dem Umweltausschuss des Landtages. Ein hoher Beamter des Innenministeriums warf der Firma sogar vor, die Landesregierung belogen zu haben.

Pipeline-Baustelle als Holzlager
In Solingen haben Waldarbeiter die Pipeline-Baustelle als Holzlager benutzt und direkt über der Leitung Pfähle in den Boden gerammt. Da die Pflöcke nicht weit genug in die Erde reichten, hätte keine Gefahr bestanden, die Rohre zu beschädigen, gab die Stadt umgehend Entwarnung. Die Bezirksregierung forderte BAYER zu einer Stellungsnahme auf. Diese gab der Leverkusener Multi auch ab, und Regierungspräsident Jürgen Büssow ließ es dabei bewenden.

Sicherheitsstandards gesenkt
Die Bezirksregierung hat erneut die Sicherheitsstandards von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline gesenkt. Sie hat die überirdischen Stationen, die bei einem Störfall für eine Absperrung der verschiedenen Leitungsabschnitte sorgen sollen, aus der Explosionsschutzzone gestrichen und damit den bisher 66 Änderungsbescheiden einen weiteren hinzugefügt. Ähnlichkeiten der jetzt gebauten Pipeline mit dem von der Bezirksregierung genehmigten Projekt sind nur noch rein zufällig. „Wieder wurde - ohne öffentliche Beteiligung - ein Standard verändert, der vorher zweieinhalb Jahre Gültigkeit besaß. Das ist keine Petitesse“, kritisierte Dieter Donner als Sprecher der Pipeline-GegnerInnen.

NANO & CO.

Nano-Warnungen vom Umweltbundesamt
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Da sich diese durch eine besondere Festigkeit auszeichnen und weitere vorteilhafte Material-Eigenschaften besitzen, erwartet der Leverkusener Multi von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze. Deshalb errichtet er derzeit die weltgrößte Anlage nur Produktion von Nano-Kohlenstoffröhrchen, den so genannten BAYTUBES. Um mögliche Gesundheitsgefahren schert der Konzern sich nicht weiter - im Gegensatz zum Umweltbundesamt (UBA). Die Behörde hat eine Broschüre zur Nano-Technologie veröffentlicht, die wegen der dort aus der wissenschaftlichen Literatur zusammengestellten Risiken und Nebenwirkungen einigen Wirbel auslöste. So gibt es laut UBA Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung von Kohlenstoffröhrchen. Besonders für die Atemwege stellen die Winzlinge eine Bedrohung dar. Die Partikel können aber auch in Organe eindringen, die Blut/Hirn-Schranke überwinden oder zu den Zellkernen vorstoßen - mit bisher noch überhaupt nicht erforschten Folgen. Diese Material-Eigenschaften gefährden desgleichen Tiere und Ökosysteme. Wasserflöhe hat der Kontakt mit Nano-Stoffen nach Beobachtung von WissenschaftlerInnen schon dahingerafft, und für Wasser, Boden und Luft versprechen die Teilchen ebenfalls nichts Gutes. Nach dem unerwartet breiten Medien-Echo musste das Umweltbundesamt zurückrudern und Entwarnung geben. „Man darf nicht nur über die Risiken diskutieren, sondern auch über die Chancen“, meinte Autor Wolfgang Dubbert und stellte segensreiches Nano-Wirken auf den Gebieten des Umwelt- und Gesundheitsschutzes in Aussicht.

STANDORTE & PRODUKTION

Krefeld: Zusagen unter Vorbehalt
Im neuen Standortsicherungsvertrag (siehe auch KAPITAL & ARBEIT) hat BAYER dem Krefelder Werk Bestandschutz gewährt - allerdings unter Vorbehalt. Nur bei einem „Ja“ zur umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline und zum Kohlekraftwerk erklärt der Leverkusener Multi sich bereit, 200 Millionen Euro zu investieren und Auslastungsgarantien abzugeben.

Monheimer Substanz-Bibliothek erweitert
BAYER hat für ca. fünf Millionen Euro die Substanz-Bibliothek am Standort Monheim erweitert. In dem Hochregal-Lager „archiviert“ der Konzern 2,2 Millionen Chemie-Stoffe, die den Grundstock zur Entwicklung neuer Ackergifte bilden.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER kauft ATHENIX
Der Leverkusener Multi hat für knapp 250 Millionen Euro das US-amerikanische Biotech-Unternehmen ATHENIX gekauft (siehe auch GENE & KLONE).

Chemie„park“-Kooperation mit China
Die BAYER-Chemie„parks“ in Leverkusen, Dormagen und Krefeld haben ein Kooperationsabkommen mit einem chinesischen Pendant, dem „Nanjing Chemical Industry ‚Park‘“ geschlossen und einen Informationsaustausch, gemeinsame Weiterbildungsaktivitäten sowie eine Überlassung von Beschäftigten vereinbart. Einfädelt hatte den Deal Nordrhein-Westfalens landeseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW.INVEST, weshalb die Verträge auch während der China-Reise von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers unterzeichnet wurden.

ÖKONOMIE & PROFIT

697 Patente angemeldet
Unaufhörlich treibt BAYER die Privatisierung von Wissen mittels Patentierungen voran. Im Jahr 2008 hat der Leverkusener Multi 697 entsprechende Anträge gestellt, die ihm profitträchtige Monopolstellungen sichern sollen.

BAYER & Co. dominieren Wirtschaft
Über drei Millionen umsatzpflichtige Firmen existieren in der Bundesrepublik. 99,7 Prozent davon sind kleine und mittlere Unternehmen, 0,3 Prozent Multis wie BAYER. Allerdings landen 62 Prozent des Umsatzes bei den Global Playern.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Phosgen-Austritt in Dormagen
Am 28.11.2009 trat im Dormagener BAYER-Werk aus einer Pilotanlage Phosgen aus, das extrem giftig ist und im Ersten Weltkrieg als Kampfgas zum Einsatz kam. Zum Schutz zog der Multi eine Dampfwand aus - ebenfalls gesundheitsschädlichem - Ammoniak auf.

Blausäure-Austritt in Institute
Die Pannenserie in Institute hält an. War es an dem US-amerikanischen BAYER-Standort im August letzten Jahres zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Beschäftigte starben, so ereignete sich am 24.10.09 ein erneuter Zwischenfall. Aus einer Destillieranlage traten rund sechs Kilogramm Blausäure aus, von der schon geringste Menge ausreichen, um tödlich zu wirken.

RECHT & UNBILLIG

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Genreis-GAU: BAYER muss zahlen
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt n