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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[Klima-Killer] Klima-Killer BAYER

CBG Redaktion

CBG protestiert bei Bonner Klima-Konferenz

Aus gegebenem Anlass nahm die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN im November 2017 an den Protesten rund um die Bonner Weltklima-Konferenz teil.

Von Jan Pehrke

Die Chemie-Branche im Allgemeinen und der BAYER-Konzern im Besonderen zählen zu den größten industriellen Klima-Killern. Mit ihren massiven Kohlendioxid-Emissionen tragen die Konzerne maßgeblich dazu bei, dass die Bundesrepublik ihre selbstgesteckten Klimaschutz-Ziele zu verfehlen droht. Darum zog auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) im Herbst 2017 nach Bonn, um sich an den Protesten rund um die Weltklima-Konferenz der Vereinten Nationen zu beteiligen. In seiner Rede auf der Abschluss-Kundgebung der „Schluss mit dem faulen Zauber“-Demonstration am 11. November eröffnete CBG-Geschäftsführer Jens Wegener einen tiefen Blick in das Klimasünden-Register des Leverkusener Multis. 9,87 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat er Wegener zufolge 2016 ausgestoßen –160.000 Tonnen mehr als 2015!!! Auch über einen längeren Zeitraum betrachtet zeichnet sich deutlich ein negativer Trend ab: 2006 betrug der Wert noch 9,38 Millionen Tonnen CO2.
Überdies setzt das Unternehmen immer noch stark auf die besonders klima-schädliche Kohle, wie der CBGler in Bonn kritisierte. 32,6 Prozent betrug 2016 ihr Anteil am Energie-Mix des Global Players beim selbsterzeugten Strom, beim zugekauften dürfte er noch höher liegen. Der Konzern hält an der Steinzeit-Technologie fest, weil der Preis stimmt – alles andere interessiert ihn nicht. Dementsprechend lehnt er alle Versuche einer ehrgeizigen Klimaschutz-Politik als zu kostspielig ab. „Die Energie-Wende ist der größte Einschnitt in die Wertschöpfung der deutschen Industrie, den es je gegeben hat“, klagt etwa BAYERs Aufsichtsratsvorsitzender Werner Wenning. Darum versuchte die Aktien-Gesellschaft in Tateinheit mit anderen Unternehmen auch, Maßnahmen wie den Emissionshandel, das Erneuerbare-Energie-Gesetz oder den Klimaschutz-Plan so gut es ging aufzuweichen – mit Erfolg. Als die PolitikerInnen sich beispielsweise daranmachen wollten, den Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten zu einer teureren Angelegenheit für die Industrie zu machen, um der Erd-Erwärmung wirksamer Einhalt zu gebieten, brach ein Sturm der Entrüstung los. Angela Merkel zeigte sich dem nicht gewachsen und musste resigniert feststellen, eine Neuregelung sei „gegen die geballte deutsche Wirtschaft“ nicht durchsetzbar. Unlängst hat die EU hier zwar eine Reform auf den Weg gebracht, aber ohne Ausnahme-Regelungen für energie-intensive Branchen ging auch das nicht über die politische Bühne. Immer wieder verfangen nämlich die Drohungen der Wirtschaft, bei Entscheidungen wider ihre Profit-Interessen das Weite zu suchen. So warnte z. B. der ehemalige BAYER-Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers: „Ansonsten kann sich ein globales Unternehmen wie BAYER überlegen, seine Produktion in Länder mit niedrigeren Energiekosten zu verlegen“. Und jüngst drängte der beim Konzern für „Environment & Sustainability“ zuständige Wolfgang Große Entrup: „Angesichts explodierender Kosten ist eine marktwirtschaftliche und europäische Neuausrichtung der Energie- und Klimapolitik zwingend notwendig.“ Mit einem entsprechenden Vorschlag wartete der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) just zur Bonner Weltklima-Konferenz auf: „Die Chemie-Industrie regt an, dass künftige Kosten der Energie-Wende vom Bundeshaushalt übernommen werden.“

[40 Jahre CBG] Das Interview zum runden Geburtstag

CBG Redaktion

In diesem Jahr kann die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihr 40-jähriges Bestehen feiern. Mit einem ganz frischen Blick auf die Geschichte der Coordination befragt der neue CBG-Geschäftsführer Jens Wegener im Stichwort BAYER das Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura und den 1997 dazugestoßenen Jan Pehrke zu den Anfängen, den ersten Erfolgen, den Gegen-Reaktionen BAYERs, dem Standhalten und den neuen Herausforderungen, vor denen das Netzwerk steht. Aus gegebenem Anlass musste das Interview nur leider am Krankenlager von CBG-Urgestein Köhler-Schnura stattfinden, der schon seit Juni 2017 an einem ebenso komplizierten wie schmerzhaften Oberschenkel-Bruch laboriert (siehe auch Kasten).

Jens: Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN feiert dieses Jahr ihr 40-jähriges Bestehen. Ihre Gründung geht auf zwei große Unfälle bei BAYER im Jahr 1978 zurück. Wie genau ist es denn passiert, dass daraus ein so großes Netzwerk entstanden ist?

Axel: Die zwei Beinahe-Katastrophen ereigneten sich in Wuppertal. Dort gründete sich BAYER im vorletzten Jahrhundert, und das Werk steht mitten in der Stadt. Deswegen sind Unfälle in einem solchen Werk auch besonders gefährlich. Und dass die zwei Unfälle auch noch kurz hintereinander passiert sind, hat dazu geführt, dass sich eine Bürgerinitiative gegründet hat. Unfälle gibt es jeden Tag irgendwo in Deutschland in irgendeinem Industrie-Werk, und sie sorgen auch einige Tage für Aufregung, aber wenn dann erst mal wieder Ruhe einkehrt und das dann anschließend wieder zehn Jahre gut geht, dann passiert halt nichts. Aber in Wuppertal ist im Abstand von wenigen Wochen ein zweiter Unfall eingetreten, und dadurch sind die Leute wach geworden. Ich selbst gehörte zu den Menschen, die damals zu einer Bürgerversammlung aufgerufen hatten. Wir haben eine Gaststätte gesucht, da haben vielleicht 100 Leute reingepasst, aber es kamen fast 1.000. Sie standen dann vor der Gaststätte, und die Polizei musste sogar die Straße absperren und den Verkehr aufhalten für dieses Treffen. Die AnwohnerInnen waren wirklich auf den Barrikaden durch diese kurz aufeinanderfolgenden zwei Unfälle. Hätte es nur den ersten gegeben, kann man heute rückblickend sagen, gäbe es vielleicht gar keine COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Dann hätte das alles in der lokalen Presse Wellen geschlagen, und es hätte viele Leserbriefe gegeben und vielleicht einiges mehr, aber dann wäre es wieder verplätschert.

Jan: Es waren aber glaube ich auch nicht nur die Unfälle selber, sondern auch die Reaktionen von BAYER auf die Unfälle, die zu der Empörung führten.

Axel: Nein, es waren erst mal nur die Unfälle. Wobei dann, als die Bürgerinitiative zu arbeiten begonnen hat, sich der Ärger über den Konzern schon gesteigert hat, weil BAYER mit verharmlosenden Falschmeldungen reagiert hat. Beim ersten Unfall hatte es auch bereits solche Falschmeldungen gegeben, und das hat auch da zu Unmut geführt, aber so richtig den Protest beflügelt hat natürlich dann, was nach dem zweiten Unfall passiert ist. Da hat nämlich die Bürgerinitiative schon gearbeitet. Sie konnte so immer direkt reagieren und dem Protest in der Öffentlichkeit auch Stimme und Kraft verleihen. Und verharmlost hat der Konzern nicht zu knapp, z. B. anfangs bei den Angaben über das ausgetretene Gift. Die Menge hat sich binnen drei Wochen von einigen Gramm auf hunderte von Kilogramm erhöht.

Jens: Es ist ja immer wieder so: Es passiert etwas, aber gleich darauf kommt die Meldung: Es besteht keinerlei Gefahr, obwohl es eigentlich gar nicht möglich ist, diese Aussagen zu einem solchen Zeitpunkt zu treffen. Gelang es euch, das in Wuppertal durchkreuzen, indem ihr recherchiert habt und dann mit konkreten Fakten an die Leute herangegangen seid? War das ein wichtiger Impuls dafür, dass die Leute gesagt haben: Wir müssen längerfristig etwas gegen BAYER unternehmen?

Axel: Nein, das war alles viel simpler. Da war erst einmal so die allgemeine Empörung, die Angst. Man hat gesehen, wie die Vögel tot vom Himmel fallen; man hat gesehen, wie die Balkon-Pflanzen und die Straßenbäume ihre Blätter abgeworfen haben; man hat beim ersten Unfall gesehen, wie die ganzen Fensterscheiben und Tür-Stöcke barsten in einem Umkreis von 500 bis 1.000 Metern rund ums Werk. Da hat es ausgesehen wie nach einem Bomben-Angriff. Das haben die Leute gesehen. Aber sie wussten nicht, was das bedeutet, woher das kommt, warum das so ist und ob sich das morgen wiederholen kann. Also so ein ganz diffuses Angst-Gefühl. Man hat plötzlich gemerkt: Hoppla, da ist eine Gefahr, und ich bin betroffen. Deswegen ging es der Bürgerinitiative zuerst einmal darum, rauszukriegen, was überhaupt los war. Also, wir haben keine Fakten gehabt, gar nichts. Wir haben gerade mal gewusst, dass das Wort „BAYER“ aus fünf Buchstaben besteht und nicht mehr und nicht weniger. Und jetzt haben wir angefangen: Was heißt das überhaupt, diese fünf Buchstaben? Da ist eine Werksmauer, und was passiert dahinter? So hat das angefangen.

Jan: Was sind das überhaupt für Gifte? Was ist eine Pestizid-Produktion, wie ist die aufgebaut? Was lauern da für Gefahren? All das wusste damals keiner, es waren alles Laien mehr oder weniger.

Axel: Voll die Laien, keine Ahnung von nichts. So hat das angefangen, und das hat auch zu den Antworten geführt: Das und das ist ausgetreten, aber in einer ganz kleinen Menge. Als wir dann diese Information hatten, haben wir uns erst mal mit dem Stoff auseinandergesetzt, mit der Menge. Dann ergaben sich plötzlich Widersprüche, und BAYER musste ständig nachbessern, weil das alles nicht gepasst hat. Schließlich wurde man immer sachkundiger und ist praktisch erschrocken, dass man eine Straßenbreite getrennt von einer Produktion lebt, die Atomkraftwerkscharakter hat. Das hat dann dazu geführt, dass die Initiative sich stabilisiert und weitergearbeitet hat und letztendlich so etwas wie die Coordination dabei herausgekommen ist.

Jens: Ihr habt da rausgefunden: Wir müssen den Konzern genauer beobachten, wir müssen überall dort mehr recherchieren, wo BAYER zum Schaden von Mensch, Tier und Umwelt agiert. Eine Baustelle war da die Nordsee.

Axel: Du meinst die Proteste gegen die Dünnsäure-Verklappung in der Nordsee – das war fünf Jahre später. So schnell ging das alles nicht. Man hat erst einmal herausgefunden, dass das ein gefährliches Werk war und hat auch die gesamte Komplexität nach ein, zwei Jahren noch nicht so richtig überblickt. Was aber passierte: Ein Jahr später hat sich ein noch viel gefährlicherer und größerer Unfall ereignet, in Dormagen, das ist 30, 40 Kilometer von Wuppertal entfernt. Verschiedene Sachen erfolgten dann. Wir haben erst einmal festgestellt, dass BAYER dort genauso verharmlost und genau dieselben dummen Sprüche bringt, um die Bürger einzulullen und Nebelkerzen zu werfen. Und wir haben festgestellt, dass die Bürger dort genauso beunruhigt waren oder sogar noch sehr viel mehr als bei uns in Wuppertal, weil das tatsächlich tödliche Gifte waren, die da ausgetreten sind. In einem Gebiet von 300 Quadratkilometern wurde Katastrophen-Alarm ausgelöst. Da wir jetzt schon praktisch seit anderthalb Jahren dabei waren, haben wir sofort Kontakt aufgenommen mit den Bürgern und den Journalisten. Und das war ein Quantensprung, in jeder Hinsicht. Bei uns ist die Erkenntnis gewachsen: Oh, BAYER-Werke gibt es also nicht nur in Wuppertal. Das war uns vorher gar nicht so klar, weil wir so beschäftigt waren mit den beiden Unfällen, dass wir Konzern-Strukturen und all das gar nicht gesehen haben. Und über diesen Gedanken sind wir dann auch zum Gesamt-Konzern gekommen – und noch mal ein paar Jahre später zur Nordsee.
Das Zweite war, dass wir den Leuten in Dormagen unsere Erfahrungen, die wir in Wuppertal gemacht haben, vermitteln konnten. Darum hatte der Protest dort von Anfang an eine ganz andere Qualität und entsprechend viel Resonanz. Und da haben wir auch unsere erste Auseinandersetzung mit BAYER direkt gehabt. Der WDR kam für eine Sendung über den Unfall nach Dormagen, die live im Radio übertragen wurde: Vor Ort. Es war jemand von BAYER da, der Bürgermeister, Vertreter der Feuerwehr plus etwa 1.000 Bürger. Aber BAYER ist baden gegangen, in einer verheerenden Art und Weise, weil wir dort aus unseren Wuppertaler Erfahrungen schöpfen konnten und gewappnet waren. Die BAYER-Vertreter wurden ausgebuht und ausgelacht. Das war die Situation, und das alles live über den Sender. Das war die erste große Niederlage, und die hat auch direkt dazu geführt, dass die „Vor Ort“-Sendungen von diesem Zeitpunkt an nicht mehr live gemacht wurden. Und von dieser Sendung gibt es beim WDR nicht einmal mehr Kopien.

Jens: Wenn ein Konzern merkt, dass sich da etwas organisiert, dann versucht er natürlich auch, das zu bekämpfen. Was ist euch da denn so entgegengeschlagen in den ersten Jahren?

Axel: BAYER war in keinster Weise darauf vorbereitet, dass es da jetzt eine Bürgerinitiative gab, die länger besteht als nur zwei Wochen, also eine Kontinuität über die Zeit hinweg zeigt und überdies auch räumlich hinausgreift. Der Konzern hat da relativ hilflos herumoperiert. Mit Falschmeldungen, mit Verleumdungen und mit dem allgemeinen Programm: den Werkschutz in Stellung bringen, mal gucken, was sind das überhaupt für Leute ... das war es dann erst mal. In der Folgezeit, als wir schon systematisch Kontakt zu allen BAYER-Standorten in der Bundesrepublik aufgebaut hatten und regelmäßig die Probleme vor Ort thematisierten, kam die erste große Gegenmaßnahme, die speziell mit unserer Arbeit zu tun hatte. BAYER gab die Nachbarschaftszeitung BAYER direkt heraus. Damit hat der Konzern versucht, der wachsenden BAYER-kritischen Stimmung an den Standorten entgegenzuwirken.
Dann haben sie direkt draufgesattelt und Veranstaltungen gemacht, haben sogar BAYER-Gebäude zugänglich gemacht und als Bürgerzentren ausgewiesen. Dort haben sie den Kontakt zur Bevölkerung gesucht und versucht, sich mit uns auseinanderzusetzen, aber nicht direkt. Nach dieser „Vor Ort“-Sendung hat sich BAYER uns bis auf den heutigen Tag nie mehr direkt gestellt. Wenn dem Konzern etwa bekannt wurde, dass einer von uns bei einer Diskussion mit auf dem Podium sitzt, sagte er alles ab. Bis zum heutigen Tag war das damals in Dormagen das letzte öffentliche Zusammentreffen von BAYER-Vertretern mit Coordinationsvertretern. Aber indirekt hat der Konzern durch diese Nachbarschaftszeitungen, über diese Bürgerzentren versucht, auf uns zu reagieren.
Aber auch da haben sie direkt eine Niederlage erlitten, da wir durch Kontakte in das Werk hinein genau wussten, wann diese Zeitung erscheinen sollte. Und einen Tag vorher verteilten wir dann flächendeckend an allen Standorten den vier-seitigen Flyer „Direkt von BAYER – direkt in den Müll“. Das war die zweite große Niederlage, die BAYER erlitten hat, denn damit hatte der Konzern auch nicht gerechnet, dass wir den Charakter dieses Propaganda-Blattes enthüllen.

Jan: Später hat BAYER dann schon härtere Geschütze aufgefahren. Der Konzern hat den Werkschutz gegen uns in Stellung gebracht. Er hat ihn mit DKP-Fahnen ausstaffiert und zu unseren Hauptversammlungsaktionen beordert, um den Protest als DKP-gesteuert darzustellen. Und in den 1980er Jahren hat BAYER uns einen großen Prozess angehängt, der wirklich an unsere finanzielle Substanz ging. Sie haben sich ein Flugblatt von uns vorgenommen, eine Passage rausgepickt, wo wir dem Konzern vorwerfen, in seiner grenzenlosen Jagd nach Profiten demokratische Prinzipien zu verletzen, Kritiker unter Druck zu setzen und sich politischen Einfluss zu erkaufen und uns wegen Verleumdung angeklagt. Und der Streitwert war, ich weiß nicht, wie hoch war der Streitwert, Axel?

Axel: Der Streitwert war nicht das Entscheidende. Sie haben wegen Verleumdung geklagt, und wir sind verurteilt worden. Der Richter hat sich dann sogar noch angemaßt anzuordnen, dass wir die inkriminierte Passage nicht mehr wiederholen dürfen und dass wir jedes Mal, wenn sie irgendwo erscheint, eine Strafe zahlen müssen von 5.000 DM. Da die ganze Prozess-Berichterstattung logischerweise das inkriminierte Zitat gebracht hat, mussten wir für jeden Artikel 5.000 DM Strafe zahlen. Das hat natürlich zu hohen Strafen geführt, und der Prozess selbst hat auch noch mal eine Menge Geld gekostet. Das hat sich insgesamt auf einen Betrag von 400.000 Euro summiert. Wir sind dann vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Es hat alle Urteile revidiert, und wir haben auch alle Strafgelder zurückbekommen, aber die Prozess-Kosten nicht. Allein das Rechtsgutachten – vor dem Bundesverfassungsgericht kann man nicht bloß mit einer Klage-Schrift argumentieren, man braucht ein Rechtsgutachten – hat uns 100.000 DM gekostet.

Jan: Roman Herzog, der später Bundespräsident geworden ist, hatte damals den Vorsitz und in seiner Urteilsbegründung von dem hohen Gut der Meinungsfreiheit gesprochen, das es zu schützen gelte.

Axel: Wäre das Urteil nicht durch das Bundesverfassungsgericht revidiert worden, dann würden die Zeitungen heute alle ganz anders aussehen. Der Richter, der in der 2. Instanz das Urteil gesprochen hat, riet dem BAYER-Konzern sogar, uns nicht nur zivilrechtlich, sondern auch noch strafrechtlich zu belangen. Wenn er dann der Vorsitzende Richter wäre, hat er wörtlich gesagt, würde er mich für drei Jahre ins Gefängnis stecken. Das zeigt, wie drakonisch dieses Urteil war, und welche Auswirkungen es auf die bundesdeutsche Presselandschaft gehabt hätte. Darum war der Zuschauer-Raum auch voll mit Medien-Vertretern. Da saßen die ganzen Justiziare von Gruner & Jahr, vom Westdeutschen Rundfunk und haben sehr genau zur Kenntnis genommen, wie da die Urteile gefällt worden sind. Das Urteil ist schließlich zu der juristischen Grundlage für jede demokratische Berichterstattung in der Bundesrepublik geworden und gehört inzwischen zum Curriculum der Journalisten-Ausbildung. BAYER hat also von Beginn an immer wieder Niederlagen erlitten, die schon schmerzhaft waren. Das waren so Erfolge, die wir nebenbei erzielt haben, das waren jetzt noch nicht mal so direkte Erfolge wie der,
die Dünnsaure-Verklappung in der Nordsee zu stoppen.

Jens: Zu den größten direkten Erfolgen der CBG gehört die Verhinderung des Baus eines Pestizid-Werkes in Australien. Wie hat sich das genau abgespielt?

Axel: Es war Mitte der 80er Jahre, da gab es noch keinen Email-Verkehr. Da haben wir ein Fax bekommen von Leuten aus einem kleinen Dorf in Australien: Der BAYER-Konzern hätte in der Nähe des Dorfes, das in einem Wattenmeer-Naturschutzgebiet liegt, angefangen, ein Pestizid-Werk zu bauen. Sie wären zutiefst beunruhigt, wüssten aber nicht so genau, was es mit einem solchen Werk auf sich hat und was sie machen sollten. Wir haben die Menschen dann erst einmal über Pestizid-Werke informiert, haben im Austausch herausgefunden, was BAYER genau dort produzieren will und dann Material zu den Stoffen geliefert. Das hat die Leute qualifiziert, ihrerseits Pressevertreter und Vertreter von Umwelt-Organisationen sachgerecht zu informieren. Und wir haben gleichzeitig hier Alarm geschlagen, denn es ist ja immer eine unserer Hauptaufgaben, dass wir Proteste, die woanders entstehen, nicht nur dort austragen, sondern auch immer direkt bei BAYER in Leverkusen.
Nach einiger Zeit kam dann noch heraus, dass BAYER von dem australischen Bundesstaat tatsächlich die Genehmigung hatte, dieses Pestizid-Werk mitten ins Naturschutzgebiet im Wattenmeer zu bauen. Das hat noch weiter zur Skandalisierung des Ganzen beigetragen und dazu geführt, dass eine Konfrontation mit BAYER und dem Bundesstaat entstanden ist und es wenig später übergesprungen ist auf das ganze Land. So ist die Regierung unter Druck geraten und hat in ihrer Not eine Volksabstimmung über das BAYER-Werk angesetzt. Jetzt haben noch ganz andere Gruppen in die gesellschaftliche Diskussion eingegriffen, die Parteien, die Gewerkschaften und die Kirchen. Praktisch ist es zu einer wirklichen nationalen Diskussion darüber gekommen, ob der BAYER-Konzern in dem Wattenmeer ein Pestizid-Werk bauen darf oder nicht. Und die Bevölkerung war der Meinung: BAYER darf da kein Werk bauen. Das war ein gigantischer Sieg. Und wir haben dann hinterher auch dutzende von Dankesbriefen bekommen von Parteien, Gewerkschaften, Umweltverbänden, Kirchen, die sich bei uns persönlich bedankt haben für die großartige Unterstützung in dieser Auseinandersetzung.

Jens: Der BAYER-Konzern hat enorme Möglichkeiten, um seinen Standpunkten in der Öffentlichkeit Geltung zu verschaffen, aber die CBG bringt auch ein eigenes Magazin heraus, in dem sie eine Gegenposition dazu bezieht, das Stichwort BAYER. Wie schafft es die Coordination in einer Zeit, da viele Printmedien über Schwierigkeiten klagen, regelmäßig ein solches Magazin herauszubringen?

Jan: Es sind unsere Mitglieder, die uns dabei unterstützen. Und es war uns von Anfang an klar, dass wir ein publizistisches Organ brauchen, in dem wir darstellen, was wir gemacht haben, die Aktionen durcharbeiten, aber auch durch die Recherchen der Redaktion neue Anregungen für unsere Arbeit erhalten. Nur in unseren großen Krisen stand es mal in Frage, das Stichwort BAYER aufzugeben, aber im Allgemeinen haben wir es immer als sehr wichtig empfunden.

Axel: Jan hat ja schon gesagt: die Mitglieder. Ich würde noch hinzufügen: und die SpenderInnen. Das muss man nämlich wirklich einmal laut und deutlich sagen: Die Mitglieder und Spenderinnen sind unser A und O, denn die Coordination erhält keinerlei institutionelle Förderung. Es gibt keinen Geldgeber, der die Coordination regelmäßig finanziert. Das heißt, wir müssen alles durch Spenden und Förderbeiträge aufbringen – auch das Geld für das Stichwort BAYER. So eine Zeitschrift kostet nämlich: das Layout, der Druck, die Postzustellung ... Über den Preis von 30 Euro für das Jahres-Abonnement ist das nicht zu finanzieren. Es ist ein hoher fünfstelliger Betrag, den wir aufbringen müssen. Und da ist es ein großer Erfolg, dass die Zeitschrift erscheint, und dass sie auch wirklich schon seit Anfang der 80er Jahre erscheint. Das zeigt, dass es möglich ist, eine Zeitschrift herauszubringen, die dauerhaft und mit einer steigenden Auflage einen Konzern unter Kritik stellt mit all den Informationen, die über andere Konzerne nirgends zu lesen sind. Spätere Generationen werden sich darüber freuen. Der BAYER-Konzern ist meines Wissens der einzige Konzern in der ganzen Welt, der in dieser Weise umfangreich dokumentiert ist. Wie es ja auch im Ganzen keinen Konzern gibt, der sich schon so lange mit so etwas wie der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN herumschlagen muss.

Jens: Und der Konzern muss sich seit 1983 auch auf seinen Aktionärsversammlungen mit der Coordination herumschlagen ...

Jan: Ja, meine Vorgänger haben irgendwann entdeckt, dass man Zugang zu den Hauptversammlungen hat, wenn man eine Aktie kauft und das die Möglichkeit eröffnet, Konzern-Kritik direkt in der Höhle des Löwen zu betreiben. Man hat da den Vorstand direkt vor sich und kann ihn direkt damit konfrontieren, was alles so falsch läuft im Unternehmen. Das Pestizid-Werk in Australien z. B. – das haben wir auch da zur Sprache gebracht. Und der Vorstand muss uns aufgrund des Aktien-Rechts auf unsere Fragen auch Antworten geben. Er bemüht sich natürlich nach Kräften, möglichst ausweichende Antworten zu geben, aber manchmal ergeben sich da auch ganz interessante Momente.

Axel: Der BAYER-Konzern hat ja seit der WDR-Sendung in Dormagen zu dem Groß-Unfall nie wieder ein öffentliches Aufeinandertreffen zugelassen von BAYER-Vertretern und Coordinationsvertretern. Und genau deshalb sind wir dann zur Hauptversammlung gegangen. Wir haben gesagt: Wenn die nicht mit uns reden, kommen wir eben zu den Hauptversammlungen und reden mit ihnen.

Jens: Wenn man sich das alles so anhört, wie viel die CBG so macht, dann fragt man sich natürlich: Wie finanziert man das, vor allem unter dem Aspekt, dass der CBG der Anspruch auf Gemeinnützigkeit verweigert wurde?

Axel: Die Verweigerung der Gemeinnützigkeit, was bedeutet, dass Spenden an uns also nicht von der Steuer absetzbar sind, war 1983, in der Frühzeit der Gründung, eine der Maßnahmen, uns das Leben schwer zu machen. In den Akten schrieb der damalige Polizeipräsident von Wuppertal: Diese Organisation darf niemals die Gemeinnützigkeit kriegen. Dabei war klar, dass das ein von BAYER gesteuerter Akt war, weil der Konzern in Wuppertal die ganze Stadt dominiert – an allen Standorten dominiert er die Politik vor Ort. Und auf Landes- und Bundesebene tut er das genauso wie auf internationaler Ebene. Wir haben trotzdem 13 Jahre lang mit steuerrechtlichen und anderen juristischen Mitteln versucht, die Gemeinnützigkeit zu bekommen, aber es ist uns nicht gelungen. Unterstützung haben wir jedoch trotzdem erhalten. Die Leute entscheiden sich und sagen: Ich finde es richtig, Konzern-Kritik zu unterstützen oder eben nicht. Und da spielt es dann nicht die entscheidende Rolle, ob sie dafür eine steuerwirksame Spenden-Quittung bekommen oder nicht. Geld an eine Organisation wie die CBG zu geben, ist eine bewusste Entscheidung, das geschieht nicht einfach aus einem karitativen Impuls heraus.

Jan: Es gab auch gerade wegen der fehlenden Gemeinnützigkeit Solidarisierungseffekte bei den Leuten. Sie wissen eben, dass wir besonders auf Unterstützung angewiesen sind, weil wir keine großen anderen Möglichkeiten haben, unsere Arbeit zu finanzieren, etwa durch institutionelle Förderung oder durch großartige Anträge bei der EU.

Axel: Darum ist eigentlich der größte Erfolg in der Geschichte der Coordination, dass wir über 40 Jahre hinweg sicherstellen konnten, dass die Arbeit der Coordination immer finanziert wurde. Und das ist nicht nur ein finanzieller Erfolg, sondern auch ein politischer Erfolg, weil hinter der Unterstützung immer bewusste Entscheidungen stehen. Es wird tatsächlich wahrgenommen, dass diese Arbeit wichtig ist und dass sie erfolgreich ist.

Jens: Aktuell steht natürlich auch viel Arbeit an, und da ist vor allem die von BAYER geplante MONSANTO-Übernahme zu nennen.

Axel: So etwas wie die MONSANTO-Übernahme haben wir seit Bestehen der Coordination noch nicht erlebt. Seit der Zerschlagung der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN nach 1945 hat der Konzern nicht mehr versucht, ein Monopol zu errichten. BAYER galt lange als Konzern, der eine wesentliche Mitschuld an den beiden Weltkriegen trägt und musste vorsichtig agieren, um sich überhaupt wieder im Wirtschaftsbereich zu etablieren.

Jan: In den USA durfte BAYER lange Zeit gar nicht unter dem eigenen Namen auftreten. Erst 1994 gelang es dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Manfred Schneider, die bereits im Ersten Weltkrieg von den Amerikanern als „Feindvermögen“ konfizierten Namensrechte zurückzukaufen.

Axel: Aber jetzt setzt der Konzern mit der MONSANTO-Übernahme erstmals wieder – zwar nur in einem Teilbereich – dazu an, ein Monopol zu errichten. Und deswegen halte ich die MONSANTO-Übernahme für das einschneidenste Ereignis überhaupt in der bisherigen CBG-Geschichte. Sollte der Deal zustandekommen, wäre das für die Coordination eine riesige Herausforderung. Wir müssten uns einarbeiten in die MONSANTO-Produkte, die MONSANTO-Standorte und unser Netzwerk ausweiten, zwar keine Übernahme machen wie BAYER, aber unsere Aktivitäten mit dem weltweiten MONSANTO-Protest zusammenführen und tragfähige internationale Kooperationen herstellen. Wir sind jedoch gewappnet. Seit anderthalb Jahren schon haben wir einen internationalen Aufruf, und wir haben 2016 das MONSANTO-Tribunal in Den Haag als Startpunkt für den Aufbau dieses gemeinsamen antikapitalistischen Widerstandsnetzwerkes genommen.

Kasten
Ohne Ihre Hilfe geht es nicht.
Gegen einen internationalen Konzern anzutreten, kostet Geld. Viel Geld. Deswegen braucht die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Ihre Hilfe. Darum: Schenken Sie uns zum Geburtstag Ihre Fördermitgliedschaft. Oder erhöhen Sie Ihren Beitrag, wenn Sie schon Fördermitglied sind. Natürlich wissen wir, dass das bei vielen nicht geht. Fühlen Sie sich deshalb also nicht bedrängt. Aber machen Sie sich bitte einmal fünf Minuten Gedanken darüber, was es finanziell bedeutet, einem Multi 40 Jahre lang die Stirn zu bieten? Woher soll das Geld für dieses harte Auseinandersetzung kommen? Zumal der CBG aufgrund ihrer konsequent konzern-kritischen Haltung die Gemeinnützigkeit vorenthalten bleibt und sie auch keine institutionelle Förderung erhält.
Zudem geht die Coordination geschwächt in ihr Jubiläumsjahr. Der bei der CBG für die Finanzen zuständige Axel Köhler-Schnura hat sich einen komplizierten Oberschenkel-Bruch zugezogen und kann deshalb schon seit Juni lange nicht mehr mit voller Kraft arbeiten, was sich auch auf die Ertragslage des Netzwerks auswirkt.
Deshalb: Falls Sie Mitglied werden oder Ihren Beitrag erhöhen können, tun Sie das bitte. Ohne Ihre Hilfe geht es nicht!

[Land & Wirtschaft] CBG-Jahrestagung 2017

CBG Redaktion

Die diesjährige Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN widmete sich dem agro-industriellen Komplex und den Alternativen, die es zum Geschäftsmodell von BAYER & Co gibt.

Von Jan Pehrke

2016 hatte sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auf ihrer Jahrestagung aus gegebenem Anlass mit BAYERs Vorhaben, MONSANTO schlucken zu wollen, befasst. In diesem Jahr nahm sie sich nun vor, den gesamten agro-industriellen Komplex, der durch die momentan geplanten Übernahmen und Fusionen in diesem Sektor noch komplexer zu werden droht, einmal genauer zu durchleuchten. Aber auch die Beschäftigung mit den Alternativen zu den Praktiken der Global Player sollte nicht zu kurz kommen.
Zu Beginn sprach Benjamin Luig vom Südafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung über „Konzern-Macht im globalen Agrar- und Ernährungssystem“. Dabei blieb er nicht bei den Geschäften von BAYER & Co. stehen, sondern nahm zusätzlich noch andere Markt-Segmente in den Blick: die Düngemittel, den Landmaschinen-Sektor, die Lebensmittel-Ketten und den Nahrungsmittel-Zwischenhandel. In diesen Bereichen hat es Luig zufolge während der letzten Jahre ebenfalls eine massive Konzentrationswelle gegeben, wie im Falle des Agrarchemie-Monopolys maßgeblich getrieben von Großanlegern wie Warren Buffett. Und hinter den Konzernen, die dort die Top-Positionen einnehmen, steht teilweise noch mehr Kapital-Kraft als hinter BAYER & Co., hielt der Wirtschaftshistoriker fest. So machte etwa das Familien-Unternehmen CARGILL, das unter anderem im Zwischenhandel mit Ackerfrüchten und Vieh tätig ist, im Jahr 2016 mehr als doppelt so viel Umsatz wie der Leverkusener Multi.
Am Beispiel Südafrika verdeutlichte der Referent die fatalen Auswirkungen dieser Entwicklung. Das von MONSANTO, BAYER, SYNGENTA, DOWDUPONT und BASF gebildete Oligopol für Pestizide und Saatgut lässt die Preise für diese Inputs stetig steigen. Weitergeben können die Bauern und Bäuerinnen diese Kosten nur begrenzt, denn auf dem Gebiet des Zwischenhandels gibt es ebenfalls nicht viele Akteure. CARGILL besitzt hier ein Quasi-Monopol und hat entsprechend viel Nachfrage-Macht. In dieser Zwickmühle gefangen, treibt es Benjamin Luig zufolge viele landwirtschaftliche Betriebe immer tiefer in die Verschuldung.
Auch Roman Herre von der Menschenrechtsorganisation FIAN zog eine negative Bilanz der Agro-Industrialisierung mit ihrem „Think Big“-Imperativ. Hatte BAYER-Chef Werner Baumann den jüngsten Größenwahn der Branche mit der Dringlichkeit begründet, eine stetig wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgen zu müssen, so führte der FIAN-Aktivist dieses Argument überzeugend ad absurdum. Nach Herres Ansicht besteht nämlich kein Grund für eine Demographie-Panik: Zwar lebten im Jahr 2013 2,3 Mal mehr Menschen auf der Erde als 1960, aber die Lebensmittel-Produktion habe damit mehr als Schritt gehalten. Sie stieg im selben Zeitraum um den Faktor 3,2. Sogar ein Land wie Indien produziert Überschüsse, weist jedoch trotzdem eine immense Zahl an Hungernden auf – für Herre ein klarer Fall von Markt-Versagen. Aber nicht nur bei den indischen Bedürftigen kommt ein Großteil der landwirtschaftlichen Güter gar nicht an. Weniger als die Hälfte der globalen Ernten lande auf den Tellern, der Rest finde sich in den Trögen der Tiermast-Anlagen oder in den Tanks der Kraftfahrzeuge wieder, rechnete der studierte Geograf vor.
Bereits die in den 1960er Jahren ins Werk gesetzte „grüne Revolution“ hatte eine Lösung des Hunger-Problems mit Hilfe neuer Agro-Technologien versprochen. Aber ihre Verheißungen erfüllten sich nicht. Auf den Philippinen beispielsweise brachte sie vielmehr viele Bauern und Bäuerinnen in Not, so Herre. Geködert von anfangs hoch subventionierten Pestiziden und anderen Gütern, stiegen sie um. Als aber die im Rahmen der Produkteinführungskampagne gewährten Vergünstigungen ausliefen, reichte der Ertrag ihrer Felder nicht, um die Markt-Preise für die Inputs zu zahlen. Die FarmerInnen gerieten so in die Schulden-Falle. Darum drehten dort ForscherInnen zusammen mit den LandwirtInnen in einem Projekt die Uhren zurück: Sie entwickelten ein kleinteiligeres Reisanbau-Modell ohne Hochertragssorten und Pestizid-Einsatz – das zero-chem-farming – und erzielten damit einen beeindruckenden Erfolg. Die Input-Kosten sanken, und trotzdem hatten die Bauern und Bäuerinnen noch eine reichere Ernte als ihre KollegInnen, welche die teureren hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Arten verwendeten.
Mit Bernd Schmitz trat anschließend jemand ans Mikrofon, der als Praktiker an den von Roman Herre vorgestellten „Alternativen zum industriellen Ernährungssystem“ arbeitet. Aus einer alten Bauernfamilie stammend, die seit mehreren Generationen einen Hof im Hanftal bei Königswinter bewirtschaftet, entschloss er sich im Jahr 2006 zu der Umstellung auf eine ökologische Produktion. Veranlasst dazu haben ihn zwei Dinge: Das Förderprogramm unter der damaligen Landwirtschaftsministerin Renate Künast von Bündnis 90/Die Grünen und die Invasion der gentechnisch veränderten Futterpflanzen, der er entkommen wollte. Jetzt sehen seine Kühe wieder Land und fressen wie von alters her Gras statt der Eiweiß-Bomben aus Soja. Und sogar Hörner dürfen sie wieder haben, auch wenn Schmitz dafür die Stall-Fläche vergrößern musste, um der Verletzungsgefahr bei Rangkämpfen vorzubeugen. „Helden der Arbeit“ sind seine Tiere jetzt zwar nicht mehr, denn sie geben nur noch 6.500 Liter Milch im Jahr statt wie früher 9.000, aber betriebswirtschaftlich geht die Rechnung trotzdem auf. Schmitz kann sich jetzt nämlich das teure Turbo-Futter und die TierärztInnen-Flatrate – sonst obligatorisch in der Milchproduktion – sparen.
Überdies baut der derzeitige NRW-Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ noch Kleegras, Winterweizen und andere Ackerfrüchte unter Beachtung der Fruchtfolge an, d. h. er sät jedes Jahr etwas anderes aus, um die Böden zu schonen. Auch pflanzt der Bauer nicht dicht an dicht wie in der konventionellen Landwirtschaft üblich. So kann auch mal der Wind über das Feld wehen und Pilz-Sporen vertreiben, was dem Einsatz von Pestiziden vorbeugt.
Mit solchen chemischen Keulen sucht BAYER die Welt schon mehr als hundert Jahre heim. Damit nicht genug, finden sich noch viele andere, nicht weniger gefährliche Produkte für LandwirtInnen im Angebot des Unternehmens. Jens Wegener von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gab in seinem Referat einen historischen Überblick über die weit verzweigten Aktivitäten des Leverkusener Multis im Agrar-Bereich. Bereits 1892 bringt dieser mit Antinonnin das erste Insektizid auf chemischer Basis heraus. Ein folgenschwerer Schritt, denn solche Gifte entwickelten sich nicht nur zur Landplage, sie erwiesen sich auch als kriegsverwendungsfähig, wie der CBGler erläuterte. Nur eine kleine Abweichung in der Formel, und schon entstanden während des Zweiten Weltkriegs in den BAYER-Laboren aus einer Agro-Chemikalie Nervengase wie Tabun oder Sarin. Das allein führt schon das ganze Ausmaß der Zerstörungskraft dieser Substanzen vor Augen. Von hunderttausenden Todesfällen jährlich durch Vergiftungen berichtete der Geschäftsführer der Coordination. Dem Global Player aber reichte diese eine Risiko-Technologie noch nicht. Auch mit gen-manipuliertem Saatgut experimentierte er früh. Und nun setzt das Unternehmen an, der mit Abstand größte Agro-Konzern der Welt zu werden.
Ob aber die Übernahme MONSANTOs gelingt, steht dahin. Die Aktien-Gesellschaft gebietet nämlich seit fast vierzig Jahren nicht mehr allein über ihr Schicksal, konstatierte der CBGler – und das nicht nur wegen neuer Anteilseigner wie BLACKROCK. Seit 1978 redet auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ein Wörtchen mit. So wie die Coordination zurzeit massiv gegen den MONSANTO-Deal mobil macht, hat sie in der Vergangenheit bereits zahlreiche – und oft genug auch erfolgreiche – Kampagnen gegen die Risiken und Nebenwirkungen einer profit-orientierten Geschäftspolitik durchgeführt. Der CBG gelang es nach Wegeners Worten beispielsweise, in Indien die Kinderarbeit bei den Zulieferern der BAYER-Tochter PROAGRO zu stoppen. Zuvor hatten sich bis zu 2.000 Kinder im Alter von sechs bis vierzehn Jahren zwölf Stunden am Tag für 50 Cent im Baumwoll-Anbau verdingen müssen. Auch schaffte es die Coordination in Kooperation mit Partnern vor Ort, 1987 den Bau eines gefährlichen Pestizid-Werkes in Australien zu verhindern.
Selbst der Leverkusener Multi kann die Folgen der CBG-Arbeit für ihn nicht ganz in Abrede stellen, auch wenn er es mit aller Kraft versucht. Jens Wegener zitierte dazu den heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning, der 2013 in einer Fernseh-Dokumentation zu „150 Jahre BAYER“ sagte: „Die Fragen des Umweltschutzes, die Fragen des Klimaschutzes haben in den letzten Jahren eine erhebliche Bedeutung bekommen, und es war unsere Pflicht, dass wir uns mit diesen Dingen noch intensiver auseinandersetzen. Sicherlich hat einiges, was von unseren externen Kritikern gekommen ist, bestimmte Abläufe auch noch mal beschleunigt.“
Und so zeigte die Jahrestagung denn, dass eine andere Landwirtschaft und noch so einiges mehr möglich ist. Damit gab sie der „Stop BAYER/MONSANTO“-Kampagne zusätzlichen Auftrieb, die 2018 – dem 40. Jahr des Bestehens der CBG – in eine neue Runde gehen wird.

HERVORHEBUNGEN:

Zu Beginn sprach Benjamin Luig vom Südafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung über „Konzern-Macht im globalen Agrar- und Ernährungssystem“. Dabei blieb er nicht bei den Geschäften von BAYER & Co. stehen, sondern nahm zusätzlich noch andere Markt-Segmente in den Blick: die Düngemittel, den Landmaschinen-Sektor, die Lebensmittel-Ketten und den Nahrungsmittel-Zwischenhandel.

Hatte BAYER-Chef Werner Baumann den jüngsten Größenwahn der Branche mit der Dringlichkeit begründet, eine stetig wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgen zu müssen, so führte der FIAN-Aktivist Roman Herre dieses Argument überzeugend ad absurdum.

Selbst der Leverkusener Multi kann die Folgen der CBG-Arbeit für ihn nicht ganz in Abrede stellen, auch wenn er es mit aller Kraft versucht.

Die Akte „Glyphosat“

CBG Redaktion

Am 27. November 2017 verlängerte die EU die Zulassung des gesundheitsgefährdenden Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat um weitere fünf Jahre. Den Ausschlag dafür gab das positive Votum Deutschlands. Die Absprachen der Großen Koalition brechend, räumte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) MONSANTO und BAYER den Weg für weitere Geschäfte mit dem umstrittenen Produkt frei. Im Vorfeld hatten unzählige Initiativen die PolitikerInnen davon zu überzeugen versucht, das Mittel aus dem Verkehr zu ziehen. Dazu zählte auch der Offene Brief, den Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt im Ruhestand, geschrieben hatte. Stichwort BAYER dokumentiert das Schriftstück, das wichtige Argumente gegen das Herbizid zusammenträgt, denn geschlossen ist die Akte „Glyphosat“ noch nicht. Vorerst gilt es jetzt, für Verbote auf nationaler Ebene zu streiten.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Frau Umweltministerin Hendricks,
sehr geehrter Herr Agrarminister Schmidt,
sehr geehrter Herr Schulz, sehr geehrter Herr Lindner,
sehr geehrte Frau Göring-Eckart, sehr geehrter Herr Özdemir,
sehr geehrte Frau Kipping, sehr geehrter Herr Riexinger,

als mitdenkende und um Demokratie bemühte Bürger und Fachleute wenden wir uns an Sie mit der entschieden vorgetragenen Bitte, die anstehende Entscheidung über die Fortsetzung der Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat unter besonderer Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung zu treffen. Glyphosat ist nach unserer wissenschaftlich begründeten Meinung gesundheitsschädlich und umweltgiftig.
Die chemische Industrie der Pestizid-Hersteller hat – sicher nicht ohne Grund - das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das dem deutschen Landwirtschaftsminister untersteht, als Berichterstatter für die Glyphosat-Bewertung ausgewählt. Die dahinter zu vermutende Nähe der Agrarchemie-Produzenten zum BfR (1) hat offenbar die Glyphosat-Bewertung (2) beeinflusst. Anders können wir uns nicht erklären, wie ein so großer Unterschied zwischen der Beurteilung der Wissenschaft mit ihren Gift-, Hormon-, Umweltforschern und den Behörden zustande kommen kann.
Insbesondere ist für uns nicht nachvollziehbar, wieso die folgenden Fakten von der Behörde, die für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor industriell produzierten Chemikalien federführend zuständig ist, nicht anerkannt werden:
1. die wissenschaftliche Betrachtung aller Komponenten des jeweiligen Glyphosat-Produktes
2. die Anreicherung von Glyphosat oder Resten von Glyphosat-Produkten im Menschen und in der Umwelt (Akkumulation)
3. die Hormon-Schädigung durch den Unkraut-Vernichter
4. die erbgut-schädigende Wirkung von Glyphosat (Mutagenität)
5. die mögliche Krebserzeugung (Kanzerogenität).

1. Die Inhaltsstoffe
Im wissenschaftlichen Bereich gibt es nicht den geringsten Zweifel daran, dass man bei der Beurteilung der Giftigkeit, der gesundheitlichen oder Umwelt-Risiken alle Komponenten eines Gemisches oder Produktes betrachten muss. Dass bei glyphosat-basierten Herbiziden (GBH) anders verfahren werden soll, ist eine absolute Ausnahme und mit wissenschaftlichen Kriterien nicht vereinbar. Insofern muss man die Beschränkung der Überprüfung bei der Zulassung von glyphosat-haltigen Pestiziden auf die „aktive“ Substanz (Glyphosat) und die Nichtberücksichtigung der z. T. giftigeren Zusatzstoffe (3) Netzmittel als Entgegenkommen von Politikern und Behörden an die Pestizid-Hersteller werten. Eine Fülle von Arbeiten hat nachgewiesen, dass viele GBH giftiger sind als Glyphosat allein, das als Bewertungsgrundlage ausgewählt wurde. Schließlich können Hersteller so zu sehr viel geringeren Kosten verschiedene Produkte auf den Markt bringen. Mit Gesundheitsschutz für die Bevölkerung hat das allerdings nichts zu tun. In diesem Sinne werden alle glyphosat-basierten Herbizide von den beurteilenden Behörden BfR, EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) und ECHA (Europäische Chemikalien-Agentur) ... wissenschaftlich nicht korrekt beurteilt, wenn sie sich auf Glyphosat allein beziehen.

2. Die GBH-Anreicherung
In den letzten 20 – 30 Jahren hat sich Glyphosat zu dem am häufigsten angewendeten Pestizid weltweit entwickelt. Es ist global verteilt worden in der Umwelt, angekommen in Luft und Regen, in den Böden, auf dem Getreide, im Oberflächenwasser (in der Ostsee oberhalb des Grenzwertes) und im Grundwasser. Dadurch ist der Unkrautvernichter über unsere Nahrung in kleinen, aber gesundheitlich bedeutungsvollen Mengen in den menschlichen Körper gelangt und hat sich dort in fast allen Organen verteilt. Daten über die Verteilung und Anreicherung im menschlichen Organismus und seinen Organen haben weder die Glyphosat-Hersteller vorgelegt, (...) noch der Berichterstatter BfR – das ist eine nicht hinnehmbare Wissenslücke für die Bewertung des Pestizids!
Dies ist jedoch auch ein schwerwiegendes Versäumnis, da auf diese Weise keine Beobachtung stattfinden konnte, ob und wie sich der Anstieg in verschiedenen Körper-Bestandteilen entwickelt hat. Die Behörden, insbesondere das Agrarministerium und das BfR, hätten mit einer frühzeitigen Erhebung eine mögliche Anreicherung in der Anfangsphase kontrollieren müssen, um zu überprüfen, ob die Aussage der Hersteller, es gäbe bei Glyphosat und AMPA (das Abbauprodukt Aminomethylphosphonsäure) keine Akkumulation, korrekt ist. Nach 15 Jahren Zulassung in Deutschland ist Glyphosat in Lebensmitteln, Futtermitteln, Tieren und Menschen so weit verteilt, dass man bei keiner Kontrollgruppe für statistische Vergleiche eine Nullbelastung (kein Glyphosat) voraussetzen darf. Dieses Problem wurde bei Tier-Fütterversuchen erstmals von der französischen Arbeitsgruppe von Prof. Seralini dargelegt, die nachwies, dass bei Untersuchungen von Umweltchemikalien wie z. B. Glyphosat systematische Fehler dann auftreten können, wenn Futter und Trinkwasser der Tiere nicht auch auf solche „versteckten“ Produkte untersucht werden.
Bei neugeborenen Schweinen, die im Alter von einem Tag wegen Fehlbildungen verstarben oder getötet werden mussten, wurde Glyphosat in praktisch allen Organen gefunden. Diese und andere Untersuchungen an verschiedenen Tierarten zeigen, dass Glyphosat die bedeutungsvolle Blut-Hirn-Schranke passiert. Beim Menschen gibt es hierzu keine Untersuchungen, obwohl bei Ratten Hirnschädigungen durch Pestizid-Gemische mit u. a. Glyphosat nachgewiesen wurden – ebenfalls eine bedenkliche Wissenslücke.
Als Hinweis auf eine unkritische Einstellung des Agrarministeriums und des BfR gegenüber den Pestizid-Herstellern kann man bei wohlwollender Interpretation die Tatsache werten, dass alle der nachfolgend zusammengefassten Untersuchungen zu Glyphosat-Vorkommen im menschlichen Körper nicht von der zuständigen Behörde (Ausnahme: Umweltbundesamt) veranlasst wurden, sondern von Bürgern, Umweltorganisationen oder Bundestagsabgeordneten der Grünen. Eher handelt es sich aber doch um eine juristisch zu bewertende Vernachlässigung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung (...)
2015 entdeckte Frau Prof. Krüger (Auftrag: Grüne) erstmals in Deutschland in allen 16 Muttermilch-Proben Glyphosat, während das BfR 2016 in keiner von 114 Frauenmilch-Proben Glyphosat fand. Allerdings belegen die glyphosat-freien Ergebnisse der Muttermilch-Untersuchungen des BfR und der USA (MONSANTO) keineswegs, dass in diesen Proben kein Glyphosat enthalten war, sondern lediglich, dass die Untersuchungsmethode ungenauer war als die mit positiven Ergebnissen. Statt also aus Vorsorge-Gründen im genaueren Bereich der Mess-Ergebnisse von Frau Prof. Krüger zu suchen, gab das BfR Gelder für eine Untersuchung mit einer ungenaueren Methode aus, nur um vorzugeben, es sei „kein Glyphosat in der Muttermilch“ zu finden. Unten wird ausgeführt, warum dieser niedrige, vom BfR nicht erfasste Mess-Bereich aus medizinischen Gründen wichtig ist (→ 3. Hormonschädigung).
Dass Glyphosat die Plazenta (Mutterkuchen) passieren kann, ist lange bekannt. Warum bisher das Nabelschnur-Blut von Neugeborenen nur in einer kleinen kanadischen Studie untersucht wurde, scheint wie ein Akt des bewussten Wegguckens. Wenn man als Behörde eine Beurteilung über ein global verteiltes, erbgut-schädigendes und wahrscheinlich krebs-erzeugendes Produkt/Gemisch abgeben soll, ist die Prüfung der Frage nach der Wirkung auf ungeborene Kinder zwingend erforderlich. Diese schwerwiegende Wissenslücke ist erstmals seit April 2017 durch eine thailändische Studie teilweise reduziert worden. Erstaunlicherweise sind die Glyphosat-Werte in der deutschen Muttermilch ähnlich hoch wie die Blutwerte der thailändischen Neugeborenen. Völlig unbekannt ist aber, welche Auswirkungen diese auf die Gehirn- (fehlende Blut-Hirn-Schranke!) und Gesamt-Entwicklung des Kindes in der Schwangerschaft und damit auf das spätere Erwachsenenalter haben.
Ein Vergleich von Glyphosat-Werten bei Neugeborenen mit angeborenen Fehlbildungen ist nirgendwo zu finden, obwohl in Südamerika in den GBH-Anwendungsgebieten eine Zunahme von Wirbelsäulen-Fehlbildungen mit „offenem Rücken“ (meist mit angeborener Querschnittslähmung) und vermehrtes Auftreten von Krebs bei Kindern berichtet wurde.
Die wichtigen Auswertungen von Frau Prof. Krüger einer von Bürgern initiierten und bezahlten Urin-Untersuchung („Urinale 2015“) ergaben nicht nur, dass 99,6 % der Urin-Proben Glyphosat enthielten, sondern auch, dass die höchsten Glyphosat-Belastungen in der jüngsten Altersgruppe (0 - 9 Jahre) 4 vorkamen! Das BfR bleibt – bei aller berechtigten Kritik an der Studie – die Antwort auf dieses wichtige Problem schuldig. Stattdessen versucht das BfR, mit einer scheinbar wissenschaftlichen Berechnung anhand der selbst erstellten ADI-Werte (Acceptable Daily Intake = erlaubte tägliche Aufnahme) die Tatsachen zu verniedlichen (s. u.). Ungleich bedeutungsvoller ist doch die damit abgeblockte Frage, ob die aufgenommene Glyphosat-Menge im Urin einen negativen Effekt auf die Gesundheit hat und welche Ursache und welche Auswirkungen diese Höchstwerte bei den Kindern (5) für ihre Nierenfunktion (6) langfristig haben. Hier treten Wissenslücken bei den Abbau-Wegen von Glyphosat zutage: Eine einzige Untersuchung legt die Vermutung nahe, die Halbwertszeit könnte im Gegensatz zur Ratte mit 33 Std. beim Menschen 3 - 4 Std. dauern; über Verteilung oder Anreicherung in bestimmten Organen gibt es keine Informationen. Außerdem wurde das von Prof. Krüger angesprochene Problem auch in einer kürzlich erschienenen dänischen Studie mit verblüffend ähnlichen Messwerten beobachtet, die ebenfalls belegen, dass der Urin von Schulkindern im Alter von 6 -11 Jahren signifikant stärker mit Glyphosat belastet ist als der ihrer Mütter.
Die fehlende Erklärung für dieses mehrfach beobachtete und für die Entwicklung der Kinder möglicherweise bedeutungsvolle Phänomen wiegt schwer. Denn bisher ist in mindestens 8 Staaten (7) bevorzugt bei jungen Agrar-Arbeitern ein unerklärtes Nierenversagen (CKDu = chronische Nierenerkrankung unbekannter Ursache) aufgetreten, wahrscheinlich durch das Zusammenwirken von Glyphosat und Schwermetallen (8). In Sri Lanka sind ca. 20.000 Menschen daran verstorben, so dass Sri Lanka und El Salvador glyphosat-basierte Herbizide verboten haben.

3. Die Hormonschädigung
Studien an Zellkulturen zeigen, wie wenig Roundup (GBH von MONSANTO) in wie kurzer Zeit ausreicht, um eine hormonelle Wirkung zu erzielen. Beachtenswert ist auch, dass die geringen Glyphosat-Mengen in deutscher Muttermilch (Krüger, 2015) und im Blut thailändischer Neugeborener in einem Größenordnungsbereich liegen, der Studien zufolge genügt, um ein Wachstum hormon-abhängiger Brustkrebszellen auszulösen.
Bei Tier-Studien überrascht, dass so viele Arbeiten im Bereich oder sogar unterhalb des „No Observed Adverse Effect Levels“ (NOAEL) – unter dem angeblich keine schädlichen Nebenwirkungen gefunden werden – gesundheitsschädigende Auswirkungen auf das Zwischenhirn, die Hirnanhang-Drüse und sehr viele Hormon-Drüsen der getesteten Ratten hatten! Der Widerspruch löst sich für die Verbraucher auch nicht auf durch den Hinweis, dass sich der NOAEL-Wert auf reines Glyphosat bezieht, denn Verbraucher sind den Produkten ausgesetzt. Reines Glyphosat gibt es nur im Labor.
Diese Beispiele sind aber auch ein Beleg für die wissenschaftliche Unvollkommenheit der Grenzwert-Erstellung von ADI- und NOAEL-Werten, die aus wenigen Mess-Werten auf einen „Null-Wirkungs-Bereich“ zurückschließt, dabei aber wesentliche Wirkungen im Niedrigdosis-Bereich und die oft U- oder V-förmigen, nicht-monotonen Dosis-Antwort-Kurven hormonell wirksamer Substanzen nicht berücksichtigt (d. h. hier stimmt der Grundsatz „Die Dosis macht das Gift“ nicht, Anm. SWB).
Außerdem wird in diesen Beispielen nur die Wirkung einer einzelnen Substanz (Glyphosat) oder eines Gemisches (GBH) in diesen unvollkommenen wissenschaftlichen Blick genommen. Es gibt fast keine exakten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Kombinationswirkung etwa aller hormon-artig, z. B. östrogen-artig wirkenden Chemikalien in unserer Lebenswelt: Persistente, also schwer abbaubare Fremd-Östrogene aus PCB-, Dioxin-, DDT- und Flammschutzmittel-Rückständen sowie weniger persistente hormonschädigende Substanzen aus Plastik-Weichmachern, Kosmetika und Pestiziden wie Glyphosat.
Besonders zu beachten ist bei den Tierversuchen, zu welchem Zeitpunkt die GBH-Einwirkung erfolgte (Schwangerschaft, um die Geburt herum, im Erwachsenenalter) und in welchem Alter die Ergebnisse festgestellt wurden: So zeigen Dallegrave (9), Romano (10) und de Souza (11) dauerhafte Auswirkungen von GBH, das in der Schwangerschaft und um die Geburt herum verabreicht wurde, auf das gesamte Erwachsenenalter!
Auch beim Menschen gibt es deutliche Hinweise darauf, dass östrogen-artige Fremdhormone in der Schwangerschaft bei Jungen Hodenhochstand, Fehlmündung der Harnröhrenöffnung (Hypospadie), bei erwachsenen Männern zu beeinträchtigter Fruchtbarkeit und evtl. Hodenkrebs führen können. Ob das ebenfalls östrogen-artig wirkende Glyphosat bzw. GBH eine solche Wirkung hat oder unterstützt, ist bisher nicht untersucht worden, obwohl es naheliegend ist. Entsprechend muss bei Mädchen/Frauen darüber nachgedacht werden, ob eine erhöhte Menge von Östrogenen in der Frühschwangerschaft eine Ursache für die bisher ungeklärte erhebliche Zunahme (12) von Brustkrebs in Deutschland/weltweit ist. Zwar gibt es nach mehr als 30 Jahren wissenschaftlicher Beobachtung jetzt den Nachweis, dass DDT in der Schwangerschaft Brustkrebs bei erwachsenen Frauen fördert, für Glyphosat oder GBH gibt es keine Untersuchungen, sondern nur drängende offene Fragen.

4. Die Erbgut-Schädigung
Ein möglicher Mechanismus der Krebs-Entstehung durch Glyphosat ist die (...) Erbgutschädigung, die an Zellkulturen im „Reagenzglas“ (in vitro) oder an lebenden menschlichen Zellen (in vivo: weiße Blutkörperchen, Wangenschleimhaut) untersucht wurde. Obwohl fast alle unabhängigen Wissenschaftler, incl. der Krebsforscher der WHO (IARC), die gentoxische Wirkung von Glyphosat/GBH für eindeutig nachgewiesen halten an Pflanzen, Tieren und Menschen, bewerten das BfR und die ECHA in ihrer abschließenden Beurteilung Glyphosat als „nicht mutagen“. Dabei wurde u. a. von Clausing (13) darauf hingewiesen, dass die mit dem Ames-Test gelieferten Gegenbeweise deshalb nicht zählen, weil Glyphosat ein Breitband-Antibiotikum (S.18ff von 70) ist und dadurch Bakterien abgetötet werden können, an denen die Erbgut-Schädigung geprüft werden sollte. Auch diese Fakten streitet das BfR immer noch ab, um gegen die Mutagenität von Glyphosat argumentieren zu können.

5. Die Kanzerogenität

Die Krebsforscher der WHO (IARC) haben in ihrer zusammenfassenden Beurteilung von Glyphosat hervorgehoben ((http:monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/mono112-10.pdf), dass:
1. Glyphosat erbgutschädigend (mutagen, gentoxisch: S.78) ist
2. Glyphosat bei Tieren eindeutig krebserzeugend (kanzerogen: S.78) ist
3. Glyphosat nach den WHO-Kriterien wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen (S.78) ist.

Der IARC zählt als mögliche Mechanismen, wie Glyphosat krebsauslösend wirkt, die Erbgutschädigung und den oxidativen Stress auf ((Stoffwechsel-Schädigungen z. B. durch freie Radikale, Anm. SWB).
Der unabhängige Toxikologe Dr. Peter Clausing hat seit Jahren die Diskussion über Glyphosat kritisch verfolgt, war u. a. als Experte beim MONSANTO-Tribunal (2016) und als Beobachter anwesend bei der Verhandlung der Europäischen Chemikalien-Agentur (ECHA), die die letzte Beurteilung zu Glyphosat (14) abgeben musste vor der jetzt anstehenden Entscheidung über eine weitere Zulassung. In seinem detaillierten und präzise begründeten Artikel führt Clausing aus, warum er – wie auch der ehemalige Direktor des „US National Center for Environmental Health“ und der „US Agency for Toxic Substances and Disease Registry“, Prof. Christopher Portier (15) – Glyphosat als krebserzeugend ansehen im Sinne der 1 B-Klassifikation der EU (...): Nach der EU-Verordnung EG 1272/2008 genügen 2 voneinander unabhängige Tier-Studien mit Krebs-Befunden, um eine Substanz als krebserzeugend einzuordnen, für Glyphosat liegen aber bereits (...) 7 Studien mit positiven Krebsbefunden vor.
Ferner ist nach der Pestizid-Verordnung der EU von 2009 die Zulassung nicht gesetzes-konform wegen seiner „schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen“, auf die hier in ausreichendem Maße hingewiesen wurde.
Eine Zunahme von Krebs-Erkrankungen hat sich in den letzten 20 – 30 Jahren deutlich gezeigt u. a. bei:

a) Brustkrebs bei Frauen um 13 % in Deutschland zwischen 2003 u. 2013 (16). Ursachen für den Anstieg von ca. 1 % pro Jahr werden mehr in Umweltfaktoren gesehen, zumal Migrantinnen aus Japan mit seltenerem Brustkrebs-Vorkommen nach Umsiedlung in die USA sich innerhalb von wenigen Generationen angleichen.
b) Prostatakrebs: rückläufig in Deutschland um 14 % zwischen 2003 u. 2013 (siehe Anm. 16, Bericht zum Krebsgeschehen, S. 40); in Großbritannien seit den frühen 1990ern: + 44%, zwischen 2003 und 2014: + 6 %
c) Hodenkrebs: siehe dort Diagramm Fig. 2.2, S. 59 (=87/289) Nord-EU und weltweit: siehe dort Fig. 4
d) „Lymphdrüsenkrebs“ (18)
bei Frauen: + 7 % in Deutschland zwischen 2003 u. 2013 (dort S. 44);
bei Männern: +10 %
Werte zum Non-Hodgkin-Lymphom in Großbritannien liefern genaue Zahlen zu dem in epidemiologischen Studien bei Menschen (19) im Zusammenhang mit Glyphosat aufgetretenem „Lymphdrüsenkrebs“: + 39% seit den frühen 1990er Jahren.

6. Abschließende Überlegung und Forderungen

Entgegen den Ankündigungen der Hersteller bzw. Anbieter wie BASF, MONSANTO und BAYER haben sich Glyphosat bzw. GBH in der unbelebten Natur, in Tieren und Menschen in erheblichen Mengen angesammelt infolge eines ungebremsten weltweiten Einsatzes zur scheinbar kostengünstigen (20) Arbeitserleichterung in der Agrarwirtschaft. Die in Abhängigkeit geratene Landwirtschaft nimmt weiter die Pflanzen-Fruchtbarkeit negativ beeinflussende Unkrautvernichter hin und muss für steigende Pestizid-Mengen zahlen, denn eine Resistenz-Entwicklung ist längst eingetreten.
Der Gesellschaft sind dadurch aber nicht nur scheinbar kostengünstige Nahrungsmittel angeboten worden, sondern es sind bisher nicht komplett erfasste Kosten entstanden durch den erheblichen Rückgang der Artenvielfalt (Nahrungskette Insekten-Vögel), die Pestizid-Beseitigung aus unserer Umwelt (Bsp. Wasser) und eine nicht hinreichend zugeordnete Zunahme von Krankheitskosten (...)
Die Zunahme von Erkrankungen in den letzten 20 – 30 Jahren ist lautlos erfolgt. Politiker und Behörden haben versäumt, Forschungsgelder bereitzustellen, um den Zusammenhang zwischen der erbgutschädigenden, hormon-artigen Wirkung der am häufigsten angewendeten Pestizide (GBH) und der Zunahme von Erkrankungen hersteller-unabhängig wissenschaftlich zu überprüfen.

Dabei liegen für diesen Zeitraum z. T. Zahlen vor für einen Anstieg von

1. Krebserkrankungen: s. o.

2. chronischem Nierenversagen mit Dialyse-Pflichtigkeit um ca. 50 % zwischen 1996 und 2006
(s. o. Glyphosat-Verbot Sri Lanka u. El Salvador)

3. Angeborenen Fehlbildungen (mindestens über die hormon-artige Wirkung):
a) Hodenhochstand: S. 61 (=89/289) in der EU und weltweit (21)
b) Hypospadie (Fehlmündung der männl. Harnröhrenöffnung): S. 29 (=37/93) ff (22)
c) Beeinträchtigungen von Fruchtbarkeit/Samenqualität: Fig. 1 u. 2. (23)

Auch wenn eine genaue mengenmäßige Zuordnung nicht bis ins Detail geklärt ist, kann ein genereller ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und Glyphosat nicht abgestritten werden aufgrund folgender Hinweise:

1. der Nachweis aus Zellkulturen und Tierversuchen von vielfältigen Auswirkungen von Glyphosat/GBH auf unterschiedliche Hormonsysteme:

a) Nebennieren-Hypophysen-Achse mit Cortisol und ACTH
b) Geschlechtshormone Östrogen, Progesteron, Testosteron und deren übergeordnete Regulatoren (Gonadotropine)
c) Schilddrüsenhormone und TSH (übergeordnetes Schilddrüsen-Hormon)

2. diese glyphosat-bedingten Hormon-Störungen haben bei Tieren, obwohl nur zeitweise in der Schwangerschaft, um die Geburt herum oder in der Stillzeit angewendet, zu lebenslangen, irreversiblen gesundheitlichen Problemen oder Erkrankungen im späteren bzw. Erwachsenenalter geführt:

a) vorzeitiger Pubertätsbeginn im Jugendalter der Tiere
b) verändertes Sexualverhalten bei erwachsenen Tieren
c) verminderte Spermien-Zahl und vermehrt fehlgebildete Spermien
d) Störung der Schilddrüsen-Regulation

3. zusätzlich zu gutartigen Tumoren wurde durch Glyphosat/GBH eine Förderung folgender Krebsarten bei Mäusen und/oder Ratten nachgewiesen:

a) „Lymphdrüsen-Krebs“ (maligne Lymphome) – mehrere Studien (24), (25), (26), (27)
b) Blutgefäß-Krebs (Hämangiosarkom) – mehrere Studien( 28), ( 29)
c) Bauchspeicheldrüsen-Krebs (30)
d) Nieren-Krebs (31)

4.Wissenschaftler aus dem medizinischen und naturwissenschaftlichen Bereich haben wiederholt auf den Zusammenhang hingewiesen zwischen Krankheiten

a) und Glyphosat/GBH: Portier (32), Benbrook (s. a. Projekt) (33), Myers (34)
b) und hormonschädigende Substanzen:

Endocrine Society (35): weltweite Vereinigung der Hormonwissenschaftler
Figo: Weltverband der Gynäkologen u. Geburtshelfer (36)
TENDR 2016 (37), 2017 (38): Projekt von Kinderärzten u. Toxikologen zum Schutz der körperlichen und geistigen Entwicklung von Kindern (USA) vor Umweltchemikalien.

FORDERUNGEN:
1. Anwendung des geltenden EU-Rechtes, das den Gefährdungsgedanken (globales Glyphosat-Vorkommen, Gefährlichkeit der Substanz) und das Vorsorgeprinzip ausdrücklich hervorhebt:

a) nach der Chemikalien-Verordnung von 2008 und der Pestizid-Verordnung von 2009 muss Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen, basierend auf Tierversuchen (Kategorie 1B der Krebsgefährdung) eingeordnet werden und wegen genügender Evidenz (bösartige Tumore „in mindestens 2 voneinander unabhängigen validen Tier-Studien“ Article 3.6.2.2.3.b eingeordnet und dementsprechend verboten werden. Entsprechendes gilt wegen der Giftigkeit (Toxizität) auch nach Anhang II der Pestizid-Verordnung, 3.7.2.3. (S.43/50)
b) für die Erbgutschädigung (Mutagenität) und die
c) Fortpflanzungsschädlichkeit (Reproduktionstoxizität)

2. Umstrukturierung oder Abschaffung einer Behörde (BfR), die wie im Falle von Glyphosat jahrelang im Einvernehmen mit den Pestizidherstellern (u. a. BAYER, MONSANTO), aber im Widerspruch zu unabhängigen Wissenschaftlern und entgegen ihrem Auftrag die Menschen in der EU den Gesundheitsgefahren durch eine erbgut-schädigende, hormon-schädigende, krebs-erregende Substanz aussetzt. Dabei ist sie nicht in der Lage, einen Interessenkonflikt zu erkennen und zu kontrollieren.

3. Die Einführung einer standardmäßigen Nach-Beobachtung
a) zur Frage der Verteilung in der Umwelt
b) zur Giftigkeit, incl. Krebs-Erzeugung zu bestimmten Zeiten nach der ersten Zulassung durch unabhängige Wissenschaftler zu Lasten der Hersteller, die bis dahin eine Menge Gewinne erzielt haben.

4. Wie in unserer Gesellschaft bei jeder wissenschaftlichen Arbeit üblich, muss es auch in Zukunft für Firmen- oder Behördenmitarbeiter verbindlich sein, Pressemitteilungen, Anordnungen oder sonstige Schriftsätze als Einzelperson oder als Team mit den Unterschriften aller Verantwortlichen zu versehen.

5. Geheime oder unveröffentlichte Zulassungsstudien (siehe Fußnoten 24-31) darf es in Zukunft nicht mehr geben.

Aus den genannten Gründen muss die Zulassung für glyphosat-basierte Herbizide mit sofortiger Wirkung beendet werden.

Mit freundlichem Gruß
Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt Es besteht kein Interessenkonflikt.

ANMERKUNGEN

(1) Ein kleiner Ausschnitt mit wortwörtlichem Vergleich ist veröffentlicht beim Umwelt-Institut München.
(2) Burtscher-Schaden, H., Die Akte Glyphosat - Wie Konzerne die Schwächen des Systems nutzen und damit unsere Gesundheit gefährden. Kremayr & Scheriau, Wien, 2017. http:
www.kremayr-scheriau.at/bucher-e-books/die-akte-glyphosat-918
(3) Mit dem Hinweis auf das „Betriebsgeheimnis“ dürfen Pestizid-Produzenten nach deutschem und EU-Recht bestimmte Zusatzstoffe aus der Deklarationspflicht herausnehmen.
(4) 1.58 ng/mL = Mittelwert von Glyphosat im Urin der Kinder unter 9 Jahre = ca. 16 x höher als oberer Grenzwert für Glyphosat im Trinkwasser
(5) Besonders drängend erscheint diese Frage innerhalb der EU für portugiesische Kinder zu sein, wenn man die Spitzenwerte im Urin in Portugal betrachtet
(6) In Deutschland ist chronisches Nierenversagen (Nieren-Insuffizienz) zwischen 1996 und 2006 um ca. 50 % gestiegen.
(7) Sri Lanka, Indien, El Salvador, Costa Rica, Nicaragua, Ägypten, Tunesien, Bulgarien
(8) Über die Chelat-Bildung, wodurch auch die Halbwertszeit stark verlängert werden kann, haben sowohl Krüger:
Einfluss von Glyphosat und AMPA auf Boden, Pflanzen, Tiere
(https:www.naturland.de/images/Erzeuger/Fachthemen/Fachveranstaltungen/Pflanzenbau/2015/Sigoelveranstaltung/EinflussvonGlyphosatundAMPAaufBodenPflanzenTiereProfemDrMonikaKrueger.pdf) 14ff und Samsel und Seneff: Gyphosate, pathways to modern diseases IV: cancer and related pathologies (www.researchgate.net) als auch Burtscher-Schaden (Die Akte Glyphosat, S.26) sich geäußert
(9) Pre- and postnatal toxicity of the commerical glyphosate formulation in Wistar rats, Dallegrave, Eliane et. al.; Archives of Toxicology. Archiv für Toxikologie; Heidelberg Vol. 81, Iss. 9, (Sep. 2007: 665-73)
(10) Glyphosate impairs male offspring reproductive development by disrupting gonadotropin expression, Romano MA et. al.; Archives of Toxicology, 2012 April; 86 (4): 663-73
(11) Perinatal exposure to glyphosate-based herbicide alters the thyrotrophic axis and causes thyroid hormone homeostasis imbalance in male rats, de Souza JS et. al.; Toxicology; 2017 Feb 15; 377: 25-37
(12) Anstieg von Brustkrebs bei Frauen zwischen 2003 und 2013 um 13 %: Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016 (S. 36 =38 von 274: „aktueller Trend“ 1,3 %/Jahr)
http:
edoc.rki.de/documents/rki_fv/renGkGzAqwKc2/PDF/28oaKVmif0wDk.pdf
(13) Glyphosat und Krebs: Systematischer Regelbruch durch die Behörden, Peter Clausing; www.pan-germany.org
(14) ECHA, Rapporteur appointed by RAC: Christine Bjørge, Opinion of the Committee for Risk Assessment on a Dossier proposing harmonised Classification and Labelling at EU Level/glyphosate (ISO), 15 March 2017. https:echa.europa.eu/documents/10162/2d3a87cc-5ca1-31d6-8967-9f124f1ab7ae
(15) Portier, C. J., Letter to Jean Claude Juncker, President of the European Commission
28 May 2017. http:
www.gmwatch.org/files/Letter_Juncker_28_May_2017.pdf
(16) Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016; S.36, Tabelle links oben, aktueller Trend
http:edoc.rki.de/documents/rki_fv/renGkGzAqwKc2/PDF/28oaKVmif0wDk.pdf
(17) State of the science of endocrine disrupting chemicals – 2012, www.who.int
(18) Ein genauer Vergleich zu dem von der WHO in Zusammenhang mit Glyphosat als Ursache gebrachten Non-Hodgkin-Lymphom ist leider für Deutschland nicht möglich
(19) Non-Hodgkin lymphoma and occupational exposure to agricultural pestizide chemical groups and active ingredients, Shinasi L.; Leon ME; International Journal of Environmental Research and Public Health; 2014 Apr. 23; 11 (4): 4449-527. Siehe dort u. a. Table 5: der Wert von 0 % belegt eine hohe Konsistenz für einen Zusammenhang zwischen NHL-Subtyp B-Zell-Lymphom und Glyphosat.
(20) Die tatsächlichen Kosten müssten mindestens die Beseitigung von Glyphosat/GBH aus der Umwelt, die beeinträchtigte Bodenfruchtbarkeit, die ökologischen Schäden und Krankheitskosten durch die Gesundheitsschädigung berücksichtigen. Für hormonschädigende Substanzen in der EU hat Trasande eine Berechnung vorgelegt: Estimating Burden and Disease Costs of Exposure to Endocrine-Disrupting Chemicals in the European Union; The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism; 2015 April; 100 (4): 1245-1255
(21) State of the science of endocrine disrupting chemicals – 2012, S. 61(=89/289); www.who.int
(22)Endocrine disrupters and child health;
http:
apps.who.int/iris/bitstream/10665/75342/1/9789241503761_eng.pdf
(23)Male Reproductive Disorders and Fertility Trends: Influence of Environment and Genetic Susceptibility, Niels E. Skakkebaek et. al.; Physiological Reviews; Jan 2016; S. 55-97
(24) Atkinson, D., Unpublished Study, 1983
(25) Sugimoto, Unpublished Study, 1997
(26) Carcinogenicity Study with Glyphosate Technical in Swiss Albino Mice, Kumar, D.; Toxicology Department Rallis Research Centre, Rallis India Limited, Unpublished, 2001
(27) Wood, B., Unpublished, 2009
(28) Atkinson, D., 1983
(29) Sugimoto, Y., 1997
(30) A lifetime feeding study of glyphosate (Roundup technical) in rats, Lankas, G., Unpublished report, Bio/Dynamics, Inc., East Millstone, 1981
(31) A chronic feeding study of glyphosate (Roundup technical) in mice, Knezevich AL et al.; Unpublished Report, Bio/Dynamics, Inc., East Millstone, 1983
(32) Differences in the carcinogenic evaluation of glyphosate between the International Agency for Research on Cancer (IARC) and the European Food Safety Authority (EFSA), Christopher J Portier et. al.; Journal of Epidemiology and Community Health; 2016 Aug; 70 (8): 741-745
(33) Trends in glyphosate herbicide use in the United States and globally, Charles M. Benbrook; Environment Science Europe; (2016) 28:3
(34) Concerns over use of glyphosate-based herbicides and risks associated with exposures: a consensus statement, John Peterson Myers et. al.; Environmental Health (2016) 15: 19
(35) EDC-2: The Endocrine Society’s Second Scientific Statement on Endocrine-Disrupting Chemicals, A. C. Gore et. al.; Endocrine Reviews; (2015) Dec 36 (6)
(36) International Federation of Gynecology and Obstetrics opinon on reproductive health impacts of exposure to toxic environmental chemicals, Gian Carlo Di Renzo et. al.; International Journal of Gynecology & Obstetrics; Volume 131, Issue 3 (2015) Dec 219-225
(37) Project TENDR: Targeting Environmental Neuro-Developmental Risk. The TENDR Consensus Statement; Environ Health Perspect; DOI: 10.1289/EHP358
(38) Targeting Environmental Neurodevelopmental Risks to Protect Children, Deborah Hirtz et. al.; Pediatrics; Feb 2017, Volume 139/Issue 2

KASTEN

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt Tierversuche ab. Auch im Fall von Glyphosat haben diese sich als unzuverlässig erwiesen. Hätten die verantwortlichen Fachgremien sich bei der Beurteilung des Antiunkraut-Mittels auf epidemologische Studien gestützt, so wäre der Beweis für die Gefährlichkeit des Stoffes eindeutig ausgefallen. Nicht zuletzt wegen ihrer zweifelhaften Aussagekraft stellt sich die CBG gegen Experimente am „Tier-Modell“und setzt sich stattdessen für Alternativen wie etwa Tests mit menschlichen Zell-Kulturen ein.

[Glyphosat] Fatale Glyphosat-Entscheidung

CBG Redaktion

EU verlängert die Zulassung um fünf Jahre

DIE COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisiert die Entscheidung der Europäischen Union, die Zulassung für das Herbizid Glyphosat um fünf Jahre zu verlängern. „Noch nicht einmal ein Ausstiegsszenario hat die EU beschlossen. Damit droht Glyphosat zu einer unendlichen Geschichte zu mutieren. Das spricht dem Vorsorge-Prinzip Hohn“, so CBG-Geschäftsführer Jens Wegener.
Den Ausschlag bei der Sitzung des Brüsseler Berufungsausschusses gab das Votum der Bundesrepublik. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte den LandwirtInnen schon Ende Juni auf dem Deutschen Bauerntag in Berlin versichert: „Wir werden uns dafür einsetzen, dass Sie – da, wo das notwendig ist – diesen Stoff auch weiterhin anwenden können.“ Nicht zuletzt haben auch industrie-politische Gründe das Abstimmungsverhalten geleitet. Merkel & Co. wollten dem BAYER-Konzern, der gerade die Übernahme von MONSANTO plant, nicht die Aussicht auf das Millionen-Geschäft mit dem Top-Seller des US-Multis nehmen.
BAYER-Chef Werner Baumann lässt deshalb nichts auf das umstrittene Produkt kommen, auf das der Global Player seinen BALANCE-Soja und die Baumwoll-Sorten GLYTOL und FIBERMAX maßgeschneidert hat: „Ein sehr gutes und auch gut erforschtes Herbizid von MONSANTO, das auch weiterhin seine Daseinsberechtigung haben wird.“
Gesundheitliche Risiken, die von dem Pestizid ausgehen, stellt der Manager in Abrede. Dabei belegen unzählige Studien solche Effekte. So stuft die Weltgesundheitsorganisation WHO den Stoff als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Besonders häufig löst Glyphosat Lymphdrüsen-Krebs aus. In den USA sieht MONSANTO sich deshalb schon Tausenden Enschädigungsklagen gegenüber. Aber auch die Nieren kann das Mittel angreifen. Zunächst als Substanz zur Wasser-Enthärtung zugelassen, bindet es nämlich Kalzium, Magnesium und andere Metalle, welche die Funktion dieses Organs stören. Zudem machen zahlreiche MedizinerInnen das Total-Herbizid für Schwangerschaftskomplikationen verantwortlich, die zu Fehlgeburten führen oder Kinder mit massiven gesundheitlichen Problemen wie etwa Speiseröhren-Anomalien auf die Welt kommen lassen. Die Erklärung: Glyphosat wirkt auf die Retinsäure ein, einen Stoff, der bei der Embryonal-Entwicklung eine bedeutende Rolle spielt.
Auf dem MONSANTO-Tribunal, das Mitte Oktober letzten Jahres in Den Haag stattfand, bezeichnete der argentinische Mediziner Damian Verzeñassi aus diesem Grund das, was MONSANTO mit der Agro-Chemikalie in dem südamerikanischen Land macht, als einen Anschlag auf das Leben seines Volkes. Von einem „Ökozid“ sprach Verzeñassi. Und damit nicht genug, hat das Ackergift nicht nur negative Folgen für die Menschen, sondern auch für die Tiere und die Umwelt.
Dass das Mittel überhaupt eine so dominante Stellung erobern und halten konnte, obwohl es schon 40 Jahre auf dem Buckel hat, ist nicht zuletzt den innovationshemmenden oligopol-artigen Strukturen auf dem Agro-Markt geschuldet. Der Leverkusener Multi selbst weiß das ganz genau. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächen-Kulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Warum denn auch nach Neuem suchen, wenn es kaum Konkurrenz gibt und der Zugang zu dem, was Stüblers Boss Werner Baumann „den Profit-Pool der Branche“ nennt, so bequem ist?
Mit BAYERs Versuch, MONSANTO zu schlucken, droht sich diese Entwicklung noch zuzuspitzen. „Nicht zuletzt deshalb macht die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN massiv gegen den Mega-Deal mobil. Und dass damit auch das Teufelszeug Glyphosat in Leverkusener Hände zu kommen droht, weil die EU es nicht aus dem Verkehr zu ziehen wagte, wird unserer Kampagne weiteren Aufschwung geben“, hält Jens Wegener abschließend fest.

[Klimakiller] BAYER & Co. killen das Klima!

CBG Redaktion

Die CBG zum Bonner Klima-Gipfel:

BAYER & Co. killen das Klima!

Die Bundesrepublik droht ihre selbstgesteckten Klimaschutz-Ziele zu verfehlen. Das liegt nicht zuletzt an der Industrie, die ungerührt Tag für Tag das Klima weiter killt. Immer nach dem Motto: Zuerst der Profit.
Allein der BAYER-Konzern hat im letzten Jahr 9,87 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen – 160.000 Tonnen CO2 mehr als 2015!!! Auch über einen längeren Zeitraum betrachtet hat sich beim Pharma-Riesen nichts getan: 2006 betrug der Wert 9,38 Millionen Tonnen. Zudem setzt das Unternehmen immer noch auf die besonders klima-schädliche Kohle. Beim selbsterzeugten Strom betrug deren Anteil 32,6 Prozent; beim zugekauften Strom dürfte er noch höher liegen. „Diese Klima-Verbrechen des BAYER-Konzerns müssen ein Ende haben. Es muss endlich Schluss sein damit, dass für private Profite das Klima und der Planet ruiniert werden“, so Jens Wegener von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG).
Bislang haben es die Global Player vermocht, noch jede Energiewende-Regelung aufzuweichen. So gelang es ihnen etwa, den Emissionshandel zu einem wirkungslosen Instrument zu machen und eine Reform zu verhindern. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel räumte ganz offen die gnadenlose Macht der Konzerne ein: Eine Verschärfung sei „gegen die geballte deutsche Wirtschaft“ nicht realisierbar, lautete im Mai 2013 ihre Ansage. Damit steht bereits jetzt der Erfolg des neuerlichen Vorstoßes der EU, den Emissionshandel wirksamer zu gestalten, mehr als in Frage.
Überdies erreichten die energie-intensiven Betriebe eine weitgehende Befreiung von Abgaben zur Förderung alternativer Energien im Rahmen des „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“. Darüber hinaus schafften sie es mit ihren Interventionen, die Vorgaben des Klimaschutz-Plans zur CO2-Reduzierung abzuschwächen und einen Passus in der Versenkung verschwinden zu lassen, der einen Kohle-Ausstieg „deutlich vor 2050“ vorgesehen hatte.
„BAYER & Co. haben im Namen ‚Goldener Bilanzen‘ einzig und allein ein Interesse an maximal billigen Energie-Trägern. Egal wie dreckig und umweltschädlich sie auch immer sein mögen. Dafür halten sie auch so lange wie nur irgend möglich an Dinosaurier-Technologien fest. Dass die Konzerne damit die Zukunft des Planeten mehr und mehr in Gefahr bringen, ficht sie nicht an“, konstatiert Wegener.
So hat der Leverkusener Multi in der Vergangenheit immer wieder über die Energie-Wende im Allgemeinen und deren Auswirkungen auf die Strom-Preise im Besonderen geklagt. „Die Energiewende ist der größte Einschnitt in die Wertschöpfung der deutschen Industrie, den es je gegeben hat“, hielt etwa BAYERs Aufsichtsratsvorsitzender Werner Wenning fest. Der einstige
Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers drohte gar mit Abwanderung, sollte sich in dem Bereich nichts tun: „Ansonsten kann sich ein globales Unternehmen wie BAYER überlegen, seine Produktion in Länder mit niedrigeren Energiekosten zu verlegen.“ Damit nicht genug, drängte jüngst noch der beim Konzern für „Environment & Sustainability“ zuständige Wolfgang Große Entrup: „Angesichts explodierender Kosten ist eine marktwirtschaftliche und europäische Neuausrichtung der Energie- und Klimapolitik zwingend notwendig.“ Der Manager, der praktischerweise auch dem CDU-Wirtschaftsrat angehört und dort der Bundesfachkommission „Umweltpolitik“ vorsteht, fordert deshalb eine „marktwirtschaftliche und europäische Neuausrichtung der Energie- und Klimapolitik“.
„Eine ‚Neuausrichtung der Energie- und Klimapolitik’ ist tatsächlich notwendig“, aber eine solche, die die Klima-Verbrecher endlich stoppt und sie für die von ihnen angerichteten Katastrophen blechen lässt“, so Jens Wegener. Der CBG-Geschäftsführer wird seine Kritik auch in einem Rede-Beitrag auf der Bonner Demonstration „Schluss mit dem faulen Zauber – wir treiben die bösen Geister des Klimawandels aus“ am 11. November vortragen. Schon an den „Klima schützen – Kohle stoppen!“-Protesten eine Woche vorher hatte sich die Coordination aus gegebenem Anlass beteiligt.

[BAYER/BASF] Nur ein weiterer Zug im Monopoly-Spiel

CBG Redaktion

BAYER verkauft wegen geplanter MONSANTO-Übernahme Geschäftsteile an BASF

Nur ein weiterer Zug im Monopoly-Spiel

Mit der avisierten Übernahme von MONSANTO droht BAYER der mit Abstand größte Agro-Konzern der Welt zu werden. Um die „potenziellen Bedenken der Regulierungsbehörden“ hinsichtlich der Markt-Macht des Unternehmens nach dem Vollzug der Transaktion zu zerstreuen, hat der Leverkusener Multi jetzt angekündigt, Teile seines Agro-Sortiments an BASF zu verkaufen. Konkret plant er, sich von seinen gen-manipulierten Raps-, Soja- und Baumwoll-Pflanzen der „LIBERTY LINK“-Baureihe zu trennen. Auch das auf diese Labor-Kreationen abgestimmte Herbizid Glufosinat, das die EU wegen seiner Gesundheitsschädlichkeit 2018 aus dem Verkehr ziehen will, beabsichtigt der Global Player zu veräußern. Darüber hinaus stehen unter anderem noch hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete und konventionell gezüchtete Ackerfrüchte zur Disposition.

„Der Deal mit BASF ändert an der dominanten Stellung, die BAYER nach dem Schlucken von MONSANTO im Bereich „Landwirtschaft“ einnehmen würde, gar nichts“, kritisiert Jens Wegener von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Die Transaktion umfasst nur einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Dollar; mit einem Bauernopfer dieser Größenordnung hatten BAYER und MONSANTO von vornherein gerechnet. Die addierten Geschäftszahlen von 2016 zugrunde gelegt, lägen die beiden Unternehmen auch ohne diese 1,5 Milliarden Dollar noch mit weitem Abstand vor SYNGENTA/CHEMCHINA, DUPONT/DOW und BASF. Der Markt-Anteil bei den Gen-Pflanzen weiterhin über 90 Prozent. Bei konventionellem Saatgut unterschritte er kaum die 30-Prozent-Marke und im Pestizid-Bereich beliefe er sich auf mehr als 20 Prozent. Diese Macht-Position innerhalb einer Branche, deren Margen laut Faz jetzt schon „auffällig hoch“ sind, bekämen LandwirtInnen, Lieferanten und VerbraucherInnen gleichermaßen zu spüren, sollten die Kartellbehörden die Akquisition genehmigen. Auch sollte bei solchen Winkelzügen nie vergessen werden, dass BAYER und BASF 25 Jahre zum gleichen Konzern gehörten und auch nach ihrer 1949 gerichtlich erzwungenen ‚Zerschlagung‘ bis zum heutigen Tage gut und freundschaftlich zusammenarbeiten. Das Erbe der IG Farben lebt auch heute noch, da teilt man sich nicht nur internationalen Firmenbesitz und internationale Märkte, sondern hilft sich immer mal gerne bei komplizierten Behördenstress wie diesem. „Einem kapitalistischen Verbrecher-Monopol wird derart jedenfalls in keinem Fall vorgebeugt.“, so Axel Köhler-Schnura, Gründungsmitglied der CBG.

Auch die Beschäftigten zählten zu den Verlierern. So steht den 1.800 Belegschaftsangehörigen des Konzerns, die mit LIBERTY LINK & Co. befasst sind, unter dem BASF-Dach eine ungewisse Zukunft bevor. Der Ludwigshafener Chemie-Riese will die Arbeitsverhältnisse BAYER zufolge nämlich lediglich für solche Angestellte, die einen unbefristeten Vertrag haben, fortführen und das auch bloß für mindestens drei Jahre und nur „zu vergleichbaren Konditionen“.

„Wir haben von Anfang an vor Arbeitsvernichtungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durch die MONSANTO-Übernahme gewarnt und fühlen uns jetzt bestätigt“, so CBG-Geschäftsführer Wegener abschließend.

[A1-Ausbau] Bundesverwaltungsgericht weist Klage ab

CBG Redaktion

Straßen.NRW darf für A1-Ausbau Giftgrab öffnen

Das Bundesverwaltungsgericht hat heute zwei Klagen gegen den Ausbau der Autobahn A1 zwischen Köln-Niehl und dem Autobahn-Kreuz Leverkusen-West abgewisen. Damit machte es für den „Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen“ den Weg frei, im Rahmen der Bau-Maßnahmen BAYERs ehemalige Dhünnaue-Giftmülldeponie wieder zu öffnen. „Es ist unverantwortlich von den RichterInnen, Straßen.NRW Hand an BAYERs Giftgrab legen zu lassen, in dem Millionen Tonnen toxischer Abfälle von Quecksilber über Arsen und Chrom bis hin zu Blei schlummern, und Mensch, Tier und Umwelt damit unkalkulierbaren Gefahren auszusetzen“, kritisiert Jens Wegener von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Entscheidung.

Für das Fundament der Trasse plant Straßen.NRW, eine Erdschicht von 2,70 Meter Tiefe, die rund 90.000 Kubikmeter Giftmüll birgt, abzutragen. Was das Leipziger Gericht „vertretbar“ nannte, weil „die Risiken, die mit der Öffnung der Altablagerung verbunden sind, hinreichend ermittelt und beurteilt“ worden seien, charakterisierte der Straßenbetrieb bei dem Erörterungstermin Anfang Juli 2016 selbst als einen nur „beschränkt optimierten Eingriff“. Ein Techniker bezeichnete damals stattdessen die Auskofferung des ganzen Giftgrabes ganz offen als die „optimale Gründung“ für die A1. In den Altlasten rumort es nämlich bisweilen noch kräftig. Der organische Anteil des Mülls zersetzt sich, weshalb das Volumen abnimmt und mit Boden-Absenkungen zu rechnen ist. Das tut auch Straßen.NRW. In ihren Planungen gehen die IngenieurInnen vorsichtshalber schon einmal von einstürzenden Neubauten aus. „Eine ggf. erforderliche vorzeitige Instandsetzung des Oberbaus ist berücksichtigt“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Landesbetriebs zu der Einwendung, welche die CBG im Rahmen des Genehmigungsverfahrens bei der Bezirksregierung eingereicht hatte.

Die Coordination plädierte stattdessen immer für eine Tunnel-Lösung. Gegen diese aber opponierte BAYER frühzeitig. Angebliche lasse nur eine oberirdische Streckenführung Gefahrgut-Transporte zu, behauptete der Konzern, was ein Gutachten später widerlegen sollte. Bereits im Juli 2013 schrieb die

CURRENTA, ein Tochter-Untenehmen des Multis, einen Brandbrief an den Bundesverkehrsminister, den Landesverkehrsminister und Straßen.NRW. „Eine Tunnel-Lösung im Verlauf der A1, wie sie derzeit in Leverkusen diskutiert wird, würde sich negativ auf unsere Standorte auswirken“ hieß es in dem Schreiben, das eine eindeutige Forderung enthält: „Im Interesse aller an diesen Standorten produzierenden Unternehmen bitten wir Sie daher, von einer derartigen Planung abzusehen.“ Und die Politik hörte die Signale. Der Ministerialrat Michael Heinze sagte den Managern laut Kölner Stadtanzeiger zu, dass „eine Tunnel-Lösung für Leverkusen nicht vorgesehen sei“. Als „eine fein abgestimmte Vorgehensweise“ apostrophierte Gerd Deimel vom „Verband der Chemischen Industrie“ diesen Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Politik in der WDR-Sendung „Westpol“. Und auf die Frage des Journalisten: „Dann kann man Ihnen natürlich jetzt Lobbyismus vorwerfen“ antwortete er: „Das könnte man tun, ja.“

„Es ist ein Skandal, dass das Leipziger Bundesverwaltungsgericht diese Mauscheleien jetzt höchstrichterlich beglaubigt“, so CBG-Geschäftsführer Jens Wegener. Die Coordination werde sich auch nach dem Urteil gemeinsam mit den Bürgerinitiativen weiterhin für einen Tunnel einsetzen, bekräftigte er.

[Schmutzige Pillen] BAYERs dunkle Wirkstoff-Quellen

CBG Redaktion

Was der Bekleidungsindustrie Bangladesh ist, verkörpert das indische Hyderabad für die Pillen-Riesen. Hunderte Fabriken produzieren dort Wirkstoffe für BAYER & Co. Die Stadt im Bundesstaat Telangana nimmt einen bedeutenden Platz in der globalen Lieferkette der Konzerne ein. Zu ihren vielen Standort-Vorteilen zählen niedrige Kosten und geringe Umweltschutz-Auflagen, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. Aber auch andere Regionen in Asien bieten „Big Pharma“ solche attraktiven Kapitalverwertungsmöglichkeiten – mit ähnlichen Risiken und Nebenwirkungen.

Von Jan Pehrke

„Maximale Förderung – minimale Kontrolle“ – mit diesem Slogan wirbt die indische Stadt Hyderabad um Industrie-Ansiedlungen. Besonders Pharma-Betrieben erscheint das attraktiv. Mehr als 500 Unternehmen zählt das Branchen-Verzeichnis der Millionen-Metropole. Von dem „am schnellsten wachsenden Gesundheitssektor in ganz Indien“ spricht das von der deutschen Bundesregierung finanzierte Web-Portal Kooperation international begeistert.(1) Ein Drittel der Medikamenten-Produktion des Staates stammt aus Hyderabad. Bei den Arznei-Exporten beträgt der Anteil rund 20 Prozent. Im Jahr 2014 machten die Firmen allein damit einen Umsatz von 15 Milliarden Dollar. Ein zweites Zentrum der indischen Wirkstoff-Fertigung befindet sich in Visakhapatnam, das direkt am Golf von Bengalen liegt.

Wie alles anfing

Der Boom setzte mit dem vorerst letzten Globalisierungsschub ein, den 1994 die Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) einläutete. Wer dem Club angehören wollte, musste vorher das internationale Patentschutz-Abkommen TRIPS anerkennen – dafür hatten vor allem die Lobby-Aktivitäten des US-amerikanischen Pillen-Riesen PFIZER gesorgt. Indien wollte, und so hatte die stärkere Integration des südasiatischen Landes in den Weltmarkt dann auch gleich massive Auswirkungen auf die heimische Arznei-Industrie. Die Unternehmen konnten fortan nicht mehr einfach den Schutz des geistigen Eigentums umgehen, indem sie Pharmazeutika aus den Industrieländern kopierten und billiger weiterverkauften. Deshalb blieb der Pillen-Industrie des Landes nichts anderes übrig, als ihr Geschäftsmodell zu ändern.
Und dabei spielte BAYER eine bedeutende Rolle. Als erster großer Pharmazeutika-Produzent schloss der Konzern 1999 mit einem indischen Unternehmen einen Vertrag ab. RANBAXY schaffte es, das Interesse des Leverkusener Multis für dessen eigenen – und wegen seiner zahlreichen Nebenwirkungen alles andere als unumstrittenen – Antibiotikum-Inhaltsstoff Ciprofloxacin in einer neuen Formulierung zu wecken. Ein Ciprofloxacin, von dem die PatientInnen nur einmal täglich eine Tablette zu nehmen brauchten – das war dem bundesdeutschen Konzern viel Geld wert. Für die weltweiten Vermarktungsrechte über einen Zeitraum von 20 Jahren zahlte er RANBAXY 65 Millionen Dollar. Und im selben Jahr kaufte das indische Unternehmen seinem neuen Partner auch die BASICS GmbH, eine Tochter-Gesellschaft für Nachahmer-Produkte, sogenannte Generika, ab, um einen Brückenkopf nach Europa zu haben.
Allerdings gelang der inzwischen von SUN PHARMACEUTICAL geschluckten Firma ein solcher Coup wie mit Ciprofloxacin seither nicht mehr. Darum muss sie sich weitgehend auf die Funktion des Zulieferers für Pharma-Unternehmen aus den Industrie-Ländern beschränken. Unter anderem stellt RANBAXY/SUN Wirkstoffe für Anbieter von Nachahmer-Präparaten wie HEXAL und RATIOPHARM her. Und diesen „bulk drugs“-Markt bedienen auch AUROBINDO, LUPIN, CIPLA und weitere indische Konzerne, wobei sie die Basis-Substanzen für ihre Produkte zumeist aus China beziehen. Mittlerweile ist ein Fünftel der Generika-Weltproduktion „Made in India“ mit Hyderabad – dem „bulk drugs capital“ – als Zentrum. Zusammen mit dem Reich der Mitte nimmt das Land nunmehr eine bedeutende Position in der globalen Lieferkette von BAYER & Co. ein. Die beiden Staaten verkörpern für die Pharma-Industrie das, was Bangladesh für die Kleider-Branche ist.
Diese Entwicklung ist Teil eines umfassenden Umstruktierungsprozesses der Pillen-Branche. Den Konzernen gelingt es seit einiger Zeit immer weniger, wirklich neue Arzneien zu entwickeln, die qua Patentschutz Extra-Profite generieren. Sie reagieren darauf mit Rationalisierungsmaßnahmen. So verkleinerten BAYER und die anderen Firmen etwa ihre Forschungsabteilungen. Sie suchen stattdessen mehr die Zusammenarbeit mit Universitäten und/oder kaufen Lizenzen für aussichtsreiche Medikamenten-Kandidaten von außen zu. Eigene Labor-Aktivitäten betreiben die Unternehmen oft nur noch auf Gebieten wie der Onkologie, die große Gewinne versprechen. Zugleich zentralisieren sie die Herstellungsprozesse für ihre Allerweltsmittel stärker oder geben die Fertigung gleich ganz auf und beziehen die Wirksubstanzen sowie Hilfs- und Trägerstoffe aus Staaten, die mit günstigen Konditionen locken wie Indien und China.

Risiken & Nebenwirkungen

Der Preis für die geringen Arbeits- und Produktionskosten ist allerdings hoch. Ihn müssen Mensch, Tier und Umwelt gleichermaßen zahlen. Die Fabriken stoßen nämlich ohne Rücksicht auf Verluste belastende Stoffe aus. Auf manchen Flüssen türmen sich weiße Schäume bis zu einer Höhe von neun Metern auf. Manchmal verschwinden ganze Brücken in ihnen. Das nimmt den AutofahrerInnen die Orientierung und hat schon zu fatalen Unfällen geführt. Die Behörden mussten deshalb bereits Neubauten in Auftrag geben, welche die alten Konstruktionen um mehr als zehn Meter überragen. Andere Emissionen aus den Fabriken verfärben das Wasser gelb, rot oder braun. Und am Grund mancher Seen setzt sich tiefschwarzes, teeriges Sediment ab, das über 60 Meter tief reicht. Aber nicht nur fürs Auge bietet Hyderabad etwas, auch die Nase bekommt viele Sinnes-Eindrücke: ein bestialischer Gestank breitet sich rund um die Hot Spots der Pharma-Produktion aus.
Eine Abwasser-Aufbereitung kennen die meisten Firmen in Hyderabad oder Visakhapatnam nicht. Sie leiten die Fertigungsrückstände direkt in die Gullys, Flüsse, Seen oder Meere ein. In Visakhapatnam, das im Bundesstaat Andhra Pradesh liegt, verlaufen underirdische Pipelines direkt von der „Jawaharlal Nehru Pharma City“ zum Golf von Bengalen. Zudem verklappen die Unternehmen ganze Tankladungen ihrer Hinterlassenschaften in einem nahegelegenen See. Im Hyderabader Industrie-Destrikt Patancheru-Bollaram dagegen haben die Betriebe auf ihrem Areal oft Löcher von bis zu 30 Meter Tiefe gebohrt, um dort ihren Produktionsabfall zu entsorgen. Und wenn die Unternehmen die Herstellungsreste tatsächlich zur Behandlung und Entsorgung außer Haus geben, dann erweisen sich die Betriebe, die solche Dienstleistungen anbieten, oft selber nicht etwa als Teil der Lösung, sondern des Problems, weil sie dem Sondermüll mit unzureichenden Verfahren zu Leibe rücken.
Schwedische WissenschaftlerInnen, welche Untersuchungen in Patancheru-Bollaram vornahmen, stellten schon 2007 fest: „Die Abwässer der Arznei-Produzenten enthalten einen extrem hohen Level an Pharma-Rückständen.“(2) Als besonders gesundheitsgefährdend erweisen sich dabei die Antibiotika-Reste. Durch die hohen Dosen von Ciprofloxacin & Co. gewöhnen sich die Krankheitserreger nämlich an die Substanzen und bilden Resistenzen heraus. Und dazu kam es an diesem Standort häufig, wie das ForscherInnen-Team 2014 nachwies. In einem See unweit des Pillen-Clusters stieß es auf 81 Gen-Typen von Bakterien, gegen die kein einziges Antibiotikum-Kraut mehr gewachsen war. Sie tummelten sich dort in einer Konzentration, welche diejenige in einem schwedischen See, der als Vergleichsmaßstab diente, um das 7.000-Fache überstieg.
2013 starben in Indien 58.000 Babys, weil sie mit solchen unbehandelbaren Krankheitserregern infiziert waren. Die übrigen Frachten mit Arzneien oder anderen Stoffen haben ebenfalls massive gesundheitliche Folgen. Sie schädigen das Kind im Mutterleib, führen zu Todgeburten und Entwicklungsstörungen, lösen Herz- und Blut-Krankheiten aus, verursachen Augen- und Haut-Probleme und schädigen den Magen.
Tiere leiden nicht minder unter den Abwasser-Einleitungen. Fische finden sich in den Gewässern kaum noch, und den LandwirtInnen stirbt das Vieh weg. Ein Farmer, dessen Büffel in der Nähe von Patancheru grasen und den Isnapur-See als Tränke nutzen, klagte gegenüber dem ForscherInnen-Team von „Changing Markets and Ecostorm“, jedes Jahr die Hälfte seiner Herde zu verlieren (3). Und an einem See bei Kazipally stießen Beobachter auf Büffel, denen die Haut in Fetzen vom Leib hing. Zudem produzieren die Rinder viel weniger und obendrein schlechtere Milch als ihre Artgenossen fernab des Medikamenten-Mülls. Auch Kühe bekommen die Emissionen der Fabriken zu spüren. „Wenn unsere Kühe diese Chemikalien aufnehmen, die über das Wasser auf unsere Weiden gelangen, geben sie statt zehn Litern Milch nur noch zwei. Und das schon nach 15 bis 30 Tagen“, so der Umweltschützer Anil Dayakar.(4) Die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen die Substanzen ebenfalls. So erleiden Ziegen, die in der Nähe der Fertigungsstätten weiden und die Produktionsrückstände über das Gras aufnehmen, häufig Fehlgeburten. Überdies nimmt die Ertragskraft der Böden ab, was die Existenzgrundlage der Bauern und Bäuerinnen bedroht. Der Reis der Region nimmt beispielsweise oft eine dunklere Farbe an und verdirbt schneller; darüber hinaus sind die einzelnen Körner nur sehr klein.

Viele Qualitätsmängel

Aber nicht nur das, was von den Fabriken nach außen dringt, stellt eine Bedrohung dar, auch das, was innen drin geschieht, gibt Anlass zur Besorgnis. Immer wieder nämlich fallen die indischen und chinesischen Fertigungsstätten durch fehlerhafte Produkte sowie die Verletzung von staatlichen Vorschriften auf. Während jedoch sowohl den Pharma-Riesen als auch den Gesundheitseinrichtungen ihrer Heimatländer völlig egal ist, was bei den ausländischen Zuliefer-Betrieben alles an Unschönen hinten rauskommt, interessiert sie schon mehr, was vorne passiert. Die Folgen irregulärer Produktionsabläufe bekommen nämlich hauptsächlich die PatientInnen in den westlichen Staaten zu spüren. Deshalb nehmen KontrolleurInnen dieser Nationen das Innenleben der Pillen-Schmieden regelmäßig unter die Lupe. Und dabei decken sie nur allzuoft Missstände auf. So hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA allein im zweiten Halbjahr 2015 bei Inspektionen in den Werken von DR. REDDY’S, SUN PHARMA, ZYDUS CADILA, WOCKHARDT und IPCA LAB gravierende Mängel festgestellt. Der Ernst der Lage hat die „Food and Drug Administration“ 2008 sogar dazu bewogen, eine eigene Zweigstelle in New Delhi aufzumachen, um die Unternehmen, von denen die Pillen-Riesen der Vereinigten Staaten zahlreiche Wirkstoffe oder Arznei-Zwischenprodukte beziehen, besser im Blick zu haben. Das indische FDA-Pendant CDSCO wartete im März 2017 mit einem noch alarmierenderen Befund auf: 60 Medikamenten attestierte sie in diesem Monat einen „Substandard“.
Der Griff zu pharmakologischen Alternativen ist dabei oft nicht mehr möglich. Die neuen Entwicklungen haben nämlich nicht nur zu einer Verlagerung der Fertigung von pharmazeutischer Massenware nach Asien geführt, sondern gleichzeitig auch noch für eine neue Übersichtlichkeit unter den Herstellern gesorgt. Für das Segment der Antibiotika belegt dies eine Studie des Instituts IGES. (5) Es hat die Entwicklung in dem Zeitraum von 2005 bis 2015 untersucht und gravierende Veränderungen festgestellt. „Auf Einzelwirkstoff-Ebene hat die Anbieter-Konzentration deutlich zugenommen, die Anbieter-Zahlen sind rückläufig. Auch für die fünf verbrauchsstärksten Antibiotika zeigt sich eine hohe Anbieter-Konzentration“, schreiben die WissenschaftlerInnen. Besonders beängstigend: Im Jahr 2015 gab es schon 23 Antibiotika-Wirkstoffe, die nur noch ein einziger Konzern produziert oder produzieren lässt. Und wenn da mal die Räder stillstehen, weil Anlagen ausfallen oder die Behörden die Unternehmen zu einem Rückruf von „Substandard“-Präparaten veranlassen, droht den Gesundheitssystemen der halben Welt Ungemach. Diese Gefahr steigt gleichfalls bei den Medikamenten, die BAYER & Co noch selber fertigen, haben die Multis im Zuge von Effizienz-Maßnahmen doch oft die Fertigungsstätten drastisch reduziert.
So hat sich in den USA dann auch die Zahl der zeitweise nicht erhältlichen Medikamente bereits von 2006 bis 2010 auf über 200 verdreifacht. Mittlerweile ist die Situation noch bedrohlicher geworden. Nach Angaben des „Bundesverbandes deutscher Krankenhaus-Apotheker“ fehlten allein im Februar 2017 280 Wirkstoffe, darunter 30 für die Therapie schwerwiegender Krankheiten eigentlich unverzichtbare Mittel. Zwar haben die Engpässe manchmal durchaus andere Gründe – nicht wenige Hersteller oder Großhändler bedienen beispielsweise gerne nur die Länder, in denen hohe Pillen-Preise locken –, aber die Veränderungsprozesse innerhalb der Pharma-Industrie haben doch einen Hauptanteil an diesem Dilemma. „Es handelt sich um ein grundsätzliches Problem eines globalisierten Rohstoff-Marktes, in dem Hersteller ihre Produktionskosten zu optimieren versuchen“, konstatiert Matthias Mohrmann von der AOK Rheinland.(6)

BAYER immer mit dabei

Die Veränderungsprozesse bei den Rohstoffen und anderen Bestandteilen des Pharma-Geschäftes hat der Leverkusener Multi alle mitvollzogen – ohne Rücksicht auf Verluste. So reduzierte er wie die Konkurrenz sein Arznei-Angebot und seine eigenen Forschungsaktivitäten. Stattdessen setzte der Konzern verstärkt auf Kooperationen mit Universitäten und kaufte verheißungsvoll erscheinende Medikamenten-Entwicklungen von außen zu. Auch suchte das Unternehmen – nicht zuletzt als Reaktion auf stärkere Bestrebungen vieler Aufsichtsbehörden, die Pharma-Preise zu regulieren – nach Rationalisierungsmöglichkeiten im Bereich der Fertigung. Es konzentrierte die Herstellung einzelner Wirkstoffe stärker auf bestimmte Standorte und stieß die Produktion vieler Substanzen ab.
Umso wichtiger wurde das „Supply Chain Management“. Das Aufgabenfeld in diesem Bereich beschreibt BAYER seinen künftigen Angestellten so: „Sie steuern unter anderem Logistik-Prozesse an einem Standort, sind verantwortlich für eine komplette Lieferkette und koordinieren global die Bedarfs- und Produktionsplanung eines Wirkstoffs oder Produkts. Auf diese Weise arbeiten Sie an der kontinuierlichen Verbesserung von Kosten, Flexibilität und Liefer-Zuverlässigkeit“.(7)
In Indien und China haben die „Supply Chain“-ManagerInnen da viel zu tun. 3.785 bzw. 3.432 Lieferanten aus diesen Ländern zählt der neueste Geschäftsbericht auf. Einen Wert von 2,4 Milliarden Euro hatten die Einkäufe insgesamt. Und der Anteil der Pharma-Sektion daran dürfte kein ganz geringer sein. Ganz genau lässt sich das nicht bestimmen, denn die Konzerne halten sich da bedeckt. Sie sehen ein „Made in India“ oder „Made in China“ nämlich nicht so gern auf ihren Medikamenten-Packungen. Umgekehrt werben die Firmen aus diesen Staaten hingegen gern mit ihren „Big Pharma“-Kunden, weshalb doch so einige einige Informationen nach außen dringen. So wertet der jetzige RANBAXY-Besitzer SUN den Ciprofloxacin-Deal mit BAYER immer noch als „Meilenstein“ der Unternehmensgeschichte.
Die profane Produktion des Wirkstoffes lastet aber wie ein Mühlstein auf Mensch, Tier und Umwelt in Indien. Heute, lange Jahre nach dem Auslaufen des BAYER-Patents, stellt längst nicht mehr nur RANBAXY/SUN die Substanz her. Sie findet sich dank der hohen Nachfrage vieler westlicher Konzerne im Angebot zahlreicher Firmen aus Hyderabad – und dementsprechend häufig in den Flüssen und Seen. Schwedische WissenschaftlerInnen stießen in den Abwässern des Entsorgungsunternehmens in Patancheru, das die Pharma-Rückstände der Firmen eigentlich so gut es geht neutralisieren sollte, auf eine Ciprofloxacin-Konzentration von bis zu 31.000 Mikrogramm pro Liter. Diesen Wert erreichten die anderen Antibiotika nicht einmal annähernd. Losartan kam „nur“ auf 2.400 bis 2.500 Mikrogramm und Enrofloxacin, unter anderem Wirkstoff von BAYERs Veterinär-Antibiotikum BAYTRIL, „bloß“ auf 780 bis 900 Mikrogramm. 45 Kilogramm Ciprofloxacin emittiert die „Patancheru Commun Effluent Treatment Plant“ binnen 24 Stunden. Das würde reichen, um ganz Schweden mit seinen neun Millionen EinwohnerInnen über fünf Tag hinweg mit dem Pharmazeutikum zu versorgen, rechneten die ForscherInnen vor.(8) Sie kritisieren deshalb die unzureichenden Verfahren zur Behandlung des pharmazeutischen Sondermülls und warnen: „Die hohen Konzentrationen einiger Breitband-Antibiotika lassen Resistenz-Bildungen befürchten. Die Konzentration der am häufigsten nachgewiesenen Substanz, Ciprofloxacin (...), überschreitet die für einige Bakterien letale Dosis um das 1000-Fache.“
Aber die „Supply Chain“-ManagerInnen des Leverkusener Multis können bei ihrer „Bedarfs- und Produktionsplanung“ nicht nur in Sachen „Ciprofloxacin“ und Enrofloxacin auf Lieferanten aus Hyderabad und anderen Regionen Indiens zurückgreifen. Andere Wirkstoffe von BAYER-Medikamenten wie zum Beispiel Aspirin, Moxifloxacin, Nifedipin, Vardenafil und Naproxen bieten die dortigen Unternehmen ebenfalls an.
Darüber hinaus ist der bundesdeutsche Pharma-Riese in dem südasiatischen Staat auch selbst vor Ort. Im Jahr 2011 gründete er mit dem indischen Unternehmen ZYDUS CADILA ein Joint Venture, um „die Präsenz in Schwellenländern weiter auszubauen“. Nicht zuletzt hatte ZYDUS’ „herausragendes Netzwerk von Distributoren und anderen Branchen-Partnern“ es dem Konzern angetan.(9) Und auf das dürfte BAYER ZYDUS PHARMA bei der Organisation der Lieferkette für die Fertigung seiner Medikamente, deren Spektrum von ALASPAN, ANGIOGRAFIN und BAYCIP über GLUCOBAY und NEXAVAR bis hin zu XARELTO, YASMIN und YAZ reicht, bevorzugt zurückgreifen. Dementsprechend sieht es mit der Qualität aus. Sowohl die FDA als auch die in New Delhi ansässige Medikamenten-Aufsicht CDSCO beanstandeten schon Produktionsprozesse bei ZYDUS CADILA.
In China unterhält der Leverkusener Multi ebenfalls Pharma-Fabriken. Seit der Übernahme von DIHON tummelt er sich sogar auf dem Markt der traditionellen chinesischen Medizin. Und die einzelnen Glieder seiner Lieferkette fädelt er wohl auch kaum woanders auf, denn: „Um adäquat auf die Anforderungen unserer Standorte reagieren zu können und die regionale Wirtschaft zu stärken, kauft BAYER nach Möglichkeit lokal ein.“(10)
Unter anderem tut der Konzern das bei SINOPHARM, dem größten Arzneistoff-Produzenten im Reich der Mitte. Das staatlich kontrollierte Unternehmen hält sich viel darauf zugute, BAYER nach der Firmen-Gründung 2006 als einen seiner ersten Kunden gewonnen zu haben und rühmt sich einer „umfangreichen und tiefen Kooperation mit dem Unternehmen“. Im Jahr 2013 statteten „Supply Chain“-ManagerInnen des Leverkusener Multis dem Geschäftspartner sogar einen Hausbesuch ab. Laut SINOPHARM stand dabei unter anderem ein Gespräch über „die Funktion der Lieferketten in der Entwicklung der Pillen-Industrie und darüber, wie jene zu optimieren sind“ auf dem Programm.(11)
Über Optimierungsbedarf ganz anderer Art redeten die Firmen-VertreterInnen bei ihrem Treffen sicherlich nicht. Der chinesische Multi hat nämlich mit seinen zwei Produktionsanlagen in Datong nicht unwesentlich dazu beigetragen, die Stadt in Sachen „Umweltverschmutzung“ führend im ganzen Land zu machen. So leitete er 30.000 Tonnen mit Pharma-Rückständen belasteten Schwarzschlamm und antibiotika-haltige Abwässer in Flüsse der Umgebung ein. Unter anderem deshalb forderten die lokalen Behörden 2010 von SINOPHARM, den Standort aufzugeben und sich woanders anzusiedeln – geschehen ist bisher jedoch nichts.
Und schließlich haben die ganzen Umstrukturierungen in der Branche mit den neu aufgefädelten Gliedern der Lieferketten und den Konzentrationsprozessen in der Produktion auch bei BAYER-Medikamenten immer häufiger zu Versorgungsengpässen geführt. Lieferschwierigkeiten gab es in letzter Zeit bei ADALAT, ADVATAN, ALKA-SELTZER, ASPIRIN i. V. 500 mg, BEPANTHEN, LAIF, RESOCHIN und XOFIGO. Auf der Suche nach den Gründen dafür weist die Spur allerdings nur bei ADALAT und RESOCHIN nach Indien. Den ADALAT-Wirkstoff Nifedipin bezog der Pillen-Riese nämlich von dem isländischen Unternehmen ALVOGEN, das über beste Geschäftsbeziehungen zu Zulieferern aus diesem Land verfügt. Darum spricht einiges dafür, dass es in einer der dortigen Pharma-Küchen zu einer Verwechslung der Zutaten für die Zubereitung von Medikamenten des Leverkusener Multis kam und versehentlich etwas Sorafenib (der Wirkstoff von BAYERs NEXAVAR) in den Nifedipin-Topf geriet, was schließlich einen Rückruf unausweichlich machte.
Bei RESOCHIN könnte es ebenfalls ein indisches Glied in der Lieferkette gegeben haben, das sich verhakt hat. Die Malaria-Arznei mit dem Wirkstoff Chloroquin-Phospat findet sich nämlich in der Produkt-Palette von BAYER ZYDUS PHARMA. Zudem beklagte mit RISING PHARMACEUTICAL auch ein Konzern in den fernen USA Probleme bei der Bereitstellung von Chloroquin-Phosphat, was auf spärliche Quellen für den Stoff und damit auf Hyderabad oder andere „bulk drugs capitals“ in Asien verweist.
Die Menschen in diesen „bulk drugs capitals“ leiden immens unter den Folgen der Globalisierung des Arznei-Marktes und kritisieren das Treiben von BAYER & Co. deshalb massiv. „Ausländische Unternehmen beuten clever indische Ressourcen aus und verschmutzen Wasser und Böden, während sie ihre eigenen Länder sauber und sicher halten“, konstatiert etwa der Richter M. C. Mehta.(12) Der Sozialwissenschaftler Vijay Gudavarthy pflichtet ihm bei. Nach Meinung des Forschers hat die Integration des Staates in die Lieferketten von Big Pharma „signifikante Kosten für die Bevölkerung verursacht, sowohl in Hinsicht auf ihren Besitz und ihre Gesundheit als auch in Hinsicht auf die natürlichen Ressourcen und die Umwelt“.(13) Und es bleibt nicht bei Worten: Die InderInnen gehen mehr und mehr auf die Straße. In Hyderabad etwa zogen sie vor das Gebäude der lokalen Umweltbehörde und hielten dabei Flaschen mit dem kontaminierten braunen Wasser hoch, das bei ihnen zuhause aus den Leitungen kommt. „Die Menschen hier demonstrieren gegen die lokale Pharma-Industrie. Sie verschmutzt das Wasser und die Luft. Wir Anwohner fordern, dass die Regierung etwas gegen die Chemie-Industrie unternimmt“, sagte ein Protestler dem Reporter von Deutschlandfunk Kultur.(14) Zudem haben AktivistInnen bereits zahllose Prozesse angestrengt, aber das Gesetz stand bislang immer auf Seiten der Konzerne.
Die Risiken und Nebenwirkungen des neuen Akkumulationsregimes der Pharma-Industrie bleiben dabei nicht auf Indien und China beschränkt. Zumindest die Gefahren der ohne Rücksicht auf Verluste vorangetriebenen Produktion von Antibiotika-Wirkstoffen für den Weltmarkt machen auch vor den westlichen Industrie-Ländern nicht Halt. Unter anderem durch TouristInnen finden die Keime ihren Weg in die Erste Welt. Von einer „Globalisierung der Erreger“ spricht der Leipziger Infektionsforscher Christoph Lübbert in diesem Zusammenhang.(15)
Tim Eckmanns vom Berliner Robert-Koch-Institut macht den Konzernen deshalb schwere Vorwürfe. Sie torpedierten die Bemühungen der MedizinerInnen, den zunehmenden Resistenz-Bildungen gegen Antibiotika Herr zu werden, weil sie „möglichst billig produzieren“ wollten, so Eckmanns: „Es ist schockierend, dass die Pharma-Industrie diese lebensrettenden Anstrengungen unterläuft.“(16)

Lippenbekenntnisse

Natasha Hurley von „Changing Markets“ fordert Maßnahmen von BAYER & Co. Die Pharma-Riesen „sollten Firmen, die die Umwelt verschmutzen, auf die schwarze Liste setzen“, meint die Aktivistin.(17) Eigentlich sind die Konzerne sogar dazu gezwungen, entsprechende Aktivitäten zu entfalten, denn die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen verpflichten sie eindeutig dazu. Dem Kodex der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“, der 35 große Industrie-Staaten angehören, unterliegen nämlich nicht nur für die eigenen Produktionsstätten der Firmen, sondern auch ihre Zulieferer. So heißt es im 17. Leitsatz: „Die Aktivitäten der Unternehmen, bei denen es zu verhindern gilt, dass sie in Angelegenheiten, die unter die Leitsätze fallen, negative Auswirkungen verursachen oder verstärken, umfassen auch ihre Aktivitäten im Rahmen der Zuliefer-Kette.“(18) Und explizit müssen die Gesellschaften den OECD-Richtlinien zufolge „auf der Ebene des jeweiligen Unternehmens und gegebenenfalls seiner Zuliefer-Kette ständig um eine Verbesserung ihrer Umwelt-Ergebnisse bemüht sein“.
Pro forma bekennt sich der Leverkusener Multi auch dazu. „Für BAYER ist die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards in der Lieferkette ein elementarer Wertschöpfungsfaktor und wichtiger Hebel zur Risiko-Minimierung“, heißt es im Geschäftsbericht für das Jahr 2016. Allerdings sprechen die vom Konzern in anderen Zusammenhängen immer wieder gern beschworenen Fakten eine andere Sprache.
Da gibt sich der vom Pillen-Riesen selbst gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) schon ein wenig selbstkritischer. „Defizite seien möglich“, räumt Rolf Hömke aus der VFA-Pressestelle im Hinblick auf die Situation in Indien und China ein.(19) Er gelobt aber Besserung und verweist dabei auf eine Reihe von Initiativen, welche die Industrie gestartet hat. Auf ihrer Homepage nennt die Lobby-Organisation dabei namentlich die „Industry Roadmap for Progress on Combating Antimicrobial Resistance“. Darin geloben die Unternehmen dem VFA zufolge, ihre Lieferketten zu kontrollieren und gegebenenfalls „das Abfall- und Abwasser-Management zu verbessern“.(20) NOVARTIS, SANOFI, PFIZER, ASTRAZENECA und neun andere Firmen haben die entsprechende Erklärung im September 2016 unterschrieben – der Name BAYERs fehlt allerdings auf der Liste. Lediglich der „Pharmaceutical Supply Chain Initiative“ gehört der Leverkusener Multi an.
Allerdings wäre es mehr als naiv, in dieser Sache auf die Problemlösungskompetenz der Pharma-Riesen zu vertrauen. Ihre Selbstverpflichtungserklärungen dienen in der Regel nur dazu, verbindlichen Auflagen vorzubeugen. Aber genau dazu muss es kommen. Es gilt, BAYER & Co. zu einer rückhaltlosen Aufklärung über ihre Lieferketten zu zwingen. Zudem sollten die Unternehmen nach Ansicht der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Pflicht haben, die Herkunft der Wirkstoffe auf den Medikamenten-Packungen zu vermerken, ganz so wie es H&M und die anderen Bekleidungsfirmen auf den Etiketten ihrer Ware auch tun. Darüber hinaus hält es die CBG für unabdingbar, die international geltenden Qualitätsnormen, die Hersteller bei der Fertigung von Medikamenten zu beachten haben, zu erweitern und um Regeln für eine umweltgerechte Produktionspraxis zu erweitern. Schließlich ist eine bessere Kontrolle der Vorschriften nötig. Und nicht zuletzt darf ein Verstoß gegen die Richtlinien nicht ohne ernsthafte Konsequenzen bleiben. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ muss den Konzernen die Lizenz für die Vermarktung bestimmter Arzneien entziehen, wenn die Fabrikation von deren Wirkstoffen Mensch, Tier und Umwelt gefährdet. Für solche Maßnahmen treten nicht zuletzt die BewohnerInnen von Hyderabad an. So appellierte etwa der Arzt Kishan Rao an den Westen: „Lassen Sie uns nicht im Stich. Stoppen Sie den Bezug von Medikamenten aus dieser Gegend. Sie kaufen hier, um Ihr Leben zu retten, auf Kosten anderer. Ist es denn ein Verbrechen, Bewohner dieser Gegend zu sein?“(21)
Seine Worte verdienen umso mehr Beachtung, als sich die Zustände noch zu verschlimmern drohen. Der indische Staat will nämlich unabhängiger von den Importen pharmazeutischer Vorprodukte aus China werden und mehr Glieder der globalen Wertschöpfungskette im Land selber ansiedeln. Deshalb schiebt er neue Projekte für Industrie-„Parks“ an. So pant der Bundesstaat Telangana auf einem Areal von fast 4.500 Hektar eine „Hyderabad Pharma City“ im Stadtteil Rangareddy und scheut dabei nicht einmal davor zurück, 2.400 Hektar Wald plattzumachen. Und im August 2017 kündigte der Ministerpräsident von Andhra Pradesh, N Chandrababu Naidu, neue Pillen-Cluster in den Distrikten Visakhapatnam, Kadapa, Nellore und East Godavari an. Verschärfte Auflagen haben die Betriebe dort nicht zu befürchten. Die Regierung von Premier Narendra Modi beabsichtigt im Gegenteil, Vorschriften für Unternehmen aller Industrie-Bereiche zu lockern, um dem Staat ungeachtet der vielen Risiken und Nebenwirkungen eine bessere Position im globalen Wettbewerb zu verschaffen.

(1) www.kooperation-international.de
(2) Joakim Larsson et. al.: Effluent from drugs manufactures contains extremely high levels of pharmaceuticals; Journal of Hazardous Materials (148)
(3) Changing Markets and Ecostorm: Impacts of pharmaceutical pollution on communities and environments in india
(4) Peter Podjavorsek: Schmutzige Medikamente; www.deutschlandfunkkultur.de
(5) Martin Albrecht et. al.: Versorgungsrelevanz generischer Antibiotika – Marktentwicklung, Regulierung und Versorgungssicherheit
(6) Mehrere Antibiotika werden knapp; Rheinische Post 14.02.17
(7) Globales Trainee-Programm für Supply Chain Management; https:career.bayer.com/de.
(8) Joakim Larsson et. al.: Effluent from drugs manufactures contains extremely high levels of pharmaceuticals; Journal of Hazardous Materials (148)
(9) BAYER stärkt Pharma-Geschäft in Indien durch Joint Venture mit ZYDUS CADILA; https:
www.pressebox.de
(10) BAYER-Geschäftsbericht 2016
(11) BAYER HEALTHCARE COMPANY visited SINOPHARM Beijing Logistic Centre; www.sinopharmholding.com
(12) Changing Markets and Ecostorm: Impacts of pharmaceutical pollution on communities and environments in india
(13) Changing Markets and Ecostorm: Impacts of pharmaceutical pollution on communities and environments in india
(14) Peter Podjavorsek: Schmutzige Medikamente; www.deutschlandfunkkultur.de
(15) Tödliche Erreger im Pharma-Abwasser; taz 05.05.17
(16) Superkeime im Pharma-Abwasser; Süddeutsche Zeitung 19.10.16
(17) Superkeime im Pharma-Abwasser; Süddeutsche Zeitung 19.10.16
(18) OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen; Ausgabe 2011
(19) Resistente Keime in Pharma-Abwässern entdeckt; Spiegel online 04.05.17
(20) Wege zu verbindlichen Umweltstandards in der Antibiotika-Produktion in Asien; www.vfa.de
(21) Peter Podjavorsek: Schmutzige Medikamente; www.deutschlandfunkkultur.de

[BETASERON] Mondpreise für BETASERON

CBG Redaktion

BAYER in der Kritik

Den Pharma-Riesen droht Ärger im Pillen-Paradies. Der Kongress der Vereinigten Staaten will durch eine Untersuchung klären lassen, wie die hohen Preise für BAYERs BETASERON und andere Präparate zur Behandlung der Multiplen Sklerose zustande kommen.

Von Jan Pehrke

„Darf’s ein bisschen mehr sein?“, diese Frage beantworteten sich die Pharma-Riesen in den USA mit Vorliebe selbst: Immer wieder erhöhten sie die Preise für ihre bei der Multiplen Sklerose zum Einsatz kommenden Präparate. Eine Jahres-Therapie mit BAYERs BETASERON etwa, die 1993 mit 11.500 Dollar zu Buche schlug, kostete 2013 schon 60.000 Dollar. Auf solche Steigerungsraten kommen andere Arzneien bei Weitem nicht, wie eine Studie von Daniel M. Hartung und seinem Team ergab. Während BETASERON & Co. sich in dem Zeitraum per anno durchschnittlich um 21 bis 36 Prozent verteuerten, legte die übrigen Pharmazeutika bloß um drei bis fünf Prozent zu. Und mittlerweile verlangen die Konzerne noch mehr für ihre Produkte. So will der bundesdeutsche Pillen-Riese jetzt bereits 91.000 Dollar für sein Präparat haben, das ihm 2016 in den USA einen Umsatz von 386 Millionen Euro bescherte. Zum Vergleich: In der Bundesrepublik müssen die Krankenkassen für eine solche Behandlung mit dem Medikament umgerechnet „nur“ 21.500 Dollar zahlen.
Wegen solcher alles als andere als „feinen Unterschiede“ hat der US-Kongress auf Initiative der Abgeordneten Elijah Cummings und Peter Welch von den Demokraten einen Untersuchungsausschuss auf den Weg gebracht. BAYER und sechs weitere Hersteller von MS-Medikamenten sind nun aufgefordert, dem Gremium firmen-interne Dokumente mit aussagekräftigen Angaben zu den Profiten, Preis-Strategien, PatientInnen-Programmen und Vertriebssystemen in diesem Markt-Segment zur Verfügung zu stellen. „Wir glauben, dass kein Amerikaner gezwungen sein sollte, darum zu kämpfen, sich lebensrettende Medikamente leisten zu können, insbesondere dann nicht, wenn Pharma-Konzerne ihre Preise ohne Vorwarnung, Grund oder Rechtfertigung anheben“, erklärten die beiden Politiker.

Galten die USA lange als Pharma-Paradies, in dem die neoliberale Ideologie Eingriffe jeglicher Art in das Wirtschaftleben tabuisierte, weshalb der Phantasie von BAYER & Co. bei der Preis-Gestaltung keine Grenzen gesetzt waren, so gerät das Treiben der Konzerne seit einiger Zeit verstärkt in den Blick von Politik und Öffentlichkeit. Auch der Kongress hat sich nicht zum ersten Mal mit den Kosten von Medikamenten beschäftigt. Und frühere „in-depth investigations“ führten durchaus schon zur Verbilligung von Arzneien.
Dazu könnte es nun bei BETASERON & Co. ebenfalls kommen. Die Studie von Daniel Hartung, die Cummings und Welch zu ihrem Vorstoß anregte, vermochte nämlich keine rationale Gründe für die Preis-Explosionen bei den MS-Präparaten zu finden. Die größten Anhebungen nahmen die Unternehmen vielmehr stets dann vor, wenn teure neue Produkte auf den Markt kamen. „Nach der klassischen ökonomischen Theorie sollte der Wettbewerb eigentlich die Kosten für den Verbraucher senken oder zumindest stabilisieren“, wundern sich die AutorInnen. Ihnen zufolge bleibt nur eine Möglichkeit, dieses Phänomen zu deuten: „Die einfachste Erklärung ist, dass die Pharma-Produzenten die Preise für alte und neue MS-Arzeien erhöhen, um mehr Profite zu machen.“ Wobei die Konzerne weitgehend freie Hand haben: Den Pharmazeutika droht wegen ihres komplexen Aufbaus kaum Konkurrenz von Nachahmer-Präparaten. Da diese Unternehmensspolitik „eine Kaskade negativer Effekte für die MS-PatientInnen“ produziert, werfen Hartung und seine KollegInnen auch die Frage nach der „Ethik unseres gegenwärtigen, dem freien Markt unterworfenen Arzneipreis-Systems“ auf und fordern gesundheitspolitische Maßnahmen.

Die PatientInnen-Verbände verlangen ebenfalls solche Schritte. So hat die „National MS Society“ im September 2016 eine Kampagne für billigere MS-Medikamente gestartet. „Der kontinuierliche Preis-Anstieg für Arzneien zur Linderung der Multiplen Sklerose errichtet für die Patienten Barrieren, die für sie lebenswichtige Medikationen auch zu erhalten“, erklärte der Verband.
Das Attribut „lebenswichtig trifft dabei auf BETASERON, das BAYER in der Bundesrepublik unter dem Namen „BETAFERON“ vermarktet, nur eingeschränkt zu, denn das Mittel steht wegen seiner vielen Neben- und nur eingeschränkten Hauptwirkungen in der Kritik (SWB 4/14). Aber nicht nur das lässt der Leverkusener Multi an sich abprallen. Er zeigt sich auch ungerührt von den Ermittlungen in Sachen „Mondpreise“. „BAYERs Engagement für die MS-Kranken begann bereits vor 25 Jahren, und wir fühlen uns weiterhin verpflichtet, den Bedürfnissen der Patienten gerecht zu werden“, heißt es in der Stellungnahme des Konzerns zur angekündigten Untersuchung des Kongresses scheinheilig.

HERVORHEBUNG:

„Die einfachste Erklärung ist, dass die Pharma-Produzenten die Preise für alte und neue MS-Arzeien erhöhen, um mehr Profite zu machen.“

[BAYERs Staatsstreich] Wie Carl Duisberg 1917 Bethmann Hollweg stürzte

CBG Redaktion

Vor hundert Jahren wurde Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg zum Rücktritt gezwungen. Die von dem BAYER-Chef Carl Duisberg zusammen mit der Obersten Heeresleitung entfesselte Treibjagd hatte Erfolg. Damit war jede Aussicht auf einen Verständigungsfrieden im Ersten Weltkrieg zunichte gemacht

Von Otto Köhler

Zwölf Jahre sind nun schon vergangen, seit der renommierte Verlag C. H. Beck in Tatgemeinschaft mit dem nicht weniger angesehenen Strukturhistoriker Hans-Ulrich Wehler geschichtsamtlich festgelegt hatte, was heute vor hundert Jahren geschah und was Friedrich Meinecke, der „führende Repräsentant der deutschen Geschichtswissenschaft” (Gerhard A. Ritter) als „Militärrevolution” völlig falsch erlebt haben muss. Damals, 2005, ging es darum, dass bei Beck die in halb Europa gedruckte „Kurze Geschichte der Demokratie” des Althistorikers Luciano Canfora nicht verlegt werden durfte. Unter anderem deshalb, weil Canfora unter Berufung auf Meinecke schrieb, dass Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg durch einen „staatsstreichähnlichen Akt abgesetzt” wurde. Beck-Cheflektor Dr. Detlef Felken stellte in einer an alle großen Feuilleton-Redaktionen verteilten Fehlerliste fest, es sei „falsch”, dass des Reichskanzlers Absetzung 1917 einem Staatsstreich nahegekommen sei. Und Professor Dr. Wehler bekräftigte: „Die Absetzung von Bethmann-Hollweg sic hat nichts mit einem Staatsstreich zu tun.” Nichts?

Weg mit Schöffen und Gerichten

Für Geheimrat Carl Duisberg, den Generaldirektor von BAYER & Co. in Leverkusen und Gründer der später bis nach Auschwitz ausgreifenden INTERESSENGEMEINSCHAFT FARBEN, begann das Jahr 1917 mit allerlei Arbeit. Wichtig war zunächst einmal, mit der Justiz aufzuräumen. Und da kam Duisberg ein Aufruf des Verlegers und „Schriftleiters” der Deutschen Juristen-Zeitung, Dr. Otto Liebmann, gerade recht. Der hatte sich an eine „Anzahl hervorragender Männer” gewandt, sie sollten unter der Überschrift „ein dringendes Gebot” für eine „Einschränkung der Rechtspflege auf das Notwendigste” eintreten. Das kam Carl Duisberg sehr gelegen. „Ihr Mahnwort an die Justiz und an das deutsche Volk – ein dringendes Gebot – es kommt zur rechten Zeit, am rechten Ort.” Denn, so formulierte es Duisberg: „Das Friedensangebot, selbst wenn es von unseren Feinden angenommen wird, zwingt uns zum energischen” – und für BAYER profitablen – „Wettrüsten, erst recht aber, wenn es leider vergeblich gewesen ist. Dann heißt es, zum letzten Schlag, zum entscheidenden Sieg alles einzusetzen für unseres Volkes Existenz, für Deutschlands Ehre. Dann hinweg mit Klagen und Prozessen, mit Schöffen und Schwurgerichten.”

Dieser Aufruf machte sich gut in Deutschlands führender Juristenzeitung, die pünktlich 1933 vom Verlag C. H. Beck arisiert wurde, der wiederum Carl Schmitt („Der Führer schützt das Recht”, 1934) als Herausgeber einsetzte. Duisberg hatte allerdings banale Motive für seine Forderung, Klagen, Prozesse und Gerichte hinwegzufegen.

Bitter hatte er sich in der Vergangenheit bei Oberstleutnant Max Bauer – seinem Vertrauten in Paul von Hindenburgs und Erich Ludendorffs Oberster Heeresleitung, mit dem er seine Rüstungs- und Giftgasgeschäfte abwickelte – über den Kriegsminister Adolf Wild von Hohenborn beklagt: „Wir wurden gebremst, wenn wir uns weiter betätigen wollten, wir wurden verärgert und in die Schranken des bureaukratischen, geschäftsordnungsmäßigen Betriebes zurückgewiesen, wir wurden geschimpft und gescholten, wenn wir uns rührten und regten und aus dem gewohnten Gleise heraustraten. Anstelle dankbarer Anerkennung, wie wir sie erwarten konnten, und wie sie zeitweise auch gewährt wurde, trat die übliche, nie Lob, aber wohl Tadel zeigende Amtsmiene, trat Krittelei und Nörgelei und von der Reichstagsmehrheit gewünschte Knauserei.”
Besonders heilig waren Duisberg die Kriegsprofite, deren gerichtliche Untersuchung er fürchten musste. Dem in einem Schreiben des Kriegsministeriums geäußerten Begehren, die an Rüstungsaufträgen wild verdienende Industrie solle sich in die Bücher gucken lassen, begegnete er mit verständlicher Wut. Auf dieses Verlangen gebe es, schrieb er im Brief an Bauer, „keine Antwort als die von der gesamten Industrie beschlossene Ablehnung dieses Eindringens in die tiefsten Geheimnisse unserer Privatwirtschaft, um entweder die Schwachen, Ängstlichen und nicht auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit Stehenden zu falschen Mitteilungen zu veranlassen oder den Tüchtigen, Starken und Aufrichtigen aus den Einzelheiten ihrer Preisaufstellung einen Strick zu drehen”.

Doch den wollte er sich nicht drehen lassen. Darum forderte er fürs neue Jahr 1917: „Hinweg mit Klagen und Prozessen, mit Schöffen und Schwurgerichten.” Der Kriegsminister von Hohenborn war nun weg. Jetzt galt es im neuen Jahr, den mit den Forderungen der Militärs nicht ganz kompatiblen Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg aus dem Amt zu jagen. Der hatte zwar von Anfang an den Krieg ordentlich mitgemacht und befriedigende Kriegsziele entwickelt, aber jetzt – die Siege blieben aus – machte der Zivilist schlapp und setzte auf einen „Verständigungsfrieden”. Das konnte weder der Heeresleitung noch der Rüstungsindustrie recht sein, die beide solide vom Krieg genährt wurden.

Männer aus Stahl

Und so fand sich Carl Duisberg am Sonnabend, den 13. Januar 1917 – genau sechs Monate, bevor Bethmann Hollweg zurückgetreten wurde – im Düsseldorfer Industrie-Club wie schon im Vorjahr mit einer „Tischrede” vor den deutschen Schwerindustriellen und Generälen wieder. Ihm war bekannt: „Im Schützengraben kämpfen zwar Gebildete und Ungebildete, Arme und Reiche nebeneinander. Aber die Masse daselbst wird repräsentiert durch die Unterschicht. Da nun die Friedensbewegung von seiten der Sozialdemokratie” – „Friedensflennerei” hatte er so was gerade genannt – „hier in intensivster Weise betrieben worden war, musste man darauf Rücksicht nehmen.” Es sei ja ohnedies klar gewesen, „dass ein solches Angebot beim Gegner keinen Erfolg haben könnte”. „Bravo” ertönte es da von den Tischen. „Jetzt sind hoffentlich die Freunde des ewigen Friedens endgültig davon überzeugt, dass es wirklich um Sein oder Nichtsein eines jeden von uns geht.” – „Sehr richtig” lautete die Antwort aus dem Saal.
Nun sollte es wirklich möglich sein, die „fehlende Einigkeit” des deutschen Volkes wiederherzustellen, wie sie 1914 bestand: „Jetzt könnte ein starker energischer Mann an der Spitze der deutschen Reichsleitung stehend, dies mit Leichtigkeit machen.” Der rechte Moment sei schon verpasst: „Es fehlt eben dem deutschen Volke eine solche Bismarck-Natur.”

Aber da gibt es noch Hindenburg. Und den „ungehemmten U-Bootkrieg” gegen Amerika und seine Schiffe. Keine Furcht vor einer Kriegserklärung aus den Vereinigten Staaten! Lebhafter Beifall. „Jeder, der in Amerika war, weiß, dass dort nur Ellenbogen und Revolverpolitik hilft sic!.”
„Beim Militär gilt die Norm: Wenn einem Führer der Auftrag zuteil wird, und er führt ihn nicht mit Erfolg durch, ob er schuld hat oder nicht, so muss er gehen.” – „Sehr Richtig”-Rufe der Industriellen verzeichnet hier das Protokoll, alle wussten, dass Hindenburg und Ludendorff damit nicht gemeint sind. Duisberg fuhr fort: „Meine Herren, wenn nun auch in der Zivilverwaltung” – er meinte die Reichsregierung unter Bethmann Hollweg – „derselbe Grundsatz Geltung hätte, und ich hoffe, er wird einmal durchgeführt werden, dann erst wird der Spruch wirklich in Erfüllung gehen, den ein hochstehender Mann im Deutschen Reich geprägt hat: ‚Dem Tüchtigen die Bahn frei!’” Dann aber müssten „die Untüchtigen” – jeder der Industriellen verstand: Bethmann Hollweg und seine Leute – gehen, „sonst ist kein Platz für den Tüchtigen vorhanden” – für Hindenburg. Und deshalb, befahl Duisberg, „hoffe ich zuversichtlich, dass militärische Rücksichten und Grundsätze hier Platz greifen”. Den BAYER-Chef übermannte es: „Und wenn dann Männer aus Stahl nicht nur im Schützengraben, sondern an der obersten Stelle stehen, wenn dann nicht nur Glacéhandschuhpolitik, sondern Faustpolitik getrieben wird, wenn es dann zu Friedensverhandlungen kommt, brauchen wir um die Friedensziele gar keine Sorge zu haben” – ein deutsches Europa mit Siedlungsraum im Osten und in Afrika. Und Duisberg versprach der versammelten Industrie: „Sie können sich darauf verlassen, wenn Hindenburg und Ludendorff auch hierbei mitwirken, gibt es einen glänzenden Frieden für unser deutsches Vaterland.”

Und Duisberg kommandiert, wo es keiner Anweisung mehr bedarf: „In diesem Sinne bitte ich Sie, aufzustehen und zu rufen: ‚Unser deutsches Vaterland, es lebe hoch, hoch, hoch!’” Das Redeprotokoll des Industrieklubs vermerkt: „Die Versammlung stimmt begeistert ein.”

Gut drei Wochen später, am 6. Februar 1917 in München, setzte der BAYER-Chef als ehemaliger Vorsitzender des Vorstandsrates des Deutschen Museums seine Agitation gegen den Reichskanzler in Gegenwart Seiner Majestät König Ludwig III. und zahlreicher Wirtschaftsgranden fort. Er forderte eine Militärdiktatur in der Form, dass „eine starke, das allgemeine Vertrauen besitzende Persönlichkeit an die Spitze der Reichsleitung treten” müsse, die „eine einigende und fortreißende Kraft” besäße, um „uns in dem ungeheuren Kampf zum Sieg zu führen” – jeder verstand: Hindenburg soll anstelle von Bethmann Hollweg das Deutsche Reich regieren. Und nebenbei – auch das gehört dazu – verkündete Geheimrat Dr. Carl Duisberg als Vorstandsratsvorsitzender, dass „Frau Geheimrat Duisberg, Leverkusen, für die Stiftung eines Flügels” zum lebenslänglichen Mitglied des Deutschen Museums ernannt sei – die Deutschen blieben auch im Zeichen des vom Herrn Gemahl hochprofitabel belieferten Gaskrieges ein Kulturvolk.

Das Deutsche Museum war das Vorspiel. 19 Tage später treten 32 Industrielle und Militärs – der Kaiser liegt nach einer Bruchopera¬tion seit Tagen im Bett – im Berliner Adlon-Hotel zur Vorarbeit für den Putsch gegen Bethmann Hollweg an. Die Anführer sind Carl Duisberg, der bis in den Tod Hindenburg treu bleibt, und der Großindustrielle Emil Kirdorf, der es später mehr mit Hitler hält und dafür von diesem 1938 ein Staatsbegräbnis spendiert bekommt.

Auf Gewalt eingestellt

Gustav Stresemann hatte bei der Hotelleitung den Kaisersaal bestellt – für einen Vortrag über die „chemische Industrie”. Das war durchaus korrekt. Denn schon in der Einladung hieß es: „Mehr denn je ist es unsere vaterländische Pflicht, die Entlassung Bethmann Hollwegs zu verlangen.” Duisberg erklärt an diesem 25. Februar 1917 im Kaisersaal, er handle „im Einverständnis von Ludendorff und Hindenburg”. Er entwarf in seiner Rede ein Programm, das in Briefen an den Kaiser und an Ludendorff niedergelegt wurde. Darin hieß es: „Wenn es zum Gegensatz käme, entweder Hindenburg oder Bethmann, die Beseitigung Bethmanns wäre sicher (…) Wir sind ganz auf Krieg und Gewalt eingestellt, und das Beste wäre, wenn diese Sachlage auch äußerlich zum Ausdruck käme, dass der Marschall auch Kanzler wäre … Wenn der Marschall im Felde siegt, siegt auch der Kanzler in der ‚Politik’. Denn jetzt ist ‚Politik’ gleich Krieg und Krieg gleich ‚Politik’”.
Hindenburg-Biograph Wolfram Pyta glaubt: „Die Reaktion des Kaisers auf die Adlon-Versammlung offenbart indes den” – nun ja, das wird sich noch zeigen – „geringen Einfluss schwerindustrieller Interessen: Wilhelm II. reagierte erbost, wobei sich sein Zorn nicht nur gegen die teilnehmenden Industriellen richtete, denen er ‚Hochverrat’ vorwarf. Seine Wut über deren Einmischung in seine allerhöchsten Befugnisse gipfelt” – und das zu schreiben, daran konnte ihn weder ein Detlef Felken noch ein Hans-Ulrich Wehler hindern, denn Pyta wurde nicht von Beck, sondern von Siedler verlegt – „in dem Satz: ‚Das ganze Gebaren würde Mich berechtigen, die Teilnehmer an der Versammlung ohne Weiteres verhaften und nach Spandau bringen zu lassen’”. Geringer Einfluss? Wilhelm Zwo kapituliert am 17. Juli 1917 vor dem militärisch-industriellen Putsch, indem er Bethmann Hollweg, der eigentlich sein Vertrauen genießt, zwingt, seinen Rücktritt einzureichen. Sorgfältig abgestimmt mit Duisbergs Adlon-Auftritt am 25. Februar hatte dessen Freund, der Oberstleutnant Bauer, eine Denkschrift „Bemerkungen über den Reichskanzler” für Ludendorff ausgearbeitet, die der Reichsregierung vorwirft: „1. Sie hat versäumt, die Hilfsmittel des Landes rechtzeitig auf den Krieg einzustellen, und gefährdet jetzt den Ausgang des Kampfes. 2. Sie hat im Inneren verfahrene Verhältnisse geschaffen.” Und dies habe, das spricht Duisberg aus dem Herzen, zu einer bedenklichen Aufwärtsentwicklung der Löhne und zu weitgehenden politischen Forderungen geführt. Der Vorwurf gegen Bethmann Hollweg: „Statt durch starkes Zugreifen und Belehrung Ordnung zu schaffen und das Volk über seine Pflichten aufzuklären, hat sich die Regierung von den Kreisen leiten und treiben lassen, die schon im Frieden als eine Gefahr für Staat und Monarchie erkannt waren”. Anfang Juli tauchte Oberstleutnant Bauer in Berlin auf und verbreitete unter den Politikern: Hindenburg und Ludendorff hätten den Kaiser gewarnt, sie könnten nicht länger mit Bethmann zusammenarbeiten: der oder sie müssten zurücktreten. Erst als ihre Drohung durch Bauers gezielte Indiskretion in ganz Berlin verbreitet war, setzten Hindenburg und Ludendorff dem Kaiser mit einem telegraphischen Abschiedsgesuch, das sie schon am Vortag dem Kriegsminister zur Kenntnis gegeben hatten, die Pistole auf die Brust.
Der Kaiser im Krieg ohne Oberste Heeresleitung? Wilhelm musste kapitulieren und Bethmann Hollweg anweisen, seinen Rücktritt einzureichen. Duisberg und die Generale, sie hatten gesiegt, sie hatten dem Monarchen ihren Willen aufgezwungen.

Auf den Arsch gefallen

Pünktlich am 30. Januar 2017 – man hat Stil – stellte der Verlag C. H. Beck zusammen mit der Gerda-Henkel-Stiftung, die „herausragende geisteswissenschaftliche Forschungsleistungen” fördert, ein „Opus magnum” vor: „Carl Duisberg. 1861–1935. Anatomie eines Industriellen” von Werner Plumpe. Für diesen Vorsitzenden des „Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte“ (GUG), die 1976 zur Abwehr „ideologisch befrachteter Historiker” gegründet wurde, ist klar, dass Duisberg in diese Angelegenheit, die man nicht mal staatsstreichartig nennen darf, nur so hineingestolpert ist.
Er hatte mit der Adlon-Gesellschaft eigentlich gar nichts zu tun, er wollte sie doch nur durch starke Worte vom Handeln abhalten. GUG-Plumpe: „Carl Duisberg nahm an der Versammlung teil, hielt eine längere Rede – und, da Teile davon” – so ein Pech – „den Behörden, vor allem aber der Öffentlichkeit umgehend bekannt wurden, erschien (!) er über Nacht (!) als Kopf einer ‚Kanzler-Fronde’, der sich nun erheblicher Kritik aus allen Teilen des Reichs ausgesetzt sah. Der Kaiser war über die Adlon-Versammlung sichtlich verärgert (…)”
Plumpe: „Am eigentlichen Sturz Bethmann Hollwegs war Duisberg nur noch mittelbar beteiligt.” Beweis: Er war an diesem Tag gar nicht in Berlin, wie ein Brief von ihm belegt: „Im entscheidenden Augenblick rutschte ich aber auf der Treppe aus und fiel derartig auf die bessere Hälfte meines Körpers, dass der Arzt den Teil wenigstens eine Nacht lang auf Eis legen ließ.” Zwar hätte er am nächsten Tag noch fahren können, aber er betrachtete seinen Fall auf den Arsch als ein „Zeichen des Himmels”, es lieber nicht zu tun, sondern „die Uhr, die ich mitaufgezogen, ruhig ablaufen zu lassen”.

Letztes Mysterium des Kapitals

Dass er im Auftrag gehandelt hatte, darüber legte Duisberg am 26. Juni 1931 in einem Brief an Hitler-Freund Kirdorf – vielleicht ungewollt – ein umfassendes Geständnis ab: „Ich habe mit Ihnen zu den größten Gegnern des Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg gehört, habe ihn bekämpft, wo ich konnte (…)”. Ja, er, Duisberg, habe „im Auftrag des früheren Generalfeldmarschalls und jetzigen Reichspräsidenten v. Hindenburg, als sein Versuch in Pless, ihn (Bethmann Hollweg, O. K.) beim Kaiser zu Fall zu bringen, missglückt war, dann beim König von Bayern einen direkten Angriff gegen ihn unternommen”. Im Auftrag Hindenburgs – also eine zivil-militärische Zusammenarbeit beim Putsch gegen den Reichskanzler.
Auf dem Schutzumschlag des Opus magnum legt der Verlagskonzern C. H. Beck sein Bekenntnis ab: „Anhand des Lebenswegs des Carl Duisberg, des Begründers der modernen chemischen Industrie, beleuchtet Werner Plumpe dieses letzte Mysterium unseres Wirtschaftssystems”. Richtig, nämlich wie Krieg, Gasmord, Rüstungsprofit, Militärdiktatur und beginnender Faschismus sich in einer vorbildhaften Unternehmerfigur zusammenfügen.
Duisberg starb am 19. März 1935. Plumpe vermerkt: „Dabei war Hitlers Telegramm an Johanna Duisberg eher nichtssagend.“ So kann man das wirklich nicht sagen. Der Führer im Telegramm-Wortlaut: „Die deutsche Chemie verliert in ihm einen ihrer ersten Pioniere und einen erfolgreichen Führer, die deutsche Wirtschaft einen ihrer großen Organisatoren. Sein Name wird in Deutschland in Ehren weiterleben.”

Doch Adolf Hitler hat sich da getäuscht, und das betrübt den Unternehmensforschungsvorsitzenden sehr. Am Ende des Kapitels über Duisbergs „Tod und Nachleben” klagt Plumpe: „(…) und jüngst war die Coordination gegen Bayer-Gefahren, ein Zusammenschluss u. a. kritischer Aktionäre, mit ihrer Kampagne, die nach Carl Duisberg benannten Straßen und Schulen in Deutschland umbenennen zu lassen, zumindest in Dortmund erfolgreich. Anderswo laufen Verfahren, und es ist keineswegs sicher, wie sie ausgehen.”

Dieser Artikel erschien zuerst in der jungen Welt. Das Stichwort BAYER druckte ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Zeitung nach.

[MONSANTO] EU prüft weiter

CBG Redaktion

BAYERs MONSANTO-Deal

Die EU unterzieht BAYERs Ansinnen, den US-Konzern MONSANTO übernehmen zu wollen, einer vertieften Prüfung. Das gab die Wettbewerbskommission Ende August 2017 bekannt.

Von Jan Pehrke

Wie allgemein erwartet, hat die Europäische Union BAYERs Antrag, den US-Konkurrenten MONSANTO schlucken zu wollen, nicht schon nach einem 7-wöchigen Kurz-Check durchgewunken. „Die Kommission hat eine eingehende Prüfung eingeleitet, um die geplante Übernahme von MONSANTO durch BAYER nach der EU-Fusionskontrollverordnung zu würdigen“, hieß es am 22. August 2017 in Brüssel. Die Generaldirektion Wettbewerb sei besorgt darüber, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb in den Bereichen „Pestizide“, „Saatgut“ und „agronomische Merkmale“ – das böse Wort „Gentechnik“ nimmt die EU nicht in den Mund –beeinträchtigen könnte, lautete die Begründung. Die Zugeständnisse, zu denen sich beide Konzerne am 31. Juli 2017 schriftlich bereit erklärten, reichten der Kommission nicht aus, um ihre „vorläufigen Bedenken“ gegen das Unterfangen zu zerstreuen, das dem Leverkusener Multi bei den gen-manipulierten Pflanzen einen Marktanteil von weit über 90 Prozent, beim konventionellen Saatgut einen von rund 30 Prozent und bei den Pestiziden einen von ca. 25 Prozent einbrächte.
Konkret beziehen sich diese Bedenken auf eine zu große Dominanz bei den Anti-Unkrautmitteln, wenn das berühmt-berüchtigte Glyphosat und das nur wenig ungefährlichere Glufosinat unter einem Konzern-Dach angeboten werden sollten. Gleiches gilt für die Genpflanzen der Marken ROUND UP und LIBERTY, welche die beiden Unternehmen in Kombination mit diesen Ackergiften vermarkten. Bei den Substanzen, zu denen ImkerInnen greifen können, wenn Varroa-Milben ihre Bienenstöcke befallen haben, sieht die EU-Kommission ebenfalls Handlungsbedarf. Im Geschäftsfeld „konventionelles Saatgut“ schließlich befürchtet sie nach der Zusammenlegung der Sparten eine zu umfassende Markt-Beherrschung bei Raps, Baumwolle, Weizen und einigen Gemüse-Sorten. Und Gleiches gilt der Europäischen Union zufolge für das Segment der digitalen Landwirtschaft.

Für BAYER kommt all dies nicht überraschend. Von vornherein hatte der Leverkusener Multi damit gerechnet, sich im Zuge der MONSANTO-Akquisition von Teilen seines Sortiments trennen zu müssen, um von den Kartell-Behörden die Genehmigung für den Deal zu erhalten. Sogar ein bestimmtes Umsatz-Volumen hatte er schon vor Augen: 1,6 Milliarden Dollar. Und Vorbereitungen für die Veräußerungen traf der Global Player bereits im März 2017. Da stellte er die Gentech-Pflanzen der LIBERTY-Produktreihe mitsamt dem auf sie abgestimmten Herbizid Glufosinat sowie Raps- und Baumwoll-Saatgut zum Verkauf, was sogleich auf reges Interesse stieß.

Entsprechend gelassen reagierte der Konzern auf die Nachricht aus Brüssel. „Aufgrund der Größe und des Umfangs der geplanten Übernahme hat BAYER eine nähere Untersuchung erwartet“, erklärte er. Viel Unbill erwartet das Unternehmen in den kommenden Monaten aber offenbar nicht mehr, und kleinere Dosen – etwa in Form von weiteren Auflagen zur Abgabe von Produkten – kann der Agro-Riese gut verkraften. „BAYER sieht einer Fortsetzung der konstruktiven Zusammenarbeit mit der EU-Kommission entgegen“, hieß es deshalb in der Presseerklärung. Und „konstruktiv“ bezeichnete der Konzern die Zusammenarbeit auch noch einen Monat später, obwohl er sich da gezwungen sah, eine Verlängerung der Prüffrist über den 8. Januar 2018 hinaus zu beantragen, weil ihm die Anforderungen aus Brüssel doch mehr zu schaffen machten, als gedacht.
Aber trotzdem müssen die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und zahlreiche andere Initiativen, welche sich in Offenen Briefen an die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gegen den Milliarden-Deal gewandt hatten, immer noch das Schlimmste befürchten. Die in diesen Eingaben aufgelisteten Risiken und Nebenwirkungen des Geschäfts berücksichtigt die Europäische Union bei ihrer Bewertung der Akquisition nämlich nicht. Sie finden in ihrer Verlautbarung vom 22. August 2017 keinerlei Erwähnung.
Die CBG etwa hatte in ihrem gemeinsam mit BROT FÜR ALLE verfassten und von MULTIWATCH, dem SEEDS ACTION NETWORK, dem PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK und anderen Bündnispartnern unterzeichneten Schreiben vor den Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und die Unternehmenssteuer-Einnahmen der Standort-Städte gewarnt. Auch forderten die Organisationen Vestager & Co. auf, die Rolle großer Finanzinvestoren wie BLACKROCK bei solchen Transaktionen zu untersuchen. Zudem bezeichneten sie die zunehmende Konzentration auf dem Agro-Sektor als eine Gefahr für die demokratische Gestaltung der zukünftigen weltweiten Landwirtschaft. Andere Offene Briefe thematisierten die Gefährdung des Klimas durch eine immer stärker forcierte Industrialisierung der Boden-Bewirtschaftung oder mahnten die EU eindringlich, sich die Folgen von BAYERs Coup für die Länder des globalen Südens vor Augen zu führen.
In 50.000 E-Mails, 5.000 Briefen oder Postkarten und unzähligen Tweets brachten die GegnerInnen des Projektes ihre Kritik zum Ausdruck. Das alles schert Brüssel jedoch nicht. „Auch wenn diese Bedenken sehr wichtig sind, bilden sie nicht die Grundlage für das Fusionskontroll-Verfahren“, antwortete Margrethe Vestager den AbsenderInnen. „Die Kommission hat die Aufgabe, die Übernahme aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu bewerten“, hielt die sozialliberale Politikerin fest. Ihre Fachabteilung beschränke sich in der Sache deshalb auf Fragen des Wettbewerbs, folge dem Grundsatz der Unparteilichkeit und unterliege der Kontrolle durch die europäischen Gerichte, stellte die Dänin klar.

Auf diese Weise droht die vertiefte Prüfung zu einer ziemlichen Flachbohrerei zu verkommen. Mit technokratischem Tunnel-Blick durchkämmen die BeamtInnen die immensen Warenlager von BAYER und MONSANTO, gucken sich dabei jedes einzelne Produkt genau an und checken Verkaufszahlen und Markt-Anteile. Und ungefähr genauso gehen ihre KollegInnen in den USA vor. Patty Lovera von der Initiative FOOD AND WATER WATCH moniert das. Den RegulatorInnen „entgeht das Entscheidende“, wenn sie sich in diesem Klein-Klein verlieren, anstatt auf das große Ganze zu schauen und die Auswirkungen des kompletten, sich zur Zeit im Agro-Business abzeichnenden Konzentrationsprozesses in Augenschein zu nehmen. „Wir glauben nicht, dass diese Analyse dem Ausmaß der Konsoldierung und Kontrolle, die wir in diesen Märkten sehen, gerecht wird“, so Lovera. Darum schrieb FOOD AND WATER WATCH gemeinsam mit dem „American Antitrust Institute“ und der „National Farmers Union“ in dieser Sache einen Offenen Brief an die US-amerikanische Kartellbehörde. Und auch von 17 Senatoren der Demokratischen Partei bekam diese Post.

Hierzulande stößt die Arbeit der Kartell-WächterInnen in gleichem Maße auf Kritik. Einem Gutachten zufolge, das der Jurist Boris P. Paal im Auftrag von Bündnis 90/Die Grünen erstellte, hat die EU durchaus die Möglichkeit, bei der Begutachtung der Transaktion auch solche Aspekte zu würdigen, die laut Margrethe Vestager nicht Gegenstand des Verfahrens sein dürfen. Paal verweist dazu besonders auf den Artikel 2 der Fusionskontroll-Verordnung. Mit BAYERs Plan, MONSANTO zu übernehmen, droht ihm zufolge nämlich das, was dort unter „wirksamer Wettbewerb“ gefasst ist, in Bezug auf die Ernährungssicherheit, die Biodiversität und den Gesundheitsschutzes zu gefährden. „Die EU-Kommission ist somit (auch) im Fall BAYER/MONSANTO gehalten, außer-ökonomische Ziele in das Fusionskontroll-Verfahren mit einzubeziehen“, hält der Gutachter fest.
Und die Publikation „Fusion von BAYER & MONSANTO“, zu deren Mitherausgebern die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN neben der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, dem FORUM UMWELT UND ENTWICKLUNG und anderen Gruppen zählt, formuliert ebenfalls massive Einwände gegen das Treiben der
Wettbewerbskommission. Die Zahlen, welche die Veröffentlichung präsentiert, sprechen eine eindeutige Sprache. Vestager & Co. winken die Fusions- und Übernahme-Anträge in den allermeisten Fällen ohne jegliche Auflagen durch. Im Jahr 2015 beispielsweise untersagten sie keinen einzigen der von ihnen überprüften Deals. „Eine Verschärfung der Fusions- und Missbrauchskontrolle ist unerlässlich, um die Markt-Macht der Multis zu begrenzen“, lautet deshalb das Resümée. Die AutorInnen fordern unter anderem ein Trennungsgebot, das es den Unternehmen nicht länger erlaubt, gleichzeitig dominierende Stellungen sowohl im Saatgut- als auch im Gentechnik- und Pestizid-Bereich aufzubauen. Überdies verlangen sie, die gehaltenen Patente in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Und schließlich tritt die Streitschrift für die Einrichtung einer Welt-Kartellbehörde ein.

Aber auch sonst nimmt der Protest gegen das BAYER-Vorhaben nicht ab. „Ich glaube, das wird ein schlechter Deal für die amerikanischen Farmer“, sagt John Boyd Jr. von der „National Black Farmers Association“ (NBFA). So erwartet er beispielsweise höhere Kosten für Soja im Falle der Übernahme von MONSANTO durch BAYER und verweist dazu auf die eh schon massiv gestiegenen Preise für diese Ackerfrüchte. Habe er für einen 50-Pounds-Sack (ca. 23 Kilogramm) mit Saatgut in den 1990er Jahre lediglich neun Dollar zahlen müssen, seien es jetzt schon 61 Dollar gewesen, berichtet er und empört sich über die Ignoranz des Leverkusener Multis. Die NBFA hatte zu ihrem Jahrestreffen nämlich VertreterInnen des Globals Players eingeladen, um ihnen Fragen zu dem Deal zu stellen. Es kam jedoch niemand. Als „totale Respektlosigkeit“ bezeichnete Boyd dieses Verhalten und richtete einen Appell an die Öffentlichkeit: „Heute rufe ich jeden, der Lebensmittel kauft oder konsumiert, dazu auf, sich unserer Kampagne zum Stopp der Fusion von BAYER und MONSANTO anzuschließen.“

Und auch der Leverkusener Multi selbst musste sich immer wieder mit den GegnerInnen seiner Übernahme-Pläne auseinandersetzen. Das „Wir haben es satt“-Bündnis, FIAN, die CBG und andere Organisationen statteten der Konzern-Zentrale am 6. September 2017 einen Besuch ab (siehe gegenüberliegende Seite). Aber das bildete erst den Auftakt zu einer neuen Runde von Aktionen gegen das Milliarden-Geschäft, an deren vorläufigem Ende die Jahreshauptversammlung des Unternehmens Ende Mai 2018 in Bonn stehen wird.

HERVORHEBUNGEN:

„Die EU-Kommission ist somit (auch) im Fall BAYER/MONSANTO gehalten, außer-ökonomische Ziele in das Fusionskontroll-Verfahren mit einzubeziehen“, hält der Gutachter fest

Als „totale Respektlosigkeit“ bezeichnete Boyd dieses Verhalten und richtete einen Appell an die Öffentlichkeit: „Heute rufe ich jeden, der Lebensmittel kauft oder konsumiert, dazu auf, sich unserer Kampagne zum Stopp der Fusion von BAYER und MONSANTO anzuschließen.“

[BAYER Besuch] BAYER bekommt Besuch

CBG Redaktion

Protest gegen die geplante MONSANTO-Übernahme

Am 6. September 2017 machte das „Wir haben es satt“-Bündnis vor der BAYER-Zentrale Station, um aus gegebenem Anlass – der geplanten Übernahme von MONSANTO – gegen Konzern-Macht zu protestieren.

Von Jan Pehrke

Die Risiken und Nebenwirkungen des Agrarmarkt-Monopolys als Computerspiel – das brachte das „Wir haben es satt“-Bündnis am 6. September 2017 vor der Leverkusener BAYER-Zentrale zur Aufführung. Die Rolle des Bösewichtes „Pac-Man“ besetzte es aus naheliegenden Gründen mit BAYSANTO, der furchteinflößenden, aber alles andere als unrealistischen Horror-Vison eines neuen Mega-Konzerns. Der Unhold marodierte durch die Felder und versuchte sich alles Saatgut unter den Nagel zu reißen, das nicht niet- und nagelfest war, auf das überall nur noch sein eigenes wachse, vorzugsweise gentechnisch verändert und patentiert.

Da waren jedoch die rund 80 AktivistInnen vor. „Wir haben den Pac-Man in die Schranken gewiesen“, konnte Annemarie Volling von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL) so verkünden. „Bleibt uns vom Acker!“, warnte sie BAYER & Co. gleichzeitig vor Folge-Taten. Dort verursachen die Produkte der Unternehmen nämlich jede Menge Probleme. Volling erinnerte an den Genreis-Skandal von 2006, als BAYERs gen-manipulierte Sorte „LL 601“ Felder mit konventionellen Pflanzen kontaminierte. Das Versprechen, den Pestizid-Einsatz zu mindern und den FarmerInnen zu höheren Erträgen zu verhelfen, erfüllte die Risiko-Technologie der AbLerin zufolge ebenfalls nicht. Dennoch präsentiert BAYER-Chef Werner Baumann die Gentechnik als Schlüssel zur Lösung des Hunger-Problems und bezeichnet deren GegnerInnen als naiv. „Wie naiv ist es, diese alte Leier immer wieder zu predigen“, hielt Annemarie Volling dem entgegen.
Sarah Schneider von MISEREOR pflichtete Volling bei. Nicht auf den Tellern, sondern in den Tierställen würde ein Großteil der Gentech-Saaten landen, konstatierte die Fachreferentin für Landwirtschaft und Ernährung. Folglich glaubte auch sie die PR-Mär vom „Brot für die Welt“-Konzern BAYER nicht. Einzig um den Profit gehe es dem Leverkusener Multi, erläuterte Schneider und nannte seine Bestrebungen, MONSANTO schlucken zu wollen, als „gefährlich für die Demokratie und das Ernährungssystem“.

„Zu Risiken und Nebenwirkungen der Fusion fragen Sie die bäuerliche Landwirtschaft“, schlug der Landwirt Bernd Schmitz vom NRW-Landesverband der AbL vor und berichtete von seinen Erfahrungen aus der Praxis: „Der Konzern greift durch bis auf die Äcker.“ Für Jutta Sundermann von der AKTION AGRAR schließlich brauchte es nicht erst die jüngste Übernahme-Welle in der Branche, um die Situation im Landwirtschaftsbereich kritisch zu beurteilen. Die Unternehmen seien „einzeln schon zu mächtig“, befand sie. Der immense Einfluss von BAYER, der mit der geplanten Übernahme von MONSANTO noch größer zu werden droht, war dann auch der Grund für den „Hausbesuch“. „Konzernmacht“ gehörte neben „Landraub“ und „Tier-Fabriken“ nämlich zu den drei großen agrar-politischen Problemfeldern, auf die das „Wir haben es satt“-Bündnis vor der Bundestagswahl aufmerksam machen wollte. Und diesen Status wird die Konzernmacht auch so schnell nicht verlieren.

[SIVANTO] Geschäftsgeheimniskrämerei

CBG Redaktion

Keine Auskunft über das BAYER-Pestizid SIVANTO

Das UMWELTINSTITUT MÜNCHEN e. V. erbat vom „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Auskunft über das neue Pestizid SIVANTO des Leverkusener Multis. Da dieses in dem Verdacht steht, auf Bienen genauso schädlich zu wirken wie die derzeit mit einem Teilverbot belegten Konzern-Produkte GAUCHO und PONCHO, wollte der Umweltschutz-Verein wissen, wie es mit dem Zulassungsverfahren steht. Das BVL hielt sich da jedoch bedeckt. Zur Begründung verwies es auf die Verpflichtung zur Wahrung von BAYERs Geschäftsgeheimnissen. Diese Antwort hat auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bereits einmal erhalten, als sie beabsichtigte, Einblick in den zwischen dem Global Player und der Universität Köln geschlossenen Kooperationsvertrag zu nehmen. Und genauso wenig wie damals die CBG ließ es jetzt das Umweltinstitut dabei bewenden und klagte auf Herausgabe der Informationen.

Von Christine Vogt (UMWELTINSTITUT MÜNCHEN)

Menschen, Tiere und Pflanzen leiden unter dem massiven Einsatz von Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft. Eine Agrarwende hin zu einer umweltverträglichen und nachhaltigen Art der Kultivierung von Ackerfrüchten ist längst überfällig. Dass die Erzeugung von Lebensmitteln auch so möglich ist, zeigen die Ökobauern und -bäuerinnen. Solange die Chemikalien aber eingesetzt werden, sind UmweltschützerInnen auf Informationen etwa darüber angewiesen, ob Zulassungen von neuen Giften bevorstehen. Denn nur dann können sie aktiv werden, bevor Schäden entstehen und gezielt gegen Neuzulassungen vorgehen.

Genau darum geht es bei einem Streit, den das UMWELTINSTITUT MÜNCHEN e. V. und das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) seit über einem Jahr führen: um Zulassungsverfahren für zwei neuartige Insektengifte. Das Amt möchte dem Umweltschutzverein keine Informationen darüber herausgeben. Inzwischen ist der Streit ein Fall für die Gerichte. Das Umweltinstitut hat im März 2017 Klage gegen das BVL wegen des Verstoßes gegen das Umweltinformationsgesetz eingereicht.

Neue Bienengifte

Bei den neuen hochwirksamen Insektengiften handelt es sich um Cyantraniliprol und Flupyradifuron. Sie führen bereits in geringen Mengen zum Tod von Insekten, indem sie deren Nervensystem angreifen. Die Wirkungen dieser neuen Pestizide auf Honigbienen und wilde Bestäuber sind damit ähnlich verheerend wie diejenigen der mit Teilverboten belegten Neonicotinoide Imidacloprid und Clothianidin von BAYER sowie Thiamethoxam von SYNGENTA.
Der Wirkstoff Flupyradifuron wurde vom Leverkusener Multi entwickelt und ist für Bienen derart giftig, dass bereits ein einziger Teelöffel ausreicht, um sechs Millionen Tiere zu töten. Auf nationaler Ebene stehen Zulassungen für konkrete Pestizid-Mischungen mit dieser Substanz derzeit noch aus. In anderen Staaten wie den USA oder Kanada ist der Einsatz des Pestizids SIVANTO, das Flupyradifuron enthält, hingegen schon möglich. Der Wirkstoff Cyantraniliprol, den DUPONT entwickelt hat, ist auch ohne offizielle Zulassung in Deutschland schon länger im Einsatz. Sogenannte Notfall-Zulassungen und Sonderregelungen für Importe von gebeiztem Saatgut machen dies möglich.

Geschäftsgeheimniskrämerei

Bereits im vergangen Jahr verlangte das UMWELTINSTITUT MÜNCHEN Auskunft über den Stand der Zulassungsverfahren für Pestizide mit den neuen Wirkstoffen Cyantraniliprol und Flupyradifuron in Deutschland. Doch das BVL verweigerte die Auskunft mit folgender Begründung: Schon die Information, ob überhaupt ein Zulassungsantrag vorliegt, sei ein Geschäftsgeheimnis der Herstellerfirmen. Das Umweltinstitut sieht darin einen Verstoß gegen die Auskunftspflichten nach dem Umweltinformationsgesetz und klagt vor dem Verwaltungsgericht in Braunschweig auf Herausgabe der Informationen. Über Pläne, die sich tatsächlich oder möglicherweise auf die Umwelt auswirken, können sich Bürger und Bürgerinnen nämlich laut Gesetz Informationen einholen. Und der Einsatz von Pestiziden ist eindeutig mit Auswirkungen auf die Umwelt verbunden: Ökosysteme werden nachhaltig geschädigt und die Vielfalt zahlreicher Tier- und Pflanzen-Arten nimmt dramatisch ab.

Es betrifft alle

Behörden anderer EU-Staaten gehen mit Informationen über Zulassungsanträge von Pestiziden deutlich transparenter um als das BVL: Sie stellen diese in einer öffentlich zugänglichen Datenbank der EU bereit. Wenn sich das BVL mit seiner Argumentation durchsetzt, erfahren Umweltschutz-Organisationen wie das Umweltinstitut erst dann von Zulassungsverfahren für neue Pestizide, wenn diese bereits im Einsatz sind und Schaden anrichten. Die Zerstörung der Ökosysteme betrifft uns alle – deshalb sollte auch ein jeder das Recht haben zu erfahren, ob die Behörden gerade die Zulassung von Pestiziden prüfen. Das Umweltinstitut wird darum erstmalig in einem Grundsatz-Verfahren klären lassen, ob das BVL Genehmigungsanträge einfach zum Geschäftsgeheimnis erklären kann.

HERVORHEBUNG:

Behörden anderer EU-Staaten gehen mit Informationen über Zulassungsanträge von Pestiziden deutlich transparenter um als das BVL

[Ticker] Ticker 04/17

CBG Redaktion

ERSTE & DRITTE WELT

Mehr Freihandel mit Mexiko
1997 schloss die Europäische Union mit Mexiko ein Freihandelsabkommen ab, das ab dem Jahr 2000 sukzessive in Kraft trat. Seit Juni 2016 nun verhandeln beide Seiten über eine Aktualisierung der Vereinbarung. Die EU verfolgt dabei das Ziel, BAYER & Co. noch bessere Kapitalverwertungsmöglichkeiten in dem Land zu verschaffen. So drängen die Brüsseler UnterhändlerInnen den lateinamerikanischen Staat, das „Übereinkommen zum Schutz von Pflanzen-Züchtungen“ (UVOP) in der 1991er-Fassung anzuerkennen. Das hätte drastische Folgen für die dortigen LandwirtInnen. „Lässt sich Mexiko auf die EU-Forderung zur Umsetzung der UVOP-Version von 1991 ein, schränkt dies den freien Saatgut-Tausch noch mehr ein und bedroht die Vielfalt der mexikanischen Land-Sorten. Zugleich würden die Gewinn-Möglichkeiten für BAYER und MONSANTO steigen, wenn die Konkurrenz durch bäuerliche Züchtungen sinkt“, warnt Thomas Fritz in seiner vom FORSCHUNGS- UND DOKUMENTATIONSZENTRUM CHILE-LATEINAMERIKA gemeinsam mit MISEREOR und anderen Organisationen herausgegebenen Studie „Menschenrechte auf dem Abstellgleis“. Kritik an den UVOP-Bestimmungen hatten ihm zufolge auch die „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) und der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, geübt. Zudem will Brüssel den Konzernen die Gelegenheit bieten, Mexiko vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen, sollte es die Geschäftskreise der Unternehmen zu sehr stören. Während sich EU-Mitglieder wie Ungarn gegen die Aufnahme eines entsprechenden Passus in den Handelsvertrag aussprachen, hielt Deutschland ihn für absolut notwendig. „DEU hingegen betonte, dass es wichtig sei, den Investitionsschutz auf der Linie, wie er für TTIP und CETA erarbeitet wurde, auch für MEX zu verankern“, zitiert Fritz aus Unterlagen des Auswärtigen Amtes. Und damit nicht genug, arbeitet die Europäische Union auch daran, den Firmen den Zugriff auf die Bodenschätze des lateinamerikanischen Landes zu erleichtern.

POLITIK & EINFLUSS

EDC-Kriterien unzulänglich
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie FOLICUR (Wirkstoff: Tebuconazole), BETANAL (Lenacil), FENOMENAL (Fenamidon) oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassungsgesetze verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Charakterisierung der Pseudo-Hormone – sogenannter endokriner Disruptoren (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung, die nicht zuletzt dem Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. geschuldet waren, legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Nach weiteren Beratungen über die Vorlage stimmte der Pestizid-Ausschuss den Bestimmungen zur Identifizierung der EDCs zu. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gruppen kritisierten diese Entscheidung in einer gemeinsamen Stellungnahme scharf. Nach Meinung der Organisationen ist die Definition der Stoffe zu eng gefasst, was zu viele gefährliche Chemikalien aus dem Raster fallen lässt. Und schließlich verstößt der Pestizid-Ausschuss mit seinem Beschluss in den Augen des Bündnisses gegen das 7. Umweltprogramm der Europäischen Union, das eine Reduktion der Belastung von Mensch und Umwelt mit hormonellen Schadstoffen vorsieht. Aus all diesen Gründen richtete es einen Appell an die Brüsseler PolitikerInnen: „Jetzt liegt es am EU-Parlament, diese Krititerien abzulehnen.“

Billiger Strom für BAYER & Co.
Seit Jahren klagen die Konzerne über die Strom-Preise in der Bundesrepublik. „Die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohen Energie-Kosten gefährden Deutschlands Zukunft als Industrie-Standort“, warnt etwa der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup. Dabei zahlen die Unternehmen viel weniger als die Privat-Haushalte. Während diese im Jahr 2016 für die Kilowatt-Stunde durchschnittlich 6,71 Cent aufbringen mussten, schlug sie für BAYER & Co. nur mit 2,06 Cent zu Buche. Die Industrie profitiert nämlich von vielen Sonderregelungen. So gewährt ihnen der Staat einen Erlass bei der EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien. Auch werden sie bei den Netzentgelten sowie den Steuern für Energie und Strom bevorzugt. Zusätzlich profitieren besonders energie-intensive Betriebe wie BAYER von einem Spitzenausgleich. Belief sich der Geldwert der Vergünstigungen im Jahr 2005 noch auf „bloß“ 10,7 Milliarden Euro, so stieg er bis 2016 auf rund 17 Milliarden Euro, wie das FORUM ÖKOLOGISCH-SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT errechnete. 11,5 Milliarden davon finanzierten die NormalverbraucherInnen.

Betriebsrenten ohne Haftung
Das „Betriebsrenten-Stärkungsgesetz“ der Großen Koalition stärkt vor allem BAYER & Co. Fortan müssen die Unternehmen ihren Beschäftigten nämlich keine Garantie über die Mindesthöhe dieses Ruhegeldes mehr geben. Das Paragraphen-Werk spricht nur noch von einer „Ziel-Rente“ und nimmt den Firmen so das Haftungsrisiko. Zudem erhalten die Konzerne Zuschüsse aus Steuermitteln, wenn sie GeringverdienerInnen Betriebsrenten anbieten.

Wanka für Gen-Scheren
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka stimmt in den Chor all jener mit ein, die meinen, nur mit Hilfe von noch mehr Gentechnik seien alle Menschen auf dem Globus satt zu bekommen. So singt sie das Hohelied auf das wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen umstrittene Verfahren, mittels Gen-Scheren DNA-Stränge in das Erbgut von Pflanzen einzubauen. „Ein großer Fortschritt, um den Wettlauf mit dem Hunger, der noch immer die Menschheit in vielen Teilen der Welt bedroht, zu gewinnen“, urteilt die CDU-Politikerin über die Gentechnik 2.0. Dementsprechend spricht sie sich gegen allzu strenge Auflagen für die Methode aus, auf die auch BAYER stark setzt. Regeln für die neuen Züchtungstechniken müsse es zwar geben, so die Ministerin, „aber wir haben auch eine Verantwortung, Wissen weiterzuentwickeln. Dafür braucht es auf jeden Fall Experimentier-Räume, die wir uns nicht vorschnell verbauen sollten“.

Schulz bei BAYER
Selbst im Wahlkampf kommen die PolitikerInnen nicht am Leverkusener Multi vorbei. So machte der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dem Dormagener Chemie-„Park“, den die 60-prozentige BAYER-Tochter CURRENTA betreibt, seine Aufwartung. Dabei pries er – mit 30 JournalistInnen im Schlepptau – die „hervorragende Kooperation der Stadt mit der Industrie“. Auch bei der CURRENTA eckte der Sozialdemokrat nicht an. Es gab einen „guten Austausch über „Energie-Politik, Nachhaltigkeit und Industrie-Akzeptanz“, bekundete deren Chef Günter Hilken. Künftige Unbill versprach Schulz, so gut es geht von dem Standort fernzuhalten. Als Beispiel nannte er die Seveso-Richtlinie, die als Lehre aus der Chemie-Katastrophe von 1976 einen ausreichenden Abstand zwischen Industrie-Anlagen und anderen Gebäuden vorschreibt. Sie dürfe bei der Umsetzung in bundesdeutsches Recht nicht noch mit zusätzlichen Auflagen beschwert werden, forderte der Politiker mit Blick auf die Probleme, welche die EU-Richtlinie Dormagen bei der Stadtentwicklungspolitik im Allgemeinen und bei der Planung eines Fachmarkt-Zentrums im Besonderen bereitet.

BAYERs EU-Lobbying
1,95 Millionen Euro lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der Europäischen Union jährlich kosten. Das geht aus dem entsprechenden Eintrag im EU-Lobbyregister hervor. 15 Personen arbeiten im Brüsseler Verbindungsbüro des Konzerns. Neun von ihnen haben Zugangsberechtigungen zu den Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments. Schwerpunkte der Einfluss-Arbeit bildeten im Berichtszeitraum die Regulierung von Pestiziden und Pharma-Produkten sowie Themen, welche die Gesundheit von Menschen und Tieren betrafen. Darüber hinaus sitzen BAYER-VertreterInnen gemeinsam mit EU-ParlamentarierInnen in der „Land Use and Food Policy Intergroup“ und im „Knowledge for Innovation Forum“. Aber darauf beschränkt sich das Antichambrieren des Global Players bei der EU nicht. Er gehört nämlich den europäischen Industrie-Verbänden „Business Europe“, „European Chemical Industry Council“ (CEFIC), „European Federation of Pharmaceutical Industries Association“ (EFPIA) und „European Association for Biotechnologies“ (EuropaBio) an, die wiederum zahlreiche LobbyistInnen beschäftigen. Allein die CEFIC verfügt laut Register über einen Etat von 10,2 Millionen Euro. Die Initiative CORPORATE EUROPE OBSERVATORY schätzt den Betrag angesichts von 150 Beschäftigten sogar noch als weit höher ein und fordert generell eine Überprüfung der von den Unternehmen und Verbänden gemachten Angaben.

Neues Arzneimittel-Gesetz
Das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 schreibt für neue Medikamente eine Kosten/Nutzen-Prüfung vor. Wenn die Arzneien den Prozess erfolgreich durchlaufen, können die Hersteller mit den Krankenkassen einen Preis aushandeln. Dieser gilt allerdings nicht ab sofort, sondern erst nach zwölf Monaten. In der Zwischenzeit dürfen BAYER & Co. beliebig viel für die Pharmazeutika verlangen. Dies wollte jetzt das „Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz“ unterbinden. Nach dem Willen von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sollten für Präparate, die im ersten Jahr nach der Zulassung einen Umsatz von mehr als 250 Millionen Euro erzielen, die mit den Kassen vereinbarten Preise rückwirkend in Anschlag gebracht werden. „Mit der Einführung einer Umsatz-Schwelle sorgen wir dafür, dass die Patienten möglichst schnell mit neuen Arzneimitteln versorgt werden, die Preise für besonders hochpreisige neue Arzneimittel aber begrenzt sind“, sagte Gröhe bei der Präsentation des Gesetzes-Entwurfs. Im fertigen Paragrafen-Werk fehlte der entsprechende Passus dann allerdings. „Einen Kniefall vor der Pharma-Lobby“ nannte das der „Sozialverband Deutschland“ (SoVD). In einem anderen Punkt gelang es der Industrie allerdings nicht, sich durchzusetzen. Die Unternehmen hätten über die mit den VertreterInnen von DAK & Co. ausgemachte Erstattungshöhe für die Medikamente gerne den Mantel des Schweigens gelegt, damit Informationen über im Inland eventuell gewährten Rabatte geheim bleiben und im Ausland nicht die Preise verderben. Dies scheiterte jedoch am Widerstand der SPD.

PROPAGANDA & MEDIEN

Millionen für das Gesundheitswesen
Die 54 Unternehmen, die im von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ organisiert sind, pflegten die bundesdeutsche medizinische Landschaft im Jahr 2016 mit 562 Millionen Euro (2015: 575 Millionen). Keinen kleinen Teil davon brachte der Leverkusener Multi auf. Er investierte rund 41 Millionen Euro in MedizinerInnen, ärztliche Standesorganisationen, Selbsthilfegruppen, Institute, medizinische Fachgesellschaften und von Krankenhäusern betriebene Pharma-Forschung.

Neun Millionen für ÄrztInnen
Von den 41 Millionen Euro, die der BAYER-Konzern 2016 ins Gesundheitswesen pumpte (s. o.), erhielten ÄrztInnen rund 7,5 Millionen. Dabei zahlte er 1.424 von ihnen 3,23 Millionen an Honoraren z. B. für Vorträge und spendierte 4.699 Doctores Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von 2,8 Millionen Euro. Des Weiteren übernahm der Global Player für 2.135 von ihnen Kongress-Gebühren, was sich auf 800.000 Euro summierte, und erstattete 936 der Weißkittel sonstige Auslagen von ca. 600.000 Euro.

BAYER bedenkt Fachgesellschaften
Zu den Akteuren des Gesundheitswesens, die BAYER mit hohen Summen bedenkt (s. o.), gehören auch die medizinischen Fachgesellschaften. Und wenn sich die Tätigkeiten der Organisationen auf ein Gebiet erstrecken, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ im Jahr 2016 über 147.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese sicherlich bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate. Die „Deutsche Gesellschaft für Frauengesundheit“ sponserte er mit 34.000 Euro, um das Marktumfeld für seine Verhütungsmittel zu verbessern. Zur Umsatz-Steigerung seines risiko-reichen Gerinnungshemmers XARELTO indessen investierte der Pharma-Riese unter anderem 65.000 Euro in die „Deutsche Gesellschaft für Angiologie“, die sich Gefäß-Krankheiten widmet. Hinzu kamen 30.000 Euro für die „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“. Und den Absatz seiner Lungen-Arznei ADEMPAS förderte der Leverkusener Multi mit einem Scheck in Höhe von 52.900 Euro an die „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie“.

BAYER sponsert Kongresse
Die von den medizinischen Fachgesellschaften veranstalteten Kongresse und Tagungen bieten dem BAYER-Konzern ein wichtiges Forum, um für seine Pharmazeutika zu werben. Darum sponsert er die Meetings mit hohen Summen. So steuerte der Pillen-Riese zur jährlichen Zusammenkunft der „Deutschen Gesellschaft für Neurologie“ 219.000 Euro bei, braucht er doch dem Unternehmen gewogene NervenärztInnen, um mit BETAFERON, seinem Präparat zur Behandlung der Multiplen Sklerose, auch weiterhin gute Geschäfte machen zu können. Die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung“, die sich der Leverkusener Multi wegen seines Blutverdünners XARELTO warmhalten muss, erhielt für ihren Kongress 84.000 Euro. Und die „Deutsche Gesellschaft für Urologie“ strich für ihr Jahrestreffen 107.000 Euro ein, was dem Beliebtheitsgrad von XOFIGO, BAYERs Medikament zur Behandlung der Prostatakrebs-Art CRPC, nicht abträglich sein dürfte.

Schulfach „MIRENA“
Die „Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung“ (ÄGGF) betreibt laut Selbstauskunft „Gesundheitsförderung durch aufsuchende Prävention“. Auf der Website heißt es weiter: „Die ÄrztInnen der ÄGGF gehen in die Schulen, beantworten die Fragen der jungen Menschen und geben wichtige Informationen zu den Themen „Gesundheit“, „Sexualität“ und „Fruchtbarkeit“. An der Neutralität dieser Informationen bestehen jedoch gehörige Zweifel. Die Gesellschaft erhielt von BAYER nämlich für eine „pädagogische“ Maßnahme, die sich MIRENA und anderen Hormon-Spiralen des Konzerns mit dem Wirkstoff Levonorgestrel widmet, Geld. Der Transparenz-Bericht des Unternehmens führt eine entsprechende Zahlung zur Promotion der auch Intrauterin-Systeme genannten Medizin-Produkte auf. Demnach überwies der Leverkusener Multi der Einrichtung zum Verwendungszweck „Verhütung und LNG-IUS (Levonorgestrel Intrauterine System, Anm. Ticker) im Unterrichtsprogramm“ 93.000 Euro.

BAYER kooperiert mit Uni-Liga
Auch in den USA versucht der Leverkusener Multi, die naturwissenschaftlichen Fächer stärker im Bildungssystem zu verankern. Er braucht nämlich qualifizierten Nachwuchs für seine Labore. So vereinbarte BAYER eine Werbe-Kooperation mit der „Big Ten Conference“, der Universitätssport-Liga von zehn Hochschulen, um SportlerInnen und Fans mehr für die Wissensgebiete „Landwirtschaft“, „Medizin“ und „Pharmazie“ zu erwärmen.

Eisstockschießen mit JournalistInnen
Zur Pflege der Presse-Landschaft lädt das Wuppertaler BAYER-Werk JournalistInnen traditionell zu einem Neujahrsempfang ein. Diesmal arrangierte der Konzern ein Eisstockschießen mit anschließendem Hüttenabend, das der Zielgruppe offenbar gefallen hat. „Alles in allem ein spannender, kurzweiliger Abend in der Hako-Eishalle“, resümierte Die Stadtzeitung Wuppertal.

TIERE & VERSUCHE

125.585 Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2016 fanden bei BAYER 125.585 Tierversuche statt, 92 Prozent davon mit Ratten und Mäusen. Die Zahlen gehen damit etwas zurück. Im Jahr 2015 hatte der Leverkusener Multi noch 133.666 Experimente am „Tier-Modell“ unternommen.

TIERE & ARZNEIEN

Eier-Rückruf wg. Fipronil
Im Sommer 2017 machte ein neuer Lebensmittel-Skandal Schlagzeilen. Eier aus belgischen und niederländischen Lege-Batterien wiesen Spuren eines Wirkstoffs gegen Parasiten-Befall auf. Ein Desinfektionsmittel, das in Hühnerställen zum Einsatz kommt, war verbotenerweise mit der Substanz versetzt und löste so die Kontamination aus. In 45 Ländern kamen die verseuchten Eier in den Handel, allein in der Bundesrepublik belief sich die Zahl auf 10,7 Millionen Stück. Das machte gigantische Rückruf-Aktionen nötig. Das in Rede stehende Produkt – Fipronil – geriet 2002 durch den Erwerb von AVENTIS in den Besitz von BAYER. Die Wettbewerbsbehörden machten dem Leverkusener Multi jedoch zur Auflage, sich von der Chemikalie aus der Gruppe der Phenylpyrazole und anderen Stoffen zu trennen. So verkaufte der Konzern sie im Jahr 2003 an die BASF. Heutzutage vermarktet der Global Player das in der Europäischen Union nur noch für einige Anwendungen zugelassene Fipronil unter dem Namen REGENT hauptsächlich in Indien und China. Zudem bietet er den Stoff in der Veterinärmedizin als Mittel gegen Hunde und Katzen malträtierende Parasiten an. „Mit dem bewährten und gut verträglichen Wirkstoff Fipronil ist BOLFO® SPOT-ON sowohl für Kunden geeignet, deren Haustier unter einem Befall mit Flöhen oder Zecken leidet, als auch für Tierhalter, die ihren Vierbeiner künftig vorbeugend und effektiv vor den kleinen Blutsaugern schützen möchten“, textet BAYERs Werbeabteilung. Und noch ein zweites Pestizid fand sich in der DEGA-Desinfektionslösung: Amitraz. Auch diese befand sich einmal in der Produkt-Palette des Pillen-Riesen. 2005 veräußerte er die Agro-Chemikalie aber an die japanische ARYSTA LIFESCIENCE CORPORATION.

DRUGS & PILLS

Gefährliches Triclosan
Triclosan ist ein antibakteriell wirkender Stoff aus der Gruppe der polychlorierten Phenoxyphenole, der unter anderem in BAYERs FUNSOL-Spray gegen Fußpilz und -geruch enthalten ist. Er steht seit Längerem wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik. So kann die Substanz etwa die Muskeln schädigen. Nach den Forschungen von Isaac Pessah schränkt sie die Funktion zweier Proteine ein, die für die Kalzium-Versorgung der Muskelzellen sorgen (Ticker 4/12). Auch steht die Chemikalie in Verdacht, hormon-ähnliche Effekte hervorzurufen und so imstande zu sein, den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderzuwirbeln. Zudem besteht dem „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) zufolge die Möglichkeit, dass niedrig dosierte Triclosan-Produkte die Abwehrkraft von Krankheitserregern stärken und so die Wirksamkeit von Antibiotika mindern. Dieses Gefahren-Potenzial hat bereits zu einigen Reaktionen geführt. Nach einer Anordnung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA musste das Phenoxyphenol aus Seifen-Rezepturen verschwinden. Die EU indes verbot es bisher nur in Kosmetik-Artikeln wie Cremes und Lotionen, die länger mit der Haut in Kontakt kommen.

Endometriose-Fortschritte bei EVOTEC
Im Jahr 2010 brachte der Leverkusener Multi zur Behandlung der Endometriose, einer gutartigen Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut, VISANNE heraus – und stellte deshalb die Produktion der ebenfalls zur Therapie dieser Gesundheitsstörung geeigneten, aber viel preiswerteren Verhütungsmittel VALETTE und CHLORMADINON kurzerhand ein (Ticker 4/14). Daneben unterhält der Konzern noch mehrere Endometriose-Forschungskooperationen. So arbeitet er auf diesem Gebiet mit der Universität Oxford und mit dem Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC zusammen. Dieses entwickelte einen Wirkstoff-Kandidaten nun so weit, dass eine Klinische Prüfung der Phase 1 beginnen kann. Dafür zahlte BAYER der Firma fünf Millionen Euro.

Nierenschäden-Therapien mit EVOTEC
Nicht nur bei der Suche nach Endometriose-Therapien arbeitet BAYER mit dem Biotech-Unternehmen EVOTEC zusammen (s. o.). Der Pharma-Riese hat auch in Sachen „Nierenerkrankungen“ eine Kooperation mit der Hamburger Firma vereinbart. EVOTEC will für den Leverkusener Multi Pharmazeutika zur Behandlung chronischer Nierenschäden entwickeln und hofft, dafür auf Forschungserträge aus einem gemeinsamen Projekt mit der Harvard-Universität zurückgreifen zu können. Das Unternehmen, das zu mehreren Hochschulen solche Partnerschaften unterhält, bekommt vom Global Player 14 Millionen Euro für den Auftrag und hat darüber hinaus Aussicht auf erfolgsabhängige Zahlungen bis zu einer Höhe von 300 Millionen Euro.

AGRO & CHEMIE

Immer mehr Pestizide
Die bundesdeutschen LandwirtInnen bringen immer mehr Pestizide aus. Im Jahr 2015 landeten 123.203 Tonnen auf ihren Äckern – 5.460 Tonnen mehr als 2014. Zu den beliebtesten Mitteln gehörten dabei das von der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Glyphosat, das in BAYER-Produkten wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, sowie das erbgut-schädigende Mancozeb. Bis Ende 2016 hat auch der Leverkusener Multi diesen Wirkstoff vermarktet. Er verkaufte ihn in Kombination mit Propamocarb unter dem Namen TATTOO.

Kein Chlorpyrifos-Bann in den USA
Organophosphate entwickelten BAYER-Forscher im Zweiten Weltkrieg als chemische Kampfstoffe. Nach 1945 kamen die Nervengifte dann als Inhaltsstoffe von Pestiziden zum Einsatz – mit den entsprechenden Risiken und Nebenwirkungen. Chlorpyrifos zum Beispiel kann Schädigungen des Nervensystems, Atemwegsbeschwerden, Übelkeit, Schwindel, Krämpfe und Kopfschmerzen auslösen sowie zu Fehlbildungen bei Neugeborenen und Entwicklungsstörungen bei Kindern führen. Darum haben die Vereinigten Staaten im Jahr 2000 die Anwendung der Chemikalie im Haus- und Gartenbereich untersagt. AktivistInnen fordern jedoch bereits seit Langem ein Komplett-Verbot. Dieses hat Skott Pruitt, der seit dem Wahlsieg von Donald Trump die US-Umweltbehörde EPA leitet, jedoch vorerst abgelehnt. Einen endgültigen Beschluss über das Schicksal der Substanz, die der Leverkusener Multi unter den Produktnamen BLATTANEX, PROFICID und RIDDER vermarktet, kündigte er für 2022 an. Entscheidungshilfe dürfte dabei Andrew Liveris von DOW geleistet haben. Pruitt hatte sich nämlich vor der Verkündung des Votums mit dem Boss der Firma, die Chlorpyrifos entwickelt hat, getroffen.

Pestizide fördern Autismus
Agro-Chemikalien können das Entstehen von Autismus fördern. Das hat eine Studie des „UC Davis MIND Institute“ unter Leitung von Janie Shelton ergeben. Der Untersuchung zufolge steigt das Risiko von Frauen, die in der Nähe von Landwirtschaftsbetrieben leben, ein autistisches oder mit Entwicklungsstörungen belastetes Kind zu gebären, um zwei Drittel. Ein besonderes Gefährdungspotenzial geht nach Ansicht der WissenschaftlerInnen dabei von dem Organophosphat Chlorpyrifos (s. o.) aus, das auch BAYER im Angebot hat.

Viele Auslaufmodelle
Anfang 2015 hat die Europäische Union eine Liste mit 77 Pestiziden veröffentlicht, die wegen ihrer fatalen Effekte auf Mensch, Tier und Umwelt möglichst schnell durch weniger gefährliche ersetzt werden sollten. Unter den Substanzen, für welche die Hersteller wegen ihres besonderen Gefährdungspotenzials alle sieben und nicht wie sonst üblich alle zehn Jahre eine Neuzulassung beantragen müssen, befinden sich 13 Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich um Bifenthrin (Produktname: ALLECTUS), Carbendazim (DEROSAL), Cyproconazol (ALLO), Fenamiphos (NEMACUR), Fluopicolid (VOLARE), Glufosinat (LIBERTY), Mecoprop (LOREDO), Metsulfuronmethyl (STREAMLINE, ESCORT), Oxadiargyl (RAFT), Propoxycarbazone (ATTRIBUT), Tebuconazole (FOLICUR, NATIVO, PROVOST OPTI) und Thiacloprid (ALANTO, BARIARD, CALYPSO).

Unzulängliche Test-Verfahren
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben. Darum hat die EU diese beiden Produkte auch gemeinsam mit SYNGENTAs CRUISER vorläufig aus dem Verkehr gezogen. Eigentlich hätten die fatalen Effekte von GAUCHO & Co. schon während des Zulassungsverfahrens auffallen müssen, denn die Bienenverträglichkeit gehört zum Anforderungskatalog. Allerdings dauern die betreffenden Tests höchstens zehn Tage. Darum können sie keine Auskunft über die Langzeit-Wirkungen dieser Pestizide auf die Insekten geben. Bündnis 90/Die Grünen wollten in einer Kleinen Anfrage deshalb von der Bundesregierung wissen, ob sie hier auf Änderungen dränge. Aber Merkel & Co. antworteten ausweichend: „Die Entwicklung und Weiterentwicklung von Methoden und Verfahren zur Prüfung und Bewertung von Pflanzenschutzmitteln und ihrer Wirkstoffe erfolgt im internationalen Rahmen konsensual auf der Basis anerkannter Forschungsergebnisse. Hieran sind Wissenschaftler und Vertreter der zuständigen Behörden aus Deutschland intensiv beteiligt.“

GAUCHO & Co. wirken repro-toxisch
Näheren Aufschluss darüber, in welcher Weise BAYERs Pestizid PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin für eine Dezimierung der Bienenvölker sorgt (s. o.), erbrachte eine neue Studie, welche die Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte. Der Untersuchung von Lars Straub und anderen WissenschaftlerInnen zufolge verkürzen Clothianidin und das SYNGENTA-Neonicotinoid Thiamethoxam die Lebensdauer männlicher Bienen und beeinträchtigen Quantität und Qualität ihres Spermas.

Vertriebsdeal mit WEST CENTRAL
Der Leverkusener Multi hat in den USA einen Deal mit WEST CENTRAL DISTRIBUTION vereinbart. Das in Minnesota ansässige Unternehmen vertreibt künftig exklusiv eine Kombination aus BAYERs Saatgutbehandlungsmittel REDIGO 480 mit dem Wirkstoff Prothioconazol und TRILEX (Trifloxystrobin). Die Mittel sind für den Soja-Anbau bestimmt und sollen die Pflanzen mit vereinten Kräften vor Pilzen bewahren. Diese haben sich offenbar mittlerweile zu gut an die Einzel-Applikationen von REDIGO oder TRILEX gewöhnt.

GENE & KLONE

EU berät über Genmais-Anbau
Die EU berät zurzeit darüber, erstmals seit 1998 wieder Anbau-Genehmigungen für Gen-Pflanzen zu erteilen. Es stehen Entscheidungen über die Mais-Sorten „Bt11“ von SYNGENTA sowie „1507“ von PIONEER und DOW AGROSCIENCES an. Zudem befindet Brüssel über die Wiederzulassung von MONSANTOs MON810. „Bt11“ und „1507“ sind mit dem „Bacillus thuringiensis“ (Bt) bestückt, der Schadinsekten töten soll. Darüber hinaus hat sie ein gentechnischer Eingriff immun gegen Sprüh-Einsätze mit dem BAYER-Herbizid Glufosinat gemacht. Dieses Ackergift wirkt repro-toxisch, kann also die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und die Leibesfrucht schädigen. Überdies erweist es sich als chemisch sehr stabil, weshalb es lange im Boden verbleibt. Aus diesen Gründen will die Europäische Union das Mittel auch bis 2018 aus dem Verkehr ziehen, wogegen der Leverkusener Multi sich allerdings sträubt. „BAYER CROPSCIENCE ist davon überzeugt, dass es stichhaltige Argumente für die Erneuerung der Zulassung von Glufosinat-Ammonium gibt“, bekundet der Konzern und teilt mit, an einem Nachweis dafür zu arbeiten. Aber nicht nur wegen des Glufosinats, sondern auch wegen des Bts erweisen sich die Labor-Kreationen als problematisch. Der Bazillus steht nämlich in dringendem Verdacht, Allergien auszulösen und das Immunsystem zu schädigen. Darüber hinaus trotzen immer mehr Baumwollkapselbohrer, Baumwollkapseleulen, Kohlschaben, Aschgraue Höckereulen und „Busseola fusca“-Raupen der Substanz. All dies spricht eindeutig dagegen, europäischen LandwirtInnen die Erlaubnis zu erteilen, diese Pflanzen zu kultivieren.

Erfolgloser Anetumab-Test
BAYER setzt große Hoffnungen auf den Wirkstoff Anetumab Ravtansine. Investoren gegenüber, denen der Konzern nach XARELTO den nächsten Topseller aus der Entwicklungspipeline liefern muss, nennt er neben Finerenone stets Anetumab. Auf zwei Milliarden Euro Jahres-Umsatz beziffert das Unternehmen die möglichen Erträge. Die Arbeit an der Entwicklung der Substanz zur Serienreife begann vor fast zehn Jahren. 2008 erwarb der Konzern von IMMOGEN das Recht, eine spezielle Technologie zur Herstellung von Antikörpern nutzen zu können. MORPHOSYS bestimmte dann für den Leverkusener Multi den speziellen Antikörper zur Behandlung des Tumors Mesotheliom, der zumeist durch den Kontakt mit Asbest entsteht – und schon bei so einigen BAYER-Beschäftigten diagnostiziert wurde (Ticker 2/14). Das in Planegg ansässige Biotech-Unternehmen führte auch die klinischen Prüfungen mit dem Präparat durch. Ende Juli 2017 musste es allerdings das Versagen des Wirkstoffes in der Phase 2 der Tests bekanntgeben: Anetumab schaffte es nicht, das Krebs-Wachstum einzudämmen. Damit scheint sich die Skepsis einiger BeobachterInnen zu bestätigen, die den vollmundigen Versprechungen des Pharma-Riesen über die Wunder-Wirkungen des Pharmazeutikums nie so recht Glauben schenken mochten. „BAYER verbreitet eine gewisse Euphorie bezüglich (...) Anetumab, die ich im Moment nicht verstehen kann“, hatte etwa Markus Manns von UNION INVESTMENT GmbH mit Verweis auf die spärlichen Studien-Daten schon früh bemerkt. Der Global Player aber hält an dem Medikament fest. „Auf Basis der verfügbaren Daten planen wir weiterhin, die Wirksamkeit und Sicherheit von Anetumab Ravtansine in einer Reihe von Tumor-Arten mit hohem medizinischen Bedarf zu untersuchen“, erklärte er.

WASSER, BODEN & LUFT

NRW-Flüsse in schlechtem Zustand
Der BAYER-Konzern trägt wesentlich zum schlechten ökologischen Zustand der Gewässer in Nordrhein-Westfalen bei. So stammt dem „Bewirtschaftungsplan Nordrhein-Westfalen 2016-2021“ zufolge ein Großteil der Einträge von organischem Kohlenstoff aus Betrieben der chemischen Industrie. Mit 1.140 Tonnen war der Leverkusener Multi hier im letzten Jahr dabei. Auch den Temperatur-Haushalt der Flüsse bestimmt er wesentlich mit. Auf den haben Kühlwasser-Einleitungen – 300 Millionen Kubikmeter steuerte der Global Player dazu anno 2016 bei – nämlich den größten Einfluss. Diese heizen die Ströme auf und machen damit den Fischen das Leben schwer. Forellen beispielsweise gibt es im Rhein kaum noch. Schon bei einer Temperatur von über 11 Grad nämlich entschlüpft aus den Eiern der Weibchen kein Nachwuchs mehr. Mit seinen Agro-Chemikalien gefährdet der Leverkusener Multi die aquatischen Lebensräume ebenfalls. Der 2015 erstellte Bewirtschaftungsplan zählt die Pestizide von den Feldern der LandwirtInnen gemeinsam mit den Düngemitteln zu den bedeutendsten chemischen Belastungsquellen des Grundwassers im Gebiet des Rheins. Auch die extrem gesundheitsschädlichen Polychlorierte Biphenyle (PCB), zu deren Hauptanbietern BAYER bis zu ihrem vollständigen Verbot im Jahr 1989 gehörte, finden sich noch im Wasser. In der Sieg, der Niers, der Emscher und der Wupper überschritten die Konzentrationen im Zeitraum von 2009 bis 2011 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – an einigen Mess-Stellen sogar die Grenzwerte. Die Sieg hatte zudem (wie auch die Dhünn und die Emscher) mancherorts mit über den Limits liegenden Werten von Bisphenol A zu kämpfen, einer vom Konzern in rauhen Mengen produzierten Industrie-Chemikalie. Zusammengefasst weisen nur sechs Prozent der Fließ-Gewässer einen guten ökologischen Zustand auf. Einen guten chemischen Zustand haben laut Bewirtschaftungsplan 79 Prozent der Flüsse, aber nur 54 Prozent der Grundwasser-Körper Nordrhein-Westfalens.

Verletzung der Luft-Richtlinie
Die EU-Richtlinie 2001/81/EG verpflichtet die Mitgliedsländer, Maßnahmen zur Verbesserung der Luft-Qualität zu ergreifen. Nach einer Untersuchung der Europäischen Umwelt-Agentur EEA verfehlte die Bundesrepublik dabei als einziger Staat die Vorgaben gleich bei drei Stoffen: den flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs), den Stickstoffdioxiden und dem Ammoniak. So ersparte die Große Koalition der Industrie, ihre Emissionen senken zu müssen. Obwohl dies bitter nötig wäre: Allein die BAYER-Werke stießen im Jahr 2016 weltweit 1.120 Tonnen VOCs und 2.360 Tonnen Stickstoffdioxide (NOX) aus. In Tateinheit mit Frankreich, Spanien und anderen Nationen, die höhere Stickstoffdioxid-Werte als erlaubt nach Brüssel gemeldet hatten, bat die Bundesregierung die EU-Kommission deshalb in einem Schreiben um eine nachträgliche Genehmigung der Überschreitungen. Die Absender begründeten dies mit dem unerwartet hohen NOX-Ausstoß von Diesel-Autos, ohne näher auf die kriminellen Machenschaften von VW & Co. einzugehen. Das EUROPÄISCHE UMWELTBÜRO, CLIENTEARTH und andere Initiativen kritisierten die Regierungen dann auch scharf für ihren Versuch, sich die Luftverschmutzungen rückwirkend absegnen zu lassen.

PRODUKTION & SICHERHEIT

ADALAT-Rückruf
Die Pharma-Riesen verdienen das meiste Geld mit ihren neuen Präparaten, da sie für diese dank des Patentschutzes hohe Preise verlangen können. Das Geschäft mit den alten Pillen haben BAYER & Co. dagegen streng durchrationalisiert. Oftmals stellten die Multis die Wirkstoffe für die Allerweltsmedikamente gar nicht mehr selber her, sondern beauftragen dafür andere Firmen. Diese haben ihren Sitz oftmals in Indien oder China und fertigen die Substanzen, ohne Schutzmaßnahmen zu treffen, was massiven Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat (siehe SWB 4/17). Manche der Unternehmen versorgen die halbe Welt mit Arznei-Stoffen. Kommt es in ihren Werken einmal zu Zwischenfällen, hat das deshalb gleich für die Arzneien mehrerer Pillen-Anbieter Folgen. So musste im Februar 2017 der BAYER-Konzern einen Rückruf seiner ADALAT-Tabletten und HEXAL einen seiner NIFEHEXAL-Produkte starten, weil der Hersteller des Wirkstoffes Nifedipin beiden Kunden verunreinigte Chargen geliefert hatte.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Faulgase in Bergkamen
Im Bergkamener BAYER-Werk kam es am 15. Juli 2017 zur Bildung von Faulgasen. Die Kläranlage der Niederlassung war den vielen Niederschlägen nicht gewachsen, die sich im Rückhalte-Becken mit Hefe-Bakterien und anderen Produktionsrückständen aus der mikrobiologischen Abteilung vermischt hatten. Deshalb mussten die Beschäftigten und AnwohnerInnen über Tage hinweg verpestete, in der Nase stechende Luft einatmen. Immer wieder ereignen sich an dem Standort solche Störfälle. Die 2008 eingeleitete Sanierung hat bislang keine Abhilfe schaffen können. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für mächtigen Gestank. 2012 dann traten an einigen Leitungen Risse auf, durch die Abwässer sickerten und Duftmarken setzten. Deshalb entschloss sich der Global Player erneut zu Reparatur-Arbeiten. Aber auch das brachte nichts. Im Juni 2013 klagten die BergkamerInnen wieder über Geruchsbelästigungen, die überdies zu Gesundheitsstörungen wie Übelkeit und Kopfschmerzen führten. Knapp anderthalb Jahre später fiel schließlich die letzte Stufe der Abwasser-Reinigung aus. Und so dürften die Attacken auf die Riech-Nerven auch nach dem jüngsten Geschehnis ihre Fortsetzung finden.

Ammoniak-Austritt in Berkeley
Am 22.12.2016 ereignete sich am US-amerikanischen BAYER-Standort Berkeley ein Störfall, bei dem Ammoniak austrat. Es kam jedoch kein Belegschaftsmitglied mit dem giftigen Gas in Berührung, das der Leverkusener Multi in dem Werk als Kühlmittel einsetzt. Auch gelangte das Stickstoff/Wasserstoff-Gemisch angeblich nicht in die Umwelt.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER verkauft SERDEX
Der Leverkusener Multi hat seine Tochter-Firma SERDEX an die französische Aktien-Gesellschaft AIR LIQUIDE verkauft und vernichtete damit 40 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns. SERDEX hatte sich zum Ziel gesetzt, „weltweit als Spezialist für natürliche Inhaltsstoffe aus tropischen Pflanzen zu gelten, die in Arzneien, Kosmetika und Beauty-Produkten Anwendung finden“. Um das zu erreichen, schreckte das Unternehmen auch nicht davor zurück, sich in Afrika und anderswo als Biopirat zu betätigen (siehe SWB 2/11).

ÖKONOMIE & PROFIT

EZB kauft BAYER-Anleihen
Seit Juni 2016 erwirbt die von dem Italiener Mario Draghi geleitete Europäische Zentralbank (EZB) nicht nur Staats-, sondern auch Unternehmensanleihen. Bis Juni 2017 hat sie 92 Milliarden Euro in diese Anlage-Form investiert und sich dafür mit rund 950 Papieren von BAYER und anderen Konzernen eingedeckt. Damit trägt die EZB nicht nur gehörig zur Finanzierung der Multis bei, sie verändert zugleich auch noch die Konditionen auf den Finanzmärkten zugunsten der großen Firmen. Die immense Nachfrage aus Frankfurt senkt nämlich die Zinsen, welche die Global Player den KäuferInnen der Anleihen zahlen müssen. Manche Industrie-Betriebe können sogar schon Negativ-Zinsen berechnen. Zudem übt die Zentralbank mit ihren Ankäufen Druck auf die Banken aus, BAYER & Co. Kredite zu günstigeren Bedingungen zu gewähren. Als „Draghis Milliardenspritze für die Mächtigen“ beschrieb Der Spiegel das EZB-Programm deshalb. Mittelständische Unternehmen, die sich durch das Ankauf-Programm benachteiligt fühlen, zogen bereits vor das Bundesverfassungsgericht.

Wem gehört BAYER?
Aktuell besitzt der Finanz-Investor BLACKROCK mit rund 6,8 Prozent die meisten BAYER-Anteile. Es folgen die COMMERZBANK mit 3,4 Prozent, die Investment-Gesellschaft CAPITAL GROUP mit rund 2,9 Prozent und die Schweizer UBS-Bank mit 2,65 Prozent.

RECHT & UNBILLIG

BAYER gewinnt Patent-Prozess
In Australien hatte BAYER das Unternehmen GENERIC HEALTH verklagt. Der Pharma-Riese warf der Firma vor, mit ihrem Verhütungsmittel ISABELLE das Patent des konzern-eigenen Präparats YASMIN verletzt zu haben, das seit einiger Zeit wegen seiner gefährlichen Nebenwirkungen in der Kritik steht. Ende März 2017 bekam der Leverkusener Multi Recht zugesprochen. Die RichterInnen verurteilten GENERIC HEALTH zu einer Straf-Zahlung in Höhe von 30 Millionen Dollar.

Strafe wg. irreführender Werbung
„BAYER duldet keine Gesetzes-Verstöße bei der Vermarktung seiner Produkte. Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“, heißt es in einem Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Dennoch überschreitet er immer wieder die Grenzen des Erlaubten. So verurteilte der Bundesstaat Massachusetts den Konzern wegen unzulässiger Aussagen in der Werbung für seine Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie PONCHO und GAUCHO (siehe auch AGRO & CHEMIE) zu einer Zahlung von 75.000 Dollar. „BAYER machte den Konsumenten gegenüber zahlreiche irreführende Angaben über die Sicherheit seiner Pestizide, inklusive der Behauptung, dass sie in den Pflanzen wie Vitamine wirken würden, während sie realiter hochgradig giftig für Honigbienen, weitere Befruchter und andere Tiere sind sowie die Umwelt schädigen“, sagte die Staatsanwaltin Maura Healey zur Begründung. Der Global Player hingegen war sich keiner Schuld bewusst und bezeichnete seine Reklame als „angemessen und transparent“.

FORSCHUNG & LEHRE

Kooperation mit „Cancer Research UK“
Der Leverkusener Multi unterhält über 800 Kooperationen mit Hochschulen und außer-universitären Einrichtungen zur Entwicklung neuer Produkte. Ca. 20 Prozent seines Forschungsetats investiert er in solche Projekte. So arbeitet der Pharma-Riese in Großbritannien mit dem „Cancer Research UK“ zusammen. Gemeinsam mit der staatlichen Einrichtung will der Konzern unter anderem neue Pharmazeutika auf den Gebieten der Stammzellen- und der Immun-Therapie entwickeln. Rund 200.000 Pfund investiert er dafür.

Zugriff auf PatientInnen-Daten
Gemeinsam mit der „American Heart Association“ (AHA) schreibt der Leverkusener Multi jeweils mit 150.000 Dollar dotierte Forschungsprojekte zu Durchblutungsstörungen im Gehirn, chronischem Nierenleiden und Herz-Erkrankungen aus. Von den ausgewählten WissenschaftlerInnen erwartet der Konzern, individualisierte Therapie-Formen zu entwickeln. Dafür erhalten sie Zugriff auf den riesigen Fundus an PatientInnen-Daten, über den die „American Heart Association“ verfügt. Fragen nach dem Datenschutz stellten sich BAYER und dem AHA dabei offensichtlich nicht.

[Monsanto] MONSANTO-Lobbyisten

CBG Redaktion

MONSANTO-Lobbyisten müssen draußen bleiben

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) begrüßt, dass das EU-Parlament den LobbyvertreterInnen des MONSANTO-Konzerns den Zugang zum Parlament und seinen digitalen Ressourcen verweigert.

Über Lobbyisten nehmen Konzerne wie MONSANTO oder BAYER immer wieder direkten Einfluss auf politische Entscheidungen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Pestizid Glyphosat kam es zu massiver Einflussnahme durch den Haupthersteller MONSANTO. Gutachten, die über die Gefährlichkeit von Glyphosat entscheiden sollten, schrieben direkt von Dokumenten des Konzerns ab.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN sieht eine große Gefahr für unsere Demokratie in dieser Lobbyarbeit. Aus diesem Grund begrüßen wir die Entscheidung des Europaparlaments auf Antrag der GRÜNEN-Fraktion. Jedoch reicht ein einmaliges Verbot nicht aus. Lobbyismus muss endlich gestoppt werden. „Die Bürgerinnen und Bürger können alle paar Jahre ein Kreuzchen machen, aber direkten Einfluss auf Parlamentarier, auf Gutachten oder auf Regierungsentscheidungen können die Menschen nicht nehmen. Das ist ein Ungleichgewicht in der Demokratie und höhlt diese aus.“, sagt Jens Wegener von de CBG-Geschäftsführung.

Wir fordern von der Politik, dass die Lobbyarbeit der letzten Jahrzehnte lückenlos transparent gemacht wird und dass die weitere Einflussnahme von Banken und Konzerne auf die Politik verboten wird.

„Die Entscheidung des EU-Parlaments zu MONSANTO ist ein erster Schritt, jetzt muss das Hausverbot für alle Lobbyisten folgen.“, so Jan Pehrke, Chefredakteur des STICHWORT BAYER.

[Arznei-Preise] Kosten-Explosion bei Multiple-Sklerose-Präparaten

CBG Redaktion

US-Kongress untersucht BAYERs Arznei-Preise

Die exorbitant hohen Preise für Medikamente zur Behandlung der Multiplen Sklerose haben den US-Kongress zu einer Untersuchung veranlasst. Das Abgeordnetenhaus forderte BAYER und sechs weitere Pillen-Riesen in einem Brief zur Herausgabe von Unterlagen zu den Arzneien auf. Vor allem Dokumente zu den Profiten, Preis-Strategien, PatientInnen-Programmen und Vertriebssystemen wollen die PolitikerInnen prüfen. „Wir glauben, dass kein Amerikaner gezwungen sein sollte, darum zu kämpfen, sich lebensrettende Medikamente leisten zu können, insbesondere dann nicht, wenn Pharma-Konzerne ihre Preise ohne Vorwarnung, Grund oder Rechtfertigung anheben“, so die Kongress-Mitglieder Elijah Cummings und Peter Welch, die den Anstoß für die „in-depth investigation“ gaben.

Die beiden Abgeordneten der Demokraten stützen sich dabei auf eine Studie von Daniel M. Hartung und seinem Team. Die WissenschaftlerInnen haben sich die Preis-Entwicklungen der gängigsten MS-Präparate über den Zeitraum von 1993 bis 2013 hinweg angeschaut und einen massiven Anstieg festgestellt. Die Kosten für eine Jahres-Therapie mit dem BAYER-Pharmazeutikum BETASERON etwa wuchsen von 11.500 auf über 60.000 Dollar – und mittlerweile liegen diese nach Angaben der „National MS Society“ sogar schon bei 91.000 Dollar! Während sich die anderen Medikamenten in den USA per anno durchschnittlich um drei bis fünf Prozent verteuerten, legten BETASERON & Co. jeweils um 21 bis 36 Prozent zu.

Die größten Anhebungen nahmen die Unternehmen stets dann vor, wenn teure neue Produkte auf den Markt kamen. „Nach der klassischen ökonomischen Theorie sollte der Wettbewerb eigentlich die Kosten für den Verbraucher senken oder zumindest stabilisieren“, wundern sich die AutorInnen. Eine plausible Ursache für die immensen Steigerungsraten konnten sie nicht finden. „Die einfachste Erklärung ist, dass die Pharma-Produzenten die Preise für alte und neue MS-Präparate erhöhen, um mehr Profite zu machen“, resümieren sie. Da diese Unternehmensspolitik „eine Kaskade negativer Effekte für die MS-PatientInnen“ produziert, werfen Hartung und seine KollegInnen auch die Frage nach der „Ethik unseres gegenwärtigen, dem freien Markt unterworfenen Arzneipreis-Systems“ auf und fordern gesundheitspolitische Maßnahmen.

Von Seiten der PatientInnen-Verbände sehen sich BAYER & Co. ob ihrer Geschäftspraxis schon länger einer starken Kritik ausgesetzt. So hat die „National MS Society“ bereits im September 2016 eine Kampagne für billigere MS-Medikamente gestartet. „Der kontinuierliche Preis-Anstieg für Arzneien zur Linderung der Multiplen Sklerose errichtet für die Patienten Barrieren, die für sie lebenswichtige Medikationen auch zu erhalten“, erklärte der Verband. Der Leverkusener Multi, der in den Vereinigten Staaten 2016 mit BETASERON einen Umsatz von 386 Millionen Euro machte, ignoriert das aber geflissentlich. „BAYERs Engagement für die MS-Kranken begann bereits vor 25 Jahren, und wir fühlen uns weiterhin verpflichtet, den Bedürfnissen der Patienten gerecht zu werden“, heißt es in der Stellungnahme des Konzerns zur Maßnahme des Kongresses scheinheilig.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) begrüßt das anlaufende Prüf-Verfahren. „Endlich gibt es für BAYER Ärger im bisherigen Preis-Paradies USA. Die früheren Untersuchungen zu Arzneien haben schon so manches Mal zu Kosten-Senkungen geführt. Dazu muss es auch im vorliegenden Fall kommen. Das genügt jedoch nicht. Der ganze komplett unregulierte US-amerikanische Pharma-Markt gehört auf den Prüfstand. Er darf den Pillen-Riesen nicht länger dazu dienen, Extra-Profite auf Kosten der PatientInnen und des Gesundheitssystems zu generieren“, hält Jens Wegener von der CBG-Geschäftsstelle fest.

[Störfall] Störfall in Bergkamen

CBG Redaktion

Unterstützt unsere Forderungen mit eurer Unterschrift

Erneut bilden sich Faulgase

Störfall in Bergkamen

Am Samstagabend kam es im BAYER-Werk in Bergkamen zur Bildung von Faulgasen. Bis voraussichtlich Mitte dieser Woche soll die Geruchsbelästigung anhalten. Obwohl der Konzern selbst von Gasen spricht, die in der Nase stechen, will er den Betrieb nicht unterbrechen.
AnwohnerInnen und Belegschaftsangehörige sind so gezwungen, mit dem unerträglichen Gestank zu leben. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) fordert, dass der Zwischenfall nicht auf dem Rücken der Belegschaft ausgetragen werden darf. „In so einer Situation ist es für jeden Menschen unerträglich zu arbeiten. Die Gesundheit seiner Angestellten hat dem BAYER-Konzern mehr wert zu sein als die Profite.“, sagt Jens Wegener von der CBG.
Bis der Konzern die Geruchsbildung beseitigt hat, müssen die Beschäftigten bei vollem Lohnausgleich von der Arbeit freigestellt werden. Des Weiteren ist es nötig zu prüfen, ob es bei ihnen oder AnwohnerInnen in der näheren Umgebung zu Beeinträchtigungen der Gesundheit gekommen ist.
„BAYER spielt Zwischenfälle gerne herunter. Es liegt nun an den Behörden, diesen Zwischenfall und seine Folgen genau zu prüfen.“, gibt CBG-Vorstandsmitglied Jan Pehrke zu bedenken.
Bereits seit Jahren klagen die BergkamerInnen über Geruchsbelästigungen, die vom BAYER-Werk ausgehen. Die 2008 eingeleitete Sanierung hat bislang keine Abhilfe schaffen können. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für schlechte Luft. Ende Juli 2012 schließlich traten an einigen Leitungen Risse auf, durch die Abwässer sickerten und Duftmarken setzten. Deshalb entschloss sich der Global Player erneut zu Reparatur-Arbeiten. Aber auch diese brachten keine Abhilfe. Im Juni 2013 beschwerten sich die BergkamerInnen erneut und klagten über Übelkeit und Kopfschmerzen. Knapp anderthalb Jahre später fiel dann die letzte Stufe der Abwasser-Reinigung aus. Im Mai 2015 schließlich erhielt der Puffer-Behälter eine Generalüberholung. Aber auch das brachte offensichtlich nichts.
„Der erneute Störfall zeigt, dass die bisherige Flickschusterei nicht weiterhilft. BAYER bleibt nichts anderes übrig, als endlich ein umfassendes Sanierungskonzept für seine Niederlassung vorzulegen“, so Jens Wegener abschließend.